60
EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG AUTOREN: SILKE KAINZBAUER & DR. WOLFGANG BRANDHUBER E-BOOK VERS 005 SPONSORED BY

EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

  • Upload
    others

  • View
    3

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

EINE EINFÜHRUNG IN DIE

AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG

AUTOREN: SILKE KAINZBAUER & DR. WOLFGANG BRANDHUBER

E-BOOKVERS 005

SPONSORED BY

Page 2: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Copyright © 2017 SIGS DATACOM GmbHLindlaustraße 2c53842 Troisdorf

HerausgeberSIGS DATACOM GmbHLindlaustraße 2c53842 [email protected]

Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ist ohne die schriftliche Zustimmung des Herausgebers ur-heberrechtswidrig und daher strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen. Es wird darauf hingewiesen, dass die in der Broschüre verwendeten Soft- und Hardware-Bezeich-nungen sowie Markennamen und Produktbezeichnungen der jeweiligen Firmen im Allgemeinen warenzeichen-, marken- oder patentrechtlichem Schutz unterliegen. Alle Angaben und Programme in dieser Broschüre wurden mit größter Sorgfalt kon-trolliert. Weder Autor noch Herausgeber können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die im Zusammenhang mit der Verwendung dieser Broschüre stehen. Wo nicht anders angegeben, wurde auf die im Text verlinkten Quellen zurückgegriffen.

Page 3: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

SILKE KAINZBAUER

Silke Kainzbauer arbeitet seit über 20 Jahren im Bereich Veränderungsmanagement als Beraterin und Systemi-scher Coach. Schwerpunkte ihrer Tätigkeit sind die nach-haltige Umsetzung von Veränderungen in Organisationen, die Selbstorganisation in Teams und die Entwicklung agi-ler Führung. Ihre Projekterfahrung reicht dabei von der Arbeit als Projektleitung und Agiler Coach bis hin zu Scrum Master und Product Owner.Sie hat dabei einen starken systemischen Fokus und unterstützt Menschen, um Ant-worten auf aktuelle Herausforderungen in Veränderungsprozessen zu finden und neue Wege gehen zu können. Insbesondere die Arbeit mit Führungskräften im Über-gang von hierarchischen zu lean-agilen Organisationsformen ist ein wesent licher Kern ihrer Tätigkeit und aus ihrer Sicht eine der wichtigsten Grundlagen für das Gelingen eines erfolgreichen Wandels.

Sie ist Diplom-Psychologin und Master of Business Administration und unterhält neben ihrer Arbeit in agilen Projekten in Würzburg eine Coaching-Praxis. Sie ent-wickelte von Beginn das Agile Moves Frameworks (www.agile-moves.com) mit und setzt es aktiv in der Projektarbeit und im Coaching ein.

DR. WOLFGANG BRANDHUBER

Dr. Wolfgang Brandhuber ist seit über 13 Jahren als IT-Be-rater für die Unternehmensberatung Accenture vor allem im agilen Umfeld tätig. Neben der Leitung mehrerer agiler Pro-jekte hat er als Entwickler, Product Owner, Scrum Master, Chief Scrum Master und Agile Head Coach geholfen, agile Entwicklung in Start Ups und Großprojekten einzuführen.

Sein Studium der Elektrotechnik an der Friedrich-Alexander-Universität Erlan-gen-Nürnberg mit den Schwerpunkten Medizintechnik, Hochspannungstechnik, Nachrichtentechnik und digitale Signalverabeitung, schloss er mit einer Promotion in Wavelet-Theorie ab. Sein Wissen als Java-Entwickler, Datenbank Architekt und agiler Coach gibt er seit vielen Jahren als Trainer und Trainer‘s Trainer innerhalb und außerhalb von Accenture weiter. In seiner Freizeit spielt er neben Fußball auch Klavier, Querflöte, Bass und vor allem Saxophon, arrangiert und komponiert Songs und tritt in verschiedenen Besetzungen auf.

Seine große Leidenschaft gilt dem Lernen, sowohl persönlich als auch in Teams und Organisationen. Seit 2012 arbeitet er zusammen mit anderen agilen Coaches an und mit den Agile Moves (www.agile-moves.com). Sein starker interdisziplinärer Fokus speist sich aus der intensiven Arbeit mit Teams in Unternehmen, als Fußballtrainer und in der Musik.

SEITE 3

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 4: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

SPONSOREN

Die KEGON AG ist eines der führenden europäischen Beratungshäuser, wenn es um die Skalierung von Agilität geht.

• Sie haben erste Erfahrungen mit SCRUM gemacht und planen nun, größere Projekte mit vielen Teams agil aufzusetzen? Als offizieller Scaled Agile Partner verfügen wir über das Wissen und die Erfah-rung, um Sie bei der Skalierung optimal zu unterstützen. Wir lernen jeden Tag dazu – machen Sie mit!

• Sie wollen Ihre gesamte Organisation schlank und agil gestalten? Mit unseren zertifizierten Beratern schaffen wir einen ganzheitlichen Ansatz für die Transformation Ihres Unternehmens in eine agile Unternehmenskultur. Unser Trainingsangebot für die Projekt-, Organisations- und Führungspraxis unterstützt Ihre Mitarbeiter im laufenden Veränderungsprozess – auch in Form von Inhouse-Schulungen.

• Sie suchen einen erfahrenen Partner, der einen agilen Change-Prozess kulturell und organisatorisch umsetzen kann? Wir leben Agilität. Fundiertes Wissen, das wir ständig erweitern und genauso regelmäßig hinterfragen, ist die Basis unserer Arbeit. Aber erst durch das Können des KEGON-Partners, seine Erfahrung und Intuition, sind herausra-gende Lösungen möglich. Auch für Ihr Unternehmen!

Bei KEGON arbeiten Menschen mit langjähriger, vielseitiger Berufserfahrung, die unternehmerisch denken und ebenso handeln. Im Team finden wir die richtige Lösung für die Ziele unserer Kunden und legen uns dafür ins Zeug. Mit Leidenschaft für technologische Entwicklung und Liebe zum Detail.

Und sollten Fragen offenbleiben: Gegenseitige Unterstützung und regelmäßiger Erfahrungsaustausch gehören zu unserer gelebten Unternehmenskultur. Profitie-ren Sie davon!

Weitere Informationen zu KEGON und unseren Angeboten finden Sie hier: KEGON AGBiebricher Allee 119 · 65187 WiesbadenTelefon +49 611 20 50 80 · [email protected]

SEITE 4

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 5: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

INHALT

1 Einleitung 7

2 Organisationsentwicklung 13

2.1 Spielphilosophie 6

2.2 Organisationsarchitektur 19

2.2.1 Diversifizierung 20

2.2.2 Die gemeinsame Ausrichtung (Alignment) 23

2.3 Trainingsplan 24

3 Datenbasierte Transformation 29

3.1 Flussdaten 29

3.1.1 Änderungsgeschwindigkeit 30

3.2 Objektive Daten 33

3.2.1 Reifegradmodelle 35

3.3 Subjektive Daten 37

4 Individualentwicklung 39

4.1 Karrieremodell 42

4.2 Agile Human Resources 44

4.3 Training und Enablement 46

5 Zusammenfassung 49

SEITE 5

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 6: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

6 Anhang 51

6.1 Wissenskanon 51

6.1.1 Leading Change 51

6.1.2 Switch: How to Change Things When Change Is Hard 52

6.1.3 Crossing the Chasm: Marketing and Selling Disruptive Products to Mainstream Customers 53

6.1.4 The Tipping Point: How Little Things Can Make a Big Difference 54

6.1.5 Adapt: Why Success Always Starts with Failure 55

6.2 Literatur 56

DISCLAIMER

Wir zeigen in diesem Buch einen neuen Ansatz von agiler Organisationsentwicklung auf. Es zielt vor allem auf Leser mit professionellem agilem Hintergrund, die in ska-lierten agilen Umgebungen arbeiten und nach neuen Wegen suchen, um eine erfolg-reiche agile Transformation umzusetzen. Wir beschreiben die Aspekte vor allem aus dem Blickwinkel des Deltas zwischen gängiger Praxis und funktionierender agi-ler Organisationsentwicklung. Es ist daher notwendig, sein agiles Handwerkszeug zu beherrschen, wenn die beschriebenen Maßnahmen sinnvoll eingesetzt werden sollen.

SEITE 6

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 7: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

1 EINLEITUNG

Was will Organisationsentwicklung? Eine Organisation muss schnell und passend auf die Anforderungen ihrer Umwelt reagieren können, um erfolgreich zu sein. Das Ziel der Organisationsentwicklung ist deshalb, diese Reaktionsfähigkeit zu verbes-sern. Dies geschieht, in dem man an deren wichtigsten Stellschrauben dreht:

• an der Vorhersagbarkeit der Umsetzungsdauer und an der Wirkung der Maß nahmen und

• an der Geschwindigkeit, mit der diese Maßnahmen implementiert werden können.

Vorhersagbarkeit setzt voraus, dass ich ein Ziel vor Augen habe und zur Zielerrei-chung bestimmte Maßnahmen durchführen möchte, von denen ich mit einer gewis-sen Sicherheit sagen kann, wie und wann sie mich zum Ziel führen. Geschwindigkeit setzt voraus, dass Strukturen implementiert sind, die mir erlauben, zügig Maßnah-men umzusetzen, zeitnah ein Feedback über ihre Wirkung zu erhalten und sie ent-sprechend schnell anzupassen.

Reaktionsfähigkeit

Geschwindigkeit Vorhersagbarkeit

Abbildung 1: Einflussfaktoren der Reaktionsfähigkeit

„If the rate of change on the outside exceeds the rate of change on the inside, the end is near.”

– Jack Welch – (CEO General Electric in GE‘s Annual Report 2000)

SEITE 7

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 8: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Eine Organisation ist ein komplexes System. Diese Perspektive ist elementar für das Gelingen einer positiven Gesamtentwicklung. Wenn Teile eines Systems versuchen, sich selbst zu optimieren, ohne das Wohl des gesamten Systems im Blick zu haben, führt das in der Summe zu einer Schwächung aller. Deswegen ist es notwendig, alle Schritte hin zu einer reaktionsfähigen Organisation unter einem systemischen Blickwinkel zu betrachten und dabei immer die Optimierung des Gesamtsystems im Fokus zu haben.

Die systemische Sichtweise beinhaltet aber noch einen weiteren Aspekt, der leicht übersehen wird: Systeme streben Stabilität an. Organisationsentwicklung hat die Aufgabe, diese Stabilität zu stören und gleichzeitig zu helfen, einen neuen stabi-len Zustand zu erreichen, der dem Marktumfeld des Unternehmens besser ent-spricht. Die instabile Übergangsphase zwischen zwei stabilen Zuständen nennen wir Umbruchphase oder Disruption. In dieser Zeit ist das System irritiert und weniger produktiv. Deswegen sollte sie möglichst kurz sein und so strukturiert wie mög-lich ablaufen. Die Mitarbeiter in einer Organisation gewöhnen sich an den konti-nuierlichen Wechsel zwischen den Phasen und fassen Vertrauen in den Umgang mit Disruption, wenn sie merken, dass die kurzzeitige Instabilität zu einer besseren Anpassung an die Erfordernisse führt und ihre tägliche Arbeit dadurch einfacher oder leichter wird. Sie bauen dann eine Art innere Muskulatur auf, um immer besser damit umzugehen, weil es sich für sie lohnt, sich darauf einzulassen.

Stabilität Stabilität

Disruption Disruption Disruption

Stabilität

Abbildung 2: Wechsel von Phasen der Stabilität zu Phasen der Disruption bei der Weiterentwicklung eines Systems

Und das alles soll Organisationsentwicklung leisten?

In diesem Buch zeigen wir Wege auf, wie eine Organisation iterativ eine agile und gleichzeitig stabile Struktur entwickeln kann, die ihr eine schnelle Reaktionsfähig-keit ermöglicht und wie sie diese kontinuierlich weiterentwickeln kann. Wir stellen ein Modell vor, das die Organisationsentwicklung von einer zusätzlichen Verände-rungsbelastung der Mitarbeiter zum zentralen Motor eines agilen Unternehmens werden lässt.

SEITE 8

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 9: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Die Initiative, einen neuen Weg aufzuzeigen, kommt aus unserer langjährigen Erfah-rung mit Organisationsentwicklung und Veränderungsinitiativen in großen Unter-nehmen verschiedener Branchen. Wir sehen immer wieder, dass die meisten der agilen Transformationsprojekte nicht die Erwartungen erfüllen, die man an sie hat. Trotz eines immensen Aufwands an Zeit und Geld bleiben sehr viele agile Verände-rungsprojekte auf halbem Wege stecken und erzeugen mehr Kosten und Frustration als sie Nutzen bringen.

In vielen Unternehmen wirkt die Ausprägung von Agilität wie die Imitation einer Fremdsprache, die der Redner gar nicht beherrscht: Es klingt sehr ähnlich, macht aber keinen Sinn für jemanden, der Agilität versteht. Der Unterschied zwischen äuße-rer Form und Inhalt wird bei der Implementierung von Agilität häufig ignoriert und ist für das Scheitern vieler Transformationen verantwortlich. Agilität ist aus unse-rer Sicht eine Geisteshaltung und keine Abfolge von Ritualen und Formalien. Um in Unternehmen die Reaktions- und Innovationsgeschwindigkeit zu erhöhen und dem steigenden Marktdruck zu begegnen, werden jedoch agile Methoden oft als Pro-zessänderung eingeführt. Das hat nichts mit einer konsequenten Umsetzung lean- agiler Strukturen zu tun und hat zur Folge, dass sich das Ergebnis häufig auf eine Kombination von agilen Arbeitsweisen auf der Teamebene und etwas diskreter geleb-ten hierarchischen Führungsstrukturen beschränkt. Der Rest bleibt beim Alten.

Das ist keine Überraschung, wenn man sich anschaut, wie konservativ die Transition zur Agilität oftmals angegangen wird. In der Regel wird beschlossen, Produkte agil zu entwickeln und die Organisation mit einer Zielbilddefinition und einem Maßnah-menpaket auf die richtige Spur zu bringen. Damit begrenzt man die Variabilität auf ein Mindestmaß. Man versucht auf diese Weise, mit alten Methoden neue Denkwei-sen zu implementieren, anstatt evolutionär vorzugehen. Sollte diese Herangehens-weise mit großen zentral geplanten Maßnahmen in der Wissensarbeit jemals Erfolg gehabt haben: Ihre Zeit ist vorbei. Sie galt für Zeiten mit langsamen Änderungsraten, in denen Fähigkeiten zur schnellen Anpassung nicht gebraucht wurden.1 Doch Varia-bilität ist ein zweischneidiges Schwert: In agilen Transitionen ohne klare Leitplanken kann sie schnell Überhand nehmen und so sogar die ökonomische Stabilität des Unternehmens gefährden. Nur ein Ziel oder eine Vision zu setzen und es den Mitar-beitern zu überlassen, wie sie dies erreichen, führt genauso wenig zum Ziel und ist weder vorhersagbar noch steuerbar.

Die Lösung liegt in der Mitte. Unternehmen können es sich heute nicht mehr leis-ten, sich nur so schnell zu entwickeln, wie die Chefetage neue Ideen akzeptieren und verarbeiten kann. In einem agilen Unternehmen muss man das Potential aller Köpfe nutzen. Deswegen ist der Wunsch nach Agilität durchaus legitim – wenn sie tatsächlich organisationsweit umgesetzt, gelebt und kontinuierlich verbessert wird. Und genau dafür möchten wir einen strukturierten Weg aufzeigen.

1 Vgl. aktuelle Studien zur Arbeitswelt 4.0, wie die IDG-/Computerwoche-Studie 2017 „Ar-beitsplatz der Zukunft“ oder das GE-Whitepaper „The Future of Work in Europe“ (Juni 2017).

SEITE 9

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 10: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Vorsagbarkeit von Organisationsentwicklung – eine notwendige Voraussetzung für die Steigerung der Reaktionsfähigkeit

Bisher ist Organisationsentwicklung kaum vorhersagbar. Maßnahmen in diesem Bereich benötigen zwar auch Aufmerksamkeit, Zeit und Aufwand, sind aber bislang nicht in gleicher Weise fassbar wie Vorhaben in der Produktentwicklung und werden daher im Alltag von ihr kannibalisiert. Das ist verständlich, denn Organisationsent-wicklung ist bislang kaum renditeorientiert und der Kosten-Nutzen-Faktor daher nicht absehbar. Wenn man aber nicht sagen kann, was bestimmte Maßnahmen dem Unternehmen bringen, werden die Kapazitäten an die deutlich besser vorhersag-bare Produktentwicklung vergeben. Das hat zur Folge, dass sich Unternehmen nicht schnell genug an die Marktbedingungen anpassen können. Es ist nicht klar, wie so ein Veränderungsprozess ablaufen soll und er ist auch nicht von der Strategie bis zur Arbeitsebene durchdekliniert.

Beispielsweise soll häufig mit einer DevOps-Pipeline die Automatisierung der Pro-zesse vorangetrieben werden. Dafür gibt es keine allgemein gültige Blaupause. Jede Organisation muss für sich den passenden Weg finden und für zumindest folgende Bereiche Lösungen entwickeln:

• Technische Innovation Die Automatisierung wird mit technischen Hilfsmitteln vorangetrieben

• Prozessänderung Bisherige Prozesse werden geändert und die neuen Abläufe und Methoden müssen trainiert und umgesetzt werden.

• Organisationsänderung Strukturen müssen so geändert werden, dass die Entscheidungswege, um die DevOps-Pipeline aufzubauen oder schnell anzupassen, kurz sind.

• Kulturänderung Alle beteiligten Personen müssen so trainiert und durch Feedbackzyklen einbezogen werden, dass die DevOps-Pipeline genutzt und von den Nutzern ständig weiterentwickelt werden kann. Das führt zu einer anderen Form von Zusammenarbeit und zum Aufbrechen bisheriger Entscheidungsstrukturen und Gewohnheiten.

• Schnellere Lernzyklen Der schnellere Rückfluss des Feedbacks von Kunden und Stakeholdern muss in die Projektplanung integriert werden.

SEITE 10

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 11: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Die Kostenreduktion durch Automatisierung und der höheren Gewinn durch schnel-lere Lernzyklen kann man möglicherweise grob vorhersagen, in dem ich den erwar-teten Nutzen mit einem Geldwert versehe. Damit kann ich die Verzugskosten (Cost of Delay) definieren, also was es mich kostet, die Maßnahmen nicht umzusetzen.

Was aber bisher kaum vorhergesagt wird, ist die Zeitspanne, bis die Organisation den Reifegrad erreicht hat, um den erwarteten Nutzen zu realisieren. Wann habe ich im Gesamtpaket aller beschriebenen notwendigen Aspekte ein Level erreicht, das mir ermöglicht, den Gewinn einzufahren?

Maßnahmen der Organisationsentwicklung werden selten in dieser Weise bewer-tet und gemessen. Gegenüber ihren oft schwammig formulierten Zielen und ihrem Nutzen erscheinen Initiativen in der Produktentwicklung wie ein handfestes Paket von definierbaren Maßnahmen. Diese präsentieren sich so als die sichere Seite in diesem Spiel und werden deswegen bevorzugt umgesetzt. Aber das ist nur die halbe Miete. Die Maßnahmen realisieren ihren vollen Mehrwert nur im Gesamtpaket: Hier geht es um eine komplexe Verkettung von Modifikation im technischen, fachlichen, organisatorischen und persönlichen Bereich. Es gibt keinen Grund, die Maßnahmen der Organisationsentwicklung anders zu behandeln, als die der Produktentwicklung.

Nur wenn alle Änderungen der Organisationsentwicklung genauso greifbar sind wie die der Produktentwicklung, also genauso mit Nutzenstatements, Akzeptanzkrite-rien, Erfolgsmessungen und Feedbackschleifen versehen werden, können sie im gleichen Backlog gegen alle anderen Aufgaben priorisiert werden. Und nur dann werden sie nicht mehr von anderen Maßnahmen kannibalisiert, denen nur deshalb höhere Priorität eingeräumt wird, weil sie in ihrem Nutzen sichtbarer und greifbarer sind.

Warum der Aufwand, wenn es bisher auch so funktioniert hat? Der Schaden, der durch die bisherige Praxis der Organisationsentwicklung entstanden ist, ist ebenso schwer zu beziffern, wie ihr derzeitiger Nutzen. Es misst ihn ja keiner und bisher scheint das auch kaum jemanden zu stören. Kaum jemand vermag zu sagen, was konkrete Maßnahmen in der Organisationsentwicklung bringen, wie lange ihre Umsetzung dauert und wann sie ihr Ziel erreicht haben. Doch durch die steigende Veränderungsgeschwindigkeit der Außenwelt wird nur das Unternehmen eine dau-erhafte Zukunft haben, das seine eigene Veränderungsgeschwindigkeit kennt und schnell genug reagieren kann.

SEITE 11

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 12: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Ein Modell der agilen Organisationsentwicklung

Komplexität und Dynamik nehmen in den globalen Märkten zu und stellen Unterneh-men zunehmend vor neue Herausforderungen. Agilität und Lean Thinking stellen neue Konzepte für den Umgang mit Komplexität zur Verfügung und sind viel eher neue Denkweisen und Grundeinstellungen als heilbringende Werkzeugkoffer voller Methoden.

Wir beschreiben hier in Kurzform, wie ein Unternehmen eine vorhersagbare Organi-sationsentwicklung einführen kann und dabei die Kompetenzen ausbildet, sich selbst dauerhaft erfolgreich weiterzuentwickeln, um in komplexen Märkten reaktionsfähig zu sein.

Spiel-philosophie

Organisa-tionsent-wicklung

Datengetriebene Transformation

Individual-entwicklung

Training & Enablement

Agile HR

Karriere Modell

AgileOE

Subjektive Daten

Flussdaten

Trainings-plan

Organisa-tionsarchi-

tektur

Objektive Daten

Abbildung 3: Modell der agilen Organisationsentwicklung

In den folgenden Kapiteln gehen wir detailliert auf die drei Kernbereiche der agilen Organisationsentwicklung und die jeweils zugehörigen drei Themenfelder ein.

SEITE 12

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 13: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

2 ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Ein Unternehmen kann nur in dem Maße in der Lage sein, auf die komplexen Anfor-derungen der Märkte zu reagieren, wie es seine eigenen Strukturen erlauben. Die Art und Weise, wie ein Unternehmen aufgestellt ist, limitiert sein Reaktionsvermö-gen. Es ist die Aufgabe der Organisationsentwicklung, für das Unternehmen Struk-turen und Vorgehensweisen zu entwickeln, die es fit für den Umgang mit der Kom-plexität seines Marktes machen.

Conways Gesetz und die Organisationsentwicklung

Der Zusammenhang zwischen der Komplexität eines Unternehmens und seinem Produkt wurde zuerst im Bereich der Softwareentwicklung entdeckt: Der Infor-matiker Melvin Edward Conway machte in den 60er-Jahren die Beobachtung, dass Organisationen immer solche Softwaresysteme entwerfen, die ihre eigenen Kom-munikationsstrukturen widerspiegeln. Organisationen kopieren ihre Strukturen in die Systeme, die sie entwickeln. Der Hintergrund ist einfach: Jede Abteilung hat eine spezifische Aufgabe. Schnittstellen zwischen verschiedenen Abteilungen erfordern eine aufwendigere Kommunikation, um die Abteilungsgrenzen zu überwinden. Die Kommunikationswege beeinflussen die sich entwickelnden Systeme und spiegeln sich im Produkt wider. Diese Beobachtung wurde unter dem Namen „Gesetz von Conway“2 bekannt und in verschiedenen Studien bestätigt.

Von Unternehmen entwickelte Produkte können nur so komplex sein, wie die Fähigkeit der jeweiligen Organisation, mit Komplexität umzugehen.

Die Fähigkeit, Komplexität konstruktiv zu nutzen, limitiert die Möglichkeit, komplexe Produkte wie z. B. Software herzustellen. Daher leistet man sich in großen Unter-nehmen Experten, die in der Lage sind, komplexe Strukturen zu überblicken und zu steuern: sog. „Software-Enterprise-Architekten“3. Das sind gut ausgebildete Soft-ware-Architekten mit langjähriger Berufserfahrung, die ein komplexes Software-produkt auf Organisationsebene architektonisch verantworten können bzw. den projektübergreifenden Aufbau von Softwaresystemen entwerfen und organisations-weite Software-Entscheidungen treffen können.

2 Vgl. Melvin E. Conway (1968).

3 Das sind übergreifend agierende Systemarchitekten.

Organisationsentwicklung

SEITE 13

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 14: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Übertragen auf die Organisationsentwicklung bedeutet dies: Komplexe Marktan-forderungen erfordern Organisationen, die in der Lage sind, konstruktiv mit ihnen umzugehen. Die Entwicklung dieser Fähigkeit steht im Fokus der Organisationsent-wicklung. Oder besser: sollte stehen, denn für die Organisationsentwicklung gibt es im Gegensatz zur Softwareentwicklung in der Regel keine zentralen Enterpri-se-Architekten. In dieser indifferenten Zone zwischen strategischer Ausrichtung des Unternehmens und der qualitativen Verbesserung des Arbeitslebens der Mitarbeiter gibt es in der Regel niemanden auf höchster Entscheidungsebene, der kontinuierlich die Weiterentwicklung der Organisation in allen Bereichen und in ihrer Komplexität steuert und alle diesbezüglichen Aktivitäten im Unternehmen auf ein Ziel ausrichtet und bündelt. In der Praxis wird diese Aufgabe häufig auch nicht vom CEO übernom-men.

Es existieren dagegen nicht selten strategische Einheiten, welche die zukünftigen Marktchancen der Produkte und die Ziele des Unternehmens ausloten. Alle schwer fassbaren Aspekte der Kultur und Weiterentwicklung werden im abgetrennten Bereich der Human Resources angesiedelt. Darüber hinaus gibt es oft viele wei-tere Projekte, die gleichzeitig (häufig wenig koordiniert) eigene Ziele verfolgen. Die Vielzahl an parallelen Initiativen ohne nachhaltige abgestimmte Steuerung ist ein weiterer der vielen Gründe für das Scheitern großer Transformationsprozesse, bei denen häufig weder die Kosten, noch das Ergebnis der Arbeit nachgehalten werden.

Zum üblichen Umgang der Unternehmen mit Organisationsentwicklung passt auch das etwas weniger bekannte „Zweite Gesetz von Conway“; eine Beobachtung, die er in seiner Forschung immer wieder machte:

„Es gibt nie genug Zeit, etwas richtig zu machen, aber es gibt immer genug Zeit, um es nochmal zu tun.“4

Eine im obersten Leitungsgremium des Unternehmens verankerte Organisations-architektur – verkörpert durch einen zentralen Organisationsarchitekten5 – kann die Entwicklungsrichtung vorgeben, die strategische Ausrichtung und Umsetzung koor-dinieren und durch Metriken steuern. Und das ist notwendig, denn genau wie es auf absehbare Zeit keine Welt ohne Computer mehr geben wird, genau so wenig wird sich auf absehbare Zeit die Veränderungsgeschwindigkeit des Marktes verringern. Im Gegenteil, sie wird schneller werden. Es wird keinen langfristig definierten zu erreichenden Zielzustand mehr geben, sondern nur noch kontinuierliche Verände-rung. Das muss das Unternehmen und alle seine Mitarbeiter bewältigen und des-halb braucht es eine Struktur, die in der Veränderung Orientierung und Unterstüt-zung gewährleistet.

4 Vgl. Melvin E. Conway (1968).

5 Aus unserer Sicht geht damit die Rolle des Organisationsarchitekten über die in verschiedenen Kontexten unterschied-lich definierte Rolle des eines Chief Transformation Officers hinaus.

SEITE 14

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 15: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Die kontinuierliche Transformation eines Unternehmens sollte sich für die Mitarbei-ter nicht wie eine Verfolgungsfahrt mit ständigen Geschwindigkeits- und Richtungs-wechseln anfühlen, sondern wie eine Reise in einem Hochgeschwindigkeitszug: Die absolute Geschwindigkeit ist sehr hoch und dennoch herrscht innen für die Reisen-den eine angenehme, unaufgeregte und konzentrierte Atmosphäre.

Klassisches Change-Management kostet meist mehr als es bringt.

Viele Personalentwicklungsabteilungen spiegeln die alten Glaubenssätze des Was-serfall-Modells wider und arbeiten aufwändige Change-Programme aus. Nur sel-ten werden die Ideen bis auf die konkrete Arbeitsebene heruntergebrochen und im Arbeitsalltag von den Führungskräften und Mitarbeitern adaptiert. Noch seltener kommen dabei konkrete Metriken zum Einsatz, die den Anteil dieser Programme am Unternehmenserfolg nachweisen und eine Nachsteuerung möglich machen. Ebenso werden abseits von vordefinierten Budgets kaum die Kosten nachgehalten. Vermutlich gilt hier zumindest teilweise der Satz „Wer nicht misst, hat Angst vor der Wahrheit.“

Im Rahmen agiler Tranformationsprojekte geht es um die agile Führung, die agile Haltung, die agilen Methoden etc. Leider führen Maßnahmen in diesem Bereich in der alltäglichen Führungspraxis selten zu mehr als auf der Teamebene „mal die Zügel locker zu lassen“, zumindest so lange alles nach Plan läuft. Bei der ersten Krise ist die Tendenz, in alte Muster zu fallen sehr groß. In der Folge schwindet das Vertrauen der Mitarbeiter in die neue Arbeits- und Führungsweise, bevor es sich stabilisieren konnte. Selten haben wir so viel Zynismus erlebt wie bei hochqualifi-zierten Wissensarbeitern in halbherzig durchgeführten agilen Transitionen.

Auch das ist in jeder Hinsicht verständlich:

• Die Manager arbeiten in gewachsenen alten Strukturen, die wenig Anreize und noch weniger Ideen für die Entwicklung einer agilen Organisation vorgeben, geschweige denn einen Weg aufzeigen, wie diese erreicht werden kann.

• Die Mitarbeiter engagieren sich solange, bis sie merken, dass sich in der Substanz ja doch nichts ändert und agile Werte mehr ein Feigenblatt als ein Grundpfeiler der neuen Organisation sind.

• Und was soll überhaupt erreicht werden? Einen fixen Zielzustand wird es in einer agilen Organisation ohnehin nicht mehr geben. Die alte Idee vom Abgleich zwischen einem Ist- und einem Ziel-Zustand, für dessen Überbrückung dann ein Maßnahmenpaket geschnürt werden muss, entstammt genau der Denk-weise, die man hinter sich lassen möchte. Man kann das Problem nicht mit den Methoden lösen, die es erst geschaffen haben.

SEITE 15

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 16: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Es gibt bereits eine Reihe von neuen hierarchiefreien Ansätzen, die radikal andere Strukturen verlangen, wie z.B. Holacracy.6 Sie wurden bis auf wenige, oft zitierte Beispiele bisher kaum in größeren Unternehmen umgesetzt. Aus gutem Grund, denn sie stellen eine massive disruptive Veränderung dar. Der Schritt dorthin ist für die meisten Unternehmen viel zu groß und könnte zum Zusammenbruch der Orga-nisation führen oder zumindest zu einer langen Zeit verringerter Wertschöpfung, Instabilität und Verunsicherung. Unternehmen können nur ein begrenztes Maß an Disruption für einen gewissen Zeitraum verkraften und benötigen dann wieder eine Phase der Stabilisierung. Wie viel Disruption verkraftbar ist, hängt von der Verände-rungskapazität der einzelnen Mitarbeiter und den Strukturen im Unternehmen ab.

Deswegen ist die koordinierte Transformation in iterativen Schritten mit definierten Messkriterien wichtig. Sie überfordert die Organisation nicht und ermöglicht durch schnelle Feedbackzyklen die Maßnahmen kontinuierlich in Hinblick auf das ange-strebte Ziel anzupassen. Dieses Ziel wird sich im Laufe der Reise zwar verändern, jedoch ohne Vollbremsungen notwendig zu machen. Die geschmeidige Anpassung an veränderte Anforderungen gehört zum Kerngeschäft der Transformation.

2.1 SPIELPHILOSOPHIE

Es geht uns grundsätzlich nicht darum, revolutionär neue Konzepte zu erfinden, sondern auf Ansätze und Ideen zurückzugreifen, die unter ähnlichen Bedingungen in anderen Disziplinen bereits erfolgreich sind. Im Profi-Mannschaftssport, in dem die Spielweise ständig angepasst werden muss, ist eine Spielphilosophie Grundvor-aussetzung für die ständige Weiterentwicklung des Zusammenspiels innerhalb der Mannschaft. Die zugrundeliegenden Prinzipien, die weltweit von den meisten pro-fessionellen Sportmannschaften verfolgt werden, lassen sich ohne große Änderun-gen auch auf die Organisationsentwicklung übertragen.

6 Eine Reihe von Beispielen findet sich im Buch „Reinventing Organizations“. Für eine detailliertere Einführung in die Holakratie siehe „Holacracy: Ein revolutionäres Manage-ment-System für eine volatile Welt“.

Spielphilosophie

Organisationsentwicklung

SEITE 16

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 17: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Beispielsweise hat im Fußball jeder Trainer ab einem bestimmten Niveau eine eigene Spielphilosophie, für die er steht. Sie ist sogar ausschlaggebend für die Ent-scheidung, welcher Trainer von einem Verein verpflichtet wird. Denn jeder Coach hat ganz individuelle Vorlieben und Abneigungen und steht für eine bestimmte Art, Fußball zu spielen. Ein Verein kauft den Trainer ein, der für die Art Fußball steht, die das Management dort gespielt sehen möchte. Ein Trainer wie Jürgen Klopp steht für Konterfußball mit Pressing und Gegenpressing. Pep Guardiola hingegen vertritt als Coach eine Spielphilosophie des Ballbesitzfußballs. Wer im Verein Konterfußball spielen lassen möchte, wird nicht Pep Guardiola verpflichten. Und dieser würde sich vermutlich auch nicht wohlfühlen, wenn er eine Art Fußball trainieren müsste, die er selbst nicht verkörpert. Die Spielphilosophie in einem Unternehmen hat die gleiche Funktion wie in einem Fußball-Profiverein.

Die Spielphilosophie repräsentiert in einem Unternehmen die Grundidee, wie eine Organisation ihr Geschäft betreiben möchte, um erfolgreich zu sein.

Sie wird vom Organisationsarchitekten des Unternehmens maßgeblich gestaltet und verkörpert. Er ist der Cheftrainer der Organisation, man könnte ihn auch mit einem Dirigenten vergleichen. Diese Rolle steht für eine bestimmte Philosophie der Unternehmensentwicklung. Er benötigt die notwendige Durchsetzungsfähigkeit, um seine Philosophie organisationsweit umsetzen zu können. Es ist deshalb ratsam, eine zentrale Person mit dieser Aufgabe zu betrauen und auf der obersten Entschei-dungsebene der Organisation einen Chef-Organisationsarchitekten (COA)7 zu benen-nen. Genau wie ein Enterprise-Software-Architekt in der Regel ein passendes Hoch-schulstudium und einige Jahre Berufserfahrung als Software-Architekt vorweisen kann, bevor er in der Lage ist, unternehmensweit die Richtlinien für die Software- Architektur zu setzen, genauso sollte ein Chef-Organisationsarchitekt nach einer passenden Hochschulausbildung einige Jahre Berufserfahrung als Organisations-architekt in der Organisationsentwicklung haben. Uns ist bewusst, dass dies im Moment schwer realisierbar ist, weil es nur wenige Personen mit der notwen digen Qualifikation am Markt gibt und kaum passende Studiengänge existieren. Auch wer-den große skalierte agile Transitionen noch nicht lange durchgeführt. Doch der Ver-gleich mit der Software-Architektur verdeutlicht, wie hemdsärmelig bislang mit dem für das Überleben des Unternehmens strategisch wichtigen Bereich der Organisa-tionsentwicklung umgegangen wird. Auf eine konsequente Ausbildung von Organi-sationsarchitekten im eigenen Unternehmen wird man noch lange nicht verzichten können.

7 Die Rolle eines COA kann auch zusätzlich zu einer Führungsrolle übernommen werden, wenn die notwenige Kompetenz und Umsetzungsmacht vorhanden ist.

SEITE 17

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 18: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Die Aufgabe des Chef-Organisationsarchitekten ist, auf Basis seines tiefen agilen Verständnisses die Spielphilosophie zu erarbeiten und das Umfeld zu ihrer Umset-zung zu schaffen. Das ist nicht delegierbar, denn der oberste Organisationsarchitekt steht persönlich für eine bestimmte Art von Organisationsentwicklung. Was ist seine Vision für das Unternehmen? Welche Spielphilosophie entspricht ihm? So wie jeder professionelle Fußballtrainer am Spielfeldrand in der Lage sein muss, das Spiel zu jedem Zeitpunkt zu lesen, zu deuten und daraus Entscheidungen abzuleiten, so muss auch ein Chef-Organisationsarchitekt in der Lage sein, alle Abläufe in der Organisa-tion zu lesen, zu interpretieren und im Sinne der Spielphilosophie einzugreifen. Diese Verantwortung kann er nicht delegieren. Es ist seine persönliche Fähigkeit, die hier gefordert ist. Diese Fähigkeit entscheidet darüber, ob die Mitarbeiter Vertrauen zu ihm haben und seine natürliche Autorität anerkennen. Dafür gibt es keinen Ersatz. Auch der Wille der Mitarbeiter zur Umsetzung der Spielphilosophie wird stark von dieser Fähigkeit beeinflusst. Darüber hinaus muss er sich daran messen lassen, wie gut er in der Lage ist, die richtigen Maßnahmen einzuleiten, um das Spiel im Sinne der Spielphilosophie und der Ausrichtung des Unternehmens zu beeinflussen.

Wie ein Fußballtrainer steht er am Spielfeldrand und nicht mitten auf dem Platz. Er kann nur indirekt eingreifen und braucht ein Gespür dafür, was die Mannschaft in jeder Phase des Spiels in der passenden Weise unterstützt.

Zum Team des Chef-Organisationsarchitekten gehört ein Trainerstab aus Organisa-tionsarchitekten, der auf dessen Spielphilosophie eingeschworen ist und diese prak-tisch umsetzt. So wie im Trainerstab einer Profi-Fußballmannschaft sich Flexibili-tätstrainer, Krafttrainer, Physiotherapeuten etc. befinden, sind im Trainerstab des Chef-Organisationsarchitekten beispielsweise Kanban-Experten, Spezialisten für agile Skalierung und Coaches für Führungsfragen. Ist die Spielphilosophie ausgear-beitet, muss sie für den gesamten Trainerstab und alle Mitarbeiter im Unternehmen so klar und verständlich kommuniziert werden, dass sie als Leitlinie für alle wei-teren Aktivitäten dienen kann. Alles, was im Unternehmen getan wird, muss daran gemessen werden, inwiefern es die Spielphilosophie unterstützt, also auf sie ein-zahlt oder nicht. Diese Grundausrichtung ermöglicht, dass alle am gleichen Strang ziehen und auf das gleiche Ziel hinarbeiten.

Mit jedem Schritt, der im agilen Unternehmen getan wird, ist die Absicht verbunden, ein Ergebnis zu erzielen. Daher ist zur Steuerung der weiteren Schritte unabdingbar, zu messen, ob das gewünschte Ergebnis erreicht wurde, und aus dem Feedback Informationen für weitere Entscheidungen zu erhalten. Dies gilt ausnahmslos für alle Unternehmensbereiche.

SEITE 18

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 19: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Auf der operationalen Ebene kann die Qualität der Umsetzung der Spielphilosophie im Unternehmen vor allem an drei Aspekten gemessen werden, für die unterneh-mensspezifische Metriken vereinbart werden sollten:

• Eine Stimme (One Voice) - Wird die existierende Spielphilosophie durch den gesamten Trainerstab

vertreten und umgesetzt?

• Sozialisierung - Wie gut ist die Spielphilosophie im Unternehmen integriert?

Wie bekannt ist sie und wie sehr wird sie verstanden? - Wird sie als Ausrichtung für alle Aktivitäten im Unternehmen genutzt?

• Kontinuierlicher Verbesserungsprozess (Inspect & Adapt) Gibt es einen Prozess, der die Spielphilosophie sowie deren Umsetzung - kontinuierlichen Rückkopplungsschleifen unterzieht, - alle Mitarbeiter miteinbezieht und - die Ergebnisse in die weitere Arbeit einfließen lässt?

2.2 ORGANISATIONSARCHITEKTUR

Organisationsentwicklung ist immer eng verknüpft mit der bestehenden Unterneh-menshierarchie. Auch wenn mehr und mehr hierarchiefreie Unternehmensformen entwickelt und getestet werden, werden hierarchisch aufgebaute Unternehmen noch lange Zeit Teil des Wirtschaftslebens sein. Um Strukturen in diesen Unter-nehmen zu ändern und die eigene Spielphilosophie umsetzen zu können, muss der oberste Organisationsarchitekt ausreichend Umsetzungsmacht besitzen und daher auf höchster Ebene angesiedelt sein. Ist das nicht der Fall, entwickelt sich die Reise in die Agilität schnell zu einer Freifahrt für Aktionismus ohne Wirkung bei gleichzei-tigem Stillstand durch unklare Verantwortlichkeiten.

Die meisten Unternehmensentwicklungsprojekte scheitern in ihrem Return on Investment daran, dass zum einen diejenigen, die die Organisation entwickeln sol-len, nicht hoch genug in der Hierarchie verankert sind, um die Verantwortung und gleichzeitig die Macht zu haben, die Umsetzung voranzutreiben. Zum anderen liegt es aber auch daran, dass sich die Verantwortlichen selbst gar nicht in der Rolle eines Chef-Organisationsarchitekten sehen und keine eigene Spielphilosophie entwickeln oder sich nicht über ihre eigene Spielphilosophie im Klaren sind und sie daher nicht für eine gemeinsame Ausrichtung des Unternehmens kommunizieren und nutzen können. Sie entwickeln häufig keine Wahrnehmung dafür, wofür sie selbst stehen. Wenn das der Fall ist, kann die Transformation nicht transparent gesteuert werden und die häufigen Richtungswechsel ermüden die Mannschaft und kosten Zeit, Geld und Motivation.

Organisationsarchitektur

Organisationsentwicklung

SEITE 19

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 20: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Wir haben bereits die Analogie zum Cheftrainer eines Profi-Fußballvereins beschrie-ben, der zusammen mit seinem Team dafür sorgt, dass seine Spielphilosophie von der Mannschaft und allen weiteren Beteiligten verstanden und umgesetzt wird. Im Profi-Fußball ist die Spielphilosophie so bedeutend, dass die Trainer neben ihren bisherigen Erfahrungen und Erfolgen danach ausgewählt werden. Es besteht dabei in der Struktur kein großer Unterschied zu einem Chef-Organisationsarchitekten, der für eine bestimmte Spielweise steht.

Eine ähnliche Analogie kann man auch bei einem Dirigenten finden. Um „seine“ Musik zum Klingen zu bringen, muss dieser mit den Musikern daran arbeiten, seinen „inne-ren Klang“ in die Realität umzusetzen und hörbar zu machen. Ein Chef-Organisati-onsarchitekt muss genau das Gleiche tun, nur dass es nicht Musiker sind, sondern Mitarbeiter in einer komplexen Organisation. Konkret bedeutet dies, er muss seine Spielphilosophie aufschreiben und kommunizieren, was diese ausmacht, damit alle, die mit ihm im Unternehmen arbeiten, ihre Aktivitäten daran messen können, wie gut sie deren Umsetzung unterstützen.

Sind die Grundzüge der Spielphilosophie des Chef-Organisationsarchitekten her-ausgearbeitet und klar kommuniziert, kann sein Trainerstab darauf aufbauend die detaillierte Umsetzung ausarbeiten und implementieren. Der Trainerstab kann bei-spielsweise in agilen Unternehmen in einem Lean Agile Center of Excellence (LACE)8 zusammengefasst werden. Die Qualität der Umsetzung ist hier von der Diversifizie-rung im Trainerstab und dessen gemeinsamer Ausrichtung (Alignment) abhängig.

2.2.1 DIVERSIFIZIERUNG

Sind alle Aspekte der Spielphilosophie im Trainerstab verkörpert und vertieft?

Der Trainerstab des Chef-Organisationsarchitekten sollte so zusammengesetzt sein, dass alle Aspekte der Spielphilosophie durch Trainer vertreten sind, die Experten auf ihrem Gebiet sind und kontinuierlich mit dem Umsetzungsteam an der konkreten Implementierung der Spielphilosophie im Unternehmen arbeiten. Kontinuität und die gemeinsame Ausrichtung sind hier entscheidend. Wenn beispielsweise die Anwen-dung von Kanban-Systemen ein zentraler Aspekt der Spielphilosophie ist, um einen kontinuierlichen Durchfluss der Arbeit in den Mittelpunkt zu stellen, ist es wichtig, einen Kanban-Trainer dafür zu haben, der die Philosophie kennt. Er setzt sein gan-zes Wissen und Können dafür ein, sie bestmöglich einzuführen. Dies geschieht in Abstimmung mit allen anderen Mitgliedern des Trainerstabes und den betroffenen Mitarbeitern. Auch hier ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess selbstverständlich.

8 Vgl. www.scaledagileframework.com/LACE.

SEITE 20

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 21: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Das geschieht eher selten, wenn ein externer Trainer für punktuelle Events einge-kauft wird. Er liefert sein Wissen bei den Mitarbeitern ab, denen der Transfer, also die konkrete Umsetzung im Sinne der – hoffentlich bekannten – gemeinsamen Aus-richtung überlassen wird. Sehr selten mündet dies in einen kontrollierten Einfüh-rungsprozess mit klaren Rückkopplungsschleifen, in denen gefragt wird, wie gut das, was gerade getan wird, auf das gemeinsame Ziel einzahlt und was verbessert werden könnte. Diese Vorgehensweise mit Externen hat wenig mit Agilität zu tun: Es werden Leute mit eigener Spielphilosophie nur für ein paar Stunden oder Wochen eingekauft, um Ratschläge zu geben. Sie sollen Teams zum Arbeiten bringen, sind aber selbst nicht Teil des Teams oder der Organisation. Je mehr Externe mit eigenen Vorstellungen mitdiskutieren, desto mehr Unruhe entsteht, seien es nun strategi-sche Berater, Skalierungsexperten, Kanban-Trainer usw.

Man kann durchaus externe Berater im Sinne von Variation und Selektion mit deren Erfahrungen gezielt und begrenzt für die Weiterentwicklung der Spielphilosophie nutzen. Dieses Vorgehen unterliegt jedoch dann der normalen Vorgehensweise mit Nutzenstatement, Akzeptanzkriterien, Erfolgsmessungen und Feedbackschleifen.

Ein besonderes Augenmerk muss auf die Qualität des Trainerstabs gelegt werden. Mit den Mitgliedern des Trainerstabs steht und fällt die Umsetzung der Organisa-tionsentwicklung. Sie sind verantwortlich für deren Qualität und sollten Profis in ihrem Bereich sein. Sie müssen nicht nur ihr Gebiet beherrschen. Sie müssen auch über eine emotionale Stabilität (vgl. Kap. 4) verfügen, die sie in die Lage versetzt, mit Komplexität konstruktiv umzugehen. Sie müssen als agiles Team zusammenarbei-ten und jeder einzelne muss sich selbst als Teil des Teams begreifen. Das alles ist extrem wichtig, weil diese Qualität und die Fähigkeiten des Teams aus Organisati-onsarchitekten das Limit des Unternehmens zum Umgang mit Komplexität sind.

Die Gesamtorganisation kann in aller Regel nicht besser mit Komplexität um -gehen, als ihr Trainerstab.

Im Profi-Mannschaftssport würde man auch nicht irgendeinen Fitnesstrainer ein-setzen. Hier setzt man auf einen eingeschworenen Profi-Trainerstab und möchte alle Kompetenzen intern auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet wissen, egal ob es sich um den Konditionstrainer, den Taktiktrainer, den Krafttrainer oder andere Spe-zialisten handelt. Der Trainerstab hat die Spielphilosophie verinnerlicht und vermit-telt die Inhalte aus einem Guss. Wem dieser Anspruch zu hoch ist, sollte sich fragen, in welcher Liga er spielen möchte. Vielleicht muss es für ihn ja gar nicht die Bun-desliga sein. Doch wer in der ersten Liga dabei sein will, braucht eine erstklassige Mannschaft und ein erstklassiges Trainerteam, die am gleichen Strang ziehen.

SEITE 21

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 22: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Um das Unternehmen weiterzuentwickeln, muss den Mitarbeitern die Spielphilo-sophie durch alles, was angeboten wird, praktisch vermittelt werden. Ein Trainerstab mit einem Kanban-Experten, der fest ins Team eingebunden ist und sein Wissen im Sinne der gemeinsamen Ausrichtung einsetzt, kann in völlig anderer Weise agieren und einen kontinuierlichen Weiterentwicklungsprozess für das ganze System ansto-ßen (sich selbst eingeschlossen!), als ein punktuell hinzugekaufter externer Trainer.

Um den Trainerstab optimal zu besetzen, sollte durch den Chef-Organisations-architekten geklärt werden,

• welche Bereiche in der Spielphilosophie existieren,

• welche davon im Trainerstab abgedeckt werden müssen und

• ob die benötigte Kapazität im Unternehmen vorhanden ist oder ob Mitarbeiter dafür aufgebaut werden müssen.

Dies geschieht beispielsweise in einem Raster oder einer Matrix, in der die Bereiche der Spielphilosophie gegen die vorhandenen Kompetenzen im Trainerstab aufgetra-gen werden und sehr schnell transparent wird, ob die benötigten Fähigkeiten im Team existieren. Sinnvoll ist hier keine Ja-/Nein-Entscheidung, sondern eine Dif-ferenzierung nach Reifegraden. Wenn beispielsweise der Bereich Kanban in sieben Reifegrade eingeteilt wird, kann genauer differenziert werden, welcher Reifegrad vorhanden ist und welcher benötigt wird.

Für jeden Bereich der Spielphilosophie muss ein Reifegrad-Modell erarbeitet werden.

Daraus ergeben sich weitere Schritte in Zusammenarbeit mit Agile Human Resour-ces (HR), um Kompetenzlücken so zu schließen, dass der Trainerstab des Chef-Orga-nisationsarchitekten über alle benötigten Kompetenzen verfügt, um das Unterneh-men optimal voranzubringen. Kontinuierliche Weiterentwicklung macht vor niemand im Unternehmen halt!

SEITE 22

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 23: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

2.2.2 DIE GEMEINSAME AUSRICHTUNG (ALIGNMENT)

Gibt es eine gemeinsame Sprache und einen Austausch über die Ziele des Unter-nehmens?

Der Austausch über die Richtung des Unternehmens und die daraus folgenden Maß-nahmen auf allen Ebenen ist essentiell, um ein gemeinsames Verständnis und einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess zu etablieren, in dem ständig alle Maßnah-men auf das Ziel justiert werden. Komplexität ist im Arbeitsalltag nur mit dezent-ralen Entscheidungsstrukturen zu bewältigen. Keine noch so aktive und intelligente zentrale Instanz kann bis in die kleinsten Einheiten hinein erfolgsversprechende und zielgerichtete Entscheidungen treffen. Das muss sie auch nicht: Ihre Aufgaben sind die Richtung und das Ziel. Alle anderen richten sich danach aus, vereinbaren Maß-nahmen und koordinieren sich, um das Ziel zu erreichen. Für diese gemeinsame Ausrichtung müssen in der Organisation auf allen Ebenen entsprechende Struktu-ren9 geschaffen werden.

Eine gemeinsame Sprache bildet eine weitere wichtige Grundlage, um neue Per-spektiven im Unternehmen tiefer und umfassender zu verstehen und selbst neue Ideen zu entwickeln. Sie hilft, alle Beteiligten auf das gemeinsame Ziel auszurichten und wird in der Anfangsphase vor allem durch den Trainerstab getragen und im Verlauf der Transformation durch diesen mehr und mehr ins Unternehmen kommu-niziert.

Um diese gemeinsame Sprache zu entwickeln, hilft ein Kanon aus richtungswei-sender Fachliteratur, der eine inspirierende Ideenbasis bietet, zu der jeder Betei-ligte sich selbst eine Meinung bilden kann und gegen die sich andere Perspektiven messen können. Er gibt nicht vor, dass alle Mitarbeiter im Unternehmen derselben Meinung sein oder postulierten Thesen unhinterfragt folgen sollten, sondern bie-tet eine Grundlage, um die Spielphilosophie und ihre geistige Umgebung tiefer und besser zu verstehen und neue Möglichkeiten zu entwickeln, um sie umzusetzen. Für das Team um den Chef-Organisationsarchitekten stellt der Wissenskanon eine wichtige gemeinsame Basis dar. Den anderen Mitgliedern der Organisation bietet er eine freiwillige Möglichkeit, sich mit den derzeit richtungsweisenden Ideen ausein-anderzusetzen.

Wir stellen als Anregung im Anhang fünf Konzepte der Fachliteratur vor, die wir in dieser Hinsicht zum jetzigen Zeitpunkt für richtungsweisend halten, um eine agile Unternehmensentwicklung anzustoßen. Sie sind bewusst interdisziplinär gewählt, denn die Varianz in den Denkansätzen sorgt für Innovation in den Köpfen der Leser. Die Ansätze lassen sich kombinieren und dadurch völlig neue Möglichkeiten für Interventionen finden.

9 Für ein praktisches Beispiel vgl. Kainzbauer, Silke; Brandhuber, Wolfgang (2017).

SEITE 23

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 24: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

2.3 TRAININGSPLAN

Eine Spielphilosophie ist nur so gut, wie ihre Umsetzung in der Praxis. Das ist in der Organisation nicht anders als auf dem Fußballfeld. Ein Trainingsplan sorgt für die konkrete Anwendung der Spielphilosophie in allen Unternehmensbereichen. Dafür ist der Trainerstab des Chef-Organisationsarchitekten zuständig. Diese Experten entwickeln für alle ihre Bereiche Aktivitäten, die helfen, die Spielphilosophie mit Leben zu füllen. Den Mitarbeitern im Unternehmen ermöglichen sie dadurch, diese in die Realität umzusetzen.

Alle diese Aktivitäten müssen innerhalb des Trainerstabes aufeinander abgestimmt werden, damit keine Energie bei sich widersprechenden Schritten verloren geht. Unkoordinierte Maßnahmen führen zu Verschwendung von Zeit und Ressourcen und sind häufig in großen Transformationen zu beobachten. Nur wenn alle Mitglieder des Trainerstabs am gleichen Strang ziehen, sich abstimmen und gegenseitig inspi-rieren, kann die Umsetzung der Philosophie aus einem Guss sein und mit geringen Reibungsverlusten organisationsweit gelingen.

Ein guter Trainingsplan lebt dabei von seiner kontinuierlichen Anpassung: Es wer-den bei der Umsetzung ständig neue Erfahrungen gemacht, die in Rückkopplungs-schleifen als wertvolles Wissen in die Adaptierung mit einfließen. Diese Anpassung muss sehr kurzfristig erfolgen, um nicht zu lange mit einer Aktivität in die falsche Richtung zu laufen. Das ist auch ein Unterscheidungsmerkmal zwischen Spielphi-losophie und Trainingsplan: Eine Spielphilosophie ändert sich deutlich langsamer als ein Trainingsplan. Sie wird möglicherweise alle 6 Monate in feinen Abstufungen angepasst, während ein guter Trainingsplan vielleicht zweimal pro Woche Modifika-tionen erfährt.

Zur Anpassung arbeitet der Trainerstab als agiles Team zusammen. Darüber hinaus leiten alle Mitglieder des Trainerstabs die Community of Practice ihres Fachgebie-tes und diskutieren neue Erkenntnisse mit den Vertretern der agilen Entwicklungs-teams.

Trainingsplan

Organisationsentwicklung

SEITE 24

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 25: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Die Umsetzung der Strategie in den Alltag des Unternehmens erfolgt dabei nach der gleichen Vorgehensweise, die auch für die agile Produktentwicklung gefordert wird. Um aus strategischen Themen etwas Trainierbares für den Alltag zu gene-rieren, braucht es eine Aufgliederung von Arbeitspaketen (Work-Breakdown-Struk-tur). Große Themen werden in kleine Losgrößen heruntergebrochen, denn in kleine-ren Einheiten ist die Arbeit überschaubarer. Damit ist sie besser vorhersagbar und umsetzbar. Wenn zu jeder Arbeitseinheit eine Hypothese erstellt wird, wie diese auf das übergeordnete Ziel einzahlt und Akzeptanzkriterien bestehen, die validiert wer-den können, kann jeder kleine Schritt besser auf seinen Beitrag zum Erfolg überprüft werden und als Information im kontinuierlichen Verbesserungsprozess dienen. Für die nächsten Aktivitäten können durch die Rückkopplungszyklen bessere Entschei-dungen getroffen werden. Jeder einzelne Fehler ist dann durch die Klein schrittigkeit in seiner Wirkung überschaubar und kann leichter als wertvolle Information und Lernchance verstanden werden. Wenn die Organisationsentwicklungsschritte zu groß gewählt werden, dann sind sie „too big too fail“. Sie dürfen dann nicht mehr Scheitern und müssen – zum Erfolg verdammt – durchgezogen werden.

Wie klein muss eine Änderung sein, um fehlschlagen zu dürfen?

Abbildung 4: Work-Breakdown-Struktur von strategischen Themen hin zu umsetzbaren kleinen Einheiten in der Produkt-

und Organisationsentwicklung

Strategische Themen

Produktentwicklung

Epic

Feature

Story

Organisationsentwicklung

Initiative

Change

Move

SEITE 25

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 26: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

In der Softwareentwicklung werden für die Work-Breakdown-Struktur unterschied-liche Begriffe verwendet. Das Scaled Agile Framework10 nutzt beispielsweise die Struktur Epic – Feature – Story. In der Organisationsentwicklung gibt es analog zu den Epics die großen Initiativen, die sich direkt aus strategischen Themen des Unter-nehmens speisen. Für sie werden Hypothesen aufgestellt, welches Ziel sie errei-chen wollen und welchen Wert sie dabei für das Unternehmen generieren möchten. Um eine Initiative umsetzen zu können, sind eine Reihe von Change-Maßnahmen notwendig. Ihre Größe ließe sich mit Features in der Softwareentwicklung verglei-chen. Für jede dieser Changes wird eine validierbare Nutzenhypothese verfasst, um nachhalten zu können, ob und wie die Change-Maßnahme zur Umsetzung der Initia-tive und letztendlich des strategischen Themas eingezahlt hat. Um allerdings eine praktisch umsetzbare Trainingseinheit für den Arbeitsalltag bereitzustellen, ist die Flughöhe von Changes noch immer zu hoch. Sie müssen in einzelne kleine konkrete Veränderungsschritte (Moves) heruntergebrochen werden, vergleichbar mit User Stories in der Produktentwicklung. Veränderungen basieren auf kleinen Schritten11 und auf dem langsamen Herausbilden neuer Gewohnheiten. Auch für einen Move wird jeweils eine Hypothese über seinen Nutzen bzw. seinen Beitrag zum Gesamt-ziel formuliert.

Messbar werden die Maßnahmen auf allen Ebenen durch Akzeptanzkriterien, die im Einklang mit den jeweiligen verantwortlichen Teams transparent definiert werden. Diese grundlegende Vorgehensweise entspringt dem Lernzyklus des Lean Startup (Build-Measure-Learn)12:

• Aufstellen einer Nutzenhypothese,

• Definieren von Akzeptanzkriterien und damit einer Validierbarkeit der Nutzenhypothese,

• Überprüfen des Ergebnisses,

• Anpassen des nächsten Schrittes nach den gemachten Erfahrungen.

10 Vgl. http://www.scaledagileframework.com/.

11 Vgl. Maurer, R. (2014).

12 Vgl. Ries, E. (2014).

SEITE 26

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 27: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Ein Beispiel für die Umsetzung einer Work-Breakdown-Struktur:

Ein Unternehmen hat in einer Marktkrise festgestellt, dass Wettbewerber besser und schneller auf die Situation reagieren konnten. Die Verantwortlichen möchten die Reaktionsfähigkeit der Organisation bei Krisen und Schocks verbessern. Die Hypo-these des Chef-Organisationsarchitekten und seines Trainerstabs ist, dass nicht die Schwierigkeiten mit einem volatilen Markt problematisch sind, sondern eher die Art und Weise, wie das Unternehmen mit diesen umgeht. Deshalb wird eine Resilienz- Initiative gestartet, um die Leistungsfähigkeit auch unter schwierigen Rahmenbedin-gungen (Krisen, Druck, hohes Risiko, Wettbewerb, Veränderungen, Rückschläge) zu erhalten und das Unternehmen resilienter zu machen.

Auf der Change-Ebene könnte eine Maßnahme bedeuten, die Fähigkeit der Teams zu stärken, trotz Stressbedingungen produktiv zu bleiben und sich weitere Kompeten-zen anzueignen, um mit den Belastungsfaktoren immer besser umgehen zu können. Wir nennen das die Teamresilienz. Auf der Umsetzungsebene ist es notwendig, die-sem Begriff ganz praktisch Leben einzuhauchen. Das bedeutet, dieses Vorhaben mit jedem Team in kleinen praktischen Veränderungsschritten (Moves) umzusetzen. Für jeden dieser Schritte gibt es eine kleine überprüfbare Hypothese des Teams, was er jeweils bewirkt. Im Feedbackprozess wird diese dann in Retrospektiven überprüft. Die gewonnenen Erkenntnisse fließen in die nächsten Schritte ein.13

Stretegisches Thema: Reaktionsfähigkeit bei Krisen verbessern

„Resilienz NOW!“Wir werden ein resilientes Unternehmen

Teamresilienz aufbauen

Pro Team: Was bedeutet Teamresilienz für uns?

Erarbeitung individueller Veränderungsschritte mit Akzeptanzkriterien

Retro der Ergebnisse und Anpassung der Schritte

Initiative

Change

Move

Abbildung 5: Beispiel für die Umsetzung einer Work-Breakdown-Struktur

13 Ein Beispiel für die konkrete Erarbeitung von Teamresilienz-Moves findet sich bei Kainzbauer, Silke/Brandhuber, Wolfgang (2015), Teamresilienz in der Praxis.

SEITE 27

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 28: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Bei der praktischen Umsetzung eines Trainingsplans müssen folgende Themen fokussiert und in unterschiedlichem Detailierungsgrad auf der Change- und der Move-Ebene transparent geklärt werden:

• Akzeptanzkriterien / Definition of Done - Wann ist eine Maßnahme umgesetzt? - Welchen Qualitätsstandard können wir für Organisationsveränderungen

ansetzen?

• Variation & Selektion - Wie ermöglichen wir, dass immer die Trainingsschritte zur Verfügung stehen,

die nach aktuellem besten Wissensstand die jeweils wertvollsten im Hinblick auf die Zielerreichung sind?

- Wenn Freiheitsgrade im Prozess bewusst zugelassen werden, um neue Ideen und Erfahrungen entstehen zu lassen, kommt es zu Variationen und Innovation wird ermöglicht.

- Durch Selektion wird eine Auswahl getroffen und der Prozess wieder zusammengeführt.

• Iteratives & inkrementelles Arbeiten - Wie stellen wir einen durchgängig iterativen Prozess sicher, in dem

kurzfristige Feedbackzyklen Verbesserungen ermöglichen, die schrittweise durchgeführt werden?

- Wie stellen wir sicher, dass große Vorhaben in kleine Inkremente heruntergebrochen werden und

- ihr Erfolg mit Hilfe von Arbeitshypothesen überprüft werden?

SEITE 28

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 29: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

3 DATENGETRIEBENE TRANSFORMATION

3.1 FLUSSDATEN

Um ein System steuern zu können, braucht es eine möglichst genaue Modellvorstel-lung von den Vorgängen innerhalb des Systems und seiner unmittelbaren Umge-bung. Deshalb ist die Auswahl der Variablen, die das Geschehen möglichst exakt beschreiben und deren Umwandlung in Datenströme elementar. Die Entscheidung über Messdaten und Messzeitpunkte ist deswegen entscheidend für die Modellie-rung des Gesamtsystems.

Kontinuierliche Messungen liefern fortlaufend Daten, anders als diskrete Mess-werte, die nur zu bestimmten Zeitpunkten erhoben werden. In der agilen Welt spre-chen wir bereits dann von kontinuierlichen Messungen, wenn die Messzeitpunkte hinreichend eng beieinanderliegen. Ab welcher Erhebungshäufigkeit diskrete Daten als kontinuierlichen Daten (Flowdaten) interpretiert werden, ist eine spezifische Ent-scheidung und kann nicht allgemein beantwortet werden. Mit anderen Worten: Wie viele Messpunkte für ein aussagekräftiges Modell benötigt werden, ob 100 Mess-punkte pro Tag oder 1000 Messpunkte pro Woche, ist von der konkreten Situation abhängig.

Viele Flussdaten lassen sich in Abhängigkeit der angewandten agilen Methoden aus den benutzten Modellen ableiten (z. B. Lead Times in einem Cumulative-Flow- Diagramm). Die Entscheidung für die Erhebung von Flussdaten benötigt auch gleichzeitig einen Plan für deren sinnvolle Auswertung. Je kleiner die Veränderungsschritte (Moves) in einem Transformationsprozess, desto besser lässt sich die Veränderung erfolg-reich steuern. Umso kleiner jedoch diese Losgröße (Batchsize), desto häufiger sollte gemessen werden und desto näher sollten die Messpunkte beieinanderliegen. Um viele Messzeitpunkte sinnvoll analysieren zu können, ist eine automatisierte Aus-wertung hilfreich.

Datengetriebene Transformation

Flussdaten

Datengetriebene Transformation

SEITE 29

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 30: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Aspekte, die hier auf der praktischen Ebene beachtet werden müssen, sind:

• Abbildung der Spielphilosophie - Welche Metriken brauchen wir, um die Umsetzung der Spielphilosophie

beobachten und nachjustieren zu können?

• Kanbansysteme - Wie können wir den Fluss der Wertschöpfung verbessern?

• Automatisierte Auswertung - Wie können wir die Messungen sinnvoll und zeitnah auswerten?

• Änderungsgeschwindigkeit - Wie lässt sich die Veränderungskapazität aktiv als Steuerungsgröße nutzen?

Es lohnt sich, den letzten Punkt genauer anzuschauen, da dieser in der Regel ver-nachlässigt wird, obwohl er essentiell für die Reaktionsfähigkeit des Unternehmens ist.

3.1.1 ÄNDERUNGSGESCHWINDIGKEIT

Wie lässt sich die Veränderungskapazität aktiv als Steuerungsgröße nutzen?

In einem agilen Transformationsprozess ist die kontinuierliche Erhebung der Ände-rungsgeschwindigkeit eine sehr wichtige Größe. Sie beschreibt die Veränderungs-kapazität der Organisation, der Teams und der betroffenen Individuen. Wir gehen davon aus, dass nicht nur jede Organisation, sondern auch jedes Team und jeder ein-zelne Mitarbeiter über eine individuelle Veränderungskapazität verfügt, die angibt, wieviel Veränderung ein Individuum, ein Team oder eine Organisation bewältigen kann. Je größer die Veränderungskapazität ist, desto mehr Veränderung kann pro Zeitabschnitt in hoher Qualität umgesetzt werden.Die Veränderungskapazität lässt sich dabei wie eine innere Muskulatur verstehen, die benötigt wird, um Veränderungen durchzuführen. Selbst wenn ich ein guter Ten-nisspieler bin – wenn meine Muskulatur nicht genügend trainiert ist, werde ich gegen Ende des Matches mehr Fehler machen, weil meine Kraft nachlässt. Bei Verände-rungen ist die „Kraft“ meine Veränderungskapazität. Wenn ich mehr Veränderungen bewältigen muss, als ich verkraften kann, sinkt die Qualität meiner Lösungen oder meiner Anpassungsleistungen.

Aufgaben, die die Veränderungskapazität überschreiten, werden zurückge-wiesen, bewusst oder unbewusst. Je nach vorherrschender Unternehmens-kultur geschieht sogar der bewusste Teil offen oder verdeckt.

SEITE 30

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 31: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

In einem gesunden Veränderungsprozess dürfen unterschiedliche Veränderungs-geschwindigkeiten von Teams oder Individuen nicht nur offen existieren, sondern ihr spezifischer Beitrag zur Transformation wird anerkannt und wertgeschätzt, zumal die Veränderungsgeschwindigkeit sehr bereichsabhängig ist: In jedem Bereich gibt es die schnellen Veränderer mit einer hohen Veränderungskapazität. Sie treiben die Transformation voran, probieren neue Ideen aus, machen frühe Erfahrungen und ermöglichen der Organisation, schnell zu lernen und die nächsten Schritte anzu-passen. Genauso gibt es Bewahrer, die in diesem Teilbereich eher wenig Verände-rungskapazität aufweisen. Sie sorgen für die notwendige Stabilität im Prozess durch ihr kritisches Hinterfragen und ihre zurückhaltenden Schritte. Jeder Mensch hat für verschiedene Bereiche eine unterschiedliche Veränderungskapazität. Kaum jemand ist überall Innovator oder Nachzügler. Es fällt Unternehmen häufig schwer, zu honorieren, dass Menschen unterschiedliche Veränderungsgeschwindigkeiten aufweisen, und dass diese Tatsache kein auszumerzendes Übel ist, sondern ihren eigenen Wert hat. Unterschiedlichkeit ist ein Vorteil in agilen Unternehmen. Oder wie es Don Reinertsen ausdrückt: „Variability is the Travel Companion of Innovation.“ (Variabilität ist der Reisegefährte der Innovation.)14

Innovatoren Frühzeitige Anwender

Frühe Mehrheit

SpäteMehrheit

Nachzügler

Abbildung 6: Einstufung von Veränderungskapazität nach Moore15

Eine Spielphilosophie hat viele Facetten und jeder Mitarbeiter hat in jeder einzelnen eine andere Veränderungskapazität. Deswegen ist es essentiell, die Veränderungs-kapazität immer in Bezug zu der Facette zu betrachten, in der eine Verbesserung erfolgen soll.

14 Vgl. Reinertsen, Don (2009).

15 Vgl. Moore, Geoffrey A. (2014).

SEITE 31

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 32: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Aktuelle Ansätze im Bereich der Change-Readiness-Analysen legen häufig ihren Fokus auf Variablen wie beispielsweise Offenheit, Vertrauen, Verfügbarkeit an Infor-mationen, Einstellung zur Arbeit und decken den hier beschriebenen Ansatz der variablen Veränderungskapazität nicht oder nur teilweise ab. Sie versuchen, die Ein-stellungen zum Wandel zu einem bestimmten Zeitpunkt für die Planung oder Steu-erung des Veränderungsprozesses festzustellen. Dabei ist nicht nur der Messzeit-punkt diskret, es werden auch in der Regel nur wenige Mitarbeiter befragt. Von einer spezifischen, sich selbst im Prozess verändernden Veränderungskapazität wird nicht ausgegangen. Sie wird weder kontinuierlich erhoben noch in einem iterativen Prozess berücksichtigt. Bisher gibt es bei der Planung und Durchführung von Verän-derungsinitiativen wenig Verständnis dafür, dass jeder Beteiligte nur eine bestimmte Menge an Veränderung in seinem Alltag umsetzen kann, ohne dass die Produktivi-tät und die Qualität der Arbeit darunter leiden. Daher wird die Transformationsbe-lastung zwar teilweise diffus wahrgenommen, aber sie wird nicht quantifiziert und aktiv als Steuerungsgröße genutzt. Dies hat zur Folge, dass Mitarbeiter häufig mehr Neuerungen bewältigen müssen, als sie verkraften können. Sie sind mit dem eigent-lichen Change überfordert und vollziehen ihn nicht mit neuen Einsichten und Bewer-tungen, sondern pro forma. Die Auswirkungen sind häufig erst deutlich verzögert zu spüren. Soll beispielsweise DevOps eingeführt werden, kann diese Aufgabe je nach vorhandener freier Veränderungskapazität mit viel Ideenreichtum und Engagement angegangen werden. Bei erschöpfter Veränderungskapazität wird vermutlich nur getan, was den Vorgaben gerade genügt.

Ein wichtiger Schritt hin zu einem gesunden Veränderungsprozess wäre daher, eine Wahrnehmung für die vorhandene Veränderungskapazität zu entwickeln und diese transparent zu machen.16 Diese Transparenz ist die Grundlage, ohne die keine sinn-vollen weiteren Schritte entwickelt werden können. Sie funktioniert nur in Kombina-tion mit der Einsicht und Wertschätzung, dass jede Ausprägung dieser Kapazität in Ordnung ist und einen wertvollen Beitrag zur Transformation leistet.

Die Veränderungskapazität ist dabei relativ unabhängig von der Zeit, die für die Ver-änderung selbst benötigt wird. Veränderungen, die viel Zeit in Anspruch nehmen, benötigen nicht unbedingt viel Kapazität. Veränderungen die wenig Zeit brauchen, können einen großen Teil der Veränderungskapazität in Beschlag nehmen. Hier scheinen andere Faktoren ins Spiel zu kommen, wie beispielsweise die Tiefe der Veränderung: Wie grundlegend greift die Veränderung in den bisherigen Prozess ein? Wie tiefgreifend wird diese Änderung empfunden?

16 Für ein Beispiel siehe unter Punkt 3.3 „Subjektive Daten“.

SEITE 32

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 33: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Diese individuell unterschiedlichen Einschätzungen können durch agile Schätz-methoden transparent gemacht werden. Dazu ist es hilfreich, Initiativen in der Orga-nisationsentwicklung analog zu Epics17 in der Produktentwicklung zu sehen (S. 23, Abb. 4). Das Gegenstück zu Features in der Produktentwicklung bezeichnen wir als Changes. Wie User Stories werden sie in einzelne kleine Schritte (Moves) herun-tergebrochen und beschätzt. Jedes Teammitglied kann dann entscheiden, welche einzelnen Moves es in welcher Zeitspanne (z. B. Sprint oder Iteration) übernimmt. Mit der Zeit ergibt sich daraus eine Change Velocity, die auf individueller oder auf Teambasis eine Messgröße für die vorhandene Veränderungskapazität darstellt und einen Hinweis darauf gibt, wieviel „Veränderungsmuskulatur“ vorhanden ist.

Ein weiterer Schritt wäre dann, anstehende Veränderungen als größere zusammen-hängende strategische Aufgabenbereiche (Initiativen) zu begreifen und hinsichtlich ihrer Veränderungsgröße zu beschätzen. Genauso wie die Größe sollte auch der Nut-zen von den betroffenen Mitarbeitern oder Teams beschätzt werden, um die Verän-derung mit dem besten Veränderungsquotienten (Veränderungskosten geteilt durch Veränderungsnutzen) bevorzugt umzusetzen. Auch hier spielt weniger die zeitliche Komponente der Veränderungen eine Rolle, als Faktoren wie die Anzahl der betrof-fenen Mitarbeiter und das Ausmaß der Veränderung im Prozess. Die grundlegende Struktur der Produktentwicklung (Work-Breakdown-Struktur) lässt sich auf die Organisationsentwicklung übertragen, auch wenn natürlich der Umgang mit User Stories sich in der Praxis in aller Regel stark vom Umgang mit Moves unterscheidet.

3.2 OBJEKTIVE DATEN

Objektive Daten unterscheiden sich von Flussdaten zunächst durch ihre Erhebungs-frequenz. Sie werden nicht kontinuierlich oder in sehr engen Abständen, sondern zu weiter auseinanderliegenden Zeitpunkten erhoben. Die Grenze zwischen einer kon-tinuierlichen und einer nicht kontinuierlichen Erhebung ist dabei willkürlich gewählt und ändert sich mit dem Reifegrad der Agilität.

Um die Notwendigkeit des Unterschieds zwischen objektiven Daten und Flussdaten zu verdeutlichen, ein Beispiel:Ich habe eine Vorstellung des Gesamtsystems. Daraus folgend erhebe ich bestimmte Flussdaten, um meine Annahmen zu untermauern. Anhand der Ergebnisse modi-fiziere ich meine Vorstellung. Objektive Daten gewähren ebenso einen Blick auf das Gesamtsystem und helfen mir bei der Validierung, doch tun sie dies aus einer anderen Perspektive. Es ist, als ob bei einem Patienten auf einer Intensivstation konti nuierlich der Puls gemessen und unter anderem dadurch eine Annahme über die Stabilität des Patienten abgeleitet wird. Der Blutdruck wird jede halbe Stunde gemessen und dient dazu, diese Annahme zu überprüfen.

17 Zu Epics siehe beispielsweise hier: http://www.scaledagileframework.com/epic/.

Objektive Daten

Datengetriebene Transformation

SEITE 33

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 34: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Wie Flussdaten helfen auch objektive Daten erst dann bei der Organisationsent-wicklung, wenn für den gemessenen Bereich ein Reifegradmodell vorliegt.

Für jeden einzelnen Aspekt der Spielphilosophie muss ein Reifegradmodell vorlie-gen, um die Veränderungen steuerbar zu machen. Diese Modelle erzeugen Trans-parenz über die bestehenden Vorstellungen, wie ein Prozess oder ein Unternehmen in diesem Bereich im Detail funktionieren sollte und zeigen den größeren Zusam-menhang auf. Wenn ich beispielsweise messe, wie viele Bugs es pro Fehlerklasse in den vergangenen Sprints gegeben hat, kann ich für eine Spielphilosophie mit star-ker Betonung der Qualität auf einem entsprechenden Reifegradmodell den aktuellen Status verorten. Ich weiß genau, warum ich die Rate pro Fehlerklasse messe und wie diese Information mir helfen kann, die richtigen Entscheidungen für die nächs-ten Maßnahmen zu treffen.

Nicht in allen Bereichen der Spielphilosophie werden zur gleichen Zeit mit gleicher Intensität größere Veränderungen umgesetzt. Es gibt immer Teile, die gerade in einer stabilen Phase sind und andere Bereiche, die gerade eine Disruption erleben. Wäre es anders, wäre die Veränderungskapazität der Beteiligten schnell überschritten und die Instabilität könnte den Gesamterfolg gefährden. Deswegen ist es wichtig zu entscheiden, in welchen Gebieten gerade

• substantielle Verbesserungen angestrebt werden (disruptive Bereiche) und in welchen

• der Status Quo erhalten werden soll (stabile Bereiche).

Bei der Erhebung und Einordnung der objektiven Daten ist es daher wichtig, zu ver-orten, auf welcher Stufe man sich in welchem Reifegradmodell bewegt und welche Ziele dort gerade verfolgt werden sollen.

Wenn ich durch meine Maßnahme keinen klaren Ausschlag in meinen Messwer-ten erhalte, komme ich durch diese Maßnahme nicht von der Stelle. Es ist dabei unerheblich, ob sie vielleicht irgendwo irgendetwas bewirkt haben könnte. „Because ’change’ is not a destination, just as ‘hope’ is not a strategy.“18 („Veränderung“ ist kein Zielzustand, genauso wie „Hoffnung“ keine Strategie ist.) Es macht keinen Sinn, am Steuerrad eines Schiffes herumzudrehen, wenn es keinen messbaren Ausschlag auf dem Kompass gibt.

18 Zitat des ehemaligen Bürgermeisters von New York City Rudy Giuliani vom 03.09.2008 auf dem Parteitag der Republikanischen Partei.

SEITE 34

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 35: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

3.2.1 REIFEGRADMODELLE

Für jede einzelne Praktik wird in der agilen Organisationsentwicklung dezentral ein Reifegradmodell (Maturity Model) ausgearbeitet und kontinuierlich weiterentwickelt. Ein Reifegradmodell beschreibt einen mehrstufigen Entwicklungspfad einer Auf-gabe, einer Rolle, eines Bereiches, eines Teams etc. Häufig besteht es aus drei, fünf oder zehn Stufen, kann aber auch jede andere Anzahl von Stufen haben. Ein solches Modell erleichtert nicht nur die Einschätzung des Ist-Zustandes, sondern schafft ein gemeinsames Verständnis über einen klaren Entwicklungsweg mit einer trans-parenten Zieldefinition bzw. einem Akzeptanzkriterium auf jeder einzelnen Stufe.

Damit kann objektiv gemessen werden, ob eine bestimmte Stufe erreicht wurde oder nicht. Wie jedes Artefakt ist auch ein Reifegradmodell niemals statisch, sondern wird immer wieder an sich verändernde Umstände und neue Erfahrungen angepasst. Es ist überdies immer nur ein Vorschlag in die Organisation hinein. Je nach Themenfeld kann es von unterschiedlichen Teams oder Organisationseinheiten entwickelt wer-den. Wichtig ist, dass es breite Zustimmung bei den Betroffenen findet und als eine aktuelle gemeinsame Ausrichtung (Alignment) akzeptiert wird. Jedes Team oder jeder Mitarbeiter, der in der Praxis ein vorgeschlagenes Modell nicht passend findet, ist aufgefordert, einen neuen Vorschlag zu machen. Wenn dieser Zustimmung findet, wird das Artefakt entsprechend angepasst. Dadurch werden alle im Unternehmen existierenden Reifegradmodelle einem kontinuierlichen Praxischeck unterzogen und ständig verbessert und der Realität angepasst.

Ein Beispiel: Ein Projekt möchte die Effizienz seiner Meetings steigern, um nur noch die wirklich notwendigen Meetings mit den richtigen Personen durchzuführen. Die Hypothese ist, dass die Häufigkeit der Besprechungen am ineffizienten Informa-tionsfluss liegt. Das bedeutet, wenn sich der Informationsfluss verbessert, verrin-gert sich die Anzahl der Personenstunden, die in Meetings verbracht werden. Dafür wurde gemeinsam ein Reifegradmodell entwickelt, ausprobiert und weiterent-wickelt. Derzeit sieht es so aus:

SEITE 35

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 36: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

• Stufe 1: - Vor jedem Meeting wird eine Agenda an alle Beteiligten verschickt. - Die Ergebnisse jedes Meetings werden schriftlich zusammengefasst

und an alle Beteiligten geschickt.

• Stufe 2: - Die Ergebnisse werden vor Ende jedes Meetings für alle Teilnehmer

transparent protokolliert und verschickt, bevor der erste Teilnehmer den Meetingraum verlässt.

• Stufe 3: - Meeting-Ergebnisse werden nicht nur an alle Teilnehmer geschickt,

sondern projektweit in einem Tool veröffentlicht.

• Stufe 4: - Alle Meetings des Projektes werden zentral erfasst. - Am Ende einer Woche wird projektweit veröffentlicht, wieviel Prozent

der Meetings oder Personenstunden, die in Meetings verbracht wurden, öffentlich dokumentiert worden sind.

• Stufe 5: - Ein Projektjournalist dokumentiert zentral alle wichtigen Meetings.

Dieses Modell wird sich weiterentwickeln und anpassen, vor allem wenn die Hypo-these falsifiziert werden würde und sich trotz der höheren Stufe im Reifegrad modell die Anzahl der Besprechungen nicht reduziert. In diesem Fall müsste man mit Hilfe einer Ursachenanalyse genau schauen, ob Meetings beispielsweise noch eine andere Komponente bedienen, die diese Art von Informationsbereitstellung nicht leistet, wie z. B. Socializing. Ein anderer Ansatz könnte sein, zu prüfen, ob die richtigen Informa-tionen zum richtigen Zeitpunkt im Tool zur Verfügung stehen usw. Mit den gewonne-nen Erkenntnissen würde das Reifegradmodell angepasst oder sogar ein weiteres entwickelt, das einen anderen Aspekt fokussiert, wie z. B. die Meetingdauer. Dann könnte die erste Ebene des neuen Reifegradmodells lauten:

• Stufe 1: - Alle Meetings, die länger als 30 Minuten dauern, werden in Zeitscheiben

zu 30 Minuten eingeteilt. - Für jede Zeitscheibe wird vorab ein Ziel festgelegt. - Am Ende der Zeitscheibe wird protokolliert, ob das gesteckte Ziel erreicht

wurde.

SEITE 36

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 37: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Durch das Herunterbrechen in einzelne Stufen wird die Flughöhe der Change- Vorhaben drastisch reduziert. Es wird gewährleistet, dass zum einen mit größtmög-licher Transparenz durch die Führungskräfte und Mitarbeiter eingeschätzt werden kann, in welchem Stadium sich das Unternehmen oder einzelne Teile davon befin-den. Zum anderen lässt sich als gemeinsame Ausrichtung klären, welche Reife-grad-Ebene für die Umsetzung der konkreten Ziele angestrebt werden sollte. Nicht immer ist es für jede Aufgabe notwendig, in jedem Reifegradmodell die höchste Stufe zu erreichen.

3.3 SUBJEKTIVE DATEN

Subjektive Daten liefern eine völlig andere Qualität von Informationen. Ich kann objektiv beispielweise im Bereich „Agiles Anforderungsmanagement“ im aktuellen Reifegradmodell bereits eine sehr fortgeschrittene Stufe erreicht haben und den-noch habe ich subjektiv das Gefühl, dass „etwas nicht gut läuft“. Dies ist eine sehr wichtige Information und keineswegs trivial. Im oben beschriebenen Beispiel eines Reifegradmodells ist noch nicht ausgesagt, wie gut ich mich beispielsweise als Mit-arbeiter informiert fühle.Die Wissenschaft hat längst nachgewiesen, dass Menschen nicht rein rational ent-scheiden. Unsere Gefühle, Einstellungen und Weltbilder spielen dabei immer mit. Die Frage ist nur, ob wir uns dessen bewusst sind und Gefühle als wichtige Informa-tionsquelle nutzen.19 Das bedeutet natürlich nicht, alles nur emotional zu betrach-ten, sondern eine Wahrnehmung für beide Seiten der Medaille, die rationale und die emotionale aufzubauen und so beide Quellen zu nutzen. Durch die Stigmatisierung, dass alles, was aus der emotionalen „Ecke“ kommt, unprofessionell ist, haben wir gelernt, diese Art der Information lieber zu ignorieren. Das ist, als ob die Öllampe im Auto aufleuchtet und wir sie abkleben, weil wir den Hinweis auf das Problem jetzt nicht sehen wollen. Irgendwann wundern wir uns dann, dass der Motor kaputt ist.

Der Bereich der subjektiven Daten bietet die Möglichkeit, auch diese „weichen“ Informationen zu erheben mit der gleichen Aussagekraft und Bedeutsamkeit wie objektive Daten. Hier geht es um persönliche Indikatoren, denn man kann subjektiv unzufrieden sein, obwohl objektiv alles gut läuft. Es gibt bereits Tools, die im Bereich der Agilität darauf ausgerichtet sind, die subjektiven Eindrücke von Teammitglie-dern aufnehmen zu können (z. B. Agility Health Radar, Crisp20). Der Fokus subjektiver Daten liegt darauf, was wirklich im Unternehmen bei den Mitarbeitern ankommt und gelebt wird – aus der ganz persönlichen Perspektive der Mitarbeiter. Dabei gibt es kein Richtig oder Falsch, sondern Ansichten, Meinungen, Einschätzungen und Perspektiven.

19 Vgl. Kahneman, Daniel (2016) sowie Gigerenzer, Gerd (2008).

20 Über Crisp: http://blog.crisp.se/2010/05/08/henrikkniberg/what-is-crisp, zum Agility Health Radar siehe https://agilityhealthradar.com/.

Subjektive Daten

Datengetriebene Transformation

SEITE 37

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 38: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Ein Beispiel für die Nutzung von subjektiven Daten, die, wie oben beschrieben, sehr hilfreich für die Arbeit in einem agilen Unternehmen sein können, ist die persönliche Einschätzung der eigenen Veränderungskapazität. Diese ist in der Regel kein ein-heitlicher Wert über allen Themen. Ein Teammitglied probiert beispielweise gerne die neuesten Versionen diverser Tools noch in der Beta-Phase aus. Gleichzeitig reagiert dieses Teammitglied mit einer starken Abwehrhaltung auf Änderungen von agilen Methoden in der Teamarbeit oder die Verlegung des Teamraums. Entwickelt man eine Wahrnehmung für die eigene Veränderungskapazität, kann man persön-lich entscheiden, ob und wie man diese Veränderungskapazität trainieren möchte. Die eigene Veränderungskapazität für ein Thema oder einen Bereich könnte man für sich selbst beispielsweise im fünfstufigen Modell von Moore21 einschätzen (siehe Abbildung 6).

Die subjektive Veränderungskapazität ist ein wichtiger Hinweis für den eigenverant-wortlichen Umgang mit den Anforderungen in der Organisation. Wir werden in die-sem Zusammenhang noch auf die „emotionale Stabilität“ zu sprechen kommen, für die eine solche Wahrnehmung von elementarer Bedeutung ist. Die Veränderungs-kapazität kann aber auch für Teams, Abteilungen oder eine Organisation erhoben werden und dabei helfen, das richtige Maß an Veränderung bereitzustellen, ohne zu unter- oder überfordern.

Wichtige inhaltliche Aspekte bei der Erhebung subjektiver Daten sind:

• Gemeinsame Ausrichtung - Wie stark ist die gemeinsame Ausrichtung (Aligment) im Hinblick auf das

Organisationsziel?

• Sozialisierung der Maßnahmen - Wie intensiv ist die Einbindung der Mitarbeiter in die Aktivitäten?

• Veränderungsgeschwindigkeit - Haben die Mitarbeiter eine Wahrnehmung für ihre persönliche

Veränderungskapazität in unterschiedlichen Bereichen aufgebaut? - Wird diese unter- oder überschritten?

21 Vgl. Moore, Geoffrey A. (2014).

SEITE 38

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 39: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

4 INDIVIDUALENTWICKLUNG

Wenn die Reaktionsgeschwindigkeit des Unternehmens steigen soll, müssen sich die Prozesse der Individualentwicklung so ändern, dass die Mitarbeiter die Möglichkeit bekommen, sich schnell neues Wissen anzueignen, um die neue Geschwindigkeit mitgehen zu können. In einem der bekanntesten Modelle des Wissensmanagements, dem SECI-Modell von Nonaka und Takeuchi22, ist die erste von vier aufeinander-folgenden Phasen des Wissenserwerbs im Unternehmen die Sozialisation, in der Wissen in der betrieblichen Zusammenarbeit erworben wird und dann implizit vor-handen ist. Das bedeutet, man wird für eine Position eingestellt und erlernt die Fein-heiten der spezifischen Aufgabe in der Zusammenarbeit mit den Kollegen. Das war in der Vergangenheit die wichtigste Phase des Wissenserwerbs. Flankiert wurde dies von mehr oder weniger spezifischen Trainingsangeboten, häufig eher gesteuert von Trainingsbudgets als von zielgerichteter Entwicklung mit Ergebnismessung.

Im Umfeld von disruptiven Marktveränderungen ist die Geschwindigkeit zu hoch, als dass man den Prozess der individuellen Entwicklung allein der Sozialisation oder unspezifischen Trainingsangeboten überlassen könnte. Auch wenn die Veränderung agil erfolgt und evolutionär ist, wird irgendwann eine Veränderungsgeschwindigkeit erreicht, die zu schnell ist, als dass die bisherige Art des Wissenserwerbs noch aus-reichen würde. Lange Zeit war Lernen am Modell23 die Methode der Wahl, um das Wissen eines Meisters für den Lehrling zugänglich zu machen und ihn so langsam erlernen zu lassen, was er für seine Arbeit benötigte. Das funktioniert in disruptiven Bereichen nicht mehr:

• Zum einen haben in einem sich kontinuierlich verändernden Umfeld auch die Kolle gen keine lange spezifische Erfahrung mehr, die sie weitergeben können. Es dauert zu lange, bis das neue Wissen so tief gesackt ist, um es nur durch Soziali-sation weiterzugeben. Hier braucht es eine kontinuierliche Qualifikations -initiative für Mitarbeiter.

• Zum anderen geht es in der gesamten Organisation um die Umsetzung der Spiel-philosophie und die Erreichung des gemeinsamen Ziels. Jeder Schritt im Unter-nehmen sollte sich daran messen lassen, inwiefern er darauf einzahlt und einen Beitrag dazu leistet. Bei transparenten Reifegradmodellen brauchen Mitarbeiter die Möglichkeit, sich gezielt weiterentwickeln zu können, um die nächste ange-strebte Stufe im jeweiligen Modell zu erreichen.

Da auch diese Modelle einer kontinuierlichen Überprüfung und Weiterentwicklung von allen Seiten unterliegen, müssen sich auch hier die Angebote zur Zielerreichung in der gleichen Geschwindigkeit mitentwickeln.

22 Vgl. Nonaka, I.; Takeuchi, H. (1995).

23 Vgl. die sozial-kognitive Lerntheorie: Bandura, A. (1994).

Individualentwicklung

SEITE 39

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 40: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Der große Schwenk hin zur emotionalen Stabilität

Wir befinden uns im Bereich der agilen Entwicklung nicht nur im „Neuland“ von geänderten Prozessen, Systemdenken und Transparenz. Ständig werden wir auf permanente Veränderung, Eigenverantwortung und Selbstorganisation hingewiesen und viele Mitarbeiter und Führungskräfte fühlen sich damit alleingelassen. Das ist nur allzu verständlich, denn wir sind seit Generationen das Arbeiten in Hierarchien gewohnt. Hierarchien durchziehen nahezu jede persönliche Mitarbeiterbiografie: Üblicherweise beginnt das Leben in der Hierarchie spätestens mit dem Eintritt in die Schule und zieht sich von dort über Ausbildung oder Studium bis in den Berufsalltag fort. Wenn der Freiheitsgrad einer Abteilung, eines Teams oder Mitarbeiters durch eine hierarchische Ordnung stark eingeschränkt wird, funktioniert das System im Rahmen der vorgegebenen Möglichkeiten weitgehend unabhängig von der emotio-nalen Stabilität einzelner Mitarbeiter. Die Hierarchie gibt einen engen Rahmen vor, in dem jeder Mitarbeiter in der Regel ohne Notwendigkeit von komplexen Entschei-dungsprozessen dem vorgegebenen Weg folgt. Wenn der Weg vorgegeben ist, brau-che ich mir keine Gedanken zu machen, ob er mich zum Ziel führt.

Das ist in einem komplexen Umfeld nicht mehr der Fall. Auf die Komplexität der Außenwelt kann nur mit einer komplexen Organisationsstruktur reagiert werden, mit dezentralen Entscheidungsstrukturen und in sich stabilen Organisationskom-ponenten. Hier wirkt sich emotionale Instabilität massiv auf die Reaktionsgeschwin-digkeit des Systems aus.

Was soll emotionale Stabilität sein? Es bedeutet für einen Menschen, sich selbst mit seinen Einstellungen, Mustern, Stärken und Schwächen zu kennen und Verant-wortung für die eigenen Gefühle zu übernehmen und damit aus dem „Blame-Game“ auszusteigen. Harter Tobak im Businessumfeld!

Ein Beispiel: Ich bin wütend, weil ich immer pünktlich zu den Teammeetings komme und die anderen ständig zu spät sind. Daraus kann sich ein psychologisches Spiel entwickeln, in dem ich auf die Regeln poche, meine persönliche Kränkung nicht sehen will und die anderen für ihre mangelnde Disziplin rüge. Das wird sich auf die Arbeitsfähigkeit des Teams, die Motivation zur Zusammenarbeit und die Bereitschaft zur Pünktlichkeit nicht gerade förderlich auswirken. Selbst wenn ich Pünktlichkeit erzwinge – die Energie im Team geht in den Keller. Kann ich meine persönlichen Gefühle wahrnehmen und als einfache Information begreifen, ohne dass sie mein Handeln komplett bestimmen, bin ich eher in der Lage, mit dem Team eine kon-struktive Diskussion über die Ursache des Problems zu führen und eine Lösung zu finden, die dann auch außerhalb meiner Vorstellung liegen darf. Nützlich könnte hier eine Ursachenanalyse (Root-Cause-Analysis) sein.

SEITE 40

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 41: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

In der Transaktionsanalyse24 beschreibt man in diesem Zusammenhang das Kon-zept einer integrierten Persönlichkeit, die über Flexibilität im Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Verhalten verfügt, ein stabiles Selbstwertempfinden hat und ihre Stär-ken und Schwächen kennt, kommunikationsfähig, konfliktfähig und handlungsfähig ist und ein Bewusstsein für eigene und fremde Wachstumsprozesse25 hat. Das ist kein statischer Zustand, sondern ein Prozess, für den man eine Wahrnehmung auf-bauen kann. Wo stehe ich heute? Wie geht es mir? Was fällt mir schwer, wo gehe ich an die Grenzen meiner Vorstellungskraft?

Emotionale Stabilität ist die große Unbekannte in der Geschäftswelt: Sie in allen Meetings mit am Tisch, ist an allen Entscheidungen beteiligt und begleitet jeden Konflikt im Unternehmen - und sei er noch so rein sachlich begründet.

Das allein ist kein Problem, sondern einfach menschlich. Zum Problem wird es erst dadurch, dass man verneint, dass es so ist und diese Tatsache in den Schatten drängt. So wie es Jahrzehnte gedauert hat, anzuerkennen, dass Menschen nicht rein rational entscheiden26 und dies mittlerweile mit einem Nobelpreis für Wirtschafts-wissenschaften honoriert wurde, genauso schwierig ist es, im Geschäftsleben anzuerkennen, dass emotionale Stabilität einen maßgeblichen Einfluss auf die Leis-tungsfähigkeit und Reaktionsgeschwindigkeit des Unternehmens hat. Mit anderen Worten: Nur mit emotionaler Stabilität in den Strukturen des Unternehmens, also in Projekten, Abteilungen, Teams usw. kann die Reaktionsgeschwindigkeit substantiell erhöht werden.

Emotionale Stabilität fängt beim Individuum an.

Gesellschaftlich derzeit schon eher im Businessbereich akzeptiert ist die Resilienz, die mit emotionaler Stabilität sehr eng verknüpft ist (siehe auch Kapitel 2.3 „Trai-ningsplan“). Wir werten dies als einen guten Schritt in die richtige Richtung, denn wenn dieser Aspekt aus seiner Grauzone herausgenommen wird, kann er genauso wie alle anderen Faktoren trainiert und gemessen werden. Aus unserer Sicht sollte deshalb dem Trainerstab beispielsweise ein Experte für für „Gewaltfreie Kommuni-kation“27 oder ein solcher für Transaktionsanalyse28 angehören.

Wenn im Individualbereich die emotionale Stabilität ein normaler trainierbarer Fak-tor ist, kann man auch die emotionale Stabilität größerer Einheiten in den Fokus nehmen und sie als wichtigen Erfolgsfaktor messen und trainieren.

24 Vgl. Berne, E. (1964).

25 Vgl. Hagehülsmann, U. u. H. (2007), Dehner, U. u. R. (2007).

26 Vgl. Kahneman, D. (2016).

27 Vgl. Rosenberg, M. B. (2016).

28 Viele Konzepte der Transaktionsanalyse werden im Business Coaching verwendet wie z. B. das Drama-Dreieck, psychologische Spiele etc., vgl. Hagehülsmann, U. u. H. (2007) und Dehner, U. u. R. (2007).

SEITE 41

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 42: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

4.1 KARRIEREMODELL

Hat man die bisher beschriebene Vorgehensweise der Organisationsentwicklung verankert, ist der Schritt hin zu einem dazu passenden Karrieremodell nicht mehr weit. Wenn man ein transparentes Portfolio von Kompetenzen und darauf bezoge-nen Reifegraden nutzt, um bestimmte Karriereschritte zu beschreiben, erhält man ein sehr transparentes und im Unternehmen abgestimmtes Karrieremodell, das gleichzeitig gezielt die Organisationsentwicklung vorantreibt.

New Scrum Master

Scrum Master

Advanced Scrum Master

ReifegradmodellScrum

Stufe 1

Stufe 2

Stufe 3

Stufe 4

Stufe 5

Stufe 1

Stufe 2

Stufe 3

Stufe 4

Stufe 5

Stufe 6

ReifegradmodellKanban

Stufe 1

Stufe 2

Stufe 3

Stufe 4

ReifegradmodellServant

Leadership

Stufe 1

Stufe 2

Stufe 3

Stufe 4

Stufe 5

ReifegradmodellRetroperspektiven

Abbildung 7: Beispiel für Reifegradstufen der Rolle „Scrum Master“ und deren Ausprägung in den verschiedenen Aspekten der Spielphilosophie, die sich durch Reifegradmodelle ausdrücken

Auch alle Rollen werden mit Reifegradstufen beschrieben. Für jede Rolle kann dann spezifiziert werden, welche Reifegradmodelle dafür relevant sind und welche kon-kreten Stufen erreicht werden müssen. Wichtig ist dabei immer: Jedes Reifegrad-modell steht für die Ausprägung eines Aspektes der Spielphilosophie. Auch wenn es sicherlich keinen Automatismus für die Besetzung von Rollen geben wird, wird auf diese Weise ein transparenter Entwicklungspfad aufgezeigt, der sowohl durch fach-liche als auch persönlichkeitsbildende Reifegradmodelle geprägt ist und der den Mitarbeitern hilft, sich im Sinne der Spielphilosophie zu qualifizieren.

Karrieremodell

Individualentwicklung

SEITE 42

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 43: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Ist eine neue Position zu besetzen, wird unter den Personen, die die notwendige Qualifikation durch das Erreichen der Reifegradlevel aufweisen und Interesse an der neuen Position haben, ein Mitarbeiter gewählt. Dabei ist zu klären, wer bei dieser Wahl abstimmungsberechtigt ist. In reifen agilen Unternehmen wählen alle Betrof-fenen selbst ihren Kandidaten. Wenn ein Team beispielsweise einen neuen Scrum Master braucht, wählt das Team den Scrum Master. Wenn ein Projekt einen neuen Projektleiter braucht, wählt das ganze Projekt. In weniger reifen Organisationen sind häufig nur die Vorgesetzten wahlberechtigt. Die Entscheidung darüber, wer wahlbe-rechtigt ist, muss vom Management getroffen werden.

In einer agilen Organisation mit eigenverantwortlich handelnden und selbstorgani-sierten Mitarbeitern schafft diese Transparenz die Voraussetzung für kontinuierliche Weiterentwicklung nach den persönlichen Zielen und Möglichkeiten, aber auch der persönlichen Veränderungskapazität. Die Spielregeln, nach denen wirklich gespielt wird, sind allen bekannt und die Energie kann sich auf Aktivitäten fokussieren, die einzelne Mitarbeiter und das ganze Unternehmen im Sinne der Spielphilosophie vor-anbringen.

Das Karrieremodell darf in einer sich kontinuierlich verändernden Organisation nicht statisch sein.

Auf der Umsetzungsebene ist es essentiell, darauf zu achten, dass folgende Aspekte berücksichtigt werden:

• Abbildung der Spielphilosophie - Wie gut deckt das Karrieremodell alle Aspekte der Spielphilosophie ab

und - unterstützt sie damit nachhaltig?

• Anpassung des Karrieremodells (Inspect & Adapt) - Gibt es einen transparenten Anpassungsprozess für Änderungen im

Karrieremodell?

• Variation & Selektion - Welche Freiheitsgrade gibt es innerhalb des Karrieremodells? Wie flexibel ist

es, um der Vielfalt der Lebensrealität gerecht zu werden?

• Motivation - Sind die Mitarbeiter motiviert, in diesem Karrieremodell zu arbeiten?

SEITE 43

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 44: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

4.2 AGILE HUMAN RESOURCES

In der Organisationsentwicklung arbeitet der Trainerstab Hand in Hand, um die Spiel-philosophie im ganzen Unternehmen zu implementieren. Im Bereich der Human Resources braucht es ein ähnlich arbeitendes agiles Team, das den Trainingsplan (vgl. Kapitel 2.3) in allen Bereichen des Personalmanagements umzusetzen hilft.

In der Agilen Organisation sind die Ansprüche an Agile HR sehr hoch. Das ist die Stelle im Unternehmen, die die Verantwortung dafür trägt, alles Notwendige bereit-zustellen, um die strategische Ausrichtung des Unternehmens, seine kontinuierliche Veränderung und das ebenso kontinuierliche Lernen der Mitarbeiter zu unterstüt-zen. Das ist keine triviale Aufgabe. Es bedarf dazu einer agilen Lern-Coaching- Organisation, die die Themen im Unternehmen aufgreift und in vielfältiger und undogmatischer Art und Weise unterstützt.

Warum betonen wir den agilen Aspekt hier wieder und wieder? Wir haben zu viele Top-Down-Initiativen mit umfangreichen Maßnahmen, Kommunikationsplänen, festgelegten Trainingscurricula etc. gesehen, die gut gemeint waren, aber ihr Ziel augenscheinlich verfehlten. Augenscheinlich deshalb, weil deren Beitrag zum Errei-chen des Unternehmensziels in den seltensten Fällen gemessen wurde. Neben Metriken wurde häufig auch auf Rückkopplungsschleifen verzichtet und eher für die Mitarbeiter Veränderungsschritte entwickelt als mit den Mitarbeitern.

Doch in der agilen Organisation bestimmen die Mitarbeiter selbst, was und wie sie lernen wollen, was sie brauchen und was ihnen helfen könnte, bestimmte Ebenen in den Reifegradmodellen zu erreichen. In diesem Sinne hat Agile HR eine äußerst wichtige Funktion, den Weg zu bereiten und alle unterstützenden Prozesse und Inhalte für eine kontinuierliche Weiterentwicklung der Mitarbeiter auf dem neuesten Stand zu halten. Es dient auch als Umschlagplatz für Informationen – beispielsweise für die verschie-denen im Unternehmen genutzten Reifegradmodelle, Vorgehensweisen und Prakti-ken. Ein sehr wichtiger Aspekt ist das zielgruppenspezifische Vorgehen. Dazu gehört auch die Identifikation der einzelnen Zielgruppen danach, wie schnell sie bestimmte Aspekte der Spielphilosophie umsetzen wollen (siehe Abbildung 6).

Ein aus unserer Sicht nicht zu verharmlosender Faktor ist, dass jede Art von Ein-schätzung durch die Mitarbeiter selbst vorgenommen wird. Um das zu verstehen, sollte man sich vor Augen führen, welche Auswirkungen jedes andere Vorgehen auf das Gesamtsystem hat: Jede Einstufung der individuellen Veränderungskapazität durch HR würde zu einer Stigmatisierung der Mitarbeiter führen. Davon abgesehen, dass dies die Veränderungsresistenz befeuert und die Ergebnisse vermutlich in den meisten Fällen im Sinne der sozialen Erwünschtheit manipuliert werden würden, verhindert eine Beurteilung von außen den Aufbau einer eigenen Wahrnehmung für die tatsächliche persönliche Veränderungskapazität in unterschiedlichen Bereichen und den eigenverantwortlichen Umgang damit.

Agile Human Resources

Individualentwicklung

SEITE 44

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 45: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

» Ein Beispiel: In meiner Abteilung soll das DevOps-Konzept eingeführt werden. Gleichzeitig laufen viele andere Projekte, an denen ich beteiligt bin. Ich möchte nicht zeigen, dass ich aufgrund meiner vielen anderen Aktivitäten am liebsten erstmal nur zuschauen und nicht noch ein Fass öffnen möchte. Aber ich möchte mich nicht öffentlich dagegen-stellen und versuche so zu tun, als sei für mich alles in Ordnung. Mein Unbehagen wird sich vermutlich andere Kanäle suchen, um sich auszudrücken. Möglicherweise reagiere ich besonders kritisch und missbillige jede Maßnahme in diesem Bereich als nicht zielführend, zu spät oder zu früh. Nicht immer ist mir selbst die Ursache meines Verhaltens transparent und ich versuche es rational vor mir und anderen zu rechtfertigen.

Die Folge ist nicht nur, dass unpassende Maßnahmen durchgeführt werden und damit Zeit und Geld vergeudet wird. Es wird aktiv der Aufbau einer offenen Kultur verhindert, in der Fehler und Schwierigkeiten nicht vertuscht, sondern konstruktiv genutzt werden.

Wenn ich nicht weiß, wie die Realität aussieht, kann ich auch nicht sinnvoll mit ihr umgehen. Die Realität werde ich nur sehen, wenn sie ungeschönt existieren darf.

Aus diesem Grunde stärkt die eigenverantwortliche und sanktionsfreie Selbstein-schätzung die agile Transformation eines Unternehmens in vielerlei Hinsicht und wird als Instrument durch die Lernerfahrungen aller immer genauer und besser werden.

Ebenso wie im Bereich der Veränderungskapazität kann auch eine Einstufung nach den sozialen Rollen in der Organisation helfen, die richtigen Veränderungsmaßnah-men zu finden. Soziale Rollen haben nichts mit den hierarchischen Rollen eines Unternehmens zu tun, sondern weisen auf wichtige informelle Funktionen29 hin, die zum Wohle des Unternehmens unterstützt und genutzt werden sollten.

Der kontinuierliche Bereitstellungs- und Anpassungsprozess eines wie oben beschriebenen Karrieremodells und auch dessen Qualitätssicherung fällt eben-falls in das Ressort der Agilen HR. Mit den Reifegradmodellen lässt sich auch der Recruitingprozess und das Einphasen neuer Mitarbeiter sehr zielgenau steuern.

29 Vgl. Gladwell, M. (2001).

SEITE 45

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 46: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

4.3 TRAINING UND ENABLEMENT

Beim Training und Enablement geht es um alle Maßnahmen und Aktivitäten, die ein Mitarbeiter oder ein Team durchführen möchte, um angestrebte Ziele oder Reife-gradstufen zu erreichen.

Häufig ist das der Bereich, in dem Organisationsentwicklung ansetzt. Wir haben jedoch bei agilen Transitionen die Erfahrung gemacht, dass die Hebelwirkung der Aktivitäten in diesem Bereich begrenzt ist, wenn die zuvor beschriebenen Bereiche der Organisationsentwicklung und datenbasierten Transformation nicht in ausrei-chendem Maße umgesetzt wurden. Die Energie, die dann in Trainingsmaßnahmen gesteckt wird, versandet, weil sie keine Entsprechung in der Organisation hat und die Ergebnisse nicht deutlich sichtbar zur Umsetzung der Spielphilosophie beitra-gen. Dann macht auch kontinuierliche Weiterentwicklung keinen Spaß mehr, weil es keine spürbare organisationsweite Bewegung hin zu einem übergeordneten Ziel gibt. Lokale Optimierungen sind die Folge.

Das bedeutet, dass sich einzelne Mitarbeiter oder Teams, vielleicht sogar ganze Abteilungen, verbessern und weiterentwickeln, aber es kaum Auswirkungen auf die Performance des Unternehmens hat, sondern eher die Distanz zwischen den einzel-nen Bereichen größer wird. Veränderungsgeschwindigkeiten sind unterschiedlich, so dass dies bis zu einem gewissen Grad normal ist. Aber wenn die engagierten Mitarbeiter dauerhaft nicht sehen können, dass ihr Engagement etwas bewirkt, wer-den sie das Unternehmen verlassen oder innerlich kündigen. Deswegen ist Training und Enablement sehr elementar, aber nicht singulär zu verstehen, sondern als ein sehr wichtiger Bereich, der alle anderen zuvor beschriebenen Aspekte unterstützen muss, um eine agile Transformation gelingen zu lassen.

In der Agilität ist Selbstorganisation und Eigenverantwortung jedes Mitarbeiters von grundlegender Bedeutung. Im Trainingsbereich gibt es Experten aus den Agilen HR, die ihn beraten, mit welchen Schritten er sein nächstes Trainingsziel erreichen kann und die ihm auch organisatorische Unterstützung bei den Maßnahmen bereitstellen. Wie bereits vorher in anderen Kapiteln beschrieben, ist die Vorgehensweise lean-agil: Als Mitarbeiter setze ich mich damit auseinander, was ich erreichen möchte. Die Reifegradmodelle erleichtern mir dabei die Zielbeschreibung. Dann überlege ich mir mit Unterstützung durch HR, welche Schritte mir bei der Zielerreichung helfen könnten. Ich führe einen Schritt durch und evaluiere, ob ich das Ziel erreicht habe und was mir ggf. noch fehlt oder helfen könnte. Ich bewerte und kommentiere die Maßnahme zusätzlich sichtbar für andere. Da die Reifegradmodelle von vielen Mit-arbeitern genutzt werden, gibt es in der Regel bereits eine Palette von bewerteten Maßnahmen, die mir die Auswahl erleichtern und auch der Agilen HR helfen, das Angebot zu justieren. Maßnahmen umfassen die ganze Palette von Trainings- und Coachingmöglichkeiten, wie interne und externe Seminare, Workshops, Teamcoachings, Einzelcoachings etc.

Agile Human Resources

Individualentwicklung

SEITE 46

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 47: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Doch externer Input ist nur die halbe Miete in der Veränderungsarbeit. Ein mindes-tens genauso wichtiger Bereich ist die Entwicklung eigener Trainingsschritte (Moves) im Arbeitsalltag. Training findet nicht nur zu besonderen Events statt, sondern an jedem einzelnen Arbeitstag. Das gilt für jeden im Unternehmen, auf jeder Ebene und in jedem Bereich.

Zentral bei jeder Art von Training ist die Ausrichtung auf ein Ziel. Dazugehört im Sinne eines lean-agilen Experiments immer eine falsifizierbare Hypothese, was ein Trainingsschritt im Hinblick auf mein Ziel bringen soll, die Durchführung des Trai-ningsschrittes und die Evaluation des Ergebnisses mit Feedbackschleifen, um mit der gewonnenen Erfahrung den nächsten Trainingsschritt anzugehen.

» Ein Beispiel: Für ein Teammitglied ist die Idee der fokussierten und konzentrierten Arbeit in bestimmten kurzen Zeitabschnitten (Zeitscheiben)30 sehr schwierig und es beschließt, den Umgang mit Zeitscheiben während seiner Arbeit zu trainieren. Seine Hypothese ist, dass die Arbeit in fokussierten Zeitscheiben ihm helfen könnte, konzentrierter zu arbeiten und Aufgaben schneller fertigzustellen. In Abhängigkeit seines Trainings-ziels und seiner Erfahrungen könnte es folgende Moves31 machen:

• Ein erster Move könnte sein, eine Wahrnehmung dafür zu entwickeln, wieviel es in einer Zeitscheibe z. B. von 10 oder 25 Minuten schafft.

• Nach einigen Wiederholungen über mehrere Tage könnte ein nächster Move auf seiner Trainingsroadmap sein, dass es sich vor Beginn einer Zeitscheibe ein Ziel vornimmt, das es innerhalb eines vorgegebenen zeitlichen Rahmens zu erreichen versucht.

• Vielleicht stellt das Teammitglied fest, dass es dabei ständigen Störungen ausge-setzt ist und beschließt als nächsten Trainingsschritt, in einer Zeitscheibe alle äußeren Störer und inneren Störimpulse (Kaffee holen, Mailbox checken etc.) zu notieren.

• Ein weiterer Trainingsschritt könnte sein, sich am Anfang des Tages hinzusetzen und die Anzahl der Zeitscheiben zu planen, die an diesem Arbeitstag zur Verfü-gung stehen und vorab die Ziele jeder einzelnen Zeitscheibe festzulegen.

Jeder einzelne Schritt ist sehr klein und sollte es auch sein. So klein, dass er nahezu mühelos bewältigt werden kann. Ein Trainingsziel ist selten mit nur einem Move erreicht. Das ist auch nicht sinnvoll, denn wir tendieren dazu, Veränderungen nur als Disruptionen zu begreifen und wollen meistens zu viel zu schnell. Doch nachhaltige Veränderungen entstehen vor allem durch die Bahnung neuer Gewohnheiten durch kleine, sehr einfach zu bewältigende Schritte, die oft wiederholt werden müssen.

30 Vgl. dazu die Pomodoro-Technik von Francesco Cirillo, sehr gut beschrieben in Nöteberg, S. (2011).

31 Beispiele, wie man Trainingspläne zur Ideenfindung, zum Zeitmanagement oder zur Meetingkultur erstellen kann, finden sich in Brandhuber, W. (2014), Agile Moves: Agilität trainieren.

SEITE 47

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 48: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Dann entsteht aus einer neu beschrittenen Route ein Trampelpfad und wird langsam zu einem neuen Weg, den wir gehen, ohne darüber nachdenken zu müssen.Das ist das Kaizen-Prinzip32 und bedeutet, mit kleinen, sehr einfachen, kontinuier-lichen Schritten Veränderungen einzuleiten und umzusetzen. Deshalb ist es sinnvoll, mehrere Moves hin zu einem Trainingsplan zu aggregieren, allerdings immer unter der Voraussetzung, dass die Erfahrungen kontinuierlich in die Verbesserung des Trainingsplans mit einfließen.

Moves können einzelne Mitarbeiter, Teams oder auch Abteilungen und Projekte für sich entwickeln und dazu lean-agile Hypothesen, Metriken und Feedbackschleifen definieren.Die Arbeit mit Moves33 eröffnet ein ganzes Universum von Möglichkeiten, in kleinen passenden Schritten Weiterentwicklung zu betreiben. Genauer darauf einzugehen, würde den Rahmen dieses Buchs sprengen. Wichtig ist an dieser Stelle aber der Hinweis, dass jede Form von Entwicklung und Zielsetzung immer in der Eigen-verantwortung derjenigen bleiben muss, die sie umsetzen.

32 Vgl. Maurer, Robert (2014).

33 Vgl. Rehberg, Mark (2015).

SEITE 48

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 49: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

5 ZUSAMMENFASSUNG

Die Reaktionsfähigkeit eines Unternehmens auf sein Marktumfeld ist entscheidend für sein Gedeihen. Organisationsentwicklung hat zum Ziel, diese Reaktionsfähigkeit zu verbessern, in dem sie

• alle ihre Maßnahmen in Wirkung und Dauer so vorhersagbar wie möglich macht

• und die Geschwindigkeit ihrer Implementierung erhöht.

Die Vorhersagbarkeit von Organisationsentwicklung ist eine notwendige Voraus-setzung für die Steigerung der Reaktionsfähigkeit, wie das erste Kapitel zeigt.

Im zweiten Kapitel verdeutlichen wir, warum Produkte, die von Unternehmen ent-wickelt werden, nur so komplex sein können, wie die Fähigkeiten der jeweiligen Organisation ausgebildet sind, mit Komplexität umzugehen. Da jede Veränderung in einem System ein Wechselspiel von Stabilität und Disruption darstellt, braucht es eine zugrundeliegende Spielphilosophie, die wie ein Leuchtfeuer wirkt und an der alle Aktivitäten innerhalb der Organisationsentwicklung ausgerichtet werden. Diese Spielphilosophie wird vom Chef-Organisationsarchitekten und seinem Trainerstab verkörpert und repräsentiert in einem Unternehmen die Grundausrichtung, wie das Unternehmen sein Geschäft betreiben möchte, um erfolgreich zu sein.

Das dritte Kapitel befasst sich mit einem zentralen Bereich der agilen Organisa-tionsentwicklung, der datenbasierten Transformation. Hier geht es um die Steue-rung der Organisationsentwicklung im Sinne der Spielphilosophie mit Flussdaten, subjektiven und objektiven Daten. Dies steht im Gegensatz zum häufig inhaltlich und methodisch durchgeführten „Blindflug“ in der aktuellen Praxis. Wir wollen mög-lichst schnell wissen, was wir tun, wie es sich auswirkt und was wir besser machen können. In der lean-agilen Tradition benötigen alle Maßnahmen eine falsifizierbare Hypothese, die rasch überprüft werden kann und deren Ergebnisse in Rückkopp-lungsschleifen in die weiteren Entscheidungen einfließen. Dazu stellen wir die Steue-rungsgröße der Veränderungskapazität vor, die die Änderungsgeschwindigkeit maß-geblich beeinflusst. Ein Unternehmen, dass seine Veränderungskapazität ignoriert und überschreitet, verliert seine Handlungsfähigkeit. Reifegradmodelle bilden das Rückgrat der Datenerhebung, denn genauso wie Flussdaten helfen objektive und subjektive Daten erst dann bei der Organisationsentwicklung, wenn für den gemes-senen Bereich ein Reifegradmodell vorliegt.

SEITE 49

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 50: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Der Kernbereich der Individualentwicklung wird im vierten Kapitel veranschaulicht und hat zum Ziel, dem alten Satz von den Mitarbeitern, die das „wichtigste Kapital eines Unternehmens“ darstellen, tatsächlich Leben einzuhauchen und zwar in einer glaubwürdigen und transparenten Art und Weise, welche die Eigenverantwortung und Selbstorganisation fördert. Wenn Mitarbeiter sich mit ihrem Potential und ihren Ideen im Unternehmen einbringen können, ein sicherer Raum für das Lernen aus Fehlern existiert und sie Inspiration für ihre persönliche Weiterentwicklung bekom-men, entsteht Spaß an der Arbeit und Interesse daran, den Ist-Zustand im Unterneh-men immer weiter zu verbessern, weil jeder Einzelne sich durch Selbstorganisation und Eigenverantwortung als wirkungsvoll erleben kann. Das gilt für alle Ebenen des Unternehmens.

Dazu sind eine

• unterstützende und wirkungsvolle Personalabteilung (Agile HR),

• transparente Karrieremodelle und

• die flexible Bereitstellung von internen und externen Ressourcen für die Durchführung von persönlichen und übergreifenden Trainingsplänen durch Methoden, Coachings und Trainings (Training und Enablement)

notwendig.

SEITE 50

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 51: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

6 ANHANG

6.1 WISSENSKANON

Ein Kanon aus richtungsweisender Fachliteratur stellt eine inspirierende Ideen basis bereit und hilft, im Unternehmen eine gemeinsame Sprache zu entwickeln (vgl. Kap. 2.2.2 ). Jeder Beteiligte kann sich zu den Ideen selbst eine Meinung bilden und sich mit den Perspektiven seiner Kollegen auseinandersetzen. Wir stellen hier einige Bücher vor, die wir zum aktuellen Zeitpunkt für richtungsweisend halten.

6.1.1 LEADING CHANGE

Das wegweisende Werk von John Kotter wurde bereits 1996 veröffentlicht und ist bis heute aktuell. Der ehemalige Harvard-Professor Kotter zeigt, warum Transfor-mationsprozesse häufig scheitern und entwickelt einen Acht-Stufen-Plan, um den Wandel im Unternehmen erfolgreich zu gestalten:

1. Gefühl der Dringlichkeit vermitteln,

2. starke Koalition aus Führungskräften aufbauen,

3. Vision und Strategie entwickeln,

4. Veränderungsvision kommunizieren,

5. Hindernisse aus dem Weg räumen,

6. kurzfristige Erfolge herbeiführen und sichtbar machen,

7. Veränderungen kontinuierlich weiter vorantreiben und

8. Veränderungen in der Unternehmenskultur verankern.

Bis heute sehen wir in der Praxis, dass die Aspekte dieser Stufen gerne ignoriert werden, aber die Konsequenzen daraus niemals die Beteiligten verfehlen. Mit ande-ren Worten: Du kannst diesen Prozess ignorieren, aber er ignoriert Dich nicht. Wir können mit all unseren Erfahrungen diesem visionären Buch nur grundlegend zustimmen und es jedem ans Herz legen, der ernsthaft einen erfolgreichen Trans-formationsprozess vorantreiben möchte.

SEITE 51

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 52: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Kotter, John (1996): Leading Change, Harvard Business Review Press.

Deutsche Ausgabe:Kotter, John (2011): Leading Change. Wie Sie Ihr Unternehmen in acht Schritten erfolgreich verändern. Vahlen.

6.1.2 SWITCH: HOW TO CHANGE THINGS WHEN CHANGE IS HARD

Die Brüder Chip und Dan Heath, Professor für Organisationspsychologie der eine und Unternehmensberater der andere, geben eine sowohl umsetzungsorientierte, als auch wissenschaftlich fundierte Anleitung, um Veränderungsprozesse besser zu verstehen und zu gestalten. Sie nutzen das von dem Psychologen Jonathan Haidt entwickelte Bild eines Elefanten (unsere emotionale Seite) und seinem Reiter (unsere rationale Seite), die gemeinsam unterwegs sind und nur dann vorankommen, wenn sie zusammen arbeiten und einen klaren Weg vor sich sehen. Das ermöglicht eine neue Perspektive auf Veränderungsprozesse und vereinfacht das Verständnis der auftretenden Schwierigkeiten und damit die Entwicklung neuer Ideen, um eine Transformation erfolgreicher zu gestalten.

Es sind vor allem drei Aspekte, die Veränderungsprozesse oft erschweren bis ver-hindern:

• ein Mangel an Klarheit, der oft als Widerstand interpretiert wird,

• ein Problem mit der Situation, das häufig als ein Problem der Person interpretiert wird,

• ein Problem von kognitiver Erschöpfung, das oft als Faulheit interpretiert wird.

Dem entgegen setzen die Heath-Brüder die sehr praxisnah ausgearbeitete These, das gewünschte Verhalten zu erleichtern, in dem man dem Reiter des Elefanten eine klare Richtung vorgibt, den Elefant mit kleinen, pragmatischen Schritten motiviert und den Weg passend gestaltet und dadurch elegant die Veränderung erzielt. Dies gilt sowohl für persönliche Ziele, als auch für unternehmensweite Transformationen.

Heath, Chip & Dan (2010): Switch. How to Change Things When Change Is Hard, Broadway Business.

Deutsche Ausgabe:Heath, Chip & Dan (2010): Switch. Veränderungen wagen und dadurch gewinnen, Fischer.

SEITE 52

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 53: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

6.1.3 CROSSING THE CHASM: MARKETING AND SELLING DISRUPTIVE

PRODUCTS TO MAINSTREAM CUSTOMERS

In diesem, in der Originalfassung bereits 1991 erschienenen Buch eröffnet Geoffrey Moore ein tieferes Verständnis dafür, wie neue Produkte und Ideen vom Markt auf-genommen werden und geht auf die Verhaltensweisen spezifischer Kundengrup-pen ein. Dieser von ihm „Technology Adoption Life Cycle“ genannte Zyklus ist für die Markteroberung von Innovationen geschrieben, lässt sich aber aus unserer Sicht analog auch in Veränderungsprozessen in gleicher Weise beobachten, bei denen neue Ideen den Mitarbeitern in einem Unternehmen nahegebracht werden müssen. In diesem Sinne sind die Mitarbeiter die „Kunden der Transformation“ und Moore beschreibt sehr gut das Verhalten und die Herausforderungen der einzelnen Mitar-beitergruppen. Die gebotenen Perspektiven, ermöglichen ein tieferes Verständnis für jede Gruppe und dadurch die Entwicklung passgenauer Maßnahmen über den ganzen Prozess hinweg.

Moore beschreibt das Verhalten der Innovatoren (Innovators), mit denen der Zyklus beginnt und die neue Ideen regelrecht suchen und gerne ausprobieren, auch wenn diese erst in einer Vorversion vorhanden sind. Es folgen die frühen Anwender (Early Adopters), die für den Vorteil, zu den Ersten zu gehören sehr früh bereit sind, eine nun etwas gereiftere Idee zu übernehmen. Von diesen beiden innovativen Gruppen hin zur nächsten Gruppe, der frühen Mehrheit (Early Majority), besteht allerdings eine tiefe Kluft (Chasm), die es nicht nur in jedem Markt, sondern auch in jedem Transformationsprozess zu überwinden gilt, wenn die Veränderung nachhaltig sein soll.

Die frühe Mehrheit wartet ab, bis sie weiß, dass die Veränderung tatsächlich Verbes-serungen bietet. Die Herausforderung – in der Markteroberung von neuen Technolo-gien wie auch in jedem Veränderungsprozess – besteht darin, diese Kluft zu veren-gen und letztlich die Annahme durch jede Kundengruppe zu beschleunigen. Hat man die frühe Mehrheit erobert, schließen sich die weiteren Gruppen der späten Mehr-heit (Late Majority) und der Nachzügler (Laggard) nahtlos an. Die Transformation hat dann Fuß gefasst und braucht zwar noch immer Begleitung, doch das schwierigste Stück des Weges ist geschafft.Dieses Buch bietet eine sehr gute Perspektive auf die unterschiedlichen Verhaltens-weisen der Beteiligten, wenn neue Ideen implementiert werden sollen und die oft übersehene tiefe Kluft zwischen den frühen Anwendern und der frühen Mehrheit, in die Transformationen stürzen und scheitern.

Moore, Geoffrey A. (2014): Crossing the Chasm, Marketing and Selling Disruptive Products to Mainstream Customers, Harper Business, 3rd Edition.

SEITE 53

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 54: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

6.1.4 THE TIPPING POINT: HOW LITTLE THINGS CAN MAKE A BIG DIFFERENCE

Wie lässt sich eine Veränderungsbewegung in Gang bringen? Der Tipping Point, ein aus der Epidemiologie entlehnter Begriff, beschreibt den Wendepunkt, von dem ab sich eine Dynamik entwickelt, die von selbst für die weitere Verbreitung sorgt. Die Informationen dieses Buches lassen die oft mühsamen Kommunikationsmaßnah-men zu Veränderungsprojekten in einer völlig neuen Weise verstehen und wesent-lich effizienter gestalten. Malcolm Gladwell zeigt an Hand von Fallstudien aus völlig unterschiedlichen Epochen und Lebensbereichen, welchen Regeln die virale Ver-breitung von Informationen, eines Trends, einer Welle von Verbrechen oder eines Bestsellers folgt.

Um den Tipping Point erreichen zu können, an dem sich entscheidet, ob die Infor-mation oder die Veränderung weitergetragen wird oder versandet, hat Gladwell drei Regeln identifiziert, die aus unserer Sicht die Kommunikation in jedem Transforma-tionsprozess auf eine neue Ebene katapultieren würden:

1. Das Gesetz der Wenigen: Einige wenige Menschen haben durch ihre Persönlichkeit ein hohes Ansehen bzw. einen großen Freundeskreis. Ihre Meinung wird dadurch besonders hoch gewichtet und sie wirken als eine Art Vermittler oder Meinungsmacher. Sie können eine Informationsepedemie oder einen Trend in Gang setzen. Diese Wenigen gilt es zu identifizieren und gezielt einzusetzen, um Informationen zu verbreiten. Gladwell unterteilt sie in „Verbinder“ (Menschen mit großem Bekann-tenkreis), in Experten (Informationsspezialisten, die bereitwillig helfen und gerne ihr Wissen weitergeben) und Verkäufer (Menschen mit großem Verhandlungs- und Überzeugungsgeschick).

2. Die Verankerung: Wenn man Signale richtig setzt und Informationen auf unwiderstehliche Weise darbringt, bleiben sie hängen. Das bedeutet, dass die Art und Weise, wie eine Botschaft präsentiert wird, großen Einfluss darauf hat, ob sie ankommt und ihre Wirkung entfaltet.

3. Die Macht der Umstände und des Kontextes: Die Situation der Menschen, die durch die Informationen erreicht werden sollen, bestimmt maßgeblich den Erfolg der Maßnahmen. Die Umgebungsbedingungen haben einen starken Einfluss auf deren Auswirkungen und müssen nicht nur beachtet werden, sondern geben starke Hinweise auf die Art und Weise, wie die Adressaten erreicht werden können.

SEITE 54

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 55: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Die Regeln rund um den Tipping Point richten die Aufmerksamkeit auf Aspekte des Kommunikationsprozesses, die oft wenig beachtet werden und die viele Ideen lie-fern, warum der oft hohe Kommunikationsaufwand so wenig Ertrag bringt und mit denen im umgekehrten Fall mit relativ wenig Aufwand die Botschaft einer Transfor-mation verbreitet werden kann.

Gladwell, Malcolm (2001): The Tipping Point. How Little Things Can Make a Big Difference, Little, Brown and Company.

Deutsche Ausgabe: Gladwell, Malcolm (2016): Tipping Point. Wie kleine Dinge Großes bewirken können, Goldmann.

6.1.5 ADAPT: WHY SUCCESS ALWAYS STARTS WITH FAILURE

Unsere Welt wird immer komplexer und dadurch immer schwerer vorhersehbar. Damit umzugehen, ist für viele Menschen ein schwieriger Lernprozess. Anstatt nach einfachen Lösungen zu suchen oder nach einer Führung zu rufen, die uns mit fixen Handlungsplänen eine Sicherheit verspricht, die es in der Realität nicht gibt, können wir in kleinen Schritten auf der Grundlage von Versuch und Irrtum komplexe Situ-ationen bewältigen und aus unseren Erfahrungen (positiven wie negativen) lernen. Auch ein kleiner Schritt in die falsche Richtung bringt Erkenntnisse, ohne großen Schaden anzurichten. Der nächste kleine Schritt erfolgt dann schon auf einer neuen, besseren Grundlage. Das ist das Prinzip von Variation und Selektion. Vorgefertigte Lösungen und starre langfristige Planungen funktionieren in sich ständig verändernden Umgebungen nicht mehr. Adaptive Herangehensweisen helfen uns, komplexe Probleme anzuge-hen.

Harford, Tim (2012): Adapt. Why Success Always Starts with Failure, Picador.

SEITE 55

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 56: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

6.2 LITERATUR

Bandura, Albert (1994): Lernen am Modell. Klett-Cotta.

Berne, Eric (1964): Games People Play. The Psychology of Human Relationships.Penguin.

Brandhuber, Wolfgang (2014): Agile Moves. Agilität trainieren. Informatik Aktuell

Dehner, Renate & Ulrich (2007): Schluss mit diesen Spielchen! Manipulationen im Alltag erkennen und wirksam dagegen vorgehen.

Deming, W. E. (2000): Out of the Crisis. The Mit Press.

Conway, Melvin E.: How Do Committees Invent? In: F. D. Thompson Publications, Inc. (Hrsg.): Datamation. Band 14, Nr. 5, April 1968, S. 28–31.

Gigerenzer, Gerd (2008): Bauchentscheidungen. Die Intelligenz des Unbewussten und die Macht der Intuition, Goldmann.

Gladwell, Malcolm (2001): The Tipping Point. How Little Things Can Make a Big Difference, Little, Brown and Company.

Gladwell, Malcolm (2009): Outliers. The Story of Success, Penguin.

Harford, Tim (2012): Adapt: Why Success Always Starts with Failure, Picador.

Hagehülsmann, Ute & Heinrich (2007): Der Mensch im Spannungsfeld seiner Organisation, Junfermann.

Heath, Chip & Dan (2010): Switch. How to Change Things When Change Is Hard, Broadway Business.

Henderson, Rebecca M./Clark, Kim B.: Architectural Innovation. The Reconfiguration of Existing Product Technologies and the Failure of Established Firms. In: Cornell University (Hrsg.): Administrative Sciences Quarterly. Technology, Organizations, and Innovation. Band 35, Nr. 1, März 1990, S. 9–30.

Herbsleb, James. D./Grinter , Rebecca E. (1999): Splitting the Organization and Integrating the Code. Conway’s Law Revisited. In: Bell Laboratories, Lucent Technologies (Hrsg.): ICSE ‘99 Proceedings of the 21st international conference on Software engineering. ACM, New York.

Kahneman, Daniel (2016): Schnelles Denken, langsames Denken, Penguin Verlag.

SEITE 56

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 57: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Kainzbauer, Silke; Brandhuber, Wolfgang (2017): A Framework for Leading Agile Change. Organisationsentwicklung braucht Agilität genauso wie Produktentwicklung. In: OBJEKTspektrum – Ausgabe 03/2017, Sigs Datacom.

Kainzbauer, Silke; Brandhuber, Wolfgang (2015): Teamresilienz – das eigentlicheFundament agiler Entwicklung. Informatik Aktuell www.informatik-aktuell.de/.

Kainzbauer, Silke; Brandhuber, Wolfgang (2015): Teamresilienz in der Praxis. Informatik Aktuell www.informatik-aktuell.de/.

Kotter, John (1996): Leading Change, Harvard Business Review Press.

Laloux, Fredericte (2015): Reinventing Organizations. Ein Leitfaden zur Gestaltung sinn-stiftender Formen der Zusammenarbeit. Vahlen.

MacCormack, Alan; Rusnak, John; Baldwin, Carliss (2008): Exploring the Duality between Product and Organizational Architectures. A Test of the “Mirroring” Hypothesis. Hrsg. v. Harvard Business School.

Maurer, Robert (2014): One small step can change your life. Workman Publishing.

Moore, Geoffrey A. (2014): Crossing the Chasm, Marketing and Selling Disruptive Products to Mainstream Customers, HarperBusiness, 3rd Edition.

Nagappan, Nachiappan; Murphy, Brendan; Basili, Victor (2008): The Influence of Organizational Structure On Software Quality. An Empirical Case Study. Hrsg. v. Microsoft Research. Association for Computing Machinery, Inc.

Nöteberg, Staffan (2011): Die Pomodoro-Technik in der Praxis. Der einfache Weg, mehr in kürzerer Zeit zu erledigen. Dpunkt Verlag.

Nonaka, I.; Takeuchi, H. (1995): The knowledge creating company. Oxford University Press.

Rehberg, Mark (2015): Agile Moves in der Praxis. Informatik aktuell

Reinertsen, Don (2009): Principles of Product Development Flow. Second Generation Lean Product Development. Celeritas Publishing.

Ries, E. (2014): Lean Startup: Schnell, risikolos und erfolgreich Unternehmen gründen. Redline Verlag.

Robertson, B. J. (2016): Holacracy. Ein revolutionäres Management-System für eine volatile Welt. Vahlen.

SEITE 57

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 58: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Rosenberg, M. B. (2016): Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens. Junfermann Verlag, 12. Aufl.

Senge, Peter (2017): Die fünfte Disziplin: Kunst und Praxis der lernenden Organi sation, Schäffer Poeschel; 11. Auflage

Conways Gesetz: https://de.wikipedia.org/wiki/Gesetz_von_Conway (abgerufen am 20.07.2017).

Organisationsentwicklung: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Definition/organisa tionsentwicklung.html (abgerufen am 20.07.2017).

Lean-agile Center of Excellence (LACE): www.scaledagileframework.com/LACE (abgerufen am 09.08.2017).

Arbeitsplatz der Zukunft IDG-Studie 2017_FIT Whitepaper http://www.genewsroom.com/FoWEU (abgerufen am 09.08.2017).

IDG/Computerwoche-Studie 2017 - Arbeitsplatz der Zukunft https://www.freudenberg-it.com/de/pressemeldungen/freudenberg-it-stellt-vor-idg-studie-arbeitsplatz-der-zukunft-2017/ (abgerufen am 06.10.2017).

Agile Führung: http://www.scaledagileframework.com/lean-agile-leaders/(abgerufen am 09.08.2017).

Agile Führung: https://www.scrumalliance.org/community/articles/2011/january/achieving-agile-leadership (abgerufen am 09.08.2017).

SEITE 58

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

Page 59: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers
Page 60: EINE EINFÜHRUNG IN DIE AGILE ORGANISATIONS- ENTWICKLUNG · eine einfÜhrung in die agile organisations- entwicklung autoren: silke kainzbauer & dr. wolfgang brandhuber e-book vers

Komplexität und Dynamik nehmen in den globalen Märkten zu und stellen Unternehmen zunehmend vor neue Herausforderungen. Agile Organisationsentwick-lung hat das Ziel, die Veränderungsgeschwindigkeit eines Unternehmens der Veränderung seiner Umge-bung so anzupassen, dass es weder destabilisiert wird, noch die Mitarbeiter bevormundet werden.Viele aktu-elle agile Transitionen erfüllen – ungeachtet des häufig immensen Aufwandes an Ressourcen – nicht die Erwartungen, die in sie gesetzt werden. Die Lösung liegt oft darin, Organisationsveränderungen vorher-sagbar zu machen.

Silke Kainzbauer und Dr. Wolfgang Brandhuber zeigen in diesem eBook einen neuen Ansatz lean-agiler Orga-nisationsentwicklung auf, um die Reaktionsfähigkeit eines Unternehmens zu erhöhen und eine erfolgrei-che agile Transformation strukturiert umzusetzen. Sie räumen mit der Ungleichbehandlung von Produktent-wicklung und Organisationsentwicklung auf: Nur, wenn beide Bereiche ihre Implementierungsgeschwindigkeit und Ergebnisse belastbar vorhersagen können, kann ein Unternehmen dauerhaft schnell und beweglich auf die Markterfordernisse reagieren.

Die Autoren beschreiben mit ihrer jahrzehntelangen Erfahrung das Thema vor allem aus dem Blickwinkel des Deltas zwischen gängiger Praxis und funktionie-render agiler Organisationsentwicklung und öffnen so den Raum für neue Perspektiven auf ein altes Dilemma.

AGILE ORGANISATIONSENTWICKLUNG

WWW.SIGS-DATACOM.DE