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Vorscreening Bargkoppelweg 66a
• Ausbruchspotenzial ist in Gemeinschaftsunterkunften sehr wichtig
• Masern, Windpocken, TBC, Norovirus , Skabies und Lause sind die häufigsten Erkrankungen
Doc.dr.sc. Refmir Tadzic, dr.med.
Vorscreening Bargkoppelweg 66a
• Erkrankungen sowie Infektionen werden so frühzeitig erkannt
• Eine Behandlung können wir sofort veranlassen
Doc.dr.sc. Refmir Tadzic, dr.med.
Erstuntersuchung Bargkoppelstieg 10-14
• Die Gesundheitsuntersuchung umfasst eine Befragung nach Allergien, Schwangerschaft und Krankheiten (chronischen) sowie eine körperliche Untersuchung mit Fokus auf infektiöse Erkrankungen
Doc.dr.sc. Refmir Tadzic, dr.med.
Erstuntersuchung Bargkoppelstieg 10-14
• Gemaß § 62 Asylgesetz (AsylG) mussen Asylsuchende die Durchfuhrung einer korperlichen Untersuchung auf ubertragbare Krankheiten dulden!!!
Doc.dr.sc. Refmir Tadzic, dr.med.
Erstuntersuchung Bargkoppelstieg 10-14
• Impfstatus wird überprüft und ggf. werden Impfungen zur Schließung von Impflücken angeboten!
• Da durch wird individueller Schutz der Asylsuchenden verbessert
Doc.dr.sc. Refmir Tadzic, dr.med.
Erstuntersuchung Bargkoppelstieg 10-14
• Begrenzung und Verhinderung von Ausbruchen impfpraventabler Erkrankungen wird damit erreicht
• Verhinderung der Ausbildung einer schwer erreichbaren Bevolkerungsgruppe mit moglicherweise unzureichendem Impfschutz wird vermieden
Doc.dr.sc. Refmir Tadzic, dr.med.
Erstuntersuchung Bargkoppelstieg 10-14
• Impfungen werden nach STIKO Empfehlungen für Flüchtlinge durchgeführt
• Epidemiologisches Bulletin
12. Oktober 2015/Nr. 41
Doc.dr.sc. Refmir Tadzic, dr.med.
Erstuntersuchung Bargkoppelstieg 10-14
• Die Gesundheitsuntersuchung nach § 62 Asyl VfG werden die Thoraxsorgane geröntgt und damit eine TBC-Erkrankung ausgeschlossen werden kann
• Röntgenuntersuchung findet in der Anlaufstelle der ZEA Bargkoppelstieg 10-14 statt
Doc.dr.sc. Refmir Tadzic, dr.med.
Erstuntersuchung Bargkoppelstieg 10-14
• Die Röntgenuntersuchung wird durch die Tuberkulosebekämpfungsstelle des Gesundheitsamtes im Bezirksamt Hamburg-Mitte durchgeführt
Doc.dr.sc. Refmir Tadzic, dr.med.
Erstuntersuchung Bargkoppelstieg 10-14
• Nach der Röntgenuntersuchung wird eine „Freigabe“, zur Verlegung in die Folgeunterkünfte, erteilt
• Dies erfolgt nach maximal 5 Tage nach der Ankunft
Doc.dr.sc. Refmir Tadzic, dr.med.
Ankunftszentrum Rahlstedt Vortrag für den Fachtag „Geflüchtete mit geistiger und/oder
psychischer Behinderung“
Sophia Sprenger
Ankunftszentrum Bargkoppelweg
Ärztliches Vorscreening
Fokus auf Infektionskrankheiten, Erkennung von offensichtlichen Einschränkungen
Erste erkennungsdienstliche Behandlung + ggf. Umverteilung nach Königssteiner Schlüssel
Zentrale Erstaufnahme Bargkoppelstieg
Aufnahme durch fördern und wohnen am Infopoint Erstgespräch mit Sozialmanagement Erstuntersuchung durch Dr. Tadzic Erstes Interview und Aktenanlage beim BAMF Krankheit oder Behinderung als
Einreisegrund?
Leistungsrechtliche Erfassung Krankenversicherung
Sozialmanagement als Clearingstelle während Aufenthalts
Erstgespräch, Einweisung in die Kompartments und tägliche Begehung
Informationen über Anwesenheit bei Terminen, Mahlzeiten
Dokumentation von Auffälligkeiten in der Hauptliste evtl. Einladung zum Sozialmanagement Akute Notfallversorgung Intervention bei Selbst- und Fremdgefährdung Anbindung an Fachärzte und Beratungsstellen
Sozialmanagement als Clearingstelle während Aufenthalts
Einschränkung: im Ankunftszentrum sind viele Ankommende noch im „Überlebensmodus“ und müssen den Ankunftsprozess in max. fünf Tagen durchlaufen
Verteilung in Erstaufnahmen
Konzept „geschützter Wohnraum“: 5 Einrichtungen, vornehmlich für Geflüchtete mit körperlichen Einschränkungen!
Erstaufnahmeeinrichtungen mit psychologischer und/oder psychiatrischer Anbindung (meist genutzt: Traumasprechstunde)
„Erkennen von Behinderungen und Unterstützungsangebote in der
Erstaufnahme am Beispiel der EA Schmiedekoppel“
Frank Zimmermann, Dipl. Soz.päd/arbeiter
ASB Flüchtlingshilfe GmbH
Fachtag „Geflüchtete mit psychischer und/oder geistiger Behinderung“, 03.02.2017
1. Ankunft:
• Menschen aller Altersstufen, unterschiedlichster kultureller, ethnischer und sozialer
Herkunft
• In der Regel ohne Diagnose
Welche Behinderungen treten auf?
2. Vermutungen:
Welche Behinderungen treten auf?
Wahrscheinlich:
1. Traumata
2. Affektive und wahnhafte Störungen
3. Phobische und Angststörungen
4. Posttraumatische Belastungsstörungen
5. Impulskontrollstörung
6. Entwicklungsstörungen
…um nur einige zu nennen!
3. Wissen
?
Nur das Offen- sichtliche!
- Körperliche Einschränkungen - z.T. Formen von geistiger
Behinderung - Wir können keine Diagnosen
erstellen
Das Sozialmanagement erkennt besondere Verhaltensweisen und kann mit Methoden der Sozialpädagogik und –arbeit reagieren.
4. Erkennen
Nur das Offen- sichtliche!
• auffälliges Verhalten • abweichendes Verhalten • herausforderndes Verhalten
Schlüsse
• nicht zwingend eine Behinderung
• Deutung von Verhaltensmustern
• weitere Informationen gewinnen (über den Bewohner/Lebensumstände)
• gegebenenfalls Experten hinzuziehen
5. Zu beachtende Besonderheiten
1. Lebensumstände in der EA 2. Dauer des Aufenthaltes in der EA 3. Kulturelle Unterschiede
3
• Für uns ist es eine Behinderung, was ist es für die Bewohner?
• Kommunikation über die Behinderung • Bereitschaft zum Umgang mit der
Behinderung • Betroffener und seine Familie
6. Umsetzung
1. „Erkennen einer Behinderung“ 2. Austausch im Team SM/GM
3. Entscheidung über weiteres Vorgehen
4. Optionen a) Vorstellung Arzt b) Austausch Kooperationspartner c) Mitarbeiter*innenkompetenzen d) Fortbildung der Mitarbeiter*innen
5b. Bewohner verbleibt in der Einrichtung
6. Kompetenzen: a) Traumapädagogin b) Familienaufstellung c) Krisenintervention d) Körperübungen (Einzel/Gruppe) e) Therapiebegleitung f) Begleitung durch Gesundheitsmanagement
5a. Bewohner verlässt die Einrichtung
7. Schlüsse
1. Wir können Behinderungen vermuten aber nicht diagnostizieren
2. Wir können Menschen mit einer Behinderung in der EA begleiten
3. Teilhabe ist nur unter Berücksichtigung der besonderen Lebensumstände möglich
4. Das Erkennen von Behinderungen ist in EAs erschwert
Wohnen und Eingliederungshilfe
Möglichkeiten des Erkennens und der
Unterstützung in Einrichtungen der
Folgeunterbringung/Wohnunterkünfte
Geflüchtete mit psychischer und/oder geistiger
Behinderung
Wohnen und Eingliederungshilfe
Stand: Januar 2017
Folgeunterbringung/Wohnunterkünfte
Bewohnergruppen:
- Asylwerber und Flüchtlinge aus den zentralen Erstaufnahmen
- Obdachlose Migranten
- Migranten die aus Haft oder stationärer Behandlung entlassen wurden
- Migranten mit Duldung
Eigenständige Haushaltsführung – Geschützte Privatsphäre – Beratung und Orientierung zu
allen wichtigen Behörden und Hilfseinrichtungen, Schulinformationszentrum und Kitas ...
Wohnen und Eingliederungshilfe
Stand: Januar 2017
Möglichkeiten zur Erkennung von geistiger Behinderung
und/oder psychischen Erkrankungen von Bewohnern
• Bewohner melden Auffälligkeiten
• Mitarbeiter erkennen Auffälligkeiten und Beeinträchtigungen
• Ehrenamtliche geben Hinweise
• Rückfragen bei der sozialpädagogischen Einzelfallhilfe
• Rückfragen bei den Sozialpsychiatrischen Diensten
• Interne Dokumentation
• Hinweise von Polizei oder Krankenhaus bezüglich Beeinträchtigungen
• Einschätzung einer Beeinträchtigung durch das Gesundheitsamt
Wohnen und Eingliederungshilfe
Stand: Januar 2017
Möglichkeiten zur Unterstützung von geistig beeinträchtigten
und psychisch erkrankten Bewohnern
• Belegungssituation im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten verbessern. – Zimmertausch, Einzelzimmer, Verlegung in geschlossenen Wohnraum…
• Verweisberatung in der Unterkunft – Arzttermine zur Feststellung und Behandlung einer Beeinträchtigung.
– Absprache mit dem sozialpsychatrischen Dienst.
• Zusammenarbeit mit externen Institutionen – MIMI – Gesundheitsprojekt
– SEGEMI e.v.
– Der Begleiter e.v.
– …
• Betreuungsanregen beim Amtsgericht
• Prüfung von Möglichkeiten der Eingliederungshilfe
• Ehrenamtliche einbinden um zu unterstützen und zu begleiten
• Teilhabeberatung ( startet im 1.Quartal 2017)
1
BGV – Dr. Gruhl Krankheit versus Behinderung
„Krankheit ist jede Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen
Tätigkeit des Körpers, die geheilt, d. h. beseitigt oder gelindert werden kann“ BGH 21. März 1958
„Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.“ SGB IX § 2
Behinderung wird also nicht als „Krankheit“ betrachtet.
2
BGV – Dr. Gruhl Behinderung versus Pflege versus Krankheit
Pflegebedürftig sind Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden alltäglichen Verrichtungen auf Dauer (voraussichtlich für mindestens 6 Monate) in einen erheblichen Umfang der Hilfe bedürfen und die Eigenversorgung nicht mehr sichergestellt ist§ 14 Abs. 1
i.V. Abs. 4 SGB XI
Bei pflegebedürftigen Menschen ist die Teilhabe oft als Folge von Krankheit so stark beeinträchtigt, dass auch sie zu den behinderten Menschen i. S. des § 2 zählen.
3
Anspruch auf Gesundheitsleistungen
Geflüchtete ohne oder mit Behinderung haben Anspruch auf Gesundheitsleistungen im Krankheitsfall nach dem Asylbewerber-leistungsgesetz (AsylbLG)
bei akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen auf erforderliche ärztliche / zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandsmitteln sowie sonstige zur Genesung, zur Verbesserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen
sonstige Leistungen im beschränktem Umfang, wenn sie insbesondere zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich sind (§ 6 Abs. 1 AsylbLG), zum Beispiel Leistungen zur Behandlung von chronischen Erkrankungen, ärztlich verordneten Hilfsmitteln wie Orientierungshilfen für Blinde, Hörhilfen, Körperersatzstücke, orthopädische Hilfsmittel oder Brillen
auf medizinische Leistungen oder sonstige Hilfe aufgrund besonderer Bedürfnisse, (§ 6 Abs. 2 AsylbLG) für beispielsweise unbegleitete Minderjährigen oder Personen, die Folter, Vergewaltigung oder sonstige schwere Formen psychischer, physischer oder sexueller Gewalt erlitten haben
4
Leistungen durch das Gesundheitssystem
Geflüchtete werden im Krankheitsfall in der Regel durch niedergelassene Ärzte/innen und zugelassene Krankenhäuser versorgt
Bei ungesichertem Aufenthalt erfolgt die Sicherstellung der Versorgung durch die zuständige Behörde (§ 4 Abs. 3 AsylbLG) oder gegen volle Kostenübernahme durch eine beauftragte gesetzliche Krankenkasse (§ 264 Abs. 1 SGB V)
Nach 15 Monaten Leistungsbezug nach AsylbLG erfolgt die Versorgung als „Analogleistung“
gemäß dem SGB XII (§ 2 Abs. 1 AsylbLG i.V.m. § 264 Abs. 2 SGB V) und die Übernahme der Beiträge zur gesetzliche Krankenversicherung (§ 32 SGB XII)
5
Leistungen zur Medizinischen Rehabilitation
Kassenleistung
für behinderte und von Behinderung bedrohte Menschen, um Behinderungen, einschließlich chronischer Krankheiten
abzuwenden,
zu beseitigen,
zu mindern,
auszugleichen oder
eine Verschlimmerung zu verhüten (§ 26 Abs. 2 und 3 SGB IX);
durch ärztliche Behandlung, Früherkennung und Frühförderung von Kindern, Arznei- u.
Verbandsmittel, Heil- und Hilfsmittel sowie Häusliche Krankenpflege (§ 37 SGB V), Soziotherapie
(§ 37a SGB V), nichtärztliche sozialpädiatrische Leistungen und nichtärztliche Leistungen für
Erwachsene mit geistiger oder schwerer Mehrfachbehinderung (§§ 43a u. 43 b SGB V)
6
Leistungen zur Pflege
Leistungen zur Pflege:
1. Pflegeversicherung: Teilkasko-Versicherung
2. Sonstige Kostentragung durch
Pflegbedürftigen oder
(bei Bedürftigkeit) Hilfen zur Pflege (SGB XII)
Leistungen zur Pflege für Asylsuchende:
1. kein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung wg. fehlende Dauer einer Mitgliedschaft (§ 33 Abs. 2 SGB XI: mind. 2 Jahre in den letzten 10 Jahren)
2. Ambulante und stationäre Hilfen zur Pflege können gem. SGB XII gewährt werden, soweit die pflegebedürftige Person so hilflos ist, dass sie in erheblichem Umfang dauernder Pflege- und Versorgungsmaßnahmen bedarf (erforderlich: Stellungnahme des MDK bei stationärer Pflege /
Stellungnahme des Gesundheitsamtes bei ambulanter Pflege)
Fachtag „Geflüchtete mit psychischer und/oder geistiger Behinderung“
Dr. Susanne Pruskil, MSc Bezirksamt Hamburg Altona Fachamt Gesundheit Bahrenfelder Straße 254 – 260 22765 Hamburg Tel.: (040) 42811 3034 E-Mail: [email protected]
Was leisten die allgemein- und kinderärztlichen Sprechstunden in den Erstaufnahmen?
Dr. Johannes Nießen
Ziele
Station 1 Ankunftszentrum
Ziele der basismedizinischen Versorgung durch allgemein- und
kinderärztliche Sprechstunden:
• Niedrigschwellige Angebote vor Ort
• Filter- und Lenkungsfunktion
• Erkennung von spezifischem Bedarf (z.B. psychische Störungen, Zahnarzt)
• Entlastung des Regelsystems
Ziel: Überleitung und Zugang ins Regelsystem ermöglichen
Station 2 Erstaufnahme
Unterbringung besonders vulnerabler Gruppen
Kriterienkatalog
1. Alleinstehende Schwangere ab der 36. SSW bis 8 Wochen nach der Geburt
2. Risikoschwangere mit dekomp. Hypertonus, Diab. mell., komplizierten Vorgeburten (auch im Familienverbund)
3. Behinderte oder Gebrechliche, die die sanitären Anlagen/Treppen nicht nutzen können
4. Schwerkranke Bewohner, evtl. auch nach Krankenhaus-Entlassung
5. Personen, deren Verhaltensauffälligkeiten zu körperlicher oder sozialer Diskriminierung in der EA führen, körperliche/geistige Behinderung
6. Belastete alleinstehende Frauen
Fazit
1. Basismedizinische Versorgung vor Ort 2. Interprofessionelle Zusammenarbeit 3. Reduzierung der Sprachbarriere 4. Konzept für besondere Bedarfe 5. Regelmäßige Feedbackschleifen 6. Grundlage für Integration der
Menschen in die medizinische Regelversorgung
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Dr. Susanne Pruskil, MSc Bezirksamt Hamburg Altona Fachamt Gesundheit Bahrenfelder Straße 254 – 260 22765 Hamburg Tel.: (040) 42811 3034 E-Mail: [email protected]
Fachtag „Geflüchtete mit psychischer und/oder geistiger
Behinderung“
Redebeitrag von Klaus Schäfer
- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrter Herr Staatsrat Pörksen,
sehr geehrte Frau Körner,
sehr geehrter Herr Sprandel,
sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
weil ich sicher nicht allen hier bekannt bin, gestatten Sie mir, dass ich mich Ihnen kurz vorstelle: Ich
bin Klaus Schäfer, Vizepräsident der Ärztekammer Hamburg und seit über 30 Jahren niedergelassener
Hausarzt in Langenhorn. Außerdem war ich viele Jahre Vorsitzender des Hausärzteverbandes in
Hamburg. Ich kann wohl sagen: Ich weiß, wo den Hausärztinnen und Hausärzten in unserer Stadt der
Schuh drückt. Doch dazu später.
Lassen Sie mich zunächst die Gelegenheit nutzen, ein großes Lob loszuwerden: Als vor rund
eineinhalb Jahren erst wöchentlich und dann täglich immer mehr Flüchtlinge zu uns kamen, hat die
Stadt Hamburg es auf großartige Weise geschafft, diese Menschen unterzubringen, zu verpflegen, zu
versorgen. Es waren die Verantwortlichen der Stadt Hamburg, die Hilfsorganisationen, aber auch die
vielen Ehrenamtlichen, die Hand in Hand erst improvisiert, dann organisiert und schließlich
strukturiert haben.
Anders als in Berlin mussten hier zu keinem Zeitpunkt Flüchtlinge auf der Straße campieren. Wo
Lücken auftraten, haben Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt einfach zugepackt. Das war bei der
Versorgung der in Hamburg gestrandeten Flüchtlinge am Hauptbahnhof so, bei der großartigen
Hilfsaktion im Karolinenviertel, aus der schließlich Hanseatic Help wurde – und an unendlich vielen
anderen Orten in der Stadt. Übrigens auch bei der medizinischen Versorgung: Als die
Gesundheitsbehörde uns als Ärztekammer im Sommer 2015 bat, einen Aufruf unter Hamburgs
Ärztinnen und Ärzten zu starten, meldeten sich Hunderte, am Ende waren es über 1000. Sie wollten
ihren Urlaub opfern, mit ganzen Praxisteams kommen, ihre freien Wochenenden oder Tage mit der
Versorgung der Flüchtlinge verbringen. An dieser Stelle auch noch einmal vielen Dank an Herrn Dr.
Nießen vom Gesundheitsamt Altona und Frau Dr. Quellhorst, die maßgeblich dafür waren, dass die
medizinische Versorgung heute so strukturiert funktioniert. Sie haben aus der Bereitschaft zu helfen,
ein System gemacht, mit allgemein- und kinderärztlichen Sprechstunden in allen Erstaufnahmen.
„Einfach machen“ war das Gebot der Stunde. Und wir und Sie und viele andere haben gemacht. Ich
finde, das sollten wir uns immer mal wieder in Erinnerung rufen, denn es für mich war das eine der
Sternstunden Hamburgs – übrigens genauso oder vielleicht noch mehr als die Eröffnung der
Elbphilharmonie. Es gab damals auch Kritik an der Unterbringung, an der Versorgung an diesem und
jenem, es war nicht alles perfekt. Aber gemessen an der Geschwindigkeit, in der die Unterbringungen
geschaffen werden mussten, war es großartig.
Inzwischen haben wir die Phase des Improvisierens hinter uns, und wir sollten uns den kritischen
Blick auf das leisten, was wir, was Sie, geschaffen haben: Wo läuft es gut? Wo gibt es noch
Verbesserungspotenzial?
Ich begrüße es deshalb außerordentlich, dass das Amt für Soziales der Behörde für Soziales, Familie,
Arbeit und Integration und der Zentrale Koordinierungsstab Flüchtlinge zu diesem Fachtag
eingeladen haben. Wir wollen einen näheren und kritischen Blick auf die vorhandenen Strukturen
werfen.
Gestatten Sie mir dazu zunächst ein Wort zu der allgemeinmedizinischen Versorgung, mit der ich als
Hausarzt ja täglich zu tun habe: Die Annahme, dass die zu uns geflohenen Menschen nach spätestens
18 Monaten Deutsch könnten und deshalb problemlos im medizinischen Regelsystem versorgt
werden können, ist leider graue Theorie.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich begrüße es uneingeschränkt, dass in Hamburg die Menschen so
früh wie möglich die Gesundheitskarte und damit annähernd die Regelversorgung erhalten.
Aber schon, wenn ich Flüchtlinge in meiner Praxis behandele und sie mit Dolmetscher kommen,
dauert es mindestens doppelt so lange wie bei meinen Deutsch sprechenden Patienten
herauszufinden, wo das Problem liegt. Ich sage „mindestens“, denn die Übersetzung braucht einfach
die doppelte Zeit. Dabei ist noch nicht berücksichtigt, dass kulturelle Unterschiede mir das Lesen von
Gesten und Mimik erschweren und die Tatsache, dass das Gespräch via Dolmetscher natürlich sehr
viel weniger vertrauensvoll ist als der direkte Kontakt.
Beim Erkennen von psychischen Beeinträchtigungen und gar Behinderungen wird es nun noch viel
komplizierter. Psychische Behinderungen von Menschen zu erkennen, ist schon in der normalen
Versorgung Deutsch sprechender Patienten keine einfache Sache. Sie braucht vor allem zweierlei:
Zeit und Kommunikation.
Hat ein Patient Schmerzen, kann er die meist klar benennen und lokalisieren. Durch Nachfragen,
Tasten, Schauen oder technisch unterstützte Verfahren kann ich deren Ursache auf die Spur
kommen. Bei Menschen, die sich nicht klar äußern können, ist das schwieriger, aber auch möglich.
Das ist bei psychischen Behinderungen völlig anders. Der Betroffene kann meist keine klaren
Beschwerden benennen, hat sie ja vielleicht nicht einmal. Er wird vermutlich wegen etwas anderem
zu mir kommen. Ich muss aus seiner Körperhaltung, der Art sich zu äußern, sich zu bewegen lesen. Zu
diagnostizieren, um welche Art der Beeinträchtigung es sich handelt und ob diese eine
vorübergehende Erscheinung, eine chronische Krankheit oder gar eine Behinderung ist, geht nicht
ohne ausführliche Diagnostik. Die in der normalen Hausarztpraxis zu leisten, ist nahezu unmöglich.
Auch bei deutschen Patienten würde ich in solchen Fällen eine Überweisung zu einem
entsprechenden Facharzt vornehmen, etwa zum Neurologen oder zum Psychiater.
Dazu kommt die Sprachbarriere: es geht bei diesem Menschen nicht um das sinngemäße Verstehen,
sondern um jedes Wort, ja um jeden Zwischenton. Also selbst mit Dolmetscher wird die sichere
Diagnose nur jemandem möglich sein, dessen Spezialgebiet das Erkennen psychischer
Behinderungen ist. Nun ist die Lage aber in der Realität sogar noch schlechter: Solange die
Flüchtlinge in einer Erstaufnahme leben, bemüht sich diese, zum Arztbesuch einen Dolmetscher
mitzuschicken. Haben die Flüchtlinge die Erstaufnahme aber verlassen und leben in einer
Folgeunterkunft oder in einer individuellen Wohnung – was wir uns im Sinne der Integration ja alle
wünschen – gibt es kaum noch Betreuung und keine Dolmetscher mehr. „Integration ins
Regelsystem“ heißt der Grundsatz, der meines Erachtens hier ganz klar an seine Grenzen stößt.
Denn ich hoffe, ich habe Ihnen deutlich gemacht: Schon mit Übersetzungshilfe ist es schwierig, ohne
geradezu unmöglich. Nun ist die Frage: Wer soll das bezahlen? Den gesetzlichen Krankenkassen ist es
verboten, Dolmetscherkosten zu übernehmen. Ich persönlich finde übrigens auch, dass es nicht nur
Aufgabe der gesetzlich Versicherten ist, diese Kosten zu übernehmen, sondern der gesamten
Gesellschaft. Das aber geht nur über Steuern. Ich finde, ähnlich wie bei den Psychotherapien für
traumatisierte Geflüchtete, sollten Dolmetscher aus dem Flüchtlingsfonds der Stadt Hamburg bezahlt
werden.
Den Betroffenen hilft es, wenn sie kontinuierlich beobachtet werden, wenn es für sie oder
Angehörige Ansprechpartner gibt, an die sich wenden können. Diese Kontinuität aber endet mit dem
Verlassen der Erstaufnahme – das ist in meinen Augen ein noch ungelöstes Problem.
Außerdem brauchen wir Experten, die sich mit dem Thema der psychischen Behinderungen bei
Geflüchteten auskennen. Mir ist egal, ob das ein Zentrum an einer Klinik ist oder ob es einzelne
niedergelassene Kolleginnen und Kollegen sind, aber wir brauchen Experten, an die wir bei dem
Verdacht einer psychischen Behinderung überweisen können und die sprachliche und kulturelle
Barrieren überwinden können.
Wir haben ja in Hamburg mit dem Sengelmann Institut für Medizin und Inklusion – kurz SIMI - ein
dafür absolut prädestiniertes Institut. Vielleicht wäre es eine Idee, die Zugangskriterien für
Flüchtlinge mit Behinderungen zu erleichtern. Denn bislang darf das SIMI nur Menschen behandeln,
die außer einer Überweisung einen Schwerbehindertenausweis mit einem Grad der Behinderung von
mindestens 70 Prozent haben.
Und es kommt noch etwas dazu: Während die Bürger unseres Landes meist ein ausgeprägtes
Bewusstsein dafür haben, an welchen Stellen sie die Hilfe des Staates in Anspruch nehmen können,
ist das für die meisten Geflüchteten etwas völlig Neues. Dass sie bei bestimmten Krankheiten oder
Behinderungen Unterstützung bekommen können, wissen sie nicht und sind deshalb vermutlich
geneigt, ihre Beeinträchtigungen eher geheim zu halten. Auch hier braucht es Informationen und
Überzeugungskraft.
Ich habe nun vor allem auf die Schwierigkeiten hingewiesen. Aber wir sollten keineswegs mutlos den
Kopf in den Sand stecken. Denn außer den Problemen habe ich ja auch einige Lösungsmöglichkeiten
skizziert. Und dass wir uns überhaupt diesen differenzierten Blick erlauben, heißt doch, dass wir die
Probleme auch tatsächlich lösen wollen. Und das sollte mit dem gemeinsamen guten Willen aller
auch tatsächlich gelingen.
Ich wünsche uns und Ihnen – im Sinne der betroffenen Patienten – heute und in Zukunft einen
fruchtbaren Austausch, viele gute Ideen und deren Umsetzung. Der heutige Tag wird dabei sicher ein
guter Anfang sein. Vielen Dank!
Eingliederungshilfe für Geflüchtete
Rechtliche Voraussetzungen, fachliche Möglichkeiten und
Grenzen
Vortrag; Fachtag Geflüchtete mit Behinderung, 03.02.2017, ZAF
Dr. Peter Gitschmann, 02/2017
www.Hamburg.de/BASFI Folie 2
Rechtliche Voraussetzungen
1. Aufenthaltsrecht / Asylbewerberleistungsgesetz
a) bei ungesichertem Aufenthaltsstatus grds. kein Leistungs-anspruch nach SGB XII (§ 1 AsylbLG)
b) unter strikten Voraussetzungen (unerlässliche Gesund-heitssicherung, Deckung besonderer Bedürfnisse von Kindern) „sonstige Leistungen“ nach § 6 AsylbLG möglich in EA + ÖRU i. d. R. allenfalls EGH gemäß b)
c) nach 15 Monaten Leistungsbezug nach AsylbLG „Analogleistungen“ möglich (§ 2 AsylbLG)
d) bei positiv geklärtem Status grds. Leistungsansprüche nach § 53 f. SGB XII (§ 2 AsylbLG)
e) bei b), c) und d) müssen alle rechtlichen Voraussetzungen der Eingliederungshilfe (wesentliche Behinderung, daraus resultierende Teilhabeeinschränkung, Nachrang) erfüllt sein.
www.Hamburg.de/BASFI
EGH: Möglichkeiten und Grenzen
2. Eingliederungshilfe
a) Leistungen
i. Frühförderung (Komplexleistung EGH/GKV !)
ii. KiTa (Gutschein für besondere Bedarfe)
iii. Schulische Inklusion (Schulbeförderung, Schulbegleitung)
iv. Übergang ins Berufsleben (Regelaufgabe BA, Initiative Inklusion, ggf. Integrationsämter; ultima ratio: WfbM – Eingangsverfahren + Berufsbildungsbereich, Träger BA; Tagesförderung = EGH)
v. Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft: Unterstützung des Wohnens in eigener Wohnung, WG, Familie, nachrangig: stationärer Wohngruppe
Folie 3
www.Hamburg.de/BASFI
EGH: Möglichkeiten und Grenzen (2)
b) Verfahren
i. Feststellung der wesentlichen Behinderung
ii. Feststellung des mit EGH-Leistungen bearbeitbaren Teilhabebedarfes, Gesamtplanverfahren, Zielvereinbarung
iii. Leistungsbescheid, Leistungserbringung durch Vereinbarungspartner (oder mit persönlichem Budget)
iv. Qualitätssicherung, Sozial- und Verlaufsbericht
v. Nachsteuerung, ggf. Folgebescheid
Folie 4 07.02.2012
www.Hamburg.de/BASFI
Ausblick Bundesteilhabegesetz
große Reform der Eingliederungshilfe
kleine Teile (Arbeitsförderungsgeld, Einkommens- und Vermögens-
einsatz) bereits seit 01.01.2017 in Kraft
ab 2018 Beginn des Systemwechsels: trialogischer Landesrahmen-
vertrag, WfbM bekommen „Konkurrenz“, Förderung unabhängiger
(Peer-)Beratung, Erprobung von Bedarfsermittlungsinstrumenten
ab 01.01.2020 „steht“ das neue System weitgehend: strikte Perso-
nenorientierung, Trennung von Fachmaßnahmen und Existenz-
sicherung, trialogische Systemsteuerung, neue Vereinbarungs- und
Finanzierungsformen
zum 01.01.2023 gesetzliche Neuregelung zum leistungsberechtigten
Personenkreis
Die besonderen Leistungsvoraussetzungen für Geflüchtete werden
im BTHG unverändert übernommen / bestätigt.
Folie 5
Wie erkenne ich Behinderung?
Kennen Geflüchtete
unsere Behindertenhilfe?
Wer ist für was in
Hamburg zuständig?
Wie verhalte ich mich im Umgang mit
Menschen mit Behinderung?
Wie nehme ich den
Familien ihre Ängste?
Werden besonders schutzbedürftige Geflüchtete mit
Behinderung erfasst?
Warum „sieht“ keiner die besondere
Situation?
Gilt das SGB IX auch für
Geflüchtete mit Behinderung?
Was bedeutet die Betreuung von einem
Menschen mit Behinderung für
mein Engagement?
Was kann ich mit meinem Einsatz
erreichen?
Was benötigt der Mensch mit
dem ich arbeite?
Welche Organisationen
unterstützen mich in meiner Arbeit mit Geflüchteten mit
Behinderung?
Dürfen Geflüchtete mit
Behinderung hier bleiben?
Wie schaffe ich es
kultursensibel zu agieren?
Wo gibt es barrierefrei Unterkünfte für geistig
und körperlich behinderte Geflüchtete
und ihre Familien?
Das ist so komplex das ich
mich da nicht ran traue.
Wieso gibt es keine Integrations- und Deutschkurse für
diese Gruppe?
Bericht einer engagierten Ärztin (i.R.)
• Junges heranwachsendes Mädchen mit Asperger Syndrom fehlt Abgrenzung u.a. im Umgang mit Männern. Trotz hoher Wahrscheinlichkeit sexueller Übergriffe, keine Verlegung in sichere Unterkunft.
• Russischer Staatsbürger der seine Hände und ein Auge verloren hat war 13 Monate in einer EA ohne Information über Schwerbehindertenausweis und das Hilfesystem in Dt.
Bericht eines engagierten Studenten (27 J.)
• Junger Mann aus Afghanistan, ab dem Becken gelähmt und im Rollstuhl, lebt in einem Container und kann nur mit fremder Hilfe die Toilette benutzen. Situation nach 12 Monaten unerträglich. Abhilfe durch Umzug dreht sich im Kreis.
• Junge Syrerin die nach der Flucht nicht mehr laufen kann und jetzt im Rollstuhl sitzt. Ehrenamt kümmert sich um barrierefrei Wohnung. Nach Abschluss des Mietvertrages setzt Unterkunft die Betroffene am selben Tag vor die Tür mit Verweis auf Beendigung der Versorgung in der Unterkunft.
Häufigsten Bitten des Ehrenamtes:
• Sprachmittler, um den Betroffenen und Ihren Familien zu erklären, was wir unter Behindertenhilfe verstehen.
• Ärzte in den Unterkünften, die geschult sind Behinderung zu erkennen und an Fachärzte zu verweisen.
• Kultursensibler Umgang mit Geflüchteten mit Behinderung und ihren Angehörigen.
• Eine zuständige Stelle für die Fragen Erkennung von Behinderung, rechtliche Situation und kultursensiblen Umgang mit Flucht und Behinderung.
• Erklärung des Umgangs mit Behinderung in Dt. – Handout in diversen Sprachen über unser Hilfesystem.
Weltweit leben rund 1 Milliarde Menschen mit einer Behinderung, das entspricht ca. 15% (WHO) der Weltbevölkerung.*
Und nur 63 von 194 Ländern haben Behinderte-und Antidiskriminierungsgesetze. 32% der Staaten weltweit haben es nicht geschafft, Menschen mit einer Behinderung gesetzlich abzusichern.
Weltweit Leben 80% der Menschen mit Behinderung in Entwicklungsländern. 90% der Kinder mit Behinderung erhalten keine Schulbildung. In Deutschland leben 10 Millionen Menschen, das entspricht 12,2 % der Gesamtbevölkerung, mit Behinderung. Dabei handelt es sich bei 4% der Menschen um eine angeborene Behinderung, 96% erwerben eine Behinderung im Laufe ihres Lebens.