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Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 1. Untersuchungsausschuss Protokoll Nr. 64 (Sitzungsteil Zeugen- vernehmung, I: Öffentlich) 10. Januar 2012 Stenografisches Protokoll - Endgültige Fassung * - der 64. Sitzung des 1. Untersuchungsausschusses am Donnerstag, dem 1. Dezember 2011, 10.00 Uhr Paul-Löbe-Haus, Berlin Vorsitz: Dr. Maria Flachsbarth, MdB Tagesordnung Vernehmung von Zeugen, im Einzelnen: Herr Andreas Graf von Bernstorff gemäß Beweisbeschluss 17-215 Herr Klaus Poggendorf gemäß Beweisbeschluss 17-174 Seiten 1 - 96 * Hinweis: Die Korrekturen des Zeugen Klaus Poggendorf (siehe Schreiben vom 16. Dezember 2011, Anlage ) wurden in das Protokoll eingearbeitet. Der Zeuge Andreas Graf von Bernstorff hat keine Korrekturen vorgenommen.

dipbt.bundestag.dedipbt.bundestag.de/doc/btd/17/CD13700/Protokolle/Protokoll Nr. 64.… · Deutscher Bundestag 17. Wahlperiode 1. Untersuchungsausschuss Protokoll Nr. 64 (Sitzungsteil

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Deutscher Bundestag17. Wahlperiode

1. Untersuchungsausschuss

Protokoll Nr. 64(Sitzungsteil Zeugen-

vernehmung, I: Öffentlich)10. Januar 2012

Stenografisches Protokoll- Endgültige Fassung* -

der 64. Sitzungdes 1. Untersuchungsausschusses

am Donnerstag, dem 1. Dezember 2011, 10.00 UhrPaul-Löbe-Haus, Berlin

Vorsitz: Dr. Maria Flachsbarth, MdB

Tagesordnung

Vernehmung von Zeugen, im Einzelnen:

Herr Andreas Graf von Bernstorffgemäß Beweisbeschluss 17-215

Herr Klaus Poggendorfgemäß Beweisbeschluss 17-174

Seiten

1 - 96

*Hinweis:

Die Korrekturen des Zeugen Klaus Poggendorf (siehe Schreiben vom 16. Dezember 2011, Anlage ) wurdenin das Protokoll eingearbeitet. Der Zeuge Andreas Graf von Bernstorff hat keine Korrekturen vorgenommen.

1. Untersuchungsausschuss 1[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

(Beginn: 10.07 Uhr)

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehrgeehrten Damen und Herren! Herr Graf vonBernstorff, herzlich willkommen zu unsererheutigen öffentlichen Sitzung des Untersu-chungsausschusses, in der wir Sie, Herr vonBernstorff, als Zeugen zu unserem Untersu-chungsauftrag hören werden.

Die Presse macht jetzt noch zunächst einpaar Auftaktbilder, und nachdem die Presseden Raum dann verlassen hat, werden wirmit der Befragung und mit der Sitzung begin-nen. Deshalb haben wir noch ein paar Mo-mente, wo wir Gelegenheit geben sollten. -Wunderbar.

Dann möchte ich Sie, die Vertreter derPresse, jetzt bitten, den Raum zu verlassenund Film-, Ton- und Bildaufnahmen zu been-den. Dasselbe gilt für die heute ganz zahl-reich anwesenden Besucher dieser Sitzung.Ich möchte die Besucher auch bitten, dasssie auf die Benutzung der Mobiltelefone wäh-rend der gesamten Sitzung verzichten, dakeine weiteren Dokumentationen dieser Sit-zung, es sei denn handschriftlich, vorge-nommen werden sollen.

Einziger Punkt der Tagesordnung:

Vernehmung von Zeugen,im Einzelnen:

Andreas Graf von Bernstorffgemäß Beweisbeschluss 17-215

Herr Klaus Poggendorfgemäß Beweisbeschluss 17-174

Vernehmung des ZeugenAndreas Graf von Bernstorff

Herr Graf von Bernstorff, ich begrüße Siesehr herzlich offiziell in dieser Ausschusssit-zung. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass wireine Tonbandaufnahme dieser Sitzung an-fertigen, die ausschließlich dem Zweck dient,die stenografische Aufzeichnung der Sitzungzu erleichtern. Die Aufnahme wird dann nachGenehmigung des Protokolls wieder gelöschtwerden.

Der Ausschuss hat Ihnen den Beweisbe-schluss 17-215, den Untersuchungsauftragund einen Auszug aus dem Untersuchungs-ausschussgesetz übersandt. Eine Emp-fangsbestätigung liegt uns vor.

Ich muss Sie nun formal belehren. Siesind als Zeuge verpflichtet, die Wahrheit zusagen. Ihre Aussagen müssen daher richtigund vollständig sein. Sie dürfen nichts weg-lassen, was zur Sache gehört, und nichtshinzufügen, was der Wahrheit widerspricht.Ich habe Sie außerdem auf die möglichenstrafrechtlichen Folgen eines Verstoßes ge-gen die Wahrheitspflicht hinzuweisen. Wervor dem Untersuchungsausschuss uneidlichfalsch aussagt, kann gemäß § 153 des Straf-gesetzbuches mit Freiheitsstrafe von dreiMonaten bis zu fünf Jahren oder mit Geld-strafe bestraft werden.

Nach § 22 Abs. 2 des Untersuchungsaus-schussgesetzes können Sie die Auskunft aufsolche Fragen verweigern, deren Beantwor-tung Sie selbst oder Angehörige im Sinnedes § 52 Abs. 1 der Strafprozessordnung derGefahr aussetzen würde, einer Untersu-chung nach einem gesetzlich geordnetenVerfahren, insbesondere wegen einer Straf-tat oder einer Ordnungswidrigkeit, zum Bei-spiel einem dienstlichen Ordnungsverfahren,ausgesetzt zu werden.

Sollten Teile Ihrer Aussage aus Gründendes Schutzes von Dienst-, Privat- oder Ge-schäftsgeheimnissen nur in einer nach derGeheimschutzordnung des Bundestags ein-gestuften Sitzung möglich sein, so bitte ichSie um einen Hinweis, damit der Ausschussdann gegebenenfalls einen entsprechendenBeschluss fassen kann. Ich weise darauf hin,dass Vorhalte aus eingestuften Akten nur inebenso eingestuften Sitzungen zulässig sind.

Haben Sie hierzu bislang Fragen? -Danke schön.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Das hatte ich ja auch schon gelesen. -Danke.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Ja,wunderbar. - Dann darf ich mit der Verneh-mung zur Person beginnen und nach diesenVorbemerkungen Sie nach Ihrem vollständi-gen Namen und Ihrem Alter fragen und zu-gleich fragen, ob die für Ihre Ladung ver-wandte Adresse noch korrekt ist?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, mein Name ist Andreas Graf vonBernstorff. Ich bin am 9. März 1942 geboren,stehe also kurz vor dem 70. Geburtstag. Undmein Wohnsitz ist immer der gleiche: Schonseit 300 Jahren wohne ich in ….

1. Untersuchungsausschuss 2[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

DEUTSCHER BUNDESTAG - STENOGRAFISCHER DIENST

(Heiterkeit)

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Ichwill jetzt nicht glauben, dass Sie seit300 Jahren dort leben. Aber solange wie Sieleben, mögen Sie dort leben; das ist wohlwahr.

Dann beginnen wir mit der Vernehmungzur Sache. Dem Ausschuss geht es ja da-rum, zu klären, ob es auf dem Wege zu derzentralen Lenkungsentscheidung der Bun-desregierung vom 13. Juli 1983, nämlich denSalzstock Gorleben und keinen weiterenStandort weiter obertägig zu erkunden - denSalzstock Gorleben untertägig -, irgendwel-che Manipulationen gegeben hat. Zugleichuntersuchen wir das Umfeld, also von derBenennung des Salzstocks durch die nieder-sächsische Landesregierung im Jahr 1977,bis hin zur Veränderung des Erkundungs-konzeptes in den Jahren 87 bis 89.

Wenn Sie wünschen, dann haben Sienach § 24 Abs. 4 des Untersuchungsaus-schussgesetzes die Gelegenheit, sich imZusammenhang zum Gegenstand Ihrer Ver-nehmung zu äußern; andernfalls würde ichsogleich mit den Fragen beginnen. Wie wür-den Sie gerne vorgehen wollen?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, ich würde sehr gerne ein einführendesStatement machen. Ich habe gehört, die sindzum Teil bis zu einer Stunde lang; ich würdemich aber kürzer halten. Ja, dann sehe ichden Fragen optimistisch entgegen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Bitte schön.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, es kann jetzt losgehen?

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Eskann losgehen.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Sehr verehrte Frau Dr. Flachsbarth! MeineDamen und Herren Bundestagsabgeordneteund liebe Besucher! Ich muss mich erst malentschuldigen, dass ich hier etwas zu spätgekommen bin. Wenn man aus dem Wend-land kommt und dann erlebt man diesenStau hier, dann denkt man, man ist aufeinem anderen Planeten. Und ich hatte ge-dacht: Also drei Stunden Zeit müssen eigent-

lich genügen. Aber nun, es hat ja noch soeinigermaßen geklappt.

Sie wissen wahrscheinlich alle, dass ichdiesen Gorleben-Prozess von Anfang an mit-beobachtet, miterlebt habe, und es ist natür-lich nicht so einfach, sich an Details, die sichin diesen 34 Jahren abgespielt haben, imEinzelnen zu erinnern. Und ich muss natür-lich davon ausgehen, dass Sie jetzt über alldas, was mit mir zusammenhängt in diesen34 Jahren, Fragen stellen. Aber ich kann dashalt nur so beantworten, wie ich mich auchnoch erinnern kann, und dann werde ichmich auch an das halten, was Sie mir aufge-geben haben, Frau Dr. Flachsbarth.

Ja, 34 Jahre Leben mit Gorleben: Das isteben nicht mehr alles präsent. Aber ich kannmich doch noch sehr gut erinnern an die Artund Weise, wie ich mit dem Gorleben-Kom-plex konfrontiert wurde. Man hatte ja schon1976 so etwas läuten hören von verschiede-nen Standorten für ein nukleares Entsor-gungszentrum. Das ging damals um Wahn,Lichtenhorst, Lutterloh - Gorleben noch garnicht -; aber dann kam - ich erinnere mich,glaube ich - - Ende 76 fiel auch der StandortGorleben. Und die eigentliche Überraschungwar dann am 22. Februar 1977, wo unserLandkreis und ich auch persönlich mit derNachricht überfallen wurden, dass Gorlebennun als einziger Standort für ein nuklearesEntsorgungszentrum ausgewählt sei.

Wie Sie sicher wissen, gehörte oder ge-hört mir immer noch etwa die Hälfte der Flä-che, die für das nukleare Entsorgungszen-trum vorgesehen war. Ich bin dann ganz kurznach der Standortentscheidung gebetenworden, nach Hannover zu kommen und mitdem damaligen Ministerpräsidenten Albrechtein Gespräch zu führen, und da wurde icheben mit der Tatsache, mit dieser Standort-entscheidung, konfrontiert. MinisterpräsidentAlbrecht hätte damals sicher Verständnisdafür, dass ich das nicht gleich begrüße;aber in zwei Jahren wäre die ganze Sachegelaufen; so wie an anderen Standortenhätte sich dann die Bevölkerung dran ge-wöhnt.

Nun, so war das offensichtlich nicht. DiePolitik und die Betreiber hatten damit ge-rechnet, dass das alles schnell über dieBühne gehen würde, und da hatte man aller-dings die Rechnung ohne den Wirt gemacht.Meine Einstellung zu den damaligen Plänenist hinreichend bekannt. Trotz verlockenderKaufangebote und Androhung der Enteig-nung habe ich mich nach Abstimmung mit

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meinem Beraterkreis - es waren übrigensviele, also auch einige Leute aus der Wirt-schaft dabei, also nicht nur eine einseitigeRunde - - Ich habe mich dann entschlossen,die mir 1978 angebotene große Summe fürden Verkauf meiner Flächen, wo das Entsor-gungszentrum sich etablieren sollte, abzu-lehnen.

Ich war dann unter anderem bei dem Vor-standsvorsitzenden der damaligen DWK,Herrn Scheuten, der mir dann auch klar-machte, dass im Falle, dass ich ebendiesesAngebot nicht annehme, mit einer Enteig-nung zu rechnen sei, wo dann nur noch einBruchteil des Preises geboten würde.

Ich muss zugeben, dass für mich bei derAuseinandersetzung mit dem Thema„Wiederaufarbeitung und Entsorgung deshochaktiven Mülls“ die Geologie des Salz-stocks Gorleben auch noch keine so großeRolle spielte, sondern sehr viel mehr damalsdas gigantische, menschenfeindliche Projektder Wiederaufarbeitung der abgebranntenBrennelemente.

Professor Kühn hatte in einer öffentlichenSitzung des Ausschusses für Forschung undTechnologie zur Geologie des SalzstocksGorleben, ohne allerdings nähere Erkennt-nisse darüber zu haben, Folgendes erklärt:

Ich kann zu den Standortproblemenvon Gorleben nur etwas von derEndlagerseite her sagen, d. h. vonder Eignung des Salzstockes. Prin-zipiell habe ich keinerlei Bedenken,daß sich der Salzstock Gorleben alsnicht geeignet erweisen wird. Es istalso mit Sicherheit so, daß wir indem Salzstock von Gorleben, deretwa eine Ausdehnung von 3 - 5 kmin der Breite und 45 km in derLänge hat, einen geeigneten Platzinnerhalb dieses Salzstock findenwerden, an dem sich das Endlagereinrichten läßt.

Also, so nachzulesen in einem Papier,was gemacht worden ist von diesem Aus-schuss für Forschung und Technologie am25. Mai 1977, Sitzung - - Ja, das Buch habeich dabei; das kann jeder nachlesen.

Diese unkritische Positivbewertung desSalzstocks wurde uns - ich muss es mal soausdrücken - die vergangenen 34 Jahre umdie Ohren geschlagen. Keine Rede damalsvon den - allerdings den Fachleuten dochschon bekannten - Gas- und Kohlenwasser-stoffvorkommen im, unter und an den Flan-ken des Salzstocks.

Wie verheerend sich die aus politischenGründen getroffene Entscheidung, nur eineneinzigen Standort auf seine Eignung alsEndlager für hochaktiven Müll zu untersu-chen, auswirkte, wurde bei der Informations-veranstaltung der Bundesregierung im Gilde-haus Lüchow im November 1981 bereitsdeutlich. Der Präsident der Bundesanstalt fürGeowissenschaften und Rohstoffe, ProfessorWenzel, antwortete auf die Frage von demRechtsanwalt Herrn Römmig, der sagte: „Istes denn möglich, dass hier nur ein einzigerStandort untersucht wird, und ist das Tatsa-che, dass auch nur Salzgestein untersuchtwerden soll?“, folgendermaßen, und zwar,dass von allen Bundesländern nur Nieder-sachsen einen einzigen Standort zur Unter-suchung freigegeben hätte; man könne kei-nen anderen Standort untersuchen, und zwarwegen der herrschenden Gesetze.

Bei der Informationsveranstaltung im Ok-tober 1982 in Hitzacker sprach ProfessorKühn wieder darüber, dass man trotz derkurzen Zeiträume, in denen man Untersu-chungen in der Asse mache, diese Verhält-nisse auf Gorleben extrapolieren könne. Diesgelte insbesondere für den Wärmeeintrag ineinem Endlager für hochradioaktive Abfälle.Wenn man das, was er damals gesagt hat,auf den Salzstock Gorleben tatsächlich ex-trapolieren würde und das im Lichte der Er-eignisse, über die wir alle wissen, was da losist im Forschungslager Asse, dann müssteman eigentlich über eine Weitererkundungdes Salzstocks Gorleben gar nicht mehr dis-kutieren.

Bei dieser gleichen Veranstaltung brachteProfessor Dr. Kasig - der ist damals Geolo-gieprofessor in Aachen gewesen - folgendenBeitrag:

Die Veranstaltung müsse doch zum Zielhaben, durch sachliche Informationen Ver-trauen zu schaffen, um die Einsicht in dieNotwendigkeit der Endlagerung zum Wohleder Allgemeinheit bei der betroffenen undsich betroffen fühlenden Bevölkerung zufördern. Das könne aber nur dann gelingen,wenn vorher keine Maßnahmen ergriffenwürden, die als Schritte zur Schaffung voll-endeter Tatsachen und Sachzwänge be-trachtet werden müssten. Es führe nichts ander Tatsache vorbei, und wir sollten alle die-ses Faktum sorgfältig für die Zukunft aufbe-wahren, dass es von Beginn an in unseremLande keine wesentliche Diskussion undinterdisziplinäre Zusammenarbeit mit demZiel der Erstellung einer umfassenden geo-

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wissenschaftlichen und technischen Konzep-tion für die Endlagerung gegeben habe, undzwar dies, bevor Kernkraftwerke gebaut undbetrieben worden seien. Stattdessen seiadministrativ vorgegangen und einseitig diegeologisch schlechteste Lösung favorisiertworden, nämlich die Salzstockvariante ineinem jungen, mobilen Gebiet, das dazunoch nicht einmal voll zugänglich sei, da einTeil des Salzstocks auf dem Gebiet der DDRliege. Dazu komme, dass es weder Kriteriennoch Alternativen für die Endlagerung gebe,wie es zum Beispiel in den USA der Fall sei.

Ich habe das jetzt so ein bisschen aus-führlich vorgetragen, weil ich finde, das sagteigentlich alles über die Art und Weise, wie jaauch mit der Bevölkerung, mit diesen ganzenProblemen umgegangen worden ist. Und ichbehaupte, dass wir heute kein Stück weitersind als 1983, wo es zumindest noch eineneinigermaßen nachvollziehbaren Rahmen-betriebsplan für die Erkundung des Salz-stocks gegeben hat.

Die jetzt vom Landesbergamt auf der Ba-sis des alten Rahmenbetriebsplans von1983, der ja kein Umweltverträglichkeitsgut-achten und Studie vorsieht - - Diese geneh-migte und vollkommen absurde Erkundungs-strecke hat nur den Zweck, Salzrechte, dievon mir und von der Kirche nicht abgegebenwerden, zu umgehen. Uns als betroffeneBürger hat man nicht überzeugen können,dass auf diese Weise nach menschlichemErmessen der sicherste Standort für einEndlager, in dem hochradioaktiver Müll fürMillionen von Jahren gelagert werden muss,der beste Standort gefunden werden kann.

In dem ursprünglichen Gutachten von derPTB, an dem auch noch der ProfessorDuphorn beteiligt war, wurden kritische Pas-sagen auf Veranlassung der damaligen Re-gierung Kohl herausgestrichen. Darin standunter anderem:

Über den zentralen Bereichen desSalzstocks Gorleben haben die da-rüberliegenden tonigen Sedimentekeine solche Mächtigkeit, daß sie inder Lage wären, Kontaminationenauf Dauer von der Biosphäre fern-zuhalten.

Aus meiner Sicht und der vieler andererkritischer Mitbürger, die dieses Vorgehen derBetreiber und der öffentlichen Hand seitJahrzehnten verfolgt haben, war eigentlichnur eine Schlussfolgerung zu ziehen, näm-lich: Die Geologie des Salzstocks Gorleben

stand nicht im Mittelpunkt der Auswahlkrite-rien für den richtigen Standort, sondern vieleher die Lage an der Grenze, die geringeBevölkerungsdichte, die abgebrannte, riesigeWaldbrandfläche usw.

Dabei kann es doch nicht strittig sein,dass der gefährlichste Abfall, den dieMenschheit je erzeugt hat, für Millionen vonJahren so sicher gelagert werden muss, dassein Kontakt zur Biosphäre ausgeschlossenwerden muss und dass dafür eben der besteStandort, unter Anwendung von Kriterien, dieauch für Laien nachvollziehbar sind, zu su-chen ist.

Ich blende noch mal ein bisschen zurück.Wir haben ja dann alle den Bau des Zwi-schenlagers erlebt. Das war also auch eineinteressante Geschichte, dass, nachdem erstmal dieses NEZ noch zur Diskussion stand,da auf einer Fläche, die ich der Bürgerinitia-tive verpachtet hatte, ein Spielplatz und einpaar Schilder mit kernenergiekritischenBemerkungen aufgestellt werden sollten, undwir haben uns jahrelang mit dem Landkreis,mit dem Oberkreisdirektor - Herr Poggendorfwird ja heute Nachmittag auch zu Wortekommen - herumgeschlagen, dass das ebenkein genehmigtes Bauvorhaben ist und dassdas - - Das war also ein Riesenproblem, dadiesen kleinen Kinderspielplatz zu bauen,während es mit dem Zwischenlager sehrleicht über die Bühne ging, nämlich: Da gabes keinen Bebauungsplan, keinen Flächen-nutzungsplan, sondern es gab eine sehrerleichterte Bebauung im Außenbereich, wieman das sonst auch für landwirtschaftlicheScheunen kennt. Das hat also auch nicht zurBeruhigung der Bevölkerung beigetragen.

Sie alle kennen wahrscheinlich diesenVertrag, den die Betreiber mit der Samtge-meinde Gartow, mit der Gemeinde Gorlebenabgeschlossen haben, über die Lagerungvon Castorbehältern in Castorlagern. Das istalso ein Vertrag - - Wir nennen ihn „Wohlver-haltensvertrag“, das heißt also: Nur wenn dieGemeinde mit allen Mitteln, die sie hat, dieAnsiedelung des Zwischenlagers und dieCastortransporte akzeptiert, dann bekommtsie die hohe jährliche Summe von fast1 Million; je mehr Castorbehälter kommen,desto mehr.

Ich meine, dass - das muss man einfachhier mal sagen; es ist wahrscheinlich auchschon sowieso bekannt - - so was aber über-haupt juristisch möglich ist, die Kommunal-politiker so unter Druck zu setzen oder mit

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denen so einen Vertrag zu machen, ist fürmich schon ein kleines Wunder.

Es gibt ein von meinen Vorfahren für denjeweiligen Besitzer des Gutes Gartow vor300 Jahren verfasstes Familienstatut; es istalso ein riesiger, in Pergament gebundenerBand mit vielen Siegeln. Dieses enthält einengroßen Katalog von Anforderungen an denBesitzer des Fideikomissgutes, die weit überdie sonst üblichen Regeln für ein Fideikom-miss hinausgingen. Der Besitzer war gewis-sermaßen nur Treuhänder des Gutes. Erdurfte das Gut nicht verkaufen und sollte esungeschmälert an seine Nachkommen über-tragen. Er sollte nicht auf den eigenen Vorteilsehen, sondern an die Zukunft und dasBeste seiner Nachkommen denken.

Diese Ansprüche an die jeweiligen Besit-zer, das waren also keine leeren Hülsen,sondern sie wurden seit Errichtung des Fa-milienstatuts 1725 von den Nachfolgern alsoeng ausgelegt, und diese Gesinnung hatsicher etwas mit dem zu tun, was Sie alsmein Verhalten kennen, aber auch viel mitNachhaltigkeit, wie wir sie in der deutschenForstwirtschaft schon seit Mitte des 19. Jahr-hunderts kennen.

Es gibt gute Gründe für mich, Mitverant-wortung abzulehnen für ein Vorgehen, beidem durch unsachgemäßen und unverant-wortlichen Umgang mit dem hochgefähr-lichen, Jahrtausende strahlenden Atommüllkommende Generationen belastet werden fürDinge, die wir verursacht haben.

Als Eigentümer von Grund und Bodenund Inhaber umfangreicher Salzabbau-gerechtigkeiten habe ich immer wieder meineRechtsposition genutzt, um zu hinterfragen,ob für ein Endlager für hochaktiven Atommüllin Gorleben, so wie das dort stattfindet, wirk-lich ein öffentliches Interesse besteht und obangesichts der vielen Zweifel an der Eignungvon Gorleben alternative Standorterkundungnicht dringend geboten ist. Während die Be-treiberseite ja mit einem Tross von Anwältenauf Kosten des Steuerzahlers oder derStromverbraucher bei solchen Prozessengegenwärtig ist, stehe ich mit allerdings vie-len sehr uneigennützigen Bürgern, die dieKosten für Prozesse mittragen, aber manch-mal irgendwo sehr allein, und das bitte ichvielleicht auch mal so zu sehen.

Als das Bundesamt für Strahlenschutz diemeisten Verträge zur Nutzung der Salzrechteabgeschlossen hatte, war ja der Eingangs-schacht, der mit seiner Dimension für einEndlager ausreicht, bereits ohne ein atom-

rechtliches Planfeststellungsverfahren aus-gebaut, nur mit dem Berggesetz. Die dama-lige CDU-Bundesregierung hatte unter Kohlals Kanzler und Frau Merkel als Umwelt-ministerin nach der Novellierung des Atom-gesetzes § 9 d die Enteignung meiner Salz-rechte beantragt. Das ist dann auch so insAtomgesetz aufgenommen worden; das istIhnen bekannt. Die Enteignung mithilfe dersogenannten „Lex Bernstorff“ kam dann al-lerdings nicht zum Zuge und wurde nachunserer Klage zurückgezogen.

Ja, sehr verehrte Frau Dr. Flachsbarthund verehrte Anwesende, ich muss einfachsagen: Politik und Wirtschaft haben es ver-säumt, den Konsens mit der Bevölkerung inunserem Landkreis zu suchen. Durch In-transparenz und Unaufrichtigkeit ist das Ver-trauen in Sachen Atommüll restlos beschä-digt. Das hat in eindrucksvoller Weise malwieder der Castortransport, wie wir ihn amletzten Wochenende erlebt haben, bestätigt.Es wäre die Aufgabe der Politik und Wirt-schaft gewesen, eine solche Protestbewe-gung gar nicht erst entstehen zu lassen.

Die Benennung des Standorts Gorlebenaus rein politischen und nicht geologischenGründen, die weitere Erkundung des Salz-stocks Gorleben nach dem veralteten Berg-recht von 1983, die Verheimlichung vonwichtigen Fakten wie den Gas- und Kohlen-wasserstoffvorkommen im Salzstock, derAsse-Skandal, die Fixierung auf nur eineneinzigen Standort durch weitere Castortrans-porte ins Zwischenlager trotz erhöhter undnicht aufgeklärter Umgebungsstrahlung, dieUnfähigkeit der Regierung, glaubhaft zu ma-chen, dass es jetzt wirklich ein alternativesSuchverfahren geben wird - das sage ichjetzt so, weil ja bekannt ist, dass im nächstenJahr für alternative Standortuntersuchung3 Millionen Euro zur Verfügung stehen, fürdie Weitererkundung des Gorlebener Salz-stocks irgendwas um 70 Millionen -, all dassind Gründe für mich, im Widerstand jetztnicht nachzulassen, und auch für meineWeigerung, meine Salzrechte nicht freiwilligabzutreten.

Ja, ich möchte meine jetzt vielleicht dochlang gewordenen Ausführungen wieder mitetwas beenden, was Sie auch so nachlesenkönnen in unserem Familienstatut, was, wieich doch finde, sehr gut für die Situationpasst - wie gesagt, vor 300 Jahren so nie-dergeschrieben, in der etwas merkwürdigenSprache damals, mit viel Latein rein-gemengt -:

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Omne praesens est momentaneum,

- also, alle Gegenwart ist nur ein Moment -

und gehet bald vorbei, die futurawähret lange und können langewähren und muß man wegen eineskleinen kurzen Genusses, das solange dauern wird, nicht verderben.Endlich hat auch ein jeder sich be-ständig vorzustellen, daß sein undder seinigen Wohlfahrt mit derWohlfahrt und dem bene esse aufguten Gouvernemente des Landes,der Republik oder Societas Civilis,worin man lebt und wo manstabiliret ist, mit dem Wohl desLandes untrennbar verbunden ist.

Ja, ich fand, das ist etwas, was so inte-ressant ist, dass das eigentlich auch heutenoch sehr, sehr aktuell ist, so ein Ausspruch.

Ich bedanke mich für Ihre Geduld undsehe den Fragen entgegen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Vielen Dank, Herr von Bernstorff, für Ihreeinführenden Worte, die ja zugleich ein politi-sches Statement waren wie auch historischeund möglicherweise auch ethische Implika-tionen hatten.

Wir wollen jetzt versuchen, die Vergan-genheit ein wenig zu erhellen. Sie habenauch einige Anmerkungen gemacht zur Zu-kunft des Gorlebener Salzstocks, zur Zukunftder Endlagerung in Deutschland. Das sindsicherlich ausgesprochen interessante Fra-gen, die zu lösen allerdings nicht die Aufgabedieses Untersuchungsausschusses ist, son-dern die vielmehr im Umweltausschuss er-örtert werden, und ich freue mich, dass es dajetzt Bewegung zu geben scheint.Sie haben eben in Ihren Ausführungenbereits angemerkt: Für die vollständige Er-kundung des Salzstocks in Gorleben sindGrundstücke - Ihre Grundstücke - von be-sonderer Bedeutung. Rund 10 MillionenQuadratmeter Ihres Grundeigentums liegenim Bereich des Erkundungsbergwerks Gorle-ben; das ist auch nachzulesen - für das Pro-tokoll - in MAT A 126, Band 8, Paginierung166283 bis 84. Das ist ein Vermerk des Bun-desumweltministeriums vom 6. August 87:„Betr.: Erwerb von Salzrechten im Zusam-menhang mit der untertägigen Erkundung fürein Endlagerbergwerk“.

Jetzt hat es doch eine Entwicklung gege-ben - jedenfalls habe ich die so wahrgenom-men in den Akten - bezüglich Ihres Verhal-tens gegenüber einer möglichen Erkundung

dieses Salzstocks. So haben Sie 1983 ineiner Vereinbarung mit dem Bund Ihr Einver-ständnis zur obertägigen Standorterkundung,unter anderem Sprengsalz mit Pumpversu-chen, einschließlich des Abteufens einesBrunnens und einer Kabelverlegung, erklärt.Das entnehme ich MAT A 116, Band 19,Paginierung 540023 ff. Das ist die Vereinba-rung zwischen der Bundesrepublik Deutsch-land, vertreten durch den Präsidenten derPTB, und Andreas Graf von Bernstorff, vom13. Oktober 1983, über die Durchführung vonStandorterkundungsmaßnahmen und überdie in diesem Zusammenhang zu leistendenEntschädigungen. Dann haben Sie aber,obwohl oder während die Salzrechte fastaller privaten Eigentümer erworben werdenkönnten, die Abgabe oder den Verkauf IhrerSalzrechte verweigert, genauso wie dieevangelische Kirchengemeinde in Gartow.Das finden wir wiederum unter MAT E 7,Band 28, Paginierung 437 bis 444. Das istder Stellungnahme des BfS „Vorgehens-weise bei der untertägigen Erkundung desSalzstocks Gorleben“ vom 23. Juli 1993 zuentnehmen. Und dann wiederum, im Jahr1989, machten Sie den Abschluss einesNutzungsvertrages mit der PTB vom Aus-stieg aus der Kernenergie abhängig. Da zi-tiere ich:

Graf Bernstorff legt anschließenddar, daß ein Abschluß des Nut-zungsvertrages für ihn nur in Fragekomme, wenn der Bund seine bis-herige Haltung zur Kernenergie ge-ändert und den „Ausstieg aus derKernenergie“ beschlossen habe.

Das finden wir nun wiederum in MAT A 126,Band 8, Paginierung 166205. Das ist ein Pro-tokoll über ein Gespräch am 13. September1989 in Gartow, übersandt an Andreas Grafvon Bernstorff mit PTB-Schreiben vom20. September 1989, betreffend Nutzung vonSalzbergbaugerechtigkeiten am SalzstockGorleben.

Das, lieber Herr von Bernstorff, zeigt jamöglicherweise eine gewisse Entwicklungoder aber auch eine jeweils andere Schwer-punktsetzung, wenn ich das mal so sagendarf. Könnten Sie erklären, warum Sie aufder einen Seite 1983 gesagt haben: „Okay,obertägige Standorterkundungsmaßnahmenlasse ich zu, damit bin ich einverstanden“,auf der anderen Seite dann aber 1993 nochmal ganz klar festgeschrieben ist in einemDokument des BfS: „Eine untertägige Erkun-

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dung kann nun aber überhaupt nicht sein“?Könnten Sie das bitte erläutern?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, da kann ich schon einiges dazu sagen.Sie müssen das Ganze vielleicht erst mal vordem Hintergrund sehen: Am Anfang ging esum dieses NEZ-Projekt. Das war ja natürlichnoch mal ein ganz anderes Ding als diespätere Benennung Gorlebens als Endlagerfür hochaktiven Müll. Ich gebe schon zu,dass ich nach der Entscheidung von Minis-terpräsident Albrecht - - aber nachdem eseigentlich sicher war, dass es nicht zu einerWiederaufbereitung kommt, dass ich erst malgesagt habe: Ich bin offen. - Das ist übrigensauch sowieso meine Haltung. Nachdem dieCDU ein Parteiausschlussverfahren gegenmich angeleiert hat, bin ich danach über-haupt nicht wieder - -

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Abernicht wegen Ihrer inhaltlichen

Frage!)

- Doch, das wurde mir schon ganz offen sogesagt: dass ich von der Parteilinie abweicheund mich - -

Ich weiß nicht, wie das jetzt hier ist, werdann jeweils reden soll. Aber ich muss ja erstmal auf die Frage antworten.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Ehrlich gesagt, Sie und ich, lieber Herr Grafvon Bernstorff.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Okay.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Aberdie Wahrheit sagen! - Gegenruf)

- Das tue ich auch.Also, ich habe mich mit der Durchführung

dieser hydrogeologischen Bohrungen einver-standen erklärt; das haben Sie völlig richtigwiedergegeben - ich weiß jetzt nur nicht ge-nau die Termine und Aktenstücke; das kannich gar nicht wissen -, weil ich gesagt habe:Das ist ja noch weit entfernt von einem End-lagerausbau. Und ich stelle mir das ja auchso vor: Wenn man alternative Standorte er-kundet, muss man erst mal solche obertägi-gen Bohrungen machen. Das war ja dannnoch nicht die Situation, die eingetreten war,nachdem der Schacht ausgebaut wurde undnachdem deutlich wurde, dass der Schachtfür ein angebliches ErkundungsbergwerkAusmaße hatte, die man - - Darum ging es ja

nachher auch in den Prozessen, wo manauch ohne Weiteres den Schacht für einEndlager, also für die Verbringung von Pol-lux-Behältern in den Salzstock, benutzenkonnte. Das war einfach eine andere Situa-tion; aber ich möchte einfach mal sagen - ichbitte, mich da auch richtig einzuschätzen -:Ich habe mich grundsätzlich für Gesprächeoffengehalten mit Anhängern, mit Politikern,mit Betreibern, weil ich mir einfach ein klaresBild verschaffen wollte über das, was davorgeht, und weil die Entscheidungen, die ichjetzt hier zu treffen hatte, wirklich von gro-ßem Gewicht waren, und deswegen habe ichdiese Gespräche auch sehr ernsthaft geführt.

Die letzte Frage, die Sie gestellt hatten,können Sie die noch mal - -

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Ja,das war die Frage, warum sich das entwi-ckeln konnte sozusagen, dass Sie also zu-nächst eine obertägige Erkundung zugelas-sen haben, 1983, dann eben gesagt haben:„Eine untertägige Erkundung geht gar nicht“,und dann aber 1989 wiederum gesagt ha-ben: Na ja, ein Abschluss eines Nutzungs-vertrages mit der PTB geht nur, wenn dieBundesregierung ihren Ausstieg aus derKernenergie erklärt. - Das bringe ich jetztnicht ganz überein mit dem, was Sie in Ihreneinführenden Bemerkungen uns dargelegthaben, wo es sich so anhörte, als wenn Siegesagt hätten: Das kann ich überhaupt nichtzulassen; weil die Frage, ob Kernenergieethisch überhaupt verantwortbar ist, kann icheigentlich nur abschlägig bescheiden, undaußerdem passt die Geologie dieses Salz-stocks überhaupt nicht. - Dennoch haben Sie89 gesagt: Na ja, wenn die Bundesregierungaussteigt, könnte ich mir vorstellen, einenNutzungsvertrag abzuschließen. - Das hätteich jetzt gerne bei Ihnen hinterfragt.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also das kann ich jetzt, ehrlich gesagt, nichtmehr erinnern. Ich finde es ja fabelhaft, dassich der Meinung war, ich hätte vielleicht einsolches Gewicht, dass die Bundesregierungjetzt aufgrund meiner Einlassung die Kern-kraftwerke abstellt. Aber ich kann mir vor-stellen, wenn ich das so formuliert habe,habe ich das schon von Anfang an gewusst,dass ich das nicht erreichen werde. Also ichglaube, das würde ich nicht so sehr auf dieWaagschale legen.

1. Untersuchungsausschuss 8[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Naja, also, Herr von Bernstorff, wir versuchenhier, wirklich zu verstehen, was denn da pas-siert ist in der Vergangenheit letztendlich -

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,das ist ja auch gut.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: -genau - und ob es denn vonseiten der Bun-desregierung Manipulationen gegeben hat.Sie sind schon ein ganz wesentlicher Akteurin diesem Umfeld, weil eben eine Erkundungdes Salzstocks ohne Ihr Einverständnis nichtmöglich ist, jedenfalls nicht in dem Umfang,wie zunächst vorgesehen. Von daher sinddie Fragen, die wir an Sie richten, schon sehrernsthafte.

Sie haben uns dargelegt, dass Sie sichsehr ernsthaft mit der ganzen Angelegenheitauseinandergesetzt haben; das ist auchüberhaupt nicht in Zweifel zu ziehen. Des-halb fragen wir einen Mann von solcherErnsthaftigkeit, wie es denn am 20.09.1989in einem Protokoll, das Ihnen zugeschicktworden ist, eben zu dieser Aussage kommenkonnte. Ich will das gerne zitieren:

Im Bezugsgespräch haben Sie

- Graf Bernstorff -

Ihre ablehnende Haltung zur Nut-zung der Kernenergie verdeutlichtund eine Einräumung von Nut-zungsrechten von dem „Ausstiegaus der Kernenergie“ abhängig ge-macht. Wir haben Ihnen erläutert,warum die PTB diese politischenGrundsatzentscheidungen nichtzum Gegenstand der Verhandlun-gen machen kann.

Meine Frage ist jetzt eben: Das passt jetztnicht mit dem zusammen, was Sie eben ein-führend hier dargelegt haben, nämlich dassSie aus grundsätzlichen Erwägungen gegendie Nutzung der Kernenergie seien und da-rüber hinaus Ihrer Überzeugung nach derSalzstock in Gorleben eben geologisch nichtgeeignet sei. Das versuche ich jetzt geradeübereinanderzulegen, und deshalb meineFragen an Sie.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,ich habe das ja schon versucht zu erklären.Das war für mich - das gebe ich ehrlich zu -eine ambivalente Situation. Nachdem dasNEZ aufgegeben wurde, habe ich natürlichauch gesagt: Es muss ja ein Endlager gefun-

den werden. Ich bin auch jemand, der über-haupt nicht sagen würde: Wir brauchen keinEndlager. Ganz im Gegenteil; ich finde, esmuss alles getan werden, damit man ebenan einem Standort, der wirklich die nötigeSicherheit garantiert, dieses Endlager findet.Und ich war damals - - Gut, ich habe ebenmit vielen Menschen gesprochen, und wennman mich hätte davon auf Dauer überzeugenkönnen, dass der Weg, der da eingeschlagenwurde in Gorleben, der richtige gewesenwäre, hätte ich ja auch mitgemacht. Aber eshat sich bei mir dann immer mehr die Er-kenntnis durchgesetzt, dass ich dieses Vor-gehen nicht akzeptieren kann, nämlich dasshier nicht nur erkundet wird, sondern dasshier schon ein Endlager gebaut wird. Wirhaben ja auch einen Prozess geführt gegenden Schacht, wo allerdings das Bundesver-waltungsgericht unserer Meinung nicht zuge-stimmt hat. Aber da stand das ja schon imMittelpunkt: Warum wird hier für ein Erkun-dungsbergwerk ein Schacht gebaut, den manauch gleich für das spätere Endlager benut-zen kann? Das sind Dinge, die haben sichdann sehr verdichtet und - - Das kann ichdazu sagen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Siehaben es gerade selbst angesprochen: Esgab zwei Prozesse diesbezüglich, 1990 und1995 vorm Bundesverwaltungsgericht, woebendiese Frage im Mittelpunkt stand, obeben der Bau der Schächte in der Dimen-sion, wie sie gebaut worden sind, eigentlichschon der Bau eines Endlagers sei oder nichtdoch noch dem Erkundungsbergwerk ange-messen sei. Das Bundesverwaltungsgerichthat dabei in zwei höchstrichterlichen Urteilengesagt: Nein, nein, das ist rechtlich so inOrdnung; das muss so sein aufgrund be-stimmter geologischer Voraussetzungen.Auch das war Gegenstand unserer Untersu-chungen hier. Da will ich jetzt mal fragen,wenn Sie sagen: „Das war jetzt einer derausschlaggebenden Gründe für mich“: Washätte denn sonst noch passieren müssensozusagen in der Vergangenheit, dass Siedem Vorgehen der Bundesregierung hättenfolgen können? Also mehr als bundesober-gerichtliche Urteile kann man in so einemRechtsstaat kaum beibringen.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,ich habe das ja schon in meinem Eingangs-statement gesagt: Bei der Auswahl von Gor-leben - ich glaube, das können alle nachvoll-

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ziehen - stand einfach die Geologie desSalzstocks nicht im Mittelpunkt, sondern derStandort für ein so großes NEZ. Und da wa-ren alle Voraussetzungen - natürlich außerder Geologie - - schienen damals sehr güns-tig: diese riesige abgebrannte Waldbrandflä-che, die Bevölkerung der DDR, die sich dasowieso nicht gemuckst hat. Und die Geolo-gie war ja noch gar nicht bekannt oder zu-mindest nicht so weit bekannt, dass mansagen konnte: Das ist nun der einzigeStandort, der infrage kommt. Das hat sichdann bei mir immer mehr verhärtet, oder daswurde eigentlich immer deutlicher - auchnach den vielen Aussagen von der PTB undvom Umweltministerium -, dass Gorlebeneben eignungshöffig sei und man mit Sicher-heit davon ausgehen könne, dass Gorlebenfür ein Endlager geeignet ist. Das führt fürmich dann zur Schlussfolgerung, dass man,komme, was wolle, weil der Atommüll ja auchuntergebracht werden muss - und wennschon so viel feststeht wie das Zwischen-lager mit den inzwischen über 100 Castor-behältern direkt neben dem Eingangsschachtund die Castortransporte - - dass sich dieRegierung da unter solchen Zugzwang setzt,dass man eben davon nicht mehr runter-kommt. Aber ich glaube, das brauche icheigentlich gar nicht zu sagen; das ist Ihnenwahrscheinlich allen klar.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Dasist wohl so, und außerdem gehört das nunwiederum nicht zum Kernpunkt unseresUntersuchungsauftrags. Die Castortransportevom letzten Wochenende würden wir jetztbeiseitelassen, aber darüber können wir - -

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, aber Sie wollen ja wissen, warum ichmich so verhalten habe, wie Sie das jetzt - -

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Ja,darüber können wir sehr, sehr gerne spre-chen. Das ist jetzt so beantwortet.

Sie haben sich kritisch, aber sehr wohlkonstruktiv letztendlich mit einem möglichenEndlagerstandort in Gorleben auseinander-gesetzt. Nicht zuletzt gelten Sie als Ideen-geber bezüglich des Gorleben-Hearings.Also, Sie haben sich ja dieser Diskussionnicht verweigert. Noch in den - -

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Darf ich dazu gleich noch mal was sagen?

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Ja.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,da will ich auch mal was Positives anmerken.Also, wir haben ja dieses Gorleben-Hearingangeregt, und die damalige Regierung Al-brecht - - Ich weiß noch, Gespräche mitHerrn Schnipkoweit, Sozialminister, der jazuständig war für die Genehmigung, die ha-ben dann tatsächlich ergeben, dass nicht nurdieses große Hearing stattfindet, sonderndass auch die kritischen Wissenschaftler, diewir benannt haben aus aller Welt - - dass dasauch finanziert wurde. Und das, fand ich, warein Umgang mit den Dingen, der angemes-sen ist und den wir also heute in der Formnicht mehr erleben, wenn es um Endlager-fragen geht. Aber das sage ich jetzt nur, weilSie ja gesagt haben, ich hätte mich auchdurchaus konstruktiv eingebracht, und des-wegen wollte ich das mal bemerken.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Ja,herzlichen Dank. Das wäre durchaus eineFrage von mir gewesen: Wie ist das in IhrerErinnerung? Sind dann eben kritische Wis-senschaftler tatsächlich zu Wort gekommen?Hat man dort versucht, abweichende Mei-nungen, sage ich mal, von der Hoffnung,dass es dort wirklich ein Endlager gebenkönnte - Wissenschaftler, die gesagt haben:Na ja, ob das wohl wirklich so ist? -, hat manversucht, die zur Seite zu drängen, oder hatman denen durchaus auch ein Forum einge-räumt, dass sie ihre Meinung sagen konn-ten? Denn dieser Ausschuss beschäftigt sichja sehr wohl mit der Frage: Inwiefern hat esda Manipulationen gegeben? Also, wenn Sieda aus Ihrer Erinnerung freundlicherweisenoch mal berichten könnten. Das ist schonauch eine Frage, die diesen Ausschuss be-sonders interessiert.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja.Also, es ging bei dem Hearing eigentlich garnicht um die Geologie des Salzstocks - daswar also absolut am Rande -, sondern esging um die Frage: Soll Deutschland in dieWiederaufbereitung einsteigen? Und damalshat ja Herr von Weizsäcker das Hearing ge-leitet. Das war natürlich auch eine absolutprofessionelle Moderation, die er da gemachthat, und jeder, der das mitgemacht hat, warwirklich sehr beeindruckt, wie das Problemabgehandelt wurde. Es ging ja auch um Pro-liferation und um Erfahrungen, die man in LaHague, in Windscale gemacht hatte. Ich per-

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sönlich habe aus dem Hearing den Schlussgezogen, dass es überhaupt nicht zu verant-worten ist, eine Wiederaufbereitung zu ma-chen, während - - Ministerpräsident Albrechtwar da eben anderer Meinung; aber gut, dasmuss man akzeptieren. Er hat nur gesagt,dass - - nach dem Hearing, nach dieser rie-sigen Demonstration, die in Hannover statt-gefunden hat, und nach dem Unfall inHarrisburg, der ja während des Hearingswar - das war übrigens auch irgendwie einbisschen wie ein trauriger Wink, aber vomHimmel - - Also, in der Mitte dieses Hearingskam plötzlich - nachdem es ja noch nie sowas gegeben hatte angeblich - dieser Unfallin Harrisburg zur Sprache. Und die meistenvon den kritischen Wissenschaftlern ausAmerika mussten sofort dahin fliegen undsich um die Sache kümmern. Ja, also - - aberdie Frage von Ihnen, wie dieses Hearinggelaufen sei, denke ich, habe ich damit eini-germaßen beantwortet aus meiner Sicht.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Dieses Hearing war ja nun 1979, und ichhöre also, dass Sie wirklich auch heute rück-blickend noch sagen: Das war wirklich eineVeranstaltung mit Fundament; da hat manwirklich vernünftig miteinander gesprochen,unterschiedliche Standpunkte ausgetauscht.

Sie haben dann noch in den 1990er-Jah-ren, am 19. April 1992

(Zuruf)

- 1982 -, sich in einem Schreiben an dendamaligen Bundesminister von Bülow ge-wandt und auch da noch mal deutlich daraufhingewiesen - ich darf mal zitieren -:

Eine Ausuferung in Gewalt konnteunter anderem dadurch verhindertwerden, daß die Kernenergie undinsbesondere deren problemati-scher Teil, nämlich die Entsorgung,in Form eines Bürgerdialogs zurDiskussion gestellt wurde. Höhe-punkt der Diskussion war, dasGorleben-Hearing in Hannover an-zusehen, um die Ergebnisse derSalzstockuntersuchung der Öffent-lichkeit in einer der Tragweite derEntsorgungsfrage entsprechendenForm vorzustellen. Es ist unseresErachtens nach erforderlich, einHearing in der Qualität des 1979 inHannover stattgefundenen Gorle-ben-Hearings durchzuführen.

Und weiter sagen Sie dann auch:

... der von mir angesprochenen kri-tischen Begleitung bei der weiterenErforschung des Salzstocks würdenwir Ihnen gerne konkrete Vor-schläge unterbreiten.

Also, wie hätte denn Ihrer Meinung nacheine solche Begleitung sozusagen dieserErkundung aussehen müssen? Was hättedenn da getan werden müssen, damit Siesagen: „Ja, okay, damit hätte ich leben kön-nen; das hätte mir auch eine Entscheidung,so schwer sie mir persönlich gefallen wäre,aber möglicherweise im Sinne des Gemein-wohls notwendig, erleichtert“?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, dazu könnte man jetzt eine lange Aus-führung machen. Ich denke mal, das, was jagar nicht mehr zu ändern war, das war ja,dass Gorleben - das habe ich auch in mei-nem Eingangsstatement gesagt - - Das warja festgelegt: Es wird nur in Gorleben erkun-det und nirgendwo anders. Das war absolutfestgeschrieben. Und ein solches Hearinghätte auch nur dann - würde ich sagen -einen Sinn gehabt, wenn man über die Frageder Festlegung auf einen Standort noch malhätte diskutieren können, und die ganzeFragwürdigkeit, sich eben auf so eine einsei-tige Auswahl festzulegen, die hätte ebendiskutiert werden müssen. Aber man kannnicht auf Augenhöhe diskutieren, wenn garkeine Offenheit hinsichtlich solcher Entschei-dungen besteht. Und deswegen habe ichsicher, wenn ich von einem Hearing gespro-chen habe, gemeint, dass man eben aucheine nationale Debatte über die Frage „Wiefindet man eigentlich den besten Standort fürein Endlager?“ führen muss.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Ne-ben dieser Frage Gorleben-Hearing 79 wa-ren Sie ja auch Mitglied der Gorleben-Kom-mission, also einer Kommission, die ebenauch eingerichtet worden ist, um diesen Er-kundungsprozess zu begleiten. Könnten Siedazu vielleicht etwas sagen? Könnten Siesagen, worin denn Ihre Tätigkeit in der Gor-leben-Kommission bestand, welchen Zweckdie eigentlich hatte, wie die sich zusammen-gesetzt hat, ob die öffentlich getagt hat - allsolche Dinge?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, die hat nicht öffentlich getagt, sondernman konnte sich aber anmelden, oder FrauFritzen war ja auch hin und wieder dabei. Ich

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war übrigens erst seit 87 Mitglied der Gorle-ben-Kommission; die gab es ja schon vorher.

Die Gorleben-Kommission bestand ausMitgliedern des Samtgemeinderats der Ge-meinde Gorleben, des Kreistags, und eswurden dann eben jeweils von der Betreiber-seite, also vom Bundesamt für Geowissen-schaften und Rohstoffe oder auch vom Lan-desamt für Bodenforschung und natürlichvon den Betreibern selbst, vor allem von derPTB - - die haben da schon sozusagen vor-tragen können. Und ich selber habe aberimmer den Eindruck gehabt, dass das eineKommission ist, die einfach dazu da ist, umGorleben durchzusetzen, und habe dasauch - das ist vielleicht jetzt emotional - -Aber meine kritischen Bemerkungen wurdenalso immer mit recht großem Ärger zurKenntnis genommen. Das lag nun dann auchdaran, dass in diesem Gremium eben nursehr wenig Kritiker waren; überwiegend, alsodie meisten waren eben - - Ich will jetzt garnicht sagen, dass das undemokratisch zu-sammengesetzt war; aber damals die Lagewar tatsächlich im Landkreis so, ja, dassauch durch diese enormen finanziellen Ver-sprechungen - - Sowohl bei der Samtge-meinde wie bei der Gemeinde Gorleben wieim Landkreis wollte man eben auf dieseschönen Gelder nicht verzichten. Und daswar so die Stimmung, die mir da entgegen-geschlagen ist.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Hatte die Presse freien Zugang zu dieserKommission? Hat die berichtet?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichglaube, die Presse hatte zunächst keinenfreien Zugang, hat dann aber irgendwie pro-zessiert, und es war dann doch immer je-mand von der Presse dabei, also von derElbe-Jeetzel-Zeitung.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Undwie ist man mit Ihren Einwürfen umgegan-gen? Also, ich kann mir vorstellen, dass Sieda Ihre Kritik sehr wohl vorgetragen haben.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Naja, ich habe immer das Gefühl gehabt: Ich binda so ein Außenseiter, und man will dieseganzen Vorteile, die die Region angeblichhat von dem Projekt - - die wollte ich infragestellen, und ich würde immer nur gegen allessein. Also, ich habe mich da - - Die Stim-mung war einfach unerfreulich. Es war keine

offene Stimmung, wo also Rede und Gegen-rede wirklich gepflegt wird und eine Ge-sprächskultur stattfindet. Das muss ich ein-fach so sagen aus meiner Erinnerung.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herzlichen Dank. - Dann gebe ich das Frage-recht jetzt weiter an die Unionsfraktion. Bitteschön, Herr Kollege Grindel.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): HerrZeuge, ist es richtig, dass Sie bei der Kom-munalwahl in Niedersachsen 1981, obwohlSie CDU-Mitglied waren, auf der Liste derUnabhängigen Wählergemeinschaft kandi-diert haben?

(Dorothea Steiner (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Wo ist da der

Zusammenhang?)

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Jawohl, das ist richtig.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ist esrichtig, dass auch die CDU kandidiert hat miteiner eigenen Liste?

(Dorothea Steiner (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Ach nein!)

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Die CDU hat sicher auf einer eigenen Listekandidiert; aber es war damals so, dass dieCDU ein ganz klares Programm gehabt hat,also ein Pro-Gorleben-Programm.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Das warnicht meine Frage, sondern meine Fragewar, ob die CDU eine eigene Liste hatte.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Das nehme ich mal an. Ich weiß es jetzt nichtmehr, aber - -

Reinhard Grindel (CDU/CSU): StimmenSie mir zu, dass es der klassische Grund istfür einen Parteiausschluss, dass, wenn manals Mitglied einer Partei auf einer anderenListe gegen die Partei kandidiert, das dannmit einem Parteiausschluss - wie in diesemFall auch - beantwortet wird?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, das finde ich also überhaupt nicht inOrdnung.

1. Untersuchungsausschuss 12[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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(Heiterkeit bei der SPD, derLINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN)

Also, es ist ja so: Die UWG war damals - -die gab es, glaube ich, überhaupt nur in un-serer Samtgemeinde, im ganzen Landkreis.So, und die UWG war also sozusagen aufunterster kommunaler Ebene, wo ich finde,dass man sich auch so verhalten soll, dassman also seine freie Meinung da äußernkann.

Und ich habe - ich bin ganz sicher - dasParteiausschlussverfahren jetzt nicht, weil ichbei der UWG war, sondern weil ich einfachdie Pläne der Atomindustrie da heftigst kriti-siert und bekämpft habe, dass das der Grundwar für das Parteiausschlussverfahren.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): HerrZeuge, das Parteiausschlussverfahren gegenSie 1982 dann, das Sie ja zunächst beklagthaben, ist durchgeführt worden, weil Sie aufeiner anderen Liste als der der CDU kandi-diert haben. Stimmen Sie mir darin zu, dassdas der Grund war? Wir wollen uns mal bittehier an die Wahrheitspflicht in diesem Aus-schuss halten.

(Zurufe von der SPD, der LINKENund dem BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN)

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Der Anlass war es schon, aber nicht derGrund.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Gut. - Siehaben viel von Geld gesprochen, das Ihnenangeboten worden ist, und von einem Wohl-verhaltensvertrag gegenüber der Samtge-meinde Gartow. Sie haben ja den Fragen-und Themenkatalog dieses Untersuchungs-ausschusses bekommen. Vor diesem Hinter-grund werden Sie sich auch vorbereitet ha-ben. Deswegen würde ich gerne von Ihnenwissen, welche Verträge mit Ihnen seitensdes Bundes, untergeordneter Einrichtungen,Institutionen des Bundes oder privater Fir-men, die im Auftrag des Bundes bei der Er-kundung beteiligt waren, abgeschlossenworden sind - etwa für die Zulassung hydro-logischer Bohrungen, für Ausgleichsmaß-nahmen, für den Ausbau von Wegen - undwie viel Geld Sie dafür bekommen haben.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, ich weiß nicht, worauf Sie hinaus-

wollen. Die Frage wurde ja schon von FrauDr. Flachsbarth gestellt.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Beant-worten Sie doch einfach meine Frage.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichhabe sie auch schon beantwortet. Ich habegesagt, dass ich die hydrogeologischen Boh-rungen akzeptiert habe. Ich habe auch ak-zeptiert, dass auf meinem Gelände Aus-gleichsmaßnahmen stattgefunden haben.Und dass das so bezahlt wird, wie das nor-mal ist, dazu stehe ich vollkommen. Da habeich also gar nichts zu verheimlichen. Und ichkann Ihnen nur sagen: Das sind Beträge, diegezahlt wurden, für Maßnahmen, die aufmeinen Grundstücken stattgefunden haben -also zum Beispiel diese Heide-Geschichte.Und das ist ein dermaßen winziger Teil vondem, was ich hätte einkassieren können,wenn ich meine Grundstücke verkauft habe.Also, ich habe auch - das muss ich auchsagen - nicht im Geringsten das Gefühl ge-habt, dass ich da meine Seele verkaufe,sondern ich habe einfach versucht, mich denRealitäten zu stellen. Die Ausgleichsmaß-nahmen mussten stattfinden, und die warenauch vernünftig, zum größten Teil. Dannhabe ich das halt auch mitgemacht.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): HerrZeuge, es wäre nett, wenn Sie meine Fragebeantworten -

(Ute Vogt (SPD): Lassen Sie ihndoch ausreden!)

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Habe ich doch beantwortet.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): - und sa-gen, wie viel Sie erhalten haben von Bun-deseinrichtungen oder privaten Firmen dafür,dass diese Maßnahmen zum Teil auf IhremGrundstück stattfinden.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, ich kann Ihnen das - -

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Ichwill das erklären - -

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Eshat keine - -

1. Untersuchungsausschuss 13[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Graf von Bernsdorff, wenn Sie mich freund-licherweise einmal ausreden lassen wür-den. - Ich will den Hinweis geben, wenn dasden Bereich von privaten oder Geschäfts-geheimnissen berühren sollte - denn es istdezidiert nach Geld und Summen gefragtworden -, so können wir entsprechend § 14des Untersuchungsausschussgesetzes auchdie Öffentlichkeit ausschließen, weil das tat-sächlich Tatsachen sind, die einen sehr per-sönlichen Bereich auch Ihres Betriebs berüh-ren. Wenn Sie das wünschen, dann kann ichdie Öffentlichkeit dazu ausschließen. Sonstkönnen Sie selbstverständlich hier dazuweiter Stellung nehmen.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, ich habe da wirklich keine Geheim-nisse. Es gab zum Beispiel ein Projekt, daswar südlich der Bundesstraße von Trebelnach Gartow, diese Waldbrandflächen, diehatten wir aufgeforstet. Und da war eineAusgleichsmaßnahme, nämlich dass daHeide hergestellt werden sollte im Zusam-menhang mit dieser Nemitzer Heide, was ichbegrüßt habe. Und dafür ist halt das gezahltworden - aber genau das, was man kriegt,wenn man den Wert dieser Stangenhölzerund die Nutzung des Geländes für Aus-gleichsmaßnahmen für einen Zeitraum von30 Jahren - - Also, da habe ich überhaupt garkeine Geheimnisse. Ich kann Ihnen jetzt bloßnicht die Beträge sagen. Wenn Sie die wis-sen wollen, kann ich die Ihnen gerne schi-cken. Damit habe ich überhaupt kein Pro-blem.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Also kannich das - - Ich würde mir das mal gerne vor-stellen. Sie haben etwa 160 Hektar an Aus-gleichsmaßnahmen zur Verfügung gestellt,einschließlich der Bäume. Mir ist zugetragenworden - aber das würde ich eben gerne vonIhnen hören -, dass Sie dafür etwa im Jahr50 000 Euro bekommen. Ist das richtig?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, 50 000 sind es mit Sicherheit nicht.Das liegt, wenn ich mich jetzt nicht ganzfalsch erinnere, unter 30 000. Es ist also so,dass für die Ausgleichsmaßnahmen, die jadort auch ständig stattfinden - - Da werdenwieder Kiefern entnommen, und da wird - -Ich kann da ja keine Forstwirtschaft betrei-ben. Und das Gelände ist verpachtet fürdiese Nutzung im Sinne der Ausgleichsmaß-

nahmen, ich glaube, für einen Preis von un-gefähr 100 Euro im Jahr oder 150 - das weißich jetzt nicht mehr genau -, also ganz nor-male Pachtsummen.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Also, weilSie sich nun nicht so genau erinnern, will ichgerne mal einen Sachverhalt aus dem Jahre2007 nachfragen. Da hat es am 3. Mai 2007beim Oberbergamt Clausthal-Zellerfeld - -

(Ute Vogt (SPD): Was hat das denndamit zu tun?)

- Das hat - - zur Glaubwürdigkeit des Zeu-gen. Wenn Sie die Frage 22 im Katalog malanschauen - die Mittel, die in die Gegendfließen -, dann ist das sicherlich eine zuläs-sige Frage.

Am 3. Mai 2007 hat es beim Oberbergamtin Clausthal-Zellerfeld eine Besprechunggegeben zwischen dem Oberbergamt, demBfS und dem Landkreis Lüchow-Dannen-berg. Ich erwähne das deshalb, weil Sie denEindruck erwecken, als ob Sie diese Aus-gleichsmaßnahmen so mehr oder wenigerwiderwillig zulassen.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, habe ich gar nicht gesagt.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Dort istversucht - -

(Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Können wir maldie MAT-Nummer haben? - Weitere

Zurufe)

- Da gibt es gar keine MAT-Nummer. Mussich ja auch nicht, sondern es geht - -

(Zurufe von der SPD, der LINKENund dem BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN)

- Nun lassen Sie mich doch bitte meine Be-fragung durchführen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Esgeht um die Glaubwürdigkeit des Zeugen. -Bitte.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Bei die-sem Gespräch - -

(Zurufe von der SPD, der LINKENund dem BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN)

1. Untersuchungsausschuss 14[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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- Nein, muss ich überhaupt nicht, sondern ichhabe gesagt - -

(Zurufe von der SPD, der LINKENund dem BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN)

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Lassen Sie Herrn Grindel noch mal wieder-holen.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ich ver-stehe gar nicht, warum Sie so aufgeregt sind.Lassen Sie mich doch den Zeugen befragen.

(Dr. Michael Paul (CDU/CSU):Wovor haben Sie denn Angst?)

Wovor haben Sie denn so Angst?

(Dr. Matthias Miersch (SPD): EinVorhalt braucht eine Quelle!)

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herr Grindel, könnten Sie bitte freundlicher-weise noch mal die Quelle wiederholen?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichbin sehr gespannt.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Es gibt jakeine.

(Dr. Matthias Miersch (SPD): Dasist eine unzulässige Frage!)

- Nein, das ist keine unzulässige Frage, son-dern es geht mir um die Glaubwürdigkeit desZeugen, und ich will ihm entgegen - -

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Ach so, und die wollen Sie jetzt in Zweifelstellen?

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Ichwürde gerne eine Quelle haben.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Also, ichwill doch gerade fragen. Es hat am 3. Mai2007 beim Oberbergamt in Clausthal-Zeller-feld eine Besprechung gegeben wegen einerAusgleichsmaßnahme für Salzhalden.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Dawar ich dabei, oder wie?

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Nein. Dasmüssen Sie ja überhaupt nicht.

(Zuruf von der CDU/CSU: LassenSie ihn doch mal ausreden!)

Lassen Sie mich doch mal auf den Punktkommen.

(Dr. Matthias Miersch (SPD): EineQuellenangabe ist das Mindeste! -

Weitere Zurufe)

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Meine sehr geehrten Damen und Herren, ichglaube, wir müssen das mal im Rahmeneiner - -

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Las-sen Sie mich doch einmal die

Frage - -)

- Nein, das lasse ich jetzt nicht zu, weil ichhabe jetzt dreimal nach der Quelle gefragt.Diese Quelle ist nicht genannt worden. Ichglaube, wir müssen das jetzt im Rahmeneiner Beratungssitzung miteinander klären;denn wir müssen selbstverständlich, wennwir Vorhalte machen, auch Quellen nennen.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ichkann doch den Zeugen - -)

- Nein. - Ich berufe jetzt eine Beratungssit-zung ein und möchte die Öffentlichkeit bitten,den Saal zu verlassen. Wir geben Ihnendann einen Hinweis. Sie bitte auch, Herr vonBernstorff.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichsoll auch weg?

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Ja. - Wir geben Ihnen dann einen Hinweis,wann Sie wiederkommen können. - Bitteschön.

(Unterbrechung des SitzungsteilsZeugenvernehmung, I: Öffentlich:

11.07 Uhr - Folgt SitzungsteilBeratung)

(Wiederbeginn des SitzungsteilsZeugenvernehmung, I: Öffentlich:

11.22 Uhr)

Fortsetzung derVernehmung des Zeugen

Andreas Graf von Bernstorff

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: So.Bitte schön, Herr Kollege Grindel.

1. Untersuchungsausschuss 15[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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Reinhard Grindel (CDU/CSU): Also, HerrZeuge, noch mal meine Frage: Ist es zutref-fend, dass Sie nach dem Mai 2007 einenneuerlichen Vertrag über Ausgleichsflächenfür Salzhalden abgeschlossen haben aufIhrem Grundstück?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, das - - Ich weiß jetzt nicht, was Siemeinen. Also, da habe ich - - Ich weiß nicht,ob Sie das nicht verwechseln. Ich habe einenVertrag abgeschlossen über eine Außen-deichfläche, die aber überhaupt gar nichtsmit dem Gorleben-Komplex zu tun hat. Undnach Abstimmung mit dem BUND ist das soeine Fläche, die unter Naturschutz steht. Undda habe ich eine kleine Fläche von 25 Hektaran das Land verkauft. Aber das hat über-haupt nichts mit dem ganzen Gorleben-Kom-plex zu tun.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ich ver-suche das noch mal. Kriegen Sie - - Oderstellen Sie auf Ihren Grundstücken Aus-gleichsflächen für Salzhalden im Zuge desErkundungsbergwerks, die dort anfallen, zurVerfügung?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Für Salzhalden?

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ja.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichdenke doch gar nicht daran. Es ist auch niedarüber gesprochen worden.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Nein,Ausgleichs- - Das Salz wird doch dort aufHalden gelagert.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Dafürbraucht es - - Dafür müssen Ausgleichsflä-chen geschaffen werden.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): StellenSie die auf Ihrem Grundstück zur Verfügung?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja.Das habe ich Ihnen doch schon vorher ge-sagt, dass ich das tue. Das ist so.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Wannhaben Sie denn diese Verträge dafür abge-schlossen?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Wann war das? Ich glaube, das war ungefähr95 oder so was. Das kann ich jetzt aber nichtmehr genau sagen.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Und Siehaben nach dem Jahr 2007 keinen neuer-lichen Vertrag darüber abgeschlossen?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Sie wis-sen auch nichts davon, dass alle anderenBeteiligten, die solche Ausgleichsflächendann auswählen, außer dem LandkreisLüchow-Dannenberg, gerne wollten, dass fürFischtreppen und ein Sperrwerk bei einemSee im Überflutungsraum der Elbe eineökologische Maßnahme besonders gefördertwird, dieses aber vom Landkreis Lüchow-Dannenberg abgelehnt wurde, sondern eineIhrer Flächen als Ausgleichsfläche empfoh-len wurde? Diesen Sachverhalt kennen Sienicht?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, kenne ich nicht.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Gut.Dann kann ich es auch nicht ändern.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Tut mir leid. Aber was ich nicht kenne, kannich nicht beurteilen.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Aber umes mal zu sagen - - Ich sage dazu nichts.Also, Sie haben - um das noch mal präzis zufragen - nach dem Mai 2007 keine neuenVerträge über Ausgleichsflächen für Salzhal-den abgeschlossen, sondern das war allesvor 2007?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Gut. Na,klare Antwort. - So. Dann würde ich Ihnengerne vorhalten, weil ja hier von der Opposi-tion immer sehr auf Vorhalte Wert gelegtwird, eine Ministervorlage aus dem Jahre1998 - das ist MAT A 72, Band 15, Seite

1. Untersuchungsausschuss 16[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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70086 ff. - über ein Gespräch, das Sie imUmweltministerium am 19. Februar 1998 ge-führt haben. Können Sie sich daran erin-nern?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Mitwem?

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Mit HerrnHennenhöfer.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,mit Herrn Hennenhöfer habe ich mal ein Ge-spräch geführt.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Dannmöchte ich Ihnen gerne vorhalten und dasvorlesen - Sie können das dann auch körper-lich bekommen -, was Herr Hennenhöferüber dieses Gespräch dort festgehalten hat.

Am 19. Februar 1998 hatte ich ein5-stündiges Gespräch mit demGrafen von Bernstorff über die Salz-rechtsproblematik. An dem Ge-spräch nahm Dr. Werner Müller(vormals VKR) teil.

Bereits vor Monaten hatte ich überDritte gehört, dass der Graf mit mirin Verbindung treten wollte. Erwollte dies aber nur über einen un-parteiischen Mittelsmann tun. Vor-geschlagen wurde u.a. ein Kirchen-vertreter. Ich habe dies mit dem Ar-gument abgelehnt, dass es für einGespräch mit einem Beamten derBundesregierung keines unpar-teiischen Mittlers bedürfe. EinigeWochen später meldete sich dannDr. Müller als Beauftragter desGrafen bei mir.

Der Graf legte umfassend seineablehnende Position zur Kernener-gie und sein Misstrauen gegenüberden auf diesem Gebiet tätigenstaatl. Stellen dar. Gleichzeitig be-tonte er seine im Prinzip staatstra-gende Einstellung und begründetedamit auch seinen Gesprächs-wunsch.

Ich habe erläutert, dass die Stand-ortentscheidung für Gorleben - egalwie sie heute zu beurteilen sei - zuFakten geführt habe, an denenkeine Bundesregierung mehr vor-beikomme.

Das war ja im Februar 98, vor der Bundes-tagswahl.

Selbstverständlich würden wir einegewissenhafte und an internationa-len wissenschaftlichen Kriterienorientierte Eignungsprüfung ge-währleisten.

Dr. Müller erläuterte, dass die Be-rater des Grafen und die Wider-standsgruppen im Wendland dieveränderten Verhältnisse im Bezugauf die Kernenergie nicht wahrge-nommen hätten. Kernenergieneu-bauten stünden heute nicht zur Dis-kussion. Zunächst gehe es um eingeordnetes Auslaufen, das vor al-lem eine Regelung der Entsor-gungsfragen bedeute. Auchrot/grüne Regierungen würden des-halb das Vorhaben in Gorlebenfortführen. Besonderes finanziellesEntgegenkommen könne der Grafvon diesen nicht erwarten.

Ich

- also Hennenhöfer -

habe besonders hervorgehoben,dass …

- wir gleichwohl an einer gütlichenEinigung interessiert seien, weshalbich ihm für die gesamten Salzrechteeine Übertragung zum Preis von12 Millionen DM … angebotenhabe.

Der Graf entgegnete,

- dass er sich mit der AtG-Novellenoch nicht abgefunden habe … ,

- die Verfassungsmäßigkeit derEnteignungsbestimmung ebenfallsumstritten sei

- er vor allem nicht einfach von sei-nen bisherigen Positionen abfallenkönne.

Dr. Müller brachte die Möglichkeitins Spiel, dass der Bund sich ge-genüber dem Grafen ähnlich wie imVerständigungspapier auf ein be-stimmtes Vorgehen bei der End-lagerung verpflichte und außerdemfür den Fall, dass tatsächlich ein-gelagert werde, eine „Umsatzbetei-ligung“ für den Grafen vereinbartwerde.

Dr. Müller hat das angesprochen.

Wir vereinbarten Vertraulichkeit.Allerdings hat Dr. Müller bereitsKontakte zu den EVU geknüpft, da

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er sich von denen einen höheren fi-nanziellen Beitrag erhofft. Dahernehme ich an, dass es bald zu Ge-rüchten kommt.

Fazit: Der Graf sieht, dass seineFelle langsam davonschwimmen.Aber auch Müllersche Formulie-rungskünste werden nichts daranändern können, daß er ohne Ge-sichtsverlust nicht an einem Projektverdienen kann, das er jahrzehnte-lang bekämpft hat. Immerhin, dasEis ist etwas gebrochen.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Oh.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): So weitdas Zitat oder die Zitate aus dem Vermerkvon Hennenhöfer für die damalige Ministe-rin. - Ich würde ganz gerne wissen: Wer wardieser Dr. Müller?

(Lachen bei der LINKEN - Lachenauf der Zuschauertribüne)

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Das wissen Sie wahrscheinlich besser alsich. - Also, ich kann mich an das Gesprächerinnern. Ich kann mich allerdings nicht da-ran erinnern, dass Dr. Müller dabei war. Aberwenn das Herr Hennenhöfer so hinstellt, wirdes ja der Fall gewesen sein.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Wiesosagen Sie, das wüsste ich besser? War dasder spätere Bundeswirtschaftsminister Wer-ner Müller?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Das nehme ich mal an.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Also,Werner Müllers gibt es wahrscheinlich inDeutschland ein paar mehr. Insofern konnteich mir das nicht erschließen. Aber gut; dannist es also der spätere Wirtschaftsminister.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Hat dasGespräch fünf Stunden gedauert?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Eswar ein langes Gespräch. Ob das fünf Stun-den gedauert hat? Also, das können Sie

nicht von mir verlangen, dass ich dasalles so ganz genau erinnere. Aber ich weiß,dass Herr Hennenhöfer - - dass ich mich mitihm unterhalten habe. Das habe ich Ihnen jaauch schon vorher gesagt, dass ich grund-sätzlich immer gesprächsbereit bin, vor allemwenn es um so wichtige Dinge geht, undmich Gesprächen nicht versperre. Also, es istja sehr seriös von Herrn Hennenhöfer, dasser hier sagt, er habe das abgelehnt, diesesAnliegen von Herrn Müller. Aber ich würdemal zu dem Gespräch sagen, dass ich schonein Interesse hatte, mit Herrn Hennenhöferzu sprechen, und zwar deswegen, weil dastand ja die AtG-Novelle zur Diskussion, dasheißt also die Enteignung.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Eben.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:So. Und erst mal wollte ich einschätzen: Wiegroß sind die Chancen, mich zu enteignen?Und dann ist es ja auch wichtig, dass manweiß, um was für einen Streitwert es sichhandelt. Es ging ja auch um die Prozesse.Das war das eine. Und natürlich will manauch wissen, wie groß das finanzielle Opferist, das man bringt für, wie ich mal behauptenwill, das Gemeinwohl.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Also, ichfinde, wenn man Vertraulichkeit vereinbart,wenn eine Verhandlung fünf Stunden dauert,dass das ja schon ernsthafte Verhandlungengewesen sind.

(Dr. Matthias Miersch (SPD): Esgeht ja auch um etwas!)

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,es geht ja auch - - Es geht ja um viel.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Und eswar eine Situation im Lichte einer Enteig-nung, die auf Sie zukam.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ist esdenn richtig, wie Herr Hennenhöfer ja denEindruck vermittelt, dass Sie sich in der Tatüberlegt haben, bevor eine Enteignung droht,muss doch über einen Verkauf der Salz-rechte geredet werden?

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Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Sicher habe ich mir solche Gedanken immergemacht. Das sind ja auch - - Die Entschei-dungen, die ich getroffen habe, sind ja nichtleicht zu fällen. Ich bin ja auch irgendwoRealist, und ich überlege mir beide Seiten.Und das müssen Sie mir auch zugestehen,dass ich mir natürlich vor so einer Entschei-dung, wie ich sie getroffen habe, ganz genauüberlege, warum ich sie treffe, und michauch mit den Menschen unterhalte, die dagroße - - die da an entscheidenden Stellensitzen.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Das istdoch völlig in Ordnung. Also, das werfe ich - -Das gestehe ich Ihnen völlig zu. Es geht mirhalt darum, herauszuarbeiten, dass offenbares ja dann zwischen Ihnen ernsthafte Ver-handlungen, Gespräche, Überlegungen ge-geben hat, dann doch zu einer gütlichenEinigung mit der damaligen Bundesregierungzu kommen.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Klar, ich gehe zunächst mal offen in so einGespräch hinein. Ich habe natürlich jetztnicht mir vorher gesagt: Wenn der jetzt20 Millionen anbietet, dann werde ichweich. - Also da kann ich wirklich für michgarantieren. Aber ich will halt genau wissen,wo ich dran bin. Und dazu muss man einlängeres Gespräch führen. Das habe ichmit - -

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Gut, ja.Aber ist es denn richtig - der Herr Dr. WernerMüller, wenn es der Werner Müller dann ist,hat ja in der Tat gute Kontakte schon damalszu den Energieversorgungsunternehmengehabt -, was Herr Hennenhöfer hier auf-schreibt: dass Herr Dr. Müller darauf hinge-wiesen hat, dass Sie auch Kontakte zu denEVUs über ihn als Berater aufgenommenhatten damals?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, ich habe Dr. Werner Müller - - Denkenne ich. Ich habe auch mit ihm Kontaktgehabt. Allerdings kann ich mich überhauptnicht daran erinnern, dass er bei diesemGespräch dabei war. Dr. Werner Müller hatmir immer gesagt: Mit der Kernenergie ist essowieso aus. Das lohnt sich überhaupt nicht,noch neue Kernkraftwerke zu bauen. Das istviel zu teuer. - Aber ich gebe zu, er hattewohl auch ein gewisses Interesse, das End-

lager in Gorleben - - also, dazu beizutragen,das zu realisieren.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Darf ichdann noch mal auf meine Frage zurückkom-men? Hat er Kontakte zu den EVUs gehabt?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also auf jeden Fall nicht - - Das nehme ichan. Er war ja damals, glaube ich, VEBA-Kraftwerke-Vorsitzender.

(Zuruf von der Zuschauertribüne:Genau!)

Es ist ja ganz logisch, dass er da Kontaktehat. Aber nicht in meinem Auftrag. Auf keinenFall.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Also, diePassage von Herrn Hennenhöfer, die er hieraufgeschrieben hat:

Wir vereinbarten Vertraulichkeit.

Ist das richtig? Haben Sie Vertraulichkeitüber das Gespräch vereinbart?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Das kann gut sein. Aber das weiß ich jetzteinfach nicht mehr.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Gut.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Aber warum auch nicht?

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Nein, istja alles in Ordnung. - Und dann heißt esweiter:

Allerdings hat Dr. Müller bereitsKontakte zu den EVU geknüpft, daer sich von denen einen höheren fi-nanziellen Beitrag erhofft. Dahernehme ich an, dass es bald zu Ge-rüchten kommt.

Das muss Herr Dr. Müller ja in dem Ge-spräch geäußert haben.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: ImGespräch mit mir?

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Nein, indem Gespräch mit Herrn Hennenhöfer am19. Februar in Bonn.

(Dem Zeugen werden Unterlagenvorgelegt)

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Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, wie gesagt: Ich kann mich wirklich nichtmehr erinnern - das sage ich jetzt nicht nurso, sondern ich kann mich nicht erinnern -,dass Dr. Müller dabei war. Ich habe ja ge-sagt, dass ich ihn bei anderer Gelegenheitgetroffen habe, aber nicht - - Also, das weißich nicht mehr.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Gut. -Keine weiteren Fragen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Hatdie Union darüber hinaus noch Fragen? -Herr Kollege Pols.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Herr vonBernstorff, dann möchte ich da noch malanknüpfen - die Frage von dem KollegenGrindel. Haben Sie in den Jahren 1979/1980für den Ausbau von Forst- und Wirtschafts-wegen Beträge bekommen?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Das ist nicht so gelaufen, sondern die PTBhat - - Oder wer war das damals? Die muss-ten ja immer zu diesen hydrogeologischenBohrungen fahren. Und die haben einfachmeine Wege abgenutzt. Und dafür habe ichverlangt, dass sie wiederhergestellt werden.Das war ganz klar definiert auf diese Wege,die zu den Bohrplätzen führten. Und das istja wohl logisch, dass ich mir das nicht gefal-len lasse, dass die meine Wege kaputtfahrenund ich mir das angucken muss.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Na ja, wennSie so ein entschiedener Gegner der ganzenAnlage sind, dann können Sie denen das jaauch verbieten, dass sie über Ihr Eigentumfahren.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichhabe Ihnen doch gesagt, dass ich - - Diehydrogeologischen Bohrungen habe ich jaakzeptiert. Und dann muss ich auch akzep-tieren, dass sie betreut werden. Außerdemist es für mich auch sehr interessant, was zuwissen über die Grundwasserstände in mei-nem Wald.

(Heiterkeit bei der SPD, derLINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN)

Eckhard Pols (CDU/CSU): Ja. - KönnenSie sich auch daran erinnern, wie hoch die

Beträge waren? Waren das siebenstelligeBeträge? Sechsstellige, siebenstellige Be-träge?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, das waren gar keine Beträge, sonderndie mussten die Wege wiederherstellen.

(Zuruf von der Zuschauertribüne:Sachleistungen!)

Das waren Sachleistungen.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Also wurdenda praktisch Ihre Wege ausgebaut, um dortvorbereitende Erkundungsmaßnahmen zumachen?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, die haben die Wege wiederhergestellt,die sie benutzt haben, um die hydrogeologi-schen Bohrplätze aufzusuchen.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Dann habenSie ja auch schon bestätigt, dass Sie Aus-gleichsflächen zur Verfügung gestellt haben -unter anderem für die Salzhalde, die ja not-wendig ist. Praktisch das Salz, das untenrausgeholt wird, wird ja oberirdisch gelagertauf einer relativ großen Fläche. Und dafürmuss der Landkreis bzw. muss der Bund jaAusgleichsflächen schaffen.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Nun ist ja dieFrage: Hat der Landkreis Flächen zur Verfü-gung gestellt, und haben auch Sie dafür Flä-chen zur Verfügung gestellt? Und meineFrage ist jetzt: Haben Sie dafür Flächen zurVerfügung gestellt? Und haben Sie die überwie viele Jahre dann verpachtet?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Die Frage ist ja eigentlich schon an michgestellt worden. Ich habe sie eigentlich, bildeich mir ein, auch schon erschöpfend beant-wortet. Also: Ich habe Ausgleichsflächen zurVerfügung gestellt, sogar in Absprache mitdem BUND, der mir das auch noch mal extraempfohlen hat: Wo ist es besonders wichtigfür den Naturschutz?

Und was jetzt wahrscheinlich Hintergrundvielleicht Ihrer Frage ist, was ich dafür anGeld bekommen habe: Da kann ich Ihnennur sagen, dass ich eben auf den Wald-brandflächen diese Aufforstungen - - diedann eben schon 15, 20 Jahre alt waren. Die

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mussten ja abgeschlagen werden. Und da istselbstverständlich aufgrund eines Gutach-tens der Landwirtschaftskammer der Wertdieser Bäume entschädigt worden. Undaußerdem gibt es einen Pachtvertrag miteiner völlig normalen Pacht, eben für dieBenutzung der Ausgleichsflächen und für diePflege dieser Flächen. - Ich denke aber, dashatte ich eigentlich schon beantwortet.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herzlichen Dank. - Das Fragerecht geht jetztan die SPD-Fraktion. Bitte schön, Frau Kol-legin Vogt.

Ute Vogt (SPD): Ja, herzlichen Dank. -Herr von Bernstorff, ich wollte noch mal nachdem Vermerk fragen. Den hat ja damals HerrHennenhöfer für die Umweltministerin Merkelverfasst. Und er schreibt ja da - - Sie habenihn jetzt, glaube ich, auch vorliegen.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja.

Ute Vogt (SPD): War dieser Vermerk mitIhnen abgestimmt?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, überhaupt nicht. Keine Ahnung. Also,Sie meinen, dass Herr Hennenhöfer denVermerk an Frau Merkel geschickt hat? Da-von weiß ich gar nichts. Das sehe ich ja hierzum ersten Mal.

Ute Vogt (SPD): Das heißt, diese Formu-lierungen „Der Graf sieht, dass seine Felle …davonschwimmen“ oder „Immerhin, das Eisist etwas gebrochen“: Hätten Sie das auch soals Fazit gesehen?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein. Das hätte ich mit Sicherheit so nichtgenehmigt. Und ich habe das - - Ich bin - -Wahrscheinlich hat Herr Hennenhöfer ein-fach aus der Tatsache, dass wir darübergesprochen haben und über den - - Diese12 Millionen, die er da genannt hat, kann ichauch jetzt, ehrlich gesagt, nicht mehr erin-nern; aber das mag schon sein. Das hat ervielleicht so daraus geschlossen, dass ichmeine, mir schwimmen die Felle davon. Na-türlich war damals diese Atomgesetznovellemit der Enteignungsgeschichte natürlicheine - - Ja, da musste ich mich ja erst maldamit auseinandersetzen: Welche Chancen

habe ich, und welche Chancen hat der An-tragsteller für die Enteignung?

Ute Vogt (SPD): In dem Vermerk sagtHerr Hennenhöfer ausdrücklich, dass er Ihreim Prinzip staatstragende Einstellung nochmal betont. Das hebt er auf der ersten Seiteunten hervor. Können Sie sich vorstellen,dass das zu der Einschätzung geführt hat, imZweifel werden Sie dann behilflich sein, weiler offenbar - - dass er möglicherweise Ihregrundsätzlich staatstragende Einstellung ein-fach missdeutet hat?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, das, finde ich, hat er sehr richtig ge-deutet. Ich bin der Meinung, dass meineEinstellung sogar sehr staatstragend ist unddass ich nur meine Rechte als Bürger, aberim wohlverstandenen Interesse des Ge-meinwohls, versuche geltend zu machen.Aber gut; darüber kann man verschiedenerMeinung sein.

Ute Vogt (SPD): Ich wollte noch auf einenanderen Vertrag zu sprechen kommen. Siehaben in Ihrem Eingangsstatement von die-sem Wohlverhaltensvertrag gesprochen.Wissen Sie, wo wir den finden könnten?Denn in unseren Unterlagen ist er nicht. Istder bei der Gemeinde einsehbar?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,da müssen Sie doch nur mal bei der Ge-meinde nachfragen, bei der Samtgemeinde.Ich habe diesen Vertrag, weil ich damals jaauch Samtgemeinderatsmitglied war undnatürlich heftig dagegen protestiert habe.Aber das kann doch überhaupt kein Geheim-nis sein.

Ute Vogt (SPD): Dann würde ich bitten,dass wir den Vertrag auch entsprechendbeiziehen als Ausschuss, entweder von derSamtgemeinde oder aus den Archiven vonHerrn von Bernstorff.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Wenn es von der Gemeinde wäre, dannmüssten wir natürlich einen Beweisbeschlusshaben.

Ute Vogt (SPD): Ja, das können wirdann - -

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Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Undwenn Herr von Bernstorff uns den zur Verfü-gung stellt, wäre es natürlich noch einfacher.

Ute Vogt (SPD): Ja. - Könnten Sie unsden zur Verfügung stellen? Oder?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,ich meine, vielleicht müsste ich da noch maleine Rücksprache mit der -

Ute Vogt (SPD): Ja, genau.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: -Gemeinde haben; denn ich will jetzt ja auchnicht irgendwas machen, was nicht erlaubtist.

Ute Vogt (SPD): Ja. Danke schön. - Dannwürde mich noch mal das Thema der wis-senschaftlichen Beurteilung des SalzstocksGorleben interessieren. Sie haben ja vorhinauf die Hearings hingewiesen und auch da-rauf hingewiesen, dass Wissenschaftlerdurchaus zu Wort gekommen sind. KönnenSie uns noch mal erläutern, ob die kritischenWertungen aus Ihrer Sicht entsprechendauch dann eingeflossen sind, bzw. uns auchmöglicherweise helfen, zu ergründen, warumdie kritischen Wortmeldungen vielleicht garnicht wieder vorgekommen sind dann in denspäteren Berichten?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,ich würde sagen, dass ganz entscheidendauch für die, sagen wir, negative Betroffen-heit von uns Wendländern - - Die hängt damitzusammen, dass damals, als die PTB diesesGutachten über den Salzstock gemacht hat,Professor Duphorn ja noch mit sozusagen - -Der war ja beauftragt, diese Quartärgeologiezu untersuchen. Und das endete ja damit,dass er festgestellt hat, dass es diese Gorle-ben-Rinne gibt. Das heißt also, dass ein Kri-terium, das es ursprünglich mal gab, nämlichdass der Salzstock eine geschlossene Ton-decke haben muss, dass dieses Kriteriumnicht erfüllt ist, also das heißt, diese Barriereeigentlich überhaupt nicht da ist. Und dasführte dann aber - - Herr Duphorn hat das ja -das können Sie ja überall nachlesen - auchdokumentiert. Danach wurde er aber nichtmehr an der weiteren Untersuchung beteiligt.Und das war zum Beispiel so ein Punkt, woman gesagt hat: Was läuft hier eigentlich ab?Das kann doch nicht sein, dass jemand, der

so eine kritische - - der ein fundiertes Gut-achten abgibt, dann aus dem weiteren Ver-fahren ausgeschlossen wird. Das ist so einPunkt - zu Ihrer Frage.

Dr. Matthias Miersch (SPD): Herr vonBernstorff, da ich nur stellvertretendes Mit-glied bin, bin ich dem Kollegen Grindelaußerordentlich dankbar, dass er auf diesenVermerk noch mal Sie angesprochen hat.Und ich würde gerne noch mal dort weiter-machen. Sie haben ihn ja vor sich liegen.Und Sie sehen daraus, dass Herr Hennen-höfer, der ja jetzt Abteilungsleiter im BMU ist,der heutigen Kanzlerin berichtet. Wenn manauf Seite 2 ganz oben diesen Satz - - Ich willIhnen den einfach noch mal vorhalten:

Ich habe erläutert, dass die Stand-ortentscheidung für Gorleben

- „Standortentscheidung für Gorleben“ -

- egal wie sie heute zu beurteilensei - zu Fakten geführt habe, andenen keine Bundesregierung mehrvorbeikomme.

Wenn Sie diesen Satz so hier drin lesen,was sehen Sie? Sehen Sie dann nicht, dassder zweite Satz, der dann danach kommt,eine reine Alibifunktion hat? Geht nicht ausdiesem Satz deutlich der Untersuchungsauf-trag dieses Ausschusses hervor, dass ebennach dem Motto „Augen zu und durch“ ge-handelt wird? Und können Sie sich daranerinnern, wie Herr Hennenhöfer Ihnen ge-genüber argumentiert hat?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,genau, das war natürlich die Stimmung. DieStimmung war so: Dieser Salzstock ist nichtnur eignungshöffig, sondern da wird einEndlager gemacht, und wenn Sie das nichtwollen, dann werden Sie enteignet. - Und dieAtomgesetznovelle war ja da. Das wareigentlich die Stimmung. Und die wurde - -Ja, das ist ja auch sehr suggestiv, wenn dasso dasteht. Also, ich freue mich, ehrlich ge-sagt, dass das jetzt hier auch mal schwarzauf weiß zu lesen ist.

Dr. Matthias Miersch (SPD): Ja, dasfinde ich. Insofern bin ich dem KollegenGrindel wirklich sehr dankbar, weil es gehtdann ja weiter. Es kommen die drei Spiegel-striche, wo Sie - das ist meine Wertung jetzt -weichgekocht werden sollen: AtG-Novelleetc.

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Und dann kommt die Endung. Und daswill ich auch hier noch mal vorhalten. DasFazit, das Herr Hennenhöfer der heutigenKanzlerin, Frau Dr. Merkel, mitteilt, ist:

Der Graf sieht, dass seine Fellelangsam davonschwimmen.

Und zum Schluss sagt er:

… das Eis ist etwas gebrochen.

Also, ich meine, mehr als - - Da spürt man jaförmlich, wie dieses Gespräch abgelaufensein muss und dass Sie mit allen Mittelngeködert werden sollten, auch unter mehroder weniger klaren Aussprüchen von Dro-hungen.

(Dr. Michael Paul (CDU/CSU):Die Drohung, 12 Millionen zu

bekommen?)

Können Sie da noch mal ein bisschen,wenn Sie sich daran erinnern - - Können Sieaus dieser Atmosphäre, die dort bei diesemGespräch Hennenhöfer - - Oder können Siesich an vergleichbare Gespräche oder Vor-gänge noch erinnern, wo genau suggestivpraktisch Ihnen eine - - ja, das Eis noch wei-ter brechen sollte?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, der Tenor ist ja auch ein bisschen so,dass Herr Hennenhöfer das ja so darstellt:Wir lassen uns ja nicht darauf ein, jetzt demGrafen noch besondere Boni zukommen zulassen, sondern er kriegt eben das, was ihmzusteht. - Insofern klingt das ja ganz mode-rat, nicht? Aber damals war die Situationeben, muss man sagen, insgesamt von derganzen Stimmung sehr anders als heute.Diese Enteignung stand bevor. Ich habenatürlich meine Rechtsanwälte. Die habensich ja sehr eingehend damit befasst. Unddas wurde in aller Höflichkeit - - Also, HerrHennenhöfer hat mich nicht irgendwie - ichweiß nicht, was - - gesagt: Wenn Sie dasnicht tun, dann kommt das und das. - Also,das würde ich jetzt - - Das wäre jetzt unge-recht. Aber er hat mir halt ganz klar seineSicht vor Augen geführt. Und ich habe da-raus ja auch dann meine Konsequenzengezogen. Das heißt: Ich habe mich ebennicht weichklopfen lassen.

Dr. Matthias Miersch (SPD): KonntenSie aus diesem Gespräch entnehmen, dassHerr Hennenhöfer im Auftrag von FrauDr. Merkel unterwegs war zu Ihnen?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, das kann ich jetzt nicht.

Dr. Matthias Miersch (SPD): Das ergibtsich mehr oder weniger jetzt erst aus demVermerk. - Dann habe ich erst mal keineweiteren Fragen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Frau Vogt.

Ute Vogt (SPD): Dann würde ich gernenoch mal nach den Vorgängen einige Jahrevorher fragen, wo es ja auch schon mal umdie Salzrechte ging und wo einige Bürgerin-nen und Bürger ja durchaus auch Pachtver-träge abgeschlossen haben, die zum Teil jajetzt auch in den nächsten Jahren wiederauslaufen - ich glaube, 2015.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:15, ja.

Ute Vogt (SPD): Könnten Sie uns schil-dern, wie damals die Situation war, wie manversucht hat, die Salzrechte ja auch vonIhnen, von der Kirche usw. zu bekommen,und vielleicht auch einen Einblick geben,warum der oder die eine oder andere Bürgeroder Bürgerin dann doch damals den Vertragabgeschlossen hat?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,das war natürlich jetzt sozusagen nach die-ser, nachdem das NEZ gestorben war - - Daswar ja das erste Mal, dass ich wirklich sodirekt damit konfrontiert wurde, dass ich sa-gen musste: Ja oder Nein. Diese Situationkam jetzt wieder mit diesen Nießbrauchs-rechten. Und ich habe - - Also, man hatte indem Fall sehr viel mehr Zeit als bei der ers-ten Kampagne. Ich glaube, es ging schon so1988 los, und die Nießbrauchsverträge wur-den ja dann 1990 rechtswirksam bis 2015.Und ja, das war natürlich wahnsinnig lukrativfür die Menschen dieses - - Also, wenn man1 DM bekommt nur für ein Salzrecht, dasirgendwo unten drunter liegt, das man so-wieso nicht nutzen kann, und dann auch nurfür 25 Jahre mit der Chance, dass man dannnoch mal das ganze Salzrecht verkaufenkann - - Ja, das muss man sich mal vorstel-len, was das bedeutet.

Und ich will mich da jetzt überhauptnicht - - Ich will jetzt nicht meine Zurückhal-tung da als Heldentat bezeichnen, weil es

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sicher für mich auch eher möglich war, soeinen Verzicht zu leisten, als für die Leute,die in unserer Gegend größte Schwierigkei-ten haben, ihren Betrieb auch so zu gestal-ten, dass sie da vernünftige Einnahmen ha-ben. Aber ich glaube, man muss einfachsehen: Das ist eine große Drucksituation, dieda entsteht durch so ein Angebot. - Ich weißnicht, ob ich jetzt Ihre Frage ausreichendbeantwortet habe.

Ute Vogt (SPD): Wenn Sie jetzt Ihre per-sönliche Situation sehen: Gab es damalsauch so ähnliche Verhandlungsversuche wiejetzt Besuche von Herrn Hennenhöfer 98?Gab es das in der damaligen Zeit auch, dassquasi versucht wurde, in EinzelgesprächenSie zu bearbeiten?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, das gab es eigentlich nicht. Nein, kannich nicht - - Ich glaube, da hat man michauch schon irgendwann - auch durch meineVerlautbarungen - so eingeschätzt, dass manwusste, dass ich dafür nicht zu haben bin.Und man muss immer sagen: Ich habe michja auch sehr intensiv mit der Kirche, mit allenmöglichen Menschen unterhalten. Und ichhabe immer versucht, meine Entscheidungauf eine Grundlage zu stellen, wo ich dasGefühl habe: Das ist einigermaßen abgewo-gen. - Ja. Aber da kann ich mich nicht anirgendwelche Überredungsversuche erin-nern.

Ute Vogt (SPD): Okay. - Ich wollte nochmal zurück. Sie haben ja noch mal vorhineingangs auch Ihr Gespräch mit Ministerprä-sident Albrecht erwähnt, wo er eröffnet hat,dass jetzt - - Also, Sie haben auch gesagt,Sie wurden mit der Nachricht überfallen, derLandkreis und Sie, im Februar, dass dasEndlager jetzt kommen soll nach Gorleben.Aber können Sie sich an das Gespräch nocherinnern, was die Beweggründe von Minis-terpräsident Albrecht waren, warum - - Also,weil wir uns ja immer fragen: Warum ausge-rechnet Gorleben? Hat er möglicherweise dieHoffnung gehabt, dass, wenn er Gorlebenvorschlägt, das vielleicht von der Bundesre-gierung dann abgelehnt werden würde?Oder war Ihr Eindruck, dass er auch Gorle-ben wollte?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, mir gegenüber ist er so aufgetreten:Gorleben, das ist jetzt entschieden; da gibt

es überhaupt kein Zurück mehr, und ichmuss mich damit sozusagen abfinden. - Erhat mir damals auch gesagt: Ich kann mirvorstellen, dass Sie das gar nicht witzig fin-den. - Und ich glaube, es hatte auch vorherin Gartow eine Veranstaltung stattgefunden,wo ich dann schon gesagt habe: Also, daspiele ich auf keinen Fall mit. - Und dannkam eben noch der Ausspruch: In zwei Jah-ren hat sich die Bevölkerung daran ge-wöhnt. - Aber da hat er sich ja nun wirklichschwer getäuscht.

Ute Vogt (SPD): Danke schön.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Aber ich hatte den Eindruck, dass die Ent-scheidung gar nicht mehr - - Ja, die war ge-fallen, und da war nichts mehr dran zu än-dern. Und ich war auch so wenig vorher mitdieser ganzen Sache befasst, dass ich auchdie ganzen Hintergründe für die Entschei-dungsfindung - also damals - überhaupt garnicht wusste.

Ute Vogt (SPD): Danke schön.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herzlichen Dank. - Damit geht das Frage-recht jetzt an die FDP-Fraktion, Herrn Kolle-gen Buschmann. Bitte schön.

Marco Buschmann (FDP): HerzlichenDank, Frau Vorsitzende. - Herr Graf vonBernstorff, ich mache an der Stelle weiter, woFrau Kollegin Vogt gerade aufgehört hat. Siehat Sie befragt, wie die Stimmung war, wie,ich sage mal, die Umgangsform war mit denGrundbesitzern vor Ort. Und Sie haben denBegriff des Drucks verwendet, wo man ja denEindruck bekommen könnte, da sei quasi mitdem Daumen, dem eisernen Daumen desStaates auf den schwachen Bürger Druckausgeübt worden. Vorher hatten Sie aller-dings beschrieben, dass dieser Druck imPrinzip ein sehr lukratives Angebot war. Alsomöchte ich noch mal nachfragen: Was isteigentlich unter dem Begriff des Drucks zuverstehen? Meinen Sie damit einfach nur,dass es sehr verlockend war, weil es ebenfinanziell attraktiv war, ein Rechtsgut herzu-geben, das im Prinzip keinen Marktwert hat,weil, wie Sie selbst gesagt haben, man esnicht nutzen kann, und Sie mit Druck eigent-lich nur meinen, dass es eine große Anzie-

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hungskraft ausübt, die Möglichkeit zu haben,schnelles Geld zu machen?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Als es damals um das NEZ ging, wurde vonder DWK ja ein Vertragsangebot gemacht,wo man innerhalb von einem Monat sichentscheiden musste, ob man verkauft odernicht. Und da behaupte ich schon, dass dasein enormer Druck ist, weil ja immer dahinterdann die, ich will es jetzt mal nennen, Dro-hung stand: Wenn man jetzt nicht auf dasAngebot eingeht, dann wird man eben ent-eignet, und dann eben nur zum, na ja,Zehntel des Wertes. - So wurde das überallbesprochen. Und das, denke ich, erzeugtschon einen enormen Druck.

Marco Buschmann (FDP): Was ist ge-nau der Gegenstand der Enteignung? Also:Wenn Sie jetzt enteignet würden, was würdeman Ihnen exakt wegnehmen?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichnehme mal an, jetzt nach der Atomgesetz-novelle, die ja auch vorsieht, diese Enteig-nung wieder ins Atomgesetz - - Die steckt jawieder drin. Da nehme ich an, dass es umdie Salzrechte geht, weil zunächst werden janur die Salzrechte gebraucht.

Marco Buschmann (FDP): Inwieweitwürde das Ihren Gewerbebetrieb oder forst-wirtschaftlichen Betrieb, den Sie auf IhrenLändereien betreiben, konkret beeinträchti-gen?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Sie meinen, wenn da erkundet würde? Oderwenn ich meine Salzrechte hergeben würde?

Marco Buschmann (FDP): Wenn Ihnendie Salz- - Also, wenn Sie im Hinblick auf dieSalzrechte enteignet würden.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Naja, das würde die Folge haben, dass mög-licherweise eben erst mal die Erkundungfortgesetzt wird, zweitens ein Endlager ge-baut wird und - das habe ich jetzt ja versuchtdeutlich zu machen - -

Marco Buschmann (FDP): Aber das istja jetzt - - Also, ich verstehe Ihre ablehnendeHaltung gegenüber dem Endlager. Das istIhre Position, und das ist ja auch Ihr gutes

Recht. Meine Frage war jetzt, weil das Zielist, herauszubekommen, ob da wirklich einillegitimer Druck aufgebaut wurde. Und ichglaube, dafür ist es wichtig, herauszuarbei-ten, worin dieses Opfer eigentlich genaubestand, das jemand im Rahmen einer sol-chen Enteignung - - Sie haben ja gesagt, dieEnteignung ist gewissermaßen eine Drohku-lisse gewesen - kurze Fristen, Drohkulisseder Enteignung - - und dass es dafür wichtigist, zu verstehen, was das konkret für dieBetroffenen bedeuten würde, also wie großdieses Opfer ist. Sie haben ja selber auchvon finanziellem Opfer gesprochen. Dasversuche ich jetzt herauszubekommen. Des-halb frage ich: Wie sieht die konkrete Beein-trächtigung aus, die aus dieser Drohkulissedenn überhaupt resultiert hat?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, wenn Sie jetzt vor der Frage stehen:Sie haben, sagen wir mal, 20 Hektar Land,und Ihnen gehören die Salzrechte, und Siekönnen jetzt sozusagen das Nießbrauchs-recht abtreten. Dann sind das 200 000 DM -wären das -, die man sich dann entgehenlässt. Und ich meine, für den normalen Bür-ger, würde ich mal sagen - - der sagt: Daswird ja sowieso gemacht. Und wenn ich jetztnicht mitmache, dann verzichte ich auf die-ses Geld. Ich bin doch nicht blöd.

Marco Buschmann (FDP): Das ist abereine sehr sanfte Form des Druckes - findenSie nicht auch? -: 200 000 Mark haben odernicht haben.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Das erzeugt doch einen wahnsinnigen Druck.Das ist doch klar.

Marco Buschmann (FDP): Aber das istder Gegenstand des Drucks, sozusagen dieLukrativität des Angebots?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Naja, da gibt es sicher auch noch was anderes.Es gibt natürlich dann - - Also, sagen wir, inGorleben ist ja, wenn man das sieht, was daalso für Geld hingeflossen ist - - Da gibt esdiese fantastische Sporthalle. Also, da sind jaEinrichtungen entstanden. Die hängen ja allemit Gorleben zusammen. Und ich glaube,dass es da auch ein - aus meiner Sicht nichtsehr erfreuliches - Gemeinschaftsgefühl gibt.Wenn da also einer ausbricht und sagt: „Ich

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spiele da nicht mit“, dann macht er sich auchnicht gerade furchtbar beliebt. Und das warja bei mir auch: Ich musste das ja auch inKauf nehmen, dass gesagt wurde: Na, derGraf, der verhindert, dass unsere Gegendsich hier wirtschaftlich entwickelt, und der tutunserer Gegend was Böses an. - Damitmuss man sich dann auch noch auseinan-dersetzen. Das ist ja noch das Nächste. Ichweiß nicht, ob ich Ihre Frage richtig beant-wortet habe.

Marco Buschmann (FDP): Ja. - Dannwollte ich noch mal konkreter kommen aufdiesen Begriff des finanziellen Opfers. DenBegriff haben Sie ja selber eingeführt. Ichhabe vorliegen einen Artikel aus dem Ham-burger Abendblatt vom 03.11.2010. Kopienstelle ich auch gleich, falls das noch nicht zurVerfügung steht, gerne zur Verfügung. Darinheißt es, dass Ihnen 36 Millionen Mark vonden Endlagerbetreibern für Ihre Ländereienangeboten worden seien. Und dann kommtein wörtliches Zitat - aber da muss man im-mer vorsichtig sein, ob wirklich korrekt zitiertwurde -:

... sagt Andreas von Bernstorff:

- Zitat -

Das Zehnfache des üblichenMarktpreises. Aber ich bin nichtschwach geworden.

Entspricht das den wirtschaftlichen Ver-hältnissen, dass Ihnen ein Betrag angebotenwurde, der dem Zehnfachen des Marktprei-ses entspricht?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, man muss das so sehen: Das waren jadamals - - 1975 sind ja diese riesigen Flä-chen abgebrannt, und dass praktisch - - Da,wo das NEZ entstehen sollte, war ja eineriesige Waldbrandfläche. Die war ja auchnoch gar nicht aufgeforstet. Außerdem ist esein ganz leichter Boden. Also, wenn man dasüberhaupt hätte verkaufen können, dannhätte man nicht mehr als 35 Pfennig proQuadratmeter bekommen können. Und ge-boten wurden aber 3,50 Mark. Insofern: Mitdem Zehntel, das ist sehr korrekt.

Marco Buschmann (FDP): Ich bestreitedas auch gar nicht.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Damals war das so. Heute sieht das wieder

anders aus. Heute ist ja Wald wieder vielinteressanter. Aber damals war das mit Si-cherheit nicht mehr wert.

Marco Buschmann (FDP): Ja. Wie ge-sagt, ich bestreite das gar nicht. Ich wollteerst mal nur wissen, ob das zutreffend ist.Aber vor dem Hintergrund kann man eigent-lich in Anbetracht der Optionen, die Ihnen daeröffnet wurden - sei es dieses Angebot oderdieses Angebot mit den 12 Millionen -, jaeigentlich nicht davon sprechen, dass Sie amEnde - bei rein finanzieller Betrachtung - alsOpfer dagestanden hätten, sondern Ihnenwurde im Prinzip ein finanziell roter Teppichausgerollt - über den Sie dann nicht gehenwollten, was Ihr gutes Recht ist. Aber mankann ja nicht davon sprechen, dass das einnicht attraktives Angebot gewesen wäre unddass das, sagen wir mal, eine illegitime Formdes Druckes gewesen wäre, sondern manhat ja versucht, Ihnen sehr, sehr weit entge-genzukommen.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Naja, ich finde nur: Durch diese Art, dass manso ein Vertragsangebot macht und das ter-miniert auf einen Monat, entsteht schon einenormer Druck. Das muss man einfach sa-gen. Also, bei mir hätten sie wahrschein-lich - - oder bei mir wurde das auch nochverlängert. Aber Sie müssen sich mal dieLage jedes Einzelnen vorstellen, der da soein Angebot bekommt. Das kann ich nichtanders als einen Druck bezeichnen. Sonstwäre das ja gar nicht nötig gewesen, da soeine Terminsetzung zu machen. Dann hätteman gesagt - das wäre anständig gewesen -:Hier, überlegt euch das. Wir wollen das hiermachen, und wir zahlen euch das und das. -Aber mit diesem Termin war doch ganz klar,dass das irgendwie durchgesetzt werdensollte. Und das finde ich auch nicht in Ord-nung, dass die Politik das sozusagen auchnoch unterstützt hat damals.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herzlichen Dank. - Damit ist das Fragerechtschon erschöpft und geht jetzt weiter an dieFraktion Die Linke. Frau Kollegin Menzner.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Danke,Frau Vorsitzende. - Ich möchte doch vorneanfangen in dem zeitlichen Ablauf, Herr vonBernstorff. Bin ich richtig informiert, dass Sievor der Standortbenennung durch den Mi-nisterpräsidenten sehr wohl auch mit ihm

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befreundet waren und es einen guten Kon-takt zu Ministerpräsident Albrecht gab?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, es ist nicht so, dass ich ihn besondersgut kannte. Aber ich habe doch immer einesehr positive Einstellung zu ihm gehabt. Undwenn Sie genau danach fragen: Ein Jahrvorher war er auch bei uns zur Jagd eingela-den und ist auch gekommen.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Darauskönnte sich ja der Eindruck ergeben, dassMinisterpräsident Albrecht der Einschätzungwar, mit Ihnen wäre so ein Projekt zu ma-chen. Wie hat sich denn dann nach derStandortbenennung das Verhältnis entwi-ckelt? Oder welches Gewicht hatte danachIhre Meinung? Sie haben vorhin ausgeführt,dass Sie die Benennung von Gorleben auchüberfallartig erlebt haben und offensichtlichvorher keine Gespräche stattfanden. Habeich das richtig verstanden?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,das haben Sie ganz richtig verstanden. Also,ich muss auch sagen: Bei der Größenord-nung, die da zur Diskussion stand, und beidieser riesigen Fläche, die man von mir ha-ben wollte, wäre es nach meinem Verständ-nis der richtige Weg gewesen, mit mir vorherdarüber zu sprechen und nicht die Dinge alsgegeben und nicht mehr abänderlich darzu-stellen. Aber so ist es nun mal gelaufen.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Seitwann wussten Sie oder auch Ihre Vorfahren,dass unter dem Gelände Salz, aber auchandere Bodenschätze zu finden sind? Wardas Ihnen bei der Benennung schon bekanntoder vor der Benennung?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein. Also, davon wusste ich gar nichts. Vondiesem furchtbaren Unfall bei der Bohrung inLenzen habe ich auch jetzt eigentlich erstgehört. Und damals wurden solche Informa-tionen auch unterdrückt. Das muss manwirklich sagen. Die kamen eigentlich über-haupt nicht zur Sprache.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Also inIhrer Familie war es auch nicht Thema, dassAnfang des 20. Jahrhunderts sehr wohlschon eine Reihe Salz- und Gasbohrungenin der Region stattgefunden haben? Das

haben Sie auf jeden Fall nicht mit IhremGrund und Boden in Zusammenhang ge-bracht?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, also überhaupt nicht. Bevor man überGorleben diskutierte, waren diese Gasboh-rungen - - Also, ich weiß, da gab es den be-rühmten Herrn Pfeiffer. Das stimmt. Dersprach immer von Gasbohrungen, und zwarim Höhbeck-Bereich. Aber das hat meineFamilie damals nicht tangiert.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): SindSie jemals offiziell darüber informiert worden,dass das niedersächsische Landeskabinettam 22.12.1976 beschlossen hat, dass imBereich des Salzstockes Gorleben keineBohrungen mehr nach Öl oder Gas getätigtwerden dürfen, weil dort die Suche nach demAtommülllager Vorrang vor der Aufsuchungund Förderung von Erdgasvorkommen ha-ben sollte? Das findet sich - für das Proto-koll - in MAT E 6, Band 19, Paginierung228/229.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Davon wusste ich überhaupt nichts. Siemüssen sich einfach mal vorstellen: Vor1977 - - Also, das erste Mal, dass ich michüberhaupt damit befasst habe, war, als daüber diese Standorte Wahn, Lutterloh undLichtenhorst - - Und ich hatte wirklich restlosandere Dinge im Kopf. Ich musste da ir-gendwie meinen - - Ich hatte meinen Besitzübernommen und bin eigentlich - - Ich binForstmann. Und ich muss auch ganz ehrlichsagen, ich hatte auch keine Probleme bisdahin mit der Atomenergie. Das ist eigentlichalles erst gekommen durch die zwangsläu-fige Beschäftigung mit dieser Frage.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Aberselbst wenn Sie zu der Zeit nicht wussten,dass unter Ihrem Grund und Boden jetztdoch Bodenschätze sind, stellt natürlich soein Beschluss so etwas wie eine kalte Ent-eignung dar, wenn also einem Eigentümerverboten wird, sein sonst übliches und ver-brieftes Recht wahrzunehmen. Wie stellt sichdas für Sie dar, dass Sie fast 35 Jahre langüber diese Beschlüsse wohl auch nicht in-formiert wurden?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Die Materie ist für mich jetzt so ein bisschen

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neu, muss ich sagen. Ich hatte ja schon ge-sagt, ich habe mich damit überhaupt nichtbeschäftigt. Es ist ja auch so, dass einemnicht - - Also, das Salz unter meinem Grund-stück gehört mir, aber das Gas zum Beispielnicht. Das Gas, da muss ich natürlich eineGenehmigung erteilen, und dafür wird manwahrscheinlich auch entschädigt. Aber es istja so: Wenn nach Gas gebohrt wird, danngibt es dieses Mittel der Grundabtretung überdas Berggesetz. Das kann man als Eigentü-mer auch nicht verhindern. Aber ich bin mirjetzt nicht ganz klar, worauf Sie hinaus-wollen - ob Sie meinen, das wäre so ein ent-eignungsgleicher Tatbestand.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Na ja,das Verbot, sowohl weiter Salz abzubauenals auch nach Gas und Öl suchen zu lassen,ist ja zumindest eine Einschränkung in derVerfügung über die im Grundbuch verbrieftenRechte.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Na, das haben wir ja mit dem Salz auch im-mer gesagt. Der Salzabbau ist ein Recht, dasman als Grundstückseigentümer, dessenSalzrechte eben eingetragen sind ins Salz-grundbuch, ja hat. Und das ist natürlichschon eine Art Enteignung, wenn man dasSalz unter seinem Grundstück nicht mehrausbeuten darf. Und darum ist ja auch ge-setzlich verankert die Veränderungssperre.Das heißt also, auch wenn ich jetzt wollte,könnte ich das Salz nicht ausbeuten. Und dasind wir immer noch dabei. Mit Salinas habenwir ja den Antrag auf einen Rahmenbetriebs-plan gestellt. Und das geht ja nun schon seitJahren hin und her.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Davielleicht nicht jeder hier weiß, was Salinasist: Könnten Sie das bitte kurz ausführen?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichhabe an Salinas ein Grundstück bzw. einSalzrecht verpachtet, also ein Nießbrauchs-recht. Salinas GmbH hat das Anliegen, ebendas Salz in Gorleben zu nutzen, und zwarauch mit dem Hintergrund, dass die Aus-beutung von Salz oder von Bodenschätzennach dem Berggesetz Vorrang hat vor ande-ren Nutzungen eines solchen Salzstocks.Und Salinas hat eben auf dieser RechtsbasisAnträge gestellt auf Erlass eines Rahmen-betriebsplans, um eine Bohrung runterzu-bringen. Aber wie Sie wissen, ist das bisher

nicht erfolgreich. Da gibt es ja eine langeGeschichte. Die müsste man auch noch maldokumentieren. Aber durch diese Verände-rungssperre ist das zurzeit nicht möglich.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herzlichen Dank. - Damit ist das Fragerechtder Linken zunächst vorbei und geht jetztweiter an die Grünen. Bitte schön, Frau Kot-ting-Uhl.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Guten Tag, Graf von Bernstorff!

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Guten Tag!

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Der Druck, von dem Sie geredethaben, unter dem Sie standen und auchandere, war ja auch an anderen Orten vor-handen. Das heißt, auch die Bundesregie-rung stand unter massivem Druck in diesenJahren, mal wieder, weil sie mit dem ProblemGorleben an einer Problemkante hing. Esging nicht weiter, weil sie die Salzrechte nichthatten. Sie mussten aber weiterkommen,weil sonst der Entsorgungsvorsorgenachweisnicht mehr geleistet hätte werden können.Das heißt, dieser Druck, der da herrschte,muss massiv gewesen sein. Und üblicher-weise wird solcher Druck ja von oben nachunten durchgegeben.

Da will ich in dem Zusammenhang nochmal auf diesen Bericht kommen von demfünfstündigen - oder wie lange auch immer -Gespräch zwischen Herrn Hennenhöfer undIhnen, den Herr Hennenhöfer dann an seineMinisterin, Frau Merkel, geschickt hat. Ersagt ja gleich im ersten Abschnitt, dass Sieschon längere Zeit mit ihm Kontakt aufneh-men wollten, und zwar über einen unpar-teiischen Mittelsmann. Nachher wird dannHerr Müller genannt, der Ihr Beauftragtergewesen sei.

Ich will jetzt mal sagen: Ich habe aus zweiGründen Zweifel daran. Zum einen kommenSie mir bisher überhaupt nicht wie jemandvor, der sich nicht erinnert. Sie sagten: Sieerinnern sich nicht, dass Herr Müller dabeiwar. - Ich glaube, ob jemand Dritter beieinem Gespräch dabei war, das man miteinem anderen Kontrahenten über daseigentliche Thema führt - - das kann passie-ren. Aber einen Beauftragten, den man so-zusagen selber beauftragt hat, für einen dasWort zu ergreifen, würde man, glaube ich,

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nicht vergessen. Zum anderen kann ich mirschlecht vorstellen, wie ausgerechnet HerrMüller ein unparteiischer Mittelsmann hättesein sollen. Der hatte ja auch ganz klareInteressen von der Energieseite her.

Deshalb meine Frage noch mal an Sie:Aus Ihrer Erinnerung in dem Zusammenhangmit diesem Gespräch, welche Rolle könnteHerr Müller da gespielt haben?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichkann mir eigentlich das nur so vorstellen,dass die Atomlobby, wenn ich sie mal sonennen will, zu der ich auch Herrn Hennen-höfer zähle, dass die jetzt versucht haben,irgendwie an mich ranzukommen, und dassman vielleicht geglaubt hat, dass Herr Müllerdazu der richtige Mann ist. Aber ich kannmich in der Tat nun wirklich nicht daran erin-nern, dass Herr Müller bei diesem Gesprächanwesend war. Ich frage mich auch, warumdas hier steht. Ich denke mal, das könnteman aber noch rauskriegen. Und das, wasschon ganz und gar nicht stimmt: dass ichetwa Herrn Müller da als Mittler beauftragthätte. Das ist also einfach nicht wahr.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Könnte es sein, dass Herr Müllersich bei Ihnen gemeldet hat und das Ge-spräch vermittelt hat? Dann sagte HerrHennenhöfer: Ist jetzt - - hätte dann unddann Zeit?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, nein. Das ist nicht so. Wie gesagt, ichhabe auf einem anderen Weg eine Verbin-dung mit Herrn Müller gehabt. Aber das hatmit Herrn Hennenhöfer gar nichts zu tun.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Also, dann haben wir hier zumin-dest mal einen Dissens zwischen dem, wo-ran Sie sich erinnern, und dem, was in die-sem Bericht steht.

Ich glaube ja, dass Herr Hennenhöferunter einer gewissen Bringschuld in seinemAmt als Staatssekretär stand, gegenüber derMinisterin nun auch Fortschritte zu bringen.Ich will deshalb noch mal auf das Gesprächkommen und Sie da auch nach Ihrer Erinne-rung fragen. Ich meine, wir haben hier jaeigenartige Formulierungen in dem Fazit -vor allem:

Der Graf sieht, dass seine Fellelangsam davonschwimmen.

Es wird

... nichts daran ändern können, daßer ohne Gesichtsverlust nicht aneinem Projekt verdienen kann, daser jahrzehntelang bekämpft hat.

Hier wird ja der Eindruck erweckt, Sieseien eigentlich doch schon ganz schön an-gereizt worden jetzt in dem Gespräch, viel-leicht doch auf dieses Geschäft einzugehen,weil Sie merken, dass es anders nichts mehrwird. Also: Der Mann will irgendwie Geld darausschlagen, und wir kochen den schonnoch weich. - Das ist ja die Botschaft, die daan Frau Merkel geschickt wird. Entsprichtdas der Gesprächssituation? Also: Hat sichHerr Hennenhöfer im Gespräch Ihnen ge-genüber auch so verhalten, dass Sie es jetzt,sage ich mal, nicht wundert, dass er so einFazit zieht?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Das ist vielleicht ein bisschen meine persön-liche Art, dass ich sehr offen in so ein Ge-spräch gehe. Also, ich führe nicht ein Ge-spräch und sage gleich: „Alles, was ihrmacht, ist Mist, und Sie sind überhaupt einwiderlicher Kerl“, sondern ich versuche ein-fach, offen ein Gespräch zu führen. Ich willwissen, was mein Gesprächsgegenüber mirzu sagen hat, und ich sage das, was ichdenke. Und ich kann mir vorstellen, dassHerr Hennenhöfer das dann irgendwie sointerpretiert, wenn ich einfach zuhöre, dasser meint, mir schwimmen die Felle davon.Aber das entspricht auf jeden Fall nicht - -Das entspricht nicht den Tatsachen.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Finden Sie den Ton angemessendem Gespräch, das Sie vorher geführt hat-ten? Er „sieht, dass seine Felle … davon-schwimmen“ - ich meine, das ist ja jetzt nichtgerade die höflichste Umgangsform.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, das hat er ja auch geschrieben. Ichmeine, das hat er mir natürlich so nicht mit-geteilt. Also, ich habe ja schon gesagt: HerrHennenhöfer war höflich mit mir im Ge-spräch. Und das ist auch selbstverständlich.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Also, er war im Gespräch mitIhnen höflich, wie man das normalerweiseauch erwarten würde, und schreibt anschlie-ßend einen Bericht an seine Ministerin, in

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dem er so ein bisschen den Eindruck er-weckt, er hat da ein Gespräch geführt, wo erdabei ist, den anderen um den Finger zuwickeln und schon noch weichzukriegen.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,so - -

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Sie haben den Vermerk ja vorsich liegen. Sie können das ja vergleichen.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Sowürde ich das auch interpretieren.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Gut. - Dann würde ich gerneauch hier noch fragen: Auf der Seite 2 stehtin der Mitte die AtG-Novelle - das war ja einTeil der Drohkulisse -, die durch das Vorge-hen von Salinas notwendig geworden sei.Wie ist das zu verstehen?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Das liegt daran, dass Salinas ja einen Antraggestellt hat auf einen Rahmenbetriebsplan,um diese Bohrung runterzubringen. Wenn ichmich richtig erinnere, wurde auch der Rah-menbetriebsplan zunächst genehmigt vomOberbergamt. Und das war nach außen hineiner der Gründe, um diese AtG-Novelle zumachen. Aber ich glaube, der Hauptgrund,ehrlich gesagt, bestand darin, mich zu ent-eignen, also die Möglichkeiten zu haben, weildie Salzrechte, die ich hatte, waren natürlichsehr viel - - Also, man muss dazusagen:Salinas hat ja nur ein ganz kleines - - einGrundstück gepachtet und die damit zusam-menhängenden Salzrechte. Also, wenn eshier heißt, die AtG-Novelle wäre nötig gewe-sen wegen Salinas: Das glaube ich nicht.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ein großes Gesetz wegen eineskleinen Stückchen Land.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herzlichen Dank, Frau Kotting-Uhl. Tut mirleid. Nächste Runde. - Wir sind jetzt amEnde der ersten Berliner Runde. - Die Be-auftragte der Bundesregierung, Frau Meyerzu Rheda.

MRin Elisabeth Meyer zu Rheda (BMU):Ich wollte nur eine ganz kleine Anmerkungmachen. Frau Kotting-Uhl, Sie hatten eben

gesagt, Herr Hennenhöfer sei Staatssekretär.Er war Abteilungsleiter zu der Zeit und ist esauch jetzt. Also nur eine ganz kleine redak-tionelle Korrektur.

(Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Stimmt! Das war

ein Versprecher! Das weiß icheigentlich auch!)

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Gut.Damit ist das aber jetzt im Protokoll auchklargestellt.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hat-ten mal miteinander vereinbart, dass wirnach jeweils zwei Stunden eine kurze, zehn-minütige Pause machen wollten. Dann wärejetzt dazu Zeit. Trifft das Ihr Einverständnis? -Dann zehn Minuten. Um halb eins fangen wirwieder an, bitte schön.

(Unterbrechung von12.19 bis 12.32 Uhr)

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Liebe Kolleginnen und Kollegen, zumindestsind alle Fraktionen wieder da. Dann könnenwir wieder beginnen. - Das Fragerecht hatjetzt die Unionsfraktion. Herr Kollege Grindel,bitte schön.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): HerrZeuge, ich will auch noch mal zurückkom-men auf das Gespräch, weil das ja doch einezentrale Frage ist. Sie haben gesagt, Siegehen offen in solche Gespräche. Trotzdemist dort ja Vertraulichkeit vereinbart worden.Warum eigentlich? Hätten Ihre Freunde imWendland das nicht erfahren können, dassSie mit dem Umweltministerium in Gesprä-chen sind?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, ich finde, dass man - - Warum soll ichdenn nicht vertrauliche Gespräche führen?Ich möchte einfach einen hohen Informa-tionsstand haben. Und wenn die andereSeite darauf Wert legt, dass es vertraulich ist,dann habe ich da kein Problem mit. Also, ichdenke - -

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Aber IhreFreunde im Wendland hätten vielleicht einProblem damit, wenn sie gewusst hätten,dass Sie hinterrücks, sage ich mal, Gesprä-che im Umweltministerium führen.

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Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, damit haben meine Freunde überhauptgar kein Problem. Die wissen nämlich ganzgenau, wie sie bei mir dran sind. Und diewürden mir das in keiner Weise verübeln,wenn ich mir das Recht rausnehme, vertrau-liche Gespräche mit allen möglichen Men-schen - - Das habe ich ja die ganze Zeit ge-tan, einfach weil ich mich, wie gesagt, ge-sprächsbereit halte. Und das Recht, dasgestehe ich mir auch zu.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Dass esdann am Ende - das muss man natürlichsagen - zu weiteren Vertragsschlüssen nichtgekommen ist, lag natürlich am Regierungs-wechsel. Insofern ist meine Frage, weil Siegesagt haben, den Herrn Müller haben Sieauf anderen Wegen kennengelernt: Waswaren das denn für Wege?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichkann Ihnen das ganz offen sagen. EinFreund von mir ist bei Vattenfall. Und es ist janicht so, dass jetzt alle Leute meine Feindesind, die, sagen wir mal, sich für Atomener-gie einsetzen. Und der hat mir gesagt: Lassdich doch mal informieren von Herrn Müller;der ist auch - - der ist also keineswegs einKernenergiefreund. - Und dann habe ichdiese Gespräche geführt. Daran ist dochüberhaupt nichts auszusetzen.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Was heißt„diese Gespräche geführt“?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichhabe mich mit ihm über die Frage unterhal-ten: Wie sieht es überhaupt aus mit derKernenergie; was hat die für eine Zukunft?Und solche Leute wissen halt wahnsinnig gutBescheid. Und ich habe immer das Bedürfnisnach einem sehr hohen Informationsniveau.Und das ist ja auch richtig. Ich meine, ichsitze an einer Stelle, wo ich ja auch meineEntscheidungen irgendwie vertreten könnenmuss. Und deswegen spreche ich eben mitallen Seiten. Und das, finde ich, kann manmir doch zugestehen.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Sie habenaber auch gesagt, über die Atomgesetz-novelle selber hätten Sie mit Ihren Rechts-anwälten gesprochen. Das heißt, Rechtsratbrauchten Sie nicht mehr. Insofern ging es jadoch um eine Abwägung: Welche Chancen

habe ich, und welche Preise kann ich erzie-len, wenn ich verkaufe? Ist das eine falscheBewertung? Denn ich meine, rechtlich kannja bei dem Gespräch mit Hennenhöfer - -Das war nicht nötig. Die Rechtslage kanntenSie durch die Gespräche mit Ihren Anwälten.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, das habe ich doch vorhin gesagt. Mirwar ja klar, dass das jetzt zumindest sehrstrittig ist, ob es zu einer Enteignung kommtoder nicht. Und die Rechtsanwälte wissen javorher auch noch nicht, wie so ein Prozessausgeht.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Klar.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Und ich finde, deswegen muss man vor-her - - muss man sehen, muss man mit allenSeiten sprechen und seine Chancen abste-cken. Und da spielte eben der Wert dieserNießbrauchsrechte auch eine Rolle.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ich kannmir - ich habe auch Frau Kotting-Uhl so nichtverstanden - nicht vorstellen, dass HerrHennenhöfer sich das ausdenkt, dass HerrMüller bei dem Gespräch mit dabei gewesenist. Ist er denn - - Oder andersherum: In wel-cher Rolle könnte er denn an dem Gesprächteilgenommen haben? Also, ich habe denEindruck daraus gewonnen, dass er schonmit Ihnen zusammen zu dem Gespräch ge-kommen ist. Sonst wären Sie ja auch alleine.Das unterstelle ich mal, dass Sie alleine,ohne Begleitung, so ein Gespräch auch nichtführen würden. Aber daran haben Sie keineErinnerung mehr?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichmeine, dass ich sogar mit einem Rechtsan-walt dabei gewesen bin. Aber ich kann esecht nicht - - Sie überfallen mich jetzt ja auchmit Dingen, die Sie jetzt genau studiert ha-ben. Und ich muss mich jetzt an alles erin-nern. Aber ich kann mich echt nicht daranerinnern, dass ich mit Herrn Müller zusam-men bei Herrn Hennenhöfer gewesen bin,und schon gar nicht, dass ich ihn da alsVermittler beauftragt habe.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Also, inunserem Ausschuss mussten Leute sichschon an viel länger zurückliegende Sach-verhalte erinnern. Insofern ist die Frage nicht

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ganz ungehörig, sage ich mal. - Haben Siedenn hinterher mit Herrn Müller Kontakt ge-habt, als er Minister war?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, dann habe ich überhaupt keinen Kon-takt mehr mit ihm gehabt.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Warumnicht?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Weil, es gab nichts mehr zu besprechen.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Weil - istdie Bewertung falsch? - die Atomgesetz-novelle und die Enteignungsvorschrift sicheben erledigt hatten durch die rot-grüne Ge-setzgebungsentscheidung?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Und in-sofern hätten Sie ohne erheblichen Ge-sichtsverlust eben nicht mehr verkaufen kön-nen. Es gab im Grunde genommen keinenGrund mehr, vor Ort zu vertreten, warumman verkauft.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Eslief ja dann so, dass die - - Es gab ja einenEnteignungsantrag der Regierung, also unterFrau Merkel. Und dann hat die - - Also, wirhaben gesagt: Das, was da abläuft, nämlichdiese Lex Bernstorff, ist ein Einzelfallgesetz,und das kann nicht verfassungsgemäßsein. - Aber dann hat die Regierung ja denAntrag von sich aus zurückgestellt. Und da-mit war ich weiterhin Besitzer meiner Salz-rechte.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Gut. - Ichwürde doch gern noch mal Sie bitten, bei derFrage, welche Verträge Sie für Ausgleichs-maßnahmen haben, intensiv zu überlegenund uns darzulegen, wie viele Verträge Siehaben und was wir uns dort finanziell - - wasSie jetzt meinetwegen, um es Ihnen etwasleichter zu machen, aktuell für einen Umfangan Finanzmitteln dafür erhalten.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, ich merke schon aus Ihren Fragen,dass Sie mich da irgendwie als dann dochbestechlich oder so heraus - - dass Sie da sowas im Hinterkopf haben. Ich habe wirklich

überhaupt gar kein Problem - und das wissenauch meine Freunde im Wendland, dass ichdiese Verträge abgeschlossen habe -, Ihnenzu sagen, was ich da für Verträge habe. Dassind Verträge für die Schäden, die ich habe,erst mal. Also das dreht sich da um dieseWaldbrandfläche, die aufgeforstet wurde unddie dann wieder zur Halde gemacht wordenist. Und dann gab es nach den Empfehlun-gen des BUND mehrere Ausgleichsmaß-nahmen, zum Beispiel Erhaltung von einzel-nen Kiefern als Spechtbäume. Das hat esalles - - Im Rahmen eines großen Aus-gleichsprogramms - das hat man aber ge-nauso auch mit vielen anderen Grundbesit-zern abgeschlossen - sind diese Maßnah-men gemacht worden. Und nach ganz nor-malen Sätzen, die die Landwirtschaftskam-mer erarbeitet, ist das bezahlt worden.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ja, alsoPachtverträge, haben wir schon gehört, auf30 Jahre. Ist das richtig, dass die eine Lauf-zeit von 30 Jahren haben?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,das stimmt. Weil sonst eine Ausgleichsmaß-nahme keinen Sinn hat. Wenn Sie jetzt Heidemachen, -

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Nein, istja in Ordnung.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: -und dann wird nach zehn Jahren wieder auf-geforstet, dann bringt das nichts.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Nur: DasVolumen ist natürlich dann, wenn man dasauf 30 Jahre fest hat, schon mal ganz erheb-lich. - Können Sie denn ungefähr sagen,welches Volumen diese Verträge jährlichhaben? Ich meine, Sie haben bis 2010 IhrUnternehmen persönlich geführt. Da müss-ten Sie ja ungefähr wissen, welches Volumendiese - -

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Erst mal kann ich Ihnen sagen: Im Verhältniszu dem Umsatz, den ich in meinem Unter-nehmen mache, kann man das vergessen.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Umsatzist ja nicht Gewinn.

1. Untersuchungsausschuss 32[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Naja, oder auch zum Gewinn. - Und das sind,wie gesagt, diese Pachtflächen. Andere Sa-chen sind gleich entschädigt worden. Also,wie viel das ist, weiß ich nicht. Aber, wiegesagt, da habe ich überhaupt gar kein Ge-heimnis. Ich kann Ihnen das auch sagen. Esist auch völlig klar, dass man für Natur-schutzmaßnahmen da Vertragsnaturschutz-verträge abschließt. Und, wie gesagt: Das istfür mich eine andere Ebene als die Gorle-ben-Frage selbst.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ich fragedeshalb, weil Sie in der Sendung MaybritIllner am 11. November 2010 gesagt habenunter anderem:

Also, ich muss mal vielleicht dazuwas sagen. Ich habe zwar einengroßen Betrieb mit einem wunder-schönen Wald und Landwirtschaft,aber mit unglaublich vielen Ver-pflichtungen. Ich habe wirklichgrößte Schwierigkeiten, das Ganzeökonomisch wirklich so zu erhalten,wie ich gerne möchte.

Insofern ist für mich schon die Frage interes-sant, ob zu dem ökonomischen Erfolg auchdiese Beträge einen Beitrag leisten, die Siedort erhalten für Ausgleichsmaßnahmen.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, Sie wissen ja da - - Sie haben sich jasehr eingehend hier mit meiner Person unddem, was ich mal irgendwann gesagt habe,beschäftigt.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Das ist jaunsere Pflicht.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Aber das ist ganz klar. So ein Betrieb hatunheimlich viele Verpflichtungen. Und beieinem Kiefernwald ist es natürlich auch nichtdas Einfachste, so einen Wald mit Erfolg zubewirtschaften - und die ganzen Gebäude,die man unterhalten muss. Das ist sichernicht ohne. Aber es ist jetzt überhaupt nichtso, dass der Betrieb existenziell von solchenAusgleichsmaßnahmen abhängt. Das istnicht der Fall. Das sind einfach ganz andereGrößenordnungen, um die es da geht.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Aber Siekönnen trotzdem, auch wenn es keine exis-tenziellen Auswirkungen hat, nicht sagen, in

welcher Größenordnung ich mir die Leistun-gen, die Sie da jährlich bekommen, vorstel-len muss?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, ich würde sagen, das liegt so bei30 000 Euro ungefähr - also auf jeden Fallnicht 55.

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Gut.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herr Kollege Paul, bitte schön.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Dann darfich an der Stelle noch mal weitermachen.Also, wenn ich höre die Größenordnung, dieSie jetzt schildern: Das muss ich ja dann mit30 multiplizieren, um eine Größenordnungmir vorzustellen, wie viel Geld jetzt insge-samt vonseiten des Bundes an Sie fließt.Und da komme ich ja an eine Größenord-nung, die knapp auf 1 Million Euro hinaus-läuft. Ist das richtig?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, ich finde diese Fragen wirklich sehrnervig, muss ich mal sagen, weil ich finde, dawird auf so einer Ebene mit mir diskutiert, diefinde ich wirklich schon - - Ja, also das gehtschon so ein bisschen unter die Gürtellinie.Also, es ist doch ganz normal, dass man alsBesitzer von Wald und Landwirtschaft Ver-tragsnaturschutz macht. Das mache ich mitallen möglichen Partnern, die dazu bereitsind. Das mache ich auch mit der Industrie -also ich meine nicht die Atomindustrie. Dasist ein Programm, was ja nicht für mich ge-macht wurde, sondern ein Programm mitAusgleichsmaßnahmen. Und da mache ichhalt mit. Und ich weiß nicht, warum das jetztso eine - - Also, irgendwie wollen Sie mir jetztunterstellen, dass ich jetzt dadurch bestech-lich bin, oder ich weiß nicht.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Ich fragenoch einmal. Sie haben die Frage nicht be-antwortet.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Einen Moment. Wir stoppen mal gerade dieZeit. - Frau Kollegin Kotting-Uhl.

1. Untersuchungsausschuss 33[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ich würde darum bitten, wenn esjetzt weiterhin eine gute Begründung dafürgibt, nicht zum Untersuchungsgegenstand zukommen, dass uns diese Begründung dar-gelegt wird. Es hieß vorhin: Das hat mit derGlaubwürdigkeit zu tun. Aber dieselbe Fragein Variationen sozusagen über zehn Minutenund wieder zehn Minuten zu stellen - - Ir-gendwann ist mal die Frage, wie es mit derGlaubwürdigkeit aussieht, vielleicht auchbeantwortet. Deswegen würde ich da umeine weitere Begründung bitten.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herr Paul.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Ich darfdazu auf die Frage 22 des Untersuchungs-auftrags verweisen, die lautet:

Welche Finanzmittel wurden seitensdes Bundes oder durch Unterneh-men und Verbände wann, von wemund auf welcher Basis in die RegionGorleben transferiert, und solltendiese dazu dienen, die Akzeptanzdes geplanten Endlagers bei denBürgerinnen und Bürgern zu erhö-hen?

Das ist eine Frage, die, glaube ich, aus IhrerFeder stammt. Wenn Sie sich nicht vorge-stellt haben, dass man damit auch Herrn vonBernstorff konfrontieren kann, ist das IhrProblem. Aber die Frage deckt 100 Prozentdas ab, was ich gefragt habe.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ich glaube, Sie kennen das Prin-zip von Ausgleichsmaßnahmen nicht. Viel-leicht sollte man das hier mal erklären. Dashat mit solchen Geldern überhaupt nichts zutun.

(Dorothea Steiner (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN):

Naturschutzgesetz!)

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Dann können Sie, Frau Kotting-Uhl, dasvielleicht gleich im Rahmen Ihrer Fragenmachen. - Jetzt ist zunächst das Fragerechtbei der Unionsfraktion. Bitte schön.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Also, ichhabe eine Frage an Sie gerichtet, nämlichdass sich das über die 30 Jahre auf knapp

1 Million Euro summiert. Und die Antwortsind Sie mir noch schuldig.

(Ute Vogt (SPD): Kannst du nichtrechnen? Also ehrlich!)

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Was soll ich Ihnen jetzt darauf antworten?Sie haben das jetzt irgendwie ausgerechnet.30 000 mal 30 Jahre sind - - Ja, okay.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Gut.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Das ist so. Aber ich habe ja dafür auch einenSchaden.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU):Wieso das denn?)

Sie müssen auch immer noch sehen: Ichhabe ja zum Beispiel eine Durchforstunggemacht. Ich habe diese 600 Hektar Wald-brandflächen durchforstet - die erste Durch-forstung, also nördlich der Bundesstraße.Und das bringt - - Gut - das gebe ich zu -,das war früher schwieriger. Jetzt ist dieNachfrage nach Holz höher. Aber mit demWald kann ich wirklich echt Geld verdienen,und zwar wesentlich mehr als diese 30 000.Und das heißt: Wenn ich darauf verzichte,das 30 Jahre zu nutzen, dann muss das -aber hallo! - entschädigt werden. Das istdoch wohl klar. Ich meine, ich bin doch keinIdiot.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): EinWald entwickelt sich doch nicht in

30 Jahren!)

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Um hiernoch mal auf den Anwurf von Frau Kotting-Uhl zu sprechen zu kommen:

(Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Einwurf,

nicht Anwurf!)

Es geht ja darum, dass hier ein Ausgleich füreinen Eingriff, der vorgenommen wurde,gemacht wird.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Richtig.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): So. Undjetzt stelle ich Ihnen mal die konkrete Frage:Musste dieser Ausgleich bei Ihnen auf IhremGrundstück erfolgen?

1. Untersuchungsausschuss 34[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Der Ausgleich ist ja nicht von mir vorge-schlagen, sondern der ist vom - - Da könnenSie Herrn Professor Wilkens fragen. Der hatein großes Netz von Ausgleichsmaßnahmensozusagen vorgeschlagen. Und das ist ja beianderen noch - - Der Unterschied ist nur: DieLandwirte in Prezelle haben ihr Land verkauftfür diese Ausgleichsmaßnahmen. Ich habedas nicht gemacht, weil ich, wie gesagt,nicht - - nur wirklich äußerst ungerne Landverkaufe. Und diese Ausgleichsmaßnahmensind eben für die Schäden, die die vorhan-dene Salzhalde - die ist ja da; die kann ich janicht wegzaubern - in der Umgebung an-richtet. Dafür werden diese Ausgleichsmaß-nahmen gemacht. Und dafür werden danndie Grundstückseigentümer entschädigt. Dahabe ich echt nichts zu verbergen.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Aber nochmal: Sie waren doch nicht gezwungen, dasbei sich auf dem Gelände zu machen, aufIhrem Eigentum. Die Ausgleichsmaßnahmehätte auch woanders stattfinden können,naturschutzrechtlich.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Selbstverständlich war ich nicht gezwungen.Aber ich habe gesagt: Die finden sowiesostatt. Und wenn das aus Naturschutzgrün-den - - und wenn ich das mit meinen Besitz-interessen vereinbaren kann, dann macheich das mit. - Damit habe ich ja überhauptnicht Gorleben zugestimmt.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Es handeltsich ja um den Ausgleich für einen Eingriff,der entstanden ist, weil man das Endlager-projekt Gorleben erkundet. Und Sie gebenzu, Sie hätten den Vertrag gar nicht schlie-ßen müssen.

(Kirsten Lühmann (SPD): Warumhätte er das denn nicht tun sollen?)

Das heißt ja: Diese 1 Million Euro, die hättegar nicht bei Ihnen landen müssen, sondernauch woanders.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Die ist ja auch woanders - - Die ist ja verteiltworden auf die ganze Region.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Die kon-kreten Ausgleichsmaßnahmen, über die wirjetzt sprechen, für die Sie 30 000 Euro im

Jahr ungefähr bekommen, die sind doch beiIhnen auf dem Gelände.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Aber bei den anderen doch genauso. Diehaben ja mindestens eine Fläche von - - Ichweiß nicht, was. Ich glaube, 1 000 Hektarnoch, also außerhalb dieses Bereiches derSalzhalde, haben die Betreiber gekauft, umda Ausgleichsmaßnahmen durchzuführen.Das ist halt ein sehr umfangreiches Pro-gramm.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Die ande-ren sitzen heute halt nicht hier. Deshalb frageich Sie.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja.Wie gesagt, das - -

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Herr vonBernstorff, kommen wir noch mal auf dieFrage der Enteignung der Salzrechte zusprechen. Wenn ich mir jetzt mal vorstelle,das wäre gemacht worden: Was hätte dasdenn für konkrete Auswirkungen auf Ihrenlandwirtschaftlichen bzw. forstwirtschaftlichenBetrieb, auf Ihr Jagdrecht gehabt?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, die Frage ist mir ja auch schon malgestellt worden. Ich kann dazu nur sagen: Dadas Vertrauen nicht da ist, dass es sich hiernur um eine Erkundung handelt, sondern daalles dafür spricht, wenigstens bisher, dasshier ein Endlager gebaut werden soll - - Dannhat das aber erhebliche Auswirkungen. Undich meine, auch das, was bisher gelaufen ist,hat für mich natürlich auch sowieso - - Ichmeine, wenn ich bedenke, wie viel Lebens-zeit ich dafür geopfert habe, um mich diesemProblem zu widmen. Also, dafür sind die30 000, ehrlich gesagt - - Mit dem, was ichsonst hätte machen können - - fallen nicht insGewicht.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Nur - -

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Und das werden Sie doch wahrscheinlichauch so sehen: Wenn sich alles auf diesenStandort konzentriert - das Zwischenlager,die Pilotkonditionierungsanlage, mit der mandie Brennelemente konditionieren will - unddann da in dem Salzstock erkundet wird,dann bedarf es einer erheblichen, großen

1. Untersuchungsausschuss 35[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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Anstrengung, sozusagen diese Festlegungwieder aufzubrechen. Und darum geht es jaletzten Endes, dass hier ein vernünftigerWeg für die Zukunft gefunden wird.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Mich inte-ressiert natürlich auch: Was wären denn dieBelastungen, die da auf Sie zukämen, würdeda enteignet? Und deshalb meine Frage:Was für Auswirkungen hätte das gehabt? DieFrage haben Sie jetzt so nicht direkt beant-wortet. Ich frage vielleicht mal etwas anders.Könnten Sie weiter Forstwirtschaft auf IhremGrund und Boden betreiben, wenn die Salz-rechte enteignet wären?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Aber selbstverständlich könnte ich das. Wa-rum auch nicht?

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Das Jagd-recht könnten Sie dort auch ausüben?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichkönnte sicher über dem Boden alles machen,was ich sonst auch darf. Aber es geht ja eherauch um eine ethische Frage. Es geht da-rum: Kann ich das verantworten, dass aufmeinem Grund und Boden - und, wie gesagt,ich verfolge diese ganze Gorleben-Angele-genheit seit 34 Jahren - etwas passiert, wasunendlich viele Generationen aufsSchlimmste betreffen kann? Und da, findeich, müsste mein Verhalten - das möchte ichnoch mal begründen -, mit meinem Besitz zuhinterfragen: „Ist das, was hier passiert, imöffentlichen Interesse?“, eigentlich für Sieauch verständlich sein.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Ich kannes verstehen. Nur, es ist halt widersprüchlich.Sie lassen zu, dass man eben Ausgleich fürEingriffe, die man vornimmt, um ein Endlagerzu erkunden, bei Ihnen vornimmt. Das heißt,damit machen Sie Geld hier. Und auf deranderen Seite stellen Sie sich hin und sagen:Ich tue hier alles, um das Projekt zu verhin-dern. - Das passt aus meiner Sicht - Ent-schuldigung, wenn ich das so sage - nichtzusammen.

Aber noch eine Frage: Die Salzrechte - -

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Sie meinen, bei meiner Haltung sollte ichauch für Schäden, die mir zugefügt werden -mit Schäden meine ich in dem Fall eben,

dass ich Teile, die ich sonst wirtschaftlichnutzen kann, nicht mehr nutzen kann -, kei-nen Anspruch darauf haben, mir das ent-schädigen zu lassen?

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Also, dieFragen stelle ich. Aber ich antworte trotzdemgerne auf diese Frage. Ich sage Ihnen: Nie-mand hat Sie gezwungen, diese Verträgeabzuschließen, mit denen letztlich das Pro-jekt Gorleben natürlich vorangetrieben wird.

(Ute Vogt (SPD): Hey!)

Aber noch eine letzte Frage von meinerSeite: Die Salzrechte - das war ja eine Be-sonderheit auch in Niedersachsen - musstenja neu beantragt werden im Grunde genom-men. Das ist Ihnen wahrscheinlich bekannt.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Wann ha-ben Sie diese Salzrechte denn für IhrenGrund und Boden beantragt?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, die mussten ja nicht beantragt werden,sondern man musste sie - - Die waren ja da.Aber sie mussten eingetragen werden nochmal ins Grundbuch. Und das habe ich - - Ichglaube, das habe ich 1977 oder 78 - - Aufjeden Fall, da gab es einen bestimmten Zeit-raum, in dem musste man die Eintragungbeantragen. Und den habe ich natürlich ge-nutzt. Das hätten Sie auch gemacht.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Haben dasIhre Nachbarn auch gemacht? Wissen Siedas?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Das haben die auch gemacht, ja. Also, einigehaben es nicht gemacht, aber jetzt aus Un-wissen. Aber es hat natürlich jeder - - Dieeinen haben es gemacht, um ihre Rechte zuwahren. Die anderen haben gesagt, um siemöglicherweise mal verkaufen zu können.

Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Graf vonBernstorff, ich darf mal weitermachen. Ichhabe eins nicht verstanden. Da gestatten Siemir noch eine Nachfrage. Sie haben dasvorhin zu den Waldbränden erzählt und dasszur Beseitigung der Schäden durch dieWaldbrände - jedenfalls habe ich das soverstanden - Sie dort dann diese Aus-

1. Untersuchungsausschuss 36[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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gleichsmaßnahmen haben geschehen las-sen, will ich das mal neutral formulieren. Werhatte denn die Waldbrände verursacht? Gibtes da - -

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,da fragen Sie mich lieber nicht; denn dakönnte ich - -

Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Aber ichmeine, wenn man entschädigt wird - - Sohabe ich das verstanden. So kenne ich das.Wenn man entschädigt wird, dann muss eseinen Verursacher geben. Sonst muss manja nicht entschädigen. Das heißt - ich habejetzt das bei Ihnen so herausgehört; gestat-ten Sie, dass ich das so formuliere -, dassaufgrund der Maßnahmen in Gorleben undder Aktivitäten dort es zu Waldbränden ge-kommen ist und Sie deshalb entschädigtwerden mussten. Oder habe ich das falschverstanden?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Die Waldbrände waren ja 1975, also zweiJahre vor der Benennung von Gorleben alsNEZ. Und eindeutig liegt eine Brandstiftungvor. Ich meine, ich kann natürlich - - Es gibtkeine Beweise, wer es gewesen ist. Aberwas einem natürlich sehr mulmig vorkommt,ist, dass an drei Standorten, die zur Diskus-sion standen, diese Brände stattgefundenhaben. Aber, wie gesagt - -

Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Gut.Aber ich habe das richtig verstanden: Es gibtkeine nachgewiesene Verursachung?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, es war Brandstiftung. Das ist nachge-wiesen.

Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Es warBrandstiftung. Aber die konnte nicht irgend-welchen Gorleben-Befürwortern zugeordnetwerden. Es war Brandstiftung. Aber der Täterist nicht ermittelt worden. Darf ich das soformulieren?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Der Täter ist nicht gefunden worden.

Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Dasheißt also, ein Entschädigungsanspruch ge-gen einen Täter konnte für Sie dabei nichtrealisiert werden?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein. Das ist ja - - So ein Waldbrand ist na-türlich - - Man ist ja versichert, aber nur sehrmäßig.

Und was jetzt diese Ausgleichsmaß-nahme betrifft: Da muss man sich vorstellen,das war ja nach - - Wir haben diese Flächen77/78 wieder aufgeforstet, nach dem Wald-brand von 75. Und als das zur Diskussionstand mit diesen Ausgleichsmaßnahmen, dawar das eben schon richtig intakter Wald.Das war schon - - Das waren Kiefernbe-stände, die wieder abgeholzt wurden. Unddas ist natürlich ein Verlust, den ich aber haltin Kauf genommen habe dafür, dass ich auchder Meinung war: Das ist eine gute Maß-nahme für den Naturschutz.

Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Pardon.Darf ich vom Zeitablauf noch mal nachha-ken? Sie haben also 95/96 diese abge-brannten Bestände dann auch weggeräumt,abgeholzt, und dann wieder aufgeforstet?

(Kirsten Lühmann (SPD): Nein!)

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein.

Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Undwann haben Sie die - - So habe ich Sie ge-rade verstanden.

(Ute Vogt (SPD): Zuhören!)

Nach dem Waldbrand ist - -

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Der Waldbrand war ja 1975. Und dann habenwir relativ kurz - - Ich glaube, bis 1979 habenwir diese ganze Fläche - bis auf die eineFläche, die ich der Bürgerinitiative verpachtethabe; die hat aber auch mit einem großenEinsatz da Aufforstungsarbeiten gemacht -als Betrieb aufgeforstet. Und davon, vondiesen etwa 600 Hektar, sind 150 Hektar fürdiese Naturschutzmaßnahme wieder abge-holzt worden. Und dafür bin ich entschädigtworden.

Dietrich Monstadt (CDU/CSU): Dankesehr erst mal.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herzlichen Dank. - Dann würden wir jetztnoch zentraler zum Untersuchungsgegen-stand kommen. Ich bitte die SPD um ihreFragen.

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Kirsten Lühmann (SPD): Na ja, vielleichtmöchten wir auch bei dem Thema bleiben,wo es doch so schön aufgemacht wurde.Aber zuerst möchte ich noch mal etwas klar-stellen. Ich habe das Gefühl, dass hier hinund wieder Unklarheit über einige Dingeherrscht. Herr Pols hat gesagt, dass IhreFeldwege ausgebaut wurden. Wenn ich Sierichtig verstanden habe, wurden die nichtausgebaut, sondern sie wurden durch dieArbeiten beschädigt, und hinterher wurdensie wiederhergestellt. Das heißt, sie wurdenin den Zustand gebracht, wie sie vor denArbeiten waren. Habe ich das richtig ver-standen?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, da sind ein paar Wege nicht richtigbefestigt. Aber da ist so ein Schotter drauf-gekommen - aber auch deswegen, weil dieWege ja ständig weiter benutzt wurden, unddie Betreiber wollten natürlich jetzt nicht je-des Jahr da irgendwie die Wege wieder neumachen. Aber Ausbau ist auch - - Also, dasist so ein Mittelding zwischen - - Also, wenndie Wege fest sein sollen, dann macht manja im Wald - - dann werden die mit Ziegel-schotter etwas befestigt, sodass sie dannnicht laufend unterhalten werden müssen.

Kirsten Lühmann (SPD): Okay. Dankeschön. - Dann möchte ich noch mal daraufkommen, ob Sie denn nun verpflichtet waren,da in irgendeiner Art und Weise mitzuwirken,und dass Ihnen keine Schäden entstandensind. Wenn ich das richtig verstanden habe -auch das Gespräch, aus dem wir zitiert ha-ben -, war Ihre Situation so, dass Ihnen einAngebot gemacht wurde von erheblicherHöhe. Sie sagen, Sie wissen nicht mehr ge-nau, wie es war. Aus dem Schreiben wurden12 Millionen D-Mark genannt. Ich habe auchgehört, dass dieses Angebot noch mal erhöhtwurde. Ihnen wurden also 12 MillionenD-Mark angeboten für Rechte. Wenn Sie dieabgetreten hätten, dann wäre Ihr aktuellerBetrieb in keinster Weise behindert wordenoder so was. Das heißt: Sie hätten die12 Millionen Euro [sic!] eigentlich on top ge-habt.

Als Alternative wurde Ihnen gesagt: WennSie auf dieses Angebot nicht eingehen, dannenteignen wir dich, und du kriegst nicht die12 Millionen, sondern du kriegst deutlichweniger. - Und trotzdem haben Sie diesesAngebot ausgeschlagen. Ist das so richtig?Habe ich das richtig verstanden?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, so ist es gewesen. Man hat mir natür-lich jetzt nicht gesagt: Wenn Sie das jetztausschlagen, dann werden Sie enteignet. -So ungeschickt ist die andere Seite auchnicht. Aber das war ja nun bekannt, dasszumindest dieses Damoklesschwert da übermir hing. Und es ist auf jeden Fall so: Wennich das realisiert hätte, hätte ich 12 MillionenDM mehr gehabt als vorher, wie Sie sagen:on top.

Kirsten Lühmann (SPD): Ich möchtenoch mal auf die Situation kommen, als dieseAngebote gemacht wurden. Ich habe hiereinen Artikel aus dem Spiegel vom17.07.1978. Und ich möchte Ihnen einen Teilvorlesen und fragen, ob aus Ihrer Erinnerungdas aus dem Spiegel richtig wiedergegebenist oder ob das nicht stimmt. Ich zitiere ausdiesem Artikel:

Daß die DWK lange vor Abschlußder mannigfaltigen Prüfungen desProjekts bei Gorleben schon malvollendete Tatsachen schaffenwollte, ergibt sich unschwer ausden Methoden, mit denen sie dieGrundstückseigentümer, überwie-gend schlichte Bauern, im Hand-streich gefügig zu machen ver-suchte - Methoden, die sogar derniedersächsische CDU-Vorsitzendeund Bundesratsminister WilfriedHasselmann als „spätkapitalistisch“bezeichnete.

Graf Bernstorff ist sich sicher, daßdie Eigentümer „unter einem sa-genhaften Druck“ gestanden hätten.In der Gemeinde Trebel weiß Bür-germeister Fritz Kraack, daß vielesich „erpreßt gefühlt“ haben, undeine „Bürgerinitiative Lebensschutz“in Uelzen spricht davon, die gleich-wohl abgeschlossenen Verträgeseien nur „unter massiver psychi-scher Gewaltanwendung“ zustandegekommen.

Dann wird erläutert, dass man also sechsWochen Zeit hatte, um sich zu entscheiden,und dass das, was angeboten wurde, we-sentlich höher war als der Verkehrswert. Hierwird geschrieben: „Verkehrswert von45 Pfennig“. Dazu gab es „einen Standortzu-schlag von 65 Pfennig plus einen … Interes-senzuschlag von … drei Mark …“. Das heißt,wir kommen da etwa auf 800 Prozent desVerkehrswertes.

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(Dem Zeugen werden Unterlagenvorgelegt)

Dann:

Zunächst streute die Gesellschaftauf der Hannover-Messe EndeApril, also vor Ablauf der Frist desKaufangebotes, den Hinweis aus,sie werde nach Ablauf der Frist un-verzüglich Enteignungsverfahrengegen alle Eigentümer einleiten, diedas Angebot nicht akzeptiert hätten,und das hieß für die Bauern aufdeutsch: entweder jetzt zu4,10 Mark zu verkaufen oder spätermit 45 Pfennig enteignet zu werden.

Entspricht das der Stimmung, die Siewahrgenommen haben?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, das war so, dass wir ja kurz nach derBenennung des Standorts Gorleben einenVerein ins Leben gerufen haben, und zwareinem Umweltschutzverein, der sich aber nurzusammensetzte aus Landwirten im Wesent-lichen und mir, die Flächen in diesem 12-Quadratkilometer-Bereich hatten. Und un-sere Maxime war: Wir versuchen alles, waswir können, zu verhindern, dass dieses NEZhier entsteht. Und dann kam eben diesesAngebot von der DWK mit dieser verstecktenDrohung: Wenn man jetzt nicht einsteigt,dann muss man eben in Kauf nehmen, dassman enteignet wird zu einem Minipreis. - Unddas hat natürlich eine furchtbare Stimmungbei uns ergeben. Die einen haben das - -Oder die meisten sind dann da auch irgend-wie eingestiegen. Aber man wusste das nichtgenau. Und dann war das eben - -

Da gab es ja diese berühmte Geschichte,dass die Bürgerinitiative versucht hat, daeine Fläche von einem Landwirt zu kaufen,auch zu dem von der DWK angebotenenPreis. Und dann wurde der Bauer, der indiesem Konflikt stand - - Der war sicher auchin einer ganz schwierigen Situation. Der hatdann eben doch das Verkaufsangebot derDWK wahrgenommen. Es war einfach eineganz schwierige, schlechte Stimmung zwi-schen, sagen wir mal, denen, die diese An-gebote angenommen haben und verkaufthaben, und denen, die der Meinung waren,da - - Also, das ist ja bekannt, dass wir jetztJahrzehnte darunter leiden, dass die Bevöl-kerung gespalten ist in Pro und Kontra. Undich denke mal, wenn das Ganze anders an-gegangen worden wäre, hätte das verhindert

werden können. - Ich weiß nicht, ob ich jetztIhre Frage - -

Kirsten Lühmann (SPD): Es wurde javorhin gesagt, dass die Bauern oder dieLandbesitzenden sich ja freiwillig entschei-den konnten, ob sie verkaufen oder nicht.Wenn das tatsächlich so ist, wie Sie es auchschildern, dass man die Alternative hatte -4,10 Mark oder 45 Pfennig -, aus Überzeu-gung: Waren die Landbesitzenden der Mei-nung, dass sie da eine Wahl haben, eineFreiwilligkeit haben?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichdenke mal, letzten Endes muss jeder das vorseinem Gewissen verantworten können. Undich finde, es ist ja nicht so, dass denen in derForm gedroht wurde - ich weiß nicht was -:„Wir bringen euch um“, oder sonst was. Also,das hat ja alles - ich bin ja ein überzeugterDemokrat - in einem Rechtsraum stattgefun-den, der - - Ich finde nur: Man kann sich nichtwundern, dass diese Methode zu diesemenormen Unfrieden geführt hat. Und dashabe ich auch in meinem Eingangsstatementgesagt, dass das ganz - - Also, diese FrageEntsorgung ist einfach unglaublich schiefge-laufen und hätte einfach ganz anders ange-gangen werden müssen, damit man dieMenschen vor Ort mitnimmt. Und dieChance, das jetzt auf einen neuen Weg zubringen, die sehe ich ja gegeben. Aber diehat man damals eben nicht erkannt. Und dashat zu diesem Dilemma geführt.

Ute Vogt (SPD): Ich würde gern noch malauf die ursprüngliche Standortentscheidungzurückkommen. Es gibt ja eine Studie vonHerrn Tiggemann. Für das Protokoll:MAT A 93; ich zitiere von Seite 24. Da nimmtHerr Tiggemann Bezug auf ein Zeitzeugen-gespräch mit Ministerialrat Stuhr. Ich zitierejetzt:

Im Zeitzeugengespräch … er-wähnte Stuhr …, dass ihm dieKommunalpolitiker aus Lüchow-Dannenberg wegen der mit demNEZ verbundenen Chancen „unab-lässig im Genick“ saßen. Kurt-DieterGrill bezeichnete der Beamte imNachhinein als „nachdrücklichenBefürworter der gesamten Anlage“.

Können Sie so eine Einschätzung vonHerrn Stuhr bestätigen, dass es dort auch

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Kräfte gab, die sehr für das NEZ im Land-kreis geworben haben?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Das kann ich natürlich nur bestätigen. DieStimmung in der Kommunalpolitik war ebendamals sehr für dieses NEZ. Und es wurdenauch wirklich alle möglichen Versuche unter-nommen, da Einfluss zu nehmen und dieMenschen dazu zu bringen, dass sie da ir-gendwie mitmachen. Das habe ich ja auchgesagt, dass das auch die Stimmung in derGorleben-Kommission war. Also, man hattedamals immer den Eindruck, das soll hierirgendwie durchgesetzt werden. Und Gegen-argumente - daran merkt man das ja immer -waren auch gar nicht erwünscht. Und ichfinde, das ist eben schon schlimm, wenn soeine Stimmung entsteht, dass man die Leute,die einem Projekt und dem Vorgehen gegen-über kritisch sind, so halbwegs zu Staats-feinden abstempelt. Und das ist so ein Ge-fühl, das mir auch sehr oft gegeben wurde.

Ute Vogt (SPD): Erinnern Sie sich in demZusammenhang an Klaus Poggendorf, derdamals von 78 bis 96 Oberkreisdirektor warund später Landrat?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Natürlich erinnere ich mich an Herrn Pog-gendorf. Mit dem habe ich ja auch viel zu tungehabt. Und ich würde sagen, seine Bewer-tung der Sache war so - er wird ja heuteNachmittag hier noch auftreten -, dass ersich auf jeden Fall - ich glaube, dazu steht erimmer noch - vehement für das NEZ, dannspäter aber vor allem auch für die ganzenGorleben-Anlagen eingesetzt hat und auchals Oberkreisdirektor da natürlich erheblichenEinfluss ausgeübt hat.

Diese Geschichte damals mit diesemSpielplatz in Abteilung 240, was ich an dieBürgerinitiative verpachtet hatte: Was das füreinen Aufwand verursacht hat und wie alsomit allen Mitteln versucht wurde, das zu ver-hindern, weil man da eben die ganz großeGefahr für den Staat sah, und die Leichtig-keit, mit der dann das Zwischenlager überdie Bühne ging, das wird einem doch sehrauffallen, wenn man sich mal die alten Aktenzu Gemüte führt.

Ute Vogt (SPD): Das können wir ja dannspäter auch noch mal nachfragen beimnächsten Zeugen. - Ich habe noch mal eineFrage zu einem Komplex, der das Thema

Transparenz auch der Erkundungsvorgängebetrifft. Und zwar gab es am 08.06.1979 - fürdas Protokoll: MAT E 6, Band 3, Paginierung339340 - ein Gespräch - Sie erhalten dieGesprächsnotiz -, wo Sie und RechtsanwaltMüller-Kemler und Professor Grimmel undHerr Wosnik und Herr Rösel offenbar zu-sammensaßen.

(Dem Zeugen werden Unterlagenvorgelegt)

Es gibt dann einen Gesprächsvermerk,der sich vor allem bezieht auf die Aussagenvon Herrn Grimmel, der da sagt:

Gorleben wurde der PTB und demBund … „untergeschoben“ - es be-steht kein Zweifel, daß die Salzstö-cke Wahn, Lichtenhorst und Lutter-loh besser geeignet sind.

Er weist noch mal darauf hin: „In den Boh-rungen wurde Salzwasser angetroffen!“, undbeschreibt ähnliche Bedenken noch mal undgibt zum Schluss den Eindruck wieder - ichzitiere von der zweiten Seite -:

Grimmel zählt zum BeraterkreisBernstorffs und unterstützt diesen,NEZ und Endlager in Gorleben zuverhindern.

War das so, dass Sie sich gezielt Wis-senschaftler geholt haben, um kritische Be-merkungen, also um da wissenschaftlicheKritik hervorzubringen? Oder war es so, dasses Wissenschaftler gab, die durch Kritik auf-gefallen sind und dann eben auch sich weiterengagiert haben? Einfach: Wie kam es danndazu, dass doch mehrere Wissenschaftlersich geäußert haben? Wie erschienen die aufder Bildfläche? Haben Sie die alle verpflich-tet?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, Herr Grimmel hat sich zu dem Salz-stock geäußert, ohne dass ich ihn überhauptkannte. Und ich glaube, er war zwar nichtdirekt beauftragt, aber er hat sich eben sehrintensiv als Geologe, als Geomorphologe mitden Fragen beschäftigt. Und natürlich habeich mit ihm Kontakt gehabt und habe seineVeranstaltung mit angehört. Es hat michdamals natürlich immer beeindruckt, dassnicht alle ins gleiche Horn stoßen. Und HerrGrimmel, dessen Ansichten ja später sehrangefochten wurden, während HerrDuphorn - - Die Erkenntnisse, die HerrDuphorn gewonnen hat, die aus seiner Sichtdann letztendlich auch den Salzstock als

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geeignetes Medium für ein Endlager aus-schließen - - Diese Entdeckung von Profes-sor Duphorn konnte nicht widerlegt werden,während Herr Grimmel, von dem ich meine,dass er auch ein sehr seriöser Wissen-schaftler ist, ein bisschen Schwierigkeitengehabt hat, sich da durchzusetzen.

Aber ich habe Ihre Frage, ob die Wissen-schaftler in meinem Auftrag gearbeitet ha-ben - - Das ist einfach überhaupt nicht derFall. Darauf wollen Sie ja hinaus, nicht?

Ute Vogt (SPD): So steht es in dem Ver-merk. Im Grunde kann man es aus demVermerk lesen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Nachfragen würden wir in der nächstenRunde machen.

Ute Vogt (SPD): Aber wenn Sie Nein sa-gen, dann ist die Frage ja beantwortet. -Danke schön.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Dann geht das Fragerecht jetzt zunächst andie FDP-Fraktion. Frau Kollegin Brunkhorst,bitte schön.

Angelika Brunkhorst (FDP): Herr vonBernstorff, ich würde noch mal gerne vonIhnen wissen wollen: Sie haben ja nun Ihrganzes Leben, zumindest die letzten 34,35 Jahre, der Sache verschrieben, das End-lager zu verhindern. Und Sie sprechen jaauch immer wieder von einer Verhinderungs-strategie. Wie ist die zu verstehen? Also: Hates richtig einen Plan gegeben, Schritt A bisZ? Könnten Sie dazu noch mal was sagen?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichglaube, dass Sie das so nicht richtig ausdrü-cken. Also, meine Strategie war von Anfangan, meinen Besitz dafür einzusetzen - weilich etwas andere Rechte habe als jemand,der dort keine Grundstücke hat -, das öffent-liche Interesse oder, sagen wir mal, das Ge-meinwohl - - zu hinterfragen, ob das mitGorleben gegeben ist. Aber wenn Sie sagenoder meinen, ich hätte so eine klare Strate-gie, Gorleben zu verhindern: Das ist eigent-lich nicht mein Part. Mein Part ist wirklich, dieFinger auf die Wunde zu legen und zu sa-gen: Kinder, was macht ihr da?

Angelika Brunkhorst (FDP): Aber Siehaben ja ganz konkret viele Prozesse ge-führt. Können Sie sich noch erinnern, wieviele Prozesse das insgesamt waren? Kön-nen Sie noch mal aufzählen, welche Pro-zesse das zu Beginn und in der Folge wa-ren?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, bitte nicht. Da überfordern Sie michjetzt. Es waren auch gar nicht so viele. Also,der Hauptprozess war ja damals gegen denSchacht. Und diese Prozesse führe ich jagerade deswegen, um herauszubekommen -ich meine, ich habe im Prinzip ja auch Ver-trauen in die Gerichte -: Ist das wirklich ver-antwortbar, was da passiert?

Angelika Brunkhorst (FDP): Aber Siehaben ja nicht obsiegt bei Gericht, soweit ichdas gelesen habe. Aber Sie lassen sich da - -

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichhabe mich doch ganz gut hier gehalten.

Angelika Brunkhorst (FDP): Sie habenja auch im Sommer 78 einen Rechtshilfe-fonds initiiert, gegründet. Von wem sind indiesen Fonds Mittel eingezahlt worden? VonIhnen selbst auch? Wissen Sie irgendwelcheSpender, die dort eingezahlt haben?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, das ist nicht so, dass ich den gegründethabe, sondern der hat sich einfach gebildetvon kritischen Bürgern, die gesagt haben: Esmüssen Prozesse geführt werden. Und klar,dass die Prozesse von mir weitgehend ge-führt werden, weil ich eben eine andereRechtsgrundlage habe. Das ist damit unter-stützt worden. Aber es ist auch nicht so, dassich diese Rechtshilfe gegründet habe, son-dern die hat sich von alleine gebildet, weil -das muss man auch wirklich sagen - das einenormer Einsatz von vielen Bürgern ist, diesich einfach in dieser Sache engagieren undwo man auch wirklich das Gefühl hat, mansteht da zusammen. Und da gibt es auchkeinen Streit mehr, wer sich da welche Ver-dienste zuzuschreiben hat, sondern da isteine ganz große Solidarität.

Angelika Brunkhorst (FDP): Warendenn diese Prozesse finanziell sehr aufwen-dig? Oder hielt sich das im Rahmen? HabenSie selbst auch dann sozusagen diese Pro-

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zesse aus dem Rechtshilfefonds beglichenbekommen?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, ich habe natürlich den Rechtshilfefondsauch finanziell mit unterstützt. Aber letztenEndes werden die Prozesse über denRechtshilfefonds finanziert. Und daran sindhalt viele beteiligt.

Angelika Brunkhorst (FDP): Ich möchtenoch mal auf die Gründung des Unterneh-mens Salinas GmbH zu sprechen kommen.Sie haben ja das Ganze dahin gehend unter-stützt, dass Sie dort Flächen verpachtet ha-ben. Und Sie haben es in diesem Aufsatzoder Buch „ÜberMacht & Phantasie“ sokommentiert auf Seite 86 - ich zitiere jetztwörtlich -:

Das ist ein wenig, würde ich sagen,ein Teil meiner Verhinde-rungsstrategie, weil dieser Teilmuss mit erkundet werden, wennman sagen will, man hat eine seriö-se Erkundung durchgeführt.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Können Sie noch mal wiederholen? Dashabe ich eben nicht verstanden.

Angelika Brunkhorst (FDP): Den gan-zen Satz?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, den letzten Teil von dem Satz.

Angelika Brunkhorst (FDP):

… ein Teil meiner Verhinderungs-strategie, weil dieser Teil muss miterkundet werden, wenn man sagenwill, man hat eine seriöse Erkun-dung durchgeführt.

Also die These, dass Sie sagen: Der südlicheTeil muss mit erkundet werden; nur dannkann man eine seriöse Aussage machen.

Dann möchte ich Sie konfrontieren: Es istja so gewesen, dass das VerwaltungsgerichtLüneburg ja nun dazu gesagt hat - - Ich zi-tiere auch hier wiederum. Die Quelle istziemlich lang. Ich sage jetzt einfach mal: Eswird hier noch mal aus der Elbe-Jeetzel-Zei-tung vom 10.02.05 zitiert. Darin soll das Ver-waltungsgericht dermaßen zitiert wordensein - ich zitiere jetzt sozusagen in zweiterLinie -:

Denn sollten die Erkundungen imnordöstlichen Teil des Salzstockesergeben, dass dort für die Atom-müll-Lagerung ausreichend Salz-partien vorhanden seien, wäre eineweitere Erkundung im südwest-lichen Teil gar nicht mehr erforder-lich.

Das ist die Haltung des Verwaltungsgerichtsin Lüneburg gewesen. Und diese Entschei-dung haben Sie ja akzeptieren müssen. Ichmeine, damit stellt sich natürlich auch dieweitere Frage. Es hätte ja die Möglichkeitgegeben, zu enteignen. Ist das für Sie miteine Begründung, dass es vielleicht dochnicht notwendig war, dass man nicht enteig-net hat? Haben Sie sich nicht gewundert,dass man Sie nicht enteignet hat?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,das ist ja gut, dass Sie das bemerken. Dasist ja etwas, worüber man mal nachdenkenmuss. Was ist da eigentlich abgelaufen? Erstmal hieß es nämlich, man muss den Salz-stock insgesamt untersuchen. Und dann kamplötzlich die ganz entgegengesetzte Aus-sage: Das reicht ja völlig. - Das hat ja damalsauch Frau Merkel gesagt: Wir brauchen denBernstorff’schen Teil gar nicht; wir machendas im nordöstlichen Teil. - Das widersprichtja allen ernsthaften geologischen Aussagen.Zwar haben das einige Wissenschaftler dannauch sozusagen nachgeplappert. Aber derSalzstock muss als Ganzes untersucht wer-den, wenn man eine Aussage zur Eignungdes Salzstocks machen will.

Ich weiß nicht, ob Ihre Frage jetzt dahingeht, dass Sie wissen wollen, warum ichdann den südwestlichen Teil nicht zur Verfü-gung gestellt habe. Oder?

Angelika Brunkhorst (FDP): Nein, dasist nicht meine Frage, sondern die Überle-gung dabei ist: Es hat ja den Vorwurf gege-ben, das Konzept wäre zunächst mal so ge-wesen, dass man den Salzstock in Gänzehätte untersuchen wollen. Aber es hat imenergiepolitischen Umfeld ja auch Verände-rungen gegeben. Man wollte ja zunächst dortauch ein nationales Entsorgungszentrumbauen. Davon ist man ja dann irgendwannauch abgegangen. Also, die Frage, dassman sagt: „Okay, der nordöstliche Teil isteventuell auch ausreichend“, hat auch miteiner, sagen wir mal, ganz anderen Anforde-rungslage dann zu tun, dass eben die Ab-fallmengen gar nicht in diesem Umfang, wie

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man sie ursprünglich erwartet hat, mehr an-gefallen wären oder anfallen werden. Inso-fern haben uns auch einige der Sachver-ständigen und der Zeugen gesagt, dass mannatürlich zunächst den nordöstlichen Teiluntersucht und dass durchaus dabei auchherauskommen kann, dass er so mächtig ist,dass er alleine ausreichen könne; nur wenndann irgendwo erkennbar ist, dass er nichtmächtig genug ist oder nicht geeignet ist,dass sich dann natürlich eine neue Frage-stellung stellt. Aber wie konkret war denn dieBedrohung oder die Bedrohungslage jetztganz persönlich, emotional für Sie, dass Siegesagt haben: „Vielleicht enteignen die michtatsächlich“?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Natürlich musste ich damit rechnen, dassdas passieren kann. Und deswegen habe ichmich natürlich auch dagegen gewehrt. Aberwas Sie mit dem Volumen sagen: Man mussja auf der anderen Seite sehen, dass dieserhochaktive Müll 99 Prozent der Radioaktivitätenthält und dass - - Also, nach allem, was ichweiß, ist einfach nicht - - Man muss den ge-samten Salzstock untersuchen. Und daswaren übrigens Erkenntnisse, die man auchschon vor der Benennung von Gorleben ge-habt hat. Da ging es ja um diese LenzenerGeschichte. Der Salzstock hat ja bekanntlicheine Ausdehnung durch die Elbe hindurchüber diesen Rudower und Rambower Seebei Lenzen. Und da wurde plötzlich behaup-tet, der Salzstock geht ja nur - - Es gibt nurnoch so einen ganz kleinen Stummel, unddie Explosion, die es in Lenzen gegeben hat,hat gar nichts mit dem Gorlebener Salzstockzu tun. Und ich glaube, alle ernsthaften Geo-logen und Wissenschaftler haben immergesagt, man muss den gesamten Salzstockuntersuchen. Und alleine die Tatsache, dasses diese Gasexplosion in dem gleichen Salz-stock gegeben hat, der also zu dem Gorle-bener Salzstock gehört, wäre nach vielenAussagen eigentlich schon ein Ausschluss-kriterium für den Gorlebener Salzstock ge-wesen.

Angelika Brunkhorst (FDP): Gut. -Meine Fragezeit ist vorbei. Aber ich werde danoch mal anknüpfen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herzlichen Dank. - Genau; denn das Frage-recht geht jetzt zunächst an die Linken. Bitteschön, Frau Kollegin Menzner.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Danke,Frau Vorsitzende. - Dann mache ich genauan der Stelle noch mal weiter. Die nieder-sächsische Landesregierung hat es ja langeso dargestellt, als ob nur ein ganz kleinerStummel dieses Salzstockes noch in DDR-Gebiet hineinreichen würde und das alles garkeinen Bezug zu der Bohrung von Lenzenhatte. War das Auffassung von Ihnen, vonden Menschen vor Ort? Und wann ist Ihnenzur Kenntnis geworden, dass vielleicht dieLandesregierung auch ihre Auffassung ver-ändert hat?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Dass der Salzstock unter der Elbe zu die-sem - - also etwa mindestens noch mal 6,7 Kilometer länger ist, das war eigentlichsehr früh bekannt. Ich glaube, schon 1981/82war das ja auch öffentlich. Also das wussteman sowieso.

(Dem Zeugen werden Unterlagenvorgelegt)

Aber warum jetzt da plötzlich behauptet wird,da gibt es nur diesen 1-Kilometer-Stummel,das ist - - Ja, jetzt kann man das hier sehen.Ich weiß nicht, wer das veröffentlicht hat -aber 29.10.1977. Da sieht man also denSalzstock tatsächlich nur ein ganz kleinesStück über die Elbe gehen. Und das ent-spricht überhaupt nicht den Tatsachen. Dasheißt also: Da wurde offensichtlich auch ma-nipuliert, damit man einen Grund hatte, denGorlebener Salzstock sozusagen als Endla-ger oder als eignungshöffig zu akzeptieren.Und das ist aber - - Ja, das ist dann eine Zeitlang gar nicht diskutiert worden.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Ja,danke. - Für das Protokoll reiche ich nach:Das ist MAT A 138, Band 29, PTB-Akte, unddann Karte der PTB vom 27.10.77, Akte ausdem Bundeskanzleramt. Das hatten wir demZeugen übermittelt.

Sie sind vorhin ausgiebig befragt wordenüber die Frage Entschädigung usw. Habe ichSie bei Ihren Einleitungen richtig verstanden,dass Ihr Grundeigentum nicht von Ihnenerworben wurde, sondern seit vielen Jahr-hunderten im Familienbesitz ist und folglichauch als, ich sage mal, Durchlaufposten fürSie begriffen wird und von daher nicht nureine Einschränkung Ihrer persönlichen Nut-zung jetzt maßgeblich ist für Entscheidun-gen, sondern auch mögliche zukünftige Ge-fahren? Habe ich Sie da richtig verstanden?

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Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichdenke ja. Also, rein rechtlich bin ich natürlichnicht an dieses Familienstatut gebunden. Esgibt ja Familienstiftungen; da wird das auchrechtlich richtig fixiert. Das ist aber nicht so.Im Grunde genommen kann ich also ma-chen, was ich will - also im Rahmen der Ge-setze natürlich -, und meine Nachkommenauch. Aber das ist halt eine ganz starke ethi-sche Bindung. Also, ich habe mich da vonAnfang an mit diesem Familienstatut immerauseinandergesetzt. Und das wird auch vonGeneration zu Generation weitervermittelt.Ob das nun so bleibt, weiß ich nicht. Aber ichfinde, es zeigt eben, dass man sozusagen fürsich, sagen wir mal, die Verpflichtung sieht,dass man für das, was auf dem eigenenGrund und Boden passiert, auch verantwort-lich ist, soweit man das beeinflussen kann.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Und ichhabe Sie des Weiteren richtig verstanden,dass es ursprünglich erst mal den Ansatzgab, das Grundstück käuflich zu erwerben,und dann später den Ansatz gab, die Salz-rechte nur zu erwerben?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Ichwürde Sie zum einen bitten, mir noch mal zusagen, wie jeweils die Verhältnisse der Kauf-bzw. Nutzungsentgeltangebote waren undwie hoch die Enteignungs- oder zu erwarten-den Enteignungsbeträge gewesen wären,also Entschädigung bei Enteignung.

Und zum Zweiten würde ich Sie bitten: Eshaben ja manche Grundeigentümer - viel-leicht auch aus ökonomischer Notwendig-keit - für eine gewisse Zeit die Salzrechteübertragen. Nach meinem Kenntnisstandlaufen die 2015 aus. Bedeutet das dann,dass die untertägig aufgefahrenen Streckenunter diesen Grundstücken dann nicht mehrgenutzt werden dürfen? Oder wie ist dasrechtlich? Sie müssen ja die Vertragslageeigentlich kennen, wenn man mit Ihnen übersolche Möglichkeiten auch verhandelt hat.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichhabe noch nicht so ganz rausgekriegt, wasIhre Fragestellung ist. Wenn Sie Ihre Fragevielleicht noch mal kurz zusammenfassen.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Zumeinen wollte ich wissen, wie hoch die ange-

botenen Kaufpreise oder dann eine möglicheEntschädigungszahlung bei Grundstücks-erwerb gewesen wäre, was für Beträge da inBetracht waren, und wie diese Beträge aus-sahen bei der Frage: nur Erwerb des Salz-rechtes bzw. Enteignung des Salzrechtes.

Und zum Zweiten: Nach meinem Kennt-nisstand laufen bei anderen Grundeigen-tümern, die Salzrechte übertragen haben,diese Nutzungsvereinbarungen 2015 aus.Und da Sie ja sicherlich als jemand, mit demverhandelt wurde, die Verträge kannten: Wieist das dann ab 2015? Müssen dann die un-terirdisch aufgefahrenen Strecken unter die-sen übertragenen Salzrechten in der Nut-zung aufgegeben werden?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, vielleicht zum ersten Teil Ihrer Frage:Wenn man gleich am Anfang verkauft hätte,und zwar die Grundstücke, wo das NEZ ge-plant war, dann hätte man eben diese3,50 Mark bekommen. Das galt dann natür-lich für die Grundstücke mit den Salzrechten.Und jetzt bei den späteren Verträgen ging esja um eine Abtretung des Nießbrauchsrechtsan den Salzrechten - also nicht an denGrundstücken, sondern an den Salzrechten.Und das ist für diesen Zeitraum von25 Jahren mit 1 DM pro Quadratmeter ver-gütet worden. Deswegen muss ich sagen: ImNachhinein wundert mich das auch, dass ichfür meine Salzrechte mehr angeboten be-kommen habe, obwohl ich da ja überhauptgar nicht verhandelt habe. Aber das geht jaaus dem Vermerk von Herrn Hennenhöferhervor. Bei 12 Millionen wären das ungefähr2 DM pro Quadratmeter Grundstück.

Und jetzt zu Ihrer weiteren Frage: Sovielich weiß, können die Salzrechtsinhaber 2015über ihre Salzrechte wieder verfügen, wobeies so einen Vorbehalt in diesem Nieß-brauchsvertrag gibt - das kann ich aber jetztrechtlich nicht einschätzen -, dass man,wenn man mal diesen Nießbrauchsvertragabgeschlossen hat, dann auch Nachfolge-verträge - - Die sind nicht genau formuliert,aber dass man zumindest verpflichtet ist,darüber zu verhandeln. Das bedarf nocheiner juristischen Klärung.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Wunderbar. Das sind auch spannende Fra-gen, insbesondere für die Zukunft, die wirdann wieder in diesem Ausschuss nicht er-örtern, sondern möglicherweise in einem

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anderen. - Darüber hinaus geht das Frage-recht jetzt an die Grünen. Bitte schön.

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Danke, Frau Vorsitzende. - Herrvon Bernstorff, es ist ja vorhin mehrfach ver-sucht worden, eine Verbindung herzustellenzwischen einer Zustimmung zu Gorleben undden Erstattungen für Ausgleichs- und Er-satzmaßnahmen auf Ihren Grundstücken.Jetzt sieht das Niedersächsische Natur-schutzgesetz in allen seinen Fassungen der90er- und der 2000er-Jahre - da gab es dreiÄnderungen - aber genau dieses vor - vorallem, dass irgendwelche Eingriffe, die aus-geglichen werden müssen, relativ nahe amEingriffsort stattfinden werden sollen. Wür-den Sie mir zustimmen, dass es eigentlicheine staatsbürgerliche Verpflichtung fürGrundbesitzer ist, sich dann auch an derZurverfügungstellung von Ausgleichsflächenzu beteiligen bzw. der Zulassung von Aus-gleichsmaßnahmen zuzustimmen, so wie Siedas gemacht haben?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Obich das jetzt in jedem Fall befürworten kann,weiß ich nicht. Ob man sich nun als Grund-eigentümer verpflichtet fühlen muss, jetzteine Ausgleichsmaßnahme zu akzeptieren?Wenn ich die nicht vernünftig finden würde,würde ich das wahrscheinlich auch nichtakzeptieren. Aber in dem Fall ist es ja tat-sächlich so, dass diese Salzhalde ja auch -das hat man ja auch genau zu erfassen ver-sucht -, dass diese Salzverwehungen ja auchSchäden bedeuten. Und da ich nun gerademit meinem Wald sozusagen rundherummeine Grundstücke habe, also meinen Wald,muss ich deswegen auch davon ausgehen,dass da Schäden passieren - genauso wieich meine, dass auch unbedingt untersuchtwerden muss, welche Auswirkungen dieradioaktive Strahlung aus dem Zwischenla-ger auf das Pflanzenwachstum hat. Aber dapassiert leider im Moment gar nichts. Aberinsofern denke ich schon - weil die Salzhaldenatürlich direkt von meinem Wald umgebenist -, liegt das sehr auf der Hand.

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ja, danke. Das war jetzt noch einwertvoller Hinweis, dem wir im Umweltaus-schuss ja tatsächlich mal nachgehen kön-nen. - Aber mir war es eben nur wichtig, malzu trennen zwischen nach dem Naturschutz-recht erforderlichen Maßnahmen und mög-

lichen Unterstellungen, dass hier Einver-ständnis erkauft werden sollte zur Erkundungin Gorleben. Das haben wir aber, glaube ich,jetzt auch deutlich gemacht.

Ich wollte auch noch mal zur Zustimmungund Verankerung des Erkundungsprojekts inder Bevölkerung zurückkommen. Es gab jaseit Bekanntwerden der Auswahl Gorlebensund dann seit Beginn der obertägigen Er-kundung erst mal erheblichen Widerstand aufder einen Seite. Das ist ja auch einer derGründe, warum wir hier alle in diesem Unter-suchungsausschuss sitzen. Und auf der an-deren Seite haben Sie in Ihrem Eingangs-statement vorhin schon mal anklingen las-sen, dass es da durchaus Diskussionen mitGemeindevertretern gab und dass es dasogar eine vertragliche Vereinbarung gab -den, wie Sie es genannt haben, sogenanntenWohlverhaltensvertrag. Wenn ich das richtigsehe, ist das, glaube ich, mit der Samtge-meinde Gartow abgeschlossen worden. Undich würde jetzt gerne mehr über diesenWohlverhaltensvertrag von Ihnen wissen.Das bezieht sich auf den Punkt 22 desUntersuchungsauftrags:

(Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Ja, genau, 22!)

Welche Finanzmittel wurden wo, wann undauf welcher Basis in die Region Gorlebentransferiert?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Mich wundert es, ehrlich gesagt, dass Sienicht viel mehr darüber wissen als ich; dennich habe ja diesen Vertrag nicht abgeschlos-sen. Aber was ja völlig bekannt ist, ist, dassdas eben Zahlungen sind. Da sind einmalZahlungen geleistet worden für Castortrans-porte, die schon stattgefunden hatten. Ichglaube, das war irgendwie - - Also, fragenSie mich bitte nicht nach Zahlen. Da bin icheinfach sehr schlecht. Aber es geht da immerso um einen Millionenbetrag. Und es stehteben jedes Jahr dort mindestens ein Betragvon 800 000 Euro. Aber, wie gesagt, das istbitte nicht auf die Goldwaage zu legen. We-nigstens für so eine Gemeinde sind dasenorme Beträge.

Und was eben in dem Vertrag drinsteht,ist, dass die Gemeinde, also der Zahlungs-empfänger, das Zwischenlager in jeder Hin-sicht unterstützen muss und dass die Gelderauch nicht weitergegeben werden dürfen anDritte, die sich sozusagen gegen das Zwi-schenlager in irgendeiner Weise artikulieren.

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Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Danke.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Aber ich habe jetzt den genauen Wortlautnicht da. Aber ich denke mal - -

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Nein, den haben wir ja auchnicht. Sie haben ja, glaube ich, mitbekom-men, dass wir vorhin auch jetzt erst gebetenhaben, uns den zu überlassen. Und mit demwerden wir uns sicher noch genauer aus-einandersetzen. Aber das war ja schon malein Einstieg.

Wenn ich das richtig sehe, hat das ja frühangefangen - wir wissen es aber auch nichtgenau -, vielleicht 83/84. Aber ich habe IhrenWorten entnommen, dass der vermutlich jetztnoch läuft. Wir haben zum ersten Mal vondem Vertrag gehört in der Vernehmung derZeugin Marianne Fritzen, die uns auch da-rauf hingewiesen hat, dass es heftige Aus-einandersetzungen gab und dass eben dieGemeinderatsmitglieder sich dafür eingesetzthaben, weil sie gesagt haben: „Wirtschaft-liches Wohlergehen, das bringt uns was fürGorleben“, während Kritiker im Gemeinde-rat - Sie zum Beispiel - als sehr negativ be-trachtet worden sind, als Blockierer der wirt-schaftlichen Entwicklung Gorlebens. War dasso? Können Sie uns das etwas näher schil-dern?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichmeine, man kann das ja durchaus vertreten,dass die Gemeinde sich entschädigen lässtfür die Maßnahmen, die da getroffen werden.Es ist eine große Belastung für die Ge-meinde. Das war ja ursprünglich mal derSinn auch dieser Gorleben-Pauschale. Bloß,diese Klausel, dass das an das Wohlverhal-ten gebunden ist, ist, finde ich, eben echt einHammer. Und ich denke mal, das muss wirk-lich mal erörtert werden. Ich dachte, daswäre sowieso überall bekannt. Deswegenwundert es mich sehr, dass das echt keinerweiß.

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Dem kommen wir jetzt erst einbisschen genauer auf die Spur. - Und könntedas auch damit zusammenhängen, wennman keine entsprechende Bürgerbeteiligungbei Findung des Standorts, nachher bei derDiskussion über die Qualität des Standortshat, dass das den Verdacht bei vielen Be-

troffenen nahelegt: „Wenn sie die Zustim-mung nicht kriegen, dann erkaufen sie dievon bestimmten Vertretern mit solchen Leis-tungen wie dem Wohlverhaltensvertrag“?Kann man das so sehen, dass das vieleLeute so empfinden?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Das wird von den Kritikern so gesehen. Die-jenigen, die da zugestimmt haben, sagennatürlich: Wir tun das für unsere Region. -Und ich meine, wenn ich noch an unserenAltbürgermeister, Herrn Rathje, denke, derhat das so formuliert: Warum dürfen wir unsdenn nicht mit verantwortlich fühlen für dieEntsorgung der Atomlasten? - So ähnlich.Also, ich denke mal, die Leute, die das ak-zeptiert haben, sollen dann aber auch dazustehen, dass das so ist.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herzlichen Dank. - Ich mache noch mal da-rauf aufmerksam, dass wir den Zeugen mög-lichst wenig nach Einschätzungen fragenwollten. Aber das machen wir ja dann auchnur relativ selten. - Wir sind jetzt am Endeder zweiten Berliner Runde, und das Frage-recht geht jetzt wieder an die Unionsfraktion.Bitte schön, Herr Dr. Paul.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Herr vonBernstorff, ich möchte noch mal nachhakenbei Ihrer Bekanntschaft mit dem späterenBundeswirtschaftsminister Dr. Werner Müller,der ja, wenn ich das so richtig in Erinnerunghabe, zumindest den moralisch zweifelhaftenAbgang hatte, dass er erst die Genehmigungzur Fusion für ein Unternehmen erteilt unddann in den Vorstand desselben gewechseltist.

(Dorothea Steiner (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Weil das auchGegenstand des Untersuchungs-

auftrags ist?)

Meine Frage lautet: Sie sprachen davon,dass Sie Herrn Müller über einen Bekannten,der bei Vattenfall arbeitet, kennengelernthaben. Vattenfall ist in Deutschland ja erstseit, wenn ich nicht irre, 2002 aktiv, als siedie HEW übernommen haben. Heißt das,dass Sie ihn erst nach 2002 kennengelernthaben?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Moment mal! - Nein, das war vorher. Das warmit Sicherheit vorher.

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Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Das heißt,Ihr Bekannter war also nicht bei Vattenfall,sondern bei der Vorgängerfirma beschäftigt?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Genau. Der war bei der - wie hieß sienoch? - die ostdeutschen VEAG, oder?

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): VEAG, ja,die gab es. - Die Gespräche, die Sie mitHerrn Müller geführt haben: Wann war das?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Wie gesagt, ich bin auf Ihre Frage überhauptnicht vorbereitet. Insofern müsste ich jetzteinfach mal in meinen Unterlagen wühlen.Aber das war mit Sicherheit vor 2000. Also,ich meine, das war so um 1998.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Und dabeiging es - habe ich das richtig verstanden? -darum, dass Sie Informationen über Fragender Kernenergie haben wollten?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Das hattenichts damit zu tun, dass Herr Müller bei derEnergiewirtschaft beschäftigt war, ein engerFreund von Gerhard Schröder war?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Vom Bundeskanzler?

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): So ist es.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nun gut, der Bundeskanzler war ja auch einKritiker der Gorleben-Anlagen. Also, dakonnte ich ja nun nicht davon ausgehen,dass Herr Müller ein großer Kernenergiefanist. Das ist er ja wohl auch nicht.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Das heißtaber, Sie haben mit ihm auch Gesprächegeführt, bevor er Wirtschaftsminister war?Das habe ich jetzt richtig verstanden?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Also vorEnde 98?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Wann ist er denn Wirtschaftsminister gewor-den?

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Ende 98.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,dann war das vorher. Also, als er Wirt-schaftsminister war, habe ich ihn nie wiedergesehen.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): War erdenn zu dem Zeitpunkt noch bei der Ener-giewirtschaft beschäftigt? Wissen Sie das?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Was war er denn vorher, vor 98?

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Ich meine,der war bei VEBA gewesen. Aber dann gabes eine Zeit, wo er dann als unabhängigerBerater tätig war, bevor er Minister wurde.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,dann war er wohl Berater.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Dann warer Berater. Aber Sie haben ihn nicht als Be-rater angestellt?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, überhaupt nicht. Ich habe einfach nurmit ihm Gespräche geführt, wie gesagt, wieich das eigentlich immer gemacht habe. Mitdem Ministerpräsident Schröder habe ichviele Gespräche gehabt. Ich habe mit allenBundesumweltministern gesprochen. Ichwüsste wirklich kaum jemanden, mit dem ichnicht geredet hätte. Und das ist eben auchmeine - - Ich versuche, mir ja ein Bild zumachen.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Aber eswar nicht so, dass Sie ihn als Berater enga-giert haben?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Oder hater Geld bekommen von Ihnen jetzt?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, um Gottes willen. Weit davon entfernt.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Im Ver-merk von Herrn Hennenhöfer, über den wirjetzt schon verschiedentlich gesprochen ha-ben, wird ja die Rolle von Herrn Müller indem Gespräch in einer gewissen Weise dar-

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gestellt. Sie sagen, Sie können sich gar nichtdaran erinnern, dass Müller überhaupt dabeiwar. Können Sie sich denn vorstellen, wenner dabei gewesen war, dass das sich so zu-getragen haben könnte, wie Herr Hennen-höfer das aufgeschrieben hat?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Sie meinen, dass er dann als mein Beratertätig war?

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Ja, das,was Müller da auch so vorgeschlagen hat.Da sind ja bestimmte Vorschläge - Umsatz-beteiligung und sonst was alles - dann an-geführt.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Sie meinen, ob ich mir das vorstellen kann,dass Herr Müller das - -

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Ja.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Kann ich jetzt wirklich nicht - - Dazu kann ichjetzt nichts sagen.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Okay. Gut.

(Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Es ist auch nicht

die Aufgabe des Zeugen,Vorstellungen zu äußern!)

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Dafür ist das, ehrlich gesagt, auch zu langeher.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Okay.Gut. - Dann hat, glaube ich, Herr KollegePols noch ein paar Fragen.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Herr vonBernstorff, dann mache ich mal weiter. WarIhr Vater eigentlich mal Bürgermeister inGartow oder in Gorleben?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Mein Vater ist 1946 im Januar gestorben anden Folgen des Krieges. Nein.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Er war auchnicht davor Bürgermeister?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Gut. - Danke.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Erhatte gar keine Gelegenheit. Er war im Krieg.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Von wann biswann waren Sie denn Gemeinderatsmitgliedoder Samtgemeinderatsmitglied? Was warenSie: Gemeinderatsmitglied oder Samtge-meinderatsmitglied?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichwar Samtgemeinderatsmitglied.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Von wann biswann waren Sie das?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichglaube, so 81 bin ich schon im Samtgemein-derat - - Aber ich bin wahnsinnig schlecht mitZahlen. Also, wenn ich gewusst hätte, wasSie mich alles fragen, dann hätte ich - -

Eckhard Pols (CDU/CSU): Ja, das istauch nicht ganz entscheidend. Wichtig isteigentlich eine andere Frage für mich. Siehaben eben so ein bisschen diese ungefähreSumme von 800 000 - D-Mark oder Euro, seijetzt auch mal dahingestellt - kritisiert, dassman sich damit Wohlgefallen einkauft. HabenSie eigentlich mal als Gemeinderats- oderSamtgemeinderatsmitglied Anträge gestelltauf Nicht-mehr-Zahlen dieser Leistung oderNicht-mehr-Erhalt dieser Leistung?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichhabe auf jeden Fall gegen diesen Vertraggestimmt. Ich habe das, soviel ich mich erin-nere, immer abgelehnt.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Sind auchAnträge im Gesamtgemeinderat gelaufen?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,ich war ja nur - - Es gab noch Frau Abbas (?)und Herrn Neuschulz (?). Wir waren also dreiUWG-Leute im Samtgemeinderat. Wir warenda natürlich eine kleine Minderheit.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Auch eineMinderheit kann Anträge stellen.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Anträge haben wir mit Sicherheit gestellt.

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Eckhard Pols (CDU/CSU): Danke. -Dann möchte ich noch mal auf das zurück-kommen, was die Kollegen Lühmann gesagthat, zu dem Wiederherrichten der Wirt-schaftswege oder Forst- und Wirtschafts-wege. Muss ich mir das so vorstellen, dassdas vorher unbefestigte Waldwege waren,die ja in dem Sinne keinen Schotter hatten,wie Sie es dargestellt haben?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, das waren zum Teil schon geschotterteWege. Aber ich weiß nicht - - Ist das jetzt soeine wichtige Frage?

Eckhard Pols (CDU/CSU): Ja.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Esist eine zulässige Frage. Ob sie wichtig ist,weiß ich nicht. - Bitte schön.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Sie meinen also, wenn die dann vielleichteinen Schlag mehr getan haben, als der Wegvorher war? Also, damit können Sie michauch nicht beeindrucken.

(Heiterkeit bei der SPD, derLINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN)

Eckhard Pols (CDU/CSU): Nein, ich willSie etwas anderes fragen. Wer war dennAuftraggeber? Waren Sie dann nachher Auf-traggeber, die Forst- und Wirtschaftswegeherzustellen? Ist das Geld praktisch über Siegeflossen, und Sie haben dann die betref-fenden Firmen bezahlt? Oder haben Sie esletztendlich selber gemacht, dass Sie prak-tisch, um das schöne Wort Ausgleich wiederzu benutzen - - Ist das so gegangen? Oderhat der Betreiber die Firmen beauftragt unddann auch bezahlt?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, soweit ich mich erinnere, hat das derBetreiber selber gemacht. Ich habe das na-türlich beanstandet und habe gesagt: DieWege müssen wiederhergestellt werden. -Und dann haben wir uns zusammengesetzt,und dann wurde genau besprochen, wasgemacht wird. Und dann ist das von denen inAuftrag gegeben worden. Also ich meine, ichhabe da kein Geld bekommen.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Also Sie ha-ben jetzt, sage ich einfach mal, keine

1,5 Millionen bekommen, um die Wege wie-derherzustellen?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, um Gottes willen.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Okay.Danke. - Dann noch mal zu den Ausgleichs-flächen, für die Sie ja, wie Sie sagten, über30 Jahre jetzt ungefähr 30 000 Euro bekom-men. Hat es im Vorwege Sonderzahlungenoder Sofortzahlungen gegeben?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, es hat damals für die Maßnahme, dieseKiefernbestände abzuholzen, eine Einmal-zahlung gegeben, und zwar - das hatte ichIhnen schon gesagt - hat die Landwirt-schaftskammer ein Gutachten gemacht undgesagt, was dieser Bestand wert ist. Und dasist bezahlt worden. Und das Zweite war danneben dieser Pachtvertrag über 30 Jahre.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Aber Sie ha-ben eine Sofortzahlung in welcher Höhe be-kommen?

(Dorothea Steiner (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Eine Aus-

gleichszahlung, Herr Pols! - SylviaKotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN): Er begreift es nicht!)

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Das war irgendwas 340 000 DM ungefähr.Es waren immerhin 150 Hektar. Aber, wiegesagt, das ist alles gutachterlich und nichtvon - - Also, wenn Sie so nachfragen, dannhabe ich das Gefühl, dass Sie meinen, ichhätte da jemanden beauftragt, der da beson-ders viel Geld raushandeln soll.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Ja, das ist derKern. Sie sollen ja als harter Verhandler auf-getreten sein und auch Dienste Dritter be-nutzt haben, die für Sie als Verhandler auf-getreten sind.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,was ist denn daran Besonderes? Warum sollich denn da als weicher Verhandler auftre-ten?

Eckhard Pols (CDU/CSU): Gut. Sie be-stätigen also, dass Sie ein harter Verhandlerwaren. Darauf wollte ich ja hinaus. Und dasist ja auch gut so.

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Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Gut.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Nein, weil - -Sie sagen ja selber, es hat Sofortzahlungenoder Einmalzahlungen oder Vorauszahlun-gen, wie man es auch immer nennen will,gegeben.

(Dorothea Steiner (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Ausgleichs-

zahlungen!)

Kann es sein, dass Sie sich von diesem GeldWaldflächen in Sachsen-Anhalt gekauft ha-ben?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Oh. Das sind ja - - Also, ich weiß gar nicht,wie Sie darauf kommen. Ich meine, ich habeauch sonst noch Geld. Es ist ja nicht so, dassich jetzt - -

Eckhard Pols (CDU/CSU): Na ja, Sie ha-ben ja - -

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Sie können mir natürlich jetzt unterstellen,dass ich jetzt dieses Geld bekommen haben,um das - -

Eckhard Pols (CDU/CSU): Nein, ichkomme da nur drauf, weil Sie bei MaybritIllner gesagt haben, wie der Kollege GrindelIhnen das ja auch vorgehalten hat, dass soein Betrieb ja auch hohe Kosten erwirtschaf-tet und Sie zusehen müssen, dass Sie dieseKosten dann auch decken können. Deswe-gen ist jetzt meine Frage: Haben Sie von denSofortzahlungen sich anderweitig Wäldergekauft und die dann durchgeforstet?

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herr Kollege Pols, das ist jetzt wirklich dieFrage. Die Frage ist sicherlich, ob diese Gel-der geflossen sind. Das ist in Ordnung. Wasder Zeuge dann mit seinem Geld macht, dasist, ehrlich gesagt, in sein Belieben gestellt.

(Dorothée Menzner (DIE LINKE):Genau so ist es!)

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,das bringt nichts zur Aufklärung.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Deshalb sollten wir uns jetzt wirklich auf denUntersuchungsauftrag konzentrieren.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Gut. - Mirging es ja nur darum, herauszuarbeiten, Herrvon Bernstorff,

(Dorothée Menzner (DIE LINKE):Wenn in Ihrem Betrieb einer einenSchaden anrichtet, wollen Sie doch

auch einen Ausgleich haben!)

ob Sie Einmalzahlungen oder Sonderzahlun-gen bekommen haben. Und das haben Sie jaauch bestätigt, dass Sie das zusätzlich zuder, ich nenne es mal, Leibrente,

(Dorothea Steiner (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Pacht!)

die Sie über 30 Jahre kriegen, dann auchbekommen haben.

(Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Das mit der

Leibrente wollen wir aber noch malklarstellen!)

Herr von Bernstorff, das ZDF hat am06.11.2011 in der Sendung planet e einenBeitrag mit dem Titel „Atommüll in meinemGarten“ ausgestrahlt, Quelle: zdf.de, ZDF-Mediathek. Eine der Hauptfiguren in diesemFernsehbeitrag sind ja Sie. Und dort habenSie gesagt - ich zitiere -:

Es werden jetzt - das hoffe ich we-nigstens - verschiedene Standortemiteinander verglichen in einemtransparenten Verfahren. Das mussgefordert werden. Aber das weißeigentlich jeder, dass es nicht an-ders geht. Und dann muss maneben nach wissenschaftlichen Krite-rien sich für den besten Standortentscheiden. Und ich denke, dasgeht nur in einem überparteilichenProzess. Das kann eine einzelneRegion gar nicht entscheiden. Undwenn es sich tatsächlich erweisensollte, dass Gorleben der besteStandort ist, ja dann würde ich michletzten Endes damit abfinden müs-sen. Mir bleibt ja gar nichts anderesübrig.

Sie sagen, Herr von Bernstorff:

… wenn es sich tatsächlich erwei-sen soll, dass Gorleben der besteStandort ist, ja dann würde ich michletzten Endes damit abfinden müs-sen. Mir bleibt ja gar nichts anderesübrig.

Das heißt doch, dass aus Ihrer Sicht derSalzstock Gorleben fachlich nicht ungeeignetist oder sein kann,

1. Untersuchungsausschuss 50[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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(Ute Vogt (SPD): Wie bitte?)

dass Sie gar nicht beurteilen können, ob ergeeignet oder ungeeignet ist. Was ist denneigentlich nun richtig?

(Ute Vogt (SPD): Was ist denn nunrichtig?)

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, ich vertrete doch hartnäckig denStandpunkt - damit bin ich nicht alleine -,dass es wichtig ist, jetzt die Standorte inDeutschland, die für die Endlagerung infragekommen, zu untersuchen. Und ich glaube, dagibt es unendlich viele Gründe, die dafürsprechen, dass man das so macht. Ich bin davielleicht auch ein bisschen anderer Meinungals die Bürgerinitiative oder als die sonstigenKritiker. Ich glaube zwar auch, dass Gorle-ben sehr, sehr belastet ist mit der ganzenVorgeschichte. Aber wenn es zu einemStandortvergleich kommt und die anderenStandorte sozusagen auf Augenhöhe mitGorleben untersucht werden und wirklich dieBevölkerung und ich davon überzeugt wer-den, dass diese Untersuchung mit rechtenDingen zugeht, dann würde ich das akzeptie-ren. Aber das findet ja nicht statt. Und ichhabe ja in meinem Eingangsstatement schongesagt: So, wie das jetzt läuft, kann ich mirnicht vorstellen, dass es zu einer wirklichenAbwägung kommt. Denn wenn man jetztgerade mal 3 Millionen Euro für die Alter-nativstandortsuche ausgibt, dann ist daseinfach ein Ausdruck dafür, dass man die garnicht will, sondern dass man nur so tut. Ichfinde, mit solchen Zahlen in dieser Größen-ordnung zu operieren, das spricht ja dafür,dass das überhaupt nicht ernst gemeint ist.Und wenn es wirklich ernst gemeint seinsollte, dann muss mindestens die weitereErkundung von Gorleben unterbrochen wer-den. Das ist wirklich die Mindestforderung,die wir stellen.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Man kannaber Ihre Äußerung so verstehen, dass Sieaber auch für Gorleben ein Ergebnis habenwollen. Und das kann man ja eigentlich nurhaben, wenn man weiter erkundet oder zuEnde erkundet.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,aber ohne dass diese Festlegung durchdiese vielen Komponenten, über die wir ge-sprochen haben, durch das Zwischenlager,

durch die Castorbehälter, durch - - Das be-darf einer riesigen Anstrengung, da zu einervernünftigen Lösung zu kommen. Ich möchteda auch nicht in der Haut der Entscheiderstecken. Aber sie ist einfach nötig.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Aber für Sie,sage ich einfach mal, als Bereitsteller vielerFlächen kann es doch eigentlich nur vonVorteil sein, dass es lange genug weitergeht;denn umso länger würden Sie ja dann auchGelder aus den Ausgleichsmaßnahmen be-kommen.

(Ute Vogt (SPD): Nein! - DorotheaSteiner (BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN): Er hat es immer nochnicht begriffen!)

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Ach so.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Ja, so kannman das doch sehen. Deswegen - -

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Bitte, Herr Pols; jetzt beim allerbesten Willen!Das sind alles Fragen zu zukünftigen Ent-wicklungen.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichbekomme ja gar keine Gelder mehr. Das istja - -

Eckhard Pols (CDU/CSU): Aber Sie krie-gen doch - -

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Nein, Herr Kollege Pols, das sind Fragennach zukünftigen Entwicklungen. Die sindhochinteressant. Herr von Bernstorff, mir fälltauch noch das eine oder andere ein, was ichda mit Ihnen besprechen können, wollenwürde - aber alles das nicht im Rahmen die-ses Ausschusses. Ich bitte sehr herzlich da-rum, auf das zu rekurrieren, was in der Ver-gangenheit liegt, was Aufgabe dieses Aus-schusses ist. - Bitte schön.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Ich will ja nurdarauf hinaus, dass ich es nicht verstehe,Herr von Bernstorff, dass Sie hier jetzt alsder große Kritiker dieser ganzen Geschichtein Gorleben auftreten, aber für mich dergrößte finanzielle Profiteur praktisch dieserganzen Anlage sind, -

1. Untersuchungsausschuss 51[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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(Zurufe von der SPD, der LINKENund dem BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN)

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Ach so.

Eckhard Pols (CDU/CSU): - dass Sieüber 30 Jahre und länger und vorher Zahlun-gen bekommen haben. Ich kann auch ver-stehen, warum Sie die 12 Millionen abge-lehnt haben; denn aus steuerlicher Sicht istes für Sie ja interessanter, wenn Sie einzelneZahlungen bekommen. Also von daher ge-sehen, Herr von Bernstorff, müssen Sie mirdiesen Widerspruch eigentlich mal aufklären.Auf der einen Seite sind Sie total gegen

(Zurufe der Abg. Ute Vogt (SPD)und Dorothea Steiner (BÜNDNIS

90/DIE GRÜNEN)

- lassen Sie mich bitte mal ausreden - eineErkundung von Gorleben. Aber auf der ande-ren Seite sind Sie für mich der größte Profi-teur.

(Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Was ist denn die

Frage?)

Denn warum nimmt man eigentlich Ihre Flä-chen als Ausgleichsflächen? Warum nimmtman nicht wertvollere Flächen, die demLandkreis gehören? Das ist auch so ein Wi-derspruch, den man mal aufklären müsste.

(Dorothea Steiner (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Schmerzensgeldfür solche Fragen! - Zurufe von der

Zuschauertribüne)

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, ich weiß nicht, ob ich mich dazu jetztpositionieren muss. Ich finde das echt lä-cherlich, was Sie fragen.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Nein, ichfinde das nicht lächerlich.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Doch. Ich finde das einfach - -

Eckhard Pols (CDU/CSU): Diese Diskre-panz müssen Sie mal aufklären, Herr vonBernstorff.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, ich kann Ihnen nur sagen, dass ich - -

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Ichbitte darum, jetzt wirklich in einem vernünfti-gen Ton miteinander zu sprechen. Ich bittedas Publikum, sich bei aller Emotionalität derDiskussion hier unten jeglicher Meinungs-äußerung zu enthalten. - Bitte schön.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Herr vonBernstorff, dann noch mal meine Frage: Wieerklären Sie sich den Widerspruch, als Ikonedes Widerstandes mit aufzutreten - Sie undIhre Familie -, aber gleichzeitig vom BfS, vomBund über verschiedene Verträge - mindes-tens fünf habe ich hier heute Morgen ge-zählt -, über mindestens fünf Verträge Zah-lungen zu bekommen über Jahrzehnte hin-weg?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichbekomme Zahlungen für Naturschutzmaß-nahmen, die auf meinen Flächen durchge-führt werden, die ich übrigens genauso mit - -Der eine Bereich ist Gorleben. Aber das an-dere ist, dass der Staat das ja auch macht.Das sind ganz normale Naturschutzverträge,die man abschließt. Und da bekomme ichAusgleich dafür, dass ich finanziell geschä-digt werde. Das ist ein Ausgleich. Aber - ichhabe Ihnen das schon gesagt - wenn ich daszum Beispiel in Trebel nicht gemacht hätte,dann wäre da jetzt Wald, und den könnte ichnutzen. Und da hätte ich einen sehr viel grö-ßeren Vorteil als von dieser sehr niedrigenPachtzahlung.

Also, ich weiß nicht. Ich finde, dieseUnterstellungen gehen wirklich sehr unter dieGürtellinie. Und ich glaube, Ihre Denke ist,ich versuche da also, einen maximalen fi-nanziellen Vorteil für mich rauszuschlagen;das ist also der Grund für meine Haltung. Ichmeine, das lasse ich mir einfach nicht unter-stellen.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Sie könnenmir aber zugestehen, dass man auf den Ge-danken kommen könnte?

(Lachen bei der SPD, der LINKENund dem BÜNDNIS 90/DIE

GRÜNEN - Johanna Voß (DIELINKE): Das spricht für sich!)

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Das ist aber schon sehr abwegig.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herr Kollege Pols, wir müssen hier auch

1. Untersuchungsausschuss 52[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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nicht etwas zugestehen oder so etwas. Wirfragen den Zeugen nach Sachverhalten ausder Vergangenheit im Rahmen unseresUntersuchungsauftrages. Der Zeuge hatnicht zu bewerten. Wir haben nichts zu un-terstellen, sondern haben nach Tatsachen zufragen, und der Zeuge antwortet entspre-chend. Diesbezüglich bitte ich Sie jetzt fort-zufahren.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Gut. Danke,Frau Vorsitzende. - Dann möchte ich Siefragen, ob Sie aus einem Vertrag - - Jetztmuss ich mal gucken. Es gibt Verträge zwi-schen Ihnen und dem BfS vom 27.07.1990über die Gestattung einer Rohrleitung aufdem Gelände zur Ableitung von Salzsohle;2 000 Meter à 2 DM. Das ist MAT A 116,Band 25, Blatt 412004 bis 412008. Für dieBeeinträchtigung der Fischereirechte habenSie 14 300 DM gefordert. Das ist MAT A 116,Band 25, Blatt 412002 bis 412003. Schließ-lich haben Sie sich mit dem BfS auf 7 500DM jährlich geeinigt. Wie lange ist da dieLaufzeit?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Solange die Salzeinleitung stattfindet. Unddas läuft übrigens so: Das Geld wird ausge-geben für den Einsatz von Fischen in dieElbe, weil man eben davon ausgeht, dassdurch die Salzeinleitung die Ökologie derElbe gestört wird und dass der Fischbestanddarunter leidet. Und das ist auch alles mitdem Fischermeister, mit Herrn Kütker (?), ab-gestimmt - dass diese Maßnahmen wirklicheben auch zum Ausgleich für Schäden, diean der Fischerei entstehen, finanziert werdenmüssen.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Dann habenSie vorhin gesagt oder bestätigt, dass Sie fürdie Flächen, die Sie als Ausgleichsmaß-nahme zur Verfügung gestellt haben, wofürSie ja auch das Geld bekommen, sich aberdas Jagdrecht vorbehalten haben. Ist das sorichtig?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Das ist rich-tig?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Das ist absolut richtig.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Und ist dasnormal üblich, dass man das macht? Oderwar das ein Zugeständnis? Oder haben Siedas verhandelt?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Naklar habe ich das verhandelt. Ich meine, ichlasse mir ja nicht mehr Rechte wegnehmen,als sein muss. Und außerdem: Das Jagd-recht ist ja auch mit dem Grund und Bodenverbunden. Und es muss da auch gejagtwerden. Das sehen beide Seiten so.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Kann man soein Jagdrecht auch in einer Summe bezif-fern?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Obman das beziffern kann? Ja, je nachdem, wieSie damit umgehen - ob Sie selber da jagenoder ob Sie das verpachten oder ob SieJagderlaubnisscheine vergeben oder ob SieWildabschüsse verkaufen.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Gibt es odergab es bei der Bereitstellung dieser Aus-gleichsflächen auch Verpachtung von einzel-nen Bäumen?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja.Also, wie gesagt, da müssen Sie sich einfachmal das ganze Programm angucken. Da gibtes ein großes Programm für Ausgleichsmaß-nahmen in dem ganzen Gebiet. Wie gesagt,das betrifft die ganze Gegend rund um dieAnlagen. Und da können Sie sich ein Bilddavon machen, wie das aussieht. Also, dagibt es Maßnahmen für Brutbäume, dassman Bäume mal länger stehen lässt, dassman sie also nicht nach 120 JahrenUmtriebszeit - - Aber, wie gesagt, solcheVerträge sind einfach absolut üblich mitWaldbesitzern. Und das macht - - Also, ichmöchte wissen, worauf Sie eigentlich hi-nauswollen.

(Dorothea Steiner (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Das wüssten wir

auch gerne!)

Eckhard Pols (CDU/CSU): Aber dass Siedadurch ja noch mal extra entschädigt wer-den.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,aber das ist doch klar. Wenn ich darauf ver-zichte, einen Baum zu nutzen, dann kriege

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ich halt das Geld, was es gebracht hätte,wenn ich den verkauft hätte.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Können Siemir denn vielleicht noch mal erläutern, warumman eigentlich nicht die Landkreisflächenvorrangig benutzt hat, sondern vorrangig IhreFlächen?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Das stimmt einfach nicht. Es stimmt nicht. Essind alle. Es ist rundherum. In Prezelle, dannin Gartow, Umgebung, Höhbeck sind überallsolche Ausgleichsmaßnahmen. Das ist eingroßes Programm. Und das ist halt durch-geführt worden. Ich weiß gar nicht - - Sie sindoffensichtlich so informiert worden, dass allediese Flächen - - also dass nur bei mir Aus-gleich gemacht wird. Das stimmt überhauptnicht. Und, wie gesagt, das ist vom BUND.Der hat diese Vorschläge gemacht.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Damit ist die Fragezeit der Union zunächstwieder erschöpft. Außerdem ist es 14 Uhr.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichbin auch erschöpft.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Dasglaube ich sofort. - Wir haben jetzt einePause, lieber Herr von Bernstorff, zumindestbis 15 Uhr. Wie es im Moment aussieht, istdie auf 14.30 Uhr angesetzte namentlicheAbstimmung jetzt eine halbe Stunde später.Also würden wir uns unmittelbar nach dernamentlichen Abstimmung treffen, ja? -Danke schön. Dann unterbreche ich die Sit-zung.

(Unterbrechung von14.03 bis 15.12 Uhr)

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Dann eröffne ich unsere unterbrochene Sit-zung. Das Fragerecht hat nun die SPD-Frak-tion. Bitte schön.

Ute Vogt (SPD): Vielen Dank. - Herr vonBernstorff, ich will jetzt auf die Frage ver-zichten, wie viele Waldwege man für12 Millionen DM bauen könnte, und will michdoch lieber wieder dem Untersuchungs-gegenstand zuwenden.

Das eine ist noch mal die Frage der Er-kundung des Salzstocks; denn wir hatten hierim Ausschuss verschiedene Aussagen be-

züglich der Notwendigkeit der Erkundung dessüdwestlichen Teils. So hat sich HerrThomauske zum Beispiel in der letzten Sit-zung so geäußert, dass man quasi diesensüdwestlichen Teil möglicherweise gar nichtbrauchen würde. Jetzt haben wir aber - wennman das Atomgesetz anschaut - ja 1998unter Bundesministerin Merkel diesen § 9 dfür die Enteignung, der dort eingefügt wurde;der wurde dann 2001 aufgehoben, allerdings2010 von Bundesminister Röttgen wiedereingeführt. Spricht das aus Ihrer Sicht dafür,dass der südwestliche Teil zur Erkundungverzichtbar sei?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, das spricht nicht unbedingt dafür, dennes zieht sich eigentlich wie ein roter Fadendurch diese ganze Geschichte des - - habeich immer wieder auch von den Geologengehört: Für so ein Projekt wie Endlagerungvon diesem hochaktiven Müll muss man denganzen Salzstock untersuchen, und da gehtes nicht an, nur einen Teil zu untersuchen,zumal gerade in diesem Teil, den sie jetztuntersuchen, ja der wichtigste, vielleicht dergrößte Teil dieser Gorleben-Rinne ist. Undwas man auch immer noch sagen muss: Eswurde wohl verschwiegen damals, dass derSalzstock unter der Elbe eben noch weit indie damalige DDR hineinreicht. Es sah jazeitweise, als gerade der Gorlebener Salz-stock durchgesetzt werden sollte für einEndlager, so aus, als wenn der Salzstock ander Elbe so ungefähr endet. Und das wareigentlich von Anfang an gedacht: Wenn estatsächlich der gleiche Salzstock ist, wo auchdiese Explosion in Lenzen stattgefunden hat,dann kommt er gar nicht infrage für ein End-lager. Also, da ist einfach gemauschelt wor-den, und ich kann das jetzt nicht genau re-konstruieren, was da abgelaufen ist; aberdas ist nicht mit rechten Dingen damals zu-gegangen.

Ute Vogt (SPD): Dann hätte ich noch vonmeiner Seite eine vorerst letzte Frage zudem ganzen Bereich der Transparenz. Wirhatten vorhin schon mal das Gespräch - wowir Ihnen auch die Notiz ausgehändigt ha-ben - von 1979, wo Sie mit ProfessorGrimmel, Herrn Müller-Kemler und HerrnWosnik und Herrn Rösel zusammensaßen.Und dieser Gesprächsvermerk bezieht sichdann auf der Seite 339 unten auf bestimmteForderungen. Da wird offensichtlich von IhrerSeite oder von Herrn Grimmel gefordert:

1. Untersuchungsausschuss 54[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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„Beobachtungen der Bohrungen durch Geo-wissenschaftler nach freier Wahl“ und auf deranderen Seite: „Überlassung der Bohrergeb-nisse an ‚kritische‘ Geowissenschaftler eige-ner Wahl“. Hat so was dann stattgefunden,dass man also auch die Ergebnisse bekom-men hat?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Die habe ich nie bekommen, und das hatsich auch wirklich beschränkt auf die Ge-spräche, die ich halt mit den Geowissen-schaftlern hatte. Aber es ist nicht so, dassich - - Ja, das wurde ja eigentlich vorhinschon mal gefragt, ob ich da so ein Geowis-senschaftlerteam beauftragt hätte. Das istalso so nicht der Fall. Zielte darauf IhreFrage ab, ob ich - -

Ute Vogt (SPD): Nein, die Frage zieltedarauf ab, ob Sie die Ergebnisse bekommenhaben praktisch, die Bohrergebnisse. Mirliegt noch mal ein Brief vor, den Sie selbst andie PTB geschickt haben, der ist dann vomApril 82. Und da haben Sie noch mal aus-drücklich - - Für das Protokoll: MAT E 3,Band 10, Paginierung 408. Und von der ers-ten Seite Ihres Briefes an die PTB zitiere ichjetzt:

Mit Herrn Schneider, UniversitätKiel, sprach ich über die Bohr-ergebnisse der Quartärgeologi-schen Untersuchungen. Ich hatteseinerzeit diese Untersuchungenauf meinem Gelände genehmigt,und mir wurde im gleichen Zugevon Herrn Schneider zugesagt,dass ich die Bohrergebnisse nachAbschluss der Untersuchungenausgehändigt bekomme.

Und Sie haben dann in diesem Brief nochmal darauf hingewiesen, dass Sie sie haltgerne hätten. Deshalb war nur meine Frage,ob Ihnen da Ergebnisse bekannt gewordensind oder zugesandt worden sind - sagen wirmal -, offizieller, also auf offiziellem Weg.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, ich bin selber nicht in der Lage, solcheBohrergebnisse zu interpretieren. Aber ichkann es jetzt ehrlich gesagt nicht beantwor-ten, ob ich die bekommen habe. Ich weißnur, dass ich nachher mit Professor Grimmeldarüber gesprochen habe und auch mit Pro-fessor Duphorn. Also, für mich lag nur ganzklar zutage - und das haben mir diese quar-tärgeologischen Untersuchungen erbracht -,

dass es eben mit der Quartärgeologie sehrschlimm aussieht und dass diese Tonab-deckung, die eigentlich da sein muss, um dieRadioaktivität von der Biosphäre sozusagenfernzuhalten, nicht existiert. Und dann kamenja diese ganzen Gespräche auf. Das mussich vielleicht auch noch mal sagen: Damalswurde ja dann plötzlich dieses sogenanntePSE, Projekt Sicherheit Entsorgung [sic!] - -Da hatte man also mit einem Programm, mitDatenverarbeitung, ausgerechnet, dass sichdas alles, auch wenn das Deckgebirge nichtdicht ist, so wunderschön verteilt, und daskommt dann eben mit sehr wenig Milliremirgendwann mal an die Oberfläche. Das wareigentlich für uns so der Vertrauensbruch, woman das Gefühl hat: Hier wird nicht ernsthaftargumentiert, sondern hier wird irgendwie derSalzstock durchgeboxt als Endlager.

Ute Vogt (SPD): Das heißt, das Deckge-birge war am Anfang des Prozesses als Be-dingung für die Sicherheit genannt worden?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Sowar das immer gesagt: dass ein intaktesDeckgebirge vorliegen muss, damit diesezweite Barriere, eben nicht nur die BarriereSalz, sondern auch die Barriere Ton, dasverhindert, dass Radioaktivität an die Bio-sphäre kommt.

Ute Vogt (SPD): Und das heißt, es gabda einen Wechsel praktisch in der Argu-mentation. Nachdem man feststellen musste,das Deckgebirge taugt doch nicht, war es aufeinmal nicht mehr wichtig.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Genau. Da brauchte man es plötzlich nichtmehr. Ich glaube, das haben die meisten vonIhnen wahrscheinlich damals noch gar nichtmiterlebt, aber das war eben ein großer Ein-bruch in das Vertrauen in diese Untersu-chungen, die gemacht wurden. Und da hatteman eben das Gefühl: Egal, was man jetztvorfindet bei der Erkundung, man macht denSalzstock irgendwie geeignet.

Ute Vogt (SPD): Das heißt, die Kriterienwurden quasi angepasst den Ergebnissen,die - -

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,das wurde ja zum Teil auch ganz offen ge-sagt. Es wurde ja auch gesagt: Wenn das

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nicht so ist, wie es vielleicht optimal wäre,dann werden wir das Containment so verpa-cken, dass es dann letzten Endes auch si-cher ist. Und das ist natürlich angesichtsdessen, was da wirklich gemacht werdenmuss - nämlich diese Sicherheit für so einenunglaublich langen Zeitraum -, völlig unan-gemessen, so eine Betrachtungsweise. Undwenn man das nachvollzieht, mit welchenArgumenten wir da konfrontiert wurden, dannmuss man das auch verstehen, dass wir dasnicht akzeptieren konnten vor Ort.

Ute Vogt (SPD): Finde ich nachvollzieh-bar. - Herzlichen Dank. Ich habe im Momentkeine weiteren Fragen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Gut.Dann geht das Fragerecht jetzt weiter an dieFDP-Fraktion. Bitte schön.

Marco Buschmann (FDP): HerzlichenDank, Frau Vorsitzende. - Herr Graf vonBernstorff, ich schließe mich wieder an anden Komplex der Kollegin Vogt, wie in derletzten Runde auch.

Wir haben gerade über fachliche Ein-schätzungen, also über Sicherheitseinschät-zungen, gesprochen. Sie sind ja hier alsZeuge geladen. Jetzt gibt es natürlich auchsachverständige Zeugen. Nur für das Proto-koll - und ich bitte das nicht als sozusagenEhrenrührigkeit zu betrachten -: Sie sind vonIhrer beruflichen Qualifikation was?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichbin Land- und Forstwirt, und ich betrachtemich auch in keiner Weise als Fachmann indiesen Fragen.

Marco Buschmann (FDP): Okay. Daswollen wir nur noch mal für das Protokollfesthalten. - Das heißt, Sie berichten hier vonEinschätzungen, die Sie von Fachleutenwahrgenommen haben. Könnten Sie dasnäher konkretisieren, wer diese ja sehr apo-diktischen Kriterien, so wie Sie sie hier vor-tragen, dass es ein vollständig intaktesDeckgebirge geben muss, dass es eine ge-schlossene Tonschicht geben muss usw. - -Können Sie uns nähere Ausführungen dazumachen, wer das wann sozusagen als ein soapodiktisches Kriterium aufgestellt hat?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Das war die anfängliche Euphorie der Betrei-

ber. Und das reichte natürlich nur so lange,bis man eben festgestellt hat, dass dieseBarriere nicht funktioniert. Natürlich, Sie ha-ben in gewisser Weise Recht. So ganz klarwurden die Kriterien nicht vermittelt. Aber mitdieser geschlossenen Tondecke als zweiteBarriere - - kann ich nun nicht genau sagen,wie das festgehalten worden ist. Aber ichweiß noch, dass die PTB davon ausgegan-gen ist, also die Physikalisch-TechnischeBundesanstalt, und dass das ja immer einKriterium war. Ich meine, das können Siesich ja auch vorstellen. Wenn man nach derEignung so eines Salzstocks fragt, dannmuss es ja irgendwie Kriterien geben. Undnachdem sich herausgestellt hat, dass die-ses Deckgebirge nicht funktioniert, wurdedann plötzlich eine völlig neue Richtung ein-geschlagen. Und dann gab es diesesSchlagwort von dem gebirgswirksamen Ein-schluss, dass man also in einem ausreichendgroßen Salzstein oder im älteren Steinsalzeben auch angeblich die Sicherheit hätte.Aber da müsste ich jetzt - - Also, ich meine,das ist nicht schwer rauszukriegen. Es gabam Anfang diese ganz einfachen, paar klarenKriterien: Man braucht älteres Steinsalz, undzwar in großem Block, und man braucht einDeckgebirge, und es muss in jedem FallWasserzugänglichkeit zu dem Endlager ver-hindert werden.

Marco Buschmann (FDP): Also IhrerErinnerung nach hat die PTB dieses Krite-rium „geschlossene Tonschicht“ aufgestellt?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Die PTB und - gut, aber da nageln Sie michjetzt nicht fest - - aber ich meine auch dieBundesanstalt für Geowissenschaften undRohstoffe.

Marco Buschmann (FDP): Dankeschön. - Dann wollte ich noch mal zu einemzweiten Thema kommen. Sie haben unsberichtet, dass Sie ursprünglich eine unkriti-sche Haltung gegenüber der Kernenergieund damit natürlich auch gegenüber der Ent-sorgung hatten und sich dann im Laufe derBeschäftigung Ihre Meinung geändert hat.Ich habe auch in Artikeln gelesen - ich habehier wieder das Hamburger Abendblatt,03.11.2010 -, dass Sie Formulierungen ver-wenden, wie, dass es Ihnen darum geht,dass - - Da gibt es ein wörtliches Zitat vonIhnen - ich lese es Ihnen einfach vor -:

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Es ist aber nicht nur unsere Auf-gabe, familiäre Traditionen zu wah-ren,

- darüber haben wir schon gesprochen imLaufe des Vormittags -

wir müssen auch im Rahmen unse-rer Möglichkeiten dafür sorgen,dass nachfolgende Generationenhier gute Lebensbedingungen vor-finden.

Da kann man die Idee entwickeln, und ichstelle die Frage offen, weil ich Ihnen da auchnichts Ehrenrühriges vorwerfen möchte - -Man kann aber auch auf die Idee kommen,dass das so ein bisschen Sankt-Florians-Prinzip ist. Sie sagen: Man muss die Endla-gerfrage lösen. Sie sagen, eigentlich hattenSie ursprünglich eine unkritische Haltung zudiesen ganzen Themen. Und in dem Mo-ment, wo Sie unmittelbar betroffen sind, weildas einen Einfluss auf Ihre Ländereien hat,beschäftigen Sie sich mit den Dingen undsagen plötzlich: Also, jetzt ändert sich meineHaltung ganz stark; ich bin jetzt plötzlich einAtomkraftgegner; ich finde das Endlagerkon-zept nicht korrekt.

Sie hatten eingangs gesagt, dass Sie ei-gentlich wünschen, dass diese Abfälle niewieder in Berührung kommen mit derBiosphäre. Gleichzeitig gibt es Vermerke, indenen behauptet wird, dass Sie sagen, dassSie eigentlich Vertreter eines Konzepts derrückholbaren Endlagerung sind. Da kannman ja auf die Idee kommen, dass mögli-cherweise nicht nur fachliche Kriterien, son-dern einfach die persönliche Betroffenheitdiesen Gesinnungswandel ausgelöst hat.Wie würden Sie das sehen?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, das will ich jetzt auch gar nicht abstrei-ten, dass ich einfach am Anfang sehr per-sönlich betroffen war und das ein Schockwar: dieses riesige Projekt, was dann natür-lich auch unsere Landschaft völlig veränderthätte. Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen dasWendland kennen. Das ist wirklich noch einNaturreservat ganz einzigartiger Weise.Aber, wissen Sie, wenn man sich, so wie ich,dann zwangsläufig mit dieser Materie be-schäftigt, dann kommt man mit diesemFloriansprinzip überhaupt nicht weiter. Undich mache mich ja damit auch bei den Kriti-kern relativ unbeliebt, wenn ich sage: Ichkönnte mir auch vorstellen, dass Gorleben imRennen bleibt. - Also, damit mache ich ja

eigentlich deutlich, dass es mir nicht um dasFloriansprinzip geht, sondern dass mir wirk-lich daran liegt, dass hier mit allerhöchsterVerantwortung - - Und das habe ich, ichwürde sagen, mit der Muttermilch eingeso-gen. Das ist auch, wenn man Forstmannist - - Wissen Sie, man gibt Geld aus für - -Man pflanzt Bäume dann, und vielleicht nach80, 100 Jahren haben die Nachkommen wasdavon; also dieses nachhaltige Denken. Dabin ich nicht der Einzige, sondern das ist,glaube ich, Forstleuten einfach angeboren.Und deswegen geht es mir wirklich nicht umdas Floriansprinzip, sondern es geht darum,dass hier nach bestem Wissen und Gewis-sen der richtige Standort für dieses - ja, mankann sagen - gigantische Problem gefundenwird.

(Marco Buschmann (FDP): Darf ichda einhaken?)

Und deswegen, meine ich auch, kann manjetzt hier über - was weiß ich - Fischtreppenund solche Sachen nicht reden, wenn es umso eine gravierende Frage geht wie: Wasmachen wir mit diesem Plutonium? Und dassind einfach Größenordnungen, die sprengensolche kleinlichen Überlegungen.

Marco Buschmann (FDP): Da sind wirhier ja einer Meinung, weil wir ja alle dieEndlagerfrage lösen wollen. - Jetzt habe ichda aber eine Nachfrage: Also, das, was Siesagen, deckt sich ja auch mit den Aussagen,dass Sie durchaus eine staatstragende Hal-tung haben. Damit ist ja gemeint, eine grund-sätzlich konstruktive Haltung an den Taglegen in dieser Frage.

Jetzt ist aber hier ja schon das Themaaufgeworfen worden der Salinas GmbH, dieja sozusagen über den Hebel des Salz-abbaus das Projekt per se verhindern willund selbst dann, wenn eine Eignung vorlie-gen würde, die sich also naturwissenschaft-lich bestätigen würde, durch vorsätzlicheBeschädigung - durch vorsätzliche Beschä-digung! - den Salzstock, selbst wenn er taug-lich wäre, untauglich machen wollte. Ichmöchte Ihnen dazu zitieren die Aussageeiner Gesellschafterin dieser GmbH. FrauFritzen ist ja hier schon als Zeugin vorgela-den worden, und sie hat berichtet, was ihreMotivation ist. Sie hat uns - hier wörtlichesZitat aus dem Stenografischen Protokoll,31. Sitzung, 27. Januar 2011, Seite 88 - ge-sagt: Ich

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würde … einen großen Driller odereine Bohrmaschine nehmen undwürde mitten in den Elbstrom gehenund würde so lange bohren, bis dasganze Wasser unten im Salzstockist.

(Zuruf von Marianne Fritzen von derZuschauertribüne: Genau, ich

würde!)

Marco Buschmann (FDP): Ja, FrauFritzen. - Also, Frau Fritzen ist eine Gesell-schafterin dieser Salinas GmbH. Die SalinasGmbH macht doch überhaupt keinen Hehldaraus - das haben Sie auch gemacht -,dass man sozusagen über Bande das Pro-jekt blockieren will. Wie passt das denn zu-sammen, dass Sie ein solches Projekt unter-stützen, das sogar billigend in Kauf nimmt,selbst wenn der Salzstock geeignet wäre -was wir ja noch nicht wissen, weil wir nochnicht am Ende der Erkundung sind -, ihn sozu beschädigen, dass er auf keinen Falltauglich sein kann? Passt das mit einer kon-struktiven, staatstragenden Haltung bei die-ser wichtigen Frage zusammen?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,das Staatstragende ist ja, dass es ein Bun-desberggesetz gibt, was die Ausbeutung vonSalz, also von Bodenschätzen sozusagen - -die hat Vorrang vor anderen Nutzungen desSalzes. Und auf der Basis dieses Bundes-berggesetzes haben wir diesen Antrag ge-stellt nach einem Rahmenbetriebsplan. Undnatürlich steckt dahinter, weil mir auch dieHaltung - - dass ich nach allem, was manüber diesen Salzstock weiß, glaube, dass derrestlos ungeeignet ist für ein Endlager. Bloß,ich kann jetzt da keine letztendlich fachlichenAussagen dazu machen. Aber dazu unter-halte ich mich auch mit Befürwortern undGegnern, dass ich versuche, mir ein Bild zumachen, und deswegen wünsche ich mirnatürlich schon, dass dieser Salzstocknicht - - also dass es auf keinen Fall dazukommt, dass dieser Salzstock zum Endlagerwird. Aber wenn es einen fairen Vergleichgibt, dann bin ich auch sicher, dass Gorlebenausscheidet und deswegen - -

Ich meine, Sie können sich ja auch vor-stellen: Dass Salinas diese Bohrung bean-tragt, das hat natürlich auch was damit zutun, dass hier einfach Rechte wahrgenom-men werden. Und die Wahrscheinlichkeit,

dass wir da bohren können, solange das soweitergetrieben wird, die ist sowieso gering.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Danke schön. - Damit ist das Fragerecht derFDP zunächst zu Ende, und die Linke hatdas Wort. Bitte schön, Frau Menzner.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Danke,Frau Vorsitzende. - Ich möchte noch mal zudem Pfad zurück, den wir vorhin verfolgthatten. Das Gespräch, was Sie mit HerrnHennenhöfer geführt hatten, über dieseFrage Nutzungsmöglichkeiten der Salz-rechte, dazu habe ich zwei Fragen: Zumeinen findet sich auf MAT A 72, Band 15,Paginierung 786 bis 788 ein handschriftlicherVermerk, den ich zumindest der damaligenBundesumweltministerin Frau Dr. Merkelzuordne. Der lautet:

Wir müssen hier eine klare Liniefahren. Ohne Verständigungs-papiere auf pol. Ebene wird eskaum möglich sein, im Span-nungsfeld Müller/Bernstorff/BonnFortschritte zu machen.

Können Sie uns sagen, was Frau Merkelmit so einem Vermerk gemeint habenkönnte?

(Der Zeuge liest in ihm zuvorvorgelegten Unterlagen)

(Marco Buschmann (FDP): Also,das ist wirkliche keine Frage an ei-nen Zeugen! Das ist wirklich keineeigene Wahrnehmung, was FrauMerkel gemeint haben könnte! -

Gegenruf der Abg. Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das fällt Ihnen aber früh ein!)

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Also, Frau Menzner, können Sie diese Fragenoch mal so formulieren, dass der Zeugemöglicherweise eine eigene Wahrnehmunghatte?

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Okay.Also, es findet sich darauf dieser Vermerk.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ichkann das hier nicht lesen. Lesen Sie dochmal vor, den Vermerk. Das ist hier so un-deutlich.

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Dorothée Menzner (DIE LINKE): Ja, ichlese Ihnen den gerne noch mal vor:

Wir müssen hier eine klare Liniefahren. Ohne Verständigungs-papiere auf pol. Ebene wird eskaum möglich sein, im Span-nungsfeld Müller/Bernstorff/BonnFortschritte zu machen.

Nach Ihrem Erleben des Gespräches:Finden Sie das eine treffende Wiedergabedessen, wie Sie das Gespräch erlebt haben?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,ich würde sagen: In dieser Bemerkung steckteinfach die Absicht, mich umzubiegen undmir irgendwie das Salz - - doch den Versuchzu machen, mich da für eine Lösung zu ge-winnen, die dann letztendlich bedeutet hätte,dass ich meine Verfügungsrechte über dasSalz abtrete. Und es steckt vor allem dahin-ter, wenn ich das hier so lese:

Ich habe erläutert, dass die Stand-ortentscheidung für Gorleben - egalwie sie heute zu beurteilen sei - zuFakten geführt habe, an denenkeine Bundesregierung mehr vor-beikomme.

Dann merkt man ja ganz deutlich von HerrnHennenhöfer die Absicht - und ich weiß nicht,inwieweit sie von der Bundespolitik auchsonst unterstützt wurde -, dieses Erkun-dungsbergwerk zum Endlager zu machen -und das finde ich ziemlich hammerhart -, unddas in einem Stadium, 1998, wo man einesolche Aussage überhaupt nicht machendarf, nach dem, was man über den Salzstockwusste - - dass dann solche Aussagen derdamaligen Umweltministerin gegenüber ge-macht werden. Aber auf jeden Fall weiß mangenau, wes Geistes Kind Herr Hennenhöferist.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Demwiderspricht aber, dass Herr Rösel hier vordiesem Untersuchungsausschuss - er istehemaliger Vizepräsident der BfS - am10.11.2011 mitgeteilt hat: Die Versuche zurEinigung über die Salzrechte mit ihm, alsoGraf von Bernstorff, seien schon 1990 fürgescheitert erklärt worden. - Wie genau hatsich mit dem Verhalten - - Also, wie habensich diese Verhandlungen damals abge-spielt? Und sehen Sie das auch so, dassman das 90 als gescheitert ansehen konnte,und wann kamen denn überhaupt Drohun-gen mit einer Enteignung ins Spiel?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Die kamen mit der AtG-Novelle ins Spiel.Das ist doch klar, dass, wenn ein Gesetznovelliert wird mit einer Möglichkeit, zu ent-eignen, dann ist das natürlich sehr gravie-rend. Dazu kann ich vielleicht auch noch malsagen, dass es ja interessant ist, dass mandas Atomgesetz geändert hat und nicht dasBundesberggesetz. Da hätte man ja aucheine Enteignungsklausel reinbringen können,oder die gibt es ja eigentlich auch schon überdiese Grundabtretung. Aber das war für michauch wieder ein Zeichen dafür, dass maneben durch eine Enteignung per Atomgesetzauch schon gleich den nächsten Schritt zumEndlager sozusagen abgesichert hätte. Also,das heißt, dass man dann gar nicht mehrenteignen musste, um noch das Endlagerdurchzusetzen.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Dannnoch mal ein paar Jahre zurück. Wir hattendas vorhin schon, dass Sie sich überfallenfühlten oder erstaunt waren von der Benen-nung Gorlebens. Ist Ihnen denn im Nach-gang mal als einem der größten Grund-eigentümer oder als dem größten Grund-eigentümer erklärt worden, wieso die Lan-desregierung und Herr Albrecht zu demStandort Gorleben kamen und wieso Lich-tenhorst und Lutterloh dann auf einmal ausdem Spiel waren? Hat man sich bemüht,Ihnen das zu erklären, und wenn ja, wie?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Naja, man hat das erklärt mit der damaligenLage. Man musste ja diese Entsorgungs-vorsorge machen. Das war ja alles nochziemlich unsicher. Und die Wiederaufberei-tung war ja ein Bestandteil der Entsorgung.So hat man das damals gesehen. Und ichbin ja gar nicht in die Lage gekommen, über-haupt darüber diskutieren zu können, ob dasnun in Gorleben geeignet ist oder nicht. Ichwurde da ja vor vollendete Tatsachen ge-stellt: Das ist so, und die Standortentschei-dung ist gefallen. - So wurde mir das berich-tet, und da konnte ich - - Ja, was soll man damachen? Da kann man nur noch sagen:Ohne mich.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Also,wieso die anderen drei weggefallen sind undes sich auf Gorleben fokussiert hat, das hatIhnen niemand erklärt?

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Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Wuss-ten Sie zu der Zeit, dass in der Bundesregie-rung, namentlich bei Bundeskanzler Schmidt,große Vorbehalte gegen Gorleben bestan-den?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, das wusste ich alles nicht. Ich war jawirklich von diesen Fragen damals völligunbeleckt; das muss man einfach sagen. Ichbin ja auch erst da langsam reingewachsen.Und ich kann mich nur an ein Gespräch mitHerrn Scheuten, DWK-Vorsitzenden, erin-nern. Da hatte er mir gesagt, er könnte auchjederzeit ein Gespräch mit BundeskanzlerSchmidt arrangieren. Also insofern stand - -

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Ist dasdann irgendwie zustande gekommen?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, das hat nicht - - Das habe ich auchabgelehnt, weil, na ja. Also, es war ja auchso, dass der Bundeskanzler damals - - DerBundeskanzler Schmidt hatte ja sehr großeSorgen gegenüber dem Standort Gorleben.Aber er hat ja dann sozusagen klein beige-geben. Es stand eben nur noch ein einzigerStandort zur Verfügung, und da hat er diePolitik - - Jetzt diese Standortauswahl hat erdann später auch unterstützt. Das muss manschon mal so sagen.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Hat erdenn - -

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: -Herzlichen Dank. Nein, es ist vorbei. Also,ich meine jetzt erst mal, Ihre Fragezeit istabgelaufen, Frau Menzner. - Das Fragerechtgeht vielmehr jetzt an die Grünen. Bitteschön.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Herr von Bernstorff, ich mussnoch mal vom Geld reden. Also, wenn wirder Argumentation der geschätzten Kollegender CDU-Fraktion folgen, dann haben Siesich Wege bauen lassen, Sie haben sichFische bezahlen lassen, Sie haben sich ander Salzhalde bereichert. Dazu haben Siedann noch, bevor Ihnen die Felle davon-schwimmen konnten, eruiert, wie Sie mög-

lichst viel aus Ihren Salzrechten rausschla-gen können. Und da muss ich Sie jetzt fra-gen: Wenn das alles so stimmt, was hat Siedann um Gottes Willen bewogen, 12 Millio-nen Euro, die man Ihnen noch dazu ohnejegliche Beeinträchtigung Ihres materiellenBesitzes angeboten hat, auszuschlagen?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Dakann ich eigentlich nur eine Antwort geben:Mein Gewissen hat mich dazu bewogen, dasauszuschlagen.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Gut, danke schön. - Dann redenwir jetzt mal von den Geldern, die tatsächlichim Zusammenhang mit der Frage 22 geflos-sen sind. Die Frage 22 lautet: Welche Geldersind zur Unterstützung dieses Projektes ge-flossen? Ich kann sie auch zitieren:

Welche Finanzmittel wurden …wann, von wem und auf welcherBasis in die Region Gorlebentransferiert, und sollten diese dazudienen, die Akzeptanz des geplan-ten Endlagers bei den Bürgerinnenund Bürgern zu erhöhen?

Und da haben wir ja heute jetzt von demWohlverhaltensvertrag gehört. Nun gibt es jaeine Wohlverhaltensklausel auch in anderenZusammenhängen im Recht, und das heißtimmer, dass eine Verpflichtung entsteht; alsohier übertragen heißt das: Die Gemeindeverpflichtet sich zum Wohlverhalten gegen-über dem Projekt Gorleben. Also ganz ein-deutig: Wohlverhalten gegen Geld. WissenSie, welchen Anteil diese Gelder am öffentli-chen Haushalt hatten, ungefähr?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Na, ja. Ich weiß nur, dass die Gemeinden ineiner sehr schwierigen finanziellen Lagesind - diese ehemaligen Zonenrandgemein-den - und dass natürlich die Haushalte defi-zitär waren und dass man jetzt in der Lageist, mit diesen Zuschüssen einen Haushalt zuerstellen. Aber bitte, fragen Sie mich jetztnicht nach - -

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ihre Antwort ehrt Sie. Sie wollenda keine schmutzige Wäsche waschen.Trotzdem muss ich jetzt noch mal fragen.Also, meinem Informationsstand nach warendas ungefähr 30 Prozent, also schon eineganze Menge. Da entstehen Abhängigkeiten;

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das ist völlig klar. Und es geht ja nun nichtum ein Projekt, was morgen vorbei sein sollteoder was überhaupt auch nur einen über-schaubaren Zeitraum Bestand haben sollte,sondern es ging ja um so eine Art ziemlichlangwieriges, also mal eine Lebensphase aufalle Fälle überschreitendes Projekt. Unddiese Wohlverhaltensklausel verpflichtet jadie Gemeinde inklusive ihrer Funktionsträgerdann, sich gegenüber diesem Projekt aufDauer wohlzuverhalten. Das ist doch nichtganz im Sinne des Erfinders, oder?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, das finde ich überhaupt nicht in Ord-nung. Also, ich würde sagen: Die Gemeindehat Schaden durch die Arbeiten, die da - -also durch das ganze Projekt, natürlich be-sonders im Bereich Fremdenverkehr. Also,das merken wir jetzt schon ganz happig,dass die Leute sagen: In der Nähe von soeinem Zwischenlager wollen wir nun nichtunbedingt Ferien machen. - Also, das heißt:Da sind schon mehrere Tatbestände, dassfür die Region ein Schaden nachgewiesenwerden kann, der ja auch ausgeglichen wer-den muss. Was ich vollkommen unmöglichfinde, ist, dass man das - -

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Wenn Sie mir erlauben: Das istein anderer Ansatz, weil das wäre der Aus-gleich. Aber hier geht es ja darum, nicht imNachhinein etwas auszugleichen, was manbeschädigt hat, sondern im Vorhinein einbestimmtes Verhalten zu verlangen. So istdas ja festgeschrieben. Und das hat schonnoch mal eine andere Qualität, finde ich.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Ja,ich finde, das beeinträchtigt die Räte, alsodie gewählten Vertreter, ihre freie Meinungzu sagen. Sie können zwar ihre Meinungsagen, aber dann gefährden sie sofort die-sen finanziellen Zustrom. Und das Problemist ja auch, dass eine Gemeinde sich sehrschnell auch abhängig macht von solchenGeldern. Dann wird ein Thermalbad gebaut,dann werden Sporthallen gebaut, die müssenunterhalten werden. Und diese Abhängig-keit - das haben wir auch als UnabhängigeWählergemeinschaft gesagt -, die ist eigent-lich verheerend, weil man einfach da nichtmehr von runterkommt.

Deswegen finde ich es zwar richtig, dasseine Entschädigung gezahlt wird; aber die

darf auf keinen Fall an ein Wohlverhaltengebunden werden.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Die dürfte nicht erkauft werdenmit einer dauernden Zustimmung, weil sonstwird das eine Selffulfilling Prophecy mit Gor-leben.

Welche Rolle spielte denn Herr Poggen-dorf bei dieser Geschichte? Oder: Spielte ereine und, wenn ja, welche?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Naja, ich habe ja vorhin gesagt - das ist someine Einschätzung -: Herr Poggendorf be-kennt sich - er hat ja auch dieses Buch ge-schrieben - zu den Plänen für Gorleben undhat das natürlich mit seinen Möglichkeitengefördert. Mehr kann ich dazu eigentlichnicht sagen. Er weiß, dass wir da ganz ver-schiedener Meinung sind, und trotzdem kön-nen wir uns die Hand geben.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Haben Sie Kenntnis darüber, ober an der Ausarbeitung dieses Vertragesbeteiligt war?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, das habe ich nicht, habe ich keine Ah-nung.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Haben Sie nicht.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, Sie müssen das auch mal so sehen:Als Kritiker habe ich natürlich auch dieseganzen Informationen, die jetzt so rauskom-men, gar nicht bekommen. Das war ja nunnicht so einfach. Ich habe das zwar versuchtund habe mich immer mit allen Seiten unter-halten; aber da gibt es sicher Dinge, die ichauch bis jetzt immer noch nicht weiß.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Herr Poggendorf war ja und istauch sicher noch - wir werden ihn ja heutenoch als Zeugen hören - ein Verfechter, einPro-Akteur dieses Projekts, und er hatte ja -muss man ja gar nicht verurteilen - offen-sichtlich immer auch diese Vorstellung: Daskommt dem Kreis zugute, weil das Geld rein-bringt. Habe ich das so richtig aus meinembisherigen Wissensstand - ich kenne ihnbisher nicht persönlich -, dass so diese Vor-

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stellung: „Das kommt dem Kreis materiellzugute; davon profitieren wir materiell“, ihnda auch sehr stark bestimmt hat in der gan-zen Richtung?

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Esist ja so: Wenn ein Landkreis so dasteht wieunserer, mit dieser wirklich schlechten Infra-struktur, mit praktisch überhaupt keiner In-dustrie, dann sind die Lebensverhältnissenatürlich auch noch extrem anders als inanderen Landkreisen - abgesehen davon,dass wir unsere schöne Natur haben. Aberes ist natürlich eine große Bedürftigkeit da,und die wird durch so ein Projekt dann sozu-sagen erst mal befriedet. Das darf keinGrund dafür sein, dass man so einen Wohl-verhaltensvertrag unterschreibt. Aber ichdenke, man hätte auch anders an diese Gel-der rankommen können, ohne sozusagensich zu verkaufen, seine Seele zu verkaufen.

Aber gut, ich meine, die Leute, die dasgemacht haben, stehen ja dazu. Vielleichthaben sie ihre Meinung jetzt auch geändert.Also, ich versuche auch immer, alle Seitenzu verstehen.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Danke schön.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herzlichen Dank. - Damit sind wir am Endeder dritten Berliner Runde. Hat die Unionweitere Fragen? - Nein, das ist nicht der Fall.Hat die SPD weitere Fragen? - Auch nicht.Die FDP auch nicht. Die Linken auch nicht.Und die Grünen?

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ja.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Nadann mal los, Frau Steiner.

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ich hätte gerne noch einmalnachgehakt zu der Phase, in der wir uns jajetzt befinden: diese Beschränkung der Er-kundung auf das Nordostfeld und den Aus-schluss des Südwestfeldes. Da hat ja in dembesagten Vermerk der Herr Hennenhöferauch noch mal der Umweltministerin berich-tet:

Ich habe besonders hervorgeho-ben, dass

- wir die Salzrechte gegenwärtig(Beschränkung auf Nord/Ostfeld)gar nicht und in Zukunft evtl. nurbegrenzt bräuchten …

Also, wenn er das so formuliert hat und indem Gespräch auch so vertreten hat: HattenSie

(Reinhard Grindel (CDU/CSU):Nein!)

und haben Sie den Eindruck, dass hier dieAuffassung vermittelt wird: Eigentlich reichtfür eine Eignungsaussage über Gorlebendoch nur die Erkundung des Nordostfeldsaus, wenn er sagt: „In Zukunft eventuellbräuchten wir das Südfeld nur begrenzt“?

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Liebe Frau Steiner, könnten Sie diese Fragevielleicht so stellen, dass keine Einschätzun-gen, keine Meinungen, keine Empfindungen,sondern allein nur Faktenwissen abgefragtwird?

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ja, das ist ja ein Vermerk überdas Gespräch, das Herr Hennenhöfer mitHerrn von Bernstorff geführt hat und darüberberichtet, und ich frage nach der Erinnerung.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Dasist ja eine gute Frage.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, ich glaube, das war immer klar, dassfür eine seriöse Untersuchung der gesamteSalzstock untersucht werden muss; und dassieht man ja auch an dem Rahmenbetriebs-plan, dem ersten, den 1983 - - Dann gibt esja diese nächsten Pläne, wo zwar meinGrundstück, also als roter Balken, dazwi-schenliegt, aber dann geht es auf der ande-ren Seite weiter. Also, ich habe den Ein-druck, dass es jetzt nur darum ging, irgend-wie weiterzumachen, das Projekt voranzu-treiben, und dann wurde eben gesagt: Esreicht eben auch der nordöstliche Teil. Aberso, wie es jetzt zum Beispiel aussieht, woalso versucht wird, zwischen den Carnallit-bänken und den Salzrechten der Kirche undvon mir einen Weg zu schaffen, hat das ausmeiner Sicht mit Geologie nichts zu tun.

Aber ich gebe zu, dass ich jetzt auf IhreFrage nicht so richtig erschöpfend Antwortgegeben habe.

1. Untersuchungsausschuss 62[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Das interessiert uns ja auch unterdem Blickwinkel, dass wir demnächst HerrnHennenhöfer vernehmen werden, ob das,was er hier schreibt, auch dem entspricht,was er damals mit Ihnen besprochen hat.Aber es ist natürlich schwierig, sich an so einGespräch vor 15 oder 16 Jahren zu erinnern.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff: Nadoch. Also, ich glaube, mich zu erinnern,dass er irgendwo auch gesagt hat: Wir brau-chen eigentlich Ihr Salz nicht. - Das hat erwohl schon gesagt, aber sicher mit demHintergedanken, dass ich, wenn ich höre,dass ich erst mal enteignet werden kann undzweitens mein Salz gar nicht gebraucht wird,vielleicht dann doch noch weich werde undmeine Salzrechte verkaufe. Bei dem, was ichsonst hier lese und höre, unterstelle ich das.

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Der Eindruck drängt sich unsauch, rückwirkend gesehen, manchmal auf.Und wir haben ja letztes Mal auch als Zeu-gen Herrn Wosnik - der war die bergfachlichePerson im BfS - dazu befragt, der ja unsauch dargelegt hat, warum er diese Ein-schränkung kritisiert hat auf das Nordostfeld,weil er eben meinte, eine beidseitige Unter-suchung würde die Sicherheit der Prognosefür eine Eignung sicherlich erhöhen. Und dasist ja auch der Grund, warum wir hier so ge-nau nachfragen wollen, weil man ja aus denDebatten damals Lehren ziehen kann.

Hat man damals eigentlich schon ge-glaubt, man kann mit der Erkundung desNordostfelds Aussagen über die Eignung desganzen Salzstocks treffen? Weil ich würdeSie nämlich dann auch fragen, ob Sie dieseEinsicht oder diese Erkenntnis, die Sie jetztja gerade selber formuliert haben, nicht auchauf die anderen Erkundungen, die, wie Siejetzt vorhin schon angedeutet haben, wiederaufgenommen worden sind, übertragen? Ichsage das vor dem Hintergrund der Frage 26des Untersuchungsauftrags; ich meine dieheutigen Erkundungen.

Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Also, ich meine - und das sagt ja auch HerrKönig -, dass man, wenn man so ein Pro-blem meistern will mit einem Endlager, dannmuss man einfach genau wissen: Was ist mitdem Wirtsgestein los? Und da kann es nichtsein, dass man also gerade auch noch denwahrscheinlich unbrauchbaren Teil nur er-

kundet und dann meint, man kann ein End-lager machen. Also, da bin ich ganz sicherder Meinung, dass man eben ganz genauBescheid wissen muss über so ein Wirtsge-stein und nicht nur partiell da Bohrungen undErkundungen machen kann.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Ichbin ganz dezidiert der Auffassung, dassdiese Frage 26 nun wirklich Aufgabe desUntersuchungsausschusses ist. Das sindunsere Schlussfolgerungen, die wir letztend-lich ziehen, und ich finde, damit sollten wirdie Zeugen nicht behelligen, -

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ich hatte auch nicht vor, weiter zufragen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:- weil es ist schon schwierig genug sozusa-gen, dass sie zu all dem Auskunft gebenmüssen, was sich da bei den übrigen Fragenauftut an zusätzlichen Informationen, die wirvon ihnen wissen wollen.

Haben Sie weitere Fragen?

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Das war meine letzte Frage.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Daswar Ihre letzte Frage. Das ist ja dann dochganz erfreulich, insbesondere für unserenZeugen.

Gibt es aus den anderen Fraktionen jetztnoch weitere Fragen? - Das kann ich nichtsehen.

Herr von Bernstorff, dann will die Ver-nehmung auch formal abschließen. Das Se-kretariat übersendet Ihnen das Protokoll,sobald es fertig ist. Sie haben dann die Mög-lichkeit, innerhalb von zwei Wochen etwaigeKorrekturen und Ergänzungen vorzunehmen.

Nach § 26 Abs. 3 des Untersuchungsaus-schussgesetzes bin ich gehalten, Sie daraufhinzuweisen, dass die Vernehmung einesZeugen erst dann abgeschlossen ist, wennder Untersuchungsausschuss dies durchBeschluss feststellt. Die Entscheidung hierzudarf erst ergehen, wenn nach Zustellung desVernehmungsprotokolls an den Zeugen zweiWochen verstrichen sind oder auf die Ein-haltung dieser Frist verzichtet worden ist.

Haben Sie dazu noch Fragen?

1. Untersuchungsausschuss 63[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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Zeuge Andreas Graf von Bernstorff:Nein, da habe ich keine Fragen. Das habeich, glaube ich, auch gut verstanden.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Wunderbar. Dann bedanke ich mich ganzherzlich dafür, dass Sie hier bei uns waren,wünsche eine gute Heimreise und nocheinen schönen Nachmittag.

Ich unterbreche kurz die Sitzung und bittedann, unseren nächsten Zeugen, Herrn Pog-gendorf, hier hineinzugeleiten. - Dankeschön.

(Unterbrechung von15.55 bis 16.42 Uhr)

1. Untersuchungsausschuss 64[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Icheröffne die unterbrochene Sitzung.

Wir werden ja noch einmal unsere Sit-zung unterbrechen in ungefähr, ich glaube,einer guten Stunde oder so - das werden wirdann aber wieder bemerken und vor allenDingen Ihnen auch rechtzeitig kundtun - füreine weitere namentliche Abstimmung.

Vernehmung des ZeugenKlaus Poggendorf

Herr Poggendorf, ich begrüße Sie ganzherzlich zu unserer Ausschusssitzung und zuIhrer Zeugenvernehmung. Ich darf Sie daraufhinweisen, dass wir eine Tonbandaufnahmedieser Sitzung anfertigen, allein aus demGrund, um die Erstellung des Stenografi-schen Protokolls zu erleichtern. Die Auf-nahme wird dann nach Genehmigung desProtokolls auch wieder gelöscht werden.

Der Ausschuss hat Ihnen den Beweisbe-schluss 17-174, den Untersuchungsauftragund einen Auszug aus dem Untersuchungs-ausschussgesetz übersandt. Für die heutigeVernehmung hat Ihnen der Landrat desLandkreises Lüchow-Dannenberg mit Schrei-ben vom 4. November 2011 eine Aussage-genehmigung erteilt.

Ich muss Sie nun formal belehren. Siesind als Zeuge verpflichtet, die Wahrheit zusagen. Ihre Aussagen müssen daher richtigund vollständig sein. Sie dürfen nichts weg-lassen, was zur Sache gehört, und nichtshinzufügen, was der Wahrheit widerspricht.Ich habe Sie außerdem auf die möglichenstrafrechtlichen Folgen eines Verstoßes ge-gen die Wahrheitspflicht hinzuweisen. Wervor dem Untersuchungsausschuss uneidlichfalsch aussagt, kann gemäß § 153 des Straf-gesetzbuches mit Freiheitsstrafe von dreiMonaten bis zu fünf Jahren oder mit Geld-strafe bestraft werden.

Nach § 22 Abs. 2 des Untersuchungsaus-schussgesetzes können Sie die Auskunft aufsolche Fragen verweigern, deren Beantwor-tung Sie selbst oder Angehörige im Sinnedes § 52 Abs. 1 der Strafprozessordnung derGefahr aussetzen würde, einer Untersu-chung nach einem gesetzlich geordnetenVerfahren, insbesondere wegen einer Straf-tat oder einer Ordnungswidrigkeit, zum Bei-spiel einem dienstlichen Ordnungsverfahren,ausgesetzt zu werden.

Sollten Teile Ihrer Aussage aus Gründendes Schutzes von Dienst-, Privat- oder Ge-schäftsgeheimnissen nur in einer nach der

Geheimschutzordnung des Bundestags ein-gestuften Sitzung möglich sein, bitte ich Sieum einen Hinweis, damit der Ausschussdann gegebenenfalls einen Beschluss fassenkann. Ich weise darauf hin, dass Vorhalteaus eingestuften Akten nur in einer ebensoeingestuften Sitzung zulässig sind.

Haben Sie hierzu bis jetzt Fragen?

Zeuge Klaus Poggendorf: Nein.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Danke schön. - Ich würde Sie darüber hinausbitten, das Mikrofon zu benutzen - die Akus-tik in diesem Saal ist manchmal etwasschwierig -, und würde dann mit der Ver-nehmung zur Person beginnen wollen undSie bitten, sich dem Ausschuss mit Ihremvollständigem Namen, Ihrem Alter vorzustel-len, und Sie zugleich fragen, ob die für IhreLadung verwandte Anschrift noch korrekt ist.

Zeuge Klaus Poggendorf: Mein Nameist Klaus Poggendorf. Ich bin 74 Jahre alt,und die Anschrift ist korrekt.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Prima, dann können wir mit der Vernehmungzur Sache beginnen.

Dem Ausschuss geht es ja darum, zu klä-ren, ob es auf dem Wege zur zentralen Len-kungsentscheidung der Bundesregierungvom 13. Juli 1983, nämlich den Salzstock inGorleben untertägig und keinen anderenStandort mehr obertägig zu erkunden, ir-gendwelche Manipulationen gegeben hat.Wir schauen uns dazu einen noch weiterenZeitraum an, nämlich von 1977, also demAngebot von Ernst Albrecht an die damaligeBundesregierung, den Salzstock Gorleben zuerkunden, bis hin zu der Frage 1996/97, dieErkundungsräume in Gorleben aufgrundnicht vorhandener Salzrechte zu verschie-ben. Wenn Sie wünschen, dann haben Sienach § 24 Abs. 4 des Untersuchungsaus-schussgesetzes die Gelegenheit, sich imZusammenhang zum Gegenstand Ihrer Ver-nehmung zu äußern, also zum Untersu-chungsauftrag. Andernfalls würden wir sonstsofort mit Fragen an Sie beginnen. Wiemöchten Sie gerne verfahren?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ich möchteeine ganz kurze Bemerkung vorwegschicken.

Sie haben, Frau Vorsitzende, zu Rechtschon darauf hingewiesen, dass der Land-

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kreis Lüchow-Dannenberg seinerzeit, von1977 an, mit dem Problem der Salzstock-untersuchung konfrontiert worden ist. Dashing zusammen mit der Entscheidung derniedersächsischen Landesregierung, imJahre 1977 ein nukleares Entsorgungszen-trum in Gorleben zu errichten, das heißt also,eine Wiederaufarbeitungsanlage in der Näheeines zu untersuchenden Salzstockes. DerKreistag hat sich mehrfach deswegen schonvor der Entscheidung der Bundesregierungüber die Salzstockuntersuchung am 13. Juli1983 mit diesem Problem befassen müssenund war auch konfrontiert mit Entscheidun-gen über oder Zustimmungen zur Salzstock-untersuchung. Und ich kann Ihnen sagen: Inder Zeit davor hat es eine große Einheitlich-keit im Kreistag gegeben.

Wir haben also im Jahre 1979 überhydrologische Bohrungen im Kreistag befun-den und damals eine große Zustimmung imKreistag gehabt. Es stimmten nur zwei SPD-Abgeordnete, ein CDU-Abgeordneter und einFDP-Abgeordneter dagegen. Wir haben unsmit der Salzstockuntersuchung auch imJahre 1980 noch befasst, und zwar mit denTiefbohrungen. Auch hier gab es, bis aufeine Gegenstimme von der SPD, die Zu-stimmung des Kreistages.

Als 1983 dann das Gutachten der PTBvorlag mit der Empfehlung, die Untersuchun-gen jetzt fortzusetzen und den Salzstockbergmännisch zu erschließen, gab es imKreistag auch eine große Übereinstimmungund Zustimmung mit diesem Schritt. Das lagsicherlich daran, dass die Parteien übergrei-fend für diese Salzstockuntersuchung waren.Sowohl die SPD damals als auch die CDUund FDP stimmten dafür oder waren dafür.

Und es gab vor der Entscheidung derBundesregierung am 13.07. eine AktuelleStunde zu Gorleben im NiedersächsischenLandtag, und auch da stimmten die CDU, dieFDP und die SPD dieser Salzstockuntersu-chung zu, bevor die Bundesregierung ent-schied. Ich darf vielleicht mal zitieren aus derElbe-Jeetzel-Zeitung vom 10.06.1983. Daheißt es:

Für die SPD-Fraktion hob der Ab-geordnete Bruns hervor, nur durcheine bergmännische Erschließungdes Salzstockes könne festgestelltwerden, ob er für eine Endlagerunggeeignet sei. Alternative Bohrungenan anderen Standorten seien nurdann zu verantworten, wenn durchdie zuständige Bundesregierung die

Zweifel an der Eignung des Gor-lebener Salzstockes bestätigt wür-den. Neue Bohrungen an neuenStandorten lösten sonst nur un-nötige, erhebliche Beunruhigung inder Bevölkerung aus.

Diese Übereinstimmung hatte natürlichauch zur Folge, dass sie bei uns im Kreistagparteiübergreifend, das heißt SPD und CDUdamals, für diese Untersuchungen waren.Die Meinungsverschiedenheiten traten erstspäter auf, muss man sagen, über die Not-wendigkeit und die Sinnhaftigkeit einer sol-chen Salzstockuntersuchung, nach meinerErinnerung so in den Jahren 1985/86.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herzlichen Dank, Herr Poggendorf. - Wirwollen vielleicht jetzt wirklich beginnen in den70er-Jahren, wie es nach der Entscheidungder Landesregierung vom 22. Februar 1977dann zur Gründung der Gorleben-Kommis-sion kam. Ich habe hier Hinweise darauf,dass es am 11. August 1977 zu einer Reso-lution im Kreistag Lüchow-Dannenberg kamauf Antrag des Kreistagsabgeordneten Kurt-Dieter Grill. Im Rahmen der Resolution wer-den mangelnde Information durch die Lan-des- und Bundesregierung beklagt und kon-krete Informationen der Bevölkerung gefor-dert. Das finden wir in MAT A 188, ein Do-kument, was wir hier schon mehrfach aufge-rufen haben. Das ist die von Anselm Tigge-mann verfasste Schrift Die „Achillesferse“ derKernenergie in der Bundesrepublik Deutsch-land usw. Ich will das jetzt nicht alles nochmal vorlesen. Dieser Schrift kann ich fol-gende Zitate entnehmen:

Das ist einmal Ihre Aussage zur Informa-tion der Öffentlichkeit im Landkreis Lüchow-Dannenberg 1977 - ich zitiere -:

Als durchsickerte, dass die Ge-meinde Gorleben Standort einesNEZ

- also eines nuklearen Entsorgungszen-trums -

werden könnte, wuchs die Unruhein der Öffentlichkeit. Die BI,

- also die Bürgerinitiative -

der Kreisverband des Landvolksund andere wandten sich schriftlichmit der Bitte um Auskunft an Minis-terpräsident Dr. Albrecht. Trotz die-ser Vorahnung platzte die Nachrichtvon der am 22.2.1977 getroffenen

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Entscheidung der Landesregierungfür Gorleben als Standort einesNEZ wie eine Bombe im Landkreis.Sie traf dessen Bevölkerung völligunvorbereitet.

Und dann weiter ein Zitat:

Die Unklarheit und die Gerüchtebil-dung um die „Gorleben-Entschei-dung“ kann vor allem auf die man-gelnde Transparenz des gesamtenAuswahlverfahrens zurückgeführtwerden. Das Bundesministerium fürForschung und Technologie

- in Klammern: Bundesminister Hans Her-mann Matthöfer, SPD -

war bis zum Januar 1976 von derangesichts des öffentlichen Interes-ses folgenschweren Fehleinschät-zung ausgegangen, dass mit derÖffentlichkeitsarbeit für das „Nu-kleare Entsorgungszentrum“ erstbegonnen werden sollte, wenn eineStandortentscheidung gefallenwar… Dadurch wurde bei der Be-völkerung an den Standorten undden beteiligten Kommunalpolitikernein hohes Maß an Misstrauen er-zeugt.

Ich würde gerne mit Ihnen jetzt noch malrekapitulieren: Wie war das denn vor derBenennung? Also, wie haben Sie überhauptdavon läuten hören sozusagen - das ent-nehme ich ja diesen Zitaten -, dass es mögli-cherweise zu einer Benennung des Salz-stocks in Gorleben kommen könnte? Wie wardamals die Reaktion im kommunalpolitischenBereich? Was haben die Bürger dazu ge-sagt? Also, wenn Sie das bitte aus Ihrer Er-innerung mal schildern könnten, wie die Si-tuation vor der Benennung 1977 eigentlichwar.

Zeuge Klaus Poggendorf: Es war so,wie Sie zitiert haben. Es gab Gerüchte da-rüber, dass Gorleben als Standort einernuklearen Entsorgungsanlage ausgewähltwerden sollte. Diese Gerüchte verursachtenerhebliche Unruhe innerhalb der Bevölkerungund führten schon damals zu Protesten. Undals dann die Entscheidung fiel von Albrecht,dass Gorleben Standort eines nuklearenEntsorgungszentrums werden sollte, gab eserhebliche Proteste auf allen Seiten. Auchdie Gemeinden - die Gemeinde Gorleben,die Samtgemeinde Gartow - hatten Beden-ken geäußert, allerdings aus dem Gesichts-punkt heraus - - Die waren dabei, die Frem-

denverkehrsinfrastruktur auszubauen, denFremdenverkehr zu fördern, und befürchte-ten, durch diese Entscheidung und die sichanschließenden Demonstrationen Schadenfür den Fremdenverkehr zu nehmen. DieseMeinung haben sie dann allerdings spätergeändert.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Undwie war das? Also, zum einen: Wissen Sienoch, woher Sie das eigentlich gewahr ge-worden sind, wenn ich das mal so sagendarf? Also, auch so ein Gerücht müsste jairgendwo Ausgang nehmen. Wer hat dasgesagt? Wer hat Ihnen das erzählt?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ich glaube,am 22. Februar 1977 hat die niedersächsi-sche Landesregierung entschieden, dassGorleben Standort eines nuklearen Entsor-gungszentrums sein sollte. Ich war damalsnoch nicht im Amt. Ich war beim Kreis tätig.Ich war noch nicht als Oberkreisdirektor ge-wählt, das bin ich erst in der zweiten Hälftedes Jahres 1977. Zu mir hat damals keinerKontakt aufgenommen, und mir sind auchkeine Kontakte der Landesregierung zu Mit-gliedern des Kreistages oder anderen Politi-kern bekannt.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Unddanach, Herr Poggendorf? Wie gestaltetesich denn dann die Öffentlichkeitsbeteiligung,als es nun aus war sozusagen, als der Mi-nisterpräsident dann gesagt hatte: „Jawohl,man will in Gorleben erkunden, zunächstobertätig“? Wie war Ihre Einbeziehung? Warüberhaupt die Bereitschaft da bei den Kom-munalpolitikern, bei der Bevölkerung, sich datatsächlich zu beteiligen? Oder hat man ge-sagt: „Nein, ihr habt uns vorher nicht beteiligt,und nachher hat es jetzt auch keinen Sinn“?Also, wie war das?

Zeuge Klaus Poggendorf: Nein, das warzunächst so, dass die Landesregierung oderMinisterpräsident Dr. Albrecht zunächst sehrengen Kontakt aufnahm zur Bürgerinitiativeund insbesondere zum Grafen Bernstorff.Ihre Absicht war wohl, mit der Protestbewe-gung in Kontakt zu bleiben und die Form desWiderstandes mit denen abzustimmen. DieKommunalpolitiker fühlten sich aber über-gangen und hielten sich als gewählte Ver-treter als legitimen Adressaten für solcheKontakte und haben dann auch im Kreistageine Resolution verabschiedet, in der die

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unzureichende Informationspolitik des Lan-des und des Bundes kritisiert wurde, underhoben dann die Forderung, eine Kommis-sion einzurichten, in die die Mitglieder desKreistages, aber auch der kommunalenGremien der Standortgemeinden eingebun-den werden, um Informationen zu bekommenüber das Projekt in Gorleben.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Undwie war denn dann die Bereitschaft, also,wollten sie dann da auch gerne mitarbeiten?Können Sie mir dann sagen, wie sich dieMitarbeit in dieser Kommission dargestellthat, wer denn da jetzt mitgearbeitet hat indieser Gorleben-Kommission?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja. Also, indieser Gorleben-Kommission waren Vertreterder Gemeinde Gorleben, der SamtgemeindeGartow, des Landkreises - also die Parteien,die im Kreistag waren, entsandten dort Ver-treter - und Verwaltungsbeamte, das heißtdie Hauptverwaltungsbeamten dieser kom-munalen Gremien. Später wurde die Kom-mission allerdings erweitert um das Landvolkund andere Organisationen. Diese Kommis-sion hatte eigentlich nicht die Absicht, ir-gendwelche Entscheidungen zu treffen, son-dern Informationen über das Projekt dernuklearen Entsorgungsanlage zu sammeln,um diese Informationen dann zur Grundlagekünftiger Entscheidungen zu machen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Hatdie Kommission öffentlich getagt? Das isteine Frage. Und die andere Frage ist: Wiehaben Sie sich kundig gemacht? Also, das istja eine Thematik, die man nicht unbedingt soin seinem Alltag weiß und wo man da alsoweiß, wie man da entscheiden müsste odernicht.

Zeuge Klaus Poggendorf: Also, zu-nächst zur ersten Frage, ob die Kommissionöffentlich getagt hat: Die Kommission hatnicht öffentlich getagt. Das hatte aber folgen-den Grund: Wir hatten nach Bekanntwerdender Entscheidung über das nukleare Entsor-gungszentrum versucht, Kontakte zu allenpolitischen Verantwortlichen im Landkreisherzustellen, und hatten dazu in Hitzacker zueinem Gespräch eingeladen. An diesemGespräch oder an dieser Unterredung nah-men etwa 45 Organisationen teil, angefan-gen von der Bürgerinitiative über die Vertre-ter der betroffenen Gemeinden, also der

Standortgemeinden, des Landkreises, dasLandvolk, die Kreisjägerschaft, die IHK etc.Dazu hatten wir den Saal in Hitzacker ge-mietet und hatten vorgesehen, dass die ge-ladenen Vertreter nur mit Eintrittskarten dortreinkommen sollten, weil wir vermeidenwollten, dass der Saal durch Kernkraftgegnerbesetzt wurde. Das lief zunächst ganz gutan, und dann wurde der Saal gestürmt von150 oder 200 Kernkraftgegnern, und dasendete in einem Tohuwabohu. Das heißtalso, Befürworter der Kernkraft wurdenniedergeschrien und andere, die die Kern-kraft ablehnten, frenetisch bejubelt.

Diese Erfahrungen haben wir auch ge-macht in Kreistagen, in denen es um dieKernenergie und um die nuklearen Entsor-gungsanlagen ging. Es kamen also imGrunde genommen Leute, die für die Kern-kraft waren, nicht zu Wort, und deswegenwaren wir der Überzeugung, dass, wenn mansich informieren will, darf man das nicht öf-fentlich machen, weil das dann zu diesenSchauprozessen - will ich mal sagen - kom-men würde und ein vernünftiger Gedanken-austausch oder ein vernünftiger Informa-tionsfluss unmöglich wird.

Aus diesem Grunde hat man sich ent-schieden, die Gorleben-Kommission nichtöffentlich tagen zu lassen, aber es war jedesMal ein Vertreter der Elbe-Jeetzel-Zeitungdabei, der ausführlich über die Diskussioninnerhalb der Kommission berichtete.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Wiehaben Sie sich kundig gemacht? Wollen Siedas noch sagen?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja. Es wur-den also Wissenschaftler eingeladen - Geo-logen, Kernphysiker -, die uns Informationeneinmal über die Wiederaufarbeitungsanlagelieferten, solange das noch aktuell war, dieaber auch über die geologischen Untersu-chungen uns informierten. Die Teilnehmeroder Mitglieder der Gorleben-Kommissionhatten die Möglichkeit, Fragen zu stellen, unddiese Informationen fanden ihren Nieder-schlag in einem Protokoll, das allen Abge-ordneten des Kreistages und der Räte in denbetroffenen Standortgemeinden zugänglichgemacht wurde, sodass also dieses Wissenbreit gefächert weitergegeben wurde.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Diese Wissenschaftler, von wem wurden die

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ausgesucht? Gab es Wissenschaftler, dieauch kritische Meinungen vertreten haben, -

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:- die also möglicherweise davon überzeugtwaren, dass es eben kein Salzstock seinsollte und schon gar nicht der in Gorleben?

Zeuge Klaus Poggendorf: Es gab alsobeispielsweise Wissenschaftler, die dort ge-laden wurden - - Zum Beispiel Herr ProfessorDuphorn war auch Gast der Gorleben-Kom-mission und hat über seine Meinung zumSalzstock referiert.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Ichkomme nun noch mal zurück auf die Frage:Öffentlichkeit oder nicht? Sie haben ebenerklärt, warum es denn dazu kam, dass ebeneine breite Öffentlichkeit nicht zu den Sitzun-gen zugelassen worden ist. Da muss manaber sagen, dass sich daraus natürlich sehrnegative Beurteilungen dieser Gorleben-Kommission ergeben haben. Unter anderemhat unsere Zeugin Frau Fritzen, die hier am27. Januar dieses Jahres vernommen wor-den ist - das ist das Stenografische Protokollin der endgültigen Fassung der 31. Sitzung,Seite 50 -, gesagt: „Die Kommission war einGeheimbund; es war nicht öffentlich.“ Unddann gibt es einen offenen Brief der GLU,also der Grünen Liste Umweltschutz, an dieMitglieder der Gorleben-Kommission vom3. März 1979 - das ist MAT A 102, Band 1,Paginierung 000189 -, wo gesagt wird:

Obwohl sie eingerichtet worden ist,

- also die Gorleben-Kommission -

um die Öffentlichkeit zu informieren,bemüht sich die Gorleben-Kommis-sion offensichtlich darum, Nach-richten zu unterdrücken und - wiejüngst durch ihren Vorsitzenden,Herrn Grill - Falschmeldungen aus-zustreuen!

Können Sie sagen, an welchem Umstanddiese Kritik festgemacht worden ist? Also,welche Nachricht ist da unterdrückt worden?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ich weißnicht, auf welche Nachricht sich diese Äuße-rung bezieht. Ich kann aber diesen Ausfüh-rungen nicht folgen, weil, wie gesagt, dieKommission begleitet wurde von Presse-

vertretern der Elbe-Jeetzel-Zeitung, die aus-führlich über den Inhalt dieser Kommissionberichteten und insofern die Diskussioneninnerhalb der Kommission in die Öffentlich-keit trugen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Wieging denn die Kommission zu der Zeit mitsolchen Anwürfen um? Also, hat man daversucht, dem entgegenzuwirken, oder wieda auch immer? Dieser offene Brief ist jadann 1979 schon verfasst worden, also wäh-rend der Zeit, wo die Gorleben-Kommissionja gearbeitet hat. Wie hat man versucht, demzu begegnen? Hat man das ignoriert, oder istman irgendwie darauf eingegangen?

Zeuge Klaus Poggendorf: Das weiß ichjetzt nicht mehr so genau, Frau Vorsitzende,aber ich gehe mal davon aus, dass der Vor-sitzende durch Presseerklärungen auf dieseVorwürfe reagiert hat.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Siehaben eben, Herr Poggendorf, schon gesagt,dass - - oder haben den Namen ProfessorDuphorn genannt. Es gibt nun eine Einla-dung des Vorsitzenden der Gorleben-Kom-mission, von Herrn Grill, vom 6. September1982 an Professor Duphorn zur Abgabeeiner Stellungnahme zu seiner quartärgeolo-gischen Gesamtinterpretation Gorleben inder Sitzung der Gorleben-Kommission vom16. September; das ist MAT A 139, Band 30,Paginierung 113082. Ist Herr Duphorn da-mals angehört worden?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja. Wie Siewissen, hatte ja Professor Duphorn seinerzeitBedenken geäußert gegen die Eignung desSalzstockes, und zwar mit verschiedenengeologischen Argumenten.

Zum einen hatte er seinerzeit gesagt, derSalzstock wäre in den letzten 800 000 Jah-ren durchgebrochen in Richtung Oberfläche,was sicherlich negative Auswirkungen ge-habt hätte, wenn das zuträfe, weil sich derSalzstock dann den grundwasserführendenDeckschichten genähert hätte. Zum anderenhatte er darauf hingewiesen, dass die was-serundurchlässigen Sedimente nicht in derDichte und Breite vorhanden wären, um Ein-wirkungen des Grundwassers auf den Salz-stock zu unterbinden.

Daraufhin hat ein Gespräch stattgefundenmit der Physikalisch-Technischen Bundesan-stalt und dem Bergamt und anderen. Das

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Ergebnis dieser Besprechung war eineschriftliche Erklärung, die auch von ProfessorDuphorn unterschrieben wurde. In der hat erdann die Anwürfe oder die Kritik oder seineArgumente, dass der Salzstock instabil warund sich der Erdoberfläche nähert, zurück-genommen, hat aber weiterhin auf die unzu-reichenden und wasserundurchlässigen Se-dimente im Deckgebirge hingewiesen. Er wardann bei der Gorleben-Kommission und hatzu seinen Äußerungen Stellung genommenund auch damals gemeinsam in diesem Pa-pier gesagt, der Salzstock sollte weiter unter-sucht werden. Das war die Meinung vonDuphorn. Aber er hat erklärt, neben dieserUntersuchung sollte ein zweiter Salzstockuntersucht werden; für den Fall, dass sichweitere Mängel herausstellen, könnte dassonst zu wissenschaftlich unvertretbarenEntscheidungen führen. Das heißt, manwürde möglicherweise einen Salzstock wieGorleben zu einem Endlager machen, ohnedass sich das wissenschaftlich rechtfertigenließe.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Undhat man einen weiteren Salzstock unter-sucht?

Zeuge Klaus Poggendorf: Das hat mannicht gemacht.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Undwie hat sich die Gorleben-Kommission, wiehaben sich die kommunalen Vertreter in derGorleben-Kommission dann zu diesem Um-stand gestellt?

Zeuge Klaus Poggendorf: Die kommu-nalen Vertreter waren der Meinung, dassman zunächst den Salzstock Gorleben un-tersuchen sollte und erst dann, wenn sichherausstellt, dass ernsthafte Mängel vorlie-gen, die gegen die Eignung des Salzstockesals Endlager sprechen, eine weitere Ent-scheidung über eine andere Salzstockunter-suchung treffen könnte.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herr Poggendorf, kurz nachdem die Landes-regierung entschieden hat im Februar 1977,den Salzstock als Standort für ein nuklearesEntsorgungszentrum zu benennen, kam esdurch kommunale Mandatsträger zur Forde-rung nach Hilfsmaßnahmen der öffentlichenHand, also Gelder in die Region Gorleben.

Das können wir nachlesen unter anderem inMAT A 188. Das ist die Ausarbeitung vonHerrn Tiggemann, die hier schon mehrfachgenannt worden ist.

Ab 1979 gab es dann Ausgleichszahlun-gen vom Bund über das Land Niedersachsenan den Landkreis Lüchow-Dannenberg undan die betroffenen Kommunen. Das findenwir unter MAT A 102/1, Band 154, Paginie-rung 164 bis 166; das ist die „Verwaltungs-vereinbarung über die Regelung der finan-ziellen Auswirkungen des Genehmigungs-und Planfeststellungsverfahrens für dasNukleare Entsorgungszentrum (NEZ) beiGorleben“ vom 9. Februar 1979 zwischendem Bund und dem Land Niedersachsen.

Da würde ich jetzt gerne von Ihnen wis-sen: Wer im Einzelnen machte sich denn fürdiese Hilfsmaßnahmen der öffentlichen Handan die betroffenen Gemeinden stark?

Zeuge Klaus Poggendorf: Also, es warFolgendes: Es ging damals noch um dasnukleare Entsorgungszentrum. Und das LandNiedersachsen hat ja gegenüber der Bun-desregierung erklärt, wenn ein solches nu-kleares Entsorgungszentrum kommt, dannwären sie nur bereit, das weiterhin zu unter-stützen, wenn die mit der Ansiedlung diesesnuklearen Entsorgungszentrums verbunde-nen zusätzlichen Kosten, die auf das Landzukämen - - bereit wären, diese Kosten zuerstatten aus dem Bundeshaushalt.

Es liefen also Verhandlungen zwischendem Bund und dem Land Niedersachsenüber diese Kosten, die aus dem Bundes-haushalt gezahlt werden sollten. Das hatteder Landkreis zur Kenntnis bekommen, undder Kreisausschuss beauftragte mich da-mals, Kontakt mit der niedersächsischenLandesregierung aufzunehmen, damit wir,das heißt der Landkreis und die Standort-gemeinden für das nukleare Entsorgungs-zentrum - das war die SamtgemeindeGartow, das war die Gemeinde Gorleben unddie Gemeinde Trebel in der SamtgemeindeLüchow -, mit einbezogen werden in dieseVerhandlungen und ebenfalls partizipierensollten an den möglichen Zahlungen ausdem Bundeshaushalt.

Ich bin daraufhin an die Landesregierungherangetreten, und die hat sich bereit erklärt,uns mit in diese Verhandlungen einzubezie-hen, und uns aufgefordert, Kosten, die mittel-oder unmittelbar mit dem nuklearen Entsor-gungszentrum in Verbindung stehen, zu be-nennen, um sie dann also gegenüber dem

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Bund geltend zu machen. Es kam dann zuVerhandlungen zwischen dem Land Nieder-sachsen und der Bundesregierung. An die-sen Verhandlungen habe ich teilgenommenund gleichzeitig die Standortgemeinden undden Landkreis vertreten.

Diese Verhandlungen führten 1979 zudem Ergebnis, dass ein Vertrag abgeschlos-sen wurde, ein Zehnjahresvertrag, der vor-sah, diese Zahlungen - - Zunächst für dieersten vier Jahre war vereinbart eine Summevon 200 Millionen DM, das heißt also50 Millionen pro Jahr. Dieses Geld floss andas Land, und das Land ließ den Landkreisund die Standortgemeinden partizipieren. Dieerste Summe, die wir - - oder die Aufteilung,die damals erfolgte, war die, dass das Landden größten Teil des Geldes natürlich be-hielt, und wir kriegten in den ersten vier Jah-ren etwa 4,1 Millionen pro Jahr, die dannaufgeteilt wurden zwischen dem Landkreis,der Samtgemeinde Gartow, der GemeindeGorleben und der Gemeinde Trebel.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Sind die Zahlungen in irgendeiner Art undWeise beeinflusst worden durch den Um-stand, dass der Bund dann ja darauf ver-zichtet hat, ein nukleares Entsorgungszen-trum zu bauen oder zu planen - das nachdem Nein von Albrecht -, sondern es dannnur noch - in Anführungsstrichen - zur Pla-nung, Erkundung, später möglicherweiseBau eines Endlagers kommen sollte?

Zeuge Klaus Poggendorf: Also, derBund hatte bei den Verhandlungen, als esnoch um das nukleare Entsorgungszentrumging, von vornherein gesagt: Für die Wieder-aufarbeitungsanlage sind wir nicht zuständig,sondern dafür sind die Betreiber zuständig. -Und die DWK damals, die die Wiederauf-arbeitungsanlage bauen sollte, hatte signali-siert, für den Fall, dass die Wiederaufarbei-tungsanlage gebaut wird, würden sie 200 Mil-lionen DM dem Land zur Verfügung stellen.

Bei den Verhandlungen mit dem Bundging es ausschließlich um den Salzstock;denn das war eine Bundeseinrichtung. Unddarauf haben wir auch immer hingewiesen,sodass also letztlich die Entscheidung derniedersächsischen Landesregierung, auf dieWiederaufarbeitungsanlage zu verzichten,keinen Einfluss hatte auf den Gegenstanddes zwischen Bund und Niedersachsen ge-schlossenen Vertrages.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Diese Gelder, Herr Poggendorf, werden sehrunterschiedlich bewertet. Also, die einensagen: Es ist eine berechtigte Infrastruktur-hilfe als Ausgleich für die Übernahme vonnationaler Verantwortung, von nationalenAufgaben. - Die anderen sagen: Es warenschlicht und ergreifend Schmiergelder. -Könnten Sie freundlicherweise sagen nachIhrer Erinnerung: Was war der Zweck derZahlung, bzw. in welche Projekte sind sieganz konkret geflossen?

Zeuge Klaus Poggendorf: Wollen Siedie Projekte wissen, oder - - Das habe ichjetzt nicht ganz verstanden.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Was der Zweck der Zahlungen gewesen,wenn Sie das allgemein sagen wollen. Siekönnten aber auch ergänzend sagen, in wel-che Projekte die denn ganz konkret geflos-sen sind, diese Zahlungen.

Zeuge Klaus Poggendorf: Also, zu-nächst mal zu dem Vorwurf, das wärenSchmiergelder: Dieser Vorwurf lässt sichleicht entkräften. Die rot-grüne Regierungunter Bundeskanzler Schröder und Fischerhat ja seinerzeit, als das Moratorium be-schlossen wurde und auch als die Salzstock-untersuchungen stillgelegt wurden, den Ar-beitskreis „Endlager“ beauftragt, neue Krite-rien zur Bewertung von Salzstöcken zu ent-wickeln. Dieser Arbeitskreis hat diese Krite-rien vorgelegt, und in den Ausarbeitungendes Arbeitskreises steht drin, dass dort, woein Endlager untersucht bzw. solch ein End-lager eingerichtet wird, der Bund finanziellMittel zur Verfügung stellen soll zum Ausbauder Infrastruktur bzw. auch zur Förderunganderer Vorhaben.

Zweitens. Das Land war seinerzeit zu-ständig für die Verhandlungen über Gorlebenmit dem Bund. Wir hatten 1990 einen weite-ren Vertrag abgeschlossen - oder das Landhat einen weiteren Vertrag abgeschlossen -über die Zahlung dieser Mittel, der von 1990bis 96, also für sechs Jahre, gelten sollte. Ichhabe an diesen Verhandlungen teilgenom-men. Für die ersten drei Jahre waren verein-bart zwischen dem Bund und dem Land Nie-dersachsen: 90 Millionen, also 30 MillionenDM pro Jahr. Von diesen 30 Millionen flossen12 Millionen dem Landkreis Lüchow-Dan-nenberg und seinen Standortgemeinden zu,12 Millionen gingen an die Stadt Salzgitter

1. Untersuchungsausschuss 71[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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wegen Konrad und Asse, 1 Million bekam derLandkreis Wolfenbüttel, und 5 Millionen be-hielt das Land.

Diese Zahlungen endeten 1993, der Ver-trag ging aber bis 1996. Damals wechseltedie Mehrheit bei uns im Kreistag; das heißtalso: Die Kernkraftgegner kriegten eineMehrheit, die CDU verlor ihre Mehrheit. DieKernkraftgegner haben damals entschieden,weitere Verhandlungen nicht mit dem Bundzu führen über die Zahlung dieser Gelder.1992 hatten wir eine Kabinettssitzung desniedersächsischen Kabinetts in Lüben

1, auf

der wir eingeladen waren. Die Fraktionsvor-sitzende, der damalige ehrenamtliche Land-rat Zühlke und ich - - Und MinisterpräsidentSchröder empfing uns damals, und der Land-rat erklärte ihm, dass der Landkreis Lüchow-Dannenberg darauf verzichtet habe, weitereGelder einzufordern vom Bund. Daraufhinhat der Ministerpräsident Schröder gesagt,dafür hätte er überhaupt kein Verständnis.Zum einen wäre er zwar auch gegen dieAnlagen in Gorleben, aber solange man alsodiesen politischen Mühlstein am Hals habe,könne er nicht einsehen, warum man aufForderungen an den Bund verzichte. Wennman das aber nun getan habe, sei er natür-lich außerstande, mit Bonn Verhandlungenaufzunehmen, um Gelder für den Landkreisund seine Standortgemeinden zu vereinba-ren, mit einer Erklärung des Kreistages, dasssie solche Gelder nicht wollten.

Das Dritte ist: Die Gorleben-Gelder flos-sen ja nicht nur aus den Vereinbarungenzwischen dem Bund und dem Land, sondernes gab ja auch weitere Gelder, nämlich An-siedlungsverträge mit den Betreibern desZwischenlagers, und zwar seinerzeit derDWK und später der GNS und der … (akus-tisch unverständlich). Diese Zahlungen sa-hen also vor: einmal für die Ansiedlung desTransportbehälterlagers, also wo die Castor-behälter untergebracht werden, eine Einmal-zahlung von 5 Millionen, die aufgeteilt wurdezwischen dem Landkreis, der SamtgemeindeGartow und der Gemeinde Gorleben, undeine jährliche Zahlung von 1 Million, solangedas Zwischenlager in Betrieb ist. Diese1 Million teilte sich auf: 300 000 DM bekamder Landkreis, 300 000 DM die GemeindeGorleben, 400 000 DM bekam die Samtge-meinde Gartow. Dieser Vertrag läuft bisheute. Das heißt: Wir haben seit 1991 eine

1Richtigstellung des Zeugen: streiche „Lüben“, setze

„Lübel“, Anlage

Mehrheit von Kernkraftgegnern. Diese Mehr-heit von Kernkraftgegnern nimmt nach wievor die Gelder aus dem Ansiedlungsvertragvon den Betreibern in Empfang. Und ich darfIhnen mal sagen, wie das heute aussieht:Der Landkreis hatte bis 1991 eine CDU-Mehrheit und hat also in diesen elf Jahren3,3 Millionen DM bekommen. Seit 1992 ha-ben wir eine Mehrheit von Kernkraftgegnern.In der Zeit der Kernkraftgegner, also in dieserZeit, sind von 1992 bis heute, bis 2011, anden Landkreis 8 685 000 DM aus dem An-siedlungsvertrag geflossen. Das heißt:3,3 Millionen bis 1991, als es eine absoluteMehrheit der CDU gab, und ab 92 8 685 000DM. Das heißt: Das sind fast zwei Drittelmehr als zur Zeit der absoluten Mehrheit derCDU.

2Nun wird man schlecht sagen können,

wenn Kernkraftgegner diese Zahlungen inEmpfang nehmen, dass sie anstößig sind.Also, zumindest kann ich da, wenn man einesolche Behauptung aufstellt, diesen Wider-spruch nicht auflösen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Danke schön für diese Erläuterungen. Ich willnun die finanzielle, die strukturelle Situationdes Landkreises Lüchow-Dannenberg unddamit auch der Region um Gorleben nochmal ins Augenmerk nehmen.

Sie sagen zu den Problemen des Land-kreises Lüchow-Dannenberg im Jahr 1977 inIhrem Buch Gorleben - Der Streit um dienukleare Entsorgung und die Zukunft einerRegion von 2008 auf der Seite 27 und 28 -ich zitiere -:

Die relativ große Fläche und die ge-ringe Besiedlungsdichte verur-

2Ergänzung des Zeugen: „Auf der Seite 71 möchte ich

meine Aussage korrigieren, dass der Landkreis Lüchow-Dannenberg 8.685.000 DM empfing, nachdem dieabsolute Mehrheit im Kreistag von der CDU zu einerMehrheit aus kernkraftkritischen Kommunalpolitikernwechselte. Dieser Betrag liegt nach meinen nachträg-lichen Berechnungen bei 6.935.000 DM, also bei knapp7 Mio. DM. Der Fehler unterlief mir, weil ich davon aus-ging, dass bei den zwischen der Brennelementlager -Gorleben GmbH (BLG) und dem Landkreis 2003/2004geführten Verhandlungen über eine Erhöhung derInfrastrukturbeihilfe neben einer Einmalzahlung von500.000 DM für die Modernisierung der Rettungsleit-stelle eine Nachzahlung vereinbart wurde, die in ihrerGesamtsumme der der Gemeinde Gorleben in voraus-gegangen Verhandlungen zugebilligten und seit 1992/93an sie gezahlten Anhebung ihrer jährlichen Infrastruktur-hilfe aus dem Ansiedlungsvertrag entsprach. Der Betragvon 6.935.000 DM übersteigt die zu Zeiten einer CDU-Mehrheit im Kreistag dem Landkreis zugeflosseneSumme von 3.300.000 DM nicht um zwei Drittel, son-dern um gut das Doppelte.“, Anlage

1. Untersuchungsausschuss 72[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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sachten beim Ausbau einer moder-nen Infrastruktur hohe Investitions-kosten, die nur mit der Unterstüt-zung durch den Bund und das LandNiedersachsen finanziert werdenkonnten.

Und dann habe ich noch eine weitereQuelle, und zwar ist das ein Zeitzeugen-gespräch von Dr. Tiggemann mit KlausStuhr, seinerzeit dem Leiter des Referats 23für Industrieansiedlung im niedersächsischenWirtschaftsministerium unter dem MinisterDr. Walther Leisler Kiep. Der sagt - ich zi-tiere -:

Es war eigentlich ein strukturpoliti-sches Projekt. Als solches ist es aufdie Schreibtische im MW

- also im Wirtschaftsministerium in Nieder-sachsen -

gekommen. … Lüchow-Dannen-berg war die ärmste Region in Nie-dersachsen; da war die Welt zuEnde. Die Idee war: Das ist dieChance.

Das ist MAT A 93: Anselm Tiggemann,„Gorleben als Entsorgungs- und Endlager-standort. Der niedersächsische Auswahl- undEntscheidungsprozess. Expertise zur Stand-ortvorauswahl für das „Entsorgungszentrum“1976/77“. Im Auftrag des niedersächsischenUmweltministeriums; vorgestellt am 28. Mai2010.

Aus Ihrer Wahrnehmung heraus, HerrPoggendorf: Welche Bedeutung hatten diestrukturpolitischen Implikationen bei derAuswahl dieses Standorts? Und eine zweiteFrage: Führten diese strukturpolitischen Er-wägungen Ihrer Erkenntnis nach dazu, dasswissenschaftliche Aspekte bei der Auswahldes Standorts in den Hintergrund rücktenoder gar vernachlässigt worden sind?

Zeuge Klaus Poggendorf: Sie haben zuRecht auf die großen Strukturprobleme desLandkreises hingewiesen. Wir versprachenuns damals, als es um die Ansiedlung desnuklearen Entsorgungszentrums ging, insbe-sondere von der Wiederaufarbeitungsanlagemit einem Jahresdurchsatz von 1 400 Ton-nen und einer prognostizierten Zahl von Ar-beitsplätzen zwischen 3 000 und 4 000 eineLösung dieser Probleme. Das muss manganz offen sagen.

Die Entscheidung der niedersächsischenLandesregierung, dieses Projekt nicht zu

realisieren, war für viele Kommunalpolitikereine Enttäuschung. Trotzdem war man derMeinung, dass man einmal mit der Salz-stockuntersuchung zusätzliche Arbeitsplätzeschaffen könnte und zum anderen auch denBund in die Pflicht nehmen kann, den Land-kreis finanziell zu unterstützen, um dieStrukturprobleme, wenn nicht zu lösen, sodoch abzumildern. Und das ist letzten Endesauch geschehen.

Ich darf Ihnen dazu folgende Beispielemal nennen: In der Zeit von 1979 bis 1989sind in den Landkreis Mittel in Höhe von521 Millionen investiert worden, und zwaraufgrund von Förderprogrammen des Bun-des und des Landes. Wenn Sie Förderpro-gramme in Anspruch nehmen wollen, danngenügt es ja nicht, dass der Bund oder dasLand das zahlt, sondern jeder kommunaleTräger muss einen Eigenanteil aufbringen.Dazu waren in der Vergangenheit die Ge-meinden und der Landkreis, aufgrund seinerFinanzschwäche, nicht in der Lage. Mithilfeder Gorleben-Gelder gelang es aber, dieseFörderprogramme in Anspruch zu nehmen,und diese Förderprogramme haben wiede-rum private Investitionen ausgelöst, die indieser Zeit zu einer Summe von 521 Millio-nen führten. Von diesen 521 Millionenbrachten Bund und Land Niedersachsen195 Millionen auf und der Landkreis Lüchow-Dannenberg aus seinen Gorleben-Geldern38 Millionen. Was ist daraus entstanden? Essind nach den Angaben der niedersächsi-schen Landesregierung für diese Zeit 4 683Arbeitsplätze gesichert worden, 779 Arbeits-plätze zusätzlich entstanden, und es wurden674 Gästebetten geschaffen. Daraus könnenSie ersehen, dass diese Mittel erheblich zurAbmilderung der Strukturschwäche im Land-kreis Lüchow-Dannenberg beigetragen ha-ben.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Ihrer Erkenntnis nach, Herr Poggendorf: Ha-ben denn diese strukturpolitischen Aspekte,die ich sehr gut verstehe und nachvollziehenkann, Ihrer Kenntnis nach dazu geführt, dassman bei dem Hingucken, ob dieser Salzstockdenn nun aus wissenschaftlichen, aus geolo-gischen Gründen auch tatsächlich geeignetwar bzw. der Standort zunächst mal - - dassman da vielleicht nicht so genau hingeguckthat?

Zeuge Klaus Poggendorf: Also, das isteine Frage, die letzten Endes, ob das wis-

1. Untersuchungsausschuss 73[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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senschaftlich vertretbar ist, von den Kommu-nalvertretern nicht hinreichend beurteilt wer-den kann. Die Entscheidung darüber, ob dasvertretbar ist oder nicht, hatte die Bundes-regierung zu treffen. Und die bisher vorlie-genden Untersuchungsergebnisse haben dieKommunalpolitiker dazu geführt, dass dieKommunalpolitiker letzten Endes diese Salz-stockuntersuchung auch unter wissenschaft-lichen Gesichtspunkten für richtig hielten.Dazu hat sicherlich auch beigetragen dieVereinbarung, die seinerzeit die rot-grüneBundesregierung - mit BundeskanzlerSchröder - und den EVUs abgeschlossen hatund die das Moratorium vorsahen. Und beidieser Vereinbarung sind ja auch Äußerun-gen gefallen - - oder ist geäußert wordenüber den Salzstock. Und zwar heißt es indieser Vereinbarung - - In der Anlage 4 er-klärt die Bundesregierung unter anderemFolgendes zum Salzstock Gorleben:

Die … bisher gewonnenen geologi-schen Erkenntnisse stellen sich imWesentlichen wie folgt dar: DieAusdehnung des für die Einlage-rung von hochradioaktiven Abfällenvorgesehenen Älteren Steinsalzeshat sich im Rahmen der Erkundungdes Erkundungsbereiches … alsgrößer erwiesen, als ursprünglichangenommen. … Die analytischbestimmten Hebungsraten desSalzstockes lassen erwarten, dassim Hinblick auf mögliche Hebungenauch in sehr langen Zeiträumen (…1 Mio. Jahre) nicht mit hierdurchverursachten Gefährdungen zurechnen ist. Es wurden keine nen-nenswerten Lösungs-, Gas- undKondensateinschlüsse im ÄlterenSteinsalz gefunden. Die bisherigenErkenntnisse über ein dichtes Ge-birge und damit die Barrierefunktiondes Salzes wurden positiv bestätigt.Somit stehen die bisher gewonne-nen geologischen Befunde einerEignungshöffigkeit des Salzstockeszwar nicht entgegen. Allerdingssieht die Bundesregierung … dieNotwendigkeit, die Eignungskrite-rien für ein Endlager fortzuent-wickeln und die Konzeption für dieEndlagerung radioaktiver Abfälle zuüberarbeiten. … Das Moratoriumbedeutet keine Aufgabe von Gorle-ben als Standort für ein Endlager.

Was soll ein Kommunalpolitiker, der dasliest, meine Damen und Herren, denn ande-res annehmen, als dass die bisherigen

Untersuchungsergebnisse, auch aus wissen-schaftlicher Sicht, die Salzstockuntersuchungrechtfertigen?

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herzlichen Dank.

Zeuge Klaus Poggendorf: Immerhin istdas eine Erklärung, die nicht von Herrn Kohlstammt und auch nicht von Frau Merkel,sondern von Herrn Trittin und von HerrnSchröder.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herzlichen Dank, Herr Poggendorf, wirsind - - Also, ich bin mit meinen Fragen jetztam Ende. Ich will den Kolleginnen und Kolle-gen sagen, dass ich gerade die Nachrichtbekomme, dass wir um 17.45 Uhr die Ab-stimmung zu Althea haben, also zu einemweiteren Bundeswehreinsatz. Die Frage istjetzt: Fangen wir noch mal an zu fragen? -Also, es macht eigentlich wenig Sinn. Dannwürde ich nämlich sagen: Dann unterbrechenwir jetzt die Sitzung und kommen dann soschnell wie möglich tatsächlich nach derAbstimmung wieder, und dann würde dieUnion als Erste das Fragerecht bekommen. -Danke schön, dann haben Sie eine kurzePause, Herr Poggendorf, bis - was weiß ich -zehn vor oder so.

(Unterbrechung von17.30 Uhr bis 17.58 Uhr)

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Liebe Kolleginnen und Kollegen, dann er-öffne ich die unterbrochene Sitzung und binnun zuversichtlich, dass wir auch tatsächlichunsere Sitzung bis zu unserer oder der Er-schöpfung des Herrn Zeugen fortsetzen kön-nen.

Ich bitte nun die Unionsfraktion, die Be-fragung zu beginnen. - Bitte schön, HerrKollege Pols.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Vielen Dank,Frau Vorsitzende. - Herr Poggendorf, Siehaben ja schon sehr umfassend auf die Fra-gen geantwortet - wo ich auch drauf kommenwollte - zur Gorleben-Kommission, derenVorsitzender Sie ja am Anfang waren.

Zeuge Klaus Poggendorf: Am Anfang,ja.

1. Untersuchungsausschuss 74[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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Eckhard Pols (CDU/CSU): Nun liegenuns diverse Protokolle der Gorleben-Kom-mission vor. Daraus ergibt sich, dass unteranderem Bundeskanzler Schmidt, Bundes-minister Hauff, Bundesminister Baum sowieMinisterpräsident Albrecht und auch der da-malige niedersächsische InnenministerMöcklinghoff an Sitzungen teilgenommenhaben. Das ist MAT A 102/1, Band 4, Blatt171 bis 172.

War es eigentlich üblich, dass Bundesmi-nister und Landesminister bzw. auch derMinisterpräsident an den Sitzungen der Gor-leben-Kommission teilnahmen?

Zeuge Klaus Poggendorf: Es war dieAusnahme, würde ich sagen. Aber sie habendaran teilgenommen. Aber es hat, wie ge-sagt, sehr viele Gespräche mit führendenPolitikern der Bundesrepublik gegeben. Sieerwähnten ja den Bundeskanzler Schmidt,den Bundesforschungsminister Hauff. VonBülow war bei uns, Professor Töpfer alsBundesumweltminister und Frau Merkel. Wiegesagt, bis auf den Heiligen Vater hatten wireigentlich alle da.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Haben Sie dieextra angefragt, oder kamen die aus eigenerMotivation?

Zeuge Klaus Poggendorf: Die sind ein-geladen worden nach meiner Erinnerung.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Die sind ein-geladen worden, gut.

Aus einem Protokoll der Sitzung der Gor-leben-Kommission vom 21.02.1979 - das istMAT A 102, Band 1, Heft 2, Blatt 244 - gehthervor, dass aus den Reihen der Kommis-sion die Forderung an die Bundesregierungzur Einrichtung einer Informationsstelle inLüchow aufgestellt wurde.

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Welche Rollespielte die Gorleben-Kommission als Infor-mationsplattform beim Ausbau bzw. Aufbauder Information für die Bevölkerung inLüchow-Dannenberg und Umgebung?

Zeuge Klaus Poggendorf: Die Gorleben-Kommission selbst sah ihre Aufgabe nichtdarin, die Bevölkerung zu informieren, son-dern in erster Linie die Entscheidungsträger

in den kommunalen Gremien. Wichtig waraber auch, dass seinerzeit die Bevölkerunginformiert wurde. Deswegen haben wir da-rauf gedrungen, dass eine unabhängigeStelle eingerichtet wird, eine Informations-stelle, die die Information der Bevölkerungübernahm. Denn davor wurden Informatio-nen nur gegeben von den Betreibern, sowohlden Betreibern des geplanten nuklearenEntsorgungszentrums, also der Wiederauf-arbeitungsanlage, als auch - - Das reichteaber im Grunde genommen nicht aus, weilman diesen unterstellte, dass sie interessen-geleitete Informationen geben. Deswegenwar es also wichtig, für die Kommunalpoliti-ker eine Informationsstelle einzurichten, dienicht in diesem Verdacht stand.

Diese Informationsstelle hat also sehrgute Arbeit geleistet. Sie ist in die Vereinegegangen. Sie hat Vorträge gehalten in denverschiedensten Institutionen und sehr dazubeigetragen, dass objektive Informationengegeben wurden.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Gut, vielenDank. Ich komme gleich noch mal daraufzurück.

Aber Sie sagten ja eben völlig richtig, dieGorleben-Kommission war für Sie praktischals Verwaltungsspitze, aber auch für dieKommunalpolitiker da, um sie dann auch mitInformationen zu versorgen.

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Wurde dasZiel dieser umfassenden Information dennerreicht?

Zeuge Klaus Poggendorf: Sie meinen,durch die Gorleben-Kommission?

Eckhard Pols (CDU/CSU): Ja, durch dieGorleben-Kommission aus Ihrer Sicht.

Zeuge Klaus Poggendorf: Ich denke,dass die Informationen ausreichten, um diedurch die kommunalen Körperschaften zutreffenden Entscheidungen zu fällen. Dazugehörte beispielsweise, Flächennutzungs-pläne auszuweisen. Dazu gehörte, Bau-genehmigungen zu erteilen. Der Landkreishat ja für die Hochbauten zum Teil Bau-genehmigungen erteilt. Das waren allesDinge, die wir zu entscheiden hatten. Diedafür erforderlichen Informationen wurden

1. Untersuchungsausschuss 75[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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uns über die Gorleben-Kommission vermit-telt.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Also war dasfür Sie eine wichtige Einrichtung, um auchInformationen zu erlangen?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Warum wurdedie Arbeit der Gorleben-Kommission 1991denn eingestellt, wenn das so eine wunder-bare, informative Einrichtung war?

Zeuge Klaus Poggendorf: Die neueMehrheit, die sich seinerzeit „bunte Koalition“nannte und aus Kernkraftgegnern bestand,war der Meinung, dass diese Gorleben-Kommission nicht mehr erforderlich sei, son-dern dass man einen Fachausschuss beimLandkreis installiert, der dann diese Aufgabeübernahm. Dieser Atomausschuss, wenn ichihn mal so verkürzt nennen darf, gilt heutzu-tage einmal als Informationsstelle, aber zumanderen natürlich auch als Diskussionsstelle.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Ist er dennqualitativ vergleichbar mit der Gorleben-Kommission?

Zeuge Klaus Poggendorf: Na ja, daswürde ich schon sagen. Es sind da Abgeord-nete drin, genau wie in der Gorleben-Kom-mission. Es kommt nur darauf an, wie mansich seine Informationen beschafft und wenman, um Informationen zu bekommen, ein-lädt; denn auch diese Ausschussmitgliedersind ja auf Informationen von Fachleutenangewiesen.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Zitiere ich dasrichtig, dass man überwiegend Gorleben-kritische Personen eingeladen hat, oder wares eine bunte Mischung?

Zeuge Klaus Poggendorf: Na ja, soweitich das jetzt verfolgen kann als Außenste-hender - ich bin ja seit 96 nicht mehr imAmt -, habe ich den Eindruck, dass in diesenAusschuss überwiegend Gorleben-kritischeWissenschaftler eingeladen werden. Ichhabe allerdings neulich gelesen, dass manauch versucht hat, Vertreter der Bundes-regierung und auch der PTB einzuladen,ohne dass man damit Erfolg hatte. Die ha-ben, glaube ich, abgesagt.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Nun habe ichja eben schon erwähnt, dass aus den Reihender Gorleben-Kommission die Forderung lautwurde, eine Informationsstelle einzurichten.Wie kam es denn zu dieser Informations-stelle? Vom Bund? Vom Land?

Zeuge Klaus Poggendorf: Die Informa-tionsstelle wurde vom Bund und vom Landeingerichtet. Beide entsandten dort Vertreter,die die Aufgabe der Information übernahmen.Es wurde beispielsweise vom GeologischenLandesamt ein Geologe abgestellt, der wie-derum dann Kontakt hatte zu anderen Fach-kollegen, und vom Bund war jemand ausdem Ministerium da, der aber dann Verbin-dungen hatte zu Wissenschaftlern, die dannauf seine Einladung hin die Gorleben-Kom-mission aufsuchten.

Eckhard Pols (CDU/CSU): War das denneine Anlaufstelle für Bürger, um sich zu in-formieren, für einen Bürger, der jetzt einebestimmte Frage hatte zu einem bestimmtenUntersuchungsbereich?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja. Jederkonnte hingehen und seine Fragen dort stel-len. Wie gesagt, die Informationsstelle undihre Vertreter gingen auch in die Öffentlich-keit, das heißt also vorwiegend zu Vereinen,und informierten dort, oder auch zu Parteien.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Und Sie ver-anstalteten auch von sich aus jetzt Veran-staltungen nicht nur in bestimmten gesell-schaftlichen Gruppen wie Vereinen, sondernmachten auch öffentliche Veranstaltungen?

Zeuge Klaus Poggendorf: Wir machtenauch öffentliche Veranstaltungen, ja.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Und wielange gab es diese Stelle?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ich meine, siewäre bis Ende der 80er-Jahre - - Aber da binich nicht sicher, ob sie da schon aufgelöstwurde. Es lag einfach daran: Die Antikern-kraftbewegung vollzog sich ja in Wellen-bewegungen. Es gab immer ein Auf und einAb, und irgendwann kam der Bund und er-klärte, hielt die Informationsstelle nicht mehrfür erforderlich, weil der Widerstand gegendie Anlagen in Gorleben weitgehend zurück-gegangen war. Das war zu einem bestimm-

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ten Zeitpunkt auch der Fall. Das war auch dieBegründung, warum sich der Bund aus derInformationsstelle zurückzog.

Nach meiner Erinnerung hat das Landdann diese Informationsstelle weiter betrie-ben, und es gibt jetzt noch eine Informations-stelle; die ist aber angesiedelt in Gartow.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Die Ursacheist dann das mangelnde Interesse der Bevöl-kerung, oder?

Zeuge Klaus Poggendorf: Zunächst, ja.Das ist jetzt natürlich wieder gestiegen auf-grund der gewachsenen Protestbewegung.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Okay. - Dannhabe ich noch kurz Fragen zu dem Zeugen,den wir vorher gehört haben, zu Graf vonBernstorff. Den kennen Sie ja sicherlich.

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Können Siedenn etwas darüber berichten, inwieweitseine land- und forstwirtschaftlichen Betriebedurch das Endlagerprojekt betroffen warenoder noch betroffen sind?

Zeuge Klaus Poggendorf: Diese Fragekann ich schwer beantworten. Graf vonBernstorff ist zwar der größte Grundbesitzer,aber welche Grundstücke von ihm betroffensind durch das Endlager, weiß ich nicht. Ichweiß nur, dass die Salzhalde ganz in derNähe seines Grundbesitzes liegt und dass imRahmen der Naturschutzauflagen mög-licherweise auch Grundstücke von ihm ein-bezogen wurden.

Der Landkreis hat seinerzeit als untereNaturschutzbehörde zusammen mit der obe-ren Naturschutzbehörde, der Bezirksregie-rung und dem Bergamt Konzepte entwickelt,um Auflagen zu erarbeiten für den Eingriff inNatur und Landschaft nach dem Natur-schutzgesetz. Es wurden beispielsweisedann Gutachter beauftragt, die NILEG, dasheißt die Niedersächsische Landesentwick-lungsgesellschaft, die Untersuchungen an-stellte und Vorschläge gemacht hat, wasman als Auflagen in die Genehmigung auf-nehmen könne, um diese Eingriffe in Naturund Landschaft zu kompensieren.

Ich erinnere mich dunkel, dass beispiels-weise Vorschläge gemacht wurden, dieNemitzer Heide zu erweitern. Die Nemitzer

Heide ist ja ein Waldbrandgebiet, das derLandkreis aufgekauft hat, um dort eine Hei-delandschaft anzulegen. Es wurde vorge-schlagen und wohl auch realisiert, Moore zurenaturieren. Es wurde vorgeschlagen, auchim Elbholz etwas zu unternehmen. Allerdingskann ich nicht genau sagen, was. Aber imElbvorland beispielsweise sollte eine exten-sive Landwirtschaft betrieben werden, damitdas Brutgeschäft der Vögel im Frühjahr nichtgestört wird. Die Auflage war, hier eine späteMahd durchzuführen. Das sind so Auflagen,die mir noch dunkel in Erinnerung sind.

Ob der Graf davon betroffen worden istoder seine Grundstücke, kann ich Ihnen alsonicht sagen.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Sie warenauch nicht näher damit befasst demnach?

Zeuge Klaus Poggendorf: Nein.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Das gingdann über die Bundesstellen?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja, das liefzwar schon über den Kreis. Teilweise hat esauch Eingang in Genehmigungen, die wirerteilt haben, gefunden. Aber das liegt soweit zurück, wissen Sie, dass ich die Frageso konkret nicht beantworten kann.

Eckhard Pols (CDU/CSU): Vielen Dank,Herr Poggendorf.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): HerrPoggendorf, ich möchte gerne an die Fragendes Kollegen Pols anschließen, und zwar,was diese Eigentumsverhältnisse bei denAusgleichsmaßnahmen angeht. Sie haben javorgestellt, dass es eine ganze Reihe von,ich nenne es jetzt mal: Projekten, Natur-schutzprojekten gab, wo man eben so einenAusgleich realisieren konnte. Sie haben jetztgesagt, Sie wüssten jetzt nicht genau, wel-che Grundstücke des Grafen von Bernstorffda betroffen sind.

Ich stelle es einmal umgekehrt: Nicht alleProjekte sind auf dem Grund und Boden desGrafen von Bernstorff, nehme ich an.

Zeuge Klaus Poggendorf: Davon geheich aus. Das sind nicht alle Projekte auf demGrundstück vom Grafen von Bernstorff.

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Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Okay. Dasheißt also, man hätte auch den Ausgleichmöglicherweise realisieren können, ohneGrundstücke des Grafen von Bernstorff zu - -

Zeuge Klaus Poggendorf: Also, da binich überfragt, wissen Sie. Da müsste mannoch mal in die Gutachten reinsehen undfeststellen, ob das bei den vorgeschlagenenAuflagen möglich gewesen wäre. Die Fragekann ich Ihnen so konkret nicht beantworten.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Okay. -Ihnen ist wahrscheinlich noch in Erinnerung,dass die Salzrechte in Niedersachsen ineiner besonderen Weise übertragen werden,nämlich mit dem Grund und Boden, und dassim Zuge des neuen Bundesberggesetzeseine Möglichkeit bestand für die Grund-eigentümer, die Salzrechte zu beantragen,dass sie also weiterhin im Eigentum desGrundeigentümers standen.

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): WissenSie, ob dies vor Ort allgemein bekannt war,ob das die Salzrechteeigentümer alle ge-macht haben und die wussten, dass dasBundesberggesetz entsprechend geändertist?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja. DieGrundeigentümer wussten Bescheid, und einGroßteil der Grundeigentümer hat auch vondiesem Recht Gebrauch gemacht und sichdie Salzrechte eintragen lassen. Von dieseneingetragenen Salzrechten ist allerdings dergrößte Teil dann zur Verfügung gestellt wor-den gegen Entgelt für die Salzstockuntersu-chung. Nur - soweit ich erinnere - der GrafBernstorff hat sich geweigert, seine Zustim-mung zu geben, und die evangelische Kir-chengemeinde. Das sind die beiden, die ichso in Erinnerung habe.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Wenn ichnoch mal auf den Zeitpunkt abstelle, als sichdie Grundeigentümer das Salzrecht sichernkonnten. Wir hatten hier im Ausschuss denVizepräsidenten des Bundesamtes fürStrahlenschutz, Herrn Henning Rösel. Derhat hier im Ausschuss am 17. Juni 2010 Fol-gendes gesagt. Ich zitiere hier das ProtokollNr. 7, Seite 5. Da hat er gesagt:

Als wir Anfang der 80er-Jahre imLandkreis Lüchow-DannenbergÖffentlichkeitsarbeit betrieben, wardort diese Regelung

- das ist die Regelung, von der ich geradesprach -

überhaupt nicht bekannt. Keiner derGrundeigentümer wusste von die-sem Recht am Salz; erst durch un-sere Öffentlichkeitsarbeit ist klargeworden, welch ein Schatz undwelches Faustpfand sich dort unterTage befand. Ich kann mich nochgut an einen Vortrag entsinnen, denich in Trebel, einem kleinen Dorf inder Nähe von Gorleben, gehaltenhabe. Am nächsten Tag stand inder Elbe-Jeetzel-Zeitung: Eigentumin 1 000 Meter Tiefe.

Diese unsere Ehrlichkeit …

Deckt sich diese Aussage von Herrn Rö-sel mit Ihrer Erinnerung?

Zeuge Klaus Poggendorf: Also, ob 1980diese rechtliche Regelung, von der Sie spra-chen, allgemein bekannt war, kann ich nichtsagen. Aber sie ist mit Sicherheit bekanntgeworden, und alle haben von ihrem Rechtder Eintragung ihrer Salzrechte Gebrauchgemacht.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Wir hattenja heute Vormittag Herrn von Bernstorff hiergehabt, und er hat ausgesagt, dass er bereits1978, also deutlich vor dem Zeitpunkt, denHerr Rösel hier anspricht, diese Weiterinan-spruchnahme der Rechte beantragt habe.Wissen Sie, ob er das eben vor den anderengemacht hatte, oder - -

Zeuge Klaus Poggendorf: Das kannsein; denn Graf Bernstorff hat natürlich auf-grund seiner Vermögensverhältnisse auchRechtsberater. Die hat er verstärkt in An-spruch genommen, als es um die Einrichtungeines nuklearen Entsorgungszentrums ging.Ich kann mir vorstellen, dass diese Rechts-berater ihn auf diese Rechte, die er hat, hin-gewiesen haben.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Das heißt,es könnte sein, dass er 1978 praktisch vorden anderen diese Reche beantragt hat, -

Zeuge Klaus Poggendorf: Also, ich haltedas für - -

1. Untersuchungsausschuss 78[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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Dr. Michael Paul (CDU/CSU): - und dieanderen sind erst durch die PTB bzw. die - -

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja, ich haltees für möglich. Das halte ich für möglich.

(Dorothée Menzner (DIE LINKE):Das ist aber Kaffeesatzleserei!)

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): VielenDank. - Dann möchte ich noch mal kurz aufdie politischen Verhältnisse zu sprechenkommen. Es gibt ja immer, wenn man nichtaus der Region stammt, so den Eindruck, dereben auch über die Medien vermittelt wird,die Bevölkerung insgesamt in Gorleben undder Region sei gegen dieses Projekt einge-stellt, und zwar seit, im Grunde genommen,den späten 70er-Jahren.

Jetzt wissen wir ja, dass die CDU insbe-sondere in den 80er- und 90er-Jahren so-wohl auf örtlicher wie auf Landes- und Bun-desebene für das Projekt Gorleben war. Hatsich diese Haltung in irgendeiner Form in denWahlergebnissen niedergeschlagen, dassman also den Eindruck aus den Medien be-stätigt findet: Aha, die Bevölkerung vor Ort istgegen das Projekt eingestellt?

Zeuge Klaus Poggendorf: Es ist so: DasProjekt nukleares Entsorgungszentrum undspäter Salzstockuntersuchung ist ja seit 1977im Landkreis Lüchow-Dannenberg bekanntund auch umstritten. Bis 1991, also übermehrere kommunale Wahlperioden, hatte dieCDU die absolute Mehrheit im Kreistag. 1991hat sie die verloren. Das ist jetzt kontinuier-lich zurückgegangen. Die letzte Kommunal-wahl hat dazu geführt, dass die CDU zwarnoch stärkste Partei im Landkreis undstärkste Fraktion im Kreistag ist, aber sie hatüber 10 Prozent bei der Kommunalwahl ver-loren.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Undich weise darauf hin, dass unser Untersu-chungsauftrag bis maximal 98, 99, 2000läuft. Dann ist aber wirklich Schicht imSchacht, und von daher bitte ich auch, dieFragen auf diesen Zeitraum zu konzentrie-ren.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): So istdas. - Herr Poggendorf, wir haben in dernächsten Sitzung auch Pastor GottfriedMahlke als Zeugen hier. Ist der Herr Ihnenbekannt?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Was kön-nen Sie zu Pastor Mahlke berichten?

Zeuge Klaus Poggendorf: Also, PastorMahlke ist nach meiner Kenntnis - -

(Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Jetzt aber! -

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Was hat das mit dem

Untersuchungsgegenstand zu tun?)

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Herr Mahlke ist ein Zeuge, der hier gehörtwird.

(Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Und dann darfer fragen: Was können Sie über

den berichten?)

- „Kennen Sie ihn?“, hat er gesagt. Bislang istdas alles noch gut.

Zeuge Klaus Poggendorf: Ich kenne ihnnur als Kernkraftgegner.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): WelcheBerührungspunkte hatte denn Ihrer Erinne-rung nach Herr Pastor Mahlke mit dem End-lagerprojekt Gorleben?

Zeuge Klaus Poggendorf: Das habe ichnicht verstanden.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): WelcheBerührungspunkte hatte er denn mit demEndlagerprojekt Gorleben?

Zeuge Klaus Poggendorf: Er war jalange Zeit Pastor im Bereich Gartow und warsowohl gegen die nuklearen Entsorgungs-anlagen, das heißt also gegen das Endlager,und auch gegen die Zwischenlager.

Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Nach un-seren Informationen hat Herr Mahlke im Mai1980 am Protest auf der besetzten Bohrstelle1 004 am Standort Gorleben teilgenommen.Können Sie sich daran erinnern bzw. unsdarüber etwas darüber berichten?

Zeuge Klaus Poggendorf: Nein, davonweiß ich nichts.

1. Untersuchungsausschuss 79[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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Dr. Michael Paul (CDU/CSU): Gut, dannhabe ich keine Fragen mehr. Ich glaube, dieFraktion CDU/CSU für diese Runde nichtmehr.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Gut. - Dann geht das Fragerecht jetzt an dieSPD-Fraktion. Bitte schön.

Ute Vogt (SPD): Danke schön. - GutenTag, Herr Poggendorf! Herr Poggendorf, ineiner Studie von Herrn Tiggemann -MAT A 93, Paginierung 24 - wird von einemZeitzeugengespräch berichtet, das der Mi-nisterialrat Stuhr - kennen Sie den? -

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja, denkenne ich.

Ute Vogt (SPD): - geführt hat mit HerrnTiggemann. Da steht, dass der Herr Stuhrsagte, dass ihm die Kommunalpolitiker ausLüchow-Dannenberg wegen der mit demNEZ verbundenen Chancen unablässig imGenick saßen. Waren Sie auch einer dieserKommunalpolitiker?

Zeuge Klaus Poggendorf: Nein, davonist mir nichts bekannt. Ich kenne auch keinenKommunalpolitiker, der das getan hätte. Aberich kann das nicht mit absoluter Sicherheitsagen. Ich weiß nicht, welche Kontakte HerrStuhr zu Kommunalpolitikern im LandkreisLüchow-Dannenberg hatte. Ich kann nur fürmich in diesem Augenblick sprechen und fürdie Leute oder für die Kommunalpolitiker, diemir nahestanden. Von mir kann ich sagen:Ich habe ihm nicht im Genick gestanden. Ichhabe natürlich nachher versucht, als die Ent-scheidung gefallen war zum nuklearen Ent-sorgungszentrum bzw. auch zur Endlager-untersuchung, mit ihm zu verhandeln. Er hatuns auch sehr unterstützt - das muss ichdazusagen -, der Herr Stuhr. Aber es warnicht so, dass ich oder irgendjemand, den ichkenne, Druck ausgeübt hat auf Herrn Stuhr.

Ute Vogt (SPD): „Im Genick sitzen“ ist janun nicht nur Druck. Er nennt im ÜbrigenHerrn Grill. Den kennen Sie wahrscheinlichauch.

Zeuge Klaus Poggendorf: Den kenneich, ja.

Ute Vogt (SPD): Den hat er in dem Zu-sammenhang auch namentlich erwähnt.

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja, aber dazukann ich nichts sagen.

Ute Vogt (SPD): Es ging mir darum, wasIhre Rolle war. Den Herrn Grill hatte man jaan anderer Stelle schon zur Genüge.

Die Frage war dann noch mal, oder istjetzt: Wann haben Sie das erste Mal davongehört, dass die Standortentscheidung Gor-leben gefallen ist? Wissen Sie das noch?

Zeuge Klaus Poggendorf: Das kann ichIhnen genau sagen. Ich war mit meiner Frauim Skiurlaub und habe vor dem Fernsehergesessen. Das war am 22. Februar. Ich binvom Stuhl gefallen, als plötzlich im Fernse-hen die Nachricht verkündet wurde: Gorlebenwird zum Standort eines nuklearen Entsor-gungszentrums.

Ute Vogt (SPD): Das war vorher jetztnicht so, dass Sie damit gerechnet hätten?

Zeuge Klaus Poggendorf: Nein. Ich warja auch noch nicht im Amt, muss ich dazusa-gen. Ich war schon beim Landkreis tätig,aber ich bin in der zweiten Hälfte des Jahres1977 zum Oberkreisdirektor gewählt wordenund habe mein Amt 1978 Anfang März an-getreten.

Ute Vogt (SPD): Jetzt haben wir vorhinbeim Graf von Bernstorff gehört, dass Sieverschiedentlich auch mit Genehmigungs-verfahren natürlich befasst waren, und esging um die Frage: Können Sie sich erinnern,wie lange die Genehmigungsdauer für dasZwischenlager war? Wie lange etwa? Also,jetzt nicht auf den Tag genau, aber wielange?

Zeuge Klaus Poggendorf: Sie meinenjetzt die Baugenehmigung?

Ute Vogt (SPD): Ja, die Baugenehmi-gung für das Zwischenlager.

Zeuge Klaus Poggendorf: Das kann ichnicht sagen. Aber was sicherlich für Sie inte-ressant sein wird: Wir haben eine Reihe vonHochbauten genehmigt, wozu ich sagenmuss, Hochbauten nicht zum Zwischenlager.Ich will jetzt mal auf die Hochbauten zu spre-

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chen kommen für dieses Endlager. Das sindalso das Sozialgebäude, Umzäunung, Pfört-nergebäude, Sprengstofflager usw. usf. Diemussten wir ja als untere Baubehörde ge-nehmigen, und diese Genehmigung habenwir auch erteilt. Aber da es ja immer um dieFrage geht: „Sind dort möglicherweise schondie Dinge festgezurrt worden?“, kann ichIhnen sagen: Alle Genehmigungen sind miteinem Widerrufsvorbehalt versehen worden.Das heißt also, die Baugenehmigungen desLandkreises haben einen Widerrufsvorbehalt,der besagt, dass für den Fall, dass der Salz-stock aufgrund der Untersuchung sich alsungeeignet für ein Endlager erweist, dieBaugenehmigungen widerrufen werden.

Ute Vogt (SPD): Das gilt auch für dasZwischenlager?

Zeuge Klaus Poggendorf: Für das Zwi-schenlager kann ich jetzt nicht sagen, weilder Untersuchungsgegenstand hier ein ande-rer war. Ich habe nur die Akten für die Hoch-bauten eingesehen, um mich da zu verge-wissern. Aber ich gehe mal davon aus, dassdie Genehmigung für das Zwischenlagerauch so aufgebaut ist, dass, wenn das Zwi-schenlager stillgelegt wird, also die Castorenentfernt werden, das Zwischenlager dannauch abgebrochen werden muss, dass dasalso auch in der Baugenehmigung steht.Aber das kann ich nicht mit der Gewissheitsagen wie zu den Baugenehmigungen aufdem Salzstockgelände.

Ute Vogt (SPD): Jetzt haben wir vorhingehört, dass es auch im Laufe der Jahre denVersuch gab, einen Kinderspielplatz auf demGelände zu errichten, und dass diese Ge-nehmigungsdauer besonders lang gewesenist. Können Sie sich daran erinnern?

Zeuge Klaus Poggendorf: Der ist über-haupt nicht genehmigt worden, sondern imGegenteil: Wir haben seinerzeit, als dieserSpielplatz dort errichtet wurde, eine Ab-bruchverfügung erlassen. Er sollte beseitigtwerden, zumal es sich nicht um einen Spiel-platz im eigentlichen Sinne handelte. DerSpielplatz war unmittelbar an einer Bundes-straße. Die Kinder hätten, wenn sie daraufgespielt hätten, auf die Bundesstraße laufenkönnen. Das war der Versuch der Kernkraft-gegner, über einen Spielplatz eine gewisseBlockade zu installieren. Wir haben seiner-zeit diesen Spielplatz, der nicht genehmigt

worden war und auch nicht genehmigungs-fähig ist, mit einer Verfügung belegt und auchdie Betreiber oder die Bürgerinitiative aufge-fordert, diesen Spielplatz zu beseitigen.

Ute Vogt (SPD): Halten Sie einen Spiel-platz für ein geeignetes Blockadeinstrument?

Zeuge Klaus Poggendorf: Schon.

Ute Vogt (SPD): Da ist aber die Furchtgroß. - Ich wollte noch mal nach der Gorle-ben-Kommission fragen. Sie haben vorhingesagt: Die uns allen bekannte und bei unsauch sehr beliebte Elbe-Jeetzel-Zeitung hatteZugang. Hatten noch andere PressevertreterZugang zur Gorleben-Kommission?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja, das Inte-resse der Presse war an der Gorleben-Kommission nicht so groß. Ich weiß nur,einmal wollte der NDR dort Aufnahmen ma-chen, das heißt also, nicht nur schriftlich,sondern auch per Bild berichten. Die Gorle-ben-Kommission hatte sich geweigert, diePresse, also den NDR, dort zuzulassen. Eskam dann zu einem Rechtsstreit, bei dem dieGorleben-Kommission oder der Landkreisoder wer auch immer - ich weiß nicht, wer eswar - unterlegen war. Da hatte dann dasVerwaltungsgericht, glaube ich, war es, ge-sagt: Auch wenn der NDR dort Zugang ha-ben will, dann muss man ihm diesen Zuganggewähren. - Ich bin überzeugt, wenn weitereMedien Interesse an der Gorleben-Kommis-sion gehabt hätten, dass man aufgrund die-ser Entscheidung ihnen auch diesen Zugangverschafft hätte.

Ute Vogt (SPD): Warum wollte man demNDR den Zugang zuerst verwehren?

Zeuge Klaus Poggendorf: Man hatte dieBefürchtung, dass, wenn der NDR dort Auf-nahmen macht, das wieder zu Aktionen führt.Das heißt, es ist ja sehr beliebt, wenn manprotestiert und das Fernsehen da hat. Dannstellt man sich gerne vor die Kamera undmacht dann irgendwelche Protestaktionen.Das wollte man im Rahmen - so vermute ichmal - dieser Gorleben-Kommission verhin-dern.

Ute Vogt (SPD): Jetzt haben Sie vorhingesagt: Es gab auch kritische Wissenschaft-ler in der Gorleben-Kommission. Welchen

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Einfluss hatten diese Wissenschaftler dannspäter auf die letztendliche Beurteilung zumBeispiel des Berichts der PTB?

Zeuge Klaus Poggendorf: Das kann ichnicht sagen. Ich weiß nur, dass es eineReihe von Wissenschaftlern gab, zu denenauch Professor Duphorn gehörte, die sichkritisch geäußert haben. Aber welchen Ein-fluss sie auf die Entscheidung der PTB hat-ten bzw. auf den Abschlussbericht, das ent-zieht sich meiner Kenntnis.

Ute Vogt (SPD): Könnte es sein, dassder - - War der Professor Duphorn dann auchaußerhalb der Gorleben-Kommission nochtätig?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja. ProfessorDuphorn ist ja verschiedentlich auch bei unsim Landkreis gewesen und hat seine Beden-ken vorgetragen.

Nun muss ich Ihnen eines sagen: 1986gab es einen Unfall bei uns im Salzstock. Dastürzte so ein Ring dort ab. Daraufhin hat1986 die SPD-Landtagsfraktion - damals warFraktionsvorsitzender Herr Schröder - HerrnDuphorn gebeten, auf der Grundlageneuester Erkenntnisse noch ein Gutachtenabzugeben. Professor Duphorn hat wieder-holt seine Bedenken im Hinblick auf die un-zureichenden Vorkommnisse wasser-undurchlässiger Sedimente gegen den Salz-stock und hat auch noch hingewiesen aufeine Problemzone im Gipshut. Aber er haterklärt - auch da hat er erklärt -, dass er nachwie vor für eine weitere Untersuchung desSalzstockes Gorleben sei, nur auch da dieAuffassung vertreten, dass neben dieserSalzstockuntersuchung andere Standorteoder ein anderer Standort untersucht werdensollten. Bloß, dieser Hinweis von Duphorn istimmer unerwähnt geblieben. In der politi-schen Diskussion wurden immer nur die Be-denken vorgetragen.

Duphorn hat sich nach meinen Recher-chen erst in den 90er-Jahren gegen die Salz-stockuntersuchung gewandt, und zwar mitdem Argument, als man in 850 oder 870Meter Tiefe Laugeneinschlüsse, Salzlaugen-einschlüsse fand, behauptet, diese Laugen-einschlüsse könnten aus den Nebengebirgenstammen, und wenn jetzt eingelagert würde,könnte der Salzstock wieder ansteigen undKontakt bekommen mit den grundwasserfüh-renden Schichten, während andere Wissen-schaftler gesagt haben: Solche Laugen in

dieser Tiefe sind nichts Ungewöhnliches, weilsie entstanden sind mit dem Salzstock. Alsder Salzstock entstand, gibt es solche ArtEinschlüsse, und deswegen sei ein solchesVorkommnis in 850 Meter Tiefe nichts Außer-gewöhnliches für Salzstöcke.

Ute Vogt (SPD): Halten Sie selbst denSalzstock Gorleben für geeignet, um einEndlager dort einzurichten?

Zeuge Klaus Poggendorf: Wissen Sie,ich bin kein Geologe. Aber ich habe ja zitiertvorhin die Vereinbarung zwischen der rot-grünen Bundesregierung und den EVUs mitder Erklärung über den Salzstock. WennHerr Trittin und Herr Schröder eine solcheErklärung unterschreiben, dann, meine ich,haben sie sich vorher vergewissert auch beiden Wissenschaftlern, dass der Salzstockaufgrund der vorher vorliegenden Erkennt-nisse nicht ungeeignet ist, sondern dass eineFortführung der Salzstockuntersuchung ge-rechtfertigt ist.

Ute Vogt (SPD): Aber das heißt nicht,dass er geeignet ist, sondern - -

Zeuge Klaus Poggendorf: Nein, aber esliegen keine Anzeichen vor, ihn für ungeeig-net zu halten.

Ute Vogt (SPD): Danke schön. Ich habekeine weiteren Fragen.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Prima. Dann geht das Fragerecht jetzt an dieFDP-Fraktion. - Bitte schön.

Angelika Brunkhorst (FDP): HerrPoggendorf, wir haben ja alle Ihr Buchdurchaus intensiver gelesen und deswe-gen - -

(Dorothea Steiner (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Nein!)

- Sie nicht?

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Dassollten Sie mal tun!)

Zeuge Klaus Poggendorf: Kann ichIhnen nur empfehlen.

Angelika Brunkhorst (FDP): Von daherhaben wir natürlich schon eine Fülle vonInformationen aus diesem Werk. Aber ich

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würde Sie trotzdem noch mal fragen wollennach der Gorleben-Kommission. Es waren jaschon verschiedene Zeugen hier vor Ort,unter anderem eben auch der besagte Kurt-Dieter Grill, und der hat uns zumindest ver-mittelt, dass diese Gorleben-Kommissiongute Arbeit geleistet hat, dass dort sehrhochwertige Informationen auch gezogenwerden konnten.

Ich wollte Sie noch mal fragen: Wer hatdenn vor Ort das Ganze organisiert? Gab eseine Geschäftsstelle?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja.

Angelika Brunkhorst (FDP): Wer hatteüberhaupt das Recht, zu sagen: Das The-menfeld steht jetzt an?

Dann hätte ich gerne auch noch mal ge-wusst, in welchem Intervall Sie getagt haben,wie intensiv die Arbeit war.

Zeuge Klaus Poggendorf: Ich war nurkurz Vorsitzender dieser Gorleben-Kommis-sion, weil ich eigentlich als Oberkreisdirektorso viele andere Aufgaben wahrzunehmenhatte, dass ich sie nicht durchführen konnte.Aber der Landkreis hat die Verwaltungsarbeitübernommen. Das heißt, der Vorsitzendelegte die Termine fest. Das war Kurt-DieterGrill. Der Vorsitzende stimmte auch die Ta-gesordnung mit seinen Stellvertretern ab,und der Landkreis machte Folgendes: Derschickte die Ladungen heraus und führte dieProtokolle über diese Sitzungen. Der Inhaltdieser Protokolle ging dann an die Mitgliederder Kommunalgremien, das heißt Kreistag,Samtgemeinderat, Gemeinderat Gorleben,Gemeinderat Trebel und SamtgemeinderatLüchow. Das heißt, die Verwaltungsarbeit lagbeim Landkreis, aber die Bestimmung derTagesordnung und die Festlegung der Ter-mine erfolgten durch den Vorsitzenden inAbstimmung mit seinen Vertretern.

Angelika Brunkhorst (FDP): Die Inhaltedieser einzelnen Sitzungen oder die Informa-tionsfülle oder wie auch immer, wie ist siedenn der Öffentlichkeit überhaupt zugänglichgemacht gewesen?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ich sagteschon: Die ist über die Presse und in ersterLinie über die Elbe-Jeetzel-Zeitung zugäng-lich gemacht worden, und es war auch so,dass die Protokolle den Abgeordneten zu-

gingen, und es kam auch zu Nachfrageninnerhalb der einzelnen Sitzungen, in Kreis-tagssitzungen oder in Samtgemeinderats-sitzungen beispielsweise.

Angelika Brunkhorst (FDP): Ich möchteSie mit der Aussage von der Gründerin derBürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dan-nenberg, Frau Marianne Fritzen, konfrontie-ren. Sie war am 27. Januar 2011 hier auchim Ausschuss als Zeugin, und sie sagtedort - Protokoll der 31. Sitzung auf Seite 62 -,die Gorleben-Kommission sei ein „Geheim-club“ gewesen.

Zeuge Klaus Poggendorf: Nein.

Angelika Brunkhorst (FDP): Deswegennoch mal an Sie die Frage: Sie sagen, nein.Auf welche Art und Weise hat man denn derBürgerinitiative Angebote gemacht? Habendie angefragt bei Ihnen, oder gab es über-haupt einen Austausch?

Zeuge Klaus Poggendorf: Also, ichmuss dazu sagen: Der Gorleben-Kommis-sion gehörten ja Vertreter aller im Kreistagoder in den Samtgemeinderäten und Ge-meinderäten vertretenen Parteien an. Dasheißt also, über diese Schiene lief schonInformation, und das andere war eben diePresseberichterstattung durch die EJZ. DieEJZ steht ja nicht gerade im Ruf, kernkraft-freundlich zu sein, sondern sie ist kernkraft-kritisch. Sie können also davon ausgehen,dass die EJZ dann sicherlich alles auf denTisch gebracht hat, was in der Gorleben-Kommission besprochen wurde.

Angelika Brunkhorst (FDP): Gut,danke. - Dann hätte ich noch eine Frage zudem sogenannten Informationszentrum. Die-ses Informationszentrum: Können Sie be-urteilen, welchen Dienst dieses Zentrum,sagen wir mal, erwirkt hat, oder welche Aus-wirkungen das hatte? Wurde es angenom-men, oder war es eher, sagen wir mal, eineFeigenblattfunktion? Wie beurteilen Sie das?

Zeuge Klaus Poggendorf: Nein, es warauf keinen Fall eine Feigenblattfunktion. Esgab eine sehr starke Nachfrage zu Beginn,also als es um die nukleare Entsorgungs-anlage ging, aber auch später noch. Dasflaute im Laufe der Jahre etwas ab, und dashat dazu geführt, dass der Bund sich zurück-

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zog. Nach meiner Erinnerung muss das Mitteder 80er-Jahre gewesen sein.

Ich bedauere eigentlich heute, dass eseine solche Informationsstelle nicht gibt, undwürde, wenn ich noch im Amt wäre, daraufdringen, dass eine solche Informationsstellewieder eingerichtet wird, damit eine einiger-maßen objektive Information stattfindet überdie Anlagen dort.

Angelika Brunkhorst (FDP): Dannmöchte ich Sie noch mit einer Aussage kon-frontieren, die Herr Professor Röthemeyerhier im Ausschuss gemacht hat, und zwarhat er das gemacht bei seiner Zeugenver-nehmung hier am - - Jetzt muss ich malschauen. Wann war das jetzt genau? Ichliefere das gleich nach. Und zwar hat er ge-sagt: Er hat darauf Bezug genommen, dasses natürlich in der Außendarstellung manch-mal so ausgesehen hätte, als wenn es mehrGegner gab gegen das Projekt oder gegendie wissenschaftlichen Ergebnisse, dass esaber auch Personen gegeben hat, die gesagthaben - jetzt zitiere ich wörtlich -:

Wenn ihr uns überzeugen könnt,dass der Standort geeignet ist oderdass ihr positive Ergebnisse habt,dann geben wir unseren Wider-stand auf.

Es gab also durchaus Menschen, dieSachargumenten gegenüber offen waren.Sie haben vorhin darauf hingewiesen - dashat Herr Graf Bernstorff vorhin auch schongetan -, dass es eine regelrechte, na ja,Spaltung auch in den Gemeinden gab.

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja.

Angelika Brunkhorst (FDP): Können Siedazu vielleicht mal was sagen?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ich will hierkeine Pauschalurteile verbreiten. Es gibtsicherlich auch bei Kernkraftgegnern Men-schen, die Sachargumenten offen gegen-überstehen.

(Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Ach nein!)

Aber es ist eben so: Bei öffentlichen Diskus-sionen, wo jeder Zugang hat, dominierendiejenigen, die in der Diskussion ziemlichintolerant gegenüber Andersdenkenden sind,und das äußert sich eben dadurch, dass manLeuten ins Wort fällt, dass man sie nieder-

schreit, dass man im Grunde genommenjemanden nicht aussprechen lässt, mit demErgebnis, dass man zu der Überzeugungkommt, dass es kein Recht auf eine andereMeinung gibt als die, die sie vertreten.

Angelika Brunkhorst (FDP): Eine letzteFrage noch von meiner Seite zunächst: Dassogenannte Gorleben-Hearing, wo ja übermehrere Tage auch internationale Fach-expertise gezogen wurde, welchen Widerhallhatte das über die Region hinaus? Wie wur-den die Ergebnisse aufgefasst? Wurde esakzeptiert? Hatten Sie das Gefühl, dass mandort wirklich auch, sagen wir mal, beide Sei-ten in ausreichendem Maße gehört hat unddass die Ergebnisse dann auch hilfreich wa-ren?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ich hattedurchaus das Gefühl, dass beide Seiten ge-hört wurden. Es waren ja kritische Wissen-schaftler eingeladen und andere auch, die dadiskutierten, ganz offen. Zu diesem Gor-leben-Hearing, das auch nichtöffentlich war -da wurde man ja auch geladen -, ist aberauch eingeladen worden. Die BürgerinitiativeLüchow-Dannenberg beispielsweise wardort, die Kommunalvertreter der betroffenenStandortgemeinden. Das heißt, jeder aus derRegion, der dort eine Funktion innehatte,konnte an diesem Gorleben-Hearing teil-nehmen. Mein Eindruck war, dass man beideSeiten dort hat zu Wort kommen lassen.

Angelika Brunkhorst (FDP): Das war esvon meiner Seite.

Ich will noch eben die Stelle nachliefern:Das war aus dem Protokoll der 10. Sitzungam 1. Juli 2010 auf Seite 27.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:

Herzlichen Dank. - Damit geht das Frage-recht an die Linke. Bitte, Frau Möller oderFrau Voß.

Johanna Voß (DIE LINKE): Dankeschön. - Herr Poggendorf, dann möchte ichSie mal was fragen. Sie hatten ganz am An-fang mal gesagt einen Sachverhalt, der mirnicht ganz klar geworden ist. Sie hatten dagesagt, dass die neue, bunte Kreistagsmehr-heit auch die Wohlverhaltensklausel mit un-terzeichnet hat. Oder hatten Sie da gesagt,dass diese Kreistagsmehrheit, diese neue,nur die Entschädigungen angenommen hat,

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die dem Landkreis ohnehin zustehen? Wiekönnen Sie zu dieser Zahlung dann Auskunftgeben? Das war ja nach Ihrer Dienstzeit,nehme ich an. Oder ist das nicht so?

Zeuge Klaus Poggendorf: Nein, nein. Esgeht um den Vertrag, der 1980 über die Zwi-schenlager abgeschlossen wurde, insbeson-dere über das Transportbehälterlager, wojetzt die Castoren eingelagert wurden. Indiesem Vertrag hat der Landkreis auf dereinen Seite - die Samtgemeinde Gartow unddie Gemeinde Gorleben - damals mit derDWK einen Vertrag abgeschlossen. In die-sem Vertrag steht unter anderem drin, dass -was Sie als Wohlverhaltensklausel bezeich-nen - die Kommunalvertreter die nukleareEntsorgung für notwendig halten und allestun werden im Rahmen der gesetzlichenVorschriften, um das Projekt zu verwirk-lichen. Das ist richtig; aber im Rahmen dergesetzlichen Vorschriften. Die Folge - -

Dann ist also vereinbart worden dieseZahlung von 1 Million, seit 1980. Dieser Ver-trag läuft bis heute. Das heißt, die Kernkraft-gegner, die jetzt im Kreistag die Mehrheithaben, haben nie diesen Vertrag mit dieserKlausel gekündigt, der bis heute gilt.

Johanna Voß (DIE LINKE): Ist der künd-bar? Jederzeit?

Zeuge Klaus Poggendorf: Natürlich,können Sie machen. Ich frage mich: Warum?Wenn sie wirklich der Meinung sind, dassdieses Geld - was weiß ich - Akzeptanz- oderSchmiergeld ist, dann hätten sie also, wennsie konsequent sind, diese Kündigung aus-sprechen müssen. Stattdessen beziehen siedas Geld, über 8 Millionen bisher.

Johanna Voß (DIE LINKE): Ja. Ichmeine, dass dort ein Beschluss des Kreista-ges gewesen ist, der dann aber nicht umge-setzt worden ist von der Verwaltung.

Zeuge Klaus Poggendorf: Nein, nein.

Johanna Voß (DIE LINKE): Das sehenSie anders?

Zeuge Klaus Poggendorf: Nein, nein.Ich glaube, das verwechseln Sie. Das waretwas anderes. Diese Verträge mit der DWKbzw. BLG/GNS sahen vor, dass die laufen-den Zahlungen von 1 Million möglicherweise

erhöht werden, wenn die Lebenshaltungs-kosten steigen. Das heißt, es war ein Be-gleitschreiben der DWK da, das besagte:Wenn die Lebenshaltungskosten im Ver-gleich zu 1980 auf mehr als 15 Prozent stei-gen, erklärt sich die DWK bzw. die GNS be-reit, in neue Verhandlungen über die Höheeinzutreten. - Das haben die GemeindeGorleben - ich weiß jetzt nicht genau, zu wel-chem Zeitpunkt - und die SamtgemeindeGartow 92 gemacht und haben eine Erhö-hung bewirkt.

Damals hatten wir eine bunte Mehrheit.Ich war der Oberkreisdirektor und habe denKreistag gebeten, mich zu ermächtigen, auchdiese Verhandlungen zu führen. Das hat derKreis dann abgelehnt. Daraufhin habe ichWiderspruch oder Einspruch eingelegt, wasnach der Kommunalverfassung möglich ist.Dieser Einspruch ging an die Bezirksregie-rung, eine Bezirksregierung, die installiert istoder die eine Regierungspräsidentin hatte,die der SPD angehörte, also unter Schröder.Die Bezirksregierung hat meinem Einspruchstattgegeben und hat gesagt: Ein Landkreis,der auf Gorleben-Gelder verzichtet hat undjetzt in die Pleite rutscht, kann es sich nichtleisten, auf solche Verhandlungen mit demZiel der Erhöhung der Gorleben-Gelder zuverzichten. - Die Folge war, dass - ich war danachher ausgeschieden - 2003 oder 2004der Landkreis dann - damals immer noch beieiner Mehrheit der Kernkraftkritiker - Ver-handlungen aufgenommen hat mit der BLGund der GNS, und die haben damals Folgen-des vereinbart: eine einmalige Zahlung von500 000 DM oder 250 000 DM

3für die Mo-

dernisierung der Einsatzleitzentrale und eineErhöhung der laufenden Zahlungen, die bis-her bei 300 000 DM im Jahr lagen, um105 000 oder 110 000 auf 400 000; und seit-dem läuft das.

Johanna Voß (DIE LINKE): Danke schöndazu erst mal.

Zeuge Klaus Poggendorf: Bitte schön.

Johanna Voß (DIE LINKE): Jetzt nocheine Frage zu Ihrer Zeit als Kreisdirektor.Hand aufs Herz:

(Reinhard Grindel (CDU/CSU):Oberkreisdirektor!)

3 Richtigstellung des Zeugen: streiche „DM“, setze„EUR“, Anlage

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- Oberkreisdirektor, ja. - Wie wurden dennwährend Ihrer Zeit Bewerber auf Stellen imKreishaus behandelt, Angestellte? Wurdendie nach ihrer politischen Gesinnung befragt,und wie wurden die behandelt, wenn sie sichals Atomkraftgegner zu erkennen gaben?Wurde danach gefragt, ja oder nein?

Zeuge Klaus Poggendorf: In der Kreis-verwaltung gab es Leute, die der CDU ange-hörten, die der SPD angehörten, und es gabLeute, die wie Herr Ehmke - das heißt, derVater des Sprechers der Bürgerinitiative, derauch Mitglied der Kreisverwaltung gewesenist - gegen Gorleben waren.

Es hat also bei Einstellungen schon Fra-gen gegeben, dass man gesagt hat: Passauf, du bist hier in der Kreisverwaltung, unddu kannst, wenn du gegen die Anlage bist, inGewissenskonflikte geraten, weil letzten En-des, wenn wir eine Genehmigung für einZwischenlager erteilen, dich das in einenseelischen Zwiespalt bringen kann. - Das istschon gesagt worden. Dieser Hinweis istgemacht worden. Aber wir haben nicht ge-sagt: Wer Kernkraftgegner ist, den überneh-men wir nicht in die Kreisverwaltung.

Wie gesagt, als Beispiel darf ich nur sa-gen: Herr Ehmke, der Sprecher der Bürger-initiative, hat einen Vater, und der ist langeJahre Mitglied der Kreisverwaltung gewesen.

Johanna Voß (DIE LINKE): Dankeschön.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Ichmöchte noch mal anschließen. Herr Poggen-dorf, Sie haben vorhin schon ausgeführt -das findet sich unter MAT E 1, Band 19, Pa-ginierung 099-103 - zum Beispiel eine Listemit ganz vielen Punkten, die Sie sich sozu-sagen von den Gorleben-Geldern als Kreisermöglichen wollten. Da ist dann also eineListe dabei: Katalog Polizeikaserne, Bau vonTurnhallen, -

Zeuge Klaus Poggendorf: Eine Polizei-kaserne haben wir nicht finanziert. Das hatder Bund - -

Dorothée Menzner (DIE LINKE): - Erzie-hungsberatung. Ziel war auch immer „Förde-rung und Ausbau des Fremdenverkehrs“. Ichwüsste gerne, wie diese Liste zustande ge-kommen ist, und vor allem, ob Ihnen oderauch dem Kreistag nie die Idee kam, dass

der Ausbau von Fremdenverkehr und einnukleares Entsorgungszentrum oder späternur Zwischenlager und mögliches Endlagereinander widersprechen könnten.

Zeuge Klaus Poggendorf: Die Befürch-tung, dass sich das widerspricht und dassdas möglicherweise negative Auswirkungenauf den Fremdenverkehr hat, die hatten wiralle zu Beginn, also als die Entscheidungauch über das nukleare Entsorgungszentrumfiel. Aber diese Befürchtung hat sich nichtbewahrheitet. Der Fremdenverkehr, also dieFremdenverkehrsinfrastruktur ist in den Jah-ren kontinuierlich ausgebaut worden, und dieZahl stieg.

Nur jetzt, heute, geht der Fremdenverkehrzurück. Das führe ich aber nicht auf die De-monstrationen oder so zurück, sondern ganzeinfach, weil der Landkreis Lüchow-Dannen-berg nach der Wiedervereinigung Konkur-renz im Osten bekommen hat. Das ist alsoder Grund. Aber die Anlagen als solche ha-ben nicht dazu geführt, dass die Übernach-tungszahlen bei uns rückläufig waren.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Und wiesind die Listen - sage ich mal -, die Auflistungdessen, was man sich wünschte, entstan-den?

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Liebe Frau Menzner, zunächst war Ihre Re-dezeit jetzt um, ehrlich gesagt.

(Dorothée Menzner (DIE LINKE):Ja, aber das war nur eine

Nachfrage!)

- Ja, auch eine Nachfrage in der nächstenRunde, wenn Sie gerne möchten.

Jetzt ist zunächst die Fraktion Bündnis90/Die Grünen mit ihrer Frage dran, wennSie möchten.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Guten Abend, Herr Poggendorf!

Zeuge Klaus Poggendorf: Guten Abend!

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ich möchte gerne noch mal zurGorleben-Kommission bzw. zu Öffentlich-keitsarbeit und Informationen insgesamt fra-gen. Ich kann ja sehr gut nachvollziehen,dass so eine Kommune, eine Gegend, diemit diesem Ansinnen konfrontiert wird, dassman dort ein nukleares Entsorgungszentrum

1. Untersuchungsausschuss 86[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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bauen möchte, einen hohen Informationsbe-darf hat. Ich habe aber jetzt Ihren Darstellun-gen schon entnommen, dass die Informatio-nen der detaillierteren Art unter den Funk-tionsträgern, also den Politikern auf den ver-schiedenen Ebenen, ausgetauscht wurdenund eben nicht der Öffentlichkeit zugänglichwaren, sondern dass das nur über einenJournalisten der Elbe-Jeetzel-Zeitung danngemacht wurde. Ist das richtig so?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ich darf dochmal betonen: Die Gorleben-Kommissionhatte nicht die Aufgabe, die Öffentlichkeit zuinformieren - das war nicht ihr Ziel -, sonderndie Gorleben-Kommission hatte die Aufgabe,den Mitgliedern, die Funktionsträger waren -das ist völlig richtig -, die also die Entschei-dungen zu treffen hatten, die für ihre Ent-scheidungen notwendigen Informationen zuverschaffen. Die Aufgabe, Informationen indie Öffentlichkeit zu tragen, hatte die Infor-mationsstelle des Bundes und des Landes.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Die kam ja später, wenn ich dasrichtig verstanden habe.

Zeuge Klaus Poggendorf: Die kam nichtwesentlich später als die Einrichtung derGorleben-Kommission.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Na gut, aber trotzdem ist es jaso, wenn ich mir jetzt anschaue, was da sopassiert ist in dieser Gorleben-Kommission,oder auch in Ihrem Buch, wenn Sie von denInformationsfahrten schreiben, dass es da jasehr in die Details ging, an denen die Öffent-lichkeit selbstverständlich auch ein Interessehat. Sie haben vorhin zum Beispiel gesagt,die Protokolle wurden allen Gemeinderätenzugänglich gemacht, also weit gestreut. Dasklang für mich so, als gingen Sie davon aus,das gehe dann natürlich auch an die interes-sierten Bürger.

Jetzt haben wir aber andererseits aus derVernehmung von Frau Fritzen - das ist javorhin schon benannt worden, 27.01. diesesJahres - eine Aussage dazu:

Die Protokolle waren geheim. Diekonnten wir nicht einsehen. Jeder,der da drin war, war verpflichtet, siegeheim zu halten.

Zeuge Klaus Poggendorf: Nein.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Wie ist jetzt der Widerspruchaufzulösen?

Zeuge Klaus Poggendorf: Nein, das istnicht richtig. Die Protokolle gingen nicht indie Öffentlichkeit. Die gingen an die Abge-ordneten. Aber die Protokolle waren auchGegenstand von Anfragen in den Gremien.Das heißt, die Abgeordneten, die nicht derGorleben-Kommission angehörten, aber demKreistag oder einem Gemeinderat, kriegtendie Protokolle, und sie waren auch Gegen-stand von Anfragen in den politischen Gre-mien.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Nun hatte uns Frau Fritzen indieser Vernehmung durchaus erzählt, dasssie findig war, zum Beispiel auch mal in dieGorleben-Kommission reinzukommen. Also,sie hat schon versucht, alle Wege zu nutzen,um an die Dinge, die sie interessieren, auchzu kommen, sagte aber trotzdem: An dieProtokolle kamen wir nicht. - Wie kann so einEindruck entstehen, wenn Sie sagen, daswar eigentlich gar kein Problem?

Zeuge Klaus Poggendorf: Frau Fritzenwar nicht Mitglied des Kreistages in der Zeitbeispielsweise.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ja, aber um die Kreistagsmitglie-der geht es mir auch gerade nicht, sonderntatsächlich um die Öffentlichkeit.

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja. Die Bür-gerinitiative kriegte natürlich nicht die Proto-kolle, sondern es war - -

(Dorothea Steiner (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Warum

„natürlich“?)

Ich sage es noch mal: Die Gorleben-Kom-mission hatte nicht die Aufgabe, die Bürger-initiative oder andere Bürger zu informieren,sondern sie war ein Instrument, den Abge-ordneten, die Entscheidungen zu treffenhatten, die für ihre Entscheidungen notwen-digen Informationen zu liefern. Die Aufgabeeiner Information in der Öffentlichkeit, diehatte die Informationsstelle des Bundes unddes Landes.

1. Untersuchungsausschuss 87[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ja, das habe ich schon verstan-den.

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ich möchte trotzdem noch malbei der Gorleben-Kommission bleiben. AusIhrem Buch haben wir ja auch die Informa-tion, dass da Informationsfahrten nachKarlsruhe, nach La Hague, nach Sellafieldstattfanden. Sie beschreiben das so:

Die Informationen genügten nicht,um ein hinreichendes Bild von derFunktionsweise einer Wiederauf-arbeitungsanlage und ihremSicherheitsstandard zu liefern.

Ich meine, da könnte man sagen: Mangeht jetzt einmal, schaut sich das an, lässtsich erklären, wie das funktioniert. - Sie sindaber an alle Standorte gefahren, die irgend-wie in dieser Hinsicht etwas aufzuweisenhaben in Europa, so ungefähr. Ja, es sindalle: Karlsruhe, La Hague und Sellafield. Esdrängt sich mir also ein bisschen der Ein-druck auf, man hat da auch schöne Reisenunternommen und hat die Kommunalpolitikerauch ein bisschen eingefangen mit diesenInformationsfahrten - so läuft es ja oft - undhatte schon im Sinn, da vielleicht nicht nurganz neutral zu informieren, sondern natür-lich auch im Sinne dieser Wohlverhaltens-klausel ganz bestimmte Entscheidungsfreu-digkeit herbeizuführen. Täusche ich mich davöllig?

Zeuge Klaus Poggendorf: Also, ichglaube, da täuschen Sie sich etwas.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Etwas?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja. - Es warso: Ich habe - das muss ich dazusagen - nurzwei Fahren mitgemacht, einmal nach LaHague und einmal nach Karlsruhe. InSellafield bin ich nicht gewesen. Das war miraus zeitlichen Gründen nicht möglich. Abernach La Hague beispielsweise fuhren nichtnur Kommunalpolitiker, sondern auch FrauFritzen ist mit einer Delegation in La Haguegewesen und hat dort - - Dass das nun reineVergnügungsreisen waren, das kann icheigentlich nicht behaupten. Nur, es ist natür-lich so: Sie kommen in eine Riesenanlage.

Da wird Ihnen dort alles erläutert. Sie sindaber fachlich völlig unvorgebildet. Sie könnendas nur aufnehmen und sagen: Na schön,das mag ja alles so funktionieren. - Und ge-rade, weil uns das nicht ausreichte, weil wirgesagt haben, so eine Fahrt allein vermitteltnicht mal oberflächliche Kenntnisse, hieltenwir es für erforderlich, die Kenntnisse zuvertiefen, und das eben im Rahmen derGorleben-Kommission.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Gut. Ich habe im Moment keineFrage mehr.

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Dann würde ich da gerne malweitermachen und bei dem anknüpfen, wasFrau Voß gefragt hat, weil es ja schon eineFrage ist: Wer wird wie informiert, und werhat welche Chancen, seine Meinungsfreiheitauch in Bezug auf Gorleben kundzutun? Dahaben Sie ja gerade gesagt: War überhauptkein Problem bei den Einstellungen. Wir ha-ben niemanden bevorzugt und niemandenbenachteiligt.

Jetzt möchte ich Sie mal an eine Darstel-lung erinnern. Die ist in einem Zeit-Artikelvom 16.09.1988 dargestellt, auch in der Aus-einandersetzung. Sie waren zu der Zeit nochOberkreisdirektor; Kreisdirektor war HerrRiegner. Und da wird von einer Beschwerdeeines Oberarztes am Krankenhaus berichtet,Oberarzt Ulrich, der sich über die Ge-sprächsführung bei der Auswahl eines neuenArztes beschwert, und der Oberarzt nanntebestimmte Fragen eine unzulässige Gesin-nungshygiene. Nämlich wurde da dann im-mer danach gefragt, wie denn die Einstellungzu Gorleben sei. Es wurde moniert, dass inder Zeitung Anzeigen von Ärzten unter-schrieben seien, und das wurde kritisiert, weilÄrzte in diesem Fall gefälligst neutral zu seinhätten.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Wirkontrollieren aber doch eigentlich

die Bundesregierung, nicht dieKreisverwaltung! Ich frage nur mal

gerade!)

- Ich glaube, ich bin jetzt dran, Herr Grindel,noch eben ganz kurz.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ichmöchte gerne wissen, unter wel-

chen Punkt des Auftrags das fällt!)

1. Untersuchungsausschuss 88[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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- Bitte? - Ich mache jetzt einfach mal meineFrage fertig. Das verunsichert ja wieder alles.

Zu diesem, was hier von dem Oberarztals unzulässige Gesinnungshygiene be-zeichnet wird, erste Frage: Trifft das zu, die-ser Vorgang, der hier beschrieben ist und derauch ausgedehnt wird auf andere Einstel-lungspraxen, und wie beurteilen Sie das?Haben Sie das gebilligt? Haben Sie das un-terstützt, oder haben Sie das kritisiert?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ich kannIhnen nur sagen: Ich kann mich an diesenVorfall nicht erinnern. Das liegt eine Zeit zu-rück. Aber ich kann darauf hinweisen, dassder Chefarzt der Inneren Abteilung im Kreis-krankenhaus ein erklärter Gorleben-Gegnerwar, den wir auch eingestellt haben.

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ja, aber Sie haben meine Fragenicht beantwortet.

Zeuge Klaus Poggendorf: An diesenVorfall, den Sie hier nennen, kann ich michnicht erinnern.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Frau Steiner, Sie können das möglicherweisein einer nächsten Runde machen. DieseRunde ist jedenfalls vorbei. Damit sind wirauch am Ende der ersten Berliner Runde.

Ich schaue zur Union. Haben Sie weitereFragen? - Nein. Hat die SPD weitere Fra-gen? - Frau Vogt.

Ute Vogt (SPD): Ich habe nur noch eineFrage, weil Sie, Herr Poggendorf, vorhingesagt hatten, das Duphorn-Gutachten derSPD-Landtagsfraktion damals, da habe sichDuphorn auch nicht gegen eine Weitererkun-dung ausgesprochen, sondern erst später.Da wollte ich Ihnen ein Zitat aus MAT A 52,Band 12, Paginierung 97 - das ist für dasProtokoll - vorhalten. Da geht es um dasFazit von Duphorn in dem Gutachten. Esheißt da unter drittens - Fazit -:

Nach meiner fachlichen Einschät-zung sind die Zweifel an der Eig-nung von Gorleben so stark gewor-den, daß es am sinnvollsten wäre,das Projekt sofort abzubrechen undandere Standorte zu untersuchen.Das habe ich auch der PTB1982/83 gutachtlich empfohlen. In-zwischen hat sich der Salzstockaber auch politisch verselbständigt.

Und so weiter.Das war damals das, was Duphorn nie-

dergeschrieben hat. Das ist jetzt im Wider-spruch zu dem, dass Sie gesagt haben, erhätte erst sehr viel später gesagt, dass manauf eine Erkundung verzichten soll.

Zeuge Klaus Poggendorf: Ich kenne nurdas Gutachten, das seinerzeit die SPD-Landtagsfraktion eingeholt hat.

Ute Vogt (SPD): Ja, das war daraus, dasFazit.

Zeuge Klaus Poggendorf: - - daran,dass Professor Duphorn, weil es nach seinerAnsicht Probleme im Übergang vom Gipshutin den Salzstock gab, vorgeschlagen hatte,um hier Gewissheit zu bekommen, Bohrun-gen von außen dahin zu machen, um Ge-wissheit zu bekommen, und dass der Präsi-dent des Oberbergamtes gesagt hat: Das istunvertretbar. Wenn, dann muss man dasnicht von oben machen, weil man den Salz-stock dann perforiert oder auch das Deck-gebirge, sondern wenn, dann muss man dieBohrung von unten machen. - Aber Duphornhat nach meiner Kenntnis damals auch nichtgesagt: „Der Salzstock ist ungeeignet; manmüsste die Salzstockuntersuchung einstel-len“, sondern hat nach wie vor empfohlen,weiter zu gehen, weiter zu untersuchen undeinen zweiten Standort zu untersuchen.

Ute Vogt (SPD): Ich kann Ihnen ja nursagen, dass ich eben aus diesem Gutachtenzitiert habe.

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja.

Ute Vogt (SPD): Insofern muss der Wi-derspruch bestehen bleiben.

Zeuge Klaus Poggendorf: Muss er be-stehen bleiben.

Ute Vogt (SPD): Möglicherweise habenSie das auch nicht mehr ganz so wortgetreuin Erinnerung.

Zeuge Klaus Poggendorf: Das kannsein.

Ute Vogt (SPD): Danke schön. - Ich habekeine weiteren Fragen.

1. Untersuchungsausschuss 89[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Dann geht das Fragerecht jetzt an die FDP.

Angelika Brunkhorst (FDP): Wir habenkeine weiteren Fragen. Danke.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Keine weiteren Fragen. - Dann die Linke.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Danke,Frau Vorsitzende. - Ich habe von Ihrem Bucheine Neuauflage von 2008 mit einem Vorwortaus dem Dezember 2007. Kann ich darausschließen, dass Sie das Buch in wesent-lichen Teilen 2007 geschrieben haben?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Gut.

Zeuge Klaus Poggendorf: Also 2007und davor.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): In demVorwort danken Sie ganz besonders HerrnHenning Rösel, weil er die zur Salzstock-untersuchung bei Gorleben in Ihrem Buchgenannten Fakten auf sachliche Richtigkeitgeprüft hätte und auch ergänzt hätte. Uns hatsich Herr Rösel hier im Untersuchungsaus-schuss als Jurist vorgestellt, und er hat auchausdrücklich betont, dass er für geologischeFakten nicht der Fachmann wäre. KönnenSie uns sagen, wie und in welchen FragenHerr Rösel Sie bei dem Buch unterstützt hat?

Zeuge Klaus Poggendorf: Also, ichhabe den Entwurf dieses Buches Herrn Rö-sel zugeschickt. Ich kenne ihn von früher -wir hatten ja engen Kontakt früher mit derPhysikalisch-Technischen Bundesanstalt unddann auch mit dem Bundesamt für Strahlen-schutz - und habe ihn gebeten, das durchzu-sehen und mich auf Fehler aufmerksam zumachen, die ich da eventuell gemacht habe,nicht konkret in wissenschaftlicher Hinsicht,sondern ganz allgemein. Herr Rösel hat mirzwei Zeilen geschickt und hat gesagt: Wenner ein Buch zu schreiben hätte, dann würdeer es genauso schreiben, wie ich es getanhabe. Das war für mich die Bestätigung, dassich da nichts Falsches reingeschrieben habe.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Aberdas war also folglich keine konkrete geologi-sche Beratung?

Zeuge Klaus Poggendorf: Nein.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Dazuwar er wohl offensichtlich auch nicht in derLage.

Zeuge Klaus Poggendorf: Das weiß ichnicht. Aber Herr Rösel hat sicherlich auch alsJurist die wissenschaftliche Auseinanderset-zung mit begleitet und wäre in der Lage ge-wesen, wenn ich da grobe Schnitzer ge-macht hätte, mich darauf hinzuweisen.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): AufSeite 87 des Buches äußern Sie sich zu denAusmaßen des Salzstockes, und da schrei-ben Sie von 14 Kilometern Länge bis zu4 Kilometer Breite und in einer Tiefe von 300bis 3 500 Meter. Wenn Sie jetzt sagen, Siehaben 2006/2007 das Buch geschrieben,dann muss Ihnen doch damals eigentlichschon bekannt gewesen sein - oder zumin-dest war das damals allgemeiner Kenntnis-stand -, dass der Salzstock doppelt so langwar und rund 15 Kilometer auf das Gebietder ehemaligen DDR ragte. Oder war Ihnendas nicht bekannt? Oder wenn ja, wann istIhnen das bekannt geworden, und wiesofindet das in dem Buch keinen Niederschlag?

Zeuge Klaus Poggendorf: Das war na-türlich bekannt, aber es ging mir darum: Wielang ist der Salzstock im Kreis Lüchow-Dan-nenberg? Darum ging es.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): MeinenSie, die Kreisgrenzen sind entscheidend fürdie Eignung oder auch das Untersuchungs-feld für eine geologische Endlagerung?

Zeuge Klaus Poggendorf: Das Untersu-chungsfeld bezog sich bisher nur auf denUntersuchungsbereich 1, und der liegt imLandkreis Lüchow-Dannenberg. Die Unter-suchung ist ja noch nicht abgeschlossen. Eswird ja eine Vielzahl weiterer Untersuchun-gen erfolgen, und da wird mit Sicherheitmöglicherweise auch die Fortsetzung desSalzstockes über die Kreisgrenzen hinauserfolgen.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Alsodann haben für Sie und Ihre Überlegungenauch bis ins Jahr 2007/2008 die Gasbohrun-gen mit der Havarie von Lenzen, was ja im

1. Untersuchungsausschuss 90[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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Salzstock stattfand, keine Bedeutung ge-habt?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ich sageIhnen nochmals: Ich bin kein Geologe. Ichkann mich also nur auf das berufen, wasseinerzeit auch die rot-grüne Bundesregie-rung gesagt hat, dass es keine nennens-werte Gasvorkommen gibt, die die Eignungdes Salzstockes infrage stellen können.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Ichmöchte aber noch mal nachfragen: Wann istIhnen bekannt geworden - es gab ja durch-aus in den 70er-Jahren Pläne, wo der Salz-stock direkt hinter der Grenze, hinter derElbe endete -, dass die Ausdehnungen desSalzstocks weitaus größer sind?

Zeuge Klaus Poggendorf: Das kann ichIhnen so aus dem Kopf nicht sagen. Aber ichweiß, dass der Salzstock sich ausdehnt,dass er nicht an der Grenze endet.

Johanna Voß (DIE LINKE): Da war janoch eine Angabe in Ihrem Buch, die ebenschon genannt worden ist, nämlich dass derSalzstock in einer Tiefe von 300 bis3 500 Metern liegt. Herrn Duphorn haben Sieauch zitiert, und Sie kannten ihn und was erfestgestellt hat. Es ist doch aber auch be-kannt, dass es diesen „Steilen Zahn“ gibt, wodieser Salzstock bis 133 Meter unter dieOberfläche geht, auf Lüchow-DannenbergerGebiet.

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja, Sie müs-sen unterscheiden zwischen dem Deckge-birge, das 133 Meter geht, und dem Beginndes Salzspiegels.

Johanna Voß (DIE LINKE): Der Salz-spiegel geht bis 133 Meter unter die Erd-oberfläche -

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja.

Johanna Voß (DIE LINKE): - und nicht,wie Sie hier in dem Buch immer noch 2007behaupten, ganze 300 Meter Tiefe. 133 Me-ter Tiefe ist keine Sicherheit; 300 Meterkönnte ein bisschen Sicherheit bedeuten,wenn man denn glaubt, dass Salz geeignetist.

Zeuge Klaus Poggendorf: Ich berufemich da auf die Angaben, die seinerzeit dasLand Niedersachsen im Umweltausschussgemacht hat, als es darum ging, warum dieniedersächsische Landesregierung sich fürGorleben als Salzstock entschieden hat. Unddie Angaben, die die niedersächsische Lan-desregierung in dem Umweltausschuss ge-macht hat, gehen davon aus, dass der Ab-stand zwischen dem Salzspiegel und derOberfläche 300 Meter beträgt. Daraus habeich das abgeleitet.

Johanna Voß (DIE LINKE): Aber dassdas heute nicht mehr so ist, das findet sich inIhrem Buch nicht, also dass es da neuereErkenntnisse gibt und dass es diesen „Stei-len Zahn“ gibt.

Zeuge Klaus Poggendorf: Das kannsein; aber die Unterlagen, die mir zur Verfü-gung standen, sagten das aus.

Johanna Voß (DIE LINKE): Aber Siehielten es auch nicht für nötig, das 2007 oder2009 noch im Buch mit zu vermerken, dassdiese Aussage - - Es steht da so, als sei dasfür immer so festgestellt - 300 bis3 500 Meter Tiefe -, und das ist ja nicht so.Es ist ja inzwischen Stand der Wissenschaft,und es ist klar: Es gibt den „Steilen Zahn“,und die höchste Erhebung des Salzstockesist bis 133 Meter unter die Erdoberfläche.

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja, ich kannIhnen nur sagen, auf der Grundlage welcherAngaben ich das gemacht habe. Das sind dieAngaben, wie gesagt, im Umweltausschuss.Sollte mein Buch solchen Absatz finden - unddas würde ich empfehlen -, dass eine Neu-auflage erforderlich ist, dann werde ich die-sen Umstand noch mal prüfen, und wenn SieRecht haben, soll er Eingang in mein Buchfinden.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Dannhätte ich noch mal zu einem anderen Kom-plex eine Frage. Es findet sich in unserenAkten ein Gesprächsvermerk vom16.09.1983 in Lüchow. Das ist MAT E 1,Band 22, Paginierung 401 bis 404. Da habenSie ein Gespräch mit Herrn Professor Rö-themeyer und Herrn Rösel geführt über denSinneswandel oder die Zweifel zumindest,die in der CDU-Fraktion auftauchten bezüg-lich einer untertägigen Erkundung. Es geht

1. Untersuchungsausschuss 91[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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darum, dass die von der DWK versprocheneWiederaufarbeitungsanlage in Dragahn wohldoch eher - Stand damaliger Diskussion - inWackersdorf gebaut werden sollte und dieCDU-Kreistagsfraktion nun Druck machenwolle, um diese doch auch nach Lüchow-Dannenberg zu holen. Es heißt wortwörtlich -so sind Sie zitiert in diesem Material -:

Die CDU-Kreistagsfraktion ist derAuffassung, dass die wirtschaft-lichen Vorteile (Betrieb der WAA)mit den Nachteilen (Endlagerungradioaktiver Abfälle) verbunden seinmüssen.

Und: „Sie beabsichtigen daher, den positivenBeschluß vom 5. März 1980 überprüfen zulassen“ und alternativ noch mal zu klären,wie es denn möglich wäre, entweder aucham Standort Wackersdorf eine Endlagerung -in dem Fall Granit - vorzunehmen oder dochdie Wiederaufarbeitungsanlage nach Gorle-ben zu holen.

Wurde über diesen Vorschlag, über die-ses Ansinnen im Kreistag beraten oder garabgestimmt? Und wenn nein: wieso nicht?

Zeuge Klaus Poggendorf: Es ging da-mals um die Wiederaufarbeitungsanlagenicht in Gorleben, sondern um die Wieder-aufarbeitungsanlage Dragahn ging es dort.Da setzte ja ein Wettbewerb zwischen denRegionen ein - das wissen Sie auch -, zwi-schen Bayern und Niedersachsen. Das, wasich dort gesagt habe, gibt eigentlich das wie-der, was mir aus Gesprächen mit der Nieder-sächsischen Landesregierung bekannt ge-worden ist, nämlich dass die gesagt hat beider Diskussion: Ja, wenn die Wiederauf-arbeitungsanlage nicht nach Niedersachsenkommt, sondern nach Bayern, dann müssteman sich überlegen - so die niedersächsi-sche Landesregierung -, ob man dann nichtauch gleichzeitig fordert, die Endlagerunter-suchung in dieses Land zu verlegen. - Daswar eine Argumentationskette, die aus denKreisen der niedersächsischen Landesregie-rung kam.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Die ha-ben Sie sich zu eigen gemacht?

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Damit sind wir Ende der zweiten BerlinerRunde.

(Dorothea Steiner (BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN): Nein!)

- Ach nein, sind wir noch nicht. Die Grünensind jetzt dran. Aber es war am Ende derRedezeit der Linken. - Bitte schön, die Grü-nen haben das Wort.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Das Beste immer zuletzt. - Ichhabe noch eine Frage, Herr Poggendorf, undzwar: Diese Informationsfahrten nachKarlsruhe, Irland und Frankreich, wer hat diefinanziert?

Zeuge Klaus Poggendorf: Also, dienach Cap de la Hague, also nach Frankreich,hat die DWK finanziert, und soweit ich weiß,nach Karlsruhe auch. Da bin ich mir abernicht ganz sicher.

Sylvia Kotting-Uhl (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Gut. Danke.

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Dann würde ich noch mal an demPunkt von eben anknüpfen, wo wir kurzzeitigunterbrochen worden sind. Ich hatte ja aufden Zeit-Artikel von 1988 Bezug genommen,in dem verschiedene Fälle angeführt wer-den - ich habe nur einen genannt -, dasseben neu Einzustellende befragt wurdennach ihrer Einstellung zu Gorleben, dassmanch eine Einstellung dann unterblieben istund auch moniert worden ist, dass Ange-stellte, also Kreisbedienstete - in dem Fallauch des Kreiskrankenhauses - darauf hin-gewiesen worden sind, dass sie sich unzu-lässig hier äußern pro Gorleben und dann inder Kritik der Begriff „unzulässige Gesin-nungshygiene“ verwendet wurde. Das istmehrfach belegt. Mit Sicherheit kennen Sienatürlich diese Vorfälle. Wenn Sie das nichtkennen würden, dann hätten Sie es spätes-tens anhand des Zeit-Artikels gekannt unddann auch kommentiert.

Ich denke, Sie wissen, dass es auch 1987bereits ein Rechtsgutachten der ÖTV inHannover gab, die eindeutig festgestellt hat,dass die Meinungsfreiheit der Kreisbediens-teten unzulässig eingeschränkt wird. Daskannten Sie sicher auch. Sie als Chef einerkommunalen Verwaltung mussten sicherdarauf achten und sind auch verpflichtet,dass das Grundgesetz beachtet wird.

Ich wollte von Ihnen gerne wissen: Washaben Sie unternommen, um diese Praxisabzustellen und die Meinungsfreiheit ent-sprechend Art. 5 Grundgesetz zu gewähr-leisten?

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Zeuge Klaus Poggendorf: Also, diesenVorwurf, der dort erhoben wurde, den mussich zurückweisen. Es gab keine Versuche,die Meinungen anderer zu unterdrücken. DieMöglichkeit hatte ich auch gar nicht. Das sindBehauptungen, die ich für ungerechtfertigthalte.

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Das heißt also, Sie haben auchnichts unternommen, weil Sie meinten, garnichts bemerkt zu haben in dieser Richtung?Da brauchen Sie nur Ja oder Nein zu sagen.Sie haben nichts unternommen, nicht?

Zeuge Klaus Poggendorf: Was heißthier „unternommen“? Ich brauchte nichts zuunternehmen.

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ja, okay. - Dann wollen wir gleichmal auf dem Pfad - es geht ja immer umöffentliche Äußerungen: wer äußert sich wie,wer weiß was - weitermachen. Es gab jaauch eine Auseinandersetzung über dieElbe-Jeetzel-Zeitung, die Sie als einzigesBerichtsorgan angeführt haben, wenn dieGorleben-Kommission sich der Öffentlichkeitmitteilen wollte, ja gut, dass dann auf die EJZverwiesen wurde.

Sie erinnern sich sicher an die Auseinan-dersetzung, dass der EJZ eine parteilicheBerichterstattung vorgeworfen wurde. Frage:Ist das auch dann in Bezug auf die Gorleben-Kommission und die Gorleben-Gelder bezo-gen gewesen? Ist das zeitgleich damit anzu-sehen, dass vonseiten des Kreistags - si-cherlich mit Ihrer Unterstützung - der EJZangedroht worden ist, die Anzeigen und dieamtlichen Bekanntmachungen des Kreiseszu entziehen, was sicher eine große Einbußeauch für die Funktionsfähigkeit der Elbe-Jeetzel-Zeitung bedeutet hätte? Wie be-urteilen Sie das im Zusammenhang mit derangestrebten Pressefreiheit und der Aufklä-rung der Bürgerinnen und Bürger?

Zeuge Klaus Poggendorf: Es ist richtig,dass die Elbe-Jeetzel-Zeitung - das ist meineMeinung - politisch einseitig berichtet. Num-mer eins. Zweitens ist es richtig, dass auf-grund dieser Berichterstattung und mancherVerzerrungen damals der Kreisausschuss,das heißt also: sowohl SPD als auch CDU,die Überlegung angestellt hatte, die Anzei-gen - insbesondere die amtlichen Bekannt-machungen - nicht mehr in der Elbe-Jeetzel-

Zeitung zu veröffentlichen. Von diesem Vor-haben hat man aber rechtzeitig Abstand ge-nommen. - Nummer eins.

Zweitens. Die Elbe-Jeetzel-Zeitung hatüber die Gorleben-Gelder berichtet, und zwarin einer Weise, als handle es sich um soge-nannte Schmiergelder. Es ist das gute Rechtder Elbe-Jeetzel-Zeitung, zu den Gorleben-Geldern ihre Meinung zu sagen. Aber eineZeitung, die sich „Heimatzeitung“ nennt,muss meines Erachtens auch nicht nur ihrpolitisches Glaubensbekenntnis, sondernauch die vielfältigen Interessen einer Regionim Auge haben.

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ja, genau.

Zeuge Klaus Poggendorf: Seitdem aufdie Gorleben-Gelder verzichtet wurde, ist derLandkreis auf dem Wege, aufgelöst zu wer-den. Er hat 110 Millionen Kassenkreditschul-den. Er steht kurz vor der Auflösung.

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Okay, das - -

Zeuge Klaus Poggendorf: Sie werdenmir - -

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Die Debatte brauchen wir jetzt janicht.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: WerFragen stellt, muss auch die Antworten er-tragen können.

Zeuge Klaus Poggendorf: Ja.

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Kassenschulden von heute sindnicht Gegenstand des Untersuchungsaus-schusses.

Zeuge Klaus Poggendorf: Ich fühltemich als Oberkreisdirektor verantwortlich fürdie gesamte Region. Mein Bestreben warimmer, zu verhindern, dass diese Region, dieja gefährdet war, damals auch bei der Ver-waltungsgebietsreform irgendwo eingeglie-dert wird. Deswegen waren wir auch daraufbedacht, unsere Finanzen in Ordnung zubringen. Die Gorleben-Gelder haben dazugeführt, dass wir bis 1993 einen ausgegli-chenen Haushalt hatten. Wir waren die Re-

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gion, die mit am geringsten verschuldet warin Niedersachsen. Heute ist der Landkreisfinanziell am Ende, und das können Sie mirnicht vorwerfen.

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ich werfe Ihnen ja gar nicht vor,dass der Landkreis verschuldet ist. Deswe-gen habe ich da auch gerade protestiert, weildas ja nicht Gegenstand des Untersu-chungsauftrags ist.

Ich wollte als Erstes das Material nach-liefern. Ich habe natürlich aus dem zumindestin diesen Passagen doch gelesenen Buchvon Herrn Poggendorf zitiert. Das findet sichauf Seite 72, worauf ich mich bezogen habe,und die Argumentation, die Sie vorgetragenhaben, natürlich auch.

Ich wollte Sie eigentlich nur fragen, ob Siees nicht bemerkenswert fanden, dass dieseDrohung gegenüber der Elbe-Jeetzel-Zeitungvonseiten der Mehrheit des Kreistags - si-cherlich mit Ihrer Unterstützung - dann er-folgte, als die kritische Berichterstattung überdie Gorleben-Gelder deutlich wurde. Ist danicht ein gewisser Zusammenhang zu sehen,der eindeutig auf Einschränkung der Presse-freiheit hinausläuft?

Zeuge Klaus Poggendorf: Woher wis-sen Sie, dass ich diese Haltung unterstützthabe?

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Das geht aus Ihrem Text hervor.Ich habe mich gerade auf die Seite 72 IhresBuches bezogen.

Zeuge Klaus Poggendorf: Da steht nichtdrin, dass ich das unterstützt habe.

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Nein, wir können ja mal einesemantische Analyse machen: „Es gelangdann endlich“ usw. Es gelang ja dann auchendlich, diesen Konflikt beizulegen. Dassnachher dann die Elbe-Jeetzel-Zeitung etwasvorsichtiger wurde in ihrer Berichterstattung,wird an anderer Stelle kommentiert.

Ich würde den Punkt gerne verlassen undSie als Letztes danach fragen - -

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Nein.

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ich war ja am Reden.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Jetzt ist Ihre Fragezeit nun wieder vorbei.

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ich war noch mitten im Ansatzzur Frage.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Okay, macht ja nichts. - Das Fragerecht istzunächst erschöpft.

Ich schaue noch mal in die Runde. - Beider Union keine weiteren Fragen, bei derSPD keine weiteren Fragen, bei der FDPkeine weiteren Fragen. Dann sind die Linkenwieder dran. Bitte schön.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Danke,Frau Vorsitzende. - Ich möchte Sie schonnoch mal nach diesem Gespräch vom16.09.83 in Lüchow fragen, das Sie mit HerrnProfessor Röthemeyer und Herrn Rösel ge-führt haben. Also, Sie sagen - - Oder nein,anders herum: Damals war ja wirklich dieDebatte um Wackersdorf, und Sie haben sichdie Argumentation im Kreistag, oder nur Sieals Oberkreisdirektor, oder wer hat sich dieArgumentation der Landesregierung zu eigengemacht, dass man, wenn man schon einEndlager oder einen möglichen Standortuntersucht, dann auch den Nutzen - sprich:eine Wiederaufarbeitungsanlage - haben will.Habe ich Sie richtig verstanden, dass daserstmals eine Argumentation der Landes-regierung war, aber die hat man sich dannvor Ort zu eigen gemacht?

Zeuge Klaus Poggendorf: Also, es warnatürlich so, dass wir, als der Streit zwischenBayern und Niedersachsen über die Ansied-lung einer Wiederaufbereitungsanlage lief,Kontakt zur niedersächsischen Landesregie-rung hatten und die niedersächsische Lan-desregierung uns damals auch deutlichmachte, dass sie dieses Argument gegen-über dem Bund bzw. auch Bayern und derDWK gebraucht. Die Gespräche fanden nichtnur mit mir statt, sondern mit Vertretern ausdem Kreistag. Die haben dann dieses Argu-ment natürlich auch bei anderen Gesprächenübernommen und vertreten.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Wurdedas jemals im Kreistag abgestimmt?

1. Untersuchungsausschuss 94[64. Sitzung am 01.12.2011 - Sitzungsteil Zeugenvernehmung, I: Öffentlich] - Endgültig

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Zeuge Klaus Poggendorf: Bei den Ge-sprächen mit der Landesregierung damals - -Die fanden immer statt zwischen den Ver-tretern, also den Fraktionsvorsitzenden, derSPD auf der einen Seite und der CDU mitder Landesregierung. Die SPD war damalsimmer dabei. Es gab nur zwei große Parteienund einen FDP-Abgeordneten im Landkreis.Der war nicht dabei. Aber die anderen beidenwaren dabei.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Wennman dieser Argumentation von 1983 jetztfolgen würde: Es ist ja seit geraumen Jah-ren - sage ich mal - halbwegs unumstritten inDeutschland das Projekt einer Wiederauf-bereitungsanlage gestorben, und für Gorle-ben kommt sie folglich auch nicht mehr in-frage. Sehen Sie aufgrund dieser Entschei-dung das Projekt Endlagerung, möglicheEndlagerung für den Landkreis anders?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ich verstehediese Frage insofern nicht. Wie meinen Sie?

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Na ja,Sie haben damals formuliert, dass man,wenn man schon - jetzt muss ich ganz kurzsuchen - die Nachteile - sprich: die Endlage-rung - hätte, auch die Vorteile wollte. DieseVorteile wird es - sage ich mal - nach politi-scher Beschlussfassung in der Bundes-republik nicht geben. Eine Wiederaufarbei-tungsanlage ist seit vielen Jahren nicht mehrim Gespräch. Erscheint dann das Projekteiner möglichen Endlagerung im Kreisgebietfür Sie auch in einem anderen Licht?

Zeuge Klaus Poggendorf: Dazu mussman Folgendes sagen: Die Drohung, diedamals die Landesregierung ausgesprochenhat und gesagt hat, das Endlager müssewoanders hin, und die teilweise auch ge-braucht worden ist, hat sich als stumpfeWaffe erwiesen; denn wenn man ein anderesEndlager woanders untersuchen will, dannbraucht man die Zustimmung der jeweiligenLänder. Die Untersuchung anderer Standortescheiterte ja immer daran, dass die anderenLänder nicht zustimmten. Es ging nicht nurum Bayern, und es ging nicht nur um dasLand Baden-Württemberg. Beispielsweisegibt es reichlich Tonvorkommen in Mecklen-burg-Vorpommern, in Schwerin, in Magde-burg. Diese Länder wurden damals abernicht von CDU-Ministerpräsidenten regiert,sondern von SPD-Ministerpräsidenten. Zur

Zeit von Schröder und Trittin hätte man,wenn man einen anderen Standort ins Augegefasst hätte, an die herantreten können undsagen können: „Ist es nicht möglich, auch beieuch im Ton Endlageruntersuchungen zumachen?“ Das hat man nicht - -

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Dasist möglicherweise richtig, allerdings definitivnach 2000 und definitiv außerhalb unseresUntersuchungsauftrags. Ich meine, wir kön-nen gerne noch einen Untersuchungsaus-schuss machen, der dann bis jetzt und inZukunft oder wann immer untersucht, aberheute Abend nicht mehr.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Okay,ich frage jetzt auch zu 88 weiter.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Wunderbar.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): HerrPoggendorf, am 19. Januar 88 haben Sie imBundeskanzleramt angerufen. Das istMAT A 185, Band 2, Paginierung 184 bis232. Sie haben damals in diesem Telefonatum ein Gespräch, das Sie gemeinsam mitdem Vorsitzenden der Kreistagsfraktion,Herrn Fischer, führen wollten, gebeten. Esging um den Transnuklear-Skandal. Ich erin-nere: Fässer waren in Gorleben undicht ge-worden. - Dieses Gespräch wollten Sie sehrschnell führen, weil zu dem Thema am11. Februar eine Kreistagssitzung stattfindensollte oder anberaumt war. Sie hatten dannauch am 9. Februar ein Gespräch mit HerrnDr. Wolfgang Schäuble, damals Bundes-minister für besondere Aufgaben und Chefdes Bundeskanzleramts. Können Sie sich anden Anruf und an das darauf folgende Ge-spräch erinnern?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ich kann michan das Gespräch mit Herrn Schäuble erin-nern; aber es ging nicht um den Trans-nuklear-Skandal, sondern es ging um ganzetwas anderes. 1989/90 lief der Vertrag mitdem Bund über die Zahlung der sogenann-ten Gorleben-Gelder aus. Das Land hatte -damals noch unter Ministerpräsident Al-brecht - die Absicht, einen zweiten Vertragüber die Gorleben-Gelder abzuschließen.Dieser zweite Vertrag sollte vorsehen, dassnur der Landkreis Wolfenbüttel und die StadtSalzgitter wegen Asse und Konrad mit in

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diesen Vertrag einbezogen werden und derLandkreis Lüchow-Dannenberg nicht.

Daraufhin bin ich zu Herrn Albrecht undzu Frau Breuel marschiert, und die habengesagt: Ihr habt genug Geld bekommen. - Dahabe ich gesagt: „So geht es nicht“, und daich Verbindungen ins Bundeskanzleramthatte - - Nein, zunächst habe ich ProfessorTöpfer angerufen und habe gesagt: So gehtdas nicht. Wir halten hier den Kopf hin. Also,wir wollen hier mit in den Vertrag rein. - Dahat Töpfer mir gesagt: Jawohl, das machenwir. - Da ich Verbindungen ins Bundeskanz-leramt hatte, bin ich mit Herrn Fischer zuHerrn Schäuble gefahren. Herr Schäuble hatuns empfangen, hat unser Anliegen angehörtund hat gesagt, jawohl, er ist auch der Mei-nung, wir müssen da mit rein, und hat in un-serer Anwesenheit den WirtschaftsministerBangemann noch angerufen von der FDP.Der hat auch zugestimmt. Dann sind wir zumFinanzausschuss gefahren. Da war derCDU-Sprecher; den haben wir auch gespro-chen. Und mit deren Hilfe sind wir reinge-kommen in den zweiten Vertrag, der von 90bis 96 lief. - Mit Transnuklear-Skandal hattedas absolut nichts zu tun.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Danke schön. - Damit sind die Grünen wie-der dran. Bitte schön.

Dorothea Steiner (BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN): Ich hätte jetzt noch mancheFrage zum Verständnis von Bürgerpartizipa-tion an Herrn Poggendorf; aber ich verzichteangesichts der fortgeschrittenen Stunde da-rauf.

(Ute Vogt (SPD): Wir sind Ihnensehr dankbar!)

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Dasbringt Ihnen sicherlich die Sympathie desgesamten Ausschusses ein, Frau Kollegin.

Ich gucke noch mal in die Runde für eineweitere Berliner Runde. - Die Union hat keineFragen, die SPD hat keine Fragen, die FPDhat keine Fragen. Die Linken haben Fragen.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Es tutmir leid; ich hätte heute Abend auch nochwas anderes vor. Aber das möchte ich jetztdoch noch mal ein bisschen genauer klären.

Herr Poggendorf, in meinen Unterlagen -das ist jetzt aktuell; das findet sich auch ananderen Stellen, die Seite 226 von

MAT A 185, Band 2 - findet sich aber aus-drücklich der Hinweis, dass Sie über dieschadhaften, sprich: aufgeblähten Fässer imZwischenlager für schwach- und mittelradio-aktive Abfälle in Gorleben mit HerrnSchäuble gesprochen haben. Also muss dasdoch irgendwas mit dem Transnuklear-Skan-dal zu tun gehabt haben, oder zumindestmüssen Sie die Situation genutzt haben,um - sage ich mal - dem Wunsch nach einerFinanzierungsvereinbarung mehr Gewicht zugeben. Können Sie sich da in irgendeinerForm vielleicht doch erinnern?

Zeuge Klaus Poggendorf: Nein. Umnoch mal auf den Transnuklear-Skandal zu-rückzukommen: Diese Fässer, die soge-nannten Blähfässer, waren Gegenstand vonDebatten auch im Landtag. Die niedersäch-sische Landesregierung, der damals zustän-dige Abteilungsleiter hatte, nachdem dieFässer da waren, erklärt: Wenn wir vorhergewusst hätten, dass diese Fässer solcheBlähfässer sind, dann hätte die Zustimmungzur Einlagerung nicht gegeben werden dür-fen.

Dann kam es dazu, dass die Bauern beiuns protestierten, zu mir ins Kreishaus ka-men und darauf hinwiesen, dass eine solcheÄußerung getan wurde. Wir hatten in unse-ren Ansiedlungsvertrag reingeschrieben,dass, wenn es Gefahren gibt, die DWK bzw.BLG verpflichtet ist, diese Fässer sofort zuentfernen. Daraufhin habe ich gefordert vonder Landesregierung, dass diese Fässerentfernt werden bzw. erst mal untersuchtwerden - so war das -, also untersucht wer-den auf ihre Gefährlichkeit hin. Die Landes-regierung hat sich damals sehr viel Zeit ge-nommen und dann allerdings nach einergewissen Zeit auch Fässer abtransportiert,die untersucht worden sind, und festgestellt,dass die Gefährdung nicht so gravierend sei,um eine solche Entscheidung, wie sie ange-deutet wurde, zu rechtfertigen.

Aber mit Schäuble habe ich über dieTransnuklearfässer nicht gesprochen.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Ichhabe hier einfach auf Seite 184 der besagtenMAT den folgenden Vermerk - der ist vonDr. Glatzel gefertigt, am 19. Januar -:

Der Oberkreisdirektor des Land-kreises Lüchow-Dannenberg, HerrPoggendorf, hat mich am 19. Ja-nuar 1988 angerufen und um einGespräch zusammen mit dem Vor-

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sitzenden der CDU-Kreistagsfrak-tion, Herrn Fischer, bei Ihnen ge-beten.

Das ist adressiert an Herrn Schäuble. - Ichzitiere weiter:

Hintergrund dieser Bitte ist es, daßder bisher im Kreistag bestehendeKonsens zur Realisierung des Ent-sorgungszentrums Gorleben zwi-schen allen Parteien aufgrund derjüngsten Vertrauenskrise in dieKernenergie (Vorgänge um Trans-nuklear und NUKEM) nicht mehrbesteht. Nur noch die CDU setztsich im Landkreis entschieden fürdie Realisierung des Entsorgungs-zentrums ein. Am 11. Februar 88soll eine Kreistagsdebatte zu derThematik stattfinden. Oberkreis-direktor Poggendorf und der Vorsit-zende der CDU-Kreistagsfraktionmöchten Sie über diesen Sachver-halt, die Hintergründe und etwaigeFolgerungen persönlich unterrich-ten.

Das, was Sie da angekündigt haben indem Telefonat, hat dann also faktisch nichtstattgefunden in dem darauffolgenden Ge-spräch?

Zeuge Klaus Poggendorf: Ich kann nurnoch wiederholen: Ich kann mich an ein sol-ches Telefonat mit Herrn Glatzel nicht erin-nern. Das weiß ich nicht. Aber ich kann nurnoch mal wiederholend sagen: Das Ge-spräch mit Herrn Schäuble, da ging es aus-schließlich um weitere Gorleben-Gelder.

Dorothée Menzner (DIE LINKE): Danke.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth: Ha-ben Sie weitere Fragen? - Nein. Prima. Gibtes noch jemanden in diesem Raum, derweitere Fragen an den Zeugen Herrn Pog-gendorf hätte? - Das ist erfreulicherweisenicht der Fall, insbesondere auch für Sie,Herr Poggendorf.

Dann möchte ich die Vernehmung formalabschließen. Das Sekretariat wird Ihnen,sobald das Protokoll fertig ist, dasselbe über-senden. - Liebe Kolleginnen und Kollegen,zwei Minuten noch. - Sie haben dann dieMöglichkeit, innerhalb von zwei Wochenetwaige Korrekturen und Ergänzungen vor-zunehmen.

Nach § 26 Abs. 3 des Untersuchungsaus-schussgesetzes bin ich gehalten, Sie darauf

hinzuweisen, dass die Vernehmung einesZeugen erst dann abgeschlossen ist, wennder Untersuchungsausschuss dieses durchBeschluss feststellt. Die Entscheidung hierzudarf aber erst ergehen, wenn nach Zustel-lung des Vernehmungsprotokolls an denZeugen zwei Wochen verstrichen sind oderaber auf die Einhaltung dieser Frist verzichtetworden ist.

Haben Sie dazu noch Fragen?

Zeuge Klaus Poggendorf: Nein.

Vorsitzende Dr. Maria Flachsbarth:Prima. Dann bedanke ich mich sehr herzlichbei Ihnen, bedanke mich sehr herzlich beimStenografischen Dienst und wünsche unsallen noch einen wunderschönen Abend.

Ich schließe die Sitzung.

(Schluss: 19.32 Uhr)