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XX Kurvengrenzbeschleunigung, Einfluß von Umfangskraft
In Kap. XVIII wurde das Fahrzeug allein betrachtet. In Kap. XIX ergaben sich durch die Hinzunahme des Fahrers weitere Erkenntnisse über die Anforderungen an die Fahreigenschaften von Fahrzeugen. In beiden Kapiteln wurden nur lineare Modelle diskutiert.
In diesem Kapitel XX wird sich wieder dem Fahrzeug allein zugewandt, aber nun werden die nichtlinearen Abhängigkeiten, besonders die zwischen Reifenseitenkraft und Schräglaufwinkel, erfaßt. Damit werden Seitenbeschleunigungen über die bisherigen 0,4 g auftrockener Straße, z.B. hinaufbis zum Grenzbereich, beschrieben. Neben den nichtlinearen Reifeneigenschaften spielt bei höheren Seitenbeschleunigungenbesonders die Umfangskraft eine entscheidende Rolle- und damit die Unterscheidung nach Vorder-, Hinter- und Allradantrieb.
Um nun nicht alle Feinheiten des Fahrzeugs auf einmal behandeln zu müssen und um dadurch die gesamte Querdynamik des Kraftfahrzeugs nicht unübersichtlich werden zu lassen, soll zunächst der Schwerpunkt des Fahrzeugs noch in Höhe der Straße liegen. An den Rädern einer Achse treten keine Radlastunterschiede und demzufolge auch keine Seitenkraftdifferenzen auf, der Fahrzeugaufbau wankt nicht, und die Geometrie der Radaufhängung ist noch nicht wichtig. (Die Anhebung des Schwerpunkts geschieht in Kap. XXI.) Es kann deshalb wie zuvor das Einspurmodell betrachtet werden, nur jetzt mit nichtlinearen Reifenkennlinien.
125 Bewegungsgleichungen
Die Bewegungsgleichungen lauten für das Fahrzeugmodell nach Bild 105 .3b und den Gleichungen (105.2) bis (105.4) mit (107.3)
mv(/3 + -,fr) sinß- mv cos ß + FxH + Fxv cos8v- hx- Fyv sin8v = 0, (125.1)
mv(/J + -,fr) cos ß + miJ sinß- FyH- FLy- Fxv sin8y
- Fyvcos8v = 0,
lzlfr- (Fyvcos8v + Fxv sin8v) lv + Mzv + FyHlH
- MzH - FLy esp = 0.
(125.2)
(125.3)
M. Mitschke et al., Dynamik der Kraftfahrzeuge© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2004
125 Bewegungsgleichungen 677
In ( 125.3) wurden gegenüber ( 105.4) noch die Rückstellmomente M,v und M,H an Vorder-und Hinterrädern eingeführt, oder anders ausgedrückt, es wird ab jetzt genauer berücksichtigt, daß die Seitenkräfte nicht in Latschmitte, sondern um den Reifennachlauf nR dahinter angreifen.
Statt des Vorderradeinschlagwinkels 8v wird wieder nach (106.5) der für den Fahrer wichtige Lenkradwinkel ÖL eingeführt
* OL 1 8L = -:- = 8v + - (Fyvi + Fyvr) (nK + nRv)
lL CL
1 = Öy + -[(Fyvl + Fyvr) nK + Mzvi + MzvrJ.
CL
Bei dem hier zu betrachtenden Fall, nämlich Schwerpunkt auf Fahrbahnhöhe sowie symmetrisches Fahrzeug um die Längsachse, ist
I 1 Fyv! = Fyvr = 2 Fyv; Mzvl = Mzvr = 2 M,v
und damit
(125.4)
Die Seitenkräfte und Rückstellmomente bzw. Reifennachläufe sind hauptsächlich Funktionen der Schräglaufwinkel
(125.5)
und die Schräglaufwinkel ergeben sich aus (107.7). (Diese linearisierten Gleichungen sind auch bei Fahrten im Grenzbereich noch ungefahr gültig, da Schräglauf- und Schwimmwinkel relativ klein bleiben. In den folgenden Abschnitten ist z.B. ai :"=: 12°.) Der Luftwiderstand FLx ist bekannt aus (14.1) und lautet bei Windstille
Luftwiderstand p 2
FLx = cwA2v (125.6)
mit der Luftdichte p. Die Luftseitenkraft ergibt sich aus (17.3). Damit ist das Gleichungssystem vollständig. Vorzugeben sind:
- die Umfangskräfte Fxv und FxH, vorstellbar durch konstante Gaspedalstellung. (Bei Einachsantrieb wirkt an dieser Achse die Antriebskraft, an der anderen der Rollwiderstand. Bei Allradantrieb sind die Antriebsmomente aufzuteilen.)
- der Lenkradeinschlagwinkel 8L.
Unbekannt sind folgende Größen (bzw. deren Ableitungen):
v, ( v) , ß, (,8) und ~, ( Vi) Damit läßt sich das Gleichungssystem (125.1) bis (125.3) lösen, wenn die Funktionen der Reifenkennlinien nach (125.5) bekannt sind.
678 XX.! Kreisfahrt mit konstanter Fahrgeschwindigkeit
XX.l Kreisfahrt mit konstanter Fahrgeschwindigkeit
Es wird wie in Kap. XVIII.1 mit dem einfachen, stationären Fall, der Kreisfahrt mit konstanter Fahrgeschwindigkeit ( v = 0), begonnen. Wie in Abschn. 1 10 werden folgende Kennwerte behandelt:
1. Unter-/Übersteuern bzw. 8L = f( v2/ pg), 2. Schwimmwinkel ß = f( v2/ pg) bzw. die Gradienten, 3. Lenkmoment ML = f( v21 pg) bzw. ML = f(8L)
und nun zusätzlich, da jetzt die Reifenkennlinien bis zu großen Schräglaufwinkeln behandelt werden:
4. Fahrgrenze durch Kraftschluß, maximale Zentripetalbeschleunigung, auch Kurvengrenzbeschleunigung genannt, und
5. Fahrgrenze durch Antriebsleistung.
126 Kurvenwiderstand
Mit der o. g. Voraussetzung v = 0 ist ebenfalls ß = 0 und {f = 0, und aus den drei Bewegungsgleichungen (125.1) bis (125.3) ergibt sich die Summe der Umfangskräfte an allen Rädern zu
. ( /H ) Fxv + FxH = hx- mV1jf sinß- l sin8v .
Dabei wurden kleine Vorderradeinschläge 8v und kleine Schwimmwinkel ß angenommen, so daß die cos-Winkel = 1 und die Produkte der Winkel zu Null gesetzt wurden. Weiterhin wurden die relativ kleinen Kraftkomponenten aus den Rückstellmomenten und der seitlichen Luftkraft vernachlässigt. Aus der Gleichung (1 07 .6) ergibt sich
. /H . /H . fv . smß =- sm8v-- smav-- smaH
l l l
und damit
· (/H . lv . ) Fxv + FxH = FLx + mvljf l smav + l smaH
v2 (/H . lv . ) = FLx + m- - sm av + - sm fXH . p l l
(126.1)
Bei der unbeschleunigten Geradeausfahrt in der Ebene ist die Summe der Umfangskräfte gleich dem Luftwiderstand FLx· Bei Kurvenfahrt kommt der zweite Summand der rechten Seite neu hinzu. Er wurde schon in Ab sehn. 4.4 mit
126 Kurvenwiderstand 679
Kurvenwiderstand
v2 (ZH . lv . ) FK = G- - smav +- smaH
pg l l (126.2)
bezeichnet. Analog zum Rollwiderstand kann ein
Kurvenwiderstandsbeiwert
FK v2 (ZH . lv . ) fK = G = pg l smav + l smaH (126.3)
definiert werden. Bild 126.1 zeigt den progressiven Anstieg vonfK über v2/ pg, den man sich wie folgt erklären kann: Der Beiwert wächst mit dem Produkt aus der bezogenen Zentripetalbeschleunigung v2/ pg und den Schräglaufwinke In. Bei kleinen Seitenkräften Fyi, also kleinem v2/ pg, ist Fyi proportional ah folglich gilt
!K ~ (;: Y bzw. fK "'al. Der Kurvenwiderstand wächst also bei gegebenem Radius p mit mindestens der zweiten Potenz der Zentripetalbeschleunigung bzw. mit der vierten Potenz der Fahrgeschwindigkeit! Bei größeren Seitenbeschleunigungen hingegen steigt ai mit Fyi progressiv und deshalb fK stärker als mit dem Quadrat von v2/ pg an.
Aus dem Vergleich zum Rollwiderstand in Bild 126.1 entnimmt man, daß der Kurvenwiderstand bei normaler Fahrt unter 0,4 g auf trockener Straße unbedeutend ist (und damit auch für die lineare Theorie). Bei höheren Seitenbeschleunigungen müssen der Kurvenwiderstand und die verbundene Erhöhung der Umfangskräfte an den Antriebsrädern berücksichtigt werden. Sie wirken sich zweifach aus:
• sie verändern den Zusammenhang zwischen Seitenkraft bzw. Rückstellmoment und Schräglaufwinkel (s. Abschn. 11) und
• sie erhöhen Antriebsmoment und -Ieistung.
0,20 ..----....------,..--.,.-----.--"""T""1
0 0,2 0,4 0,6 0,8 bez. Zentripetalbeschleunigung v21f!g
Bild 126.1. Abhängigkeit des Kurvenwiderstandsbeiwertes fK von der bez. Zentripetalbeschleunigung v2/ pg für das Beispiel nach Bild 127.1a (/H/l = lvll = 0,5,
vz otv ~ otH, damit !K = - sin otv)
pg
680 XX. I Kreisfahrt mit konstanter Fahrgeschwindigkeit
127 Fahrverhalten auf trockener Straße, Vorder-, Hinter-, Allradantrieb
Die am Beginn des Unterkapitels XX.l genannten Punkte 1 bis 4 sollen hier abgeleitet werden. Dabei wird schrittweise mit der Absicht vorgegangen, das Verständnis f"tir das Fahrverhalten zu fördern, und die Ergebnisse, die man heute fast ausschließlich über große Rechenprogramme an schnellen Rechnern gewinnt, verstehen zu lernen.
Formelmäßig braucht man hierzu den bezogenen Lenkradeinschlag, (106.5) und (125.4),
* 8L Ml 1 8L =-;- = 8v +- = 8v + -(FyvnK + Mzv)
lL CL CL
mit dem Vorderradeinschlag, (109.19),
l 8v =- + (av- aH)
p
und dem bezogenen Lenkradmoment, (106.2) und (127.1),
und weiterhin den Schwimmwinkel, (109.23),
ZH ß =- -aH. p
(127.1)
(127.2)
(127.3)
(127.4)
Die Achsseitenkräfte ergeben sich aus (125.2) und (125.3a) bei Vernachlässigung der seitlichen Luftkraft zu
ZH · Mzv + MzH . Fyv = lmvl/1 + l - Fxv smov
ZH v2 Mzv + MzH . = -m- + - Fvsm8v l P l X '
(127.5a)
lv · Mzv + MzH lv v2 Mzv + MzH FyH = 1 mv1/f- l = lmp- ----,,--- (127.6a)
und die Achslasten sind bei Vernachlässigung des Auftriebs
lH lv Fzv = lmg; FzH = lmg. (127.7)
Die Kräfte an jedem Rad sind jeweils die Hälfte, an zwillingsbereiften Achsen je ein Viertel.
Das Glied Fxv sin 8v in (127.5a) ist bei Hinterradantrieb, aber auch beiVorder-und Allradantrieb vernachlässigbar klein. Ebenso wird der Einfluß der Rückstellmomente bzw. der Reifennachläufe in (127.5a), (127.6a) nicht berücksichtigt (und zwar nur der Einfluß auf die Seitenkräfte (!)nicht;
127 Fahrverhalten auftrockener Straße, Vorder-, Hinter-, Allradantrieb 681
der Einfluß bei der Lenkung wird natürlich wohl berücksichtigt). Das bedeutet, daß z.B. bei einem Fahrzeug mit dem Schwerpunkt in Mitte Radstand bei Vernachlässigung der Reifennachläufe die Seitenkräfte vom und hinten gleich groß sind, während sie bei Berücksichtigung geringfiigig verschieden sind.
Näherungsweise gilt also
(127.5b)
(127.6b)
Im folgenden werden am Beispiel eines vierrädrigen, mitteHastigen Pkw mit m = 1200 kg und damit der Radlast Fz = 3 kN, ausgerüstet mit dem Reifen nach Bild 11.3, Ergebnisse diskutiert. Das Fahrzeug fährt auftrockener Straße.
127.1 Fahrgrenze durch Kraftschluß
Nach Bild 11.3a tritt z.B. die maximale Seitenkraft Fymax für die Radlast Fz = 3 kN und für die Umfangskraft Fx = 0 bei a = 12° auf. Das heißt, die Fahrt mit in Seitenrichtung nicht rutschendem Rad, was als Fahrgrenze durch Kraftschluß bezeichnet wird, ist durch die maximale Seitenkraft Fymax und durch den zugehörigen Schräglaufwinkel, hier 12°, gekennzeichnet. Kommt eine Umfangskraft hinzu, so wird die maximale Seitenkraft kleiner oder bei gegebener Seitenkraft der Schräglaufwinkel größer. Das wird sich unter anderem auf den Kurvenwiderstand (126.2) und auch auf das Fahrverhalten, z.B. aufÜber-/Untersteuem, auswirken.
Um den gesamten Problemkreis anfangs nicht zu sehr zu verkomplizieren, wird im folgenden zunächst angenommen, daß die Umfangskraft auf die Seitenkennungen des Reifens keinen Einfluß hat. Zur Erleichterung der Vorstellung kann man sich ein Fahrzeug mit Raketenantrieb denken. Das ergibt nach Bild 11.3a eine maximale Seitenbeschleunigung von (v2/p)max = 0,96 g, und zwar bei einem Schräglaufwinkel a = 12°. Den Verlauf des Schräglaufwinkels über der bezogenen Seitenbeschleunigung zeigt Bild 127.1a. Der Anstieg ist entsprechend Kap. XVIII.1 zunächst linear, dann progressiv zum Grenzwert hin.
Beim Übergang vom Raketenantrieb zum üblichen Radantrieb gelten die Gleichungen (127.5b) und (127.6b) nach wie vor, nur müssen jetzt bei der Bestimmung der Schräglaufwinkel die Umfangskräfte berücksichtigt werden. Da deren Größe aber nach (126.1) wieder von den Schräglaufwinkeln abhängt, muß iterativ ihr wahrer Wert berechnet werden. Im ersten Iterationsschritt wird aus Bild 127.1a für Fxv + FxH = 0 der Kurvenwiderstand FK berechnet (Bild 127.1b), daraus ergibt sich ein neuer Wert für die Umfangskräfte Fxv + FxH > 0. In den nächsten Schritten muß solange iteriert werden, bis bei gegebener Seitenkraft bzw. gegebener Zentripetalbeschleunigung der wahre Schräglaufwinkel und die wahre Umfangskraft gefunden sind. In Bild 127.2 sind zunächst die SchräglaufwinkelSeitenbeschleunigungs-Funktionen bei konstanter Umfangskraft eingetragen. Bei Einachsantrieb-ob Front- oder Hinterradantrieb spielt im Augenblick keine Rolle -gilt für die nichtangetriebene Achse die Kurve mit Fx = 0 und der maximalen be-
682 XX. I Kreisfahrt mit konstanter Fahrgeschwindigkeit
15,0'
12,5'
~ 100' (1) '
"" c: ! ~ 7,5' Ö> =~ = .X 5,0'
a
2,5'
0 0
I ;: /i
/ I I
V I
/ 0.96
I
3,0 kN
2,5
.} 2,0 + >
...:'
.:2 1,5 ;; ~
1,0
0,5
0 0,25 0,50 0,75 1,00 0
bez. Zentripetalbeschl. v11gg b
Fxv [['"
/FK ,I
/, //
// _,/ /
-----:::: ·" / --""Flx .- / F-
5 10 15 20 25 m/s 30 Fahrgeschwindigkeit v
Bild 127.1. a Schräglaufwinkel über bez. Zentripetalbeschleunigung ftir ein Fahrzeug mit m = 1200 kg, lvfl = 0,5 und Reifen nach Bild 11.3a (F, = 0, Einfluß der Umfangskraft auf die Seitenkennung des Reifens wurde nicht berücksichtigt, sog. Raketenantrieb); b Luft- und Kurvenwiderstand FLx und FK sowie Summe der Umfangskräfte F,v und F,H über der Fahrgeschwindigkeit, weitere Daten: cwA = 0,6 m2, Kreisradius p =100m
1 0' t-----+-
l:! B'f----1 QJ -"' c: 'ji; ~ 6'r---,_--·-~--~---~~~--~ 0 c;, :E = ~ 4'r---+---~--
0,2 0,4 0,6 0,8 bez. Zentripetolbeschl. v11Qg
--- mit konstanter Umfangskraft
Einochsantrieb:
Antriebsochse __ nicht angetriebene Räder
(identisch r. = 0)
Allradantrieb:
- • - Momentenverteilung 50: 50
Bild 127.2. Einfluß der Umfangskräfte und der Antriebsart auf die Schräglaufwinkel-Seitenbeschleunigungs-Funktion. (Reifenkennung s. Bild 11.3a, Fahrzeugwerte s. Bild 126.1)
127 Fahrverhalten auftrockener Straße, Vorder-, Hinter-, Allradantrieb 683
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Bild 127.3. Fahrgrenzen durch Kraftschluß bei verschiedenen Antriebsarten auf trockener Fahrbahn (Fahrzeug- und Reifenwerte s. Bild 127.2)
zogenen Seitenbeschleunigung von 0,96. Für die Räder der Antriebsachse wurde nach der o.g. Iteration die durch die Kurvenschar verlaufende, gestrichelte Linie ermittelt, deren maximale bezogene Seitenbeschleunigung nur 0,90 ist. Sie liegt also niedriger als bei den nichtangetriebenen Rädern und stellt damit die seitliche Grenzbeschleunigung des Fahrzeugs in der Kurve dar.
Bei Allradantrieb, z.B. wenn bei diesem mittellastigen Fahrzeug auch die Alltriebsmomente hälftig auf die Achsen verteilt würden, halbieren sich auch die Umfangskräfte. In Bild 127.2 ergibt sich die strichpunktierte Kurve mit der maximalen bezogenen Seitenbeschleunigung von 0,92.
In Bild 127.3 sind die Fahrgrenzen durch Kraftschluß zusammengetragen. Je größer also die Umfangskräfte an einem Rad bzw. einer Achse, um so kleiner sind die maximalen Seitenbeschleunigungen des Fahrzeugs.
Bemerkenswert ist, daß nach Bild 127.1 a bei der Kreisfahrt mit dem Radius p = I 00 mundbei der sich aus der Grenzseitenbeschleunigung ergebenden maximalen Fahrgeschwindigkeit von 31 m/s = 112 km!h der Kurvenwiderstand fast siebenmal größer als der Luftwiderstand ist!
127.2 Lenkradeinschlag, V uter-IÜbersteuern
Den bezogenen Lenkradeinschlag 8~ = f ( v2 I pg) bestimmt man nach (127 .1) über den Vorderradeinschlag 8v, und den wiederum nach (127.2) über die Schräglaufwinkel-Differenz. Ergebnisse ft.ir 8v bei verschiedenen Antrieben zeigt Bild 127.4.
Beim Raketenauto (Antriebskraft nicht berücksichtigt) bleibt bei dem mittellastigen Fahrzeug 8v = const.
684
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XX.1 Kreisfahrt mit konstanter Fahrgeschwindigkeit
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0 0,2 0, 4 0,6 0,8 bez. Zentripetalbeschleunigung v21qg
1,0
----" Vorderrad--- --o Hinterrad- antrieb -··-S:l Allrad-
(50: 50)
---• ohne Umfangskrafteinfluß (Raketenantrieb)
e; o" • Kraftschlußgrenzen
Bild 127.4. Vorderradeinschlag öv über bezogener Seitenbeschleunigung v2/pg für verschiedene Antriebsarten. (/ = 2,5 m, p =100m, Schräglaufwinkelverläufe aus Bild 127.2)
>
150 Nm
§ -:;: 100 - Q) C:CJ)
2' 4' 6' s· 1o· Schräglaufwinkel vorn «v
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bez. Zentripetalbeschl. v21Qg
Bild 127.5. a Seitenkraft- und b Rückstellmomenten-Schräglaufwinkelkurven für ein Vorderrad bei Hinterradantrieb für Fz = 3 kN und Fx = 0, s. Bild 11.3b. c Rückstellmomente an beiden Vorderrädern über der bez. Zentripetalbeschleunigung. m = 1200 kg, lvll = 0,5
127 Fahrverhalten auftrockener Straße, Vorder-, Hinter-, Allradantrieb 685
Bei Einachsantrieb muß ab hier Vorder- oder Hinterradantrieb unterschieden werden. Bei Frontantrieb ist der Schräglaufwinkel vorn durch die Umfangskraft größer als hinten, damit wächst nach Bild 127.4 8v ab etwa v2! pg ~ 0,6 progressiv ansteigend bis zur Fahrgrenze von 0,90 (mit einem Dreieck, Spitze nach oben gekennzeichnet). Bei Heckantrieb ist es umgekehrt, der Vorderradeinschlag wird kleiner, bei hohen Seitenbeschleunigungen sogar negativ.
Bei Allradantrieb mit Schwerpunkt in Radstandsmitte und einer hälftigen Momentenaufteilung aufVorder-und Hinterachse (50: 50) bleibt 8v = const. Wird ein größeres Moment auf die Hinterräder gegeben, so muß der Vorderradeinschlag verkleinert werden, der Verlauf in Bild 127.4 wird dann zwischen dem vonAllrad(50: 50) und Hinterradantrieb liegen.
Zur Berechnung des Lenkradwinkels 8~ benötigt man nach (127 .1) das bezogene Lenkradmoment und dafür nach (127.3) das Rückstellmoment an der Vorderachse. Bild 127.5 zeigt das Vorgehen. Nach Diagramm a erhält man aus der
150 > Nm ,;:_
"E 100 "' E 0 § ]i
50 Vl
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2' 4' 6' 8' 10' 12' Schräglaufwinkel rxv
0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 bez. Zentripetolbeschl. v11[Jg
----e Raketenontrieb ----o Heckantrieb
- - -t> Frontontrieb ---'V Allradontrieb
Die jeweiligen Punkte kennzeichnen die Kraftschlußgrenzen
Bild 127.6. Seitenkraft a und Rückstellmoment b an einem Vorderrad bei verschiedenen Antriebsarten über den Schräglaufwinkel (entstanden aus den Bildern 11.3 und 127.2); c Rückstellmoment an der Vorderachse über der bez. Zentripetalbeschleunigung
686 XX. I Kreisfahrt mit konstanter Fahrgeschwindigkeit
Seitenkraft an einem Rad bzw. aus der bezogenen Seitenbeschleunigung v2/ pg den Schräglaufwinkel av und dann aus Diagramm b das zugehörige Rückstellmoment an einem Reifen (gezeigt am Beispiel für v2/ pg = 0,25). Der doppelte Wert ftir beide Reifen der Vorderachse Mzv ist in c über v2/ pg aufgetragen. Er steigt zunächst ungefähr bis v2/ pg = 0, I linear an, dann degressiv, hat bei 0,5 ein Maximum und fällt dann bis zur (in diesem Fall durch die Hinterräder gegebenen) Rutschgrenze ab.
Bild 127.6 zeigt das Ergebnis für die verschiedenen Antriebsarten. Sie unterscheiden sich nur in der Nähe der Kraftschlußgrenzen, also nur bei großen Zentripetalbeschleunigungen und Schräglaufwinkeln, eben dort, wo die Umfangskräfte einen Einfluß auf die Seitenkräfte haben.
Das Moment am Lenkstockhebel M{, berechnet nach (127.3) ftir drei verschiedene konstruktive Nachläufe nK, zeigt Bild 127.7. (Der Kurvenverlaufwird in Abschn. 127.3 diskutiert.)
Wird nun M{ durch die Lenkungssteifigkeit CL dividiert, der Vorderradeinschlag 8v addiert bzw. werden die Diagramme in den Bildern 127.4 und 127.7 kombiniert, so erhält man den gewünschten bezogenen Lenkradeinschlag 8r. Das Ergebnis für Fahrzeuge, die sich nur durch ihre vier verschiedenen Antriebsarten unterscheiden, zeigt Bild 127.8.
Wie aus der linearen Theorie bekannt, steigt der Lenkradeinschlag bei kleinen Seitenbeschleunigungen linear an, und zwar um so steiler, je größer der konstruk-
c Q)
E 0 E
300 .-----.....,-----,----,------, Nm
e 1sor------+r-L-~~--~~~--~· -"< c ~ ....;
~ 100~---h~~~-r-r--~~~--~~
37,5 mm
25,0mm] :c u 0 :z ~ Q)
~ -"< :::>
12,5mm ~ 0
-"<
~----~------~------~----~Dmm 0 0,25 0,50 0,75 1,00
bez. Zentripetalbeschl. vZ!qg
-----.~> Vorderradantrieb
-·--o Hinterrad---·----"? Allrad-
(50: 50)
---• ohne Umfangskrafteinfluß (Raketenantrieb)
"' o "'• Kraftschlußgrenzen
Bild 127.7. Moment am Lenkstockhebel M{ = FyvnK + M,v ftir verschiedene Nachläufe nK.
Mzv und Fahrzeugdaten aus Bild 127.6a und vorangegangene
127 Fahrverhalten auftrockener Straße, Vorder-, Hinter-, Allradantrieb 687
tive Nachlauf nK und je weicher die Lenkung (kleines CL) ist. Bei höheren Beschleunigungen unterscheidet sich der Lenkradwinkelverlauf bei den einzelnen Antriebsarten ganz entscheidend. Beim Hinterradantrieb (Bild 127 .8a) werden die Kurven degressiv und erreichen ein Maximum; die Lenkradwinkel werden kleiner, vor der Rutschgrenze manchmal negativ, der Fahrer muß gegenlenken. Der Maximalwert - s. Definition nach ( II 0.6) - teilt die Kurven in einen unter- und einen übersteuernden Bereich. Links vom Maximum sind die Fahrzeuge unter-, rechts übersteuernd. In Bild 127.8 ist der Bereich ftir die in Tabelle 110.2 genannten Untersteuergradienten eingezeichnet. In diesem Bereich liegen die Kurven mit nK = 0 sowie 25 mm und CL= 15 kNm/rad. Um, wie gewünscht, das untersteuernde Gebiet zu vergrößern, muß der konstruktive Nachlauf nK vergrößert
5'.------r------~----~----~
Hinterradantrieb D Bereich I Gradient
4' r----~---~----+----~
CO
6 --- 15 n1 =0mm __ _ Ct=z4 kNm/rod
CO - -4---1
•• 1 I ur Untersteuer-noch Tob. 10.2
~ .......:::. ~..::-::::-~
--·- n1= 25mm -- 12,5 - -- 0 -b-- I o. 12.5. 2sl
d
Vorderradantrieb t
.0f . .-: rt --: -~/ :::;;.--......
-/
-Ct = 15 kNm/rod
15 15 -CO
I Raketenantrieb
·-· 0' c
0 0.25 0,50 0,75 1,00 0 O.Z5 bez. Zentripetolbeschl. vzl((g
0,50 0,75 1,00
Bild 127.8. Bez. Lenkradeinschlag8~ über bez. Zentripetalbeschleunigung v21 pg bei a Hinterradantrieb; b Vorderradantrieb; c Allradantrieb (50: 50); d Raketenantrieb flir verschiedene konstruktive NachläufenKund Lenkungssteifigkeiteil CL (aus den Bildern 127.4 und 127.7)
688 XX. I Kreisfahrt mit konstanter Fahrgeschwindigkeit
und die Lenkungssteifigkeit CL verkleinert werden. Dabei wird auch das Gegenlenken verkleinert oder vermieden.
Beim Vorderradantrieb verlaufen die Kurven nur progressiv, d.h., das Fahrzeug ist im gesamten Querbeschleunigungsbereich untersteuernd. An der Kraftschlußgrenze sind die Lenkradeinschläge relativ groß. Um diese zu verringern, muß nK klein und CL groß sein. Dies fiihrt dann automatisch zu einem geringeren Untersteuergrad bei niedrigen Querbeschleunigungen.
Fahrzeuge mit Allrad- (50: 50) und mit Raketenantrieb (Diagramme c und d) sind fast immer untersteuernde Fahrzeuge. Nur bei hohen Querbeschleunigungen tritt ein leichtes Übersteuern auf, das vom Rückstellmomentenverlauf herrührt. Insgesamt ändern sich gegenüber den zuvor behandelten Einachsantrieben die Lenkradwinkeleinschläge über der Zentripetalbeschleunigung relativ wenig, und sie bleiben an der Kraftschlußgrenze relativ klein. Dies mag man als vorteilhaft ansehen, man kann aber auch der Meinung sein, es sei nachteilig, daß sich die Kraftschlußgrenze nicht durch Verkleinerung von 8L. wie beim Hinterradantrieb, oder durch progressive Vergrößerung, wie beim Frontantrieb, ankündigt (dies allerdings auf Kosten niedrigerer Kurvengrenzbeschleunigung).
127.3 Lenkradmoment
Der Verlauf des bezogenen Lenhadtnomentes M~ iiher der bezogenen Zentripetalbeschleunigung ist aus Bild 127.7 bekannt, er muß nur noch diskutiert werden.
Für alle Antriebsarten gilt, daß M~ außer von v2! pg stark von der Größe des konstruktiven Nachlaufes nK abhängt. Der Maximalwert steigt von nK = 0 bis 37,5 mm auf den zweifachen Wert. Um das vom Fahrer aufzubringende Moment ML nicht zu groß werden zu lassen, muß die Lenkübersetzung iL vergrößert oder eine Hilfskraftlenkung (VL > 1) eingebaut werden. Beide Größen bestimmen den Lenkradmoment-Querbeschleunigungsgradienten, der nach Bild 110.4 in einem bestimmten Bereich liegen soll.
Weiterhin fallt auf, daß sich mit wachsendem nK der Maximalwert von M~ zu höheren v2/ pg verschiebt. Im Falle nK = 0 nimmt das erforderliche Lenkmoment ab v2/ pg"" 0,5 wieder ab, d.h., der Fahrer braucht am Lenkrad nicht mehr so große Kräfte aufzubringen. Das wird in der Regel dann als Nachteil gewertet, wenn die fiir das Maximum des Lenkmomentes maßgebende Zentripetalbeschleunigung unterhalb der fiir die Rutschgrenze liegt (wie in diesem Fall). Das abnehmende Lenkmoment könnte Fahrern nämlich ein Sicherheitsgefiihl vermitteln, während in Wirklichkeit das Fahrzeug bald seitlich weggleitet Es gibt allerdings auch Fahrer, die die Änderung der Lenkkräfte und das Überschreiten des Maximums als Zeichen fiir die Nähe der Rutschgrenze ansehen. Mit dem Nachlauf von nK = 37,5 mm erhält man über einen größeren Fahrbereich hinweg eine fast proportionale Vergrößerung des Lenkmomentes mit der Zentripetalbeschleunigung. Diese von der Mehrzahl der Fahrer bevorzugte Art der Information bekommt man - wie oben gesagt - nicht geschenkt.
Die einzelnen Antriebsarten wirken sich erst rechts vom Maximum aus, d.h., bei nicht zu kleinen Nachläufen erst bei relativ hohen Querbeschleunigungen.
127 Fahrverhalten auftrockener Straße, Vorder-, Hinter-, Allradantrieb 689
300 Nm
200
~ 100 c:
"' E 0 E "C
~ 0 c: .."l N
~ -100
-200
-300
Rechtskurve
01_ ............
~"'·T·--... -5' -4' -3'
. -1
0,8 ~ J v21qg=0.;_-
Hmt7rod-
-1,4'
! /0.2
j
a:7 0.7 Al!rod-Raketen-
-2'
J
7 +1,4'
-~ 0,9
r Hinterrod--antrieb!
-1' 0' 1' bez. Lenkrodwinkel ö~
Al!rod- 1
Raketen- Vorderrad-
I 0.7 o8 .1:..---- . -1ontrieb
IT -·< ... "'-.60,9
Linkskurve
2' 3' 4' 5'
Bild 127.9. Lenkradmomenten-Lenkradwinkel-Verlauffür vier Antriebsarten, aus Bild 127.7 und 127.8 (m = 1200 kg, lvll = 0,5; Reifens. Bild 11.3, nK = 25 mrn, CL= 15 kNm/rad, p = 100m, 1 = 2,5 m). Die Zahlen an den Kurven geben die v2/ pg-Werte an
Als zweites wird in diesem Unterabschnitt auf den Lenkmomenten-Lenkwinkel-Verlauf eingegangen. Bild 127.9 ist aus den Bildern 127.7 und 127.8 entstanden. Bis v2! pg ~ 0,5 ist der Zusammenhang für alle Antriebe linear, für Allrad- und Raketenantrieb sogar fast bis an die Kraftschlußgrenzen. Beim Vorderradantrieb wird mit zunehmendem 8~ der Gradient, d.h. die Tangentenneigung kleiner, ab 8~ ~ 2, 5° sogar negativ. Beim Hinterradantrieb ändert sich die Neigung schon bei 8~ ~ 1, 8°, und an der Kraftschlußgrenze passiert etwas scheinbar ganz Sinnwidriges: In einer Linkskurve ist das Lenkrad nach rechts eingeschlagen (8~ negativ, der Fahrer muß gegenlenken), und der Fahrer muß ein Moment nach links aufbringen (M~ positiv). Das Gegenlenken kann- wie schon gesagt- durch größeres nK und/oder durch kleineres CL verhindert wer-den. (In Kap. XXI wird noch gezeigt, daß auch die Radaufhängung einen Einfluß hat.)
127.4 Schwimmwinkel
Die nach Abschn. 110.2 als wichtig anzusehenden Schwimmwinkelverläufe wurden über (127.4) berechnet und in Bild 127.10 dargestellt. Nach Diagramm a gibt es für die verschiedenen Antriebsarten als Funktion der Zentripetalbeschleunigung nur geringe Unterschiede. Hinterrad-, Allrad- und Raketenantrieb erreichen an ihren Kraftschlußgrenzen große hintere Schräglaufwinkel (aH = 12°) und deshalb auch große Schwimmwinkel (ß = + 0, 7° - 12° = -11,3 °). Der hintere Schräglaufwinkel ist beim Frontantrieb, der an den Vorderrädern die Kraftschluß-
690 XX. I Kreisfahrt mit konstanter Fahrgeschwindigkeit
'<l. a; -"' c
5' ,..---,----,--.,...-----,------,
0.7'
-~ -5'1-----+---+---+-___:"N----l E
"3: ..c: ~
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0,511-0,5
072t'.0.7 •/" 0,7! ',
-~~ ,/ i0,8 Ng va.a ~\ 170,92 / 0,9
Hinterrad- Allrad- Vorderrad--15' La __ ..L_ _ __, __ .......l_ __ ...L_ _ __,
b I 1 Antrieb I 0 0.2 0,4 0,6 0,8 1,0 -1' o· 1' 2' 3' 4'
bez. Zentripetalbeschleunigung v11Qg bez. Lenkradwinkel ö~ 5'
Bild 127.10. Schwimmwinkelverläufe a als Funktion der bez. Zentripetalbeschleunigung; b des bez. Lenkradwinkels aus Bild 127.6 und 127.8 ftir verschiedene Antriebsarten
grenze erreicht, kleiner (hier aH = 8°), und deshalb auch der Schwimmwinkel (ß = + 0,7°-so= -7,3°).
Hingegen gibt es nach Diagramm b große Unterschiede zwischen den Antriebsarten bei der Schwimmwinkel-Lenkradwinkel-Funktion. Dieser vom Leukradwinkel bestimmte Verlauf zeigt beim Frontantrieb einen stetigen Abfall, beim Allradantrieb ab v2/ pg"" 0,5 einen fast senkrechten Abfall von ß bei konstantem 8~ und beim Hinterradantrieb die schon aus Bild 127.9 bekannte Kurvenform. Aus diesem Diagramm b wird verständlich, daß die Abhängigkeit zwischen ß und öL eine - wie in Abschn. 110.2 gesagt - maßgebende Beurteilungsgröße sein könnte.
127.5 Einfluß von Schwerpunktslage und Antriebsart
InAbschn. 127.2 wurde am Beispiel eines mitteHastigen Fahrzeugs abgeleitet, daß sich gegenüber dem linearen Bereich der Untersteuergradient zur Kraftschlußgrenze hin ändert. So wird beim hinterradangetriebenen Fahrzeug aus dem Untersteuern ein Übersteuern, und beim frontangetriebenen Fahrzeug verstärkt sich das Untersteuern. Dies hatte nach (127.1) bis (127.3)
* OL l 1 8L =-:- =- + (av- aH) + -(FyvnK + Mä)
ZL p CL
hauptsächlich zwei Gründe:
I. durch die Umfangskraft (z.B. nur vorne beim Frontantrieb, nur hinten beim Hinterradantrieb) ändert sich die Schräglaufwinkel-Differenz av - aH (Bild 127.2), und
128 Fahrverhalten aufvereister Fahrbahn 691
Schröglaufwinkel- "' differenz «v -aH
hecklaslig millellaslig
0
a Vorderradantrieb b Hinterrodantrieb
Bild 127.11. Verbesserung der Untersteuertendenz bei hoher Querbesch1eunigung. a beim frontangetriebenen Fahrzeug durch Verschieben des Schwerpunktes nach hinten; b beim hinterradangetriebenen nach vom
2. das an der Lenkung angreifende Moment M{ = FyvnK + Mzv verändert über die Lenkungssteifigkeit CL die Größe des letzten Summanden, also die Differenz zwischen bezogenem Lenkradeinschlag 8~ und Vorderradeinschlag 8v.
Der zweite Einfluß wurde schon behandelt, indem bei gegebenen Reifenkurven die Wirkung von dem konstruktiven Nachlauf nK und der Lenkungssteifigkeit CL beschrieben wurde.
Der erste Einfluß, also die Größe von av - aH, wird außer von der Antriebsart noch von der Schwerpunktslage bestimmt, s. Abschn. 111.4. Um beim Frontantrieb das verstärkte Untersteuern zu reduzieren, muß der Schräglaufwinkel hinten aH vergrößert werden, d.h., das Fahrzeug muß hecklastig (oder in Wirklichkeit nicht zu stark frontlastig) werden (Bild 127.11a). Um beim Hinterradantrieb das Übersteuern zu verringern oder sogar zu vermeiden, muß der Schräglaufwinkel vom av vergrößert werden, d.h. dieses Fahrzeug muß frontlastig sein, s. Bild 127.11b. Damit werden auch die Lenkradmomenten-Lenkradwinkel-Verläufe sowie die Schwimmwinkel-Verläufe in Bild 127.9 und 127.10 verbessert.
Beim gezeigten Allradantrieb mit dem mitteHastigen Fahrzeug und der hälftigen Momentenaufteilung blieb die Schräglaufwinkel-Differenz über dem gesamten Querbeschleunigungsbereich Null (Bild 127.2), so daß hier keine Änderung der Schwerpunktslage nötig erscheint.
128 Fahrverhalten auf vereister Fahrbahn
Die folgende Diskussion entspricht Abschn. 127, nur daß nicht eine Fahrt auf trockener, sondern auf vereister Fahrbahn betrachtet wird. Mit den Reifenkennlinien nach Bild 128.1, angewendet wieder auf den Pkw mit m = 1200 kg, lvll = /H/1 = 0,5 und somit den Vertikallasten an allen Rädern Fz = 3000 N, wird nach Diagramm a bei a = 6°, Fx = 0 eine maximale Seitenkraft pro Rad von Fy = 600 N erreicht. Das ergibt für ein Fahrzeug mit Raketenantrieb eine Kurvengrenzbeschleunigung von v21 pg = 600/3000 = 0,2. Für Fahrzeuge mit Radantrieb
692 XX. I Kreisfahrt mit konstanter Fahrgeschwindigkeit
0,25 750 ....:' N ' ....._,.,
600 II 0,20
"" ~ ~>. 450 ": 0,15
:<:: '§ u
"' .:.< Cl> .c 0,10 2 300 :E "Qj Cl> V") c.
j 0,05 150 r-i Cl>
..c 0 0
I I Umfangskraft Fx = 0'\
~~ -
~ -, ---"'\. "'150 -N-y-·' ::::300 N J;:
I -
Va 10
Nm ~ 8 "0 0
= e 6 c.
"E QJ
E 0 4 ..§
Qj
Vi .>< u
::::> =
b 1" z· 3" 4 • 6"
Schräglaufwinkel "
Bild 128.1. Seitenkraft (a) und Rückstellmoment (b) bei verschiedenen Antriebskräften über dem SchräglaufwinkeL Reifen 155 SR 15,90%, RadlastFz= 3 kN, v= 50 km/h, Luftdruck 1,6 bar, vereiste Fahrbahn. (Weber, R.: Tangentialkräfte und Rückstellmoment, Zentralblatt für Unfalluntersuchung Bd. 1, Nr. 4/6, 1972)
errechnet sich für diesen Grenzfall die Summe der Umfangskräfte nach (126.1) Fxv + FxH"" 326 N (mit cwA = 0,6 m2, Kurvenradius p = 100m) und damit die Umfangskraft pro Rad bei Einachsantrieb (Front- oder Hinterradantrieb) zu 163 N und bei Allradantrieb (50:50) zu 82 N. Da nach Bild 128.la die Fy-a-Kurven für die Umfangskräfte Fx = 0 und 150 N sehr eng zusammenliegen, lautet das erste Ergebnis:
Unabhängig von der Antriebsart, ob Raketen-, Einachs- oder Allradantrieb, ist die Kurvengrenzbeschleunigung fast gleich, hier "" 0,2 g.
Das Fahrverhalten der verschiedenen Antriebsarten unterscheidet sich hingegen auch auf Eis. Bei Einachsantrieb hat das nicht angetriebene Rad (Fx = 0) in der Nähe der Kurvengrenzbeschleunigung einen merklich kleineren Schräglaufwinkelals das angetriebene (Fx > 0, hier 163 N), weil die Fy-a-Kurven nach Bild 128.la ab a ""4° sehr flach verlaufen.
In Bild 128.2 ist das Fahrverhalten über 8v, M{ bis zu8{ jeweils abhängig von v2! pg dargestellt. Nach Diagramm c haben alle Antriebsarten zunächst ein untersteuerndes Verhalten. Kurz vor der Kraftschlußgrenze wird der Frontantrieb stark
129 Fahrt auf nasser Straße
~ 4' cn
~ ~Vorderrad-~ I ~ 2' / Allrad-~ f----~'--~ +Raketen--2 ., ___ Hinterrad-g \
\:80 c: Nm "'
antrieb
E 0 E M~ für nK= 25 mm ~ 40 .>< c ~ N
"' .Cl
antrieb
CL =15kN/m
693
Bild 128.2. Fahrverhalten aufvereister Fahrbahn für verschiedene Antriebsarten (m = 1200 kg, lv/l = 0,5, p = 100m, cwA = 0,6 m2 , Reifen nach Bild 128.1); zu b die Unterschiede für die einzelnen Antriebe sind vernachlässigbar klein
unter-, der Hinterradantrieb übersteuernd. Allrad- und Raketenantrieb ändern die Steuertendenz kaum.
Prinzipiell ist das Fahrverhalten auf trockener und vereister Fahrbahn gleich, vgl. Bilder 128.2 und 127.8. Für die Fahrer hingegen gibt es doch zwei bemerkenswerte Unterschiede: Zum einen verändert sich auf der vereisten Straße bei Einachsantrieb die Steuertendenz kurz vor Erreichen der Kraftschlußgrenze sehr stark, während sich auf trockener Straße die Veränderungen schon frühzeitig ankündigen. Zum zweiten erreichen die Normalfahrer auftrockener Straße selten die maximale Seitenbeschleunigung, auf Eis hingegen häufiger, s. Abschn. I 08.3.
129 Fahrt auf nasser Straße
Reifenkennlinien auf Fahrbahnen mit verschiedenen Wasserhöhen (allerdings ohne Umfangskraft) zeigt Bild 129.1. Nach Diagramm a wächst zunächst- wie bekannt- die Seitenkraft Fy etwa linear mit dem Schräglaufwinkel a, das Wasser hat keinen Einfluß, es wird über das Reifenprofil verdrängt. Die maximale Seitenkrafthingegen wird mit größerer Wassertiefe kleiner, der Haftbeiwert flh sinkt (vgl. Bilder 5.5 bis 5. 7).
Demnach wirkt sich die Nässe nur auf das Fahrverhalten bei höheren Schräglaufwinkeln und damit höheren Querbeschleunigungen aus. Dabei ist allerdings folgendes zu beachten:
694
3,0 kN
2,5
2,0 "-"" c ~1,5 2 ·c;:; V>
1,0 I I 0,5
I a
0 o·
~ {
L 0,2 mm
r 1,0mm
XX.l Kreisfahrt mit konstanter Fahrgeschwindigkeit
50.---,-~~----.----,--~
Nm
:;: ~ 30~~-+~--+----+~--,_--~ E 0
Wasserhöhe - § Cü
2' 4' 6' 8' Schräglaufwinkel oe
]i 20 H'----+-------'~d----'"'-.;;;:-t u
:=> =
OL----L----~--~----~--~ 1o· o· 2' 4' 6' 8' 10'
b Schräglaufwinkel oe
Bild 129.1. Reifenkennlinien für verschiedene Wasserhöhen. (185/65 TR 14, Felge 5J x 14, 2,0 bar, Fz = 3000 N, v = 80 kmlh. Die Ergebnisse wurden von Prof. R. Gnadler, Karlsruhe 1988 zur VerfUgung gestellt.)
Auf nasser Fahrbahn ist die Wasserhöhe vor den Vorderrädern stets größer als vor den hinteren Rädern, da diese von der Wasserverdrängung der Vorderräder profitieren, J.-Lhv < J.-LhH· Dies gilt nur für den Fahrbereich mit größeren Kurvenradien, bei denen die Hinterräder in der Spur der Vorderräder laufen, und für höhere Geschwindigkeiten, bei denen das Wasser die von den Vorderrädern geschaffene Spur nicht vor den Hinterrädern wieder auflullt Aber diese Fälle ergeben den wichtigen Fahrbereich. 97
Bei der geschilderten Fahrt auf Nässe bleibt das hinterradangetriebene Fahrzeug bis zum Grenzbereich untersteuernd. Dies ist der große Unterschied zu Fahrten auf trockener und vereister Straße, bei denen die Höchst-/Haftbeiwerte vorn und hinten gleich sind, J.-Lhv = J.-LhH· Ein frontangetriebenes Fahrzeug untersteuert auf Nässe stärker. Die erzielbare maximale Querbeschleunigung ist vom Kraftschluß an der Vorderachse abhängig, der durch Reifenprofil, Fahrbahn (Drainage) und Vorderachslast beeinflußt werden kann.
130 Fahrgrenze durch Antriebsleistung
Nach Bild 126.1 und 127.lb kann der KurvenwiderstandFK gegenüber dem Rollund dem Luftwiderstand FR und FLx groß sein. Er beansprucht einen Teil der installierten Motorleistung und setzt die Höchstgeschwindigkeit herab, genau so, wie es der Steigungswiderstand beim Befahren einer Steigung tut. Ist die Motorleistung zu klein, so wird unter Umständen die Geschwindigkeit bei Kurvenfahrt
97 Mitschke, M.; Voelsen, P.: Zum Fahrverhalten von Pkw bei Nässe. Forschung Straßenbau und Straßenverkehrstechnik, Heft 466 (1986).
XX.2 Quasilineare Betrachtung
4000 r----,-,-----,---,---,-----,-------, N
"" ~ 2000
,Rutschgrenze bei v z ;0g = o. g 5 ---++----"-.;:--:1-..::>....::--tl+---+--------l
c:n ::l .....
1000 f-----t--
0 10 20 30 40 50 m/s 60 Fahrgeschwindigkeit v
695
Bild 130.1. Fahrzustandsschaubild ftir ein Fahrzeug in der Ebene bei Kreisfahrt mit verschiedenen Radien p. m = 1200 kgJR = 0,01, cwA = 0,6 m2, lvll = 0,5, FK nach (126.2), Daten dazu und Rutschgrenze aus Bild 127.la; Umfangskraft in den Reifenkennlinien nicht berücksichtigt, Raketenantrieb
nicht durch die - bisher behandelte - Kraftschlußgrenze, sondern durch die Alltriebsleistung bestimmt.
Die Zugkraft Z gleich dem Antriebsmoment MR an den Rädern, dividiert durch den statischen Reifenhalbmesser r, beträgt nach (18.10) bei unbeschleunigter Fahrt in der Ebene vermehrt um F K
MR Z=-=FR+hx+h. (130.1)
r
In Bild 130.1 ist die Zugkraft Z über der Fahrgeschwindigkeit v ft.ir ft.inf verschiedene Kurvenradien p eingezeichnet, wobei die Kurve p -7 oo die Geradeausfahrt darstellt, also nur den Roll- und Luftwiderstand FR+ FLx enthält. Die Kurven ft.ir p = 50, 100 und 200 m enden bei bestimmten Fahrgeschwindigkeiten, die sich nach Bild 127.1a aus dem dort ermittelten Grenzwert v2/pg = 0,96 errechnen. Weiterhin sind im Diagramm zwei Hyperbeln konstanter, maximaler Leistungen am Rad, 53 und 70 kW, eingezeichnet.
Danach wird bei 53 kW und allen eingezeichneten Radien die Grenze durch die Antriebsleistung gegeben. Bei 70 kW ist für p = 50 m die Rutschgrenze maßgebend, und für p = I 00 m und größere Werte wieder die Antriebsleistung.
Auf nassen, verschneiten und vereisten Straßen liegt die Rutschgrenze niedriger, so daß sie bis zu höheren Geschwindigkeiten die maßgebende Fahrgrenze wird.
XX.2 Quasilineare Betrachtung
Nach der Behandlung der stationären Kreisfahrt (XX.1) und vor der Diskussion der instationären Fahrt (XX.3) bei Berücksichtigung nichtlinearer Reifenkennlinien wird zunächst die in der Überschrift genannte quasilineare Näherungsbetrachtung besprochen, um
696 XX.2 Quasilineare Betrachtung
- eine Verbindung zwischen linearer und nichtlinearer Theorie herzustellen, und um - die Stabilitätsgrenze im nichtlinearen Fall abzuleiten.
Bei der quasilinearen Betrachtung wird der nichtlineare Verlauf einer Funktion als stückweise linear angesehen.
131 Näherung für die Reifenkennlinien
Ein Fahrzeug fahre mit solch hohen Querbeschleunigungen, daß die Reifen in ihrem nichtlinearen Bereich arbeiten. Treten nun zusätzliche Kräfte und Momente durch höhere Seitenbeschleunigungen oder durch Störungen auf, so sollen sie so klein sein, daß die Auswirkungen linearisiert werden können.
Die Seitenkräfte Fy1 setzen sich (Bild 131.1a) aus einem Mittelwert Fy1o und den Abweichungen um diesen Mittelwert /';.Fy1 zusammen.
Entsprechend gilt nach Bild 131.1 b ftir den Reifennachlauf
anRI I nR1 = nR10 - /';.nRI = nR10 - . /';.al = nR10 - nR1 . /';.al. aal 0'1=0'10
Die neuen Abkürzungen
iJF1, I Cm= --~
aa, al=Q'!Ü
und
nR, =
(131.1)
(131.2)
(131.3)
(131.4)
sind von a 10 und über die Seitenkraft Fy1o von der Zentripetalbeschleunigung v21 pg abhängig. In der linearen Theorie gab es einen engen Zusammenhang zwischen der Steuertendenz eines
Fahrzeugs bei der Kreisfahrt mit konstanter Geschwindigkeit und der Stabilitätsgrenze (s. Abschn. 112). Mit den folgenden beiden Abschnitten wird gezeigt, daß der Zusammenhang auch im nichtlinearen Fall besteht.
Fy;o
a
_·_r~~~-~-~----: i I 11a· · A i I I I
a;o Schräglaufwinkel a;
Bild 131.1. Linearisierung bei kleinen Störungen
a;o Schräglaufwinkel o:;
132 Unter-/Übersteuern 697
132 Unter-/Übersteuern
Die Definition des Unter-/Übersteuerns lautet mit dem Lenkwinkelgradienten nach ( II 0.1 a) in Tabelle 110.1, und mit (110.6)
iJ(8L- 8LO) -----:,...--- > 0 für Untersteuern,
iJ(v21p)
iJ(8L- 8LO) _..::....,,...--::..:.__ < 0 für Übersteuern.
iJ(v2 I p)
Nach (106.5), (109.6) in Tabelle 109.1 und (109.19) ist
8L- 8LO = iL [ av - aH + dL (FyvnK + FyvnR)] .
Die Änderung des Lenkradeinschlags mit der Zentripetalbeschleunigung ist dann
iJ (8L - 8LO)
iJv21 P
. [ ilav ilFyv aaH ilFyH I ( ilFyv ilFyv iJnR ilav ilFyv )] 1L ilFyv iJv 2lp- ilFyH iJv2lp +CL iJv2lpnK +nRiJv2 1p + Fyv ilav ilFyv iJv2lp ·
Mit dem Einsetzen von ( 131.2) flir nR und dem Vernachlässigen von Gliedern zweiter Ordnung wird
Mit (127.5a), (127.6a) und (131.3) sowie einer Abkürzung entsprechend (107.16)
-d- = ,;._ + ...!_ (nK + nRo - FyvoiiR ,;._) Cav Cav CL Cav
(132.1)
wird
iJ (8L- 8LO) = iL (~m-1- _ ly_m_l_) iJv2 I p l C~v l c~H
oder
iJ ( 8L - 8LO) . m _ _, a 21 = IL -::;-::----/ (c.,H/H - C0 vlv ).
V p CavCaH (132.2)
Aus dem Vergleich der Gleichungen von (109.5) mit (132.2) erkennt man die Ähnlichkeit von linearem und nichtlinearem Fall. Beim Vergleich der entsprechenden Diagramme von Bild I 09 .I mit 132.1 gibt es die Ähnlichkeit nur bei kleinen Zentripetalbeschleunigungen, da steigt 8L - 8u1 über v2! p linear an.
Bei größeren Seitenbeschleunigungen und damit größeren Seitenkräften (und unter Umständen gleichzeitig wirkenden Umfangskräften) wird nach Bild 132.1 a Ca 1 < Ca 1 und nach b iiR > 0. Ob nun in Bild 132.1 die Kurve degressiv, wie dort gezeigt, oder progressiv ansteigt, hängt von dem Klammerwert in (132.2) ab, d.h. davon, ob CaH schneller kleiner wird als c~v oder nicht. 98
98 Diskussion der einzelnen Fälle in Pacejka, H.B.: Simplified Analysis of Steady-state Turning Behaviour ofMotor Vehicles, Vehicle System Dynamics 2 (1973), S. 161-204.
698 XX.2 Quasilineare Betrachtung
1--- Unter- -~t--- Zentripetalbeschl. v11(jg
1 steuern f---- stabil ---~+-instabil
Bild 132.1. Lenkwinkel über Zentripetalbeschleunigung bei Berücksichtigung nichtlinearer Reifenkennlinien. Grenzen für Stabilität und Über-/Untersteuern
Die Grenze vom Unter- zum Übersteuern liegt nach der Definition dann vor, wenn die Kurve 8L- 8uJ =f(v2/ p) eine horizontale Tangente hat, s. Bild 110.1.
133 Stabilität
Die homogenen Gleichungen ftir den linearisierten Fall erhält man, wenn man in (112.1) und (112.2) stattß, ß, ,fr, 1f jetzt die Änderungen ~ß. ~ß, ~,fr, ~ 1f um den stationären Fall einsetzt und fur<v· Can die Größenc~v· Can nach (131.3) einfUhrt:
mv~ß + (c~v + can)~ß + [mv 2 - (canln- c~nlv)l~,fr = 0, V
(133.1)
(133.2)
Das Fahrzeug ist stabil, wenn entsprechend (112.6) bei Vernachlässigung des Seitenwindeinflusses
_2 c~yCan12 + m v2 (Canln - C~ylv) vr = > 0
J7mv 2
ist. Die Stabilitätsgrenze ist erreicht, wenn vf = 0 bzw.
c~vcanl2 = -m(canln - c~vlv )v2
oder l m _ _,
2 = -~I (Canln - Cavlv) V CayCaH
ist. Mit (132.2) wird
l I ä (8L - 8LO)
v2 iL äv2 jp
bzw.
(133.3)
(133.4)
XX.3 Instationäre Fahrt, Lenkwinkelrampe 699
Da nach (109.6) idlp gleich dem Lenkradeinschlag bei der Fahrgeschwindigkeit Null ist, 8L(v = 0) = 8Lo, wird aus (133.4)
(133.5)
Die Stabilitätsgrenze wird erreicht bzw. die Instabilität beginnt, wenn die Tangentenneigung negativ, also das Fahrzeug übersteuernd ist. Die zugehörige Zentripetalbeschleunigung für die Stabilitätsgrenze ergibt sich nach (133.5), wenn die beiden Steigungen 18LO/(v2/ p) 1 und I 8(8L- 8L0)/8(v2/p) I gleich sind. Man erhält sie in Bild 132.1 durch Probieren, z.B. für Punkt A - strichpunktiert gezeichnet - sind sie verschieden, für Punkt B - strichzweipunktiert - sind sie gleich.
Danach liegt die Stabilitätsgrenze bei einer höheren Zentripetalbeschleunigung als die Grenze zwischen Über-/Untersteuern. Bei kleinen 8LO, also beim Befahren großer Radien, wird die Steigung 8LO/(v2/p) (untere strichpunktierte Gerade) flacher, im Grenzfall zu Null, so daß die beiden Grenzen für Stabilität und Über-/Untersteuern zusammenfallen. Man liegt also auf der sicheren Seite, wenn der Wechsel von Unter- und Übersteuern gleichzeitig als Stabilitätsgrenze angesehen wird.
134 Stabilitätsgrenzen für Fahrzeuge mit verschiedenen Antrieben
Neben der in Kap. XX.1 behandeltenKraftschluß-und Leistungsgrenze wurde im vorangegangenen Abschn. 133 die Stabilitätsgrenze abgeleitet. Sie ist beim Befahren großer Radien gleich der Grenze zwischen Unter- und Übersteuern.
In diesem Abschnitt sollen dieKraftschluß-und die Stabilitätsgrenze ftir die Fahrzeuge mit verschiedenen Antriebsarten für die Fahrt auf trockener Straße verglichen werden. Die Grenzwerte (aus Bild 127.3 entnommen) sind in Bild 134.1 aufgetragen. Danach liegt bei den Fahrzeugen mit Allrad-, Hinterrad- und Raketenantrieb die Stabilitätsgrenze merklich niedriger als die Kraftschlußgrenze. Die Stabilitätsgrenze ist für den Normalfahrer die entscheidende, Renn- und RallyeFahrer können das instabile Fahrzeugverhalten stabilisieren. Bei Frontantrieb gibt es kaum Unterschiede in den zwei Grenzen.
Die Zahlenwerte in Bild 134.1 und die Reihenfolge in den verschiedenen Antrieben sollten nicht verallgemeinert werden. Durch kleinere Lenkungssteifigkeiten CL und größere konstruktive Nachläufe nK, durch Verschiebung der Schwerpunktslage, durch andere Momentenverteilung beim Allradantrieb sowie durch richtige Auslegung bei der Radaufhängung, s. Kap. XXI, lassen sich die Grenzen für Unter- und Übersteuern zu höheren Querbeschleunigungen verschieben oder sogar vermeiden.
XX.3 Instationäre Fahrt, Lenkwinkelrampe
Nach der stationären Kreisfahrt aufkonstantem Kreisradius p mit konstanter Fahrgeschwindigkeit v (Unterkap. XX.1) soll nun die instationäre Fahrt betrachtet werden. Es wird der schon in Abschn. 113.3 ff. diskutierte Fall der Lenkwinkelrampe behandelt, aber jetzt mit nichtlinearen Reifenkennlinien und damit bei höheren Zentripetalbeschleunigungen.
Neben der Lenkwinkelrampe (Bild 113.6a und 135.2a) als Eingangsfunktion für das Fahrzeug muß noch eine zweite Größe festgelegt werden, durch die der Fahrgeschwindigkeitsverlauf charakterisiert wird. Das Prinzip wird anhand von
700
:c u
"' Q)
1,0
.c ~ 0,5 ·§" c Q) ....., N QJ .c
0
r ~ ~
2!.2 ~
-
Raketenantrieb Allradantrieb (50: 50)
XX.3 Instationäre Fahrt, Lenkwinkelrampe
~~ ~ Grenze durc 0 Kraftschluß
h
D Stabilität
~
Frontantrieb Hinterradantrieb
Bild 134.1. Vergleich Kraftschluß- und Stabilitätsgrenze (entnommen aus Bild 127.8 fiir nK = 25 mm und CL= 15 kNm/rad)
Bild 135.1 erläutert. Vor dem Lenkradeinschlag fahrt das Fahrzeug z.B. mit v1
geradeaus; Roll- und Luftwiderstand FR + FLx müssen überwunden werden, und dazu ist ein Motormoment entsprechend der Drosselklappenstellung von 1 oo notwendig. Nach dem Lenkradeinschlag fahrt das Fahrzeug in einen Kreis, und hinzu kommt der Krümmungswiderstand FK. Im Fall konstanter Drosselklappen- bzw. Gaspedalstellung erhöht sich das Motormoment bzw. die Umfangskraft an den Rädern um ßFx1. während sich die Fahrgeschwindigkeit um /::;,. v1 vermindert. Bei höheren Geschwindigkeiten, z.B. v2 > v~. werden die Unterschiede größer.
Im folgenden werden, um von der Motorkennung unabhängig zu sein, zwei Sonderfälle behandelt:
a) Fahrt mit konstanter Fahrgeschwindigkeit, wodurch sich die Umfangskraft bei der Fahrt in den Kreis um den Krümmungswiderstand vermehrt. Der Fahrer muß also Gas geben. Diese wirklichkeitsfremde Annahme wurde dennoch gewählt, weil dann die Ergebnisse relativ leicht mit den Ergebnissen aus der Kreisfahrt (mit v2/ p = const, d.h. bei p = const ist auch v = const) nach Abschn. 127.2 erklärt werden können. (Vorstellbar ist dieser Fall ftir ein Fahrzeug mit Geschwindigkeitsregler v = const). Die Umfangskraftsteigerung ist wesentlich größer als bei konstanter Drosselklappenstellung, s. Bild 135.1.
b) Fahrt mit konstanter Umfangskraft (Fahrzeug mit Momentenregler MR =
const). Der Fahrer muß nach Bild 135.1 Gas wegnehmen, der Geschwindigkeitsabfall ist größer als bei konstanter Drosselklappenstellung.
135 Konstante Fahrgeschwindigkeit auftrockener Straße
E CL>
""Cl :o = c: CL>
""Cl
c: 0
...:'
~ •e -" <n = c: 0
'E =
0
E CL>
""Cl ,o = c:
"' -o c: 0
i' c "' E 0
::z: I c "' E 0
E 0
ö ::z:
Roll- +Luft- +Krümmungswiderstond FR+Ftx+FK
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Bild 135.1. Motorkennfeld mit den Widerständen: Bei konstanter Drosselklappenstellung erhöht sich die Umfangskraft um /';.Fx und die Geschwindigkeit vermindert sich um /';. v
135 Konstante Fahrgeschwindigkeit auf trockener Straße
In diesem Abschnitt wird der o.g. Fall a) behandelt. Es werden zwei Fahrzeuge mitVorder-und Hinterradantrieb verglichen, sie fahren auftrockener Straße und es gelten die Reifenkennlinien nach Bild 11.3. Die Ergebnisse zeigt Bild 135.2.
Zunächst wird bei gleicher Lenkradwinkelrampe mit8L = 200°/s und gleichem Lenkwinkelendwert 8L = 40° ftir zwei Fahrgeschwindigkeiten 20 und 30 m/s das Fahrverhalten mit den beiden Antriebsarten diskutiert. Der Frontantrieb (Diagramme b bis g) ist bei allen Geschwindigkeiten stabil, in den Zeitschrieben wird immer ein Asymptotenwert erreicht. Bei gleichem 8L wird die Krümmung 11 p
(Diagramm d) mit wachsender Geschwindigkeit kleiner, d.h., das Fahrzeug fahrt auf einen größeren Kreisradius p. Es zeigt ein untersteuerndes Verhalten, und die Zentripetalbeschleunigung v2/ p erreicht bei v = 30 m/s ungefahr 0,8 g. Die Diagramme b bis g zeigen auch, daß beim Frontantrieb der Asymptotenwert durch eine abklingende Schwingung erreicht wird, deren Amplitude mit wachsendem v größer wird (entspricht dem kleiner werdenden Dämpfungsmaß Drin der linearen Theorie, Bild 112.2b). Der Schräglaufwinkel vorn, av, ist bei kleinen Zeiten merklich größer als aH, weil durch den plötzlichen Lenkradeinschlag zuerst an
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XX.3 Instationäre Fahrt, Lenkwinkelrampe
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Bild 135.2. Vergleich Vorder- und Hinterradantrieb bei Lenkwinkelrampe mit konstanter Fahrgeschwindigkeit auftrockener Straße. Fahrzeugdaten: m = 1200 kg, lvll = 0,5, Schwerpunkthöhe = 0, I= 2,5 m, nK = 25 mrn, CL= 15 kN/rad, iL = 19, Jz = mP = 1587 kgm2 (i/1 = 0,46), Reifens. Bild 11.3
den Vorderrädern Seitenkräfte aufgebaut werden müssen. Auch bei größeren Zeiten ist av > aH, weil vorn zusätzlich Umfangskräfte wirken.
Bei Hinterradantrieb (Bild 135.2 h bis n) ist das Fahrzeug bei v = 30 m/s instabil, der Schräglaufwinkel hinten, aH, erreicht den durch Bild 11.3a gegebenen Grenzwert von 12°. Aufschlußreich ist der Giergeschwindigkeitsverlauf nach h: Bis etwa 0,5 s steigt die Gierwinkelgeschwindigkeit ähnlich wie beim Frontantrieb und den linearen Systemen relativ steil an, zwischen 0,5 und 1 ,0 s nur noch wenig, danach dreht sich das Fahrzeug um die Hochachse wieder schneller, was
135 Konstante Fahrgeschwindigkeit auftrockener Straße
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sicherlich für viele Fahrer überraschend ist. Dabei wächst die Krümmung, d.h., der Krümmungsradius wird kleiner (übersteuerndes Verhalten), und die Zentripetalbeschleunigung steigt an. Im Gegensatz zum Frontantrieb tritt beim Hinterradantrieb -bei instabilen, aber auch bei stabilen Fällen- kein Schwingen auf. Dies liegt am übersteuernden Verhalten, denn nach Unterkap. XX.2 und Abschn. 113 ist die Lösung der charakteristischen Gleichung reell, d.h., die Bewegung setzt sich nur aus e-Funktionen zusammen.
Um auch das frontangetriebene Fahrzeug an oder über die Kraftschlußgrenze zu bringen, wurde bei v = 30 m/s der Lenkradeinschlag von 40° auf 70° vergrößert (Bild 135.3). Nach Diagramme steigen die Schräglaufwinkel bei 8L = 70° über der Zeit schnell an, der vordere Schräglaufwinkel av ist immer größer und erreicht bei t"" 1,3 s den Grenzwert von 12°, d.h. die Vorderräder rutschen vorn schnell seitlich weg. Beim Hinterradantrieb hingegen rutschen, wie schon gesagt, die Hinterräder weg, aber erst nach über 1,7 s (vgl. Bild 135.2m).
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XX.3 Instationäre Fahrt, Lenkwinkelrampe
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Bild 135.3. Vorderradantrieb: Gegenüber Bild l35.2a bis g wurde bei v = 30 m/s die Lenkwinkelrampe so erhöht, daß die Vorderräder seitlich wegrutschen
136 Konstante Umfangskraft auftrockener Straße 705
136 Konstante Umfangskraft auf trockener Straße
Im folgenden wird der zu Beginn von Unterkap. XX.3 genannte Fall b ), Fahrt mit konstanter Umfangskraft, im Vergleich zu Fall a), Fahrt mit konstanter Fahrgeschwindigkeit, behandelt.
Das hinterradangetriebene Fahrzeug (Bild 136.1i bis q) ist in beiden Fällen instabil; bei konstanter Umfangskraft und damit abnehmender Fahrgeschwindigkeit wird der Grenzwert des hinteren Schräglaufwinkels von 12° später erreicht, und der Fahrer hat mehr Zeit zur Korrektur als bei konstanter Geschwindigkeit und steigender Umfangskraft. Beim Frontantrieb (Diagramm h) sind die Unterschiede gering.
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Bild 136.1. Vergleich vom v = const und Fx *- const mit Fx = const und v *- const ftir Vorder- und Hinterradantrieb auftrockener Straße. (Fahrzeugdaten s. Bild 135.2)
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Bild 136.1 (Fortsetzung)
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XX.3 Instationäre Fahrt, Lenkwinkelrampe
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Zeit 2,5 s 3,0
Wenn man den maximalen Lenkradeinschlagwinkel 8Lmax jeweils bei Frontund Heckantrieb gegenüber a und i etwas verringert, dann werden folgende Fahrsituationen auftreten: Das hinterradangetriebene Fahrzeug wird bei konstanter Fahrgeschwindigkeit instabil werden, d.h. die Hinterräder rutschen seitlich weg, während bei konstanter Umfangskraft das Fahrzeug gerade noch stabil bleibt. Beim Frontantrieb rutschen die Vorderräder bei konstanter Umfangskraft seitlich weg, das Fahrzeug ist - nach Definition - zwar stabil, aber nicht lenkfähig, während es bei konstanter Fahrgeschwindigkeit nicht seitlich wegrutscht
138 Zusammenfassung von Kapitel XX 707
Danach verlangen die beiden Antriebsarten in der Nähe der Grenzbeschleunigung vom Fahrer verschiedenes Verhalten: Beim Heckantrieb darf der Fahrer nicht Gas geben, beim Frontantrieb hingegen wäre konstante Gaspedalstellung bzw. vorsichtiges Gasgeben empfehlenswert.
137 Fahrt auf vereister Fahrbahn
In Bild 13 7.1 werden wieder Vorder- und Hinterradantrieb bei gleicher Lenkradwinkel-Zeit-Funktion verglichen. Der Anstieg wurde, weil vorsichtigeres Agieren bei Fahrt auf Eis angezeigt ist, auf 50°/s festgesetzt. Der Unterschied zwischen Fall a) ( v = const) und Fall b) (Fx = const) ist auf Eis gering, weil hier nur niedrige maximale Querbeschleunigungen erreicht werden, und damit sind der Krümmungswiderstand und die notwendige zusätzliche Umfangskraft klein. Es wird deshalb nur Fall b) dargestellt. Man sieht, daß bei Fx = const (Diagramme c und k) die Fahrgeschwindigkeit v "' const ist (b und i).
Zwischen den verschiedenen Antrieben gibt es zunächst keine großen Unterschiede. Erstabt"' 3,5 s, also nach ungefahr 47 m Fahrstrecke, wird das Fahrzeug mit Hinterradantrieb instabil, die Hinterräder erreichen den für die Rechnung festgesetzten maximalen Schräglaufwinkel aH = 6°. Dies liegt hauptsächlich an dem für die Fahrgeschwindigkeit zu großen Lenkradeinschlag.
Der Wagen mit Frontantrieb erreicht nicht die Grenzbeschleunigung, hier wurde der Lenkradeinschlag zu klein gewählt. Die f'tir den Frontantrieb auf der trockenen Straße typische Schwingung, z.B. bei der Gierwinkelgeschwindigkeit (vgl. Bild 135.2b), ist hier nicht zu sehen.
138 Zusammenfassung von Kapitel XX
In Kap. XVIII wurde das Einspurmodell (Schwerpunkt auf der Fahrbahn oder keine Radlaständerungen an kurvenäußeren und -inneren Rädern) behandelt, und das Reifenverhalten war linear, das heißt z.B., die Seitenkraft ist proportional dem SchräglaufwinkeL Damit war die Gültigkeit der Ergebnisse auf Zentripetalbeschleunigung von 0,3 bis 0,4 g auftrockener Straße begrenzt. In diesem Kap. XX wurde als Zwischenschritt zum Zweispurmodell ebenfalls die Radlaständerung vernachlässigt, hingegen wurden die nichtlinearen Reifenkennlinien berücksichtigt. Dadurch war es möglich, das Fahrverhalten bis zur Kraftschluß- und Antriebsgrenze zu behandeln. Folgendes hat sich geändert:
• Der Krümmungs- (Kurven-)widerstand kam hinzu, der mindestens vom Quadrat der Zentripetalbeschleunigung v2! p bzw. von der vierten Potenz der Fahrgeschwindigkeit v abhängt.
• Durch die Erhöhung des Gesamtwiderstands erhöhen sich bei größeren Querbeschleunigungen auch die Umfangskräfte an den Antriebsrädern wesentlich.
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138 Zusammenfassung von Kapitel XX 709
• Da Umfangskräfte bei konstanter Seitenkraft die Reifenschräglaufwinkel erhöhen, muß zwischen Vorder-, Hinter- und Allradantrieb unterschieden werden.
• Bei Vorderradantrieb wird der Untersteuergradient zur Kraftschlußgrenze hin verstärkt, beim Hinterradantrieb verkleinert bzw. er wechselt zum Übersteuern. Dies gilt fiir homogene Fahrbahnen, z.B. ftir Fahrt auf trockener Straße oder auf Eis.
• Auf nasser Fahrbahn, bei denen die Hinterräder von der Wasserverdrängung der Vorderräder profitieren, bleibt auch ein hinterradangetriebenes Fahrzeug bis zur Kurvengrenzbeschleunigung untersteuemd.
• Durch den nichtlinearen Rückstellmomenten-Schräglaufwinkel-Verlauf kann das vom Fahrer aufzubringende Lenkradmoment ab einem unter der Kurvengrenzbeschleunigung liegenden Wert wieder abnehmen. Er kann durch die Größe des konstruktiven Nachlaufs beeinflußt werden.
• Der durch den Kurvenwiderstand erhöhte Gesamtwiderstand kann bei mangelnder Antriebsleistung die Kurvengeschwindigkeit begrenzen (also nicht nur der Kraftschluß ist ein begrenzender Faktor).
• Die Berechnungen für dynamische Vorgänge (Lenkwinkelrampe) erläuterten das seitliche Wegrutschen der Vorderräder bei Frontantrieb und das der Hinterräder bei Hinterradantrieb. Außerdem unterscheiden sich die Antriebsarten bei Fahrten mit konstanter Fahrgeschwindigkeit und mit konstanter Umfangskraft.
Weiterhin wurden in Unterkap. XX.2
• der Stabilitätsbegriff auf den nichtlinearen Bereich und • die Ergebnisse aus Kap. XVIII durch Einführung einer Quasilinearisierung
erweitert.
Bild 137.1. Vergleich vonVorder-und Hinterradantrieb bei Lenkwinkelsprung aufvereister Fahrbahn, Fx = const, v oF- const. (Fahrzeugdaten s. Bild 135.2, nur Reifen nach Bild 128.1)