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double helix swing eine Installation für Mückenschwärme an Flussufern und seichten Gewässern

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double helix swing eine Installation für Mückenschwärme an Flussufern und seichten Gewässern

Installationsaufbau im Conde Duque, Madrid, Januar 2005

die Idee

die Doppelhelix steht in den vergangenen Jahren für denSiegeszug der Technik über die Natur, kaum ein Begriff stehtso sehr für die Machtergreifung des menschlichen Geistesüber seine Herkunft wie gerade sie, die doppelte Spirale.

„double helix swing“ ist ein Kunstwerk, das derNaturbetrachtung abgeleitet ist. Es setzt die Prinzipien derGenetik, der Vererbung ein, um Wissen zu züchten über einezu beobachtende Situation.Diese Verfahren kommen heute in unserem Alltag ständigzum Einsatz. Die Installation veranschaulicht diesen Prozeßund plädiert für eine Kulturgesellschaft, die nicht aus dergenialischen Setzung besteht, sondern aus einem bewußtendualen Verhältnis: Daß jede Handlung und Äußerung immerals Teil eines Systems gesehen werden sollte von Menschund Umgebung, Künstler und Kontext,Techniker und„Natur“.

Mücken interessieren uns meist nur, wenn wir befürchtenmüssen, gestochen zu werden (Es stechen nur weiblicheMücken, die vor der Eiablage sind).Aber neben diesen ste-chenden Mücken gibt es gerade an seichten GewässernUnsummen von anderen Insekten, allen voran die„Zuckmücken“, Eintagsfliegen, die immer in Schwärmen auf-tauchen.Wie Antennen aus einer anderen Welt tauchen sieauf und besetzen Ufergebiete, bilden temporäre Wolken, diesich vom Wind hin- und hertreiben lassen.Ihre Ökologische Bedeutung besteht in der Funktion ihrerLarven, Plankton zu fressen und als Nahrungsquelle fürFrösche und Fische zu dienen. Ihr Wert ist es also, Bindegliedin der Nahrungskette zwischen niedereren und höherenOrganismen zu sein.Die Installation möchte den Blick auf globaleZusammenhänge lenken und hofft, ein ästhetisches Argumenthierfür zu liefern.

Vorzeichnungen zur Software

die InstallationDouble helix swing ist eine Installation für Mücken undMenschen. Die Installation beobachtet Mücken an Seeuferndie vorher oder zeitgleich gefilmt wurden. Das Interesse,Mücken zu beobachten, entstand durch die Faszination fürdie Formation von Mückenschwärmen, innerhalb derer sichMücken in ruckartigen Bewegungen und gegenläufigenSpiralen bewegen. Schwärme von Zuckmücken bilden sichin der warmen Jahreszeit in der Nähe von Gewässern. Siebestehen aus männlichen Mücken, die - um von denWeibchen gesehen zu werden - sich zusammenrotten. Denndie Augen der Mücken sind so schlecht, dass sie sich ein-zeln nicht finden würden. Sehen Weibchen diese Schwärme,so stoßen sie in den Schwarm, lassen sich befruchten undfallen dann ins Wasser, um die Eier zu legen. Nun gibt esUntersuchungen zur Reaktion von Mücken auf Töne, wobeifestgestellt wurde, dass das Geräusch des weiblichenFlügelschlags Männchen vermehrt anlockt *.

Das Kunstwerk ist eine Installation, die aus zwei Teilenbesteht:

Eine Videokamera ist feststehend am Ufer einesGewässers aufgebaut. Sie kann von Passanten bedient wer-den; sie ermöglicht das Suchen von Mückenschwärmen amHimmel und die Aufnahme dieser. Um diese Videokamerastehen im Kreis 5 Lautsprecher, die mit dem Geräusch desFlügelschlags von Zuckmücken oder wahlweise andererInsekten bespielt werden. Diese Geräusche werden einge-setzt, um vermehrt Mücken im Focus dieser Videokamerazu haben.

Im Kopf der Videokamera sitzt ein Funkmodul, das die auf-genommenen Videosequenzen an einen Computer schicktin einem anliegenden Gebäude.

Lautsprecher mit Ton weib-licher Flügelschläge

Kamera zum Aufnehmenvon Mückenschwärmen

Aufbau Ausseninstallation Um die Kamera herum werden Soundquellen (Lautsprecher)im seichten Wasser eines Flußufers. In passendem Abstandvon diesen Quellen wartet am Ufer eine Videokamera, ummögliche Schwärme aufzunehmen. Die Kamera ist auf einemHolzsteg aufgestellt, der das Ufer zugängig macht. Passantenkönnen an die Kamera herantreten und im Sucher dieSchwärme fokussieren. Per Knopfdruck kann dann ein Videoaufgezeichnet werden, was an eine Videodatenbank weiterge-leitet wird. Über ein Display kann dieses Video (siehe Teil II)ausgewählt und anstatt eines default-Videos der Installationzugespielt werden.

Daneben steht ein Schalter, auf dem verschiedeneGeräusche für die Lautsprecher auswählbar sind. Einerseitssoll versucht werden, Mücken oder andere Insekten wirklichvermehrt anzulocken. Gleichzeitig kann man durch dasAnwählen der verschiedenen Flügelschlaggeräusche wahr-nehmen, welche Insekten vorhanden sind und welcheInsekten - aufgrund ökologischer Defizite - fehlen.

________________________________________________________________________________________________________________________* Kimio Hirabayashi and Nobutada Nakamoto: Field Study on Acoustic Response of Chironomid

Midges (Diptera: Chironomidae) Around a Hyper-Eutrophic Lake in Japan Annals of the Entomological Society of America Volume 94, Number 1, January 2001

zuckmücken taumücken

schnackenmotten

fruchtfliegen

Lautsprecher mit über einen Schalter einstellbaren Tönenverschiedener Flügelschlaggeräusche

*

oben:Kamerakopf mit Display und Bedienelementen

rechts:Steuerungsplatine, vor der Montage

ganz rechts:Kamera komplett

Antenne zurFunkübertragung des Videos

Drehbarkeit der Kamera um 180°mit magnetischer Arretierung

Schalter zum Zoomen

Recordknopf (verdeckt)

Kamera

Höhenverstellbarkeit,stufenlos

altegriffe zum ehen und Schwenken

Recordknopf, löst die Übertragung des VIdeos perFunk aus und arretiert Kamerakopf

Die Kamera wurde gerade fertiggestellt (März 2006). Mückenfliegen erst ab April, deshalb hier ein Aufbau ohneMückenschwärme.

Aufbau Inneninstallation In einem anliegenden Gebäude steht der zweite Teil derInstallation. Dieser besteht aus einem Bedienpult und einerGroßprojektion, die von zwei Rechner gesteuert werden.

Ein Rechner empfängt über einen Funkempfänger Videosvon der Kamera am Flussufer und stellt diese in einemAuswahlmenue auf dem Bedienpult zur Verfügung. Besucherkönnen diese Videos dann wahlweise der Installation zuspie-len; auf einem zweiten Computer läuft die BilderzeugendenSoftware und die Soundgenerierung.Die Idee der Programmierung ist es, verschiedeneTierformen zu erzeugen und unterschiedlichesLokalverhalten auszutesten.Während in meinen früheren Arbeiten Raumverahltenmittels Videotracking erfasst und analysiert wurde, möchteich anhand dieser Installation mich an Verfahren annähern,die Informationen über Bewegungsverhalten versuchen zuerhalten, indem sie Bewegungsspuren in einWechselverhältnis bringen mit virtuellen Wesen, die sich anderen lokalen Vorkommen oder generell ihremVorhandensein optimieren. Letztendlich sollen die Formender Wesen und ihre Aufenthaltsorte etwas aussagen über dieArt der Mücken, zu schwärmen.

AuswahlmenueBedienpult

Mückenspuren von dichtem Schwarm Mückenspuren von losem Schwarm und dicken Mücken

virtuelles Tier, frisst Spurenvon Mücken

Bewegungsspur von vir-tuellem Tier

schnelles Tier mit kleinem Suchradius

langsames Tier mit grossem Suchradius(grosser angezeigterFutterbuffer)

die Software

auf einem Rechner läuft die bilderzeugendeSoftware. Das Bild setzt sich aus 3 Ebenenzusammen:1. das Mückenvideo, das im Hintergrund

läuft2. die Bewegungsspuren der Mücken, als

„grünes Futter“ ins Bild geschrieben.3. Die virtuellen Tiere, die sich von den

Spuren ernähren.

Das Leben der virtuellen Tiere ist also inseiner Struktur von dem zugespielten Videoabhängig.

Um die Raumstruktur der Flugspuren unddie Organisationsformen der gesamtenSchwärme sichtbar zu machen, werden dieFlugspuren (aus einem Differezfilter berech-net) ins virtuelle Bild geschrieben. DieseSpuren bleiben für eine Weile auf demBildschirm und dienen virtuellen Wesen alsNahrungsmittel, deren Lebenszweck es ist,die Bewegungspuren der Flugobjekte zu fin-den und in ihrer graphisch/räumlichenStruktur abzubilden. Dies geschieht, indemsie in einem evolutionären Verfahren überdas Vererben von individuellen Formen undEigenschaften austesten, wie sie bestmöglichsich den Flugspuren anpassen.

Tiere mit langen Beinen, schnell wenig Mücken,grosse Spuren

altes, mutiertes Tier mit vielen Einzelzellen undVerzweigungen, relativ schnellbeweglich

schnelles Tier mit kleinem Suchradius

explosionsartige Vermehrung vir-tueller Tiere aufgrund vonFutterüberschuss (langsambeweg-lich)

A. Das Futter der virtuellen Wesen liegt inForm von Bewegungsspuren von Mücken vor.Umso mehr Mücken fliegen, umso mehr Tierehaben ausreichend Futter und könnenNachkommen bekommen.Die Futteraufnahme der Tiere findet statt,indem sie in einem variablen Suchradius (ein-stellbar) ihre Umgebung nach Nahrungabscannen. Dabei ist der Suchradius abhängigvon ihrer Bewegungsgeschwindigkeit (aucheinstellbar). Bei langsamen Bewegungenwächst der Suchradius, bei schnellenBewegungen ist er kleiner.Die Tierchen fressen nie alles Futter auf ein-mal, sondern nur einen Teil des Futters. DieMenge des Futters hängt ab von der Anzahlder Mücken, die vor der Kamera am Flussuferangelockt werden. Über den Sound, der amFlussufer eingestellt ist, soll eine Rückkopplungerfolgen. Ist die Tierdichte auf dem Bildschirmzu gross, dann werden Töne generiert, die diemännlichen Mücken eher verjagen , gibt es zuwenig Futter, dann lockt der Flügelschlag derWeibchen vor die Kamera.B. Die Tiere entwickeln unterschiedlicheFormen. Jedes Tier hat in einem Gen eine vor-gegebene Form. Diese besteht in der Anzahlder Glieder, Verzweigungen und der Anzahlder Arme, die von einem Gelenk abgehen(zwischen 1 und 5).Bei Programmstart gibt es drei unterschiedli-che Tiertypen mit unterschiedlichenParametern.Wird ein neues Tier aus einemdieser Tiere geboren, dann wird zunächst aus-gewürfelt, wie groß die Mutation des neuen

Tieres überhaupt ist (Mutation der Mutation).Solange das Tier klein ist, besitzt es nur wenigeoder eine Zelle. Es wächst zu seiner eigentlichenForm, solange, bis es eine Energieschwelle erreichthat, bei der es sich vermehren kann (oder es stirbtaus).Wird es so lang, dass die Kräfte der Einzelzellen,die auf Futtersuche sind, zu stark in unterschiedli-che Richtungen ziehen, dann entscheidet eineZerreiskraft, ob das Tier in zwei Teile zerfällt. BeideTeile leben weiter, eines mit dem ursprünglichenGencode, das neue mit der verkleinerten Form alsGenetischer Vorgabe. Bei der Geburt eines Tiereswird ausgewürfelt, ob ein Tier mutiert oder nicht.Mutiert es, so kommt an einem Gelenk ein Armdazu oder ein Arm verschwindet. Ein Parameter(Verzweigungsdichte) bestimmt, ob die Anzahl derArme steigt oder sinkt.

Die Installation kann ohne Eingriffe von Aussen ewig vor sich hinlaufen und zeigtedamit die Interaktion zwischen Kamera (möglichen Mückenschwärmen) und vir-tuellen Wesen.Um jedoch die wechselseitige Abhängigkeit von Form und Bewegungseigenschaftender virtuellen Wesen und der Art der Mückenschwärme deutlich zu machen, gibtes einen Bedienterminal, auf welchem Besucher die Installation beeinflussen kön-nen.Nach drei Kriterien (Masse,Anzahl von Zellen, Lebensalter) werden Eigenschaftender entstehenden virtuellen Tiere in einer Liste abgespeichert. Die Zuschauer

können aus diesen Listen TIere zumerneuten Aussetzen in die virtuelle Weltauswählen.

Liste mit erfolgreichen Tieren,sortiert nach Masse,Überlebenszeit oder Anzahlvon Zellen.Die Liste wird automatischangelegt und je nach Verlaufdes Programmes erweitert.

Taste zum Aussetzen einesTiers aus der ListeTaste zum Töten aller Tiere auf dem Screen bis auf das Ausgewählte

Icons zum Auswählen von zuspielbaren Videos

Geburtsnummer des ausgewählten Tiers

Energieschwelle zur Fortpflanzung

Beinlänge der Tiere

über Maus ausgewähltes vir-tuelles Tier (mit 3 Zellen)

Maus

Bewegungsgeschwindigkeit

Dichte der Zellen im Formaufbau des Tiers

Anzahl der Arme in den Knotenpunktes des Tiers

Technik:Für die Installation werden benötigt:

1 Linux-PC 3,2 GHz, 1 GB Arbeitsspeicher, 3D-beschleunigteGrafikkarte, Netzwerkanbindung, Soundkarte

1 Sockel (Sonderanfertigung mit Mini-Bildschirm, MausBeschriftung zur Bedienung)

1 Beamer in der Qualität entsprechend den Lichtverhältnissen(mindestens 1700 Ansi-Lumen), Projektionsleinwand.

2 Soundboxen (Aktiv)

Für die Installation der Kamera werden bebötigt:

Die Kamera (Sonderanfertigung, für Aussenbetrieb)1 Linux-PC 3,2 GHz, ca. 1 GB Arbeitsspeicher,mp2-encodierfähige Videokarte, Netzwerkkarte

Funkempfänger

Schalteinrichtung mit Soundquelle

5 Lautsprecher, an Stäben montiert

Credits:Konzeption: Ursula Damm

Programmierung: Christian Kessler

Sound: Yunchul Kim

Kamera: Gwendolin Taube

wissenschaftliche Beratung: Dr. Claus Orendt

Ansichten aus Madrid,Conde Duque, Jan. 2005