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UNIVERSITÄT BREMEN – FACHBEREICH 7 - BETRIEBSWIRTSCHAFTSLEHRE
Einführung in die
Wirtschaftspsychologie
Schriftliche Ausarbeitung des Referats
„Fusion – Eine kritische Analyse der Unternehmenskonzentration aus
psychologischer Sicht“
Prüfer: Dipl. Psych. Silke Katterbach
Janika Becker 2682966
Kerstin Stöver 2718206
Denis Nukic 260184
Sebastian Bruhn 2717637
Ingo Becker 260185
19.Juli 2013
2
Gliederung
1 Fusionen 3
2 Systemische Organisationsentwicklung 4
2.1 Historie 4
2.2 Change Management 5
2.3 Organisationsentwicklung 6
3 Chancen und Risiken 8
3.1 Phasenverlauf 8
3.2 Chancen einer Fusion 8
3.3 Risiken einer Fusion 9
4 Mitarbeiter 12
4.1 Emotionaler Phasenverlauf der Mitarbeiter 12
4.2 Unterschied zwischen den Übernommenen und den Übernehmenden 13
4.3 Kommunikation 14
5 Coopetition 17
5.1 Voraussetzungen 17
5.2 Herausforderung 17
5.3 Vorteile 18
5.4 Beispiele 18
6 Motivation und Ausblick
6.1 Die vier Sichtweisen der Motivation 19
6.2 Wiswede und die Bedürfnispyramide nach Maslow 20
6.3 Das Machtmotiv 20
6.4 Die Beziehung zwischen Unternehmer und Unternehmen 21
3
1 Fusionen
Eine Fusion bedeutet den Zusammenschluss von zwei oder mehreren bisher selbständigen
Unternehmen zu einem neuen Unternehmen.1 Fusionen bieten eine Menge Vorteile. Durch
verschiedene Synergien können mit einem Zusammenschluss Kosten eingespart werden
oder verschiedene Produktionsprozesse effektiver gestaltet werden. Dieses Ansinnen ist
häufig die Triebfeder für eine Fusion. Aber nicht nur der wirtschaftliche Erfolg oder Macht
sind die Auslöser für eine Fusion, in einigen Fällen sind auch Mehrheitsverhältnisse oder der
Verkaufswunsch eines Eigentümers der Grund für Firmenzusammenschlüsse. Es gibt aber
nicht nur Vorteile auf dem Weg zu einer Fusion, besonders während der aktiven Zeit der
Verschmelzung lauern einige Fallstricke auf diesem Pfad, die diese zum Scheitern bringen
können. So wird zum Beispiel ein Konkurrenzprodukt plötzlich zum Eigenprodukt. Auch
verlieren fusionierte Unternehmen häufig wichtige Entscheidungsträger und talentierte
Mitarbeiter aufgrund von Existenzängsten, die durch eine neue Firmenstruktur hervorgerufen
wird.
Eine der wichtigsten Fusionen vor der Jahrtausendwende war die Zusammenlegung der
beiden Autobauer „Daimler-Benz“ und „Chrysler“ zu einem Unternehmen - „Daimler-
Chrysler“. Der Fusionswert betrug 1998 ca. 35 Mrd. Euro und wurde von dem derzeitigen
Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp als „Hochzeit im Himmel“ deklariert. Die
unterschiedlichen Firmenkulturen, besonders in der Führungsebene, brachten diese Fusion
bereits neun Jahre später, im Oktober 2007, durch die schwer zufassenden unsichtbaren
Differenzen wieder zum Scheitern. In der deutschen Führungskultur herrschten
Hierarchiedenken, Qualitätsbewusstsein und konservative Ziele vor. Während die
Nordamerikaner Ihren Blick auf Gewinnwachstum sowie ambitionierte Ziele richteten und
ihrem mittlerem Management größere Entscheidungsspielräume ließen.
Eine weitere Fusion in der Automobilbranche begann schon im September 2005. Die
Integration der Porsche AG in den Volkswagenkonzern startete zuerst als ein Versuch der
Porsche AG den Volkswagenkonzern feindlich durch Optionsspekulationen zu übernehmen.
Infolge des aufziehenden schlechten Börsenklimas, welches wiederum durch die in Amerika
entstandene Immobilienblase ausgelöst wurde, scheiterte diese feindliche Übernahme. Die
Porsche AG hatte sich gar monetär übernommen und musste nun von der VW AG gerettet
werden. Die Übernahme der Porsche AG wurde im Juli 2009 bekanntgegeben. Sie wurde als
10. Marke unter das Dach des VW- Konzern geholt.
Als Beispiel für eine Fusion in der Bankenbranche möchten wir das Weiterreichen der
Dresdner Bank nennen. Kurz nachdem die Fusionsverhandlungen zwischen der Deutschen
Bank mit der Dresdner Bank, zur größten Bank der Welt und von der Politik als Vorstoß in
die erste Liga gewertet, gescheitert waren, hat die Allianz AG die Dresdner Bank im Juli
2001 übernommen. Die Allianz AG versprach sich von der Fusion, das Filialnetz der
Dresdner Bank als Vertriebssystem für die Versicherungen aus Ihrem Portfolio zu nutzen
und so zu einem „Allfinanzkonzern“ zu werden. Doch das angestrebte Erfolgsmodell eines
„Allfinanzdienstleisters“ hat nicht funktioniert, weil es nicht die Köpfe der Mitarbeiter erreicht
hat.2 Im August 2008 hat dann die Allianz AG die Dresdner Bank an die Commerzbank
verkauft. Spätesten zu diesem Zeitpunkt war klar, dass die ursprünglich geplante Fusion mit
1 http://www.boerse.de/boersenlexikon/Fusion
2 Peitsmeier, H., Bilanz des Scheiterns, (2009), http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/allianz-und-dresdner-bank-
bilanz-des-scheiterns-1766794.html (10.06.2013)
4
der Deutschen Bank auf Augenhöhe nur Illusion war. Nach der Ära der gescheiterten Fusion
mit der Allianz AG mussten Filialen geschlossen und damit Stellen gestrichen werden. Unter
diesen Verhältnissen eine erfolgreiche Integration aller Mitarbeiter in ein zusammen
gehöriges Unternehmen zu bewerkstelligen, ist besonders schwer.
Eine besondere Fusion fand 2001 im Getränkesektor statt. Der Geschäftsführer, der zu
diesem Zeitpunkt im Privatbesitz befindliche Firma Beck´s Bier, wollte sich frisches Kapital
an der Börse holen. Da drei der 67 Kommanditisten diesem Vorhaben nicht zustimmen
wollten, musste der Geschäftsführer Dieter Ammer seine Strategie wechseln und sämtliche
Kommanditisten von dem Verkauf und dem damit verbundenen Überleben des
Unternehmens überzeugen. Die belgische Brauerei Anheuser Busch bekam den Zuschlag
für einen "strategischen Preis" von zwei Milliarden Deutsche Mark.3
Viele der genannten Fusionen sind gescheitert oder haben erhebliche Tiefphasen durchlaufen.
Dies könnte daran liegen, dass in den meisten Fällen eine Post Merger Integration (PMI) fehlt.
In dieser Phase des Zusammenschlusses ist das Fehlerpotential am größten. Problematisch
wird es dann, wenn bei der Umsetzung von Vorhaben der Faktor Mensch zu wenig
berücksichtigt wird.4
2 Systemische Organisationsentwicklung
2.1 Historie
Als Vorläufer der systemischen Organisationsentwicklung ist das Scientific Management zu
bezeichnen. In dieser ersten Sequenz der Organisationsentwicklung hat Frederik Taylor
1911 in einem seiner Hauptwerke „The Principles of Scientific Management“ die monetären
Einsparungen durch konsequente Optimierung einzelner Arbeitsprozesse beschrieben.
Dieses Werk war die Initialzündung zur Gründung des Verbandes für Arbeitsgestaltung,
Betriebsorganisation und Unternehmensentwicklung (Refa) 1924. Henry II Ford verfeinerte
1913 die Fließbandarbeit und führte eine Gewinnbeteiligung für seine Arbeiter ein. Hierbei
spielten weniger soziale Aspekte eine Rolle, als dass Ford die Kaufkraft der Arbeiterschaft
stärken wollte, um den Absatz von Massenprodukten zu unterstützen. Eine Dekade später
fanden menschliche Beziehungen Berücksichtigung in der systemischen
Organisationsentwicklung. Elton Mayo hat 1930 als Initiator der Hawthornstudie entdeckt,
dass die menschliche Arbeitsleistung nicht nur von den objektiven Arbeitsbedingungen,
sondern ganz wesentlich auch von sozialen Faktoren geprägt ist. Douglas McGregor stellte
1960 in seiner X - Y - Theorie fest, dass das natürliche Verhältnis von Menschen zu ihrer
Arbeit nicht nur aus Faulheit (Menschenbild im Taylorismus), sondern maßgeblich durch das
Streben nach Selbstverwirklichung geprägt ist. Im weiteren Verlauf der Geschichte der
systemischen Organisationsentwicklung trugen Curt Lewin und Edgar H. Schein zu der
Humanisierung des Arbeitslebens bei. Curt Lewin entwickelte 1930 das Drei-Phasenmodell,
in welchem er von Veränderungen der Gesellschaft durch Auftauen, Verändern und wieder
Einfrieren von Zuständen sprach. Edgar H. Schein fand als Offizier der US Army 1953 im
Korea-Krieg bei den unterschiedlichen Verhörtaktiken durch Chinesen und Koreanern von
Kriegsgefangenen heraus, dass es sichtbare und unsichtbare Elemente in einer Beziehung
3 Bott v., H.,(2001), Brauereien, Irrsinniger Einsatz http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-19699008.html
(10.06.2013) 4 Herdig, J. et al.,(2012),Prozesspsychologie, Verlag Andreas Kohlhage, S. 25
5
gibt.5 Aus dieser Erkenntnis leitete er sein Eisbergmodell ab (Abb. 1). Dieses Wissen ist von
großer Wichtigkeit, wenn Beziehungen innerhalb einer Organisation neu geordnet werden
müssen.
Das Eisbergmodell
sichtbare Elemente
unsichtbare Elemente mit hohem Wahrnehmungslevel
unsichtbare Grundannahmen Selbstverständlichkeiten
Abb. 1: Schein, E.H., Drei-Ebenen-Modell
In den 60ziger Jahren des letzten Jahrhunderts begann Hans Ulrich das St. Galler
Management Modell in der systemischen Organisationsentwicklung als Lebenszyklustheorie
zu konstruieren. Seit dem wird das St. Galler Management Modell bis heute ständig auch
durch verschiedene Wissenschaftler, wie zum Beispiel Fredmund Malik weiterentwickelt.6 In
den folgenden Jahren hat sich die systemische Organisationsentwicklung wieder der
Technologie zugewandt. Durch den PDCA-Zyklus (plan, do check, act), welcher ca. 1975
erstmals als Teil der Kaizen Managementstrategie in japanischen Organisationen Einzug
hielt, trat das Qualitätsmanagement seinen Siegeszug an. Die Weiterentwicklung der Kaizen
Managementstrategie ist in der 6Ω Projektmanagementstrategie zu finden. 1987 führte
Motorola diese Strategie, welche über Definieren, Messen, Analysieren, Verbessern und
Steuern, nicht nur auf die Qualität der Produkte, sondern auch auf die Beziehungen
zwischen Menschen und Menschen, Menschen und Institutionen und Institutionen und
Institutionen achtet. In der neueren Zeit traten im Change Management besonders John
Kotter mit seinem acht Phasenmodell und Peter Kruse, der 2001 die Integration von
Hirnforschung auf dynamische Systeme bezogen hat, besonders hervor.7
6 Liebscher, K., (2013) mündliche Überlieferung, Vorlesung Systemische Organisationsentwicklung SoSe 2013
7 Katterbach, S., (2013), mündliche Überlieferung, Vorlesung Einführung in die Wirtschaftspsychologie SoSe
2013
Strategien
Logos Rituale
impliziete Regeln
Verhaltensgrundsätze
Angenommene Werte
Einstellung
Motivation
Gefühle
Denkhaltung Glaubenssätze
6
2.2 Change Management
Wichtige Elemente bei einer Veränderung innerhalb eines Unternehmens sind die Diagnose,
die Struktur und die Kultur der Organisation. Während eines Fusionsprozesses sind diese
Elemente jeweils doppelt auszuführen. Am besten wäre es vor der Fusion eine
Organisationsdiagnose durchzuführen. Hierbei wird der Zustand der Organisationsstruktur
und der Organisationskultur festgestellt und bewertet. Die Organisationsstruktur zu
erkennen, ist etwas einfacher, da sie mehrheitlich aus formellen Elementen wie z.B.
Aufgabenverteilung, Hierarchie, Koordination und Kommunikation besteht. Diese gehören zu
den sichtbaren Elementen. Die Organisationskultur zu identifizieren, ist komplexer, da diese
sich aus getrennten Systemen von Werten und Normen, Widersprüchen, der Motivation der
Mitarbeiter und impliziten Regeln zusammensetzt. Dies alles sind unsichtbare Elemente,
welche in der Unternehmenskultur eingebettet sind. Zu der Kultur der Organisationen
gehören aber auch die expliziten Regeln, welche auch zusammengefügt werden müssen.
Die Feststellung innerhalb der Diagnose zeigt den Ist-Zustand der Organisation auf. Bei der
Bewertung wird auffällig, ob die Unternehmen zusammenpassen oder nicht. Die Feststellung
der Störfelder zeigt auf, in welchen Gebieten besonders eingegriffen werden muss.
2.3 Organisationsentwicklung
Die Organisationsentwicklung sollte immer systemisch, das heißt ganzheitlich, stattfinden. In
dem Fall der Fusionen bedeutet ganzheitlich, dass im Vorfeld darüber Klarheit herrschen
sollte, welche Ziele und Visionen auf dem Weg von zwei zu einem Unternehmen angestrebt
werden sollen. Bei dem Bestreben, zwei Unternehmen zu einem besseren zu entwickeln,
entsteht oftmals großer Druck, da Shareholder und dem Unternehmen zugewandte
Stakeholder schnell gut funktionierende Handlungsformen erwarten. Bei der
Organisationsentwicklung innerhalb einer Fusion müssen zwei Unternehmen zu einem
zusammengefügt werden. Im Falle einer Fusion könnte es auch nötig werden, einzelne
Bereiche zu erneuern oder abzuschaffen. Es kommt darauf an, dass doppelt vorhandene
Personen und Strukturen, durch Schaffung einer für beide Parteien akzeptablen Identität, die
Bindung an die Organisation finden. Dieses wird in der Regel dadurch erreicht, den
Entscheidungsträgern und deren Mitarbeitern, die gemeinsam erarbeiteten Ziele und
Visionen immer wieder aufzuzeigen und ihnen anhand dieser Orientierung zu geben. Somit
können Manager und Arbeiter dem Pfad einer erfolgreichen Verbindung beider Unternehmen
folgen.
Abb. 2 : Entwicklungspfad und Wahrnehmungskompetenzen zweier Unternehmen während einer Fusion
Die Schwierigkeit besteht darin, unterschiedliche Entscheidungswege, die in den
fusionierenden Firmen vorhanden sein mögen, wie zum Beispiel ein hierarchischer
Entscheidungsweg vs. einem Entscheidungsweg, der auf eigener Verantwortung beruht, zu
7
vereinheitlichen. Von immenser Bedeutung ist auch die Überwindung der Ängste und dem
Mangel an Vertrauen, den die Mitarbeiter gegenüber der Fusion haben. Diese daraus
entstehenden Widerstände und die Unterstützung der Sozialisation neuer Mitglieder in die
Organisation, gilt es nicht zu unterschätzen. Die Aufgabe einer systemischen
Organisationsentwicklung ist es, nach der von Lewin entwickelten Drei – Phasen- Theorie,
die nach der Fusion entstandene Unsicherheit durch Stabilität des Systems zu unterstützen
(Abb. 2). Die Fusion (Change Management Prozess) wird gesteuert durch mehre Prozesse,
wie zum Beispiel dem Diagnose-, Lern-, Psychosozialen-, Umsetzungs-, und
Zukunftsgestaltungsprozess. Diese Prozesse leiten die Entwicklung der Fusion ein. Die
ordnenden Elemente der systemischen Organisationsentwicklung sind die Informations-,
Unterstützungs- und Evaluationsprozesse.
Abb. 3 : Organisationsdiagramm
Anhand des Organisationsdiagrammes (Abb.3) ist es möglich, sich einen Prozess
vorzustellen, der immer in Bewegung ist und sich selbst durch geeignete Werkzeuge
weiterentwickelt. Der rote Kreis beschreibt den Veränderungsprozess, die blauen Kreise
beschreiben die Entwicklung, die die Organisation zu bewältigen hat. Die nötige Stabilität
wird durch die schwarzen Kreise gezeigt. Sie zeigen die Prozesse an, welche die Ordnung
widerherstellen. Frei nach den Motto von Steve de Shazer:
„Veränderung ist ein konstanter Prozess, Stabilität eine Illusion“.
8
3 Chancen und Risiken
Heutzutage ist der Begriff „Mergers & Acquisitions“ oder auch kurz M&A weit verbreitet,
allerdings ist die Definition der deutschen Begriffe nicht ganz eindeutig. Der Begriff „Merger“
kann mit Fusion übersetzt werden, hierbei erwirbt ein Unternehmen ein anderes zum Teil
oder ganz, schließen sich zusammen oder gehen eine sonstige Verbindung ein. Unter
„Acquisitions“ versteht man die Unternehmensübernahme bzw. den Unternehmenskauf, d.h.
ein Unternehmen geht in den Einfluss- und Entscheidungsbereich eines anderen über und
dieses verliert entweder zum Teil oder ganz ihre Autonomie.8
3.1 Phasenverlauf
Eine Fusion bzw. Übernahme folgt immer einem bestimmten Verlauf, dieser lässt sich in die
Planungs-, Durchführungs- und Integrationsphase unterteilen.9 In der Planungs- bzw.
Konzeptionsphase oder auch Premergerphase wird eine Fusion eingeleitet. Die Überprüfung
der Anforderungen an die Fusionspartner unter Beachtung der eigenen Unternehmensziele,
-strategie sowie der -kultur werden in dieser Phase vorgenommen. In der Durchführungs-
bzw. Konzeptions- oder der sogenannten Mergerphase wird die Fusion in die Tat umgesetzt.
Hierbei finden Treffen mit den künftigen Partnern statt, bei denen man die eigenen
Vorstellungen und Ziele vergleicht, das Unternehmen mithilfe einer Due Diligence vergleicht,
Verhandlungen führt und einen Vertrag abschließt. Die Integrations- bzw.
Implementierungsphase oder der Postmergerphase wird die Integration der an der Fusion
teilnehmenden Firmen verstanden. Die Modelle, Konzepte und Planungen der vorherigen
Phase müssen nun effektiv umgesetzt werden. Hierzu zählt unter anderem, die Verbindung
der beiden Unternehmenskulturen sowie deren erfolgreicher Integration.10
3.2 Chancen einer Fusion
Unternehmen fusionieren mit anderen Firmen um Synergieeffekte zu erreichen. Unter
Synergien versteht man das Zusammenwirken unterschiedlicher Kräfte zu einer
Gesamtleistung, hier können drei Prinzipien unterschieden werden. Das Prinzip der
„Economies of Scale“ oder sog. Skalenerträge beschreibt die Proportionalität zwischen der
Wirtschaftlichkeit und der Produktgröße. Durch die vereinte Nutzung von
Produktionsprozessen und -faktoren entsteht eine materielle Verflechtung, die zu Kapazitäts-
bzw. Erfahrungskurveneffekten führt. Das Prinzip der „Economies of Scope“ bzw.
Verbundsvorteile hingegen, erklärt die Proportionalität zwischen der Wirtschaftlichkeit und
der Produktvielfalt. Eine billigere Produktion der gemeinsamen Produktpalette kann durch die
Zentralisierung der Prozesse sowie der Einrichtung verbundene Managementstabstellen
erreicht werden. Das Prinzip der Markt- & Wettbewerbsstrategien hat die Steigerung der
Marktmacht und der relativen Wettbewerbsposition durch die Veränderung der Position des
Unternehmens gegenüber seiner Kunden, Wettbewerbern und Lieferanten zum Ziel. Diese
Prinzipien lassen sich entlang der Wertschöpfungskette mittels der Input-, Prozess- und
Output-Synergien genauer untergliedern. Input-Synergien zeigen sich vor dem
Produktionsprozess und sie versuchen die Personal-, Material- oder Kapitalkosten zu
senken. Eine prozessunterstützende Funktion in Bezug auf die Zeit, den Ort und die
8 Jansen, S. A., (1999), Mergers & Acquisitions: Unternehmensakquisitionen und -kooperationen; Eine
strategische, organisatorische und kapitalmarkttheoretische Einführung, 2. durchgesehene Auflage, Gabler, S.30f 9 Picot, G., (2008), Handbuch Mergers & Acquisitions: Planung – Durchführung – Integration, 4. Grundlegend
überarbeitete und aktualisierte Auflage, Schäffer Poeschel, S. 22 10
Dabui, M., (1998), Postmerger-Management: Zielgerichtete Integration bei Akquisitionen und Fusionen, S. 21f
9
Technologien haben die Prozess-Synergien, die das Ziel der Produktionskostensenkung
haben. Die Output-Synergien treten am Ende der Produktion auf und ihre Ziele sind
Umsatzsteigerungen.11 Die unterschiedlichen Handlungsansätze der Prinzipien, aufgeteilt
entlang der Wertschöpfungskette zur Realisierung von Synergieeffekten in Anlehnung an
Paprottka, werden in der nachfolgenden Tabelle (Abb. 4) verdeutlicht.12
Input-Synergien Prozess-Synergien Output-Synergien
Economies of Scale Bündelung von
Einkaufsvolumen und
Aktivitäten
Optimierung der
Kapazitätsauslastung
Bündelung von
Distributionsaktivitäten
Economies of Scope Standardisierung in
Einkauf und
Entwicklung
Verringerung von
Fertigungs- und
Lagerflächen
Cross-Selling
Markt/ Wettbewerb Reduzierung der
gemeinsamen
Lieferantenanzahl
durch Bündelung
Optimierung der
Kernprozesse
Spill-over-Effekte
Abb. 4: Realisierung von Synergieeffekten entlang der Wertschöpfungskette
3.3 Risiken einer Fusion
Eine Fusion bietet nicht immer nur Vorteile, sondern birgt einige Risiken in sich. Diese sind in
der Praxis verhältnismäßig hoch, so sind zwei Drittel aller Fusionen nicht von Erfolg gekrönt,
ein Drittel der Unternehmen werden nach der Fusion verkauft und bei achtzig Prozent
werden nicht die Kosten der Transaktion erwirtschaftet.13 Bei diesen Zahlen überlegen es
sich die Firmen gründlich, ob sie mit einer anderen Firma fusionieren wollen. Die
Unternehmen scheitern, da sie entweder die „harten“ oder vor allem die „weichen“ Faktoren
nicht beachten. Unter den „harten“ Faktoren versteht man die ökonomischen, objektiven und
messbaren Kriterien, wie zum Beispiel den Gewinn, den Marktanteil oder die Rentabilität.14
Die „weichen“ Faktoren sind „Phänomene“, die innerhalb einer Person und zwischen
Personen wirksam werden und aus emotionalen, kognitiven und konativen Komponenten
bestehen. Sie […] sind mit Hilfe von Verfahren der psychologischen Diagnostik sowie über
Indikatoren mess- und quantifizierbar“.15 Zu den „weichen“ Faktoren zählen zum Beispiel die
Unternehmenskultur, Personal und Organisation. Die folgende Tabelle (Abb. 5) der „harten“
und „weichen“ Faktoren, in Anlehnung an Schuppener, zeigt deutlich, dass die „weichen“
Faktoren durch ihre größere Anzahl vermehrt für das Scheitern einer Fusion verantwortlich
sind. Meist liegt es an Kommunikationsproblemen, Inkompatibilität der
Unternehmenskulturen, Fehler in der Personalpolitik oder falscher Informationspolitik.16
11
Wildemann, H., (2003), Programm zur Realisierung von Synergien nach Mergers & Acquisitions, Teil 1, TCW GmbH & Co. KG, S. 4ff 12
Paprottka, S., (1996), Unternehmenszusammenschlüsse – Synergiepotenziale und ihre Umsetzungsmöglichkeiten durch Integration, Wiesbaden, Gabler, S. 127ff 13
Wildemann, H., (2003), Programm zur Realisierung von Synergien nach Mergers & Acquisitions, Teil 1, TCW GmbH & Co. KG, S.2 14
Jansen, S. A., Pohlmann, N, (2000), Anforderungen und Zumutungen: Das HR Management bei Fusionen, Personalführung, S.30 ff 15
Schmickl, I., Jöns, C., 2001, Der Einfluss weicher Faktoren auf den Erfolg von Fusionen und Akquisitionen, Mannheimer Beiträge zur Wirtschafts- und Organisationspsychologie, 3, S.4 16
Schuppener, A. C., (2006) , Kulturorientiertes Integrationsmanagement bei Unternehmenszusammenschlüssen – Analyse erfolgsabhängiger Faktoren und Ableitung von Implikationen für die Unternehmenspraxis, S. 16f
10
Harte Faktoren Weiche Faktoren
Unerfüllte Ergebniserwartungen
Unzureichende strategische Analyse
des Akquistionsobjekts
Missmanagement
Zu optimistische Einschätzung des
Marktpotentials und des
Synergiepotentials
Übergehen von Angst und Stressreaktionen
„Assimilation“, d.h. „Aufsaugen des Partners, der
dadurch unter Kultur- und Identitätsverlust leidet
Voreingenommenheit, Entwicklung fixer mentaler
Modelle
Konfrontation und Differenzierung von Kulturen
Abb. 5: Harte und weiche Faktoren
Des Weiteren hängt das Gelingen von Fusionen von den organisatorischen Vorbedingungen,
den psychologischen Prozessen während der Implementierungsphase und den emotionalen
und verhaltensbezogenen Folgen ab.
Die organisatorischen Vorbedingungen sind wichtige Merkmale, dazu zählen der Grad der
Integration, der Grad der Feindseligkeit, die Merkmale der übernehmenden Organisation und
der Passung der Kulturen. Der Integrationsgrad hängt von der Wahl der Integrationsform ab,
hierbei wird zwischen der Erhaltung, Symbiose, Holding und der Absorption unterschieden.
Die Differenzierung erfolgt über die verschiedenen Höhen bei dem Bedarf nach
strategischen Interdependenzen und dem Bedarf nach organisatorischer und kultureller
Autonomie. Bei der Erhaltung oder der sog. „Stand-alone-Position“ werden nur minimale
Organisationsänderungen
vorgenommen. Beim Holding
bzw. „Turnaround“ ist das
Unternehmen
sanierungsbedürftig, daher kann
es zur Auswechslung von
Führungskräften kommen, um
die Integration zu fördern und
damit die Finanzen zu
optimieren. Unter einer
Symbiose oder auch partiellen
Integration versteht man, wenn
beispielsweise ein Unternehmen
zur Expansion übernommen
wird, hierbei werden
Ablaufprozesse standardisiert.
Von einer Absorption bzw.
vollkommenen Übernahme wird
gesprochen, wenn das komplette
Unternehmen sich der neuen Unternehmenskultur und Verfahrensweisen unterwerfen muss,
was einen sehr komplexen Integrationsprozess beinhaltet.17 Wird ein Unternehmen offen
oder verdeckt gegen dessen Willen übernommen, so wird von einer feindlichen Übernahme
gesprochen. Je feindseliger eine Übernahme stattfindet, desto größer wird der Widerstand
der anderen Firma und desto größer werden die Konflikte. Nicht nur der Grad der
Feindseligkeit, sondern auch die Merkmale der übernehmenden Organisation spielen eine
17
Jansen, S. A., (1999), Mergers &Acquisitions: Unternehmensakquisitionen und –kooperationen; Eine strategische, organisatorische und kapitalmarkttheoretische Einführung, 2. durchgesehene Auflage, Gabler, S.208ff
Be
da
rf n
ach
org
an
isa
torisch
er
Au
ton
om
ie
Bedarf nach strategischen Interdependenzen Abb. 6: Integrationsansatz
Integrationsansatz
11
wichtige Rolle. Allein aufgrund der relativen Größe verursacht das größere Unternehmen
bereits ein Unterlegenheitsgefühl bei den Übernommenen. Zudem ist es von Bedeutung,
inwieweit sich ein Management als dominant gibt, denn hier lässt sich die wahrgenommene
Arroganz feststellen. Je erfahrener ein Unternehmen ist, desto mehr berücksichtigt es bei
Übernahmen personalpsychologische Fragen. Besitzt ein Unternehmen eine starke
Unternehmenskultur, so wird sie versuchen, an dieser festzuhalten und den „Anderen“
aufzudrängen. Daher ist es von Vorteil, wenn die Kulturen zueinander passen und sich in
dem Grad der Risikobereitschaft, der Ermutigung zur Teilnahme an Entscheidungen sowie
der Betonung formaler Aspekte ähneln.
Zu den daraus resultierenden psychologischen Prozessen gehört die Kontrolle, dazu zählt
der Eindruck der Beeinflussbarkeit. Haben die Mitglieder eines Unternehmens das Gefühl,
dass alles vorgegeben sei, so werden diese mit Stress darauf reagieren. Eine hohe
Partizipation verhindert den Widerstand bzw. die Demotivation der Mitarbeiter. Gemeinsame
Arbeiten und Lösungen entstehen nur durch einen partizipativen Führungsstil. Aber auch die
Identifikation mit dem Unternehmen spielt eine bedeutsame Rolle. Bei einer Übernahme
kann die Identität der Firma sowie auch teilweise die der Mitarbeiter bedroht werden. Die
soziale Kategorisierung innerhalb der Unternehmen ist nicht zu vergessen. In jedem
Unternehmen gibt es das „Wir-Gefühl“, welches teilweise sogar von den Mitarbeitern als
Identität übernommen wird. Die eigene Gruppe wird immer gegenüber den anderen
aufgewertet, darunter versteht man den sog. „Ingroup Bias“, bei einer großen Ausprägung
von „Ingroup Bias“ gestaltet sich eine Fusion als äußerst schwierig. Des Weiteren ist die
wahrgenommene distributive, prozentuale und interaktionale Gerechtigkeit von großer
Bedeutung. Unter der distributiven Gerechtigkeit versteht man die wahrgenommene
Fairness von Ergebnissen bzw. der Verteilung von Belohnungen. Die Prozentuale
beschreibt hingegen die wahrgenommene Fairness der Prozesse, die zu den Ergebnissen
bzw. der Verteilung von Belohnungen führt. Die wahrgenommene Fairness der Behandlung
der Mitarbeiter durch Vorgesetzte wird als interaktionale Gerechtigkeit bezeichnet.
Die Konsequenzen der Nichtbeachtung der obengenannten Kriterien sind Stress und
zunehmende Fluktuationen. Das Gefühl der Unsicherheit und die Angst vor Verlust lösen bei
den Mitarbeitern psychische Stressreaktionen wie Ärger, Frust oder Demotivation aus. Die
erhöhte Fluktuation lässt sich durch eine größere Anzahl an Kündigungen bzw.
Entlassungen erklären.18 Die genauen psychologischen Einflüsse auf die Mitarbeiter
während einer Fusion werden im folgenden Abschnitt erläutert.
18
Nerdinger, F. W., Blickle, G., Scharper, N., 2011, Arbeits- & Organisationspsychologie – Mergers & Acquisitions: Fusionen und Unternehmensübernahmen, Springer Lehrbuch, S. 162ff
12
4 Mitarbeiter
Ist es erst einmal so weit gekommen und zwei konkurrierende Unternehmen fusionieren, so
dürfen hierbei die Mitarbeiter nicht in Vergessenheit geraten. Sie sind der eigentliche, aber
oft unsichtbare, Erfolgsgarant von Unternehmen und werden häufig erst hinter
Wachstumsprognosen, Gewinnen und neuen Prozessoptimierungen gesehen. Jedoch ist der
Einfluss der sogenannten „Human Resources“ oft größer, als Manager und Vorstände
erahnen können. Deshalb darf es unter keinen Umständen versäumt werden, rechtzeitig die
Mitarbeiter durch offene und ehrliche Kommunikation mit in diesen Prozess einzubeziehen,
denn gerade sie sind auf die Informationen von außen angewiesen, da sie nicht in
Verhandlungen und Vertragsabschlüssen involviert sind. Die Mitarbeiter durchleben hierbei
einen hochemotionalen Phasenverlauf, den wir im Folgenden näher erläutern werden.
4.1 Emotionaler Phasenverlauf der Mitarbeiter
Werden erste Gerüchte um eine mögliche Fusion laut, so reagieren die Mitarbeiter mit einem
Schock, sie haben Angst und sind besorgt, was in naher Zukunft auf sie zukommen könnte.19
Diese erste Phase des Schocks und der Aufregung kann sich aber auch durch Euphorie
äußern, übernehmende Unternehmen wollen gemeinsam den eigenen Traum verwirklichen
und sich vergrößern und den Markt für sich gewinnen. Sie sehen eine Fusion oft als Chance
und Machtinstrument, um sich auf dem Markt besser zu positionieren. Andere hingegen
sehen eine Fusion ebenso als große Chance, aber in einem anderen Blickwinkel. Sie
könnten beispielsweise in einem Unternehmen tätig sein, welches bereits finanzielle
Probleme hat und nicht die Existenz der Mitarbeiter langfristig sichern kann, eine Fusion gibt
den Angestellte in diesem Fall Schutz und Hoffnung, dass ihre Arbeitsplätze dadurch
gesichert und erhalten bleiben. Eine Fusionsnachricht, kann also aus ganz unterschiedlichen
Perspektiven gesehen und empfunden werden, je nachdem wie die persönliche
Arbeitssituation der Mitarbeiter ist.
In der zweiten Phase ist der erste Schock über eine mögliche Fusion erst einmal
überwunden und die Angst vor etwas Neuem wird verdrängt. Die Mitarbeiter verleugnen den
Sachverhalt und verdrängen die Wahrheit. Sie wollen Abstand gewinnen und hoffen oft
darauf, dass die Verhandlungen scheitern uns sie vom Schicksal übersehen werden. Da in
dieser Phase häufig keine neuen Informationen an die Öffentlichkeit gelangen, ist es für die
Mitarbeiter einfach, den gewohnten Dingen nachzugehen und weiter, wie bisher, zu arbeiten.
Viele Mitarbeiter versäumen in der zweiten Phase, sich rechtzeitig mit der anstehenden
Möglichkeit einer Fusion auseinander zu setzen. Wenn in der dritten Phase bekannt
gegeben wird, dass die Verhandlungen erfolgt sind und die ersten Verträge unterzeichnet
sind, dann steht vielen Mitarbeitern die Panik ins Gesicht geschrieben. Sie werden mit der
ungeliebten Realität konfrontiert und müssen sich jetzt dieser stellen. Das ist für viele oft
schwer und sie sollten für sich abwägen, ob dieses neue Unternehmen noch das richtige für
sie ist und ob sie weiterhin dort arbeiten möchten.20
19
Winkler B., Dörr S., (2001), Fusionen überleben: Strategien für Manager, Carl Hanser Verlag, S.40 ff. 20
Berner W., (2009), Massenpsychologie der Fusion: Vorhersagbare Turbulenzen,
http://www.umsetzungsberatung.de/pmi-post-merger-integration/massenpsychologie.php, (26.Mai 2013)
13
Dieser Abschnitt wird mit dem vierten Phasenverlauf vollendet, hier wird emotional noch
einmal reflektiert und analysiert, ob man sich mit der neuen Unternehmenskultur überhaupt
identifizieren kann und ob es für einen selbst gut ist, dort zu bleiben und die nächsten Jahre
dort zu arbeiten. Gerade in dieser Phase werden viele neue Entscheidungen getroffen, es
werden neue Stellen besetzt, alte Stellen gestrichen und im Gegenzug Neue geschaffen. All
dies zehrt enorm an den Beteiligten und sie müssen für sich persönlich abwägen, ob sie
dieses Unternehmen noch glücklich machen kann. In dieser Zeit finden daher viele
Abwanderungen statt, da die Mitarbeiter diesen Druck und das Neue oft nicht verarbeiten
können und wollen.
Sind die ersten Mitarbeiter freiwillig oder unfreiwillig gegangen und die ersten Arbeitsabläufe
eingeprägt und verinnerlicht worden, bemerkt man schnell, dass die neue Normalität
eingetroffen ist. Die fünfte Phase zeichnet sich besonders dadurch aus, dass in dem neuen
alltäglichen Arbeitsleben viele verschiedene Mitarbeiter aufeinandertreffen, die alle
unterschiedlich von ihrem vorherigen Unternehmen geprägt wurden. Es bilden sich
Kulturkonflikte, keiner möchte gerne von seinen Gewohnheiten abweichen und dem
Gegenüber nachgeben, aber genau dieses beharrte Verhalten führt zu Konflikten und
Machtkämpfen. Diskussionen wie beispielsweise:“ Das haben wir aber immer so gemacht!“ –
„Wir aber nicht, ich mache das so, wie ich das immer gemacht habe!“ sind an der
Tagesordnung und bringen viele negative Impulse in die Mitarbeiterteams. Gerade
Führungskräfte sind hierbei sehr gefordert und sollten darauf achten, die Mitarbeiter durch
Gespräche und Kompromisse rechtzeitig zu unterstützen.21
In der letzten Phase dieses hochemotionalen Verlaufs spricht man von einem regelrechten
„Nachbeben“, die erste Bilanz wird aus der Fusion gezogen und es werden Korrekturen wie
beispielsweise noch offene Stellenbesetzungen, andere Vakanzen und vereinbarte
Kompromisse neu verhandelt. Die Integration kann langsam erfolgen und die Mitarbeiter sind
in ihren neuen Arbeitsprozessen angekommen.
4.2 Unterschied zwischen den Übernommenen und den Übernehmenden
Eine Fusion stellt die Verschmelzung zweier Unternehmen dar, oft läuft diese
Verschmelzung aber nicht auf Augenhöhe statt, sondern Unternehmen übernehmen andere
Unternehmen, was zum größten Teil aus finanziellen Gründen geschieht. Die Mitarbeiter des
übernommenen Unternehmens erleben eine Fusion daher viel intensiver und negativer, sie
befürchten, dass ihre eigene Unternehmenskultur wegbricht und durch eine neue ersetzt
wird oder gar die des anderen Unternehmens sie übermannt. Sie haben es oft schwerer und
empfinden diese Phase des Umbruchs als unkontrollierbar.22
Die Übernehmenden haben es dagegen leichter, sie haben ihr altes Team hinter sich, was
ihnen unbewusst den Rücken stärkt und haben eher eine Chance darauf, dass ein Teil ihrer
gewohnten Unternehmenskultur erhalten bleibt und sie sich weiterhin in gewohntem Terrain
befinden. Sie empfinden eine Fusion daher oft als weniger negativ und bedrohend, da sie
sich in der Sicherheit des Gewohnten hegen.
21
Berner W., (2002) Abstoßungsreaktion bei Fusion: Die größte Gefahr kommt aus dem eigenen Lager,
http://www.umsetzungsberatung.de/pmi-post-merger-integration/abstossungsreaktion.php, (26.Mai 2013) 22
Greitemeyer T., Fischer P., Nürnberg C., Frey D., Stahlberg D., (2006) Psychologische Erfolgsfaktoren bei
Unternehmenszusammenschlüssen, Zeitschrift für Arbeits- und Organisationspsychologie, Hogrefe Verlag,
Volume 50, Heft 1, S.9-16
14
Eines unserer Gruppenmitglieder hat selbst eine Fusion zweier Banken als Mitarbeiterin
miterlebt und hat aufgrund kleiner Umfragen im Mitarbeiterkreis und aus eigener Erfahrung
diese Thesen weiter ausgeführt und bestätigt. Selbst drei Jahre nach dieser beschriebenen
Fusion merkt man noch immer, dass die einen von den „Grünen“ (Dresdner Bank
Mitarbeiter) und die anderen von den „Gelben“ (Commerzbank Mitarbeiter) reden. Die
Distanz zwischen den Belegschaften wird dadurch sehr deutlich. Aktuell befindet sich die
Bank in der letzten Phase des oben beschriebenen Verlaufs, eine vollständige Integration
wird noch lange andauern.
4.3 Kommunikation
Auch wenn eine Fusion noch so gut vorbereitet wurde, muss die Kommunikation zwischen
den Menschen reibungslos funktionieren. Es würde unnötige Kraft und Zeit kosten, wenn die
Menschen nicht miteinander reden würden, sondern aneinander vorbei. Jedoch ist gerade
die Kommunikation eines der schwierigsten Probleme, die bei Fusionen auftreten können, da
sich alle Beteiligten in ungewohnten und neuen Stresssituationen befinden, einander oft nicht
kennen und einschätzen können und sich zudem noch falsch oder ungenau ausdrücken.
Diese Kommunikationsstörungen können zu Missverständnissen führen und unangenehmen
Situationen. Der österreichische Verhaltensforscher und Nobelpreisträger Konrad Lorenz
(1903-1989) hat vor vielen Jahren eine sehr interessante These aufgestellt, die bis heute
ihren Zuspruch findet und auf viele wahrhaft vorkommende Probleme in der Kommunikation
zwischen Sender und Empfänger zutrifft. 23
„gedacht” ist nicht gesagt…
„gesagt” ist nicht gehört…
„gehört” ist nicht verstanden…
„verstanden” ist nicht gewollt…
„gewollt” ist nicht gekonnt…
„gekonnt und gewollt” ist nicht getan…
„getan” ist nicht beibehalten…24
Diese Aussage soll zum Ausdruck bringen, wie einfach es wäre, durch richtige
Kommunikation, Missverständnisse zu verhindern und selbsterledigte Dinge besser zu
verinnerlichen, als es nur zu hören. Denn gerade bei einem Aufeinandertreffen von neuen
Kollegen ist oft nicht klar, wie der Gegenüber bisher gearbeitet hat und mit seinen bisherigen
Teamkollegen kommuniziert hat. 25
Hinzukommt, dass es zwischen den Kollegen zu Missverständnissen kommen kann, die
durch fehlgesendete oder falsch interpretierte Nachrichten zwischen Sender und Empfänger
entstanden sind. So kann es beispielsweise rein sachlich vom Sender gemeint sein, wurde
aber von dem Empfänger als Appell und dadurch als ein Befehl aufgenommen. Friedemann
Schulz von Thun (geboren 1944 in Soltau), deutscher Psychologe und
Kommunikationswissenschaftler, hat dieses Phänomen mit dem Vier-Seiten Modell
verbildlicht. (Abb.7)26
23
Auhagen A., (2008), Positive Psychologie, Beltz Verlag, 2. Auflage, S.131 24
Frädrich, S., (2010), Günter, der innere Schweinehund, wird Kommunikationsprofi, Gabal Verlag GmbH, S.11 25
Kanitz A., Scharlau C., (2011), Gesprächstechniken, Haufe Verlag, S.134 26
Simon W.,(2004), Gabals großer Methodenkoffer: Grundlagen der Kommunikation, Gabal Verlag GmbH, S.49 ff.
15
Abb.7 : Das Vier – Seiten - Modell
So kann ein harmlos gemeinter Satz eines Mitarbeiters: „Der Chef hat gestern meine Arbeit
gelobt.“ gänzlich anders bei seinem Gegenüber angekommen sein. So sind folgende
Empfängeroptionen laut Schulz von Thun möglich:
Sachebene: „Der Chef hat meine Arbeit gelobt.“ (explizit)
Selbstkundgabe: „Ich bin stolz, weil der Chef mich und meine Arbeit gelobt hat.“
Beziehungsseite: „Du kannst auch stolz auf mich sein, schließlich sind wir Kollegen.“
Appellseite: „Bitte lobe mich und zeige mir deine Anerkennung!“ (implizit)
Es gibt somit viele verschiedene Möglichkeiten, diese Aussage aufzufassen und zu
interpretieren. Auch der Gemütszustand des anderen Kollegen ist nicht unerheblich. Hat
dieser einen sehr angespannten und hektischen Tag durchlebt, so könnte es passieren, dass
er die Nachricht eher negativ empfängt und dementsprechend antwortet. Daher ist es gerade
in neuen Teams sehr wichtig, genau darüber nachzudenken, wie selbstgetroffene Aussagen
auf Kollegen wirken können und dass es manchmal besser ist, bestimme Aussagen auf
einen anderen Tag zu verlegen oder genau zu überlegen, wie es bei einem anderen
aufgefasst werden könnte.
Doch so vorsichtig jemand auch mit den Kollegen umgeht, so kann es immer wieder zu
Störungen innerhalb eines Systems kommen. Dieses System stellt in der Arbeitswelt das
Mitarbeiterteam dar. Sind die Charaktere derart verschieden, wird es schwierig, vernünftig
miteinander zu arbeiten und leistungsorientierte Ergebnisse zu präsentieren. Der aus
Osnabrück stammende Psychologie und Unternehmensberater Peter Kruse hat sich mit
dieser Thematik näher auseinandergesetzt. Er beschreibt die optimale Zusammensetzung
eines Gehirns, übertragbar in diesem Falle auf ein Team von Mitarbeitern, mit drei
unterschiedlichen Charakteren.
Der „Creator“, er ist der kreative Kopf des Teams und hat durchlaufend neue Ideen und
Veränderungsvorschläge, er stört durch diese geschaffene Instabilität diejenigen, die besser
Nachricht
Sachebene
Appell-
seite
Beziehungs-ebene
Selbstkund-gabe
Empfänge
r
Sender
16
mit geraden und einseitigen Linien zurechtkommen. Diese Unsicherheit ist jedoch notwendig,
damit ein System sich weiterentwickeln kann, denn nur in der Unsicherheit ist es dazu bereit.
Weiterhin beschreibt er die Charakterzüge eines „Owners“, dieser ist ein sehr wertvoller und
wichtiger Teil des Teams, er verfügt über ein ausgesprochen gutes Fachwissen und kann
komplizierte Vorgänge darlegen und erläutern. Alleine ist er jedoch oft nicht in der Lage,
Lösungsansätze zu finden, so ist er auf die Zusammenarbeit mit dem Creator angewiesen.
Der dritte Charaktertyp ist durch den „Broker“ gegeben, dieser ist weder besonders kreativ,
noch verfügt er über außergewöhnliches Fachwissen, er ist jedoch die Schnittstelle zwischen
wichtigen Informationen und dem Team. Er ist als Vermittler und Vernetzer von
Informationen zuständig, da er selbst nicht über das Fachwissen verfügt, aber explizit weiß,
wer dies wissen könnte und somit an diesen Dritten herantritt.27
Wenn wir diese These von Peter Kruse auf die betroffenen Mitarbeiter einer Fusion beziehen
und sich die Möglichkeit für Führungskräfte bietet, so sollten diese Charaktere gemeinsam in
einem Team zusammen arbeiten und gezielt nach diesen genannten Charakterzügen
zusammen gestellt werden. Nichts wäre schädlicher, als eine Gruppe von Menschen zu
bilden, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Ergänzen sie sich jedoch und beleben
einander die gemeinsame Arbeit, so wird die Teamarbeit deutlich stärker sein, als die Arbeit
gebündelt von allen zusammen. Dies ist auch das Ziel von Peter Kruse. Die
Summenintelligenz soll größer sein, als die eigentlichen vorhandenen Intelligenzen der
beteiligten Personen. Denn allein sind wir stark, aber im Kollektiv sind wir unschlagbar.
27
Kruse, P. (2007) Peter Kruse über Kreativität: http://www.youtube.com/watch?v=oyo_oGUEH-I , (25.Mai 2013)
17
5 Coopetition
Der Begriff Coopetition ist aus den englischen Begriffen Competition (Wettbewerb) und
Cooperation (Kooperation) zusammengesetzt (Abb. 8) und bezeichnet die Kooperation
zwischen zwei oder mehreren wirtschaftlichen Einheiten. Dabei stehen die Kooperatoren
außerhalb ihrer Zusammenarbeit weiterhin in direkter Konkurrenz.
Doch trotz der eigentlichen Konkurrenz ergeben einzelne
Kooperationen für die beiden Akteure Wettbewerbsvorteile, von
denen beide Partner profitieren. Ein Beispiel hierfür sind
strategische Allianzen. Sie können in unterschiedlichster Form
auftreten, beispielsweise als Joint Venture oder den bekannten
Allianzen der Fluggesellschaften.
5.1 Voraussetzungen
Immer häufiger lassen sich Kooperationen von konkurrierenden
Firmen beobachten. Dabei steht häufig der monetäre Vorteil an erster Stelle der
Überlegungen: Denn eine der größten Motivationen und Voraussetzungen ist es, dass sich
die Kooperation in Form von Kosteneinsparung oder Gewinn lohnt.
Doch auch andere Faktoren sind bei einer Coopetition von herausragender Bedeutung:
Das gemeinsame Ziel
Beide Partner müssen sich klar einem gemeinsamen Ziel zuwenden
Vertrauen
Vertrauen in den Kooperationspartner und seiner Leistungsfähigkeit
Loyalität
Loyalität und Akzeptanz des Kooperierenden als gleichwertigen Partner
Kontrolle
Monitoring der Ziele und Maßnahmen
Kommunikation
Kommunikation als Schlüsselelement einer erfolgreichen Zusammenarbeit.28 29
5.2 Herausforderung
Aufgrund der zahlreichen Voraussetzungen und nicht zuletzt dem meist anhaltenden und tief
verankerten Konkurrenzdenkens, stellt eine Coopetition eine enorme Herausforderung für
alle Beteiligten dar. Wenn zwei konkurrierende Firmen zusammenarbeiten, ist oftmals die
Skepsis der Mitarbeiter hoch, was es umso schwieriger macht, ein gut funktionierendes
Team zu formen. Das Vertrauen in die „Anderen“ ist vielfach sehr begrenzt, jedoch eines der
28
Reiss, M.,(3/2011) Coopetition: wie lassen sich Kooperation und Konkurrenz im Projektmanagement
kombinieren?, Projekt Management Aktuell 29
Zineldin, M.,( 2004) Co-opetition: the organisation of the future, Marketing Intelligence & Planning Vol. 22 No. 7, pp. 780-789
Abb. 8
18
wichtigsten Elemente der Coopetition. Es treffen unterschiedliche Firmenkulturen und
manchmal sogar andere Kulturkreise aufeinander, die es im Sinne der Kooperation zu
vereinen gilt. Diesen Problemen bei der internen Zusammenarbeit kommt erschwerend
hinzu, dass bei Kooperationen nur in den seltensten Fällen ein wirkliches
Machtgleichgewicht herrscht. Häufig gibt es einen Stärkeren, bzw. einen Schwächeren, was
die weitere Kooperation stark gefährden kann.
5.3 Vorteile
Trotz der vielen Herausforderungen bietet eine Coopetition auch viele Vorteile. Durch die
Zusammenarbeit ergeben sich Synergieeffekte, die sich positiv auf Kosten und
Leistungsstärke ausüben. Es kann auf ein größeres Wissen und wichtige zusätzliche
Erfahrungswerte zurückgegriffen werden. Idealerweise ergänzen sich die Stärken und
Schwächen der beiden Partner. Die Entwicklung eines strategischen Netzwerks wirkt auch
dem Preiskampf entgegen und fördert somit die Erträge. Zusätzlich stärkt sich auch das
Image der beteiligten Unternehmen in einem großen Verbund. Bei einem Joint Venture steht
vor allem die Verringerung des wirtschaftlichen Risikos im Vordergrund.
5.4 Beispiele
Coopetition kann man am deutlichsten im Luftverkehr beobachten. Hier haben sich in den
vergangenen Jahren gleich drei erfolgreiche strategische Netzwerke gebildet. Neben der
Star Allianz, der ersten und größten Allianz der Luftverkehrsbranche, gibt es die“ One World“
und das „SkyTeam“. In diesen Netzwerken kooperieren die eigentlich konkurrierenden
Fluggesellschaften und schaffen trotzdem, jeder für sich, einen Mehrwert, wie zum Beispiel
einen hohen einheitlichen Servicestandard oder eine bessere Auslastung der Maschinen.
Letztlich profitiert natürlich auch der Kunde von dem erweiterten Streckennetz, welches die
Partnerairlines anbieten, als auch von der bekannten Servicequalität der Kooperation.
Auch in der Automobilbranche konnten zwei Konkurrenten einen Vorteil aus einer
Kooperation ziehen, als Ford und VW gemeinsam eine Basis für einen Van entwickelten, den
sie später jeweils für sich getrennt am Markt verkauften. Hier kam es vor allem im Bereich
der Forschung und Entwicklung zu großen Einsparungen, von denen beide Firmen
profitierten.
19
6 Motivation und Ausblick
Fusionen und andere Formen von Unternehmenszusammenschlüssen gehen mit einer
längerfristigen, strategischen Verbindung zwischen wirtschaftlichen Organisationen einher.
Man kann also sagen, dass ein Unternehmenszusammenschluss kein Projekt mit einem
fixen Abliefertermin ist, sondern eines, das sich nachhaltig auf die wirtschaftliche Beziehung
zwischen den Organisationen, auswirkt. Wir haben es hier mit komplexen Sachverhalten zu
tun, die sich über die sachliche bzw. formelle Ebene hinaus, auch mit (zwischen)-
menschlichen, psychologischen Aspekten auseinandersetzen müssen. Um es kurz auf den
Punkt zu bringen, befinden wir uns mitten im Thema Change Management.
In diesem letzten Abschnitt, möchten wir erörtern, welche zwischenmenschlichen,
psychologischen Aspekte in solchen Veränderungsprozessen relevant sind. Wir legen dabei
den Fokus auf die Motivation und verbinden das theoretische Wissen über Motivation
anwendungsspezifisch mit den möglichen Motiven der Führungsebene und deren
Gefühlswelt in diesem Kontext.
6.1 Vier Sichtweisen der Motivation
Die Motivation wird als Bedürfnis beschrieben, das individuellem Verhalten Energien verleiht
und es lenkt.30 In der Vergangenheit haben Psychologen den Begriff Motivation anhand
verschiedener Sichtweisen erklärt und in einen jeweiligen zeitgemäßen Kontext gesetzt. Die
erste Sichtweise bezieht sich auf die Darwin´sche Evolutionstheorie und wird als
Instinkttheorie bezeichnet. Als Instinkt wird ein komplexes Verhalten verstanden, welches bei
jedem Mitglied derselben Gattung gleich ist und nicht erlernt wurde. Diese Theorie lässt sich
nur schwer auf die Motivation im Kontext Fusion übertragen. Die zweite Sichtweise ist die
Triebtheorie, diese beschreibt, dass physiologische Bedürfnisse Erregungen im Organismus
auslösen, welche dazu veranlassen, ein Bedürfnis zu befriedigen. Die Anreize kommen nicht
zwangsläufig von innen heraus, sie können auch durch äußere Erregungen entstehen. Für
welche äußeren Reize man fragil ist, hängt hier von der individuellen Lerngeschichte ab. 31 Zwar geht es bei dieser Sichtweise um physiologische Aspekte, man kann aber auch bei
Entscheidungen hinsichtlich kollektiver Zusammenschlüsse, wie
Unternehmenszusammenschlüsse, auf die individuelle Lerngeschichte verweisen. Ein
Mensch der mit kollektivistischen Ansätzen, vielleicht automatisch bedingt durch die Anzahl
der Geschwister, erzogen wurde, ist für kollektive Zusammenschlüsse eventuell offener als
andere. Unter dem Begriff Erziehung, verstehen Psychologen die Erfahrungsmöglichkeiten,
die einem Individuum, in einem kulturellen Rahmen realisiert werden, um Lern- und
Entwicklungsprozesse zu unterstützen. Unsere Erziehung prägt uns in unserem Verhalten
und verankert sich durch synaptische Verknüpfungen in unserem Gehirn. Der kulturelle
Rahmen prägt uns in unserem zukünftigen Verhalten – mit Sicherheit auch bei kooperativen
Entscheidungen.32 Bei der dritten Sichtweise geht es darüber hinaus darum, ständig nach
neuen Reizen zur Optimierung der Erregung zu suchen. Diese Sichtweise nennt sich daher
30
Myers, David G.,(2008) Psychologie, Springer Verlage 2. aktualisierte Auflage, S. 513 31
Myers, David G.,(2008) Psychologie, Springer Verlage 2. aktualisierte Auflage, S. 514 32
Myers, David G.,(2008) Psychologie, Springer Verlage 2. aktualisierte Auflage, S. 843
20
auch optimale Erregung.33 Hier wird erstmals deutlich, dass Motivation über die Sicherung
der Existenz hinaus Verhalten lenkt und für weitere Bedürfnisse bereitsteht.
6.2 Wiswede und die Bedürfnispyramide nach Maslow
Abraham Maslow, ein US-Amerikanischer Psychologe hat Mitte des 20. Jahrhunderts das
noch heute gelehrte Modell zu menschlichen Bedürfnissen und Motivationen aufgestellt. Mit
seiner Bedürfnishierarchie, auch Bedürfnispyramide genannt, stellte er erstmalig ein
Gesamtkonstrukt auf, welches fünf Stufen der Bedürfnisbefriedigung darstellt, welche weit
über die Befriedigung der existenziellen Bedürfnisse hinausgeht.
Der Soziologe und Sozialpsychologe, Günter Wiswede, nahm Bezug auf die
Bedürfnispyramide von Maslow und teilte den unterschiedlichen Hierarchieebenen
unterschiedliche Motivkonstellationen zu. Führungskräfte betonen demnach mehr die
Bedeutung des Sinnes der Arbeit, die Selbstverwirklichung und Autonomie, wohingegen
beispielsweise Fließbandarbeiter vor allem Geld, Sicherheit und soziale Kontakte in den
Vordergrund stellen.34 Hierbei handelte es sich um Tendenzaussagen, dessen empirischen
Bestätigungen teilweise ausblieben.
6.3 Das Machtmotiv
Sabine Schlaeger verweist in ihrer Dissertation mit dem Thema Fusions-Potential-Analyse,
auf diverse Motive im Hinblick auf die Kooperationsfähigkeit und
Persönlichkeitseigenschaften von Führungskräften. Im Zuge unserer kritischen Beleuchtung
motivationaler Aspekte bei Unternehmenszusammenschlüssen, möchten wir auf das
Machtmotiv, welches auch Teil der Fusions-Potential-Analyse ist, genauer eingehen. Macht
ist immer dann präsent, wenn mehrere Personen oder Gruppen mit verschiedenen Zielen
und Voraussetzungen für die Zielerreichung aufeinandertreffen. Ferner merkt Schlaeger an,
dass eine Person über verschiedene Handlungsmöglichkeiten verfügen muss, um Macht zu
haben. Schlussfolgernd verweist Sie auf verschiedene Untersuchungen, die belegt haben,
33
Myers, David G.,(2008) Psychologie, Springer Verlage 2. aktualisierte Auflage, S. 514 34
Wiswede, G.,(2012) Einführung in die Wirtschaftspsychologie, 4. Auflage, Ernst Reinhardt, GmbH & Co.KG,
Verlag München, S. 64
In der Abbildung sind die Stufen der
Bedürfnishierarchie zu erkennen. Wir
möchten uns in diesem Abschnitt auf
die oberen beiden Ebenen,
Selbstverwirklichung und
Individualbedürfnisse, konzentrieren
und diese in den Kontext Fusion,
Kooperationsfähigkeit und
Führungskraft setzen. Der Fokus
liegt nun bei den Menschen, die die
Richtung angeben.
21
dass sich ein hoch ausgeprägtes Machtmotiv als erschwerender Faktor für eine Kooperation
erweist. 35
Doch wie kommt es zu einem ausgeprägten Machtmotiv? Darüber mutmaßten McClelland
(ein US-Amerikanischer Verhaltens- und Sozialpsychologe) et al.: implizite und explizite
Motive sind durch unterschiedliche erzieherische Praktiken in der sozialen Umwelt und der
individuellen Ontogenese beeinflusst. Darauf aufbauend gab es eine Längsschnittstudie von
Sears, Maccoby und Levin (1957), zur Untersuchung und ausführlichen Darstellung der
Motivationsentwicklung. Dabei wurden 379 Mütter 5-jähriger Kinder nach Ihren
Erziehungspraktiken befragt. Mit bestimmten Methoden wurden dieselben Kinder 26 Jahre
später auf ihre Motivationseigenschaften getestet. Die Ergebnisse fielen für das Machtmotiv
ergiebig aus. Demnach wurden Erwachsene mit einem hoch ausgeprägten Machtmotiv eher
permissiv (ohne viel Kontrolle, mit hoher Toleranzschwelle) erzogen. Diese Menschen hatten
also von früh auf schon viele Handlungsmöglichkeiten, wenig rationale Beschränkungen und
wurden kaum Sanktionen ausgesetzt.36 Die Beschränkung von Handlungsmöglichkeiten
scheint demnach für Menschen mit einem hoch ausgeprägtem Machtmotiv fremd zu sein.
Wenn man einen Schritt weiter denkt, lässt sich vermuten, dass diese Menschen auch wenig
Toleranz für Veränderungen, in Verbindung mit Einschränkungen der Handlungsspielräume,
aufweisen. Nach Luik kann sich statt einer positiven Toleranz, eine Angst vor Machtverlust
entwickeln und somit als Störgröße für die erfolgreiche Integration von
Prozessveränderungen manifestieren. Diese Angst vor Machtverlust geht eng mit dem
Prestige- oder Gesichtsverlust einher.37
6.4 Die Beziehung zwischen Unternehmer und Unternehmen
Führungspersönlichkeiten leiten Fusion oder andere Arten der Kooperation nicht immer aus
eigenem Interesse ein. Zu solchen Veränderungen kann es unter anderem auch durch
Angebote größerer Konzerne oder mithilfe von externen Unternehmensberatern, als
Schnittstelle zwischen den Organisationen kommen. Auch die unternehmerischen Motive für
solche Zusammenschlüsse beruhen nicht immer auf positive Effekte. Manchmal ist es
einfach so, dass Unternehmen im Zuge der Wahrung der finanziellen Existenzgrundlage
gezwungen sind, sich anderen Unternehmen anzuschließen.
Organisationsberater stehen bei der Durchsetzung eines solchen Veränderungsprozesses
vor riesigen Herausforderungen, da sie neben der formellen bzw. sachlichen Ebene immer
auch mit Menschen in Interaktion treten, die es zu überzeugen gilt. In der bisherigen, noch
aktuellen, Veranstaltung Systemische Organisationsentwicklung, geleitet durch Herrn Dr.
Müller-Christ, haben wir uns viel mit Beziehungen beschäftigt. Wir haben geprüft, welche
Elemente Beziehungen beeinflussen (Drei-Ebenen Modell nach Edgar Schein) und
analysiert, was eine gute Beziehung ausmacht. So gibt es Beziehungen zwischen
Menschen, zwischen Menschen und Institutionen und zwischen Institutionen. .
35
Schlaeger, S.,(2009) Entwicklung eines Instrumentes zur Erweiterung der Pre-Merger-Analyse um
psychologische Aspekte:Fusions-Potential-Analyse, Dissertation, Gedruckt mit Genehmigung der Fakultät für
Psychologie der RUHR-Universität Bochum 36
Heckhausen, (2006) Motivation und Handeln, Springer Verlag, 4. Auflage, S. 244 37
Luik, M., (2012) Integrationsmanagement bei Fusionen, Diplomica Verlag. S. 79
22
Auch die Werte werden so stark vom Geschäftsführer entwickelt, vorgegeben und gelebt,
dass ein Wandel in diesem Bereich gerade für GF mit einem hohen Machtmotiv sehr
schwierig ist. Es herrscht eine enge Beziehung zwischen Mensch und Institution. Außerdem
gibt es bei Veränderungen nie eine Garantie für eine erfolgreiche Zukunft. Die Überzeugung
ist also auch gerade deshalb sehr schwierig, weil die Entscheidung unter Ungewissheit
stattfindet. Eine Entscheidung unter Ungewissheit zeichnet sich dadurch aus, dass der
Entscheider zwar mögliche Umweltzustände erahnen kann, jedoch keine spezifischen
Eintrittswahrscheinlichkeiten für bestimmte Situationen zuordnen kann.38
Fusionen sind deutlich komplexer als man es vermuten könnte und die Integration des
Menschen spielt bei entsprechenden Veränderungen eine sehr wichtige Rolle. Letztendlich
geht es wohl um die Fragen:
o Wie offen bist du für Veränderungen?
o Kannst du dich von Traditionen lösen und neue Wege gehen?
38
Laux et al., (2012) Entscheidungstheorie, 8. Auflage, Springer Verlag, S. 8
Die Abbildung zeigt das Drei-Ebenen
Model nach Schein. Die sichtbaren
Elemente sind zwar deutlich zu erkennen,
sie haben aber keinen so starken Einfluss
auf Beziehungen wie die unsichtbaren
Elemente. Ein Unternehmer, der sein
eigenes Unternehmen auf die Beine
gestellt hat, hat denkbar eine sehr enge
Verbundenheit zu seinem Unternehmen.