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    Walther L Berneckerorst PietschmannHans Werner Tobler

    ine kleine Geschichte Mexikos

    Die Azteken und ihr letzter Herrscher Moctezuma, der Erobererernan Cortes mit seiner indianischen Geliebten Malinche, dielegendren Revolutionre Pancho Villa und Emiliano Zapata: Mexikos Geschichteist reich an faszinierenden Gestalten, die bis in dieheutige Zeit hinein die mexikanische Identitt prgen.Der vorliegende Band bietet einen anschaulichen und fundiertenberblick ber die Geschichte eines Landes, das bereits vor -kunft der Spanier ber eine hochentwickelte Kultur verfgte. berEroberung u nd Kolonialzeit, den Kampf um die Unabhngigkeitund die mexikanische Revolution, das schwierige Verhltnis zumnrdlichen Nachbarn wird seine historische Entwicklung in Politik, Wirtschaft und Kultur nachgezeichnet - bis zu den Ereignissen

    und Krisen der jngsten Zeit.Die Autoren sind Walther L. Bernecker, Professor fr Auslandswissenschaft an der Universitt Erlangen-Nrnberg, H orst Pietschmann, Professor em. fr die Geschichte Lateinamerikas an der Universitt Hamburg, und Hans Werner Tobler, Professor em. frGeschichte an der ETH Zrich. Suhrkamp loCf7

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    Zu den AutorenWaLther L Bernecker, Prof. Dr., geh. 1947, Studium der Geschichte, Germanistik und Hispanistik, 1973-1977 und 1979-1984Wissenschaftlicher Mita rbeiter bzw. Akademischer Rat am Lehrstuhl fr Neuere Geschichte der Universitt Augsburg, 1984/85Visiting Fellow am Center o Latin American Studies der University of Chicago, 1986 Habilitation mit einer Arbeit ber europisch-mexikanische Wirtschaftsbeziehungen, 1988-1992 Lehrstuhlfr Neuere Geschichte an der Universitt Bern; seit 1992 Lehrstuhlfr Auslandswissenschaft an der Universitt Erlangen-Nrnberg;verschiedene Gastprofessuren; 200212003 Sonderlehrstuhl Wilhelm und Alexander von Humboldt in Mexiko-Stadt. Homepage:http://www.awro.wiso.uni-erlangen.de;E-Mail: [email protected] Pietschmann, Prof. Dr. em. f. Geschichte Lateinamerikasan der Universitt Hamburg. Zu Buch- und Aufsatzpublikationenzur Kolonial- und frhneuzeitlichen Geschichte vgl. Schriftenverzeichnis auf: http://www.phil-gesch.uni-hamburg.de/neulhistneulpietschmann.html. Forschungs- und Gastaufenthalte in Lateinamerika, den USA, Frankreich und Spanien. Trger des mexikanisehen Ordens Aguila Azteca. Korrespond. Mitglied der AcademiaMexicana de a Historia, Academia ChiLena de la Historia, Acade-mia de Geogra{fa e Historia de Guatemala, Academia NacionaldeHistoria 1Argentinien und Real Academia de la Historia 1Spanien.Hans Werner Tobler geb. 1941, ist emeritierter Professor fr Geschichtean der Eidgenssischen Technischen Hochschule in Zrich.Forschungsschwerpunkte: Neuere Geschichte Lateinamerikas, insbesondere Mexikos; vergleichende internationale Geschichte. Publikationen u. a.: Die mexikanische Revolution - Gesellschaftli-cher Wandel und politischer Umbruch J876-J940 1984/92);(Mithg.) Handbuch der Geschichte Lateinamerikas, 3: Lateiname-rika im 20 Jahrhundert (1996); (Mithg.) Rechtsstaatlichkeit imZeitalter der Globalisierung (205).

    Inhalt

    IMexiko: Von der vorspanischen Zeitbis zum Beginn derUnabhngigkeitsepocheVon Horst Pietschmann

    Mesoamerika und das Selbstverstndnis des modernenMexiko 9Mesoamerika: der Raum und seine Kulturen 9Das Aztekenreich und seine Mythen 13

    Die spanische Eroberung und Herrschaft 2.1Hernan Cortes, seine Alliierten und der Fall des aztekischen Imperiums TEroberer, Kolonisten, indigene Eliten und Tributpflichtige 36Mendikanten, Mission und Kultur 50Die Politik der Krone 59

    Die Kolonialgesellschaft (ca.1565-1760) 66. Recht, Staat und Politik 66Wirtschaft u nd Gesellschaft 73Kultur und Mentalitten 90

    Territorialstaat, Nation und politische Systemkrise (1760I808) 95Kar! m. Jesuitenvertreibung und Nation 95Von der Umsetzung der Reformkonzepte zur politischenKrise 1 1

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    http:///reader/full/http://www.awro.wiso.uni-erlangen.demailto:[email protected]://www.phil-gesch.uni-hamburg.de/neulhistneulhttp:///reader/full/http://www.awro.wiso.uni-erlangen.demailto:[email protected]://www.phil-gesch.uni-hamburg.de/neulhistneul
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    IIMexiko im I9. Jahrhundert:Zwischen Unabhngigkeit und RevolutionVon Walther L BerneckerDie Erringung der Unabhngigkeit I 2 IDer Befreiungskampf Neu-Spaniens 121Die Ausgangslage zum Zeitpunkt der Selbstndigkeit 12 5Politik im unabhngigen Mexiko 139Der Beginn des politischen Lebens 139Verfassungsnderungen und Staatsprojekte 147

    Die Reformra: Aufbruch in die Moderne 152Bevlkerung, Wirtschaft, Sozialunruhen I61Bevlkerungsentwicklung und Aufstnde 161Auenhandel und Handwerkerkrise 165

    Zur Problematik der Frhindustrialisierung: konomie undPolitik 172Vertrge, Auslandsschulden, internationale Konflikte 184Die Aushandlung von Anerkennungsvertrgen 184Der Kuchenkrieg (1838/39) 190Texas und die Expansion der USA (1846-T848) 199Staatsschulden, Konventionen, Zollverpfndungen 203Die franzsische Intervention und das Kaiserreich Maximilians(1861-1867) 214Restaurierte Republik und Porfiriat 218Die Restaurierte Republik (1867-1876): Jurez und Lerdo de

    Das Porfiriat (1877-T9II): Grundzge autoritr-oligarchischerDie Wirtschaft im Strukturwandel

    Tejada 219Herrschaft 226

    IIIMexiko im 20. Jahrhundert:die Revolution und ihre FolgenVon Hans Werner Tobler

    I900-I910: Die Krise des spten Porfiriats 243Krisenherde des spten Porfiriats 244Soziale und politische Entwicklungstendenzen im spten Porfidar 249

    Die mexikanische Revolution (19IO-1920) 251Der maderistische Aufstand und die Prsidentschaft Maderos

    Die Verfassung von 1917 und die Regierung Carranza27 1 '

    (1910-1913) 252Das Huerta-Regime und der Brgerkrieg von 1913/14 258Die Spaltung der Revolution: der Brgerkrieg von 19I51I6 266

    Mexiko im Zeichen sptrevolutionrer Stabilisierungsund Reformpolitik (1920-I940) 277Die Situation anfangs der I920er Jahre: die Auswirkungen derzehnjhrigen Revolutionskriege 278Die Herrscha ft der Sonorenser (1920-1935) 282Vernderungen in Staat, Wirtschaft und Gesellschaft (19201935) 286Die Prsidentschaft von Lzaro Crdenas (1934-194): dienachgeholte soziale Revolution 294

    Institut ionalisierte Revolution und milagro mexicano(I940-1968/70) 301Das Regime der institutionalisierten Revolution: politischeEntwicklungstendenzen 304Das mi/agro mexicano: wirtschaftliche und gesellschaftlicheEntwicklungstendenzen (1940-1970) 320

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    Das postrevoluti"onre Mexiko in Krise und Transformation (1970-2000 ) 332 .Reformpolitik, lboom und Auenverschuldung: die 1 51 WU-gen Echeverria (1970-1976) und L6pezPortillo (1976-1982) 332die Regierung de la Madrid (1982-1988)und sozialer Einbruch inDie Auflsung des postrevolutionren Systems: die RegierungenSalinas de Gortari (I988-1994) und Zedillo (I994-2000) 351Epilog: Mex iko seit dem Jahr 2 362

    Bibliographie 367Zu den Autoren 384

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    Eine breitere politische Mobilisierung in Mexiko lstedann die angebliche Rcktrittsabsicht des greisen PorfirioDiaz im Jahr e 1908 aus, die zunchst heftige Konflikte zwischen den rivalisierenden Eliten des porfiristischen Regimes, den kosmopolitisch orientierten eientifieos und denstrker national ausgerichteten Anhngern des GeneralsBernardo Reyes provozierte. Nachde m Diaz seinen ehemaligen Kriegsminister Reyes zum Rckzug aus dem Wahlkampf bewogen hatte, ent stand 1909 erstmals eine als Partei organisierte Opposition - die AntireelektionistischePartei - die sich mit dem liberalen GrogrundbesitzerFrancisco I Madero aus dem nrdlichen Grenzstaat Coahuila um die Prsidentschaft bewarb. Madero hatte 1908eine politische Streitschrift, La sucesion presidencial en1910 (Die Prsidentschaftswahl von 1910) verffentlicht, in welcher er fr eine Demokratisierung des politischen Systems pldierte.

    Untersttzung erhielt die Kandidatur Maderos vor allemin der Mittelschicht; Anwlte, Ingenieure und Journalistenschlossen sich in betrchtlicher Zahl seiner Bewegung an.Aber auch Handwerker, Arbeiter und Studenten waren inden 1909 10 in zahlreichen Stdten entstehenden maderistisch-antireelektionistischen Clubs stark vertreten. In denmanipulierten Wahlen hatten die Maderisten allerdingsvon Anfang an keine Chancen. Darber hinaus wurden siaber nach erfolgreicher Wiederwahl von Diaz auch physisch verfolgt und so - gegen ihr ursprngliches Konzeptner legalen Opposition - in den bewaffnetengedrngt. Dieser gegen Ende 1910 im Norden

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    den verbndeten sdlichen und nrdlichen Revolutionstruppen; 1915/J6 der Brgerkrieg innerhalb des siegreichenrevolutionren Lagers, zwischen Konstitutionalisten undKonventionisten; 1916 bis 192 der Sieg der nrdlichenKonstitutionalisten, die Verabschiedung der Verfassungvon 1917 und die Prsidentschaft Carranzas.

    Der maderistische Aufstandund die Prsidentschaft Maderos (I9IO-I9I3)

    Anfang November 1910 hatte Madero, nach seiner geglckten Flucht aus San Luis Potosi, von San Antonio Te-xas) aus, seine Landsleute fr den 20 November 1910 zueinem nationalen Aufstand gegen Porfirio Dlaz aufgerufen.Entgegen Maderos Erwartungen ging der Aufstand allerdings nicht von den Stdten, also den Zentren der antireelektionistischen Opposition aus; dort hatte die Polizei nmlich keine Mhe gehabt, vereinzelte Aufstandsversucherasch im Keim zu ersticken. Anders war dagegen die Situation auf dem Land, insbesondereim nrdlichen GrenzstaatChihuahua.Dort kam es im NovemberlDezember zu erstenAufstnden unter Fhrung von Pascual Orozco, die sich inden folgenden Monaten rasch ausbreiteten (M. Meyer19 67).Dabei spielten lokale oder regionale Motive in der An-fangszeit des Aufstandes berall eine zentrale Rolle. In RivaPalacio schlo sich im November 1910 eine Gruppe von 3bewaffneten Mnnern unter der Fhrung von FranciscoVilla, einem ehem:aligen berhmt-berchtigten Banditen,dem Aufstand an. In Chihuahua gehrten auch zahlreicheBauern aus den ehemaligen Militrkolonien, deren Besitzdurch das Regime der den Staat beherrschenden TerrazasFamilie aufs hchste bedroht wurde, zu den ersten Rebellen. Bald breitete sich die Erhebung im Norden, wo sie25 2

    durch die Tradition von Brgerwehren gegen Indianerberflle und allgemein einen verbreiteten Waffenbesitz begnstigt wurde, ber Chihuahua hinaus aus, insbesonderein das Baumwollanbaugebiet der Laguna sowie nach So-nora, Sinaloa und Coahuila; schlielich kam es auch im S-den - vor allem in Morelos und Guerrero - zu bewaffnetenAufstnden gegen das Regime.Anfnglich waren die Regierungskrfte - Armee, ruralesPolizei - den Aufstndischen zumindest zahlenmig weitberlegen. Aber die Armee erwies sich als zunehmend unfhig, den rasch sich ausbreitenden Aufstand unter Kontrollezu bringen: Diaz Schicksal wurde schlielich durch diespektakulre Eroberung der wichtigen Grenzstadt CiudadJuarez durch Truppen von Orozco und Villa am 10 Mai19 I I besiegelt. Porfirio Diaz und sein Vizeprsident Corraltraten zurck; .der greise Diktator setzte sich ins Exil nachEuropa ab, aus dem er nicht mehr zurckkehren sollte.Bereits der kurzlebige maderistische Aufstand wies einige Charakteristika auf, die dann auch den spteren Brgerkrieg von 19131r4 in noch hherem Ma kennzeichnensollten: einerseits die regionalen Schwerpunkte der bewaffneten Erhebung, andererseits die politische und soziale Zu sammensetzung der verschiedenen Aufstandsbewegungen.Der Norden und gewisse Gebiete des sdlichen Hochlandesum die Staaten Morelos und Guerrero waren die Zentrender bewaffneten Aktionen; in sozialer Hinsicht prgte einemarkante Heterogenitt die verschiedenen Aufstandsbewegungen. Die ersten maderistischen Revolutionstruppen imNorden rekrutierten ihren Anhang zwar vornehmlich ausden lndlichen Mittel- und Unterschichten, umfaten aberein breites Spektrum sozialer Herkunft und wirtschaftlicher Ttigkeiten: eigentliche Bauern (wie in gewissen Gebieten Chihuahuas), Bergleute, cowboys Maultiertreiber,Eisenbahnarbeiter, Kleinhndler, im Sden der USA durchmaderistische Agenten rekrutierte mexikanische Arbeiter

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    usw. Whr end in Chihuahua die Mobilisierung weitgehendvon unten erfolgte und die Kontrolle bei neuen, zumeistder Mittelschicht entstarillnenden Fhrern lag, erfolgteSonora die Mobilisierung strker von oben, beteiligtcllsich dort doch auch revolutionre hacendados anSpitze ihrer bewaffneten Landarbeiter und Pchter amstand; auch in Coahuila - dem Heimatstaat Maderos stammten die Fhrer der maderistischen Erhebung aus denKreisen der antiporfiristischen Oberschicht. Im Sden dagegen, d. h. in Morelos, zeichnete sich bereits jener Typuseines eigentlichen Bauernaufstandes ab, der klare agrarreformerische Perspektiven entwickelte und im wesentlichenauf bewaffneten buerlichen Kontingenten der freien Dorfgemeinschaften beruhte Womack 1969; Aguilar Camin1977; Knight, I 1986).

    ie politische Fhrung des Maderismus setzte sich hauptschlich aus Angehrigen der oberen Mittelschicht bzw. derOberschicht zusammen; deren konservative Exponentendrngten in der Schluphase des Aufstands auf eine rascheRckkehr zu Ruhe und Ordnung. Wie die Regierung warenauch sie vor allem daran interessiert, die Entstehung einernicht mehr zu kontrollierenden Revolutionsbewegung zu unterbinden. Nac h dem Sturz von Dlaz gelang es ihnen, die Abhaltung von Neuwahlen im Dezember 9IIdurchzusetzen, aus welchen Madero als neuer Prsident hervorging. Damit hatten die maderistischen Notabeln ihreZiele verwirklicht, die Revolution schien bereits an ihrEnde gelangt zu sein.Allerdings hatre der Aufstand von 1910 II und dieanschlieende politische Mobilisierung im Vorfeld derderholten Prsidentschaftswahlen Krfte freigesetzt,che die Regierung Madero immer weniger kontrolhcn::ukonnte.Zwei Aufstnde aus den Reiheri von Maderos IO l l IOHld lLgen Anhngern verdienen besondere Beachtung. Im

    1912 kam es in Chihuahua unter Fhrung von PascualOrozco zu einem Aufstand, der ein deutlicher Ausdruck derwachsenden Unzufriedenheit mit Made ros einseitiger, konservative Honoratio ren begnstigenden Politik der mterpatronage war. Nach anfnglichen militrischen Erfolgender Orozco-Truppen gelang es allerdings der alten Bundesarmee unter dem General Victoriano Huerta im Mai 1912,Orozco entscheidend zu schlagen und die Bedrohung vonder Madero-Regierung abzuwende n M. Meyer 1967).Kurz zuvor hatten sich im sdlichen Morelos EmilianoZapat a und seine Gefolgsleute von Mader o losgesagt. Dieser Konflikt, dem - anders als der Orozco-Erhebung - einegrundstzliche Unvereinbarkeit de r gesellschaftlichen Vorstellungen des Prsidenten und der aufstndischen Bauerndes Sdens zugrunde lag, hing eng mit Maderos Agrarpolitik zusammen. Anders als die Arbeiter, die lediglich fr eineVerbesserung ihrer Arbeitsbedingungen kmpfte n un d denen die neue Regierung auch du rchaus eine grere Org anisationsfreiheit einrumte, warfen die Bauern mit ihrerForderung nach Rckgabe ehemals buerlichen Landes diegrundstzliche Frage der Eigentumsrechte auf. Maderohatte zwar in seinem Insurrektionsplan von San Luis Potosiin einer Passage auch die Rckgabe willkrlich enteigneten Landes an die ehemaligen Besitzer versprochen und sobei seinen buerlichen Gefolgsleuten Hoffnungen auf eineAgrarreform geweckt; als Prsident pldierte er allerdingsfr eine beraus moderate, strikt legalistische Agrarpolitik,die wenig Raum fr eine grundstzliche Vernderung derAgrarverhltnisse lie Tobler 1984, 180-182 .Auch gegenber den Zapatiste n, welche die von Made roverlangte Demobilisierung und Entwaffnung verweigerten,antwortete die Regierung mit dem Einsatz der Armee, dies

    in Form einer uerst brutal gefhrten Repressionskampagne unter dem Kommando des Generals JuvencioRobles. Ganze Drfer wurden niedergebrannt und ihre Be-

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    wohner in Gefangenenlagern zusammengetrieben, um soden zapatistischen Guerrilla.truppen ihre Rekrutierungsund Versorgungsbasis zu entziehen. Aber auch die Terrorkampagne von Robles gegen die morelensischen Bauernkonnte die zapatistischen Verbnde nicht endgltig vernichten; vielmehr bewirkte sie nur eine weitere, verzweifelte Solidarisierung der lokalen Bevlkerung mit der Be-freiungsarmee des Sdens. Zwar stellten die Zapatisten,hnlich wie die militrisch geschlagenen Orozco-Truppen,nach der blutigen P a z i f i z i e r u n g ~ von Morelos keine unmittelbare Gefahr fr die Madero-Regierung mehr dar,aber das zapatistische Problem konnte dadurch keineswegs gelst werden Womack 1969).Mit der Niederwerfung dieser beiden Aufstnde durchdie Bundesarmee hatte sich Madero noch strker als schonzuvor in die Hand der alten Armee und ihrer porfiristischenGenerle begeben. Whrend die Armee gegen die ehemaligen Verbndeten Maderos mit aller Hrte vorging, bliebenUmsturzversuche aus den eigenen Reihen weitgehend ungeshnt.Staatsstreichplne nahmen I9I2h3 auch deshalb zu, weildie Position Maderos in diesem Zeitraum immer schwcherwurde. Seine eigene Partei war gespalten in einen fortschrittlichen Flgel, die renovadores und eine konservative , gesellschaftlich eng mit den cientificos verflochtene Gruppe, derauch zwei nahe Verwandte des Prsidenten, der Finanzminister Ernesto Mad ero und der Wirtschaftsminister Rafael LHernandez, angehrten. Die von Madero eingeleitete Demokratisierung und seine Anerkennung der Pressefreiheitkamen vor allem seinen politischen Gegnern zugute, die imParlament eine Obstruktionspolitik betrieben und ber dievon ihnen auch weiterhin mehrheitlich kontrollierten Zeitungen die Regierung scharf attackierten.Die Krise, die schlielich zum Sturz Maderos fhrte, warAusflu von innen- und auenpolitischen Entwicklungen,

    die in verhngnisvoller Weise zusammenwirkten. Innenpolitisch sollte sich die Rebellionsanflligkeit der Armee alsentscheidender Faktor erweisen, auenpolitisch war es diezunehmend reservierte Haltung der US gegenber derneuen Regierung und die verschwrerische Ttigkeit ihresBotschafters Henry Lane Wilson, welche den Boden frMaderos Sturz bereiteten Katz 1964, 197; Katz 1981,II2f. .

    m 9. Februar 1913 erhoben sich einige Truppenteile unter der Fhrung der aus dem Gefngnis befreiten GenerleBernardo Reyes und Felix Diaz gegen Madero, der den General VictorianoHuerta mit dem Kommando ber die zunchst loyal gebliebenen Truppen in der Hauptstadt betraute. Whrend der anschlieenden zehntgigen blutigenKmpfe, der decena trdgica die vor allem unter der Zivilbevlkerung zahlreiche Opfe r forderte, verbndeten sich allerdings Huerta und Diaz heimlich, um gemeinsam - mitder aktiven Untersttzung von Botschafter Wilson - die Regierung zu strzen. Am 18. Februar wurden Madero undsein Vizeprsident Pino Suarez von den Militrs verhaftet,zum Rcktritt gezwungen und einige Tage spter, allen Z usicherungen der neuen Machthaber zum Trotz, ermordetRoss 1955; Cumberland 1969).

    Entgegen den Erwartungen von Maderos Feinden, diesich vom Regime des Generals Huerta eine dauerhafte neoporfiristische Restauration versprachen, brachte der Putschvom Februar 1913 allerdings keine Stabilisierung der politisch-gesellschaftlichen Verhltnisse. Im Gegenteil wurdedamit die zweite Phase der mexikanischen Revolution ausgelst, welche die knftige Entwicklung viel tiefgreifenderbestimmen sollte als der Maderismus der Jahre 19II und1912.

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    Das Huerta Regimeun der Brgerkrieg von I9I3 I4

    Der Machtwechsel von Madero zu Huerta schien zunchstreibungslos zu verlaufen wobei Huerta zugute kam daunter Madero ja weder in der Armeefhrung noch in derhohen Beamtenschaft ein wirklicher Personalwechsel stattgefunden hatte. Sowohl das Parlament als auch der ObersteGerichtshof und die weitaus meisten Staatsregierungen erkannten denn auch Huerta rasch als provisorischen Prsidenten an. Der General erhielt auerdem die Untersttzungder alten konservativen Eliten was seinem Regime einenunverkennbar restaurativen Charakter verlieh.Zunchst gelang es Huerta seinen Machtanspruch weitgehend durchzusetzen. Seiner innenpolitischen Rivalen umFelix Diaz vermochte er sich geschickt zu entledigen; die zunehmend kritische Haltung der USA deren neue Administration unter dem Demokraten Woodrow Wilson HuertasRegierung nicht anerkannte konnte anfnglich bis zu ei-nem gewissen Grad durch eine strkere Ausrichtung auf europische Mchte vor allem Grobritann ien kompensiertwerden.Whrend in der Hauptstadt und in den Staaten Zentralund Sdmexikos Huertas Staatsstreich auf keinerlei Widerstandder frheren Politiker stie war dies in den vomMaderismus strker geprgten Nordstaaten nicht der Fall.Unter der Fhrung des maderistischen Gouverneurs vonCoahuila Venustiano Carranza formierte sich dort imFrhjahr 1913 der Widerstand gegen den Usurpator Huerta mit dem zunchst rein politischen Ziel der Wiederherstellung der konstitutionellen Ordnung woraus sich dannauch die sptere Bezeichnung dieser Bewegung als konstitutionalistisch herleiten sollte.Erst jetzt kam es - anders als whrend des kurzlebigenmaderistischen Aufstandes zur vollen Ausgestaltung der

    mexikanisehen Revolutionsbewegungen die in ihren regionalen Unterschieden ihren konkurrierenden politisch-gesellschaftlichen Zielsetzungen und in ihrer heterogenen sozialen Zusammensetzung nun in ihren Grundzgen zuskizzieren sind.Carranza stammte wie Madero aus dem nordstlichenGrenzstaat Coahuila. Als ehemaliger Anhnger von Reyeswar er zu Madero gestoen und schlielich Gouverneur seines Heimatstaates geworden. Als Grundbesitzer vertrat ereine sozialkonservative Haltung insbesondere in Agrarfragen; politisch allerdings hatte er im Gegensatz zu Maderoimmer fr einen konsequenten Kurs gegenber den altenporfiristischen Machteliten pldiert und in Coahuila einestaatliche Miliz aufgebaut. Nach dem Huerta-Putschmute er allerdings rasch der bermacht der Huerta-treuenBundesarmee weichen.Wesentlich gnstiger waren in dieser Hinsicht die Verhltnisse im nordwestlichen Grenzstaat Sonora. GouverneurMaytorena zeigte zwar nicht dieselbe Entschlossenheit wieCarranza Huerta Widerstand zu leisten und setzte sichnach dessen Staatsstreich ins nordamerikanische Exil ab.Auf der zweiten politischen Fhrungsebene d. h. vornehmlich jener der Bezirksprfekten Gemeindeprsidenten undhohen Offiziere der Staatstruppen wurde allerdings unverzglich der Widerstand gegen Huerta organisiert. Bei dieserGruppe politischer und militrischer Fhrer handelte es sichin der Mehrzahl um homines novi ohne politische Verbindung zum alten Regime die berwiegend den Mittelschichten entstammten: ehemalige Anfhrer des Aufstandes von

    IO / und Lokalpolitiker die nach dem Sturz von DiazKarriere gemacht hatten.Unter diesen Umstnden erfolgte die Revolution in So-nora gleichsam als Sezession dieses maderistisch kontrollierten Staates gegenber der durch Huertas Staatsstreichan die Macht gelangten Zentralregierung in der fernen

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    Hauptstadt. Hier war es der Staat, der von oben dieTruppen aushob und besoldete, die zum Kern der spterenNordwestarmee unter dem Kommando Alvaro Obreg6nswerden sollten. Eine sozialrevolutionre Perspektive gingdieser Bewegung, die nichts mit einem spontanen Volksaufstand gemein hatte, deshalb von Anfang an ab. warwurde u. a. auf das Eigentum der Huerta-Anhng er zur Finanzierung des Krieges zurckgegriffen, aber grundstzliche Vernderungen der Wirtschafts- und Sozialstruktur, dieder Logik der sonorensischen Revolution widersprochenhtten, wurden nicht durchgefhrt. Auch gewisse Professionalisierungstendenzen, die spter die nrdlichen Revolutionsarmeen allgemein charakterisieren sollten, zeichneten sich unter den sonorensischen Truppen schon relativfrh ab.Anders als in Coahuila gelang es der Staatsregierung inSonora, die in diesem Staat stationierte Bundesarmee inSchach zu halten. Bereits Mitte April 1913 war es denStaatstruppen nmlich gelungen, mit Ausnahme der Hafenstadt Guaymas, den grten Teil des Staatsterritoriumsunter ihre Kontrolle zu bringen. Damit sicherten sie sichnicht nur den Zugang zu den betrchtlichen Steuern dernordamerikanischen Bergwerksgesellschaften im Nordendes Staates, sondern auch zu den erheblichen Zolleinnahmen aus dem Grenzverkehr mit den USA finanziellen Mit teln also, die fr den Ankauf von Waffen und Ausrstung inden USA von grter Bedeutung waren Aguilar Camin1977)Diese neue Art von Kriegswirtschaft zum Unterhalt derRevolutionsarmee zeichnete in hnlicher Form auch diezweite groe Revolutionsbewegung des Nor dens, jene unter Pancho Villa in Chihuahua, aus. In anderer Hinsichtwaren allerdings die Unterschiede zum sonorensischen Typus revolutionrer Mobilisierung betrchtlich. Andersals in Coahuila und Sonora fiel in Chihuahua die Staatsre:2.60

    gierung im Frhjahr 1913 rasch n die Hnde von Anhngern Huertas. Die Revolutionsbewegung in Chihuahua, alsderen unbestrit tener Fhre r sich rasch Francisco PanchoVilla erweisen sollte, verdankte ihre Entstehung deshalbweitgehend einer Mobilisierung von unten, dem mehr o derminder spontanen Anschlu Hunderter und Tausender andie Norddivision, die schlielich 1913 den ganzen StaatChihuahua kontrollierte. u Recht hat Friedrich Katz betont, da von allen revol utionren Bewegungen die VillaBewegung die am schwersten zu definierende sei Katz1964, 241). Nicht nur das Bild Villas selbst, facettenreichund widersprchlich, auch die von ihm gefhrte DivisiondeI one ist von Legenden umrankt. Villa selbst stammteals einer der ganz wenigen Fhre r der mexikanischen Revolution aus der unterbuerlichen Schicht der hacienda peo-nes , hatte es dann, als Bandit und Viehdieb, zu einiger Bekanntheit gebracht, es schlielich aber auch verstanden,noch vor der Revolution in der Stadt Chihu ahua als kleinerGeschftsmann Fu zu fassen. Jedenfalls zeichnete sichseine Bewegung durch eine deutlich sozialradikalere Politikaus als die sonorensische Revolutionsbewegung. Nac h derEinnahme der Stadt Chihuahua durch Villas Truppen imDezember 1913 wurden die groen Landgter der altenOligarchie konfisziert. Eine Aufteilung dieser Lndereienunter die buerliche Bevlkerung, wie spter in Morelos,war damit allerdings nicht beabsichtigt. Dies hing u.a. damit zusammen, da die Villa-Bewegung zwar betrchtlTeile ihrer Trupp en aus der buerlichen Bevlkerung rekrutierte, da sie aber dennoch nicht eine wirklich agrarrevolutionre Bauernbewegung wie etwa jene der Zapatistendarstellte. Bauern aus den bedrohten ehemaligen Militrkolonien, die ihr Land zurckverlangten, waren zwar einwichtiges Element in der frhen Villa-Bewegung, und ei-

    ihrer Fhrer stiegen in hohe militrische Rnge der Di-visi6n deI one auf, insgesamt aber war die Villa-Armee:2.61

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    sozial viel zu heterogen und bten die meisten Soldatenbuerlicher Herkunft viel ZlJ wenig Reformdruck aus, alsda eine systematische Landverteilung fr die Villisten ei-nen zentralen Stellenwert eingenommen htte. Fr Villa alsmilitrischen Fhrer der Norddivision war eine knftigeAgrarreform ohnehin zentral mit der Vorstellung der Veteranenversorgung, nicht aber mit einer allgemeinen Landverteilung, verbunden (Katz I998; Tobler I984, 2I5 -225).Unter diesen Umstnden wurden im villistischen Herrschaftsbereich, der sich I9I4 ber Chihuahua hinaus nachSden, insbesondere auch in das Baumwollanbaugebiet derLaguna, ausdehnte, zwar viele h ciend s durch die Villisteninterveniert und ihre Erzeugnisse, vor allem Vieh undBaumwolle, in groem Ausma in die USA verkauft. Frden einzelnen Landarbeiter oder Pchter auf diesen Gternnderte sich dadurch allerdings kaum etwas (Katz I976).Sowohl in Sonora als auch in Chihuahua entwickeltensich die revolutionren Truppen I9I3/14 zu militrischstarken Armeen mit regelmiger Besoldung ihrer Soldaten, die das Stadium von Partisanentruppen rasch hintersich lieen und die schlielich imstande waren, die Bundesarmee Huertas in konventionellen Schlachten zu besiegen.Ihren Fhrern, die berwiegend aus der lndlichen oderkleinstdtischen Mittelschicht stammten, erffneten sichmit einer erfolgreichen militrischen KarriereChancen eines politischen und wirtschaftlichen Aufstiegs,was fr viele unter ihnen die Perspektive einer gesamtgesellschaftlichen Vernderung zunehmend in den Hintergrund treten lie.Sehr verschieden von dieser Entwicklung im Norden verlief die Revolution des Sdens, die Bauernerhebung imStaat Morelos unter Emiliano Zapata. Im Frhjahr 19IIentstanden, hatte sie sich dem Kampf Maderos gegen Diazangeschlossen, w ar unter M aderos Prsidentschaft blutigunterdrckt worden und kmpfte seit dem Frhjahr 19I3

    als unabhngige Bewegung an der Seite der KonStitutionalisten gegen das Huerta-Regime. Grundlegende Bedeutung kam in der Zapata-Bewegung der Institution desfreien Dorfes, dem pueblo /ibre zu. Im Gegensatz zur ha-cienda vermochte das freie Dorf seinen Bewohnern, selbstwenn diese wirtschaftlich zunehmend in Abhngigkeit vonden h ciend s gerieten, einen Freiraum autonomer Ttigkeit zu bewahren, wie er fr die peonesacasillados d. h. diefest auf den h ciend s ansssigen Landarbeiter, nicht mehrexistierte (Wolf I969, 290). Schlielich hatte die lange Tradition meist vergeblicher Versuche, sich auf legale WeiseRecht zu verschaffen, verbunden mit dem noch intaktenBewutsein, einer von der h ciend unabhngigen sozialenOrganisation anzugehren, in den Drfern auch eine ausgeprgtere Kampfbereitschaft hervorgebracht. Ohne diegnstige wirtschaftliche Basis der Nordarmeen und - aufgrund ihrer geographischen Lage - ohne die Mglichkeitdes Zugangs zu Waffen und anderen Versorgungsgtcrnaus den USA, konnte die Befreiungsarmee des Sdensschwerlich eine andere Form als die einer Partisanenarmeeannehmen. Die Zapatisten, je nach dem Rhythmus derFeldarbeit friedliche Bauern oder Guerrillakmpfer, warenauf die Untersttzung durch die ansssige Bevlkerung angewiesen und muten deshalb ihre Waffen von den feindlichen Bundestruppen erbeuten oder auf dem Schwarzmarkterwerben (Chevalier I96I . Armee und pueblos warendenn auch keine getrennten Institutionen, sondern nur verschiedene Organisationsbereiche mit komplementrenFunktionen derselben aufstndischen Bauernbevlkerung.

    Zwar erlangten im Lauf der Zeit auch stdtische Berater Zapata s wachsenden Einflu auf die Befreiungsarmeedes Sdens, wie auch die Nhe zur Hauptstad t und die ausgeprgte wirtschaftlich-geographische Mobilitt vielerBauern dieser Region den Kontakt mit anderen gesellschaftlichen Schichten und mit neuen Ideen erleichterte; im263

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    Kern aber blieb die Zapata-Armee des Sdens - in deutlichem Gegensatz zu den Nor.darmeen - eine sozial weitgehend homogene, klein buerliche Bewegung. Dies mach tezugleich ihre Strke wie auch ihre Schwche aus. Stark waren die Zapatisten in der Beharrlichkeit, mit der sie ihreLandreformanliegen verfolgten, und in der Verteidigungder patria chica ihrer Heimatregion; ihre Schwche lag inder fehlenden nationalen Perspektive und in der lokalen Be-grenzthe iteiner jeden Bauernbewegung, d. h. im mangelnden Verstndnis fr die politischen und wirtschaftlichenZielsetzungen anderer gesellschaftlicher Gruppen undschlielich auch in ihrem Unvermgen, auerhalb ihrer angestammten Region militrisch aktiv zu werden, was letztlich auch ihrem Einflu auf die nationale Entwicklung engeGrenzen setzte.Zwar stellten die Zapatisten, deren Einflubereich sich1914 ber ihren Ursprungsstaat hinaus auf Guerrero undandere Nachbarstaaten des zentralen Hochlandes ausdehnte, nicht die einzige eigentliche Bauernbewegung in dermexikani schen Revolution dar, wie Alan Knight 1986) inseiner minutisen Untersuchung vieler lokaler und regionaler Entwicklungen zeigen konnte. Unter den groen Revolutionsbewegungen von nationaler Bedeutung w r jeneunter Zapata allerdings die einzige sozial weitgehend homogene und autonome, d h. nicht fremdbestimmte, Bauernbewegung, fr die agrarrevolutionre Zielsetzungen - wennanfnglich auch in berwiegend restaurativem Gewand stets handlungsbestimmend blieben Womack 1969).

    n anderen Regionen, wie etwa im Norde n, wurden Bauern oft von nichtbuerlichen Gruppen mobilisiert und sozial heterogenen Bewegungen eingegliedert, die keineswegsvorrangig auf eine Vernderung der Agrargesellschaft ausgerichtet waren. Der Sdosten schlielich, also die Regionmit den repressivsten ArbeitsVerhltnissen auf den Plantagen, blieb in dieser entscheidenden Revolutionsphase weit264

    gehend passiv und wurde erst nach 1915 von auen her revolutioniert. Aber auch in den in ihrer Agrarstruktur rechtunterschiedlichen Staaten Michoacan und Oaxaca etwahaben jngere Untersuchungen vor allem die buerlichePassivitt und das Fehlen agrarreformerischer Zielsetzungen whrend der Revolutionskriege hervorgehoben Brading 198 ; Joseph 1982; Friedrich 197 ; Gonzalez 1968;Waterbury 1975).Nach dem Putsch gegen Madero konnte sich das HuertaRegime bis Anfang 1914 im grten Teil des Landes haltenund den nrdlichen und sdlichen Revolutionsverbndenwiederholt empfindliche Niederlagen zufgen. Innenpolitisch entwickelte sich Hueita immer mehr zu einem Militrdiktator,dessen Politik nun auch auf den wachsendenWiderstand des amerikanischen Prsidenten WoodrowWilson stie; zumal sich Huerta durch seine zunehmendprobritische Politik auch zahlreiche in Mexiko vor allem inder Rohstoffproduktion ttige US-Unternehmen entfremdete. Die amerika nische Regierung versuchte deshalb,Huerta zunchst durch politischen und wirtschaftlichenDruck zur Wiederherstellung verfassungsmiger Zustnde aufgrund freier Wahlen zu bewegen, um schlielich - nach dem Scheitern dieser Strategie - durch militrische Intervention, wie etwa die Besetzung der HafenstadtVeracruz im April 1914, und offene Unterst tzung der Konstitutionalisten Huertas Sturz herbeizufuhren Smith 1972;Katz 1981).Der Zusammenbruch des Huerta-Regimes im Sommer1914 war allerdings hauptschlich auf die militrischen Erfolge der konstitutionalistischen Armeen im Norden undz T der Zapatisten im Sden zurckzufhren. Wie schon19IO/II erwies sich die Bundesarmee als zunehmend unfhig, dem Vormarsch der Revolutionsarmeen, die sich imNorden immer mehr konventionellen Streitkrften anglichen, standzuhalten; am 15.Juli 1914 dankte Huerta b

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    und verlie das Land. Am I:;. August 1914 schlielich marschierten die siegreichen k o n ~ t i t u t i o n a l i s t i s c h e n Truppen inder Hauptstadt ein (Tobler I984 2.38-2.45).

    Die Spaltung der Revolution:der Brgerkrieg von 1915 I6

    Die Tatsache, da es nach dem Zusammenbruch des HuertaRegimes im Sommer 1914 nicht gelang, aus den verschiedenen am Brgerkrieg gegen Huerta beteiligten Bewegungenein tragfhiges neues Regime zu errichten, beleuchtetschlaglichtartig einige Grundprobleme der mexikanischenRevolution. Als besonders konflikttrchtig erwies sich dabei die ausgeprgte Heterogenitt des Revolutionsbndnisses, das vor allem der gemeinsame Kampf gegen Diaz undspter Hue rta zusammengehalten hatte. Zweifellos spieltenbeim Bruch der ehemaligen Anti-Huerta-Koalition Machtrivalitten, wie z. B. zwischen Villa und Carranza, ebenso. eine Rolle wie tiefgreifende gesellschaftliche Gegenstzeetwa zwischen den Zapatisten und den von CarraI1za angefhrten konservativeren Gruppen der nrdlichen Revolution. Darb er hinaus sind auch soziokulturelle Faktoren zurErklrung des Bruchs zwischen Konventionisten und o n s t i t u t i o n a l i s ~ e n angefhrt worden: die tiefe Kluft zwischen zwei gegenstzlichen politischen Kulturen. Imder VillistenlZapatisten sei diese durch ihren Lokalismusgeprgt und durch eine traditionelle oder charismatischeAuto rit t legitimiert gewesen, ganz im Gegensatz zu den Exponenten des Konstitutionalismus, deren liberal-urbane,den lokalen Horizont transzendierende Perspektive und legal-rationale Autorittsvorstellung sie zu den prdestinierten Trgern einer >'nationalen Synthese gemacht htten(Knight 1986, Ir, 2.2.5-2.33).Jedenfalls kam es nach dem Auseinanderbrechen der Re2.66

    volutionskoalition zu einem Bndnis zwischen Villa undZapat a, das die Bezeichnung Konventionisten annahm,whrend sich die wichtigsten brigen Revolutionsgenerledes Nordens, wie Alvaro Obreg6n und Pablo Gonzatez,schlielich Carranza anschlossen, in einer Allianz, die wei-'terhin die Bezeichnung Konstitutionalisten fhrte. DerBrgerkrieg, der zwischen diesen beiden Flgeln der mexikanischen Revolution im November 1914 ausbrach, sollteschlielich ihren Ausgang insofern bestimmen, als sich1916 die von Carranza und Obreg6n angefhrten Konstitutionalisten auf nationaler Ebene endgltig als siegreicheFraktion etablieren konnten.Nach militrischen Anfangserfolgen der Konventionistenwendete sich das Blatt im Verlauf des Sommers 1915 raschzugunsten' der K o n s t i t u t i o ~ a l i s t e n Ein wichtiger Grunddafr war die unzureichende militrische Kooperation zwischen Villisten und Zapatisten. Bei letzteren zeigte sich nuntatschlich die fundamental parochiale Orientierungihrer Bewegung: die lokal verwurzelte zapatistische Bauernarmee war - anders als die hochmobilen villistischenTruppen - nur schwer zu grorumigen Militraktionenauerhalb ihrer Stammregion zu bewegen. Unter demKommando Obreg6ns, der gegen die villistischen Kavallerieattacken erfolgreich die europische Taktik deszengrabenkriegs und den Einsatz von Maschinengewehren. praktizierte, konnten die Konstitutionalisten so ihre Krftezunchst auf den mchtigeren der beiden militrischenGegner, die villistische Armee, konzentrieren. In einerReihe uerst blutiger und verlustreicher Schlachten im Bajio vom April bis Juli I9I5 wurden die Vii listen vernichtendgeschlagen. Fortan spielten sie als nationaler Machtfak torkeine gewichtige Rolle mehr, auch wenn sie sich in ihrerHeimatregion Chihuahua als Guerrillatruppe bis zumSturz Carranzas 192.0 behaupten konnten (Katz 1998).

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    Was die Zapatisten betrifft, so begannen diese - gleichsam im Windschatten der rp.ilitrischen Auseinandersetzungen zwischen Konstitutionalisten und Villa-Armee - inMorelos ihre regionale Revolution in der Revolution zuverwirklichen. Unter dem Einflu des Brgerkriegs undstdtischer Intellektueller wie der Anwlte Antonio DlazSoto y Gama und Miguel Mendoza L6pez Schwerdtfegeroder des Agronomen Manuel Palafox begann sich die zapatistische Bewegung deutlich zu radikalisieren. Bevor diesiegreichen Konstitutionalisten ihre Truppen 1916 gegendas zapatistisch kontrollierte More los warfen, verwirklichten die Bauernrevolutionre des Sdens hier eine tiefgrei-Agrarreform, die zwar die h ciend nicht vllig vernichtete, wohl aber ihren Landbesitz zugunsten der Drferdrastisch beschnitt. Dabei respektierte die zapatistischeFhrung lokale Traditionen und drfliche Autonomie,berlie es also den Drfern selbst, ob diese fr eine gemeinsame Bewi rtschaftung des Landes oder fr eine Aufteilung des neuerrungenen Bodens in individuellen Kleinbesitz optieren wollten. Schon im Mrz 1915 waren nachAussage Zapatas die Landverteilungen weitgehend abgeschlossen und die Drfer in den Besitz des grten Teilsder Ackerflchen, der Weiden und des Wassers getreten(Womack 1969, 230). Diese regionale Revolution in derRevolution, die tiefgreifendste gesellschaftliche Umgestaltung in Mexiko bis zu den Reformen der 30erder Prsidentschaft Cardenas, die, anders als der KOIl:;Urutionalistische Revolutionsflgel, auch in ihrer politisch-militrischen Fhrung ihren egalitren Charakte r weitgehendbewahren konnte, war allerdings von kurzer Dauer. Im Mai1916 nahmen starke konstitutionalistische Verbnde Cuernavaca, die Hauptstadt von Morelos, ein und unterwarfenden Staat einern eigentlichen Besatzungsregime. Zwar erwies sich unter diesen Umstnden noch einmal die ungebrochene Defensivkraft der berlebenden zapatistischen

    Guerrillatruppen; das nationale Geschehen abe r vermochten sie fortan, hnlich wie die Villisten, nicht mehr zu bestimmen.Die nationale Politik lag seit 1916 in den Hnden derKonstitutionalisten. Auch diese hatten sich allerdings angesichts der zunchst keineswegs entschiedenen Machtfrageschrfer ideologisch-politisch profilieren mssen, um in derAuseinandersetzung mit den Konventionistenebenfalls eine gewisse Massenbasis zu gewinnen. Als Exponent des sozialprogressiven Flgels der Konstitutionalistenerwies sich dabei immer mehr Obreg6n, whrend vorn konservativen Carranza in dieser Richtung kaum Impulse ausgingen.Durch den Erla des konstitutionalistischen Agrargesetzes vom 6. Januar 1915 sollte den Konventionisten das Monopol der Agrarreform streitig gemacht werden. Eine unmittelbare Verstrkung ihrer buerlichen Basis erreichtendie Konstitutionalisten mit diesem administrativ schwerflligen Gesetz allerdings nicht, zumal sie sich ohnehin strker auf die Stdte sttzten. Deshalb waren Obreg6nsAnstrengungen vor allem darauf gerichtet, einen Teil derstdtischen Arbeiterschaft fr die Konstitutionalisten zugewinnen, was ihm gegen das Versprechen staatlicherlntersttzung von gewerkschaftlichen Anliegen und Frderung der Gewerkschaftsorganisation mit dem spekta

    kulren Pakt zwischen den Konstitutionalisten und derFhrung der anarchosyndikalistisch ausgerichteten Ge-werkschaft der Casa dei obrero mundi l am 17. Februar1915 auch tatschlich gelang.Zwar hatte dieses Bndnis auch eine militrische Dimension, insofern als sieh die Gewerkschaftsfhrer verpflichteten, > rote Arbeiterbataillone bataIIones rajos) fr den

    Kampf gegen die Konventionisten aufzustellen. Das militrische Gewicht dieser Verbnde trat aber deutlich hinter derpolitischen Symbolik des Bndnisses und seiner langfristi26 9

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    gen Bedeutung zurck. Erstmals zeichnete sich hier nmlichdas Grundmuster aller s p t e ~ e n Beziehungen zwischen derjeweils majoritren, offiziellen Gewerkschaft und demStaat ab: die enge Anlehnung an den Staat, d. h. faktisch dieUnterwerfung unte r die Regierung, die zwar der Arbeiterbewegung immer wieder fr krzere ode r lngere Zeit Expansionsmglichkeiten und eindrucksvolles Wachstum sowie ihren F hrern oft einflureiche ffentliche Positionenaber nur um den Preis de r weitgehendenEigenstndigkeit dieser Gewerkschaften undihrer ausgeprgten Manipulierbarkeit von oben (Carr1976; Clark 1934).Fr die politische Konsolidierung des konstitutionalistisehen Regimes war allerdings weniger das Bndnis mit derasa del obrero mundial von Bedeutung als die Tatsache,

    da die USA im Oktober I9I5, wenn auch widerstrebend,die als schwer beeinflubar geltende Regierung Carranzafaktisch anerkannten.Beinahe wre allerdings die amerikanische Strategie, Mexiko fr die Dauer des Weltkriegs ruhig zu halten, nichtaufgegangen (Smith I972). Villa, von den Amerikanernnach der Anerkennung Carranzas fallengelassen und in der-tatschlich unbegrndeten - berzeugung, da die amerikanische Anerkennung Carranzas durch weitgehendemexikanische Zugestndnisse an die USA erkauf t worden sei, dieMexiko in ein amerikanisches Protektorat zu verwandelndrohten, griff am 9. Mrz die kleine nordamerikanische Grenzstadt Columbus an; 17 Amerikaner und100 Mexikane r kamen dabei um. Dieses einzige Beispiel einer lateinamerikanischen Militrintervention in den USA(Katz I978, JO I brachte Mexiko a n den Ra nd eines offenenKriegs mit den USA da sich zur Entsendung einerStrafexpedition, unterdemKommandovon General Pershing, nach Nordmexik o zur Verfolgung der villistischenBanditen entschlossen. Das me hr als 6000 Mann umfas27

    l K a l l : s ~ m : Expeditionskorps erreichte sein Zielallerdings nicht, sondern lie im Gegenteil Villa zu einemdes nationalen Widerstandes gegen die USA werdenbelastete das Verhltnis zwis,hen den beiden Staatenaufs schwerste (Katz 1978). Es waren schlielich die Kriegsereignisse in Europa, d. h. das immer gespanntere VerhltnisderUSA zu Deutschland, welche die USA vor einem offenenKrieg mit Mexiko zurckschrecken lieen. ImJuli I9I6 wurden Verhaf ,dlungen mit Carranza ber einen Truppenabzugaufgenommen, der im Februar I9I7, angesichts des kurzbevorstehenden Eintritts der USA in den Krieg gegen Deutschland, auch tatschlich erfolgte, was die - innenpolitischnoch kaum gefestigte Carranza-Regierung durchaus alsauenpolitischen Erfolg verbuchen konnte.

    Die Verfassung von 1917un die Regierung Carranza (1917-1920)

    Am I Dezember I9I6 trat in der Provinzstadt Quereraroder Verfassunggebende Kongre zusammen. Innerhalb dersiegreichen Konstitutionalisten, die allein die Delegierten inder Konstituante stellten, begannen sich zwei Gruppierungen herauszubilden. Whrend Carranza und seine meist zivilen Berater einen sozialkonservativen Kurs steuerten,wollte der linke Flgel, der in Obreg6n einen seiner Protektoren fand, die Arbeiter und Bauern strke r an das neue Regime binden. Zusammengehalten wurden beide Flgel u. a.durch ihre gemeinsame antiklerikale Grundhaltung, welche den Debatten von Quere taro ihren Stempel aufdrckte,aber auch durch die wirtschaftsnationalistischen Vorstellungen, die in die neue Verfassung einflossen. Drei Hauptbereiche der neuen Verfassung sind vor allem hervorzuheben. Artikel 3 und I 30 brachten die heftigen antiklerikalenStimmungen innerhalb der Konstituante zum Ausdruck:

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    Sie beschnitten drastisch den Einflu der katholischen Kirche auf das ffentliche Lebet ., insbesondere im Bereich desSchulunterrichts. Mit Artikel I23 wurde ein neues Arbeitsrecht verankert, das u. a. den Achtstundentag einfhrte, einen Minimallohn festlegte und die Institution der Schuldknechtschaft aufhob. Artikel 27 schlielich hatte einedoppelte Storichtung: Einerseits knpfte er an das konstitutionalistische Agrargesetz von I9I5 an und zielte auf eineVerkleinerung des Grogrundbesitzes durch Landbertragungen an die Drfer und Kleinbauern, andererseits erklrte er die Bodenschtze zu unmittelbarem StaatseigentUm. Dabei blieben die bisherigen Eigentmer zwarKonzessionre des mexikanischen Staates, sie unterstandenaber fortan der Oberkontrolle der mexikanischen Regierung. Diese Bestimmung hatte vor allem im Erdlsektorgroe Bedeutung, wo ja die nordamerikanischen und britischen lgesellschaften eine dominierende Stellung innehatten (Tobler I984, 306-333; L Meyer 1968). In der Tat solltedie Erdlkontroverse zum gravierendsten auenpolitischenProblem Mexikos, insbesondere in den Beziehungen zu denUSA, zwischen I9I7 und der Nationalisierung der auslndischen lunternehmen im Jahr I938 werden. Auenpolitische Faktoren beeinfluten - angesichts der Entwicklungdes Ersten Weltkriegs - ohnehin immer strker die mexikanische Politik, in welcher Carranza, nach seiner offiziellenWahl zum Staatsprsidenten im Mrz I9I7, zunchst einezentrale Position einnahm.Nach dem Sturz Huertas im Sommer I9I4 hatte Carranza anfnglich eine antideutsche Haltung eingenommen,nach gescheiterten Annherungsversuchen an Japan undim Zusammenhang mit dem mexikanisch-amerikanischenKonflikt des Jahres I9I6 diese im Gefolge der Pershing-Expedition aber zunehmend in einem prodeutschen Sinn revidiert. Angesichts des sich Anfang I9I7 abzeichnenden Eintritts der USA in den Krieg auf seiten der Ententemchte bot

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    Deutschland Mexiko ein Bndnis an, mit dem Ziel, Mexiko zu einem Angriffskrieg auf die USA zu bewegen(Zimmermann-Depesche vom Januar I917). Auf diesesabenteuerliche und fr Mexiko wohl selbstzerstrerischeBndnisangebot ging Carranza allerdings nicht ein. Nachdem Abzug der Pershing-Expedition aus Mexiko lehnte diemexikanische Regierung am 14. April I9I7 deshalb dasdeutsche Bndnisangebot ab und nahm eine neutrale Haltung gegenber den Weltkriegsparteien ein (Katz I964 .Fr die USA ging es vor allem darum, fr die Zeit desWeltkriegs einen offenen Konflikt mit ihrem sdlichenNachbarland zu vermeiden. Dies war deshalb nicht einfach, weil Mexiko - angesichts der Finanzknappheit desStaates und der Unmglichkeit, in den USA eine Staatsanleihe zu erlangen - auf eine verstrkte Besteuerung undKontrolle jener prosperierenden Wirtschaftssektoren angewiesen war, die sich, wie insbesondere der Erdlsektor,hauptschlich in auslndischem Besitz befanden.

    Zur Verteidigung ihrer Interessen bildeten sich I9I9 inden USA einflureiche pressure groups wie die AssociationAmerican Producers Petroleum in Mexico die Druckauf die US-Regierung zur Verfolgung einer harten Liniegegenber Mexiko ausbten. Demselben Ziel diente einUntersuchungsausschu des amerikanischen Senats unterdem Vorsitz des Republikaners Albert B. Fall, der die mexikanische Politik unter Carranza im Sinn der lgesellschaften einer harten Kritik unterzog. Da es trotz der akutenKrise in den zwischenstaatlichen Beziehungen whrend derzweiten Hlfte des Jahres I9I9 nicht zu einer offenen Konfrontation k am, war einerseits Carranzas geschickter Politik zuzuschreiben, eine Eskalation der Spannungen jeweilsdurch temporre Konzessionen zu verhindern. Andererseits gelang es den oppositionellen Republikanern in den

    USA nicht, Prsident Wilson zu einem offenen Bruch mitMexiko zu bewegen.273

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    Sosehr Carranzas nationalistische Auenpolitik neueAkzente setzte, sowenig innovativ war seine Innen- und So-zialpolitik, ein Umstand der schlielich entscheidend zu seinem Sturz 192 0 beitragen sollte. Am deutlichsten zeigtesich Carranzas,sozialkonservative Haltung in seiner Ablehnung der Gewerkschaften, vor allem aber in seiner Agrarpolitik. Im Gegensatz zu den Reformmandaten von Artikel2.7 der neuen Verfassung war Carran za nic ht gewillt, ingrerem Aus maLa nd an bedrftige Drfer zu verteilen.Der Umfang neuverteilten Landes ging von 1917 bis 1919sukzessive zurck; berdies begann der Prsident einengroen Teil der zuvor vom Staat beschlagnahmten hacien-das ihren alten Eigentmern zurckzugeben. Darin zeigtesich am deutlichsten der unverkennba r restaurative Grundzug seiner Prsidentschaft. Schon 19I4 r5 hatte Carranzaersten Rckgaben intervenierter haciendas an ihre alten Eigentmer verfgt; als Prsident setzte er diese Politikin groem Mast ab fort (Katz 1981). Zwar fand auch nach1917 keine vollstndige Restauration der alten Grundbesitzverhltnisse statt, da kirchlicher Besitz weitgehend konfisziert blieb, ebenso wie das Eigentum konventionistischerGegner. Wo Eigentumsumschichtungen erfolgten, profitierten davon allerdings weniger die Bauern als vielmehrAngehrige der neuen Revolutionselite, allen voran die Militrs, die sich auf vielfltige Weise - von pseudolegalemVorgehen bis zur Anwendung nackter Gewalt - in den -sitz ausgedehnter Lndereien brachten (Tobler 1971).

    Es lag in der Logik dieser Politik, da Carranza auch dasnoch immer bestehende zapatistische Problem mglichstrasch aus der Welt schaffen wollte. Seit 1916 standen dieZapatisten unter starkem militrischem Druck der Regierungstruppen. Auch wenn sich Restbestnde der Befreiungsarmee des Sdens in Morelos halten konnten, machten sich nun doch auch in Zapatas Truppen immer mehrAuflsungserscheinungen bemerkbar. Durch Desertionen274

    und die Auswirkungen der spanischen Grippe dezimiert,wurde die Lage fr die zapatistischen Partisanen im Frhjahr 1919 kritisch. Zapata lie sich deshalb auf ein vorgetuschtes Angebot des konstitutionalistischen OberstenGuajuardo ein, mit seinen Truppen und seiner Ausrstungzu den Zapatisten berzutreten, wurde dabei in eine Fallegelockt und am 10 April 1919 ermordet (Womack 1969).Auch wenn die Zapatisten fortan keine militrische Be-drohung der Regierung mehr darstellten, war das Land1919 dennoch keineswegs pazifiziert. Im Norden hieltensich weiter die villistischen Guerrillaverbnde; im Sdenbehauptete sich, ausgehend von ihrer Basis in Oaxac a, eineseparatistisch orientierte Armee unter dem Kommandovon Felix Diaz, einem Neffen von Porfirio Diaz und Haupt-partner Hue rtas in dessen Putsch vom Februar 1913, die ihrgegenrevolutionres Programm hinter den Kampfparolenfr den alten Liberalismus der Verfassung von 1857 kaschierte. In der lregion der Atlantikkste schlielich entzog sich die von General Ma nuel Pelez gefhrte und vonden auslndischen lgesellschaften untersttzte Armeeweiterhin der Kontrolle der Regierung. 'Dennoch waren es nicht diese antikonstitutionalistischenKrfte, welche Carranza letztlich zu Fall brachten als vielmehr seine eigenen Generle, die sich 1919 um die Nachfolge im Prsidentenamt stritten. Am aussichtsreichstenwar dabei die Kandidatur von Alvaro Obreg6n, Carranzasehemaligem Kriegsminister, der allerdings mittlerweilebeim Prsidenten in Ungnade gefallen war. Bei der Wahlmglicher Verbndeter war Obreg6n nicht zimperlich;einerseits knpfte er Kontakte zum Partido aborista Me-xicano PLM, Mexikanische Arbeiterpartei) und zu denRestbestnden der Zapatisten, andererseits trat er in Verbindung mit dem anticarranzistischen General Manuel Pelez, der, wie allgemein bekannt, im Sold der nordamerikanischen Erdlfirmen Schutz -Funktionen in der Golfzone

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    ausbte. Von grerer Bedeutung waren indessen die Kontakte, die Obreg6n auf seiQen Wahlkampfreisen mit sympathisierenden Gouverneuren und Armeekommandantenherstellen konnte.Im April 1920 versuchte Carranza Obreg6n noch vordem eigentlichen Wahlgang durch einen Schlag gegen dessen Bastion Sonora auszuschalten. Die Staatsregierung So-noras wurde fr abgesetzt erklrt, ohne da Carranza angesichts des lokalen Widerstands den Staat aber tatschlichunter seine Kontrolle bringen konnte. Obreg6n tra t nun alsVerteidiger der von Carranza bedrohten Verfassungsmigkeit an und bildete mit den Staatstruppen von Sonoraden Keim einer Armee, die bei ihrem Vorrcken nach Sdendurch das berlaufen von immer mehr Generlen und ihren Truppen rasch anwuchs Cumberland 1972; Lieuwen1968 .Carranza blieb angesichts dieser Entwicklung nur dieFlucht aus der Hauptstadt. Am 7. Mai 1920 setzte er sichmit seinem Stab auf dem Schienenweg nach Veracruz ab. InPuebla wurde allerdings seine Kolonne aufgehalten und derflchtige Prsident am 21. Mai beim Drfchen Tlaxcalantongo von einem Offizier, der sich ihm als Fhrer angeboten hatte, ermordet. Damit war der Weg frei fr Obreg6n,der bereits am 9. Mai 1920 an der Spitze seiner Truppen ei-nen triumphalen Einzug in die Hauptstadt gehalten hatte.Adolfo de la Huerta, der Gouverneur von Sonora, wurdevom Kongre zum Interimsprsidenten ernannt; fr den5. September 1920 wurden Prsidentschaftswahlen anberaumt, die Obreg6n einen berwltigenden Wahlsiegbrachten und die 15jhrige Vorherrschaft der Sonorenserauf nationaler Ebene einleiteten.

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    Mexiko im Zeichen sptrevolutionrerStabilisierungs- und Reformpolitik I920-I940) ,m Zeitraum zwischen 192 und 1940 wurden in mancherBeziehung die Grundlagen des modernen Mexiko gelegt,wie es sich nach 194 im lateinamerikanischen Kontext alsein wirtschaftliches und politisch-gesellschaftliches Systemsui generis prsentierte. Diese sptrevolutionre Reformund Stabilisierungsperiode zerfllt allerdings in zwei deut

    lich unterschiedliche Zeitabschnitte: Zwischen 1920 und1934/35 monopolisierten Revolutionsgenerle aus Sonoradie Macht auf nationaler Ebene, weshalb diese Jahre auchals Periode sonorensischer Hegemonie bezeichnet werden,vor allem durch eine fortschreitende staatliche und ge-sellschaftliche Konsolidierung gekennzeichnet war, whrend sich die Prsidentschaft von Lzaro Cardenas 1934bis 1940) hauptschlich durch ihre tiefgreifenden gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Reformen auszeichnete.Um Reichweite und Qualitt dieser Konsolidierungsund Reformpolitik ermessen zu knnen, ist es allerdingsnotwendig, zunchst einen knappen berblick ber diewichtigsten Auswirkungen der zehnjhrigen Revolutionskriege zwischen 1910 und 1920 zu vermitteln, vor derenHintergrund die Politik der neuen Revolutionselite zu se-hen ist. Im Anschlu daran wird die sonorensische Hegemonieperiode unter zunchst ereignis-, dann strker strukturgeschichtlichen Aspekten dargestellt, bevor mit derPrsidentschaft von Cardenas die besonders markanteEndphase der Revolution zur Sprache kommt.

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