6

Click here to load reader

Einsteins Theorie auf dem optischen Prüfstand: Spezielle Relativitätstheorie

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Einsteins Theorie auf dem optischen Prüfstand: Spezielle Relativitätstheorie

70 | Phys. Unserer Zeit | 35. Jahrgang 2004 | Nr. 2 DOI:10.1002/piuz.200401036 © 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Die Spezielle Relativitätstheorie ist einer der Grundpfeiler dermodernen Physik. Im Rahmen einer zukünftigen Quanten-gravitation könnten sich jedoch Abweichungen von den bekannten Gesetzen, insbesondere der Lorentz-Transformationergeben. Neue Experimente bestätigen aber bislang die Vorhersagen der Speziellen Relativitätstheorie sehr genau.

Satellitenfernsehen eingesetzt werden. Auch bei der Posi-tionsbestimmung mit dem Global Positioning System (GPS)müssen die Konsequenzen der Relativitätstheorie mit be-rücksichtigt werden.

Auf Grund dieser besonderen Bedeutung der SpeziellenRelativitätstheorie ist es unerlässlich,sie mit größt möglicherGenauigkeit zu prüfen, um so eine solide Basis für künftigeAnwendungen der Theorie zu schaffen – sei es in derGrundlagenforschung, der angewandten Physik oder derTechnik. Im Laufe der Zeit konnte die Genauigkeit einigersolcher experimenteller Tests millionenfach gesteigert wer-den (Abbildung 1).

Eine solche Überprüfung ist auch im Rahmen der Suchenach einer vereinheitlichten Theorie aller Naturkräfte, derelektromagnetischen Kraft,der starken und der schwachenKernkraft sowie der Gravitation, von Bedeutung: Währenddie Allgemeine Relativitätstheorie die Gravitation erfolg-reich beschreibt, erklärt die Quantentheorie die anderenKräfte. Theoretiker erwarten heute, dass nur eine Art Union der beiden fundamentalen Theorien eine korrekteumfassende Beschreibung der Physik sein kann – die Quantengravitation. Dazu existieren heute bereits verschie-dene Ansätze, etwa die Stringtheorie.

Allen diesen Ansätzen ist gemein, dass sie winzige Ver-letzungen der Speziellen Relativitätstheorie erlauben odersogar fordern. Beim jetzigen Stand der Theorie ist es abernoch nicht möglich,die Größe oder aber das Verschwindendieser Verletzungen vorherzusagen. Selbst ein winziger experimenteller Hinweis darauf wäre daher von großer Be-deutung. So lange jedoch die Relativitätstheorie bestätigtaus den Tests hervorgeht, liefern diese immer schärfereGrenzen für theoretische Modelle einer Quantengravitation.

Da die Relativitätstheorie so bedeutsam ist, wären„große“ Abweichungen von ihr sicherlich längst aufgefallen,vielleicht schon bei einer der eingangs genannten Anwen-dungen der Theorie. Dennoch sind eigene Experimentezum Test der Theorie wünschenswert; sie sollten möglichstpräzise sein und die theoretisch denkbaren Verletzungenkomplett abdecken (Vollständigkeit). Darüber hinaus solltees möglich sein, das gesuchte Signal für Verletzungen derRelativitätstheorie zuverlässig theoretisch vorherzusagen,um es besser von externen Störungen unterscheiden zukönnen (Zuverlässigkeit).

Die Spezielle Relativitätstheorie [1] modifiziert die ausder Newtonschen Theorie kommende Auffassung von

Raum und Zeit auf entscheidende Weise. Sie bildet ge-meinsam mit allen anderen akzeptierten physikalischenTheorien das Fundament der heutigen Naturbeschreibung.Ihre Konsequenzen für schnell bewegte Körper werden inTeilchenbeschleunigern, in der Astrophysik und Astrono-mie ebenso beobachtet wie in den Elektronenstrahlröhrenvon Monitoren und Mikrowellenverstärkern, die etwa im

Spezielle Relativitätstheorie

Einsteins Theorie auf dem optischen Prüfstand HOLGER MÜLLER | ACHIM PETERS

Genauigkeit von Isotropietests der Lichtgeschwindigkeit. Bis 1930 verwendete manoptische Interferometer, danach Resonatoren. Zuletzt benutzte man Laser. Die ge-strichelte Linie deutet den nach der Äthertheorie erwarteten Effekt an.

A B B . 1 | H I S TO R I S C H E E N T W I C K LU N G

δc/

c 0

Page 2: Einsteins Theorie auf dem optischen Prüfstand: Spezielle Relativitätstheorie

© 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Nr. 2 | 35. Jahrgang. 2004 | Phys. Unserer Zeit | 71

S P E Z I E L L E R E L A T I V I T Ä T S T H E O R I E | S PE Z I A L : E I N S T E I N

Die Gültigkeit der Lorentz-TransformationenDie Spezielle Relativitätstheorie basiert auf zwei Prinzipien,deren Gültigkeit experimentell erwiesen werden muss:1) Die physikalischen Gesetze sind unabhängig von einer

gleichförmigen Bewegung des Labors und 2) die Lichtgeschwindigkeit c ist endlich sowie unabhän-

gig von der gleichförmigen Bewegung der Lichtquelleund des Beobachters.

Aus der Unabhängigkeit der Lichtgeschwindigkeit folgt dieGültigkeit der Lorentz-Transformationen beim Übergangzwischen zueinander bewegten Bezugssystemen: Ein erstesBezugssystem T, X, Y, Z werde von einem ersten Beobach-ter verwendet. Ein zweiter Beobachter verwende ein zwei-tes Bezugssystem t, x, y, z. Die beiden Beobachter bewegensich relativ zueinander parallel zur X-Achse mit der Ge-schwindigkeit ν. Dann gilt:

(1)

x = γ (X – νT), (2)

y = Y, (3)

z = Z. (4)

mit dem Lorentz-Faktor

(5)

Aus diesen Lorentz-Transformationen ergeben sichwichtige Folgerungen, wie

• die Zeitdilatation: bewegte Uhren gehen um den Faktor1/γ langsamer,

• die Längenkontraktion: bewegte Maßstäbe erscheinenum 1/γ verkürzt und

• die relativistische Massenzunahme: die Masse eines be-wegten Körpers ist um den Faktor γ vergrößert.

Obwohl diese Konsequenzen mitunter paradox anmuten,stehen sie doch im Einklang mit allen bisherigen Beob-achtungen.

Erweiterung des StandardmodellsDie Relativitätstheorie ist innig in die heute akzeptiertenphysikalischen Gesetze hineingewoben. Daher ist es ver-hältnismäßig schwierig, Abweichungen von ihr umfassendund konsistent zu beschreiben. Dennoch wurde in jüngsterZeit eine Theorie aufgestellt, die das vermag [2]. Sie erwei-tert das Standardmodell der Elementarteilchen um Abwei-chungen von der Relativitätstheorie, die als Resteffekte derQuantengravitation aufgefasst werden können.

Beschränkt man sich auf elektromagnetische Phä-nomene, wie Licht, so werden die Abweichungen im Allge-meinen durch 19 Parameter gegeben, die bei Gültigkeit derSpeziellen Relativität verschwinden müssen. Zehn dieserParameter geben die Abhängigkeit der Lichtausbreitung von

γν

ν ν= ≈ + + + …1

11

1

2

3

82 2

2

2

4

4– / c c c

t TX

c=

γ ν– ,

2

aaader Polarisation an und lassen sich durch astrophysikalischeBeobachtungen auf sehr kleine Werte eingrenzen. Die übri-gen neun Parameter jedoch können nur in Laborexperi-menten gemessen werden. Sie bestimmen die Richtungs-abhängigkeit der Lichtgeschwindigkeit.

Die Vielzahl der Parameter macht diese Theorie etwasunhandlich. Die wesentlichen Effekte lassen sich jedoch anHand des Modells von Robertson sowie Mansouri und Sexl[3] erläutern. Man nimmt hierbei an, dass in einem ausge-zeichneten Bezugssystem Σ (mit den Koordinaten T, X,Y, Z)die physikalischen Gesetze ihre vertraute Form haben. Hierist die Lichtgeschwindigkeit unabhängig von der Richtungund hat den Wert c0.Ein Kandidat für das ausgezeichnete Be-zugssystem Σ ist dabei das Bezugssystem, in dem die kosmische Hintergrundstrahlung isotrop ist (Abbildung 2).Die kosmische Hintergrundstrahlung entstand etwa

Interferometer, mit dem das Michelson-Marley-Experiment 1930 in Jena erneutdurchgeführt wurde (Foto: Deutsches Museum München).

A B B . 2 | B E Z U G SS YS T E M

Bewegung der Erde relativ zu dem Bezugssystem, in dem diekosmische Hintergrundstrahlung isotrop ist.

Page 3: Einsteins Theorie auf dem optischen Prüfstand: Spezielle Relativitätstheorie

72 | Phys. Unserer Zeit | 35. Jahrgang 2004 | Nr. 2 © 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

300 000 Jahre nach dem Urknall, als das heiße Gas rekom-binierte und dadurch für die thermische Strahlung durch-sichtig wurde. Sie erfüllt noch heute das gesamte Universumals isotropes Strahlungsfeld (G. Börner, M. Bartelmann, Phy-sik in unserer Zeit 2002, 33 (3), 114).

In der Mansouri-Sexl-Theorie werden die Lorentz-Trans-formationen durch verallgemeinerte Funktionen der Rela-tivgeschwindigkeit ν ersetzt. Für νPc0 lassen sie sich wiefolgt annähern:

(6)

(7)

(8)

(9)

Dies sind die allgemeinsten linearen Transformationen,die ausschließlich von der Relativgeschwindigkeit ν ab-hängen. Der Parameter e ist durch die Wahl der Uhrensyn-chronisation festgelegt, für die Synchronisation mit Licht-strahlen beispielsweise gilt e = 2α/c2. Er hat keine beob-achtbaren Konsequenzen [3].

Zc

z= + + …

1

2

02

δ ν.

Yc

y,= + + …

1

2

02

δ ν

Xc

x t ,= + + …

1

2

02

β ν ν( – )

Tc

t e X,= + + …

+1

2

02

α ν ν

Bei Gültigkeit der Lorentz-Transformationen folgen be-stimmte Werte für die Parameter α,β und δ. Vergleicht manzum Beispiel die Gleichungen (8) und (9) mit (3) und (4),so findet man bei Gültigkeit der Relativitätstheorie δ = 0.Aus Vergleich von (7) und (2) findet man β = 1/2. Ersetztman nun in (6) die Koordinate X auf der rechten Seite durch(7) und setzt e(ν) ein, so erhält man α = – 1/2. In diesemFall geht die Testtheorie in die Relativitätstheorie über.

Bei Abweichungen hiervon ist die Invarianz der Licht-geschwindigkeit c verletzt. In einem mit ν bewegten Sys-tem ist

(10)

die relative Änderung der Lichtgeschwindigkeit, wenn dieRichtung des betrachteten Lichtstrahles einen Winkel θzur Richtung der Relativgeschwindigkeit ν hat. Die Licht-geschwindigkeit wird also durch die Parameterkombina-tionen β – δ – 1/2 und α – β + 1 sowohl von der Richtungals auch von der Relativgeschwindigkeit abhängig.

Eine genauere Bestätigung der Relativitätstheorie be-deutet somit eine engere Eingrenzung der Parameter auf ihre speziell-relativistischen Werte α = –1/2, β = 1/2 und δ = 0. Dies lässt sich durch die im Folgenden geschilderteninterferometrische Experimente erreichen.

Den Zeitdilatationsparameter α bestimmt man über denrelativistischen Doppler-Effekt. Das bislang genaueste Ex-periment hierzu liefert α = 1/2 ± 2,2 · 10–7. Es gelang einerGruppe vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidel-berg durch Spektroskopie an Lithium-Ionen, die sich mit6,4 % der Lichtgeschwindigkeit in einem Speicherring be-wegen (G. Saathoff,Physik in unserer Zeit 2004,35 (1) [4]).Die übrigen Parameter werden durch die hier vorgestelltenExperimente gemessen.

Tests der Geschwindigkeitsabhängigkeit (Kennedy-Thorndike-Experimente) messen die Kombination α – β +1und schließen den Wert von β an denjenigen von α an. Der-zeit ist die Parameterkombination β – δ –1/2 (Richtungs-abhängigkeit) die am genauesten bekannte. Sie wird mitMichelson-Morley-Experimenten bestimmt. Die Genauig-keit der Parameter β und δ selber ist jedoch durch das Ken-nedy-Thorndike-Experiment begrenzt.

Das Michelson-Morley-Experiment – gestern und heute

Die Richtungsunabhängigkeit (Isotropie) der Lichtausbrei-tung und somit die Parameterkombination β – δ –1/2 testetman mit Michelson-Morley-Experimenten, die auf eine lan-ge und faszinierende Tradition zurückblicken können (Ab-bildung 1). Die klassische Variante des Versuchs wurde erst-mals 1881 von Albert Michelson am Astrophysikalischen In-stitut in Potsdam durchgeführt. Er spaltete einen Lichtstrahlmit einem halbdurchlässigen Spiegel in zwei Teilstrahlenauf, die er zwei rechtwinklig zueinander angeordneteStrecken entlang laufen ließ (Abbildung 3). Am Ende derStrecken befindet sich jeweils ein Spiegel, der die Strahlen

δcc c c0

2

02

22

02

12

=

+– – – sin – ( – )β δ ν θ α β ν

l

F R EQ U E N Z S TA B I L I S I E R U N G VO N L A S E R N |Die Frequenzstabilisierung hat die Auf-gabe, die Frequenz eines Lasers an eine Referenzfrequenz anzugleichen, die inunserem Fall durch die Resonanz einesoptischen Resonators gegeben ist.

Der Resonator besteht im Wesentlichenaus zwei parallelen Spiegeln. Ein vonlinks eintreffender Laserstrahl wird nor-malerweise einfach vom linken Spiegelzurückgeworfen. Im Resonanzfall je-doch, wenn der doppelte Spiegelabstandein ganzzahliges Vielfaches der Laser-wellenlänge ist, schaukelt sich die Inten-sität der Strahlung in dem Resonatorauf. Ein Teil verlässt dann den Resonatornach rechts – entsprechend sinkt die Intensität der reflektierten Strahlung.

Um die Laserfrequenz so zu regeln, dasssie mit der Resonanzfrequenz des Reso-nators übereinstimmt, wird die Inten-sität des reflektierten Lichtes mit einemPhotodetektor kontinuierlich gemessen.Ein Regler steuert die Laserfrequenz so,dass die reflektierte Intensität minimalwird. Dazu wird die Laserfrequenz mo-duliert, das heißt periodisch erhöht und

erniedrigt, und gleichzeitig geprüft, inwelcher Richtung die Reflexion des Reso-nators geringer wird. In diese Richtungwird die Laserfrequenz nun so lange ver-stellt, bis das Minimum erreicht ist unddie Laserfrequenz mit der Resonanz-frequenz übereinstimmt. Wenn bei-spielsweise durch eine Störung die Über-einstimmung nicht mehr perfekt ist, beginnt der Prozess von neuem.

Oft erfolgt die Frequenzmodulation sehrschnell. Die reflektierte Intensität ändertsich dann nicht mehr stark (es dauert eine gewisse Zeit, bis die Resonanzabgeklungen ist), sondern stellt sich aufeinen konstanten Mittelwert ein. Manerhält dann trotzdem ein Signal, dasdurch Interferenz der im Resonator ge-speicherten Strahlung mit der direkt reflektierten Strahlung erzeugt wird – zugewissen Zeiten löschen sich beide aus,zu anderen Zeiten addieren sie sich. Dieser spezielle Fall heißt Pound-Drever-Hall-Verfahren. Durch die schnelle Modulation kann man auch sehr kurz-fristige Änderungen der Laserfrequenzerkennen und ausregeln.

Page 4: Einsteins Theorie auf dem optischen Prüfstand: Spezielle Relativitätstheorie

© 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Nr. 2 | 35. Jahrgang. 2004 | Phys. Unserer Zeit | 73

S P E Z I E L L E R E L A T I V I T Ä T S T H E O R I E | S PE Z I A L : E I N S T E I N

zurückwirft. So vereinigen sich die Strahlen am Strahlteilerwieder und interferieren. Es kommt dabei entweder zurAuslöschung oder Verstärkung der Lichtintensität. Verdrehtman die Anordnung, so würde sich eine Anisotropie derLichtgeschwindigkeit durch eine winkelabhängige Ände-rung der Lichtintensität bemerkbar machen.

Zum Zeitpunkt des ursprünglichen Michelson-Experi-ments [5] erwartete man in der Tat einen solchen Effekt aufGrund der Äthertheorie. Demnach sollte sich Licht in einemÄther so ausbreiten wie Schall in Luft, und die Erdbewe-gung hätte sich als Relativbewegung zum Äther bemerkbarmachen müssen. Dass der Effekt ausblieb, versetzte nebender Fachwelt auch Michelson selbst in größtes Erstaunenund veranlasste ihn,das Experiment 1887 zusammen mit Ed-ward Morley in Cleveland in verbesserter Form zu wieder-holen [5]. Mit dem dort bestätigten Nullresultat war dieÄthertheorie eindeutig widerlegt. Erst Einsteins SpezielleRelativitätstheorie brachte das rissige physikalische Welt-bild wieder ins Gleichgewicht, indem sie den Äther einfachaus der Theorie verbannte.

Mit heutigen Methoden haben wir die Möglichkeit, dasMichelson-Morley-Experiment mit millionenfach gesteiger-ter Genauigkeit durchzuführen. Diese enorme Verbesse-rung wird durch den Einsatz moderner Lasersysteme undoptischer Resonatoren erreicht, in denen ein Lichtstrahlzwischen zwei Spiegeln höchster Güte eingeschlossen ist(Abbildung 4). Bei einem Spiegelabstand von L = 3 cm undeiner Reflektivität der Spiegel von 99,997 % macht das Lichtdarin etwa 30000 Umläufe, bevor es nennenswert abge-schwächt wird. Es legt dabei etwa 1 km zurück. Das be-deutet eine enorme Vergrößerung der Laufzeit und damitdes möglichen Laufzeitunterschiedes bei Verletzungen derRelativitätstheorie. Gleichzeitig sind die Resonatoren sehrkompakt. Dadurch reagieren sie weniger empfindlich aufäußere Störungen, wie Vibrationen oder winzige Verbie-

gungen unter ihrem Eigenge-wicht.

Der von einem Laser er-zeugte Lichtstrahl wird nor-malerweise fast vollständig re-flektiert und dringt nicht inden Resonator ein. Erst wenndie Frequenz des Laserlichtsso eingestellt ist, dass es dieResonanzbedingung

erfüllt, bildet sich in ihm einestehende Welle mit sehr ho-her Intensität aus. Hierbei istm = 1, 2, 3 die Zahl der Wel-lenlängen λ = c/f zwischenden Spiegeln. Eine elektroni-sche Regelung steuert die Frequenz des Laserlichtes so,dassdie Resonanzbedingung immer erfüllt ist (siehe „Frequenz-stabilisierung von Lasern“, S. 72).

Da die Resonanzbedingung von der Lichtgeschwindig-keit abhängt, würde sich eine Änderung derselben in einerVariation der Frequenz widerspiegeln. Dies ist vorteilhaft,da Frequenzen in der modernen Physik von allen Mess-größen diejenigen sind, welche sich mit der höchsten Prä-zision bestimmen lassen.

Voraussetzung für das Funktionieren dieser Methode istallerdings, dass sich Resonatorlänge nicht durch Störein-flüsse verändert. Hier ist insbesondere die Wärmeausdeh-nung des Materials auf Grund von Temperaturänderungenkritisch. In unserm Labor kommen deshalb optische Reso-natoren aus reinen Saphir-Einkristallen zum Einsatz, die beider Temperatur des flüssigen Heliums von 4,2 K arbeiten(Abbildungen 4 und 5). Dort „friert“ die sonst störende Wär-meausdehnung der Resonatoren gleichsam ein. Zusätzlichist die Resonatorlänge unbeeinflusst von den bei Raum-temperatur auftretenden, typischen Alterungsprozessen.

Für den Michelson-Morley-Versuch verwenden wir zweisenkrecht zueinander angeordnete Resonatoren,die jeweils

fmc

L=

2

ABB. 3 | KLASSISCHES INTERFEROMETER

Aufbau des klassischen Michelson-Morley-Interferometers.

A B B . 4 | M O D E R N E S I N T E R F E RO M E T E R

Aufbau unseres Michelson-Morley-Experiments. Die Frequen-zen zweier kryogener optischer Resonatoren CORE 1 und 2werden von Lasern abgefragt und verglichen. Der gesamteAufbau unterliegt der Erddrehung. PD: Photodetektor.

Abb. 5 Die bei-den optischenResonatoren inihrem vergolde-ten Kupferhalter.Die hohe Wär-meleitfähigkeitdes Kupferssorgt dafür, dassbeide Resona-toren die gleicheTemperatur haben.

Page 5: Einsteins Theorie auf dem optischen Prüfstand: Spezielle Relativitätstheorie

74 | Phys. Unserer Zeit | 35. Jahrgang 2004 | Nr. 2 © 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

von einem zugehörigen Lasersystem (Neodym-YAG-Laserbei 1064 nm Wellenlänge) resonant angeregt werden. Fürdie Suche nach einer Anisotropie der Lichtgeschwindigkeitwird dann die Frequenzdifferenz der Laser gemessen, in-dem man die beiden Strahlen auf einem schnellen Photo-detektor überlagert. Das Ergebnis wird dann als Funktiondes Drehwinkels analysiert.

Aufgrund der exzellenten Langzeitstabilität der kryoge-nen Resonatoren war es möglich, alleine die Erdrotationauszunutzen,was zu einer Signalperiode von knapp 12 Stun-den führt. Frühere Experimente mit Resonatoren warenhingegen auf eine vergleichsweise schnelle Drehung desLaboraufbaus durch einen Drehtisch angewiesen und in ih-rer Genauigkeit durch die dabei auftretenden Kräfte und Er-schütterungen beschränkt.

Das Experiment wurde über einen Zeitraum von vier-hundert Tagen betrieben und liefert etwa 3700 Stunden Da-ten. In unsere Analyse gehen 199 Einzelmessungen von je-weils mindestens 12 Stunden Länge ein. Jede davon lieferteinen eigenen Wert für die Amplitude einer hypothetischenAbhängigkeit der Lichtgeschwindigkeit von der Ausbrei-tungsrichtung. Die Verteilung dieser Amplituden wurde sta-tistisch analysiert. Der in Abbildung 6 erkennbare abneh-mende Trend der Differenzfrequenz ist ein Zeichen fürStöreinflüsse, die nie völlig beseitigt werden können. BeiMittelung über eine Anzahl von Messungen können sie un-terdrückt werden. Für jeden der Datensätze wurde mit derMethode der kleinsten Fehlerquadrate die wahrscheinlich-ste Amplitude eines potenziellen, sinusförmigen Anisotro-piesignals bestimmt. Die Messgenauigkeit lässt sich an der

Streuung der Einzelresultate ablesen. Der Mittelwert ist imRahmen dieser Genauigkeit mit Null verträglich.

Mit δc/c0 = 3 · 10–15 erhalten wir einen neuen oberenGrenzwert für eine mögliche Anisotropie der Lichtge-schwindigkeit [6] – eine in etwa dreifach gesteigerte Ge-nauigkeit verglichen mit den besten Vorgängerexperimen-ten. Für die Parameter der Mansouri-Sexl-Testtheorie erhal-ten wir aus diesem Ergebnis einen neuen Grenzwert für dieParameterkombination (β – δ –1/2) = 3 · 10–9.

Das Kennedy-Thorndike-ExperimentDie Unabhängigkeit der Lichtgeschwindigkeit von der Re-lativbewegung wurde zum ersten Mal von Roy Kennedyund Edward Thorndike in den 1930er Jahren getestet [7].Im Rahmen der obigen Testtheorie bedeutet dies eine Mes-sung der Parameterkombination α – β +1. Man sucht dabeinach einer Änderung der Lichtgeschwindigkeit in Abhän-gigkeit von der Geschwindigkeit des Laborsystems, wie siedurch die Bewegung der Erde gegeben ist (Abbildung 2). Siesetzt sich zusammen aus der Bewegung der Sonne relativzum Bezugssystem der kosmischen Hintergrundstrahlung(369 km/s) und einer natürlichen Modulation durch die Um-laufbewegung der Erde um die Sonne (± 30 km/s) sowie dieErdrotation (± 330 m/s).

Bei der modernen Version des Experiments macht mansich wieder die Resonanzfrequenz eines Resonators zunut-ze. Man vergleicht diese Frequenz mit einer Referenzfre-quenz, die nicht direkt von der Lichtgeschwindigkeit ab-hängt. In unserem Experiment kam dafür ein Laser zumEinsatz, dessen Frequenz auf einen elektronischen Über-gang in molekularem Jod stabilisiert war.

Die enorme Langzeitstabilität der kryogenen optischenResonatoren war hier wieder ein entscheidender Vorteil:Während des 190 Tage laufenden Experiments konnte di-rekt nach möglichen Einflüssen der jährlichen Geschwin-digkeitsänderung (± 30 km/s) aufgrund der Bewegung derErde um die Sonne gesucht werden. Vorgängerexperimen-te waren aufgrund ihrer Temperaturdrift gezwungen, mitder hundert Mal kleineren täglichen Modulation durch dieErddrehung vorlieb zu nehmen.

Die Analyse unserer Daten zeigt, dass sich trotz der 60 km/s großen Variation der Erdgeschwindigkeit währendder 190-tägigen Messung die Lichtgeschwindigkeit um nichtmehr als ∆c/c0 < 6 · 10–12 (entsprechend 0,0018 m/s) geän-dert haben kann [8]. Daraus erhalten wir einen Grenzwertα – β + 1 ≤ 2 · 10–5 (C. Braxmeier et al., Physik in unsererZeit 2002, 33 (2), 53) .

Inzwischen konnte eine Kollaboration von Wissen-schaftlern des Bureau International des Poids et Mesuressowie des französischen Metrologieinstitutes BNM-SYRTE inParis und der University of Western Australia diesen Wertweiter verbessern. Sie verwendeten ebenfalls einen gekühl-ten Saphir-Resonator, jedoch im Mikrowellenbereich. DenJod-Frequenzstandard ersetzten sie durch eine andere Atom-uhr,einen Wasserstoff-Maser. Dies steigerte die Genauigkeitum insgesamt einen Faktor 50,obwohl nur die kleinere täg-

A B B . 6 | M E S S E RG E B N I S

Rechts: Differenzfre-quenz der auf die bei-den orthogonalen Resonatoren stabili-sierten Laser. Unten:Die Verteilung dieserAmplituden wurdedann statistisch ana-lysiert (rechte Histo-gramme).

Zeit/Tage

Resi

duen

/Hz

Am

plit

ude/

Hz

Page 6: Einsteins Theorie auf dem optischen Prüfstand: Spezielle Relativitätstheorie

© 2004 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Nr. 2 | 35. Jahrgang. 2004 | Phys. Unserer Zeit | 75

S P E Z I E L L E R E L A T I V I T Ä T S T H E O R I E | S PE Z I A L : E I N S T E I N

liche Geschwindigkeitsmodulation verwendet werdenkonnte [9].

Ergebnisse im Rahmen der Standardmodell-Erweiterung

Besonders interessant ist es,noch einmal einen Blick auf dieeingangs diskutierte Standardmodell-Erweiterung zu wer-fen. Diese beschreibt allgemeine Verletzungen der Speziel-len Relativitätstheorie, die als Resteffekte einer Theorie derQuantengravitation aufgefasst werden können. Demnachkönnten allgemeinere Verletzungen der Speziellen Relati-vitätstheorie existieren als in der Theorie von Mansouri undSexl beschrieben. Es ist daher besonders wichtig, dass mo-derne Experimente auch die allgemeineren Parameter derStandardmodell-Erweiterung bestimmen.

Mit unserem Michelson-Morley-Experiment können wireine Anzahl dieser Parameter bestimmen. Das gesuchte Sig-nal für diese Parameter besteht aus einer Vielzahl von über-lagerten Sinusschwingungen mit verschiedenen Frequen-zen, die Kombinationen aus der Frequenz der Erdrotation(1/Tag) mit der Frequenz des Umlaufs der Erde um die Son-ne (1/Jahr) sind. Misst man über einen Zeitraum von min-destens einem Jahr, so lassen sich diese Schwingungendurch Fourier-Analyse getrennt messen. Wir können so sie-ben Parameter der Standardmodell-Erweiterung auf Wertebis herab zu 10–15 eingrenzen [6]. Damit erreichen wir fürdie meisten Parameter eine um einen Faktor hundert er-höhte Genauigkeit im Vergleich zur einzigen früheren Mes-sung dieser Parameter [10].

Das Experiment bestimmt dabei die Werte der meistenParameter unabhängig voneinander, im Gegensatz zu demfrüheren Experiment. Das ist auf Grund der über einjähri-gen Messung möglich und ist wichtig,weil sich – zumindesttheoretisch – von Null verschiedene Parameter in der Kom-binationen zu Null aufheben können. Wenn ein Experimenteine solche Kombination bestimmt, wäre es unempfindlichauf Verletzungen der Relativitätstheorie. Diese potenzielleLücke wurde mit unserem Experiment jedoch weitgehendgeschlossen.

Weitere Steigerung der GenauigkeitWie gezeigt, hat Einsteins Theorie bisher jeder experimen-tellen Überprüfung standgehalten. Mögliche Abweichun-gen von der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit wurden aufwenige Billiardstel für eine mögliche Richtungsabhängig-keit eingegrenzt.

In Zukunft sollen die Genauigkeiten beider hier vorge-stellter Experimente noch um einen Faktor hundert bis tau-send gesteigert werden. Beim Kennedy-Thorndike-Experi-ment kann dies durch den Einsatz einer besseren optischenAtomuhr erreicht werden, beim Michelson-Morley-Experi-ment durch den Einsatz verbesserter optischer Resonatorenund eines Luftkissen gelagerten Drehtisches mit optimier-ter Drehrate.

Des weiteren sind Weltraumexperimente geplant: DasProjekt SUMO [11] sieht die Installation eines kryogenen Re-

sonators auf der Internationalen Raumstation ISS vor. DasProjekt OPTIS [12] soll an Bord eines eigenständigen Satel-liten mit Resonatoren und Atomuhren arbeiten. Diese Ex-perimente zur Relativitätstheorie profitieren vor allem vonder freien Wahl der Rotationsfrequenz des Satelliten undder schnellen Modulation der Geschwindigkeit des Satel-liten durch das Umrunden der Erde. Sie könnten am Endedieses Jahrzehnts realisiert werden.

ZusammenfassungLicht breitet sich mit konstanter Geschwindigkeit aus, unab-hängig von der Ausbreitungsrichtung des Lichtstrahls zumBeobachter und der Relativbewegung. Diese Grundaussageder Speziellen Relativitätstheorie wurde jetzt in einem mo-dernen Michelson-Morley-Experiment mit einer Präzision vonwenigen Teilen in einer Billiarde bestätigt. Dazu wurden dieResonanzfrequenzen zweier optischer Resonatoren, die aufTemperaturen nahe des absoluten Nullpunktes abgekühltwaren, über mehr als ein Jahr verglichen.

StichworteSpezielle Relativitätstheorie,Mansouri-Sexl-Theorie,Michel-son-Morley-Experiment, Kennedy-Thorndike-Experiment,Interferometer, Frequenzstabilisierung von Lasern.

Literatur[1] A. Einstein, Ann. Phys. 11990055, 17, 132.[2] V.A. Kostelecky, M. Mewes, Phys. Rev. D 22000022, 66, 056006.[3] R. Mansouri, R.U. Sexl, General. Relativ. Gravitat. 11997766, 8, 495. [4] G. Saathoff et al., Phys. Rev. Lett. 22000033, 91, 190403.[5] A.A. Michelson, Am. J. Sci. 11888811, 22, 120; A.A. Michelson, E.W.

Morley, Am. J. Sci. 11888877, 34, 333.[6] H. Müller et al., Phys. Rev. Lett. 22000033, 91, 020401; Appl. Phys. B,

22000033, 77, 719. [7] R.J. Kennedy, E.M. Thorndike, Phys. Rev. 11993322, 42, 400.[8] C. Braxmaier et al., Phys. Rev. Lett. 22000022, 88, 010401.[9] P. Wolf et al., Phys. Rev. Lett. 22000033, 90, 060402; gr-qc/0306047v1

(2003).[10] J. Lipa et al., Phys. Rev. Lett. 22000033, 90, 060403.[11] S. Buchman et al., Adv. Space Res. 22000000, 25, 1251.[12] C. Lämmerzahl et al., Classical Quantum Gravity 22000011, 18, 2499.

Die AutorenAchim Peters, geb. 1966 in Köln, Physikstudium inKöln und München, 1991 Diplom an der LMUMünchen, 1998 Promotion an der StanfordUniversity, USA; 1998 - 2002 an der UniversitätKonstanz, seit 2002 Juniorprofessor an der Hum-boldt-Universität zu Berlin.

Holger Müller, geb. 1974 in München, Physikstudi-um an der Universität Konstanz, 2000 dort Diplom;2004 Promotion an der Humboldt-Universität zuBerlin.

AnschriftHumboldt-Universität zu Berlin, Institut für Physik,Hausvogteiplatz 5-7, 10117 [email protected]