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EIGENNÜTZIGES ROUTING IN NETZWERKEN MIT KAPAZITÄTSBESCHRÄNKUNGEN (NACH CORREA, SCHULZ UND STIER-MOSES) Projektgruppe SEROSE Yvonne Bleischwitz, Rainer Feldmann, Burkhard Monien Florian Schoppmann Wintersemester 2004/05 Zusammenfassung. Bei der Modellierung von Verkehrsnetzen nimmt man üblicherweise an, dass Verkehrsteilnehmer egoistisch handeln und nach der gegenwärtigen Verkehrssituation ihre Reiseroute wäh- len. Hierbei stellt sich nach einiger Zeit ein Gleichgewicht – ein Nash- Equilibrium – ein: Es entsteht eine Situation, in der kein Teilnehmer durch unilaterales Wechseln seines Weges eine Verbesserung seiner Rei- sezeit erzielen kann. Es ist jedoch bekannt, dass Nash-Equilibrien im Allgemeinen nicht effizient sind, also etwa im Fall von Verkehrsnetzen nicht per se zu einer Minimierung der Gesamtreisezeit beitragen. In Mathematics of Operations Research 29(4):961–976, 2004, beschrei- ben Correa, Schulz und Stier-Moses, dass bestimmte Equilibrien nur um einen von den gewählten Latenzfunktionen abhängigen Faktor schlechter sind als das Systemoptimum. Hierbei werden vorherige Erkenntnisse erweitert, indem Kapazitätsbeschränkungen zugelassen werden und die Latenzfunktionen weder konvex, differenzierbar noch stetig sein müssen. Diese Seminararbeit weist im Vergleich zur Origi- nalarbeit insbesondere ausführlichere Beweise auf. Stichworte. Eigennütziges Routing, Netzwerk mit Kapazitätsbe- schränkungen, Preis der Anarchie, Verkehrsnetz, Systemoptimum, Nash-Equilibrium, BMW-Equilibrium

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EIGENNÜTZIGES ROUTING IN NETZWERKENMIT KAPAZITÄTSBESCHRÄNKUNGEN

(NACH CORREA, SCHULZ UND STIER-MOSES)Projektgruppe SEROSE

Yvonne Bleischwitz, Rainer Feldmann, Burkhard Monien

Florian Schoppmann

Wintersemester 2004/05

Zusammenfassung. Bei der Modellierung von Verkehrsnetzen nimmtman üblicherweise an, dass Verkehrsteilnehmer egoistisch handelnund nach der gegenwärtigen Verkehrssituation ihre Reiseroute wäh-len. Hierbei stellt sich nach einiger Zeit ein Gleichgewicht – ein Nash-Equilibrium – ein: Es entsteht eine Situation, in der kein Teilnehmerdurch unilaterales Wechseln seines Weges eine Verbesserung seiner Rei-sezeit erzielen kann. Es ist jedoch bekannt, dass Nash-Equilibrien imAllgemeinen nicht effizient sind, also etwa im Fall von Verkehrsnetzennicht per se zu einer Minimierung der Gesamtreisezeit beitragen.In Mathematics of Operations Research 29(4):961–976, 2004, beschrei-ben Correa, Schulz und Stier-Moses, dass bestimmte Equilibrien nurum einen von den gewählten Latenzfunktionen abhängigen Faktorschlechter sind als das Systemoptimum. Hierbei werden vorherigeErkenntnisse erweitert, indem Kapazitätsbeschränkungen zugelassenwerden und die Latenzfunktionen weder konvex, differenzierbar nochstetig sein müssen. Diese Seminararbeit weist im Vergleich zur Origi-nalarbeit insbesondere ausführlichere Beweise auf.Stichworte. Eigennütziges Routing, Netzwerk mit Kapazitätsbe-schränkungen, Preis der Anarchie, Verkehrsnetz, Systemoptimum,Nash-Equilibrium, BMW-Equilibrium

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2 Florian Schoppmann

Inhaltsverzeichnis

1 Einführung 2

2 Modellierung 42.1 Netzwerke ohne Kapazitätsbeschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . 42.2 Ergebnisse vorheriger Arbeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62.3 Braess’ Paradoxon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

3 Netzwerke mit Kapazitätsbeschränkungen 93.1 Eigenschaften von Benutzer-Equilibrien . . . . . . . . . . . . . . . . . 113.2 BMW-Equilibrium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133.3 Preis der Anarchie bei BMW-Equilibrien . . . . . . . . . . . . . . . . 173.4 Der Anarchie-Wert einer Menge von Latenzfunktionen . . . . . . . . 20

4 Berechnung des höchstmöglichen Preises der Anarchie 22

5 Unstetige Latenzfunktionen 245.1 Linksstetige Latenzfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245.2 Allgemeine unstetige Latenzfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

6 Fazit 27

1. Einführung

Die Modellierung von Verkehrsnetzen hat in der Praxis vielfältige Anwendungen:Prominentestes Beispiel ist vermutlich der individuelle Straßenverkehr und dessenPlanung. Charakteristisch hierbei ist das autonome Agieren der einzelnen Verkehrs-teilnehmer, die in ihrer Routenplanung in der Regel nur indirekt beeinflussbar sind.Dennoch könnte etwa für den Straßenbau Bedarf bestehen, anhand simulierter Ver-kehrsflüsse Anforderungen für neue Verkehrswege zu ermitteln. Alternativ könnteBedarf bestehen, anhand einer Modellierung Maut-Gebühren zu bestimmen, um aufdiese Art und Weise Einfluss auf die individuelle Routenplanung zu nehmen – et-wa mit dem Ziel einer gleichmäßigeren Ausnutzung der vorhandenen Verkehrswege.Ein anderes Beispiel ist die Datenübertragung in dezentralen Netzwerken wie demInternet, bei der man annimmt, Pakete „suchen“ autonom ihren Weg vom Senderzum Empfänger.

Beide gegebenen Beispiele haben gemeinsam, dass in der Praxis die Reisezeitbeziehungsweise Übertragungszeit von einem Ort zu einem anderen üblicherweisemit zunehmendem Fluss auf dieser Strecke ebenfalls anwächst. Dabei nimmt manan, dass Verkehrsteilnehmer anhand der aktuellen Verkehrssituation ihre Route so

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Eigennütziges Routing 3

wählen, dass sie selbst möglichst kurze Reisezeit unter den aktuellen Verkehrsbedin-gungen haben. Eine gewisse Aufwärmphase vorausgesetzt, ergibt sich so nach einigerZeit ein Gleichgewicht, in dem kein Verkehrsteilnehmer mehr durch unilaterale Än-derung seiner Route einen Gewinn erzielen kann. In früheren Arbeiten wurde gezeigt,dass in tatsächlichen städtischen Verkehrssituationen die beaobachteten Verkehrs-flüsse tatsächlich näher an einer solchen Verkehrsaufteilung liegen als etwa an einerAufteilung, die die Gesamtreisezeit minimiert.

So formulierte etwa Wardrop 1952 zwei Prinzipien, welche den Begriff diesesGleichgewichts und – als alternatives Ziel – die Minimierung der Gesamtreisezeitcharakterisieren. Sein erstes Prinzip lautet:

The journey times on all the routes actually used are equal, and lessthan those which would be experienced by a single vehicle on any unusedroute.

Zugrunde liegt das Konzept von sogenannten Nash-Equilibrien: Sie beschreibeneinen Zustand aus der Spieletheorie, bei der jeder Spieler seine Strategie unter derVoraussetzung optimal gewählt hat, dass alle anderen Spieler an ihrer Strategie fest-halten. Erstmals in dieser Form beschrieben wurde dieses Konzept von Nash (1951).

In Verkehrsnetzen werden Verkehrsaufteilungen nach Wardrops ersten Prinzipüblich als Benutzer-Equilibrium bezeichnet. Das Systemoptimum wird durch War-drops zweites Prinzip beschrieben:

The average journey time is a minimum.

Es ist dabei nicht überraschend, dass ein Benutzer-Equilibrium im Allgemeinen keinSystemoptimum ist – wie im nächsten Abschnitt auch an einem Beispiel gezeigt wird.Verlangt man jedoch die Linearität der Latenzfunktionen, welche die Reisezeitenvon einem Ort zu einem anderen anhand des Verkehrsaufkommens beschreiben,so zeigen Roughgarden & Tardos (2002), dass die Gesamtreisezeit eines Benutzer-Equilibriums maximal 4

3der eines Systemoptimums betragen kann. Ferner beweist

Roughgarden (2003), dass dieses Verhältnis sogar bei einer viel größeren Menge vonLatenzfunktionen immer unabhängig vom Verkehrsnetz ist (und ausschließlich vonden gewählten Latenzfunktionen abhängt).

Diese Seminararbeit zeigt Erweiterungen dieser Erkenntnisse auf, wie sie von Cor-rea et al. (2004) beschrieben werden: Betrachtet man nur Equilibrien mit minimalerReisezeit (also die besten Benutzer-Equilibrien), so lassen sich konstante Schrankenfür das zuvor erwähnte Verhältnis aufrecht erhalten, selbst wenn man Kapazitätsbe-schränkungen auf den einzelnen Verkehrswegen einführt. Für einige Ergebnisse vonRoughgarden & Tardos (2002) und Roughgarden (2003) werden ferner einfachereBeweise gegeben, die zudem schwächere Voraussetzungen haben.

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4 Florian Schoppmann

2. Modellierung

2.1. Netzwerke ohne Kapazitätsbeschränkungen. Das grundlegende Modelleines Verkehrsnetzes wird wie folgt definiert.

Definition 2.1. Ein Netzwerk (ohne Kapazitätsbeschränkungen) ist ein aus fol-genden Komponenten bestehendes Modell:

◦ Ein gerichtetes Netzwerk D = (N, A) von Knoten (Nodes) und Kanten (Arcs)

◦ Eine Menge K ⊆ N ×N von Start-Ziel (OD) Paaren

◦ Für jedes OD-Paar k ∈ K: Ein (beliebig teilbarer) Fluss dk, der vom Startzum Ziel geroutet werden muss – im Folgenden Bedarf genannt.

◦ Für jede Kante a ∈ A: Eine nicht-negative, monoton wachsende und stetigeLatenzfunktion `a : R → R≥0 ∪ {∞}. Dabei gibt `a(x) die Zeit an, die zumTraversieren von a benötigt wird, wenn x der Fluss auf a ist.

Aufgrund der Anzahl eingeführter Bezeichnungen werden diese im Rest der Ar-beit – sofern eindeutig – nicht erneut explizit als Voraussetzung angegeben, sondernwie in Definition 2.1 verwendet.

Sei also ein Netzwerk ohne Kapazitätsbeschränkungen gegeben. Für k ∈ K,bezeichne Pk die Menge aller einfachen Pfade in D vom Start zum Ziel. Ferner seiP := ∪k∈KPk. Es bezeichne fP den Fluss auf einem Pfad P .

Definition 2.2. Sei ein Netzwerk ohne Kapazitätsbeschränkungen gegeben. EinRouting ist ein nicht-negativer Vektor f = (fP )P∈P . Dabei heißt das Routing fzulässig, wenn es den Bedarf erfüllt:∑

P∈Pk

fP = dk für alle k ∈ K

Bemerkung 2.3. Correa et al. (2004) verwenden für ein Routing den Begriff pathflow, für den Fluss auf einer Kante die Bezeichnung arc flow. Um die Unterscheidungzu vereinfachen, sind in dieser Arbeit unterschiedliche Begriffe gewählt worden.

Es werden einige weitere Festlegungen benötigt: Sei f ein Routing. Der Fluss aufeiner Kante a ∈ A wird mit fa bezeichnet und lässt sich errechnen durch:

fa =∑P∈Pa∈P

fP

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Eigennütziges Routing 5

Die Reisezeit entlang eines Pfades P ist definiert als:

`P (f) :=∑a∈P

`a(fa)

Die Gesamtreisezeit eines Routings errechnet sich damit als:

C(f) :=∑P∈P

`P (f)fP

Einsetzen und Umstellen der Summe ergibt eine alternative Darstellung:

C(f) =∑P∈P

`P (f)fP =∑P∈P

∑a∈P

`a(fa)fP

=∑a∈A

∑P∈Pa∈P

`a(fa)fP =∑a∈A

`a(fa)∑P∈Pa∈P

fP(2.4)

=∑a∈A

`a(fa)fa

Dabei gilt Gleichheit (2.4), da die zweite Summation nur über Pfade mit a ∈ Perfolgt. Zur Betrachtung von Equilibrien wird später die Kostenfunktion Cf (x) mitkonstanten Reisezeiten benötigt, wobei f ein zulässiges Routing ist. Es wird definiert:Cf (x) :=

∑a∈A `a(fa)xa. Damit gilt natürlich Cf (f) = C(f).

Beispiel 2.5. Figur 2.1 zeigt ein sehr einfaches Netzwerk, das die Definitionen ver-deutlicht.

a b

ℓ(x)=x+1

ℓ(x)=2

d=2

Figur 2.1: Einfaches Netzwerk ohne Kapazitätsbeschränkungen

Einziges OD-Paar ist k := (a, b) mit einem Bedarf dk = 2. Die obere Kante seimit a1 bezeichnet, die untere mit a2. Offensichtlich enthält auch P nur zwei Pfade P1

und P2, die jeweils über eine der beiden Kanten führen. Folglich ist jedes Routing ein2-Tupel (fP1 , fP2). Für jedes zulässige Routing muss dabei gelten: fP1 +fP2 = dk = 2.Sei etwa f := (1, 1). Dann beträgt die Gesamtreisezeit:

C(f) = `a1(1) · 1 + `a2(1) · 1 = (1 + 1) · 1 + 2 · 1 = 4

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6 Florian Schoppmann

Man stellt fest, dass bei diesem Routing die Reisezeiten auf allen Pfaden gleich sind.Nach Wardrops erstem Prinzip ist f also ein Benutzer-Equilibrium. ♦

Gemäß Wardrops zweitem Prinzip minimiert ein Systemoptimum die Gesamt-reisezeit C(·) und ist demzufolge Lösung des folgenden nicht-linearen Optimerungs-problems:

min∑a∈A

`a(fa)fa(2.6a)

so dass∑P∈Pa∈P

fP = fa für alle a ∈ A,(2.6b)

∑P∈Pk

fP = dk für alle k ∈ K,(2.6c)

fP ≥ 0 für alle P ∈ P .(2.6d)

2.2. Ergebnisse vorheriger Arbeiten. Geben sei wieder ein Netzwerk ohneKapazitätsbeschränkungen. Es ist bekannt:

1. Ein Routing f ist ein Benutzer-Equilibrium genau dann, wenn:∑a∈P

`a(fa) ≤∑a∈Q

`a(fa) für alle k ∈ K, P, Q ∈ Pk, fP > 0

Mit anderen Worten: f ist Equilibrium genau dann, wenn die Reisezeit entlangeines jeden benutzten Pfades zu einem OD-Paar k nicht größer ist als die Reise-zeit entlang eines beliebigen anderen Pfades zu k. Dies ist eine Formalisierungvon Wardrops erstem Prinzip.

2. Ein Routing f ist ein Benutzer-Equilibrium genau dann, wenn für jedes Rou-ting x gilt:

Cf (f) ≤ Cf (x)(2.7)

Dies ist leicht einsehbar, da bei einem Benutzer-Equilibrium alle Benutzer diegünstigsten Pfade in Bezug auf die Kantentraversierungszeiten `f

a(·) gewählthaben.

3. Ein Benutzer-Equilibrium existiert immer und hat eine eindeutig bestimmteGesamtreisezeit – auch wenn mehrere Equilibrien existieren. Die Menge derBenutzer-Equilibrien ist Lösungsmenge des nicht-linearen Optimierungspro-blems (2.6a) – (2.6d), bei dem (2.6a) durch

∑a∈A

∫ fa

0`a(x)dx ersetzt wird.

Die Berechnung ist effizient möglich, da (xa)a∈A 7→∑

a∈A

∫ fa

0`a(x)dx konvex

ist. Vergleiche Beckmann et al. (1956).

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Eigennütziges Routing 7

4. Wenn `a differenzierbar ist und x 7→ `a(x)x konvex für alle a ∈ A, dann gilt:Ein Routing f ∗ ist genau dann optimal, wenn:

∀k ∈ K, P, Q ∈ Pk, f ∗P > 0 :∑a∈P

`∗a(f∗a ) ≤

∑a∈Q

`∗a(f∗a )

Hierbei bezeichnet `∗a(x) := `a(x)+`′a(x)x = ddz

(`a(z)z)∣∣z=x

die Grenzkosten aufKante a bei Fluss x auf dieser Kante. Ein Systemoptimum ist also ein Benutzer-Equilibrium in einem modifizierten Netzwerk, bei dem die Latenzfunktionendurch ihre Grenzkosten ersetzt wurden. Vergleiche beispielsweise Roughgarden(2003, Propositions 2.2, 2.7).

Sind alle Latenzfunktionen in einem Netzwerk linear, so zeigen Roughgarden& Tardos (2002), dass die Gesamtreisezeit eines Benuzter-Equilibriums nahe beimSystemoptimum liegt. Correa et al. (2004) geben einen einfacheren Beweis an:

Satz 2.8 (Roughgarden & Tardos 2002). Seien f ein Benutzer-Equilibrium und f ∗

ein Systemoptimum in einem Netzwerk mit linearen Latenzfunktionen. Dann giltC(f) ≤ 4

3C(f ∗).

Beweis. Sei x ein beliebiges zulässiges Routing. Nach Voraussetzung lässt sichjede Latenzfunktion `a(x) darstellen als qa · x + ra mit qa, ra ≥ 0. Dann:

C(f) = Cf (f) ≤ Cf (x) nach (2.7)

=∑a∈A

(qafa + ra)xa =∑a∈A

(qafaxa + raxa)

≤∑a∈A

[qa

(x2

a +1

4f 2

a

)+ raxa

]=

∑a∈A

(qaxa + ra)xa +1

4

∑a∈A

qaf2a(2.9)

≤ C(x) +1

4

∑a∈A

(qafa + ra)fa

= C(x) +1

4C(f)

Es gilt Ungleichung (2.9), da nach Voraussetzung qa ≥ 0 und zudem:

x2a +

1

4f 2

a ≥ faxa ⇔ (xa − fa/2)2 ≥ 0

Subtraktion von 14C(f) ergibt schließlich 3

4C(f) ≤ C(x) für jedes zulässige Routing

x. Einsetzen eines Systemoptimums f ∗ liefert die Behauptung. �

In einem Netzwerk wird das größtmögliche Verhältnis zwischen der Gesamtrei-sezeit eines Nash-Equilibriums und der eines Systemoptimums von Roughgarden(2003) als Preis der Anarchie bezeichnet. Die Aussage von Satz 2.8 lässt sich also soumformulieren, dass der Preis der Anarchie für lineare Latenzfunktionen unabhängigvom Netzwerk nach oben durch 4

3beschränkt ist.

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8 Florian Schoppmann

2.3. Braess’ Paradoxon. In diesem Abschnitt wird ein Beispiel für ein Netzwerkohne Kapazitätsbeschränkungen gegeben, das den Begriff des Benutzer-Equilibriumsverdeutlicht. Ferner war es Braess’ Paradoxon, so schreiben Roughgarden & Tardos(2002, Seite 239), das viele Arbeiten auf diesem Gebiet inspirierte.

Beispiel 2.10 (Braess’ Paradoxon). Das in Figur 2.2 abgebildete Netzwerk ohneKapazitätsbeschränkungen illustriert, dass Benutzer-Equilibrien nicht optimal seinmüssen.

a

b

c

d

ℓ(x)=x

ℓ(x)=1

ℓ(x)=1

ℓ(x)=x

a

b

c

d

ℓ(x)=x

ℓ(x)=1

ℓ(x)=1

ℓ(x)=x

ℓ(x)=0neue Kante

d=1d=1

Figur 2.2: Braess’ Paradoxon

Es ist ein Fluss von 1 von a nach d zu routen. Offensichtlich gibt es genau zweiPfade P1, P2 von a nach d: P1 := (a, b, d) und P2 := (a, c, d). Einziges OD-Paar ist(a, d), so dass also auch P = {P1, P2}. Nach Defintion für die Kosten eines Routingsf = (fP1 , fP2) gilt:

C(f) =∑P∈P

`P (f)fP = `P1(f)fP1 + `P2(f)fP2

= (fP1 + 1)fP1 + (1 + fP2)fP2 = f 2P1

+ fP1 + f 2P2

+ fP2

Ferner muss gelten: fP1 + fP2 = 1.Das Systemoptimum kann man mit Mitteln der Analysis berechnen: Offensicht-

lich sind x := fP1 und y := fP2 Parameter für eine Funktion g(x, y) := x + y − 1,auf deren Nullstellenmenge das Minimum von h(x, y) := x2 + x + y2 + y gesucht ist.Denn: g ist implizit durch die Bedingung y = 1− x definierte Funktion. Also:

ming(x,y)=0x,y∈[0,1]

{h(x, y)} = minx∈[0,1]

{h(x, 1− x)}

Es gilt:

h(x, 1− x) = x2 + x + (1− x)2 + (1− x) = 2x2 − 2x + 2 undd

dxh(x, 1− x) = 4x− 2 = 0 ⇔ x =

1

2

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Eigennütziges Routing 9

Man überzeugt sich leicht, dass die notwendige Bedingung x = 12

auch hinreichendfür ein lokales (und auch globales) Minimum auf [0, 1] ist. Dementsprechend wirdC(·) durch das Routing f = (1

2, 1

2) minimiert und es gilt C(f) = 3

2. Dies ist offen-

sichtlich auch ein Benutzer-Equilibrium, da die Reisezeit auf jedem benutzten Pfadnicht größer als auf irgendeinem anderen Pfad des gleichen OD-Paares ist.

Das Hinzufügen einer Kante, wie in Figur 2.2 dargestellt, kann intuitiv als nütz-lich angesehen werden. Nachrechnen ergibt jedoch, dass das Systemoptimum nichtverbessert wird – schlechter kann es offensichtlich nicht werden.

Das Benutzer-Equilibrium verschlechtert sich allerdings: Der Pfad (a, b, c, d) weistjeweils so lange niedrigere Reisezeit als (a, b, d) und (a, c, d) auf, bis der gesamteFluss diesen längeren Pfad benutzt. Dann jedoch beträgt die Gesamtreisezeit 2 > 3

2.

Demnach ist Braess’ Paradoxon auch ein Beispiel dafür, dass Benutzer-Equilibriennicht optimal sein müssen: Der Preis der Anarchie ist 2/3

2= 4

3. ♦

Andererseits wurde mit Satz 2.8 gezeigt, dass bei ausschließlich linearen Latenz-funktionen der Faktor 4

3eine obere Schranke für das Verhältnis der Gesamtreisezeit

eines Benuzter-Equilibriums zu der einer optimalen Lösung darstellt. Das Beispielstellt insofern ein „Worst-Case“ Szenario dar.

3. Netzwerke mit Kapazitätsbeschränkungen

Die Latenzfunktionen `a im bisherigen Modell bilden die Verkehrsdichte auf einerVerbindung (Kante) a ab auf die durchschnittliche Reisezeit zum Traversieren. Cor-rea et al. (2004) erwähnen die Ergebnisse einiger älterer Arbeiten, in denen her-ausgestellt wurde, dass das bisherige Modell in Teilen unrealistisch ist: Prinzipiellkönnen über Verbindungen unbegrenzte Mengen von Verkehr fließen – die Kantenhaben also unbegrenzte Kapazitäten.

In der Praxis ist es oft aber wünschenswert, Kapazitäten zu modellieren. EineBehelfsmöglichkeit stellen Latenzfunktionen dar, die gegen unendlich streben, wennder Verkehrsfluss sich der Kapazität annähert. Als problematisch wurden in frühe-ren Arbeiten aber auch hier asymptotisch unrealistisch hohe Reisezeiten sowie einenumerisch ungünstige Problemstellung gezeigt.

Daher werden im Folgenden explizite Kapazitäten eingeführt. Dazu wird dasModell aus Abschnitt 2.1 wird wie folgt erweitert:

Definition 3.1. (i) Ein Netzwerk mit Kapazitätsbeschränkungen ist eine ausfolgenden Bestandteilen bestehende Modellierung:

◦ Ein Netzwerk ohne Kapazitätsbeschränkungen, wie in Definition 2.1.

◦ Für jede Kante a ∈ A: Eine Kapazitätsbeschränkung ca.

Die übrigen Definitionen gelten analog.

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(ii) Ein Routing f für ein Netzwerk mit Kapazitätsbeschränkungen heißt zulässig,falls es zulässig nach Definition 2.1 ist und zusätzlich fa ≤ ca für alle a ∈ Agilt.

(iii) Ein Pfad P ∈ P heißt unsaturiert bezüglich eines Routings f genau dann,wenn fa < ca für alle a ∈ P . Andernfalls heißt P saturiert.

Im Rest der Arbeit werden der Einfachheit halber nur Netzwerke mit Kapazitäts-beschränkungen betrachtet, die ein zulässiges Routing besitzen, also erfüllbar sind.Bei der neuen Definition stellt sich die Frage, wie nun ein Benutzer-Equilibrium zudefinieren ist. Offensichtlich wird mit Kapazitätsbeschränkungen Wardrops erstesPrinzip nicht mehr erfüllt: Figur 3.1 zeigt ein einfaches Netzwerk mit Kapazitätsbe-schränkungen, für das das Routing (1, 1) ein Nash-Equilibrium darstellt. Bei diesemRouting könnte kein Verkehrsteilnehmer durch unilaterales Wechseln seiner Routedie Reisezeit verbessern. Die Reisezeiten auf den einzigen beiden Pfaden sind dabeiallerdings verschieden.

Hier und im Folgenden wird in Abbildungen die Angabe von Kapazitätsbeschrän-kungen ca weggelassen, wenn ca = ∞ gilt.

a b

ℓ(x)=1c=1

ℓ(x)=2

d=2

Figur 3.1: Einfaches Netzwerk mit Kapazitätsbeschränkungen

Definition 3.2. Ein Routing f ist ein Benutzer-Equilibrium mit Kapazitätsbe-schränkungen, wenn kein OD-Paar einen unsaturierten Pfad mit echt kleinerer Rei-sezeit hat als irgendein anderer für dieses Paar benutzter Pfad. Das heißt formal: Füralle k ∈ K und P ∈ Pk gilt: fP > 0 ⇒ `P (f) ≤ min{`Q(f) | Q ∈ Pk unsaturiert}.

Man beachte, dass die Definition eine echte Erweiterung ist: Im Modell ohne Ka-pazitätsbeschränkungen ist sie offensichtlich äquivalent zu Wardrops erstem Prinzip,da jede Kante unsaturiert ist.

Sei Lk(f) := max{`P (f) | P ∈ Pk und fP > 0}. Dann erfüllt ein Routing ffolgende Bedingungen: Wenn `P (f) > Lk(f), muss fP = 0 gelten, da Lk(f) maximalgewählt wurde. Wenn `P (f) < Lk(f), dann ist P saturiert, denn alle unsaturiertenPfade haben wie zuvor die gleiche Reisezeit Lk(f). Jeder Pfad in Pk gehört alsoeiner von drei Klassen an:

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Eigennütziges Routing 11

◦ Den „schnellen“, aber saturierten Pfaden,

◦ den Pfaden mit Reisezeit Lk(f) oder

◦ den „langsamen“ und daher unbenutzten Pfaden.

3.1. Eigenschaften von Benutzer-Equilibrien. Wie zuvor gesehen, haben alleBenutzer-Equilibrien in einem Netzwerk ohne Kapazitätsbeschränkungen die gleicheGesamtreisezeit. Im Falle, dass Kapazitätsbeschränkungen gegeben sind, ist dies imAllgemeinen nicht mehr der Fall. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen.

Beispiel 3.3. Betrachte das in Figur 3.2 (a) gezeigte Netzwerk mit Kapazitätsbe-schränkungen.

a b c

d e f

ℓ(x)=0 ℓ(x)=0

ℓ(x)=0 ℓ(x)=0

ℓ(x)=1 ℓ(x)=1 c=2 ℓ(x)=xd=2 d=2

(a)

2

1

1 2 v

wzulässigeRoutings

Menge von Benutzer-Equilibrien

(b)

Figur 3.2: Netzwerk mit verschiedenen Benutzer-Equilibrien

Die beiden OD-Paare sind k1 := (a, d) und k2 := (c, f). Die Menge der Pfade fürk1 ist: Pk1 = {(a, d), (a, b, e, d)}. Analog: Pk2 = {(c, f), (c, b, e, f)}. Ein Routing f istalso ein 4-Tupel: f = (fP )P∈P . Aufgrund der Voraussetzungen dk1 = dk2 = 2 und dafür jedes OD-Paar genau 2 Pfade existieren, existiert eine Bijektion aller zulässigenRoutings auf die Menge R := {(v, w) ∈ [0, 2] | v + w ≤ 2}. Hierbei gibt v = f(a,b,e,d)

den Fluss von a nach d über die mittlere Kante an, w = f(c,b,e,f) entsprechend denFluss von c nach f über die mittlere Kante. Die Flüsse auf (a, d) und (c, f) ergebensich offenbar durch 2− v beziehungsweise 2− w.

Gemäß Definition 3.2 entspricht (v, w) ∈ R einem Benutzer-Equilibrium mitKapazitätsbeschränkungen genau dann, wenn

(i) w = 1, denn dann sind die Reisezeiten von c nach f über beide Pfade gleich.

(ii) v + w = 2 und w < 1, denn dann ist jeder Pfad über die mittlere Kantesaturiert. Durch w < 1 ist sichergestellt, dass der unsaturierte Pfad (c, f)geringere Kosten hat als (c, b, e, f).

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12 Florian Schoppmann

Nachrechnen ergibt: Die Gesamtreisezeit für ein Routing f – repräsentiert durch(v, w) ∈ R – beträgt:

(2− v) · 1 + v · 1 + w · 1 + (2− w) · (2− w) = 2 + w + (2− w)2

= w2 − 3w + 6(3.4)

Es gibt also unendlich viele Benutzer-Equilibrien von unterschiedlicher Qualität.Figur 3.2 (b) illustriert, dass ihre Menge nicht einmal konvex sein muss. ♦

Im vorangegangenen Beispiel legt (3.4) die Vermutung nahe, dass der Preis derAnarchie beliebig hoch werden kann. Ein weiteres Beispiel demonstriert dies:

Beispiel 3.5. Figur 3.3 zeigt ein Netzwerk mit Kapazitätsbeschränkungen.

a

b

c

d

ℓ(x)=xc=1/2

ℓ(x)=1

ℓ(x)=1

ℓ(x)=xc=1/2

ℓ(x)=0d=1

ℓ(x)=M

Figur 3.3: Netzwerk mit Preis der Anarchie größer als 12M

Es sei f Routing mit Fluss 12

sowohl auf Pfad (a, b, c, d) als auch auf (a, d). Mansieht, dass dabei auf (a, b, c, d) die Reisezeit 1

2+ 0 + 1

2= 1 beträgt. Auf (a, d) ist die

Reisezeit stets M . Auf den anderen beiden Pfaden gibt es keinen Fluss. Folglich istfür M ≥ 1 die Reisezeit auf (a, d) größer oder gleich der auf (a, b, c, d), so dass es kei-nen unsaturierten Pfad gibt, der echt kleinere Reisezeit hat als irgendein anderer fürdieses Paar benutzter Pfad. Damit ist f Benutzer-Equilibrium mit GesamtreisezeitC(f) = 1

2+ 1

2M .

Das Routing g mit Fluss von jeweils 12

auf (a, b, d) und (a, c, d) hat Gesamtrei-sezeit von offensichtlich nur 1

2

(12

+ 1)

+ 12

(1 + 1

2

)= 3

2. Folglich kann der Preis der

Anarchie beliebig groß werden, wenn M →∞. ♦

Bemerkung 3.6. Nach Definition 3.2 kann die Situation entstehen, dass Reisendeauf einem längeren Pfad zur Saturierung eines schnelleren Pfades mit einem ge-meinsamen Teilpfad beitragen. Ein Beispiel wird in Abbildung Figur 3.4 gegeben.

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Eigennütziges Routing 13

Offensichtlich handelt es sich um ein Equilibrium, da es keine unsaturierten Pfadevon a nach d gibt.

a b d

c

c=2ℓ(x)=1 ℓ(x)=1

ℓ(x)=1d=2

f(a,b,c,d)=2

Figur 3.4: „Unnatürliches“ Equilibrium mit Kapazitätsbeschränkungen

Um derartige „unnatürlich“ Equilibrien auszuschließen, wäre eine alternative De-finition eines Benutzer-Equilibriums mit Kapazitätsbeschränkungen denkbar:

Kein beliebig kleiner Teil von Reisenden auf gleichem Pfad kann seineReisezeit durch Wechseln auf einen anderen Pfad verkleinern.

Formal ließe sich diese alternative Definition wie folgt formulieren: Sei f ein Routing.Ferner:

f εP :=

fQ − ε wenn P = QfR + ε wenn P = RfP sonst

(3.7)

Wenn dann für alle OD-Paare k ∈ K, alle Q,R ∈ Pk mit fQ > 0 und alle ε > 0gilt, dass `R(f ε) ≥ `Q(f) oder f ε kein zulässiges Routing ist, so ist f Benutzer-Equilibrium.

Man stellt fest, dass die alternative Definition einschränkender als Definition 3.2ist. Die Menge der Equilibrien ist eine echte Teilmenge. Beispiel 3.3 und Beispiel 3.5würden aber weiterhin gelten.

3.2. BMW-Equilibrium. Die (effiziente) Berechnung eines Benutzer-Equilibri-ums mit Kapazitätsbeschränkungen scheint naheliegend: Dem in Abschnitt 2.2 unter3. beschriebenen Optimierungsproblem – nach Beckmann et al. (1956) – werden die

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14 Florian Schoppmann

Kapazitäten als zusätzliche Nebenbedingungen hinzugefügt. Es ergibt sich:

min∑a∈A

∫ fa

0

`a(x)dx(3.8a)

so dass∑P∈Pa∈P

fP = fa für alle a ∈ A,(3.8b)

∑P∈Pk

fP = dk für alle k ∈ K,(3.8c)

fa ≤ ca für alle a ∈ A,(3.8d)fP ≥ 0 für alle P ∈ P .(3.8e)

Nach Voraussetzung sind die `a monoton wachsende stetige Funktionen. Dement-sprechend beschreibt das Optimierungsproblem eine Minimierung einer konvexenFunktion über einem (nicht leeren) Polytop. Die Lösungsmenge ist also ebenfallsnicht leer und konvex.

Definition 3.9. Eine optimale Lösung des durch (3.8a) – (3.8e) gegebenen Opti-mierungsproblems heißt Beckmann, McGuire & Winsten- beziehungsweise im Fol-genden nur noch kurz BMW-Equilibrium.

Man beachte, dass ein BMW-Equilibrium nicht notwendigerweise ein Equilibri-um mit minimaler Gesamtreisezeit sein muss. Es ist an dieser Stelle nicht einmalper se klar, dass ein BMW-Equilibrium überhaupt ein Benutzer-Equilibrium mitKapazitätsbeschränkungen ist. Sowohl der Nachweis hierfür als auch eine a poste-riori Rechtfertigung für die Wahl der Definition wird im Folgenden erbracht. Es wirdgezeigt, dass ein BMW-Equilibrium einige nützliche Eigenschaften aufweist.

Lemma 3.10. Ein zulässiges Routing f ist ein BMW-Equilibrium in einem Netz-werk mit Kapazitätsbeschränkungen genau dann, wenn für jedes zulässige Routingx gilt:

Cf (f) ≤ Cf (x)

Beweis. Es bezeichne D ⊆ R|A|≥0 die Menge aller zulässigen Routings, die die

Nebenbedingungen (3.8b) – (3.8e) erfüllen. Wie zuvor gesehen, ist D ein Polytopund somit konvex. Ferner sei γ : R

|A|≥0 → R≥0 definiert als:

γ((xa)a∈A) :=∑a∈A

∫ xa

0

`a(z)dz

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Eigennütziges Routing 15

Dann gilt offensichtlich: Der Gradient von γ an einer Stelle x := (xa)a∈A ist ∇γ(x) =(`a(xa))a∈A. Als Richtungsableitung in Richtung h := (ha)a∈A an Stelle x ergibt sichsomit: ⟨

(`a(xa))a∈A,h

‖h‖2

⟩=

1

‖h‖2

∑a∈A

ha`a(xa)

„⇒“ Sei nun f ein BMW-Equilibrium und x ein beliebiges zulässiges Routing. NachVoraussetzung ist f globales Minimum von γ|D, insbesondere gilt also γ(f) ≤γ(x). Da D konvex ist, muss aber auch für alle x′ mit x′ = (1 − c)f + cx,c ∈ [0, 1], gelten: γ(f) ≤ γ(x′). Folglich ist die Richtungsableitung an derStelle f in Richtung x− f positiv und es gilt:

Cf (x)− Cf (f) =∑a∈A

(xa − fa)`a(fa)

= ‖x− f‖2︸ ︷︷ ︸≥0

·⟨

(`a(fa))a∈A,x− f

‖x− f‖2

⟩≥ 0

(3.11)

„⇐“ Es sei f ein zulässiges Routing. Gilt für alle weiteren zulässigen Routings x,dass Cf (f) ≤ Cf (x), dann ist nach (3.11) die Richtungsableitung von γ an derStelle f in alle zulässigen Richtungen positiv. Aufgrund der Konvexität von γist f folglich ein globales Minimum von γ|D und nach Definition 3.9 also einBMW-Equilibrium. �

Satz 3.12. Jedes BMW-Equilibrium ist ein Benutzer-Equilibrium (mit Kapazitäts-beschränkungen).

Beweis. Es wird gezeigt: Die Bedingung, wie in Bemerkung 3.6 angegeben, wirderfüllt. Dann gilt auch Definition 3.2. Dazu wird die Annahme zum Widerspruchgeführt, dass es ein ε gibt, so dass es für jedes ε ∈ (0, ε] zwei Pfade Q, R ∈ Pk fürein OD-Paar k gibt mit fQ > 0 und `R(f ε) < `Q(f):

Sei also x := f ε. Es gilt:

Cf (x)− Cf (f) =∑a∈A

(xa − fa)`a(fa)

=∑P∈P

(xP − fP )`P (f)

= ε(`R(f)− `Q(f)) nach(3.7)

(3.13)

Nach Annahme muss aber `R(f) < `Q(f) sein, da `R(f) ≤ `R(f ε) nach (3.7) undLatenzfunktionen monoton wachsend und stetig sind. Damit folgt nach (3.13), dassCf (x) < Cf (f). Nach Lemma 3.10 ein Widerspruch! �

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16 Florian Schoppmann

Es gibt einen weiteren Grund, der das Betrachten von BMW-Equilibrien rechtfer-tigt: Ohne explizite Kapazitätsbeschränkungen werden Höchstgrenzen im Verkehrs-fluss oft durch modifizierte Latenzfunktionen modelliert. Naheliegend und üblich istfolgende Methode: Es wird ein „Strafparameter“ µ ∈ R≥0 gewählt und die Latenz-funktionen wie folgt modifiziert:

`µa(xa) :=

{`(xa) + µ

ca−xafür xa < ca

∞ für xa ≥ ca

In Lemma 3.14 wird gezeigt, dass im Grenzfall µ → 0 eigennützige Verkehrsteilneh-mer genauso agieren wie bei einem BMW-Equilibrium.

Lemma 3.14. Gegeben sei ein Netzwerk mit Kapazitätsbeschränkungen. Ferner sei-en (µi) eine streng monoton fallende Nullfolge und (f i) die entsprechende Folge vonBenutzer-Equilibrien im gleichen Netzwerk ohne Kapazitätsbeschränkungen, abermit Latenzfunktionen `µi

a . Dann ist jeder Häufungspunkt der Folge (f i) ein BMW-Equilibrium der ursprünglichen Instanz (mit Kapazitätsbeschränkungen).

Beweis. Definiere für ein a ∈ R:

[·]<a : R→ R ∪ {∞}, x 7→

{x wenn x < a

∞ sonst

Nach Beckmann et al. (1956) ist bekannt: Ein Benutzer-Equilibrium f i (in einemNetzwerk ohne explizite Kapazitätsbeschränkungen) minimiert

(xa)a∈A 7→∑a∈A

∫ xa

0

(`a(z) +

[µi

ca − z

]<ca)

dz(3.15)

unter den Nebenbedingungen (3.8b) – (3.8e). Die Kapazitätsbeschränkungen werdenoffensichtlich eingehalten, da es immer (nach unserer Konvention, nur erfüllbareNetzwerke zu betrachten) eine Lösung mit endlicher Gesamtreisezeit gibt.

Folglich minimiert f i auch

(xa)a∈A 7→∑a∈A

∫ xa

0

`a(z)dz − µi

∑a∈A

[ln(ca − xa)

]<ca

(3.16)

unter selbigen Bedingungen, da (3.16) und (3.15) sich nur um eine Konstante un-terscheiden. Also muss jeder Häufungspunkt von (f i) ein BMW-Equilibrium derursprünglichen Instanz sein, wie am Grenzfall µi → 0 ersichtlich. �

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Eigennütziges Routing 17

Auch wenn jede konvergente Teilfolge gegen ein BMW-Equilibrium konvergiert,ist im Allgemeinen nicht erfüllt, dass das Verhältnis der Gesamtreisezeit der Be-nutzer-Equilibrien zu den jeweiligen Systemoptima entsprechend konvergiert – esalso als Grenzwert das Verhältnis des BMW-Equilibriums zum Systemoptimum imNetzwerk mit expliziten Kapazitäten aufweist.

Formal: Sei etwa (f ij) eine Teilfolge, die gegen ein BMW-Equilibrium f konver-giert. Dann gilt im Allgemeinen:

Cµi(f ij)

Cµi(f ij ,∗)6

µi→0

−−−→ C(f)

C(f ∗)(3.17)

Dabei bezeichnen f ij ,∗ und f ∗ jeweils Systemoptima der Instanzen, in denen f ij

Benuzter-Equilibrium beziehungsweise f BMW-Equilibrium sind. Das in Figur 3.5dargestellte Beispiel illustriert dies:

a b

ℓ(x)=1c=1

ℓ(x)=2

d=2

Figur 3.5: Einfaches Netzwerk mit Kapazitätsbeschränkungen

Man sieht leicht, dass Systemoptimum f ∗ und BMW-Equilibrium f zusammen-fallen und über beide Pfade einen Fluss von 1 routen. Gesamtreisezeit ist demnachjeweils C(f ∗) = C(f) = 3. Wird nun die Kapazitätsbeschränkung über eine modifi-zierte Latenzfunktion für den oberen Pfad,

`(x) = 1 +µ

1− x,

modelliert, so ergibt sich als Benutzer-Equilibrium fµ := (1 − µ, 1 + µ). Die ersteKomponente beschreibt hier den Fluss auf dem oberen Pfad. Denn nur so sind dieReisezeiten über beide Pfad gleich. Als Systemoptimum ergibt sich fµ,∗ := (1 −√

µ, 1+√

µ) mit Gesamtreisezeit 3−µ+2√

µ, denn nur so sind die Grenzkosten aufbeiden Pfaden gleich.

Folglich konvergiert die linke Seite von (3.17) gegen 43

und nicht gegen 1. Wiein Lemma 3.14 gezeigt, konvergieren die Benutzer-Equilibrien (1 − µi, 1 + µi) abergegen das BMW-Equilibrium (1, 1) für µi → 0.

3.3. Preis der Anarchie bei BMW-Equilibrien. In diesem Abschnitt wirdeine obere Schranke für den Preis der Anarchie hergeleitet, sofern man sich aufBMW-Equilibrien beschränkt.

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18 Florian Schoppmann

Satz 3.18. Sei ein Netzwerk mit Kapazitätsbeschränkungen gegeben, für das f einBMW-Equilibrium ist. Ferner sei x ein zulässiges Routing für das gleiche Netzwerk,wobei allerdings Kapazitäten und Bedarf verdoppelt sind. Dann gilt C(f) ≤ C(x).

Beweis. Definiere neue Latenzfunktionen:

`a(xa) =

{`a(fa) wenn xa ≤ fa

`a(xa) wenn xa > fa

(3.19)

Offensichtlich sind auch die `a nicht negativ, monoton wachsend und stetig. Esbezeichne C(x) die Gesamtreisezeit bei Routing x mit den neuen Latenzfunktionen.Dabei gilt:

C(x)− C(x) =∑a∈A

(`a(xa)− `a(xa))xa

≤∑a∈A

`a(fa)fa = C(f)(3.20)

Es gilt (3.20), da `a(xa)− `a(xa) = 0 für xa > fa und andernfalls `a(xa)− `a(xa) =`a(fa) − `a(xa) ≤ `a(fa). Folglich ist (`a(xa) − `a(xa))xa nach oben durch `a(fa)fa

beschränkt.Ferner gilt nach Definition: `a(xa) ≥ `a(fa). Damit ergibt sich:

C(x) =∑a∈A

`a(xa)xa ≥∑a∈A

`a(fa)xa = Cf (x)(3.21)

Da 12· x ein zulässiges Routing für das ursprüngliche Netzwerk ist, muss nach Lem-

ma 3.10 gelten: Cf (12· x) ≥ C(f). Insgesamt ergibt sich somit:

C(f) = 2 · C(f)− C(f) = 2 · Cf (1

2· x)− C(f)

= Cf (x)− C(f)(3.22)

≤ C(x)− C(f) nach (3.21)≤ C(x) nach (3.20)

Hierbei ist (3.22) dadurch einzusehen, dass bei konstanten Latenzen die Gesamtrei-sezeit linear mit einem Routing skaliert. �

Im Folgenden wird nun die Effizienz eines beliebigen BMW-Equilibriums unter-sucht. Weiterhin seien die Latenzfunktionen nicht negativ, monoton wachsend undstetig. Sei L im Folgenden eine Menge von Latenzfunktionen, beispielsweise alle Po-lynome vom Grad n mit positiven Koeffizienten. Für jede Funktion ` ∈ L und jedes

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Eigennütziges Routing 19

v ≥ 0 wird definiert:

β(v, `) :=

{0 wenn v = 0 oder `(v) = 0

1`(v)v

·maxx≥0{x(`(v)− `(x))} sonst(3.23)

β(`) := supv≥0

β(v, `)

β(L) := sup`∈L

β(`)

Es lassen sich unter anderem folgende Eigenschaften feststellen:

◦ Offensichtlich ist β(v, `) ≥ 0, wie man sofort bei x = v sieht.

◦ Das Maximum in (3.23) kann nur für x ∈ [0, v] angenommen werden, da fürx > v gilt: x(`(v)− `(x)) ≤ 0.

◦ Es gilt β(v, `) < 1, da x(`(v) − `(x)) ∈ [0, `(v)v] für alle x ∈ [0, v]. Es kannaber nicht β(v, `) = 1 sein, da dann x = v und somit `(v) − `(x) = 0 seinmüsste.

◦ Aufgrund der letzten Bemerkung sind auch β(`) und β(L) kleiner oder gleich1.

Satz 3.24. Sei L eine Menge von nicht negativen, monoton wachsenden und ste-tigen Latenzfunktionen. Gegeben sei ein Netzwerk mit Kapazitätsbeschränkungen,wobei alle Latenzfunktionen aus L stammen. Dann ist das Verhältnis der Gesamt-reisezeit eines BMW-Equilibriums f zu der eines Systemoptimums f ∗ nach obenbeschränkt durch (1− β(L))−1:

C(f) ≤ 1

1− β(L)· C(f ∗)

Beweis. Sei x ein zulässiges Routing. Es gilt:

Cf (x) =∑a∈A

`a(fa)xa =∑a∈A

`a(fa)xa − `a(xa)xa + `a(xa)xa

≤∑a∈A

maxx≥0

{`a(fa)x− `a(x)x}+ `a(xa)xa

=∑a∈A

β(fa, `a)`a(fa)fa + `a(xa)xa(3.25)

≤ β(L)C(f) + C(x)

Einsetzen von f ∗ für x ergibt:

C(f) ≤ Cf (x) nach Lemma 3.10≤ β(L)C(f) + C(f ∗) �

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20 Florian Schoppmann

3.4. Der Anarchie-Wert einer Menge von Latenzfunktionen. Roughgar-den (2003) führt für eine Menge von Latenzfunktionen L den Anarchie-Wert α(L)ein. Als Voraussetzung an L stellt Roughgarden, dass jede enthaltene Latenzfunktion` zusätzlich zu den normalen Eigenschaften differenzierbar und x 7→ `(x)x konvexist. Der Anarchie-Wert α(`) einer Latenzfunktion ` wird dann definiert als:

α(`) := supv>0

`(v)>0

(λ · `(λv)

`(v)+ (1− λ)

)−1

(3.26)

Dabei ist λ ∈ [0, 1] Lösung für `∗(λv) = `(λv) + `′(λv)λv = `(v). Ein solches λ gibtes aufgrund der Stetigkeit von `∗ nach Zwischenwertsatz, denn `∗(0 ·v) = `(0) ≤ `(v)und `∗(1 · v) = `(v) + `′(v)v ≥ `(v). Umstellen von (3.26) ergibt:

α(`) :=

1− supv>0

`(v)>0

λ

(`(v)− `(λv)

`(v)

)−1

Zur anschaunlichen Erklärung des Anarchie-Wertes betrachte Figur 3.6.

a b

ℓ(x)=t(x)

ℓ(x)=t(v)

d=v

(a)

a b

ℓ*(x)=t(x)+t (́x)x

d=v

ℓ*(x)=t(v)

(b)

Figur 3.6: Latenzfunktionen und Grenzkosten

Nach Abschnitt 2.2 ist bekannt: Ein Systemoptimum für das gezeigte Netzwerk(a) ist ein Benutzer-Equilibrium des Netzwerks in (b), bei dem die Latenzfunktionengenau die Grenzkostenfunktionen des Netzwerks aus (a) sind.

Es sei f ∗ das Systemoptimum, f ein Benutzer-Equilibrium. Die Kosten C(f ∗)des Systemoptimums betragen λv · t(λv) + (v − λv) · `(v), wenn λ ∈ [0, 1] Lösungfür `∗(λv) = `(v) ist. Die Kosten eines Benutzer-Equilibriums C(f) dagegen sindeinfach zu bestimmen durch: v · t(v).

Als Preis der Anarchie ergibt sich:

C(f)

C(f ∗)=

(λ · t(λv) + (1− λ) · `(v)

`(v)

)−1

=

(λ · t(λv)

`(v)+ (1− λ)

)−1

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Eigennütziges Routing 21

Somit erklärt sich Definition (3.26): Durch α(`) wird der höchstmögliche Preis derAnarchie in einem Netzwerk wie in Figur 3.6 (a) beschrieben (unter den Vorausset-zungen wie oben):

α(`) = supv>0

`(v)>0

C(f(v))

C(f ∗(v))(3.27)

Hierbei seien f und f ∗ wie oben erklärt, jedoch in Abhängigkeit eines variablenBedarfs v.

Hauptergebnis von Roughgarden (2003, Theorem 3.8) ist, dass der Preis der An-archie unabhängig von der Netzwerktopologie ist. Das heißt, die Abschätzung desPreises der Anarchie nach oben durch α(L) gilt für jedes Netzwerk ohne Kapazi-tätsbeschränkungen.

Lemma 3.28. Gegeben sei eine Menge von Latenzfunktionen L. Jedes ` ∈ L seidifferenzierbar und x 7→ `(x)x sei konvex. Dann gilt: α(L) = (1− β(L))−1

Beweis. Nach Definition genügt zu zeigen: α(`) = (1 − β(`))−1 für jedes ` ∈ L.Sei also ` ∈ L.

„≤“ Es gilt α(`) ≤ (1 − β(`))−1, denn mit Einsetzen von x = λv in (3.23) erhältman:

β(`) ≥ supv≥0

`(v)≥0

λ

(`(v)− `(λv)

`(v)

)(3.29)

Folglich α(`)−1 ≥ 1− β(`) und α(`) ≤ (1− β(`))−1.

„≥“ Betrachte wieder (3.23) für ein v > 0. Es gilt: x 7→ x(`(v) − `(x)) = `(v)x −`(x)x ist konkav, da x 7→ `(x)x konvex ist. Folglich nimmt x 7→ x(`(v)− `(x))sein Maximum an einer Stelle ξ ∈ (0, v) an und d

dx(x(`(v) − `(x))|x=ξ = 0.

Also ist `∗(λv) = `(v) genau dann erfüllt, wenn λ = ξv, und in (3.29) gilt auch

„≤“. �

Das Hauptergebnis von Roughgarden (2003, Theorem 3.8) wird durch Lem-ma 3.28 also impliziert, denn β ist unabhängig von der Struktur des zugrundeliegenden Netzwerkes definiert. Ferner wird es sogar auf Mengen von Latenzfunktio-nen erweitert, die nicht die von Roughgarden angegeben Voraussetzungen erfüllen– sondern nur die in Abschnitt Abschnitt 3.3 gemachten.

Bemerkung 3.30. Lemma 3.28 impliziert ein weiteres Ergebnis: Die in Satz 3.18gegebene obere Schranke wird (wenigstens asymptotisch) auch angenommen. Diesist klar nach (3.27).

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22 Florian Schoppmann

4. Berechnung des höchstmöglichen Preises der AnarchieLemma 4.1. Sei L Menge von Latenzfunktionen. Es gebe eine Funktion s : R→ R,so dass jedes ` ∈ L die Ungleichung `(cx) ≥ s(c)`(x) für alle c ∈ [0, 1] und x ∈ R≥0

erfüllt. Dann gilt:

β(L) ≤ sup0≤x≤1

{x(1− s(x))}

Beweis. Umstellen von (3.23) ergibt:

β(v, `) = max0≤x≤v

{x

v

(1− `(x)

`(v)

)}= max

0≤x≤v

{x

v

(1− `((x/v) · v)

`(v)

)}≤ sup

0≤x≤v

{x

v

(1− s(x/v)`(v)

`(v)

)}nach Voraussetzung

= sup0≤x≤1

{x(1− s(x))}

Nach Definition von β(L) folgt die Behauptung. �

Lemma 4.2. Sei L Menge von Latenzfunktionen. Es gebe eine Funktion s : R→ R,so dass jedes ` ∈ L die Ungleichung `(cx) ≥ s(c)+`(x) für alle c ∈ [0, 1] und x ∈ R≥0

erfüllt. Ferner sei ein Netzwerk mit Kapazitätsbeschränkungen gegeben, für das fein BMW-Equilibrium und f ∗ ein Systemoptimum ist. Es ist D :=

∑k∈K dk der

Gesamtbedarf. Dann gilt:

C(f) ≤ C(f ∗)− |A| ·D · inf0≤x≤1

{x · s(x)}

Beweis. Einsetzen von (3.23) ergibt:

`(v)β(v, `) = max0≤x≤v

{x

v(`(v)− `(x))

}= max

0≤x≤v

{x

v

(`(v)− `

(x

v· v

))}≤ sup

0≤x≤v

{x

v·(`(v)− s

(x

v

)− `(v)

)}nach Voraussetzung

≤ sup0≤x≤v

{−x

v· s

(x

v

)}= − inf

0≤x≤1{x · s(x)}(4.3)

Es folgt:

C(f) ≤∑a∈A

β(fa, `a)`a(fa)fa +∑a∈A

`a(f∗a )f ∗a nach (3.25)

≤ −∑a∈A

inf0≤x≤1

{x · s(x)} · fa + C(f ∗) nach (4.3)

≤ C(f ∗)− |A| ·D · inf0≤x≤1

{x · s(x)} �

Die Erkenntnisse werden im Folgenden auf einige Mengen von Latenzfunktionenangewendet. Für die Menge aller konkaven Funktionen lässt sich aussagen:

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Eigennütziges Routing 23

Korollar 4.4. Sei L Menge von Latenzfunktionen. Ferner gelte für alle ` ∈ L:`(cx) ≥ c · `(x) für alle c ∈ [0, 1] und x ∈ R≥0. Dann gilt: α(L) ≤ 4

3.

Beweis. Setze s(x) := x. Dann gilt nach Lemma 4.1:

β(L) ≤ sup0≤x≤1

{x(1− x)} =1

4

Die Behauptung folgt, da α(L) = (1− β(L))−1 = 43. �

Insofern ist Korollar 4.4 eine Erweiterung zu Satz 2.8: Letzterer macht eine Aus-sage zu linearen Latenzfunktionen und Netzwerken ohne Kapazitätsbeschänkungen,ersterer zu allgemeinen konkaven Latenzfunktionen und Netzwerken mit Kapazi-tätsbeschänkungen.

Korollar 4.5. Sei L Menge von Latenzfunktionen und n ∈ N. Ferner gelte füralle ` ∈ L: `(cx) ≥ cn · `(x) für alle c ∈ [0, 1] und x ∈ R≥0. Dann gilt:

α(L) ≤ (n + 1)1+1/n

(n + 1)1+1/n − n

Beweis. Setze s(x) := xn. Dann gilt nach Lemma 4.1:

β(L) ≤ sup0≤x≤1

{x(1− xn)}

=n

(n + 1)1+1/n(4.6)

Dabei ist (4.6) wie folgt einzusehen: Definiere γ(x) := x(1 − xn). Offensichtlich istγ stetig und konkav auf [0, 1] und γ(0) = γ(1) = 0. Folglich nimmt γ auf [0, 1] seinMaximum an einer Stelle ξ ∈ (0, 1) an, wobei γ′(ξ) = 1− (n+1)ξn = 0 gelten muss.Umstellen ergibt ξ = 1

(n+1)1/n . Demnach:

sup0≤x≤1

{x(1− xn)} = γ(ξ) =n

(n + 1)1+1/n�

Korollar 4.7. Sei L Menge von Latenzfunktionen und n ∈ N. Ferner gelte füralle ` ∈ L: `(cx) ≥ logb(c) + `(x) für alle c ∈ [0, 1] und x ∈ R≥0. Es sei ein Netzwerkmit Kapazitätsbeschränkungen gegeben, für das f ein BMW-Equilibrium und f ∗ einSystemoptimum ist. Es ist D :=

∑k∈K dk der Gesamtbedarf. Dann gilt:

C(f) ≤ C(f ∗) +|A| ·De ln b

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24 Florian Schoppmann

Beweis. Setze s(x) := logb(x). Dann gilt nach Lemma 4.2:

C(f) ≤ C(f ∗)− |A| ·D · inf0≤x≤1

{x · logb(x)}

= C(f ∗) +|A| ·De ln b

(4.8)

Dabei ist (4.8) wie folgt einzusehen: Definiere γ(x) := x · logb(x). Offensichtlich istγ auf (0, 1] konvex. Gibt es eine Stelle ξ ∈ (0, 1), an der γ′(x) = ln x

ln bverschwindet,

so muss folglich dieses ξ das Minimum von γ auf (0, 1] sein. Nachrechnen ergibt:ξ = e−1. Demnach:

C(f ∗)− |A| ·D · inf0≤x≤1

{x · logb(x)} = C(f ∗)− |A| ·D · γ(ξ)

= C(f ∗)− |A| ·D · −1

e ln b�

5. Unstetige Latenzfunktionen

In diesem Abschnitt wird überlegt, ob sich die bisherigen Ergebnisse auch auf unste-tige Latenzfunktionen erweitern lassen. Bernstein & Smith (1994) etwa zeigen auf,dass dies in der Praxis manchmal wünschenswert ist.

Ähnlich zu Bemerkung 3.6 stellt sich die Frage, wie man in diesem Fall einEquilibrium sinnvoll definiert. Figur 5.1 zeigt ein Netzwerk, bei dem gemäß Defini-tion 3.2 oder (3.7) keine Benutzer-Equilibrien existieren. Allerdings stellt man fest,dass (1, 1) ein BMW-Equilibrium ist.

a b

ℓ(x)=x

d=2

x falls x < 1x+1 falls x ≥ 1ℓ(x)=

Figur 5.1: Kein Benutzer-Equilibrium in einfachem Netzwerk mit unstetigen La-tenzfunktionen

5.1. Linksstetige Latenzfunktionen. Es werden zunächst linksstetige Latenz-funktionen betrachtet. Man sieht leicht, dass ein BMW-Equilibrium hier weiterhinimmer existiert: Nach wie vor wird von (3.8a) – (3.8e) eine konvexe Funktion übereinem nicht leeren Polytop minimiert.

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Eigennütziges Routing 25

Um einen Beweis analog zu Satz 3.24 zu führen, wird folgende Neudefinitionvorgenommen. Seien f und x zulässige Routings, dann:

Cf (x) :=∑a∈A

`a(f+a )xa

Hierbei bezeichnet `a(f+a ) den rechtsseitigen Grenzwert limz↘fa `a(z). Analog be-

zeichnet `a(f−a ) im Folgenden den linksseitigen Grenzwert.

Da die Latenzfunktionen nicht mehr stetig sein müssen, hat

γ((xa)a∈A) :=∑a∈A

∫ xa

0

`a(z)dz

im Allgemeinen keinen Gradient. Aufgrund der Konvexität von γ gibt es jedochstets einen Subgradient, an Stelle f etwa ∇f := (`a(f

+a ))a∈A. Mit dieser Festlegung

ergibt sich als einfache Darstellung: Cf (x) = 〈∇f , x〉. Sei nun f BMW-Equilibriumund somit Minimumstelle, dann muss für jedes zulässige Routing x die folgendeUngleichung gelten:

〈∇f , x− f〉 = 〈∇f , x〉 − 〈∇f , f〉 ≥ 0

⇔ Cf (f) ≤ Cf (x)

Dies ist eine direkte Konsequenz daraus, dass ∇f Subgradient von γ an der Stelle fist. Nach Definition gilt ferner C(f) ≤ Cf (f), da die Latenzfunktionen linksstetigsind.

Eine kleine Änderung ist auch am Parameter β(v, `) nötig, der wie folgt neudefiniert wird:

β(v, `) :=1

v · `(v)maxx≥0

{x(`(v+)− `(x))}

Der Beweis kann nun vervollständigt werden:

C(f) ≤ Cf (f) ≤ Cf (x) nach Vorbemerkungen

=∑a∈A

`a(f+a )xa =

∑a∈A

`a(f+a )xa − `a(xa)xa + `a(xa)xa

≤∑a∈A

maxx≥0

{`a(f+a )x− `a(x)x}+ `a(xa)xa

=∑a∈A

β(fa, `a)`a(fa)fa + `a(xa)xa

≤ β(L)C(f) + C(x)

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26 Florian Schoppmann

5.2. Allgemeine unstetige Latenzfunktionen. Zu klären bleibt die Frage, obsich auch für allgemeine unstetige Latenzfunktionen eine Aussage analog zu Satz 3.24machen lässt. Hier stellt man fest, dass es zumindest schwierig ist, eine passende Er-weiterung der bisherigen Definitionen vorzunehmen. Dies lässt sich anhand folgenderInstanz illustrieren: Gegeben sei wieder ein Netzwerk wie in Figur 5.1 dargestellt.Der Bedarf von a nach b betrage jedoch nur 1 und die Latenz auf der oberen Kanter sei `r(x) = 1 und auf der unteren Kante s:

`s(x) =

12

wenn 0 ≤ x ≤ 12

23x + 1

3wenn 1

2≤ x < 1

43

wenn x ≥ 1

Offensichtlich lässt sich jedes zulässige Routing mittels einer Unbekannten dar-stellen. Identifiziert man (1−x, x) mit x, wobei die erste Komponente den Fluss aufder oberen Kante angibt, so ist ein BMW-Equilibrium nach Definition Minimum-stelle von

x 7→∫ 1−x

0

`r(z)dz +

∫ x

0

`s(z)dz

=

{1− x + 1

2x für 0 ≤ x ≤ 1

2

1− x + 14

+ 13x2 + 1

3x− 1

4für 1

2≤ x ≤ 1

=

{1− 1

2x für 0 ≤ x ≤ 1

2

1− 23x + 1

3x2 für 1

2≤ x ≤ 1

auf dem Intervall [0, 1]. Man sieht leicht, dass das Minimum bei x = 1 angenommenwird, also f := (0, 1) einziges BMW-Equilibrium ist. Die Gesamtreisezeit beträgtoffensichtlich 4

3.

Das Systemoptimum wäre Minimumstelle von

x 7→ `r(1− x)(1− x) + `s(x)x

=

1− x + 1

2x für 0 ≤ x < 1

2

1− x + 23x2 + 1

3x für 1

2≤ x < 1

1− x + 43x für x = 1

=

1− 1

2x für 0 ≤ x < 1

2

1− 23x + 2

3x2 für 1

2≤ x < 1

1 + 13x für x = 1

Offensichtlich nimmt die Abbildung auf [0, 1] jedoch kein Minimum an. Das Infimumkann aber durch x = 1

2−ε, also das Routing f ε := (1

2+ε, 1

2−ε) approximiert werden.

Für ε → 0 strebt die Gesamtreisezeit dann gegen 3/4.

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Eigennütziges Routing 27

Die Definition des Parameters β(v, `) werde noch etwas weiter als im vorigenAbschnitt verallgemeinert:

β(v, `) :=1

v · `(v−)supx≥0

{x(`(v+)− `(x−))}

=1

v · `(v−)sup

0≤x≤v{x(`(v+)− `(x−))}

Im Beispiel ergibt sich dann β(L) = supv≥0 β(v, `s) = 5/12. Denn:

β(v, `s) =

2v· sup0≤x≤v

{x

(12− 1

2

)}= 0 für 0 ≤ v < 1

2

4 · 12

(23− 1

2

)= 1

3für v = 1

2

123v2+ 1

3v· sup0≤x≤v

{x

(23v + 1

3− `s(x

−))} (∗)

≤ 14

für 12

< v < 1

sup0≤x≤1

{x

(43− `s(x

−))}

= 512

für v = 134v· sup0≤x≤v

{x

(43− `s(x

−))}

< 13

für v > 1

Dabei ist (*) wie folgt einzusehen. Es gilt für 12

< v < 1:

123v2 + 1

3v· sup

0≤x≤ 12

{x

(2

3v +

1

3− `s(x

−)

)}=

13v − 1

1223v2 + 1

3v≤ 1

4

und ferner:

123v2 + 1

3v· sup

12<x≤v

{2

3x(v − x)

}=

13v − 1

623v2 + 1

3v≤ 1

6

Jedoch:

1

1− β(L)C(f ε)

ε→0−−→ 12

7· 3

4=

9

7<

4

3= C(f)

Folglich gilt Satz 3.24 für keine sinnvolle Erweiterung der bisherigen Definitionen imFalle von allgemeinen unstetigen Latenzfunktionen.

6. FazitBereits 1952 beschrieb Wardrop, dass das Verhalten von Verkehrsteilnehmern inVerkehrsnetzen durch Nash-Equilibrien modelliert werden kann. Umgekehrt lassensich auf diese Art und Weise Vorhersagen über zu erwartende Verkehrsflüsse anstel-len. Dabei ist jedoch bekannt, dass Nash-Equilibrien im Allgemeinen keine optimaleLösung darstellen, im Falle von Verkehrsnetzen also nicht die Gesamtreisezeit mini-miert wird.

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28 Florian Schoppmann

Roughgarden & Tardos zeigten 2002, dass bei ausschließlich linearen Latenzfunk-tionen in einem Netzwerk ohne Kapazitätsbeschränkungen die Gesamtreisezeit einesNash-Equilibriums maximal 4

3der eines Systemoptimums sein kann. Roughgarden

(2003) ergänzte später, dass der Preis der Anarchie sogar für alle Netzwerke mitausschließlich differenzierbaren Latenzfunktionen, deren Produkte mit der Identitätjeweils konvexe Funktion ergeben, unabhängig von der Netzwerktopologie ist. DerPreis der Anarchie bezeichnet dabei für ein fest gewähltes Netzwerk das maximaleVerhältnis der Gesamtreisezeit eines Equilibriums zu der eines Systemoptimums.

In dieser Arbeit wurden die Ergebnisse von Correa et al. (2004) präsentiert,die die beschriebenen vorherigen Erkenntnisse erweitern: Lässt man nur bestimmteEquilibrien mit „guten“ Eigenschaften zu, so wurde für das erweiterte Modell vonNetzwerken mit Kapazitätsbeschränkungen gezeigt, dass auch hier der Preis der An-archie ausschließlich von den gewählten Latenzfunktionen abhängt. Diese Erkenntnisist eine echte Erweiterung, da jedes Equilibrium eines Netzwerks ohne Kapazitäts-beschränkungen auch ein solches „gutes“ Equilibrium ist. Insbesondere lässt sichein derartiges Equilibrium in Netzwerken mit Kapazitätsbeschränkungen effizientberechnen – etwa das in der Arbeit vorgestellte BMW-Equilibrium.

Schließlich wurde für einige wichtige Mengen von Latenzfunktionen gezeigt, wiesich der höchstmögliche Preis der Anarchie bestimmen lässt. Das Hauptergebnisdieser Arbeit, die ausschließliche Abhängigkeit des Preises der Anarchie von dergewählten Menge der Latenzfunktionen, wurde darüber hinaus auch auf linksste-tige Latenzfunktionen übertragen – jeweils vorausgesetzt, man beschränkt sich aufBMW-Equilibrien.

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Eigennütziges Routing 29

Abbildungsverzeichnis

2.1 Einfaches Netzwerk ohne Kapazitätsbeschränkungen . . . . . . . . . 52.2 Braess’ Paradoxon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83.1 Einfaches Netzwerk mit Kapazitätsbeschränkungen . . . . . . . . . . 103.2 Netzwerk mit verschiedenen Benutzer-Equilibrien . . . . . . . . . . . 113.3 Netzwerk mit Preis der Anarchie größer als 1

2M . . . . . . . . . . . . 12

3.4 „Unnatürliches“ Equilibrium mit Kapazitätsbeschränkungen . . . . . 133.5 Einfaches Netzwerk mit Kapazitätsbeschränkungen . . . . . . . . . . 173.6 Latenzfunktionen und Grenzkosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205.1 Kein Benutzer-Equilibrium in einfachem Netzwerk mit unstetigen La-

tenzfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24

LiteraturM. J. Beckmann, C. B. McGuire & C. B. Winsten (1956). Studies in the Economicsof Transportation. Yale University Press, New Haven, CT. 6, 13, 14, 16

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José R. Correa, Andreas S. Schulz & Nicolás E. Stier-Moses (2004). SelfishRouting in Capacitated Networks. Mathematics of Operations Research 29(4), 961–976.ISSN 0364-765X. 3, 4, 7, 9, 28

J. F. Nash (1951). Non-cooperative games. Annals of Mathematics 54(2), 286–295. 3

Tim Roughgarden (2003). The price of anarchy is independent of the network topology.Journal of Computer and System Sciences 67(2), 341–364. ISSN 0022-0000. URL http://dx.doi.org/10.1016/S0022-0000(03)00044-8. 3, 7, 20, 21, 28

Tim Roughgarden & Éva Tardos (2002). How bad is selfish routing? Journal ofthe ACM 49(2), 236–259. ISSN 0004-5411. URL http://doi.acm.org/10.1145/506147.506153. 3, 7, 8, 27, 28

John Glen Wardrop (1952). Some theoretical aspects of road traffic research. InProceedings of the Institution of Civil Engineers, volume 1, 325–378. 3, 27

Florian SchoppmannDörener Weg 6133100 [email protected]