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EUROCOM AKTUELL · AUSGABE 11/2016 1 DURCHBRUCH BEIM DIMDI: LIP- UND LYMPHÖDEM AB 2017 NEU KODIERT Die Kodierung der Diagnosen nach dem ICD-10-Code (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) ermöglicht einen einfachen, EDV- kompatiblen Vergleich unter den Leistungserbringern. Der unterschiedliche Bedarf an Diagnostik, Beratung, Therapie, aber auch an Forschung lässt sich mit einer Differenzierung z. B. nach Schweregrad und Ursache darstellen. Und für eine Aufnahme einer "Volkskrankheit" in den Morbi-RSA sind differenzierte ICD-10-Codes ein Muss. Bislang gab es für die lymphangiologischen Erkankungen nur drei ICD-10-Codes, vom Latenzstadium bis zu schwersten Verlaufsformen, und das unabhängig von der Ursache. Für das Lipödem hatten wir offiziell gar keine Verschlüsselungsmöglichkeit. Jahrelang mussten lymphologisch Tätige damit leben, dass alles über einen Kamm geschoren wurde. Die Pflicht zur Kodierung der Diagnosen führte zu akrobatischen Verrenkungen und Falschheiten. Seit vielen Jahren gibt es nun schon Bestrebungen von verschiedener Seite, diesen unbefriedigenden Zustand zu beheben. Zunächst standen wir Lymphologen allerdings vor dem Problem, dass die vierten Stellen in den ICD-10-Codes dem nationalen Zugriff entzogen sind und unter der Ägide der WHO stehen. Die Deutsche Gesellschaft für Lymphologie (DGL) und der Berufsverband der Lymphologen (BVL) haben ihren Vorschlag 2013 bei der zuständigen TAG Dermatology der WHO eingereicht. Die Fertigstellung des ICD-11 auf internationaler Ebene verzögert sich aber (eine erste ß-Version wird frühestens 2018 vorgestellt), sodass von Seiten der Kostenträger zunehmend Druck auf die Fachgesellschaften und Berufsverbände ausgeübt wurde, eine nationale Lösung zu entwickeln. Letztendlich war diese eine Gemeinschaftsaktion, wobei der Schulterschluss von Deutscher Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung (DGfW), DGL und BVL im Vorfeld der Konferenz beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) entscheidend war. Mit den neuen lymphologischen ICD-10-Codes erhalten wir erstmals Informationen über Lokalisation, Schweregrad und Ätiologie des Lymphödems. Die Systematik der Verschlüsselung lymphangiologischer Erkrankungen stellt sich also ab 2017 zusammengefasst folgendermaßen dar: Lipödem Jegliche zonale Fettansammlung (außer am Abdomen) muss nach den Vorgaben der WHO unter E65 zonale Adipositas kodiert werden. Für das Lipödem bestand die Gefahr, auch unter diesen Sammelbegriff zu fallen. Damit hätte die Wiederbelebung der Diskussion um die Beeinflussung der Körperproportionen allein durch diätetische Maßnahmen gedroht. Letztendlich kam es zu einem Kompromiss: die Lipohypertrophie (schmerzlose zonale Fettgewebs-Verteilungsstörung) als Vorstufe eines Lipödems wird kodiert mit E65, das schmerzhafte Lipödem wird als eine Art Erkrankung des Fettgewebes (= Lipomatose) zukünftig mit E88.20 ff. verschlüsselt. Extremitäten-Lymphödem Das DIMDI hat unserem Vorschlag, bei der Kodierung zwischen primärem und sekundärem Extremitäten- Lymphödem sowie zwischen Arm und Bein zu differenzieren, nicht entsprochen. Es gäbe keine Zahlen, die einen unterschiedlichen Ressourcenverbrauch belegen würden (die es jetzt auch nicht mehr geben wird). Kodiert wird nach I89.00 bis I89.02. Dr. med. Klaus Schrader, Facharzt für Allgemeinmedizin, Phlebologie, Lym- phologe BVL/DGL (TM), Vorsitzender des BVL e. V. 11/2016

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EUROCOM AKTUELL · AUSGABE 11/2016 1

DURCHBRUCH BEIM DIMDI:

LIP- UND LYMPHÖDEM AB 2017 NEU KODIERT

Die Kodierung der Diagnosen nach dem ICD-10-Code (Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme) ermöglicht einen einfachen, EDV-kompatiblen Vergleich unter den Leistungserbringern. Der unterschiedliche Bedarf an Diagnostik, Beratung, Therapie, aber auch an Forschung lässt sich mit einer Differenzierung z. B. nach Schweregrad und Ursache darstellen. Und für eine Aufnahme einer "Volkskrankheit" in den Morbi-RSA sind differenzierte ICD-10-Codes ein Muss. Bislang gab es für die lymphangiologischen Erkankungen nur drei ICD-10-Codes, vom Latenzstadium bis zu schwersten Verlaufsformen, und das unabhängig von der Ursache. Für das Lipödem hatten wir offiziell gar keine Verschlüsselungsmöglichkeit. Jahrelang mussten lymphologisch Tätige damit leben, dass alles über einen Kamm geschoren wurde. Die Pflicht zur Kodierung der Diagnosen führte zu akrobatischen Verrenkungen und Falschheiten. Seit vielen Jahren gibt es nun schon Bestrebungen von verschiedener Seite, diesen unbefriedigenden Zustand zu beheben.

Zunächst standen wir Lymphologen allerdings vor dem Problem, dass die vierten Stellen in den ICD-10-Codes dem nationalen Zugriff entzogen sind und unter der Ägide der WHO stehen. Die Deutsche Gesellschaft für Lymphologie (DGL) und der Berufsverband der Lymphologen (BVL) haben ihren Vorschlag 2013 bei der zuständigen TAG Dermatology der WHO eingereicht. Die Fertigstellung des ICD-11 auf internationaler Ebene verzögert sich aber (eine erste ß-Version wird frühestens 2018 vorgestellt), sodass von Seiten der Kostenträger zunehmend Druck auf die Fachgesellschaften und Berufsverbände ausgeübt wurde, eine nationale Lösung zu entwickeln. Letztendlich war diese eine Gemeinschaftsaktion, wobei der Schulterschluss von Deutscher Gesellschaft für Wundheilung und Wundbehandlung (DGfW), DGL und BVL im Vorfeld der Konferenz beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI)entscheidend war.

Mit den neuen lymphologischen ICD-10-Codes erhalten wir erstmals Informationen über Lokalisation, Schweregrad und Ätiologie des Lymphödems. Die Systematik der Verschlüsselung lymphangiologischer Erkrankungen stellt sich also ab 2017 zusammengefasst folgendermaßen dar:

Lipödem Jegliche zonale Fettansammlung (außer am Abdomen) muss nach den Vorgaben der WHO unter E65 zonale Adipositas kodiert werden. Für das Lipödem bestand die Gefahr, auch unter diesen Sammelbegriff zu fallen. Damit hätte die Wiederbelebung der Diskussion um die Beeinflussung der Körperproportionen allein durch diätetische Maßnahmen gedroht. Letztendlich kam es zu einem Kompromiss: die Lipohypertrophie (schmerzlose zonale Fettgewebs-Verteilungsstörung) als Vorstufe eines Lipödems wird kodiert mit E65, das schmerzhafte Lipödem wird als eine Art Erkrankung des Fettgewebes (= Lipomatose) zukünftig mit E88.20 ff. verschlüsselt.

Extremitäten-Lymphödem Das DIMDI hat unserem Vorschlag, bei der Kodierung zwischen primärem und sekundärem Extremitäten- Lymphödem sowie zwischen Arm und Bein zu differenzieren, nicht entsprochen. Es gäbe keine Zahlen, die einen unterschiedlichen Ressourcenverbrauch belegen würden (die es jetzt auch nicht mehr geben wird). Kodiert wird nach I89.00 bis I89.02.

Dr. med. Klaus Schrader, Facharzt für

Allgemeinmedizin, Phlebologie, Lym-

phologe BVL/DGL (TM), Vorsitzender

des BVL e. V.

11/2016

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EUROCOM AKTUELL · AUSGABE 11/2016 2

Sonstige Lymphödeme Dafür stehen jetzt mehr fünfte Stellen (I89.03 ff.) für Lymphödeme anderer Lokalisation zur Verfügung.

Latenzstadium Das symptomlose Stadium 0 eines Lymphödems kommt jetzt mit der I89.08 erstmals in denICD-10.

Lymphödem nach Mammakarzinom Die Therapie des Mammakarzinoms hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Wir sehen weniger Armlymphödeme, im Gegenzug aber mehr Lymphödeme der operierten Brust und/oder der Thoraxwand. Die Kodierung wurde dieser Entwicklung angepasst und präzisiert. Die bisherige I97.20 (jetzt ff.) gilt nur noch, wenn bei positivem Sentinel-Node eine Axillarevision erfolgte. Das Ödem der operierten Brust und der Thoraxwand ist nun nach I97.88 zu verschlüsseln.

Sekundäres Lymphödem nach Krebs-OP Ein Lymphödem nach Tumorchirurgie ist sicher keine Kreislaufkomplikation, sondern der Preis des Überlebens. Es gab aber keine andere Möglichkeit, dem dringenden Wunsch der operativ tätigen Kollegen nach Aufnahme in den ICD-10 zu entsprechen. Je nach Lymphabflussgebiet (zervikal, axillär, inguinal) kodieren wir nach I97.80 ff., wobei das Urogenitalsystem noch extra aufgeführt wird (I97.87).

Hereditäres Lymphödem Das hereditäre Lymphödem (Q82.0- ff.) bleibt. Derzeit liegt der Anteil an der Gesamtzahl der primären Lymphödeme im niedrigen einstelligen Bereich. Doch zunehmendes Wissen wird diese Relation sicher verändern. Die Systematik entspricht derjenigen bei der I89.0- .

Ich bin davon überzeugt, dass alle Beteiligten mit diesem Kompromiss gut leben können. Für weitergehende Differenzierungen – sofern diese überhaupt hilfreich wären – fehlen die notwendigen freien fünften Stellen vorhandener Codes. Grundvoraussetzung war stets die Unantastbarkeit der Grundstruktur des ICD-10. Für die nächsten Jahre können wir mit den neuen Codes arbeiten. Wir dürfen gespannt sein, ob und wie sich der unterschiedliche Ressourcenbedarf der verschiedenen lymphologischen Erkrankungen in Zahlen ausdrücken und ob sich das in Diagnosis Related Groups (DRGs), Prozedurenschlüssel o. ä. positiv für die Kliniken auswirken wird. Kommen die Lymphödeme jetzt in den Morbi-RSA? Wird dies für die niedergelassenen Ärzte zu einer Verbesserung bei der Vergütung oder zumindest durch die Darstellung von Praxisbesonderheiten zu Entlastungen bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung führen?

Zunächst aber ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) am Zug. Festgelegt werden muss ganz kurzfristig, welche der neuen ICD-Kodierungen die Möglichkeit für eine Langfristgenehmigung der Heilmittelversorgung eröffnen.

WEITERFÜHRENDE INFORMATIONEN

www.dimdi/dynamic/de/klassi/Downloadseite/icd-10-gm/version2017/aktualisierung/ x1gap2017.zip; eine Tischvorlage steht hier bereit: www.die-lymphologen.de.

KORRESPONDENZADRESSE

Dr. med. Klaus Schrader, Karlstraße 14, 95213 Münchberg, E-Mail: [email protected]

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EUROCOM AKTUELL · AUSGABE 11/2016 3

WUSSTEN SIE SCHON…

… WARUM DIE ICD-10-CODES IM BEREICH HEILMITTEL WICHTIG SIND?

HILFSMITTEL VERORDNEN DÜRFE

Die therapierelevanten ICD-10-Codes müssen seit Juli 2014 auf dem Muster 13 (Heilmittel-

Verordnung) in das vorgesehene Bedruckungsfeld eingetragen werden. Dabei sind

stets die jeweils aktuell gültigen Codes zu verwenden

(http://www.kbv.de/media/sp/02_Aenderungsvereinbarung.pdf).

Die ICD-10-Codes sind wichtig zur Geltendmachung der „besonderen Versorgungsbedarfe“

(ehemals die Praxisbesonderheiten) und des „langfristigen Heilmittelbedarfs“: Für beide

Sachverhalte gibt es je eine Diagnose-Tabelle, in der auch die jeweiligen Heilmittel mit aufgeführt

sind. Diese Heilmittel für die aufgeführten ICD-10-Codes sind nicht Bestandteil der

Wirtschaftlichkeitsprüfung.

In der Diagnose-Tabelle mit Erkrankungen, bei denen der sogenannte „langfristige

Heilmittelbedarf“ anerkannt ist, finden sich auch bestimmte Lymphödem-Diagnosen. Die

entsprechenden Heilmittel (Manuelle Lymphdrainage) für die darin aufgeführten Diagnosen laufen

automatisch außerhalb der Wirtschaftlichkeitsprüfung. Diese Diagnose-Tabelle ist ab Januar 2017

eine Anlage (Anlage 2) zur Heilmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA)

und wird entsprechend veröffentlicht https://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/2590/. Ab

1.1.2017 soll auch der bürokratische Aufwand reduziert werden: Ein Antrag- bzw.

Genehmigungsverfahren ist dann nur noch für Erkrankungsfälle nötig, deren Diagnose nicht in

der Tabelle aufgeführt ist.

Mehr Informationen dazu sind auf den Webseiten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und

des G-BA zu finden.

INDUSTRIETICKER

Der flachgestrickte Kompressionsbody VenoTrain curaflow von Bauerfeind gewährleistet

intensive Kompression und besonderen Komfort für Lymphpatienten. Das feinmaschige

Zweizuggestrick übt bei Bewegung einen stabil hohen Arbeitsdruck aus und verbessert den

Transport der Lymphe. Therapeutische Vorzüge der Linie sind der hohe Mikrofaser-Anteil im

Gestrick, spezielle Komfortzonen und der Verzicht auf Nähte im empfindlichen Brustbereich.

www.bauerfeind.com.

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EUROCOM AKTUELL · AUSGABE 11/2016 4

SoftCompress Bandagehilfen können bereits in der Entstauungsphase eingesetzt werden. Sie

eignen sich hervorragend für den Einsatz unter Kurzzugbinden, da die vertikal genähten

Schaumstoffkanäle Druckunterschiede erzeugen und so den Lymphabfluss zusätzlich fördern.

Gleichzeitig wird einer Bindegewebsfibrosierung vorgebeugt. Juzo SoftCompress macht das

Bandagieren schneller sowie effektiver und erleichtert auch die Selbstbandagierung. Die Juzo

SoftCompress-Produkte können auch in der Erhaltungsphase der Ödemtherapie zusätzlich unter

der medizinischen Kompressionsbekleidung getragen werden. www.juzo.com.

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Ödemerkrankungen und ihre lympholgischen Kompressionsversorgungen sind so individuell wie

die Patienten. medi bietet mit flachgestrickten mediven Kompressionsstrümpfen passgenaue

Lösungen für eine erfolgreiche Therapie. Sie sind komfortabel und alltagstauglich, damit

Patienten das verordnete Hilfsmittel regelmäßig und gerne tragen. Mehr Informationen rund um

die optimale Versorgung Ihrer Patienten finden Sie im medi Lymphologie-Guide. Bestellen Sie Ihr

persönliches Exemplar: Tel. 0921 912-977 oder [email protected].

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