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Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

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Page 1: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen
Page 2: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

B

Page 3: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

CHEMISCHE REIHE

Band 27

Springer Basel AG

Page 4: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

ELEKTROCHEMIE GRUNDLAGEN UND ANWENDUNGEN

Band II

Prof. Dr. GIULIO MILAZZO

Chemisches Institut der Fakultiit fur Ingenieurwesen der Universitat Rom

Unter Mitarbeit von

R. DEFAY (Bruxelles), 1. EPELBOIN (Paris), P. GALLONE (Mailand), M. GARREAU (Paris), F. HILBERT (Graz), S. HJERTEN (Uppsala), N. IBL (Zurich), K. M. OESTERLE (Zurich), E. PUNGOR (Budapest), A. Roy (Beer Sheva), A. SCHMIDT (Eppenheim), K. TOTH (Budapest)

2., neu bearbeitete und erweiterte Aufiage Band 2 mit 49 Abbildungen

1983

Springer Basel AG

Page 5: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

CIP-KufZtitelaufnahme der Deutschen Bibliothek

Milazzo, Giulio:Elektrochemie : Grundlagen u. Anwendungen / GiulioMilazzo. Unter Mitarb, von R. Defay ..., Basel ;Boston ; Stuttgart : Birkhäuser

i. Aufl. im Verl. Springer, Wien2. - 2., neubearb. u. erw. Aufl. 1983.

(Lehrbücher und Monographien aus dem Gebiete derexakten Wissenschaften : Chem. Reihe ; Bd. 27)ISBN 978-3-0348-5367-5

NE : Lehrbücher und Monographien aus dem Gebiete derexakten Wissenschaften / Chemische Reihe

Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt.Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Ge-nehmigung des Verlages in irgendeiner Form durch Fotokopie, Mikrofilm oderandere Verfahren reproduziert oder in eine für Maschinen, insbesondere Daten-verarbeitungsanlagen, verwendbare Sprache übertragen werden. Auch die Rechteder Wiedergabe durch Vortrag, Funk und Fernsehen sind vorbehalten.

© 1983 Springer Basel AGUrsprünglich erschienen bei Birkhäuser Verlag Basel 1983Softcover reprint of the hardcover 2nd edition 1983

ISBN 978-3-0348-5367-5 ISBN 978-3-0348-5366-8 (eBook)DOI 10.1007/978-3-0348-5366-8

Page 6: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

VORWORT ZUM ZWEITEM BAND

In diesem Band werden einige Beispiele von Anwendungen elektro­chemischer Verfahren aus den verschiedenen industriellen Gebieten aufge­fiihrt, in denen elektrochemische Kenntnisse und Techniken mit Vorteil ausgeniitzt werden konnen.

Der Zweck ist nicht, soweit wie moglich, alle, oder wenigstens viele, elektrochemische Prozesse von industriellem Interesse in allen Einzelhei­ten zu beschreiben : dies ware nicht nur unmoglich, sondern wurde auch vom Ansatz her den Rahmen dieses Werkes iibersteigen. Der Zweck der Wahl und der Besprechung einiger elektrochemischer Verfahren besteht darin, auf der Grundlage einiger wichtiger und typischer Industrie­prozesse den prinzipiellen Weg zu zeigen, wie man aus den fundament a­len Kenntnissen zu den realen okonomischen Anwendungen gelangt.

Von diesem Prinzip ausgehend wird es auch nicht notwendig, die Technik jeweils auf ihrem aktuellsten Stand in der Beschreibung zu beriicksichtigen, weil der Weg von den Grundkenntnissen zu den indu­striellen Anwendungen immer derselbe und unabhangig von den Fort­schritten der Technologie ist. Ich hoffe, damit den jungeren Kollegen, die sich den industriellen Anwendungen der Elektrochemie widmen wol­len, den Weg zu erleichtern.

Rom, im Februar 1983

G IULIO MILAZZO

Page 7: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

VERZEICHNIS DER VERWENDETEN SYMBOLE *

Da die Zahl der zu Verfligung stehenden Buchstaben, trotz den Varianten (gross, klein, gewohnlich, kursiv, fett u.s.w.) flir die Bezeichnung aller verwende­ten Grossen nicht genligt, werden manchmal mit demselben Symbol verschiedene Grossen bezeichnet. Dies ist aber yom Text her klar ersichtlich.

Damit dieses Verzeichnis nicht unnotigerweise alIzulang wird, werden die Symbole wenig verwendeter Grossen hier nicht angeflihrt, deren Bedeutung jeweils dort im Text angegeben wird, wo diese Grossen Verwendung finden.

a ads

a.c.

aq

A

A

AEn

As! A

Ah

.91

.91 C

c.d. e

C

°C d

d.c. d

D

e e

Aktivitat; Beschleunigung

(als Index) adsorbiert

Wechselstrom

(als Index) wassrige Losung

freie Energie (HELMHOLTZ)

elektrochemische freie Energie

Energieausbeute

Stromausbeute

Ampere

Amperestunde

Affinitat

elektrochemische Affinitat

Konzentration (im allgemein) ;

Stromdichte

Kapazitat; ZelIkonstante flir

Leitfahigkeitsmessungen

Coulomb

Celsius Grad

Dichte; Dicke

Gleichstrom (vollstandiges) Differential

Diffusionskoeffizien t

(als Index) aussere

Elektronenladung

e-

exp(x)

E

E

f

f( .. ·)

fA F

F

g

G

G

h

h

H

H

Elektron in chemischen Glei­

chungen

= Exponential = eX

Energie (im allgemein) ; innere

Energie

elektrochemische inn ere Ener­

gie

Akti vi tatskoeffizien t

(Molenbruchskala) ; Frequenz

Funktion von ( ... )

Lei tfahigkei tskoeffizien t

Kraft

FARAD A y-Konstante

(96500 Coulombs)

Gramm

freie Enthalpie (GIBBS) ; Kon­

duktanz (Leitfahigkeit)

Elektrochemische freie Enthal­

pie

partielle molare Enthalpie;

Rohe

Stunde

Enthalpie

elektrochemische Enthalpie

• Flir spezielle, in dieser Liste nicht enthaltene, Symbole s. Text.

Page 8: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

VIII Verzeichnis der verwendeten Symbole

Teilchenart i; (als Index) p innere; auf Teilchenart i bezo- p ...

gene Grosse q

Ionenstiirke ; Stromstiirke Q

Austauschstromstiirke r

anodische Stromstiirke rev

kathodische Stromstiirke R Grenzstromstiirke s

Stromdichte; (als Index) auf sat

Teilchenart j bezogene Grosse s

Druck

-log ...

Wiirmemenge

Ladung (Elektrizitiitsmenge)

Radius

(als Index) reversibel

Gaskonstante; Widerstand

partielle molare Entropie

(als Index) gesiittigt

Sekunde

h Grenzstromdichte 5 Entropie; Fliiche

jo Austauschstromdichte Zeit; Temperatur CELSIUS

J Fluss Skala

J Joule t+, t- Uberfiihrungszahl

k BOLTZMANN Konstante; Ge- T Temperatur absolute

schwindigkeitskonstante einer u+, u_ Ionenbeweglichkeit

K

K

In

log

L

m

min

m

M

Mol

n

chemischen Reaktion; Propor- U

tionalitiitskonstante (im all- U 0

gemeinen) v

Gleichgewichtskonstante V

Kelvin V

L~~ w natiirlicher Logarithmus

dekadischer Logarithmus Wh

Induktanz ; L6slichkeitspro- x

dukt z+, z_

ONSANGER Koeffizient Z Masse; Konzentration [Mol/kg IX

L6sungsmittel (einst Molalitiit)]

Minute

Meter

Konzentration [Mol/Kubikde- ~

zimeter (Liter), (einst Mola-

ritiit)] y

Einheit der Substanzmenge

Molenzahl; Zahl der in einer /)

Elektrodenreaktion a usgeta u-

schten Elektronen (im allge- /)N

meinen) /)R

N, N A A VOGADRO'sche Zahl .:1

elektrische Spannung

elektrische Standard-Spannung

Gesch win dig kei t

Volumen, Klemmenspannung

Volt

Arbeit; Wanderungsgeschwin­

digkeit

\Vattstunde

Molenbruck ; Positionsvariable

Wertigkeit eines Ions

Impedanz

Dissoziationsgrad; Durchtritts­

koeffizient; als Index oben

links bezeichnet die betreffende

Phase

(als Index oben links) bezei­

chnet die betreffende Phase

Aktivitiitskoeffizient (molale

Skala)

Dicke der Doppelschicht;

unendlich kleine Menge

Dicke der Diffusionsschicht

Dicke der Reaktionsschicht

Differenz

Page 9: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Verzeichnis der verwendeten Symbole IX

A

A

v

partielles Differential

Dielektrizitatskonstante

elektrostatische Energie

elektrokinetische Spannung

II

p

Uberspannung ; Viskositat L

Konduktivitat (spezifische ct>

Konduktanz, spezifische Leit-

fahigkeit) X

Ionen-Aquivalentleitfahigkeit 'I" Aq ui valen tlei tfahigkeit

(mclM~ ~

chemisches Potential W

elektrochemisches Pot en tial

stoichiometrischer Koeffizient n ~ Umsatzvariable

elektrische Mem branspannung

Produkt

Resistivitat, spezifischer Wi­

derstand

Summa

inneres elektrisches (GALVANI)

Potential

o berflachen-Potential

ausseres elektrisches (VOLTA)

Potential

Transitionszeit

Rotationsgeschwindigkeit;

Kreisfreq uenz

Ohm

Page 10: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

INHAL T DES ERSTEN BANDES

Kap. 1. - Thermodynamische Grundlagen der Elektrochemie und elektrische Einheiten

Kap. 2. - Eletrolyte und Stromdurchfiihrung in Elektrolyten

Kap. 3. - Galvanische Zellen

Kap. 4. - Elektrolyse und Elektrodenkinetik

Kap. 5. - Analytische Anwendungen

Kap. 6. - Elektrochemie der Kolloide und elektrokinetische Erscheinungen

Page 11: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

INHALT

Kapitel VII: Allgemeines liber elektrochemische Betriebsanlagen

1. Einleitung I

2. Behiilter 5

3· Elektroden und Kontakte 6

4· Diaphragmen 12

5· Zusiitzliche Einrichtungen 18

Kapitel VIII: Elektrometallurgie wassriger Losungen

I. Einleitung 19

2. Die Struktur kathodischer Metallabscheidungen 22

3. Elektrolytische Raffination des Kupfers: Reaktionen 29

4. Elektrolytische Raffination des Kupfers: Anoden und Elektrolyt 32

5. Elektrolytische Raffination des Kupfers: Kathoden und Verfahren 35

6. Elektrolytische Raffination des Kupfers: Nebenprodukte 40

7. Kupfergewinnung durch Elektrolyse von Kupfer(II)-Losungen mit

unloslichen Anoden

8. Elektrolytische Raffination des Silbers

9· Elektrolytische Raffination des Goldes

10. Elektrol ytische Herstellung von Zink; Theorie

II. Elektrolytische Herstellung von Zink: Verfahren

12. Elektrol ytische Herstellung von Kadmium

13· Galvanotechnik: theoretische Grundlagen

14· Galvanotechnik: praktische Durchftihrung

15· Elektrol ytisches Polieren

16. Metallpulver .

I7· Korrosion und Passivitiit

41

44

48

53 61

66

69

72

76 81

82

Page 12: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

XIV Inhalt

Kapitel IX: Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

A. Grundlegende Reaktionen 100

A.2. Herstellung von Atznatron und Chlor: Theorie 102

A.3. Filterzellen mit stationarem Elektrolyt 107

A+ Zellen ohne Diaphragma mit Elektrolytkreislauf II I

A.5. Diaphragma-Gegenstrom-Zellen 113

A.6. Zellen mit Quecksilberkathoden 120

A.7. Fertigstellung der Produkte: Vergleich von Filter- und Queck-

silberkathodenzellen . 130

A.8. Herstellung von Hypochloriten und Chloraten 133

B. Andere nichtmetallurgische Elektrolyseverfahren 144

B.I. Elektrolyse des \Vassers 144

B.2. Anodische Oxidationen und Kathodische Reduktionen 155

B.3. Elektrolyse der Salzsaure . 164

B.4. Schwerlosliche Metallverbindungen 166

B.5. Entsalzung durch Elektrodialyse mit semipermeablen Membranen 168

Kapitel X: Elektrolyse geschmolzener Salze

I. Elektrolytische Herstellung von Aluminium: Elektrolyt und Reak-tionen 174

2. Elektrolytische Herstellung von Aluminium: Elektroden und Ver-fahren 182

3. Elektrolytische Herstellung von Aluminium: Rohstoffe und Hilfs-stoffe 185

4. Elektrolytische Raffination von Aluminium 188

5. Elektrolytische Herstellung von Magnesium Igl

6. Herstellung von wasserfreiem Magnesiumchlorid Ig6

7. Elektrolytische Herstellung von Natrium . Ig8

Kapitel XI: Primarbatterien und Akkumulatoren

I. Einleitung .

2. Leclanche-Elemente

3. Quecksilberoxid-Zink-Batterien

4. Andere Batterien

5. Brennstoffzellen .

204 207 21 3 216

21g

Page 13: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Inhalt

6. Bleiakkumulatoren .

7. Alkaliakkumulatoren

8. Alkalische Zink-Silber-Akkumulatoren

Kapitel xn: Andere Anwendungsgebiete

1. Elektrochemie der Gase •

2. Elektrophoretische Verfahren

Sachverzeichnis •

Tabellenverzeichnis •

xv

252

266

276

Page 14: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

KAPITEL VII

ALLGEMEINES fIBER ELEKTROCHEMISCHE BETRIEBSANLAGEN

von G. MILAZZO

1. Einleitung

Jedes elektrochemische Verfahren hat spezifische Eigenheiten und stellt Anforderungen, die natiirlich bei der Konzeption der Betriebsanlage, die zu seiner DurchfUhrung notwendig sind, beriicksichtigt werden miissen. Eine solche Anlage muss nicht nur den rein technischen Anfor­derungen des betreffenden Vorganges geniigen, sondern auch den wirt­schaftlichen Voraussetzungen des Betriebes entsprechen. Diese sind so veranderlich, dass sich eine gegebene Anlage in einigen Fallen als zu kostspielig, in anderen hingegen als wirtschaftlich erweisen kann. Manch­mal erlaubt der Vorgang eine entsprechende Abanderung, so dass man ihn dann weniger kostspielig und wirtschaftIich durchfUhren kann. Dariiber hinaus ist zu beachten, dass es oft ausserst schwierig ist, selbst vom rein technischen Standpunkt aus, gewisse wirtschaftliche Vorausset­zungen zu beriicksichtigen, wenn man, ohne den Standort zu kennen, unter einer Anzahl von zweckdienlichen Anlagen die geeignetste aussu­chen solI. Es gibt nicht nur fiir verschiedene elektrochemische Vorgange verschiedene wirtschaftlich und technisch giiltige Losungen, sondern auch fiir ein und denselben Vorgang gibt es zahlreiche verschiedene Anlagen. Trotz dieser Ubedegungen und trotz des standigen technischen Fort­schritts sind den elektrochemischen Anlagen gewisse Elemente eigen, die durchaus von einem allgemeinen Standpunkt aus zu betrachten sind, da sie allen gemeinsam sind.

Eine elektrochemische Betriebsanlage zur Elektrolyse in wassrigem Milieu setzt sich aus folgenden Bauelementen zusammen: Badbehalter, Elektroden, eventuell Diaphragmen und zusatzliche Einrichtungen fUr Elektrolytkreislauf, Absaugung von Elektrolysegasen, Abkiihlung oder Erwarmung des Elektrolyten etc. Ausserdem miissen in der Anlage ein Stromgenerator, ein Verteilernetz fUr den Strom, Verbindungen, Mess­instrumente u.a.m. vorgesehen werden. Diese letzte Gruppe der Bauteile

Page 15: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Tab. VII.I. - Verschiedene Typen von elektrochemischen Zellen (Klassifikation nach Zusammensetzung und Arbeitsweise).

A) N ach Betriebsweise A nwendungen

Mit Zufiihrung elektrischer Energie - Elektrolyse, nicht-metal­lurgische Verfahren

- Hydroelektrometallurgie - Elektrolytische Metallge-

winnung in geschmolzenen Salzen

Zur Erzeugung elektrischer Energie - Primarbatterien - Sekundarbatterien

Akkumulatoren - Brennstoffzellen

B) Nach der Art der Elektrodenanordnung

Monopolar

Beispiele

- Hooker-Diaphragmazellen Bipolar

C) N ach Typ und A rbeits­weise der A node

Wird verbraucht

Wird nicht verbraucht Fest

Poros

Wirbelbettelektrode

Festbettelektrode (bipolar) Loslich, fest

Festpartikel Fliissig

D) Nach Typ und Arbeits­weise der Kathode

Fest

Poros

- Elektrolyse von Wasser

Vorgang

- Elektrolyse von N aCI (wassr. Losg.)

- AI-Erzeugung (geschmol­zener Elektrolyt)

- F 2-Erzeugung (geschmol­zener Elektrolyt)

- Elektrolyse von N aCI (wassr. Losg.)

- °2-Brennstoffzelle

- Entfernung von CN

- Elektrosynthese von Propylenoxyd

- Elektroraffination von Metallen

- Tetraalkylblei - Na-S-Batterie

Vorgang

- Elektrolyse von NaCI wassr. Losg.

- Geschmolzenes NaCI - Elektrolyse von H 20

(alkalische Losg.) - H 2-02-Brennstoffzelle

A nodenmaterial

Graphit

Kohlenstoff

Kohlenstoff

Titan mit katalysieren­dem Uberzug Kohlenstoff, gesinter­tes Ni Metall oder metalli­sierte Partikel Mischung aus Glas und leitenden Kiigelchen Verunreinigtes Metall

Bleipastillen Natrium

K athodenmaterial

Stahl

Gusseisen Stahl

Kohlenstoff, gesinter­tes Nickel

Page 16: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Tab. VII.! (Fortsetzung).

Rotierend

Wirbelbett

Fliissig

E) Nach der Zusammen­setzung des Elektrolyten

Wassriges Losungsmittel

Organisches Losungsmittel Wassr. und organ. Losungsmittel

Emulsion

Geschmolzene Salze (bei hohen Tempera­turen)

F) Nach Vorhandensein oder Fehlen von Diaphragmen

Ungeteilte Zelle

Geteilte Zelle

Erzeugung von N a­Amalgam Organische Elektro­synthesen

- Wiedergewinnung von Metallen in verdiinnten Losungen Organische Elektro­synthesen Elektrolyse von NaCl (Amalgamverfahren) AI-Herstellung N a-S-Batterie

Verfahren

Elektrolyse von NaCI Elektrolytische Metallgewinnung Gal vanotechnik Raffination Tetraalkylblei

Elektrosynthese von Adiponitril

Elektrophoretische Abscheidung (Gummi, Latex und Farben) Elektrolyse von AI, Na, Mg, Li, Ti, Ta, Zr etc.

Verfahren

Herstellung von Hy­pochlorit, Chiorat und Perchiorat H ydroeIektrometal­lurgie EIektroIyse von Alu­minium (geschmolzenes SaIz) EIektrolyse von Wasser EIektrodialyse Elektrosyn these von Adiponitril N a-S-Batterie

Amalgamierte Stahlscheibe Metallzylinder

Metallkiige1chen

Metallkiige1chen

Quecksilber

Aluminium N atriumpolysulfid

Elektrolyt

Lauge Metallsaiz

Grignard-Reagens in Tetrah ydrofuran Acrylonitril gelost in H 20+NRCTosylat+ Acetonitril Wassr. Suspension von Polymeren

Eutektische Mischungen

Diaphragma

Keines

Keines

Keines

Asbest

Permeselektiv Permeselektiv

Fester Elektrolyt (~-Aluminiumoxid)

Page 17: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

4 Elektrochemische Betrie bsanlagen

der Betriebsanlage ist zwar nicht weniger wichtig als der erste, gehort aber mehr in das Arbeitsgebiet des Elektroingenieurs als des Chemikers ; sie wird daher in dieser kurzen Darstellung nicht behandelt.

Tab. VII.r gibt ein Beispiel der zahlreichen willkiirlichen Klassifi.­kationen der Zelle, die das Kernstiick jeder elektrochemischen Betriebs­anlage bildet. Jede industrielle Zelle besteht aus einer besonderen Kom­bination der verschiedenen Kategorien, die in der Tabelle aufgezeigt sind. Man schatzt die Kombinationsmoglichkeiten dieser Kategorien auf iiber 200000; industriell von Bedeutung sind jedoch wahrscheinlich weniger als 50. Dies lasst die Annahme zu, dass selbst bei den gebrauchlichsten elektrochemischen Vorgangen noch zahlreiche technische Verbesserungs­moglichkeiten bestehen. Wie schon erwahnt, wird diese Freiheit beim Bau der Zelle hauptsiichlich durch wirtschaftliche Uberlegungen ein­geschriinkt (1).

Wirtschaftliche Uberlegungen bestimmen in den meisten Fallen auch die Bemessung von Stromstarke und -dichte und somit die Grosse der Zelle. Bei gegebener Grosse def Zelle und einer gegebenen Anzahl von Zellen im Stromkreis fiihrt eine Erhohung der Stromdichte zu einer Zunahme der Produktionskapazitat und somit zu einer entsprechenden Senkung der Investitionskosten. Durch die Erhohung der Spannung nimmt jedoch auch der Energieverbrauch pro Produkteinheit zu. Anzahl und Grosse der Zellen sowie die Stromdichte fiir eine gewiinschte Tages­produktion werden also durch die Losung des Optimierungsproblems (2) festgestellt. In anderen Fallen wiederum werden Zellgrosse und Strom­dichte in erster Linie von technischen Argumenten wie Stromausbeute, Uberhitzung, Beschrankungen durch das Baumaterial etc. bestimmt.

Mit Ausnahme einer sehr beschriinkten Zahl unbedeutender Anwen­dungsgebiete bestehen aIle industriellen Elektrolyseanlagen aus hinter­einandergeschalteten Zellen. Dies bietet folgende Vorteie an:

r) Moglichkeit, aIle Zellen der Anlage durch eine einfache Justierung der Strom- und Spannungszufuhr durch den Gleichrichter unter der gleichen (optimalen) Belastung zu halten,

2) Moglichkeit, eine hinreichend hohe Gesamtspannung aufrechtzu­erhalten, so dass der Gleichrichter sowohl hinsichtlich der Investitions­kosten als auch des Wirkungsgrades unter optimalen Voraussetzungen arbeitet. Bei parallelgeschalteten Zellen wiirden schon geringe Abweichun­gen der Anordnung der Elektroden, der Arbeitstemperatur oder der Zusammensetzung des Elektrolyten das Gleichgewicht zwischen den Belastungen der verschiedenen Zellen weitgehend staren; ausserdem ware der Stromverbrauch des Gleichrichters im Vergleich zur Zellspannung viel zu hoch.

(1) N. IBL und E. ADAM, Chem. lng. Techn., 37 (1965) 573. (2) P. GALLONE, Trattato di lngegneria Elettrochimica, Tamburini, Milano

(1973), p. 40 -51.

Page 18: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Behalter 5

2. Behalter

Der Behalter, der zur Aufnahme des Elektrolyten dient, ist der erste Bestandteil jeder elektrochemischen Anlage Das Baumaterial wird durch die Form, die der Behalter haben 5011, und den in Betracht kom­menden elektrochemi,>chen Vorgang bestlmmt. Meistens werden viereckige oder zylindrische Behalter verschiedener Hohe velwendet. Andere For­men wie z.B. Filterpressen werden nur dann verwendet, wenn die Pro­dukte der Elektrolyse ganz oder teilweise aus Gasen bestehen.

Das Material, das zum Bau einer Elektrolysezelle verwendet wird, muss billig sein und darf weder yom Elektrolyten noch von den Elektro­lyseprodukten angegriffen werden. 1st die Korrosion unvermeidlich, so muss sie zumindest auf ein Minimum be,>chrankt werden; die dabei en.ts.tehenden Produkte dlirfen die Elektrolyseprodukte nicht verun­remus-en.

Flir den Bau von Elektrolysezellen werden die verschiedensten Zusammenstellungen natlirlicher und klinstlicher Materialien verwendet. So wird z. B. haufig noch Beton zum Bau der Elektrolysetroge ver­wendet, die bei der elektrolytischen Metallgewinnung und -raffination benotigt werden.

Der Innenraum der Betontroge wird durch eine Teerschicht geschiitzt und abgedichtet. Auch Holz, vor allem Kiefer und Mahagoni, wird noch in der Galvanotechnik und in der Elektroraffination verwendet, wenn man bei geringem Sauregehalt und einer entsprechenden Temperatur arbeitet. Die konventionellen Baumaterialien wie Beton, Holz und Sandstein werden jedoch vor allem in der Galvanotechnik und bei be­stimmten speziellen Reaktionen wie z.B. zur Herstellung von Persalzen immer mehr durch gewisse synthetische Harze wie z.B. Phenol-For­maldehyd, Polyvinylchlorid in Schichten und glasfaserverstarkter Po­lyester ersetzt. In letzter Zeit werden auch noch andere Stoffe eingesetzt : chlorierte Polymere oder die Kopolymere von Acrylonitril, Butadien und Styren, da diese Stoffe in oxydierendem Milieu nicht angegriffen werden, sie sind auch gegen hohe Temperaturen (bis 100°C und mehr) vollig widerstandsfahig.

Wenn die Kapazitat der Zelle, ihre Ausmasse oder die Arbeitstem­peratur sowohl erhohte mechanische Festigkeit als auch Stabilitat er­fordern, kommt als Baumaterial nur Stahl in Frage. Dies ist zum Beispiel bei der Elektrolyse von geschmolzenen Salzen oder bei der Elektrolyse von NatriumchloridlOsungen an einer Quecksilberkathode der Fall, da die Stromstarken bis zu 500 000 A ansteigen konnen und die Zellen eine Lange von 15 Metern und mehr haben konnen.

Haufig muss der Stahlbehalter mit einem entsprechenden Belag ausgekleidet werden, der yom Milieu chemisch nicht angegriffen werden darf. Feuerfester Belag besteht aus Stoffen wie Graphit oder Kohlenstoff, wie dies bei der Herstellung und Elektroraffination von Aluminium der Fall ist (hier stellen diese Stoffe auch die elektrischen Leiter dar), oder aus Magnesiumoxydziegeln, die zum Bau der Zellen verwendet werden, die zur Elektrolyse von geschmolzenem Natriumchlorid herangezogen

Page 19: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

6 Elektrochemische Betriebsanlagen

werden. Feuerfeste BeUige konnen aber auch aus Keramikstoffen bestehen wie z.B. diejenigen, mit denen die Kuppel im oberen Teil der Zellen ausgekleidet wird, die zum Sammeln des Chlors dient.

Bei der Elektrolyse wassriger Losungen ist Gummi haufig das Material, das zur Auskleidung der Zellen verwendet wird, sofern das Milieu nicht zu stark oxydierend wirkt, wie dies bei den Zellen zur Chlorherstellung oft der Fall ist. Neben Keramikkacheln und Blei wurde auch in den modernsten Anlagen eine Auskleidung mit Naturstein er­folgreich eingesetzt, obwohl die Abdichtung der Fugen mit geeigneten Kitten ein zusatzliches Problem aufwirft. Dies ist ein weiterer Grund dafiir, den neuesten synthetischen Materialien den Vorzug zu geben, da sie als fugenlose Folien oder Belage erhaltlich sind. Fiir den Betrieb bei niedriger Temperatur kann man sich nach wie vor die chemische Bestandigkeit herkommlicher Materialien wie Bitumen oder Asphalte zunutze machen, die sich vor allem in Verbindung mit Beton mit Vorteil verwenden lassen. Das gleiche gilt fUr geschmolzenen Schwefel, der eben­falls mit Erfolg als Zement oder als Uberzug selbst unter den ungiinstigsten Korrosionsbedingungen angewandt werden kann.

3. Elektroden und Kontakte

In diesem Abschnitt wollen wir von den elektrochemischen Vor­gangen absehen, bei denen die Elektroden als zu reinigender Rohstoff an der Reaktion beteiligt sind oder das Endprodukt der elektrochemischen Reaktion darstellen (wie elektrolytische Raffination, Galvanotechnik etc.). Es werden hier nur jene Verfahren in Betracht gezogen, bei denen die Elektroden einen dauernden Bestandteil der Anlage darstellen, selbst wenn es sich nur urn einen der beiden Pole handelt. Die zum Bau der Elektroden verwendeten Materialien miissen folgende Eigenschaften auf­weisen %

r) Sie diirfen weder vom Elektrolyten noch von den Elektrolyse­produkten angegriffen werden. 1st dies jedoch in einem gewissen Ausmass unvermeidlich, so diirfen die dabei entstehenden Produkte auf keinen Fall die Elektrolyseprodukte verunreinigen.

2) Dariiber hinaus miissen sie gute Leiter sein. 3) Sie sollten so billig wie moglich sein und fUr den geplanten

Elektrodenvorgang die geringeste Uberspannung aufweisen. 4) Findet jedoch bei dem betreffenden Vorgang eine kathodische

Reduktion oder eine anodische Oxidation statt, so muss die Uberspannung des Elektrodenmaterials fUr die Sauerstoff- bzw. Wasserstoffentladung so hoch als moglich sein, wenn fUr die Reaktion der Elektroreduktion bzw. -oxydation eine moglichst schwache Gasentwicklung und eine entsprechend hohe Stromausbeute erwiinscht ist.

Abgesehen von den Vorgangen, die die Verwendung von speziellen Elektroden notwendig machen, konnen die Elektroden in Metall-, Oxid-,

Page 20: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Elektroden und Kontakte 7

Graphit- oder Kohlenstoffelektroden eingeteilt werden. Die gebrauch­lichsten Metalle sind Eisen, Nickel, Aluminium, Blei und Platin (man verwendet heute auch platinierte Titanelektroden).

Eisen kann nur mit einem alkalischen Elektrolyten verwendet werden; selbst dann ist eine teilweise Auflosung der Elektrode unver­meidlich, vor allem ist dies bei hoher Temperatur und stark alkalischem Milieu der Fall. Wird das Eisen zu stark angegriffen, kann es durch das allerdings kostspieligere Nickel mit Vorteil ersetzt werden. Aluminium findet vor allem bei bestimmten metallurgischen Verfahren Verwendung, bei denen man es vorzieht, den kathodischen Niederschlag von der Un­terlage abzulosen, die die eigentliche Elektrode bildet. Blei bewahrt sich ausgezeichnet, wenn der Elektrolyt mit Schwefelsaure angesauert wird und keine Nitrate enthalt; eine gewisse Menge von Chloriden ist zulassig, verursacht jedoch eine betrachtliche Abniitzung der Elektroden infolge der Bildung von Bleidioxid, wobei Bleichlorid als Zwischen­produkt auftritt. Die noch tragbare Hochstmenge an Cl- lonen hangt von den relativen Kosten der Herstellung neuer Elektroden und der Reinigung des Elektrolyten von Chloriden abo Platin ist, speziell flir Anoden, zweifellos das widerstandsfahigste Material; seine Verwendung wird jedoch durch seinen sehr hohen Preis stark eingeschrankt. Bis heute ist Platin das einzige Material fiir Anoden, die mit stark oxidierenden Elektrolyten verwendet werden miissen, wie dies vor all em bei der Her­stellung von Persalzen oder Verbindungen der Fall ist, die an der Anode gebildet werden. Seit der Verwendung von platinierten Titanelektroden hat sich das Anwendungsgebiet von Platin betrachtlich erweitert.

Unter den Oxiden eignen sich vor allem Bleidioxid und Magnetit zum Bau von Elektroden, besonders von Anoden. Die bereits erwahnten metallischen Bleielektroden sind in Wirklichkeit Bleidioxidelektroden, da sie sich bei ihrer Verwendung als Anoden mit einer mehr oder weniger dicken Bleidioxidschicht bedecken. Es ist jedoch auch moglich, Elektro­den aus massivem Bleidioxid herzustellen, indem man die Eisen-, Glas-, Kohlenstoff- oder Titanstabchen, die als Unterlage dienen, in Form eines Kammes anordnet, der in Elektrolyten als Elektrode Verwendung findet, die besonders viel Cl- und NO a - lonen enthalten. Der grosste Nachteil dieser Elektroden ist ihre Zerbrechlichkeit. Eine vielverspre­chende Technik, die in letzter Zeit ausgearbeitet wurde, erlaubt jedoch die Herstellung von widerstandsfahigen kompakten Bleidioxidiiberziigen durch elektrolytische Abscheidung auf einer geeigneten Unterlage wie z.B. Graphit. Daflir werden wassrige Losungen von Bleisalzen wie z.B. Bleinitrat verwendet. Hier sei festgestellt, dass die elektrolytische Ab­scheidung von Bleidioxid in diesem Fall ein anodischer Vorgang ist.

Handelt es sich urn Elektrolyte, die in unterschiedlichem Ausmass oxidierte Chlorverbindungen enthalten, so haben sich Magnetitelektroden als sehr niitzlich erwiesen ; dies gilt auch fiir schwefelhaltige Elektrolyten, wenn die geringe Menge Eisen, die in jedem Fall in die Losung geht, die Elektrolysereaktion nicht stort. Auch fiir diese Elektroden gilt, dass ihre Zerbrechlichkeit den grossten Nachteil darstellt und dass auch sie leider nicht in grossen Dimensionen herstellbar sind. Dariiber hinaus

Page 21: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

8 Elektrochemische Betriebsanlagen

stort noch der relativ hohe spezifische Widerstand von 25 X 10-3

Ocm. In letzter Zeit haben einige elektrokatalytische Mischoxide, wie

z.B. Titanoxid mit Rutheniumoxid, an Bedeutung gewonnen, die als diinne Belage (10 bis 20 [Lm) auf eine Titanunterlage aufgetragen werden und als Anode in Chlorzellen Verwendung finden. Auf diesem speziellen Gebiet haben diese aktivierten Titananoden zum grossten Teil den Platz von Graphit eingenommen.

Auch Kohlenstoff eignet sich hervorragend als Anodenmaterial, und zwar sowohl als Retortenkohle als auch in Form von Graphit. Seit­dem Graphit kiinstlich industriell hergestellt werden kann, hat sich seine Verwendung allgemein durchgesetzt. Der spezifische Widerstand von Graphit liegt zwischen 0,6 und 1,3 X 10-3 0 cm gegen (4-6,5) X 10-3

o cm fiir Kohlenstoff. Graphit ist mechanisch hinreichend fest und lasst sich gut bear­

beiten. Er ist besonders widerstandsfiihig gegen Chloride, wird jedoch von oxidierenden Stoffen leicht angegriffen. Seine mittlere Porositat (s. Abschn. 4) liegt zwischen 19 und 25 %, die scheinbare Dichte daher zwischen 1,58 und 1,65 g/cm3 • Die Porositat der Elektrode kann durch eine Impragnierung mit Stoffen wie Paraffin, Bitumen, MineralOl, Sikka­tivol, Naphthalin, Chlornaphthalin etc. verringert werden. Naphthalin und Chlornaphthalin zeigen relativ gute Ergebnisse, doch ist das Problem noch nicht endgiiltig gelost. Weitere Untersuchungen werden mit aus­gesprochen po rosen Elektroden durchgefiihrt, da sie dank ihrer Porositat gleichzeitig als Elektrode und als Diaphragma dienen konnen (3). Die Verwendung von besonderem porosem Kohlenstoff als Gaselektroden fur Brennstoffzellen hat fUr die Praxis grosste Bedeutung.

Amorpher Kohlenstoff ist nicht nur billiger als Graphit, er ist ihm auch trotz seines hoheren spezifischen Widerstandes in vieler Hinsicht technisch uberlegen, da Graphit durch seine Schichtstruktur dem Produkt der Anodenreaktion ein Eindringen zwischen die Schichten ermoglicht, wodurch eine innere Unterbrechung und eine rasche Zerstorung bewirkt wird. Ein typisches Beispiel fiir diese Erscheinung ist die Elektrolyse von Wasserstoff-Fluorid in einem geschmolzenen Salzbad mit der an­nahernden Zusammensetzung KF· 2 HF zur Herstellung von gasformigem Fluor. Wahrend eine Graphitanode durch Entstehung von fluorierten Verbindungen (CF)xin der Graphitmasse schnell zerstort wiirde, widersteht amorpher Kohlenstoff der Bildung solcher fluorierter Verbindungen, mit Ausnahme einer diinnen Schicht an der Oberflache. Diese Oberflachen­schicht ist jedoch von grosster Wichtigkeit: sie wird weder von Wasser noch von KF· 2 HF benetzt, so dass kein Elektrolyt in die Poren ein­dringen kann. Die unbenetzte porose Struktur lasst das Fluor entweichen. Diese Moglichkeit des Entweichens ist notwendig, da sonst eine dem Be­netzen ahnliche Erscheinung durch den gasformigen Fluor dadurch

(3) G. W. HEISE et al., Trans. Electrochem. Soc. 75 (1939) 147; 77 (1940) 411; 80 (1941) 121; 88 (1945) 81.

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Elektroden und Kontakte 9

ermoglicht wird, dass der Elektrolyt den Kohlenstoff nicht benetzt. Bei diesem Vorgang bilden sich stark anhaftende linsenfOrmige Blasen, die unter ungunstigen Versuchsbedingungen die ArbeitsoberfHiche der Elek­trode abdecken und so eine spiirbare Abnahme des Elektrolysenstroms verursachen konnen; es handelt sich dabei urn eine Folgeerscheinung des sogenannten Anodeneffektes. Ein anderes wichtiges Beispiel der Ver­wendung von amorphem Kohlenstoff ist die elektrolytische Aluminium­gewinnung aus geschmolzenen Kryolith-Aluminiumoxid-Badern. Dabei wird das Anodenmaterial verbraucht, da es unter Bildung von CO und CO 2 bei der Entladung des Sauerstoffs depolarisierend wirkt.

Das Material, aus dem die Elektrode besteht, bestimmt deren Form sowohl aus mechanischen wie auch aus wirtschaftlichen Grunden. Am gebrauchlichsten werden perforierte oder kompakte Platten, Netze aus mehr oder weniger starken Drahten, spiralenformig auf entsprechen­de Rahmen aufgerollte Drahte, Biirsten etc. als Formen fUr Metalle­lektroden verwendet. Die Wahl dieser Formen wird hauptsachlich durch die Herstellungskosten des verwendeten Materials bestimmt. Oxidelek­troden, die nicht zu Platten geformt werden konnen, werden haufig als einfache oder zu Kammen angeordnete Stabchen verwendet. Da Graphit sich sehr leicht bearbeiten lasst, kann er stets so geformt werden, wie es dem elektrochemischen Vorgang entspricht, fUr den die Elektrode bestimmt ist.

Die Idee der Verwendung von W irbelbettelektroden wurde von M. FLEISCHMANN und seinen Mitarbeitern (4) entwickelt. Eine solche Elektrode besteht aus einem Bett elektrisch leitender Partikel, die von einem Elektrolytstrom in Bewegung gehalten werden. Auf diese Weise kann man, wenn es erforderlich ist, mit sehr niedrigen Stromdichten und dennoch wirtschaftlich arbeiten. Urn diesen Gedankengang naher zu erlautern, muss daran erinnert werden, dass die Ausmasse der spezi­fischen Oberflache der Arbeitselektrode einer traditionellen Zelle zwischen lund 30 m 2 pro m3 Zellvolumen liegen. Diese Konstruktion ist fiir Reak­tionen bestens geeignet, die wie z.B. die Elektrolyse von Natriumchlorid bei Stromdichten von uber 1000 A m- 2, d.h. bei Stromkonzentrationen in der Grossenordnung von 10-100 kA m-3 , ausgefUhrt werden konnen. Andererseits mussen zahlreiche organische elektrolytische Reaktionen, die fiir die Industrie wichtig sind, bei Stromdichten unter 100 A m-2

durchgefUhrt werden; diese reduzierte Leistung der Zelle pro Volumenein­heit wurde eine unrationelle Investition bedeuten. Urn dieses Problem zu 16sen, musste man eine neue Zelle mit grosserer spezifischer Elektro­denoberflache entwerfen, wie sie beim Einsatz der Wirbelbettelektrode vorliegt. Diese Wirbelbettelektroden bewahren sich nicht nur bei Of­

ganischen Elektrosynthesen, sondern auch bei der elektrolytischen Wie­dergewinnung von Metallen aus sehr verdunnten Losungen, die nicht nur aus wirtschaftlichen Grunden notwendig werden kann, sondern

(4) M. FLEISCHMANN et al., Chem. Eng. 1968, No. I, I; ]. Elecirochem. Soc. 116 (1969) II6.

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10 Elektrochemische Betriebsanlagen

auch urn zu verhindern, dass die Verschmutzung der Gewasser durch Industrieabwasser zu stark wird.

Die Elektroden konnen auf verschiedene Arten in den Stromkreis eingeschaltet werden: entweder durch monopolare oder durch bipolare Schaltung. Bei der monopolaren Schaltung hat die Elektrode ausschIiess­lich die Funktion einer Anode bzw. Kathode und wird wie in Abb.VII.r

- - - - -- 2 +

l I

T 2

Abb. VII.I. - Monopolare Schaltungen.

2 3

II· I ! ,I 1.11 +

~ 2

Abb. VII.3. - Bipolare Elektroden in verschiedenen Zellen

2 2 3 , f-o .r , -+ ... 3

+ - I- >- -

Abb. VII.2. - Bipolare Elektroden in derselben Zellen.

gezeigt, an die Stromquelle angeschlossen. Da bei elektrolytischen Vor­gangen sehr niedrige Spannungen, etwa in der Grossenordnung von einigen Volt, verwendet werden, schaltet man in der Regel mehrere gleiche Zellen hintereinander, urn auf diese weise die gesamte elektri­sche Spannung des vom Verteilernetz gelieferten Gleichstroms voll aus­zuniitzen.

Bei der bipolaren Schaltung weist jede Zelle mehrere Elektroden auf, die auf einer Seite als Anoden, auf der anderen als Kathoden ar­beiten. Mit Ausnahme der Endelektroden sind sie nicht direkt an die Strom que lIe angeschlossen (s. Abb.VII.2 und 3). Die Zelle verhalt sich

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Elektroden und Kontakte II

so, als ob sie - wie dies in einzelnen Fallen tatsachlich geschieht - in mehreren Einzelzellen unterteilt ware, deren Anoden jeweils mit den Kathoden der iibrigen Zellen kurzgeschlossen wiirden. Sollen mehrere in denselben Elektrolysetrog eintauchende Elektroden als bipolare Elek­troden fungieren, so muss aus eben diesem Grund darauf geachtet werden, dass diese Elektroden gross genug sind, um den Hauptquerschnitt der Zelle moglichst vollstandig zu decken und die Zelle in Teilzellen zu un­terteilen. Zwischen den Teilzellen darf keinerlei elektrolytische Verbin­dung bestehen, die zu einem Stromverlust fiihren konnte. Eine eingehen­dere Betrachtung der in Abb.VII.2 gezeigten bipolaren Schaltung ergibt, dass in dem Fall, wo jede Elektrodenplatte die gesamte Breite des Elek­trolysetrogs einnimmt, die zwischen den beiden Endelektroden angelegte elektrische Spannung in der ganzen Apparatur ein in eine einzige Rich­tung orientiertes elektrisches Feld erzeugt.

Auf diese Weise werden die Kationen gezwungen, in der Richtung des Feldes zu wandern (d.h. yom positiven zum negativen Pol), wahrend die Anionen in der entgegengesetzten Richtung wandern, bis sie auf die nachste Platte stossen. Da aIle Platten eine anodische und eine kathodische Seite aufweisen, entsteht somit auf den beiden Seiten jeder Platte eine elektrische Halbzellenspannung. So gesehen ist jede Platte bipolar, obwohl die einzelnen Elektroden an sich als aquipotential angesehen werden konnen, da der ohmsche Spannungsabfall in einer metallischen Phase geringer Dicke vernachlassigt werden kann. Daraus geht hervor, dass die gesamte elektrische Spannung, die an die Endelektroden angelegt ist, sich gleichmassig auf die durch die Platten gebildeten Abteile verteilt. Diese Abteile bilden daher eine Reihe hintereinandergeschalteter Elek­trolysezellen. Da die Anzahl der Zellen, die so zu einem Block zusammen­geschlossen sind, aus baulichen Griinden beschrankt ist, kann man mehrere derartige Blocke zu einem kompakten Stromkreis hintereinan­derschalten, um die von den Gleichrichtern gelieferte Gleichspannung, die normalerweise verhaltnismassig hoch ist, entsprechend auszuniitzen. Der Vorteil einer solchen Anlage besteht iiber die Ersparnis an Boden­flache und der geringen Anzahl an Verbindungsleitungen, die zu Span­nungsverlusten fiihren, hinaus noch in der Moglichkeit, moderne Gleich­richter mit hoher Spannung anzuwenden und so eine maximale Leistung bei der Umwandlung von Wechselstrom in Gleichstrom zu erreichen.

In der Regel werden die Elektroden senkrecht montiert, da dies sowohl einfacher als auch platzsparend ist und ausserdem die gasformigen Produkte auf diese Art leichter entweichen konnen. Die Elektrode muss waagerecht montiert werden, wenn sie aus einer fliissigen Metallschicht besteht, wie dies z.B. bei Zellen mit Quecksilberkathode der Fall ist, die zur Chlor- und Natronherstellung Verwendung :tinden, oder bei Zellen fiir Aluminiumerzeugung, in denen fliissiges Aluminium am Bo­den der Zelle als Kathode arbeitet. 5011 das an der Elektrodenober­flache entstehende Gas langsam aufsteigen, um vollkommen mit den von der anderen Elektrode ausgehenden Produkten zu reagieren, werden die Elektroden schrag montiert. Tatsachlich kann man durch diese Anordnung verhindern, dass die an der erst en Elektrode entstehenden

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12 Elektrochemische Betriebsanlagen

Gase auf die zweite Elektrode gelangen, was einen Leistungsabfall zur Folge hatte. Ein besonders kritischer Punkt der Anlage sind die Kontakte zwischen den Stromleitungen und den Elektroden, da bei den zur Elek­trolyse verwendeten hohen Stromstarken und niedrigen Spannungen schon Widerstande in der Grossenordnung von IQ-3 bis 10-2 n bedeutende Energieverluste verursachen konnen. Bei Elektrolyseanlagen, wie sie in der Industrie ublich sind, sind Stromstarken von 1 000 A nicht ubermassig hoch; fiiesst der Strom jedoch durch einen Widerstand von 0,001 n, so sinkt die Spannung urn 1 V. Falls die Spannung, die an die Zelle angelegt ist, 3 V betragt, so betragt der Energieverlust durch die an den Wider­stand abgegebene Warme bereits 33 %. Es ist jedoch selten, dass zwischen Elektrode und Stromzufiihrung nur ein Kontakt besteht, da in den meisten Fallen mehrere benotigt werden.

Hier muss man noch verschiedene Arten von sogenannten Zwischen­kontakten erwahnen. Es gibt Zwischenkontakte, bei denen es moglich ist, die Elektroden ohne Unterbrechung des Arbeitsablaufs auszuwech­seln; andere wiederum werden dazu verwendet, die kupfernen Strom­zufiihrungen mit den Elektroden zu verbinden, die im allgemeinen aus einem anderen, teuereren Material bestehen.

Man muss zwischen zwei grundlegenden Typen der elektrochemi­schen Vorgange unterscheiden : in einem Fall stellen die Elektroden den Ausgangsstoff oder das Produkt der Elektrolyse dar und mussen daher regelmassig ausgewechselt werden; im anderen Fall ist die Elektrode ein fester Bestandteil der Anlage. 1m ersten Fall werden sehr einfache Kontakte bevorzugt, so dass die Elektroden moglichst schnell und einfach abgeschaltet und ausgewechselt werden konnen. Hier darf der Kontakt zwischen Elektrode und Stromnetz gewisse Unvollkommenheiten auf­weisen. 1m zweiten Fall hingegen ist man bemuht, die Kontakte so gut wie moglich zu gestalten; dadurch erfordert ein Auswechseln der Elek­troden naturlich mehr Zeit und Arbeit. Der Elektrodenwechsel wird hier zwar in viel grosseren Zeitabstanden vorgenommen, doch ist er in jedem Fall wegen der unvermeidlichen Abnutzung der Elektroden uner­lasslich.

4. Diaphragmen

Ein Diaphragma ist eine Trennwand, die zwar den Durchfluss von elektrischem Strom gestattet, jedoch jeden Kontakt zwischen den an der Anode und den an der Kathode entstandenen Elektrolyseprodukten verhindert. Auf diese Weise wird verhindert, dass es zu Sekundarreak­tionen kommt, die die Leistung der Anlage vermindern wiirde; eben so· wird die Bildung von Verunreinigungen weitgehend vermieden, die die Qualitat dieser Produkte beeintrachtigen konnten. 1m weitesten Sinn kann man sich vorstellen, dass im Verlauf einer Elektrolyse die Stoffe, die durch den Stromdurchfiuss entstehen, sich in gasfOrmigem oder in festem Zustand abtrennen oder aber auch im Elektrolyt in Losung bleiben. Manchmal enthalt die Elektrolytlosung geringe Mengen fester Stoffe,

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Diaphragmen 13

die nicht aus der Elektrolysereaktion stammen und als Verunreinigungen in die Elektrolyseprodukte iibergehen konnen. Diesem Problem muss Beachtung geschenkt werden, will man vermeiden, dass es in einer Anlage zu Kontakten zwischen den festen Stoffen kommt, die an den beiden Elektroden entstehen.

Sind die Produkte, die man trennen will, fest oder gasformig, so hat das Diaphragma eher die Funktion eines Filters als die eines Dia­phragmas im eigentlichen Sinn des Wortes. Bei gasfOrmigen Stoffen ist dies sehr leicht zu erreichen. Fallweise ~~steht das Diaphragma aus einer Metallplatte oder einem Sieb, dessen Offnungen etwas kleiner als der Durchmesser der GasbHischen sind. Verwendet man so ein Diaphragma, dann muss die elektrische Spannung zwischen den beiden Elektroden geringer sein als die doppelte Zersetzungsspannung des Elektrolyten; ware dies nicht der Fall, wiirde das metallische Diaphragma wie eine bipolare Elektrode wirken. Dariiber hinaus kann man ein Diaphragma verwenden, das aus einem Stoff besteht, der in Bezug auf den Elektro­lyten unempfindlich ist. Handelt es sich bei den zu trennenden Produkten urn feste Stoffe und muss ein Kontakt mit der anderen Elektrode aus bestimmten Griinden verhindert werden, so kann man einen porosen festen Stoff als Trennwand einsetzen. Sehr haufig wird ein Sack ver­wendet, der aus verhaltnismassig feinen Fasern gewebt oder gewirkt ist und eine der beiden Elektroden einhiillt. Dieser Sack wird in der Regel aus einem moglichst aschefreien organischen Stoff hergestellt. So kann er unter Umstanden verbrannt werden, ohne Riickstande zu hinterlassen. Alle diese Stoffe werden jedoch durch den Elektrolyten leicht ange­griffen. Muss das Diaphragma nicht zu haufig ausgewechselt werden, so stehen zahlreiche andere porose Stoffe zur Verfiigung, die entweder alkalischen Elektrolyten (Asbest) oder sauren Elektrolyten (Kieselgur, Kieselerdepulver, Glaspulver, Carborundum etc.) gegeniiber bestan­dig sind.

Das Diaphragma wirkt als echtes Diaphragma, wenn die Elektro­lyseprodukte im Elektrolyten gelOst bleiben oder selbst Elektrolyte sind. Eine Diffusion dieser Produkte Zur anderen Elektrode wiirde ihren Verlust fiir die Produktion bedeuten und die Stromausbeute verringern. Dariiber hinaus konnten dadurch Sekundarreaktionen verursacht werden, die eine weitere bedeutende Vermin de rung der Ausbeute und gleichzeitig die Verunreinigung der Elektrolyseprodukte zur Folge hatten. Die wichtigste Aufgabe des Diaphragmas besteht darin, Diffusionen moglichst zu verhin­dern. Zugleich darf es jedoch keine hohen ohmschen Widerstande her­vorrufen, und ebensowenig darf es bei vielen Prozessen den Kreislauf der Elektrolytfiiissigkeit nicht behindern. Die Eigenschaften, die ein Diaphragma haben muss, d.h. die Fahigkeit, die Diffusion zu verhindern, ein schwacher ohmscher Widerstand und die Nichtbehinderung der Elektrolytzirkulation, hangen von zwei Faktoren ab: Porositat und Permeabilitat.

In grober Annaherung kann man ein Diaphragma als ein Biindel von Kapillarkanalen ansehen, die von der einen zur anderen Aussenseite der Elektrode reichen. Unter Porositiit p versteht man das Verhaltnis

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Elektrochemische Betriebsanlagen

zwischen dem Teilvolumen v des Kapillarsystems und dem Gesamt­volumen V des Diaphragmas.

P = v

V daher ist

LS=PS (VII.4.I)

wobei l die Dicke des Diaphragmas, 5 seine scheinbare Oberflache und LS die Summe der Querschnitte aller Kapillarrohrchen senkrecht der Oberflache 5 bezeichnet. Der Ausdruck LS stellt die Nutzflache dar, durch die der Strom fliesst und der Elektrolyt diffundiert und zirkuliert.

Ein geloster Stoff diffundiert durch einen ebenen Querschnitt eines Losungsmittels aus dem Bereich mit der hoheren Konzentration in den Bereich, der eine niedrigere Konzentration aufweist; diese Diffusion unterliegt folgender Gleichung

m = 1l.cst l

D (VII.4.2)

wobei m die Masse des ge16sten Stoffes bezeichnet, die in der Zeit taus dem Bereich der hoheren Konzentration in den der niedrigeren Konzen­tration iibergeht ; 1l.c die Differenz der Konzentrationen der beiden durch den Abstand l getrennten Bereiche ist, S den senkrechten Querschnitt bezeichnet, durch den die Diffusion stattfindet und D eine Proportio­nalitatskonstante ist, die fUr den diffundierenden Stoff charakteristisch ist und die auch die Viskositat des Losungsmittels beriicksichtigt (Dif­fusionskoeffizien t).

1m Fall eines Kapillarenbiindels kann der Wert S durch den aus Gleichung (VII.4.I) erhaltenen Wert LS ersetzt werden. Bezogen auf die Zeiteinheit und die Flacheneinheit der gesamten Oberflache nimmt die Gleichung (VII.4.2) folgende Form an :

m = fl.cp

l D (VII.4.3)

Urn die Menge m des Stoffes geringzuhalten, der durch ein gege­benes Diaphragma diffundiert, muss auch das Verhaltnis Pll einen nie­drigen Wert aufweisen. Diese notwendige Bedingung steht jedoch in Widerspruch zu jener, die eine hohe Leitfahigkeit der Zelle und so mit auch ihrer Bestandteile (Kontakte, Elektrolyt, Diaphragmen etc.) ver­Iangt. In erster Annaherung wird die Leitfahigkeit eines Diaphragmas durch die Leitfahigkeit des im Inneren des Kapillarsystems enthaltenen Elektrolyten gegeben, das heisst

x =

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Diaphragmen 15

wobei x die spezifische Leitfahigkeit des Elektrolyten bezeichnet und 2s und l ihre bereits weiter oben angegebene Bedeutung behalten. Ersetzt man den Wert ,Ls durch den aus der Gleichung (VIlA.I) erhaltenen Wert und bezieht die Gleichung (VIl.4.4) auf die Flacheneinheit des Diaphragmas, so erhalt man:

xp X - _l-

Die Voraussetzung fiir eine hohe Leitfahigkeit ist also ein hoher Wert des Ausdrucks Pil. Die Wahl der Werte der Porositat und der Dicke muss also eine Kompromiss16sung darstellen, um beide Bedingungen so­weit als moglich zu erfiillen. Man erhalt so ein Diaphragma, das bei verhaltnismassig hoher Leitfahigkeit der Diffusion doch einen maximalen Widerstand bietet. Die Wahl eines mehr oder weniger hohen Wertes fiir P Il wird weitgehend von den wirtschaftlichen Gegebenheiten beein­fiusst, die den Strompreis und den Wert der Elektrolyseprodukte be­stimmen.

Ein Diaphragma muss permeabel sein, urn die Zirkulation des Elektrolyten zu gewahrleisten. Die Permeabilitiit eines Diaphragmas wird durch die Fliissigkeitsmenge definiert, die es unter bestimmten Voraussetzungen durchqueren kann, und wird durch nachstehende Gleichung ausgedriickt :

L tlhSt K lYJ

(VIl.4·S)

In dieser Gleichung bezeichnet L die Fliissigkeitsmenge, die das Diaphragma durchquert, tl h die Differenz des hydrostatischen Druckes zu beiden Seiten des Diaphragmas, S dessen Oberfiache, l dessen Dicke, YJ den Viskositatskoeffizienten der Fliissigkeit und K eine charakteristische Konstante des Diaphragmas. Bezogen auf die Einheit der Zeit, der Ober­fiache und der Dicke wird die Gleichung (VIl.4.S) zu

L'=~K' YJ

(VIl.4.6)

wobei K' als Permeabilitatskoeffizient bezeichnet wird. Man kann jedoch ein Diaphragma auch als Biindel von Kapillarrohrchen mit dem Radius r auffassen. Die Fliissigkeit durchquert dieses Kapillarenbiindel, indem sie den Bedingungen des POISEUILLE-Gesetzes folgt. J edes Kapillarrohr wird pro Zeiteinheit von der Fliissigkeitsmenge Ll durchfiossen:

tlh YJ

(VIl.4·7)

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16 Elektrochemische Betrie bsanlagen

Da die FHiche eines Kreises mit dem Radius r gleich 7t r2 ist und in erster Annaherung ein kreisformiger Querschnitt der einzelnen Kapillar­rohre angenommen wird, erhalt man:

s - 7t r2

r' S2

-7t 2

(VII.4.8)

Ersetzt man in der Gleichung (VII.4.7) r' durch den Ausdruck (VII.4.8), so erhalt man:

llh 1)

(VII.4·9)

Die Fliissigkeitsmenge, die pro Zeiteinheit I em 2 des Diaphragmas passiert, ist gleich der Summe der Fliissigkeitsmengen, die in dieser Zeit durch aIle in I em 2 des Diaphragmas enthaltenen Kapillaren hin­durchtritt.

L'

llh 1)

2: I em2

llh 1)

(VII.4.IO)

Ein Vergleich zwischen den Ausdriicken (VII.4.IO) und (VII.4.6) ergibt:

K' = 2: S2 _I_ I em! 8 7t l

das bedeutet also, dass der Permeabilitatskoeffizient des Diaphragmas direkt proportional der Summe der Quadrate der Querschnittflachen der in I cm 2 des Diaphragmas enthaltenen Kapillaren ist, aber umgekehrt proportional der Dicke des Diaphragmas. Damit die Fliissigkeit leicht durch das Diaphragma hindurchtreten kann, muss 2: s2jl einen hohen Wert haben; dies entspricht in gewissem Sinn der Voraussetzung, die fiir eine hohe Leitfahigkeit zu erfiillen ist.

Es muss besonders betont werden, dass ein Ausdruck, der die Summe der Querschnittsquadrate aller Kapillaren enthalt, in der Permeabilitats­gleichung aufscheint. Dieser Ausdruck, der auf die Flacheneinheit be­zogen ist, nimmt bei gleicher Porositat, also bei gleichem 2: s, mit zu­nehmender Anzahl der Kapillaren ab, da der Wert s der einzelnen Ka­pillaren abnimmt. Der Wert des Kapillarquerschnitts s hat also keinerlei Einfluss auf die Leitfahigkeit und auf die Diffusion (die durch 2: s ge­regelt werden), dagegen erhoht die Verminderung der Anzahl der Ka-

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Diaphragmen 17

pillaren in Bezug auf die Permeabilitat die einzelnen Werte fiir s (bei L s = konstant) und verursacht somit auch eine Erhohung der Per­meabilitat, da (L s) 2 > L s 2.

Das Material, das man zur Herstellung eines echten Diaphragmas verwendet, muss gegentiber den verschiedenen chemischen Stoffen unemp­findlich sein. SolI das Material von Basen nicht angegriffen werden, wahlt man gewohnlich Asbest, der entweder allein oder vermischt mit Tonerde, Bariumsulfat oder schwach sauren Zementsorten Verwendung findet. Die Auswahl an saurebestandigen porosen keramischen Materialien ist sehr gross.

Die Materialauswahl wird teilweise auch durch den Typ des Dia­phragmas und seinen mechanischen Aspekt bestimmt, je nachdem, ob es starr, in Form von Platten, flexibel oder als Paste vorgesehen wird. 1m ersten Fall mtissen Zemente oder tonahnliche Stoffe zugesetzt werden. 1m zweiten Fall konnen Siebe oder verschiedene Gewebe verwendet werden; im dritten Fall benotigt das Diaphragma eine mechanische Sttitze, deren Material ebenfalls gegentiber dem Elektrolyten chemisch widerstandsfahig sein muss.

Eine besondere Gruppe von Diaphragmen bilden die permselektiven M embranen, die in der Elektrodialyse verwendet werden, vor allem zur Demineralisierung des Wassers (s. Kap. IX.S). Hier solI nur festgehalten werden, dass ein solehes Diaphragma entweder Anionen oder Kationen, nicht aber beide lonenarten durch dasselbe Diaphragma durchtreten lasst. Werden diese Diaphragmen in wassrigen oder anderen Losungen bei Temperaturen verwendet, die knapp tiber Zimmertemperatur liegen, so werden sie aus lonenaustauscherharzen hergestellt.

Eine weitere Art von Diaphragmen stellen die aus keramischen Materialien hergestellten dar, die sich bei hohen Temperaturen wie feste Elektrolyte verhalten, durch die der Strom nur durch eine lonenart transportiert wird, deren Uberftihrungszahl daher gleich eins ist. Ein hervorragendes Beispiel fUr soleh einen festen Elektrolyten ist gesintertes ~-Aluminiumoxid; es handelt sich hier urn ein alkalisches Aluminiumsalz mit der idealen Stochiometrie Na 20· II A1 20 3 . Bei 300 oC erreicht ~­Aluminiumoxid bereits eine verhaltnismassig hohe Leitfahigkeit von etwa 0,2 (Ohm cm)-l, die auf die Wanderung von Na+ lonen zurtick­zufUhren ist. Dieser Werkstoff wird daher in der Praxis sowohl als Dia­phragma als auch als fester Elektrolyt in Natrium-Natriumpolysulfid­Batterien angewandt.

Feste Mischungen von CaO in Zr0 2 werden bei hohen Temperatu­ren (760°C) durch die Wanderung von Oxidionen leitend. Sie finden in Brennstoffzellen (s.Kap. XI.6) Verwendung, in denen der Brennstoff Oxidionen verbraucht und zugleich Elektronen an der Anode abgigt; hierbei bildet der gasfOrmige Sauerstoff mit den Elektronen, die von der Kathode abegegeben werden, Oxidionen 0 2-. Die beiden einander gegentiber liegenden Grenzflachen des Zirkondiapragmas stehen mit Anode und Kathode in engem Kontakt.

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18 Elektrochemische Betrie bsanlagen

5. Zusatzliche Einrichtungen

Zu den Zusatzeinrichtungen, die allerdings nicht immer vorhanden sein mussen, gehoren Ruhrwerke, Vorrichtungen zur Zirkulation, zum Erwarmen oder zur Kuhlung des Elektrolyten, Absauganlagen fUr die Gase, die nicht in die Atmosphare ausstromen durfen usw. Diese Anlagen umfassen Pumpen, Rohrleitungen, Gaswash- und Absauganlagen, Dampf­oder Warmwassergeneratoren, Kuhlanlagen, Regulatoren und Kontroll­instrumente. Die anlasslich der Konstruktion von Elektrolysetrogen angestellten Oberlegungen gelten auch fUr die Wahl des Baumaterials fUr diese Anlagen. Dazu kommen noch verschiedene Stahlsorten, meist Spezialstahle, die gegen die Korrosion durch die jeweiligen Elektrolyte bestandig sind und auch zum Bau der Teile der Anlage verwendet werden konnen, die grossen mechanischen Belastungen ausgesetzt sind, wie dies z.B. bei den Pumpen der Fall ist.

Da jedoch nahere Details diesen Teil der elektrochemischen An­lagen betreffend in das Gebiet der chemischen Verfahrenstechnik mehr gehoren als in das der Elektrochemie, solI hier nicht naher darauf ein­gegangen werden.

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KAPITEL VIII

ELEKTROMETALLURGIE WASSRIGER LOSUNGEN

von G. MILAZZO

1. Einleitung

Die erste industrielle Anwendung elektrometallurgischer Verfahren erfolgte urn das Jahr 1870, als in Hamburg die erste Grossanlage zur Raffination von Kupfer fUr die Norddeutsche Raffinerie errichtet wurde. In einem J ahrhundert wurde dann der heutige hohe Entwicklungsstand der elektrometallurgischen Verfahren in wiissrigen Losungen erreicht. Nicht nur Kupfer, sondern auch Antimon, Silber, Wismut, Cadmium, Mangan, Nickel, Blei, Gold und Zink konnen heute wirtschaftlich mit nassen elektrochemischen Verfahren hergestellt und raffiniert werden. Angesichts des Umfangs dieses Gebietes einerseits und der diesem Buch gesetzten Grenzen andererseits ist es nicht moglich, aIle derzeit bekannten industriellen Anwendungen zu behandeln. Es sollen nur einige Beispiele angefUhrt werden, die zeigen, wie diese industriellen Verfahren von der Theorie und den Laboratoriumsuntersuchungen abgeleitet werden.

Wie bei allen elektrolytischen industriellen Verfahren hiingt bei der Elektrometallurgie die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens nicht aus­schliesslich von den Kosten der elektrochemischen Behandlung allein ab, sondern wird von den Gesamtkosten des ganzen Produktionsverfahrens, das in der Metallurgie vom Erz bzw. dem Rohmaterial bis zum handels­fertigen Metall reicht, bestimmt. Ausserdem ist nicht in allen Fiillen die Elektrolyse der schwierigste Schritt des gesamten Verfahrens. Selbst­verstandlich gelten diese trberlegungen auch fUr die in den Kapiteln IX und X beschriebenen elektrochemischen industriellen Verfahren.

Die Elektrometallurgie der wassrigen Losungen hat sich in vier Richtungen von unterschiedlicher wirtschaftlicher Bedeutung entwickelt.

Der wichtigste Zweig ist die elektrolytische Raffination. Ein Metall, das einen bestimmten Prozentsatz an Verunreinigungen enthalt, wird durch anodische Auflosung und kathodische Wiederabscheidung gereinigt.

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20 Elektrometallurgie wassriger LCisungen

Diejenigen Verunreinigungen, die edler als das behandelte Metall sind, sind un16slich und bilden gewohnlich einen pulverfOrmigen Niederschlag, den sog. Anodenschlamm. Die weniger edlen Verunreinigungen, die in Anwesenheit des Metalls nicht abgeschieden werden konnen, bleiben in der Losung. Der hochste zulassige Verunreinigungsgrad des Rohmetalles hangt einerseits von der geforderten Reinheit des raffinierten Produktes ab, weil selbstverstandlich urn so reiner Metall hergestellt werden soll, je geringer muss die Verunreinigung des Ausgangsproduktes sein; an­derseits aber wird der zulassige Verunreinigungsgrad des Rohmetalles auch durch das Metall und die Art der Verunreinigungen bestimmt, da der Reinigungseffekt nicht fiir jedes Metall bzw. jede Verunreinigung gleich gut ist. Ein Raffinationsverfahren soIl ein gut an der Kathode haftendes kristallines Produkt ergeben. Solche Raffinationsverfahren werden auch als elektrometallurgische Verfahren mit loslicher A node be­zeichnet.

Eine zweite Art von Verfahren, die Endprodukte mit etwa gleicher Reinheit wie Raffinationsverfahren liefern, ist die Herstellung von Me­tallen durch Elektrolyse loslicher Salze, die mehr oder weniger unmit­telbar aus dem Erz erhalten werden. Dabei muss die zu elektrolysierende Losung meist in sehr strenger Weise gereinigt werden; sie darf im be­sonderen keine Metalle enthalten, die edler sind als das herzustellende Metall. Diese Verfahren werden als elektrometallurgische Verfahren mit unloslicher A node bezeichnet.

Das Ziel der dritten Verfahrensgruppe ist die Herstellung einer dunnen Metallschicht auf einem andersartigen Grundmaterial, urn dessen Oberflacheneigenschaften vom technischen oder asthetischen Gesichts­punkt aus zu verbessern: z.B. Zunahme der Harte, Korrosionsschutz, Dekoration usw. In diesem Fall muss die an der Kathode abgeschiedene Substanz gut auf der Unterlage haften und an ihrer Oberflache eine moglichst gleichmassige und mikrokristalline Struktur aufweisen. Die Zusammensetzung der verwendeten Elektrolytbader wird dem abzuschei­denden Metall und den gewunschten Oberflacheneigenschaften angepasst. Diese Verfahren werden im allgemeinen als Galvanotechnik bezeichnet; sie umfassen auch Verfahren zur unmittelbaren Herstellung von Gegen­standen, wie z.B. von nahtfreien Rohren durch Elektrolyse, die sog. E lektro formung.

Der vierte Verfahrenstyp bezweckt die Herstellung von pulver­formigen Metallen mit bestimmter und moglichst regelmassiger Korn­grosse. Das Endprodukt solI moglichst wenig an der Kathode haften, urn leicht abge16st werden zu konnen, falls es sich nicht von selbst auf dem Boden der Elektrolysewanne abscheidet.

Einer der wichtigsten Faktoren bei der Festlegung der Charakte­ristika eines Raffinations- oder Herstellungsverfahrens fur Metalle ist der erwunschte Reinheitsgrad des Endprodukts. Dieser Faktor muss ebenso wie die Betriebskosten, die auch die Zinsen fur das gebundene Kapital und die Amortisation der Anlage umfassen, in Betracht gezogen werden, vor allem, wenn das Raffinations- oder Herstellungsverfahren anderen Methoden gegenuber konkurrenzfahig sein soll. Diese t1berle-

Page 34: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Einleitung 21

gungen gelten selbstversUindlich auch fur die Herstellung von pulver­formigen Metallen.

Bei allen diesen elektrochemischen Verfahren mussen die Strom­und Energieausbeuten moglichst hoch sein; urn auch die Investitions­und Amortisationskosten zu senken, Hisst man die Zellen mit moglichst hohen Stromdichten arbeiten, wobei allerdings die Eigenheiten des Verfahrens sowie des Endprodukts berucksichtigt werden mussen. Die Anwendung einer hohen Stromdichte erhoht die Produktionskapazitat der Anlage, die daher kleiner gehalten werden kann, und senkt so mit das zur Beschaffung des Anlagenmaterials notige Ausgangskapital; die Herstellungskosten werden also niedriger. Eine Erhohung der Stromdichte wird jedoch stets von einem Absinken der Energieausbeute und in man­chen Fallen von einer Veranderung des Endprodukts begleitet; diese verschiedenen Faktoren mussen daher aufeinander abgestimmt werden.

In der Galvanotechnik dagegen, im besonderen bei der Elektro­plattierung, nimmt der Faktor der Herstellungskosten eher den zweiten Platz nach der Qualitat des Endprodukts ein. Man lasst also niedrigere Energie- und Stromausbeuten zu, urn Endprodukte mit den gewunschten Eigenschaften zu erhalten. Urn die Herstellungskosten noch weiter zu senken, versucht man die Energieausbeuten zu erhohen, indem man den ohmschen Widerstand der Zelle ulld die Uberspannungen an den Elek­troden (die in der Industriepraxis oft einfach als zusatzlich zu uber­windende ohmsche Widerstande angesehen werden) auf ein Minimum reduziert. Man setzt daher den Badem oft indifferente Elektrolyte (Elek­trolyte, die am Elektrolysevorgang unbeteiligt bleiben) zu, urn den ohmschen Widerstand der Losung zu senken und so den Spannungsab­fall IR und damit die benotigte Spannung und die von der Zelle ver­brauchte Energie zu verringem. Die Leitfahigkeit kann auch durch eine Temperaturerhohung verbessert werden; in diesem Fall kann jedoch durch die Verringerung der Wasserstoffuberspannung eine gleichzeitige Entladung von Wasserstoffionen eintreten. Auch andere, im Elektro­lysebad eventuell vorhandene Kationen konnen gleichzeitig abgeschieden werden und so das Endprodukt der Elektrolyse verunreinigen. Bei Vor­handensein fremder Kationen in der Elektrolytlosung nehmen theoretisch alle lonenarten in Mengenverhaltnissen, die durch ihre Standardelektro­denspannungen, ihre Konzentrationen und ihre Uberspannungen bestimmt werden (s. Bd. I, Kap. IV.9 und 13), am Entladungsvorgang teil. Dies gilt im besonderen fur die lonen von Metallen, die edler als das abzu­scheidende Metall sind. Es kann jedoch auch ein unedleres Metall abge­schieden werden, wenn die Kathodenspannung wegen vorhandener Uberspannungen unter die Gleichgewichtselektrodenspannung des unedle­ren Metalls (bei der gegebenen Konzentration in der Elektrolytlosung) absinkt. Derartige Voraussetzungen, die die gleichzeitige Abscheidung verschiedener Metalle begunstigen, ermoglichen das Elektroplattieren mit Legierungen wie Messing, d.h. einer Legierung aus Zink und Kupfer.

Da H + lonen in wassriger Losung stets vorhanden sind, kann ihre Entladung nie vollstandig vermieden werden. Man kann z.E. die bei der Elektrolyse von Kupfersulfat in einer I N sauren Losung abgeschie-

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22 Elektrometallurgie wassriger LCisungen

dene Wasserstoffmenge berechnen; sie liegt in der Grossenordnung von 10-7 Gewichtsprozent des abgeschiedenen Kupfers. Eine genaue analy­tische Untersuchung des unter diesen Bedingungen hergestellten elektro­lytischen Kupfers ergibt einen Wasserstoffgehalt von etwa 10-6 % ; angesichts der Schwierigkeit dieser Analysen stimmt dieser Wert mit der theoretischen Vorhersage gut iiberein. Diese Mitabscheidung und Losung von Wasserstoff ist praktisch wichtig, da der im Metall geloste Wasserstoff die Struktur und die Eigenschaften des abgeschiedenen Metalles beeinflussen kann. Der pH der Elektrolysebader wird daher haufig durch Pufferung konstant gehalten, urn zu verhindern, dass die Eigenschaften der abgeschiedenen Metallschicht durch Schwankungen des Sauregehalts des Bades verandert werden. Der gelOste Wasserstoff kann im allgemeinen durch einfaches Erhitzen entfernt werden.

Bei den Verfahren mit loslichen Anoden kann oft die an die Elek­trolysezelle angelegte elektrische Spannung verringert werden, in dem man Dberspannungen an der Anode durch Zusatze herabsetzt, wie z.B. el- Ionen, die die Auflosung des Anodenmetalls fOrdern, ohne eine Passi­vierung zu verursachen (Abschn. 17).

2. Die Struktur kathodischer Metallabscheidungen (1)

Das Ziel der Elektrometallurgie in wassrigen Losungen ist im allgemeinen die Herstellung kompakter, an der Anode haftender me­tallischer Abscheidungen, mit Ausnahme der FaIle, in denen die Her­stellung eines pulverfOrmigen Metalls gewiinscht wird (s. Asbchn. 16). Die Abscheidungsform hangt von den sog. Struktureigenschaften ab: dieser Ausdruck enthalt sowohl die Kristallisationsform (Anzahl der Kristalle pro Flacheneinheit, deren Orientierung und Anordnung) als auch ihre Beziehung zu der metallischen Unterlage. Die endgiiltigen Eigenschaften der Abscheidung (Porositat, Rauheit, Harte, Widerstands­fiihigkeit gegeniiber Beanspruchungen, Verhalten bei Temperaturan­derungen, usw.) hangen grundlegend von den Struktureigenschaften abo Die Kenntnis dieser Eigenschaften ist daher bei der Durchfiihrung von Elektrolysen zur Erzielung einer bestimmten Form der Abscheidung wesentlich. Nichtsdestoweniger erhalt man nicht immer die gewiinschte

(1) Zum eingehenderen Studium der kathodischen Metallabscheidung ver­weisen wir auf: H. FISCHER, Elektrolytische A bscheidung und Elektrokristallisa­tion von Metallen, Springer Verlag, Berlin (1954) ; J. O'M. BOCKRIS und A. DA­M] ANOVIC, The Mechanism of Electrodeposition of Metals in J. O'M. BOCKRIS und B. E. CONWAY, Modern Aspects of Electrochemistry, Butterworths, London (1964), Bd. 3; J. O'M. BOCKRIS und G. RAZUMNEY, Fundamental Aspects of Electrocrystallization, Plenum Press, New York (1967) ; sowie auf die Artikel: I nitialvorgange der kathodischen M etallabscheidung, von W. J. LORENZ, Chem. lng. Tech. 45 (1973) und Die Rolle des Stofftransportes bei der Elektrolyse der Metalle, von N. IBL und M. BRAUN, Chem. lng. Tech. 45 (1973) 182.

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Die Struktur der Metallabscheidungen 23

Abscheidungsform des Metalls, wei I sich verschiedene Metalle normaler­weise verschieden verhalten. Die Abscheidungsform hangt hauptsachlich von den charakteristischen Eigenschaften des Metalls selbst (Kohasions­krafte, Gitterstruktur, Neigung zu irreversiblem elektrochemischem Verhalten, Wasserstoffiiberspannung auf dem Metall) sowie von den besonderen Bedingungen der Elektrolyse abo

Diese Bedingungen kannen folgendermassen zusammengefasst wer­den: Geschwindigkeit des Transports der Metallionen zu der Phasen­grenze KathodelElektrolyt; Oberfiachenbeweglichkeit der Metallatome nach der Entladung der entsprechenden Ionen an der Kathodenober­flache vor dem Einbau in das Kristallgitter; Art des Elektrolyten; Vorhandensein anderer Stoffe in der Lasung (Elektrolyte, Nichtelek­trolyte, Kolloide); Kathodenspannung; Art und Kristallstruktur der Unterlage (besonders bei der Abscheidung sehr diinner Schichten) (2).

Von den, die Struktur beeinfiussenden, Eigenschaften kannen jene, die von den charakteristischen Eigenschaften des abgeschiedenen Metalls abhangen, nicht verandert werden; diese sollen daher hier nicht disku­tiert werden. Die Elektrolysebedingungen dagegen kannen in bestimmten Grenzen verandert werden und so die Struktur beeinfiussen. Daher ist die Untersuchung ihrer Auswirkungen von Interesse.

Die Elektrolysebedingungen hangen in der Praxis von der Strom­dichte, der Elektrolytkonzentration, der Badbewegung und der Tempe­ratur abo Die elektrolytische Abscheidung eines Metalls tritt dann ein, wenn die in die Lasung eintauchende Elektrode so stark kathodisch belastet wird, dass die elektrische Spannung an der Phasengrenze Elek­trodelElektrolyt etwas negativer wird als die den Versuchsbedingungen entsprechende Gleichgewichtselektrodenspannung, da flir die Abscheidung immer eine zusatzliche Dberspannung natig ist. Der Mechanismus der Kationenentladung und der Abscheidung des Metalls in festem Zustand ist jedoch noch nicht genau bekannt. Es kannen daher nur einige allge­meine Prinzipien behandelt werden.

Unmittelbar vor der Entladungsreaktion miissen sich die Kationen auf der der Lasung zugewandten Seite der Doppelschicht, d.h. in dem die Elektrode unmittelbar beriihrenden Teil, der Diffusionsschicht, befinden. Das Kation ist normalerweise hydratisiert (oder in einem Komplex gebunden). Bei dem Ubergang aus dem Anfangszustand in den atomaren metallischen Zustand des Kristallgitters miissen daher mehrere Zwischenschritte stattfinden: Dehydratation, Entladung des Kations und Ubergang des gebildeten Atoms von der Kathodenoberfiache in das metallische Kristallgitter. Nach der Ladungsiibertragung ver­bringt das Teilchen manchmal eine bestimmte Zeit in ungeordneter Bewegung auf der Gitteroberfiache, bevor es an einem geeigneten Ort, wie an einer Ecke, einem Stufenrand oder in einem Hohlraum, in das

(2) Die Untersuchung der Kristallstruktur beschrankt sich in diesem Abschnitt auf Abscheidungen, die dicker als 0,01 mm sind und daher von der Unterlage nur begrenzt beeinflusst werden.

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Elektrometallurgie wassriger Losungen

Gitter eingebaut wird. Wiihrend dieser Zeit ist das Teilchen noch teil­weise geladen und noch teilweise hydratisiert, bis diese Wassermolekiile durch koordinierende Metallatome ersetzt werden. Das Teilchen kann daher weder als echtes Ion noch als echtes Metallatom angesehen werden; man bezeichenet dieses teilweise geladene adsorbierte Ion als Adion. Durch die Entladung der Metallionen verarmt die der Elektrode zuge­kehrte Seite der Diffusionsschicht an Kationen, wahrend auf ihrer Lo­sungsseite die integrale Konzentration erhalten bleibt ; von hier wandern die Kationen unter dem Einfluss des elektrischen Feldes und des Kon­zentrationsgefalles zur Oberflache der Elektrode.

Alle diese angefiihrten Faktoren beeinflussen die Struktur der me­tallischen Abscheidung.

Bei der elektrischen Abscheidung eines Metalls treten vier Struk­turtypen auf :

I. Einfache Kristalle oder Kristallaggregate, die voneinander ge­trennt, gut entwickelt und haufig den Stromlinien entsprechend orien­tiert sind.

2. Von der Unterlage ausgehend orientierte Abscheidungen, die die Kristalle der Fremd- oder Eigenmetallunterlage fortsetzen und meist eine kompakte, grobkornige Struktur haben (epitaktisches Wachstum).

3. Die Abscheidungen werden durch das elektrische Feld orien­tiert, in Form von aus feinen Fasern gebildeten Biindeln parallel zu den Stromlinien; dabei sind die Oberflachen der einzelnen Kristalle schwer zu unterscheiden (Dendritenwachstum).

4. Feinkornige Abscheidungen ohne Orientierung und organisierte Struktur; die einzelnen Kristalle konnen nur schwierig unterschieden werden.

Die elektrische Abscheidung findet in einer dieser Formen statt, und neigt vom Typ I zu Typ 2 oder 3, falls die Desolvatation der lonen bzw. ihre Los16sung aus Komplexen und ihr Durchtritt durch die Doppelschicht immer mehr erschwert werden. Ausserdem nimmt die Oberflachenbeweglichkeit der Metallionen und -atome im Laufe der Abscheidung abo

Diese Zunahme der Reaktionshemmungen zeigt sich auch daran, dass bei dem Gesamtstrom Null die Austauschstromdichte sehr klein ist und im Verlauf der elektrolytischen Abscheidung bedeutende Uber­spannungen auftreten. Der Vorgang der kathodischen Abscheidung eines Metalls ist im weitern Sinn ein Kristallisationsvorgang und wird daher als ElektrokristaUisation bezeichnet. Die Elektrokristallisation geschieht in zwei deutlich getrennten Schritten: die Entstehung von Kristallkeimen und deren Wachstum bis zur Bildung von mehr oder weniger gut geformten Kristallen. Diese beiden Phasen der Kristallisa­tion treten unabhangig voneinander ein; der Typ der an der Kathode

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Struktur der Metallabscheidungen 25

gebildeten Abscheidung wird durch das Verhaltnis ihrer Geschwindig­keiten zueinander bestimmt (3).

Die Metalle k6nnen entsprechend ihren elektrochemischen Eigen­schaften und ihrem Verhalten bei der kathodischen Elektrokristallisation in normale, intermediiire und inerte Metalle eingeteilt werden.

Die normalen Metalle (z.B. Pb, TI, Cd) erreichen rasch die Gleich­gewichtselektrodenspannung, haben eine hohe Austauschstromdichte, zeigen sehr niedrige Uberspannungen und relativ geringe Schmelz- und Sublimationswarme, entsprechend der grossen Oberflachenbeweglichkeit ihrer Atome. Diese Eigenschaften bedingen, dass der Vorgang der Elektro­kristallisation keiner sptirbaren Hemmung unterliegt und die dabei gebildete kathodische Abscheidung dem Typ I entspricht; sie kann bei Zunahme der Hemmung in den Typ 2 tibergehen.

Die inerten Metalle dagegen, wie z.B. diejenigen der Platingruppe, weisen entgegengesetzte Eigenschaften auf: langsame Einstellung der Gleichgewichtselektrodenspannung, niedrige Austauschstromdichten, hohe Uberspannungen, relativ hohe Schmelz- und Sublimationswarme und starke Neigung zur Komplexbildung. Diese Eigenschaften stellen eine starke Hemmung ftir den Vorgang der Elektrokristallisation dar; die ka­thodische Abscheidung geh6rt dem Typ 3 oder 4 an.

Die intermediaren Metalle (z.B. Zn, Ag, Cu) weisen intermediare Eigenschaften auf; sie kristallisieren in Form von Abscheidungen des Typs 2 oder 3.

Wichtige Arbeiten tiber den Vorgang des Elektrowachstums wurden von BOCKRIS und seinen Mitarbeitern durchgeftihrt, die die Bedeutung der Reihenfolge der verschiedenen Schritte, von der Ladungstibertragung auf der Gitteroberflache unter Bildung von Adionen tiber die Oberfla­chen diffusion der Adionen zu Gitterstufen oder -absatzen, die Uber­fiihrung der Adionen zu Stufenkanten, die line are Diffusion entlang der Stufen zu Ecken bis zur schliesslichen Einordnung in das Kristallgitter, untersucht haben. Durch Mangel der Wachstumsunterlage, wie Verset­zungen des Kristallgitters, sind die Voraussetzungen zum Elektrowachs­tum von Kristallen immer gegeben. Diese Vorgange erfordern eine Aktivierungsenergie und verursachen somit eine Aktivierungstiberspanng. Da diese mit der Reaktionsgeschwindigkeit, d.h. mit der Stromdichte, zunimmt, kann auch eine zweidimensionale Keimbildung eintreten, bei der sich Adionen zusammenschliessen k6nnen, ohne getrennt durch ihre ungeordnete Bewegung zu den Stufen im Kristallgitter zu gelangen.

Die bereits aufgezahlten Faktoren, die die Struktur der elektroly­tischen Abscheidung bestimmen, wirken durch ihren Einfluss auf die Geschwindigkeit der Keimbildung und auf das Wachstum der Keime.

(3) Man sollte auch die Orientierung der Kristalle in Beziehung zur kristal­lographischen und OberfH.i.chenstruktur des Grundmetalls sowie die Bindungs­krafte zwischen den Kristallen in Betracht ziehen. Beide sind zwar fUr die Art der Abscheidung von grundlegender Bedeutung, jedoch von aussen nur schwer zu beeinfiussen und sollen daher nicht we iter erortert werden.

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26 Elektrometallurgie wassriger Losungen

1m allgemeinen werden daher die mikrokristallinen Abscheidungen durch Bedingungen, die die Bildung neuer Keime erleichtern, gefOrdert, wah­rend Abscheidungen, die aus groben, mehr oder weniger gut ausgebildeten Kristallen bestehen, durch Bedingungen, die die Ausdehnung der Wachs­tumsschicht, begiinstigen, entstehen. Die Bildung neuer Keime wird durch eine Erhohung der Stromdichte sowohl direkt - durch die Erhoh­ung der Anzahl entladener lonen pro Flacheneinheit - als auch indi­rekt - durch Beeinfiussung verschiedener anderer Faktoren, von denen die Beschaffenheit der Abscheidung ebenfalls abhangt - erleichtert. Eine Zunahme der Stromdichte fiihrt zu einer Senkung der Kationen­konzentration in der Diffusionsschicht, so dass diese lonen von den Wachstumsfiachen bereits gebildeter Kristalle weiter entfernt sind. Die Uberspannung an der Kathode nimmt infolgedessen zu. Die Bildung neuer Keime wird also begiinstigt und die Abscheidung weist feinere Kristallkorner auf. Wird jedoch der Grenzstromwert einmal iiberschritten, so nimmt die Korngrosse nicht mehr abo In diesem Fall wird die Abschei­dung im allgemeinen poros und schwammig, haftet oft schlecht an der Kathode und kann manchmal sogar pulverformig werden. Nahert man sich der diffusionskontrollierten Abscheidungsgeschwindigkeit, kann den­dritisches Wachstum einsetzen.

Diese Uberlegungen gelten ebenso fiir den Einfiuss der Konzen­tration, der dem der Stromdichte im allgemeinen entgegengesetzt ist: eine Erhohung der Konzentration der Losung verringert die Dicke der Diffusionsschicht, deren Konzentration durch lonendiffusion zunimmt. Sie verringert ebenfalls die Uberspannung an der Kathode, wodurch die Zunahme der Wachstumsschicht unter Bildung mehr oder weniger grosser Kristalle begiinstigt wird.

Bewegung des Elektrolytbades und Erhohung der Temperatur erleichtern ebenfalls die lonendiffusion und wirken einer Erschopfung der Diffusionsschicht entgegen. Temperaturerhohung verringert die Uber­spannungen, da sie sowohl die Entstehungsgeschwindigkeit neuer Keime als auch die Wachstumsgeschwindigkeit der Kristalle erhOht. Zudem wird die Oberfiachenbeweglichkeit der Metallatome in der Wachstums­schicht vergrassert, und die Atome kannen so die aktiven Wachstums­zentren der Kristalle leichter erreichen. Weitere Auswirkungen einer Temperaturerhohung kannen nicht immer a priori vorhergesehen werden, wie etwa die Beeinfiussung des Dissoziationsgrades oder der Aktivitat des Elektrolyten, eine Verschiebung der Gleichgewichtselektrodenspan­nung, die Anderung der Zusammensetzung in der Losung, so dass die Bildung von Kolloiden (Metallhydroxiden) ermoglicht bzw. der Einfiuss eines in der Lasung bereits vorhandenen Kolloids wirksam wird.

Der Einfiuss der anwesenden Anionen und der Wertigkeit der Kationen ist nicht immer ganz klar. So weisen z.B. Abscheidungen von Blei, Silber, Cadmium oder Zink aus einer Fluorosilikatlosung eine erheblich feinere Karnung auf als die aus einer Nitratlosung erhaltenen. Eisenab­scheidungen aus Salzsaurelosungen sind grobkorniger als aus Schwefel­saure16sungen. Das aus einer Lasung von Pb H lonen abgeschiedene Blei ist schwammig, wahrend man aus einer Lasung von Pb 2+ lonen eine

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Struktur der Metallabscheidungen 27

Abscheidung von grossen, gut ausgebildeten Kristallen erhalt. Das Elek­troplattieren mit Chrom ist nur dann moglich, wenn das Bad S022- Ionen enthalt.

Die Rolle des Elektrolyten ist von besonderer Bedeutung, wenn das abzuscheidende Metall in Form eines Anionenkomplexes vorliegt (Cyanide, Tartrate etc.). Aus komplexen Salzen erhalt man stets mikro­kristalline Abscheidungen, selbst wenn das gleiche Metall bei der Abschei­dung aus einem einfachen Salz vorzugsweise grosse Kristalle bildet. Dies Verhalten stimmt mit dem bereits Gesagten iiberein (s. Bd. I, Kap. IV.tO); je bestandiger der Komplex ist, urn so starker sind die Bindungen zwischen dem zentralen Ion und dem komplexbildenden Agent und urn so grosser ist die Hemmung der Elektrokristallisation. Man erhalt also Abscheidungen vom Typ 4, die urn so feinkorniger aus­fallen, je starker die Hemmung ist. Der Mechanismus der kathodischen Abscheidung von Metallen aus Anionenkomplexen konnte bisher nicht vollkommen geklart werden. Eine unmittelbare Entladung der aus der Dissoziation dieser Komplexe stammenden metallischen Kationen, ent­sprechend dem Vorgang bei der Elektrolyse einfacher Salze, ist unwahr­scheinlich, da man so aus den Losungen komplexer Ionen die gleichen Abscheidungen wie aus den Losungen einfacher Salze erhalten miisste, wenn diese Losungen soweit verdiinnt werden, dass die Konzentration der Metallionen gleich niedrig wird, wie die in der Komplexlosung durch die Dissoziation des Komplexes gegeben. Dies entspricht jedoch nicht den in der Praxis gemachten Beobachtungen. Man konnte allerdings entgegnen, dass das Elektrolytbad in den beiden Fallen nicht die gleiche Leitfahigkeit aufweist und die fiir die Diffusionsschicht wichtigsten Faktoren - Ionenkonzentration, Dicke der Diffusionsschicht, elektrisches Feld - nicht genau bekannt sind. Zur Deutung des Entstehungsmecha­nismus mikrokristalliner Abscheidungen aus komplexen Salzen wurde noch ein weiterer Vorschlag gemacht. Dabei wird angenommen, dass unabhangig von dem den Metallionen eigenen Entladungsmechanismus die kontinuierlich gebildeten neuen Keime zumindest teilweise durch Wasserstoff (der wegen der hohen Stromdichte am kathodischen Entla­dungsvorgang mit Sicherheit beteiligt ist) fast augenblicklich blockiert werden. So wiirden also unaufhorlich neue Kristallkeime und dadurch eine mikrokristalline Abscheidung entstehen. Diese zweite Deutung beruht teilweise auf der Beobachtung des Einflusses, den der Zusatz bestimmter Fremdstoffe zum Elektrolyten auf die elektrolytische Ab­scheidung ausiibt. Zahlreiche, im allgemeinen organische Stoffe mit hohem Molekulargewicht, und haufig auch Kolloide, beeinflussen spiirbar die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Abscheidung, indem sie das Wachstum der Kristalle hemmen und die kontinuierliche Bildung neuer Kristallkeime fordern. Verschiedene experimentelle Beo­bachtungen lassen vermuten, dass die Wirkung der Kolloide auf der OberfHichenadsorption auf den Keimen der Wachstumsschicht (4) beruht. Die Korngrosse einer kathodischen Abscheidung wird tatsachlich am

(4) F. MULLER, Kolloid Z. 100 (1942) 159.

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28 Elektrometallurgie wassriger Losungen

wirksamsten durch die Kolloide verringert, die an der OberfHiche ads or­biert werden und somit als Schutzkolloide wirken. Die Adsorptionsschicht bedeckt einen Teil der KathodenoberfHiche ; die Erhohung der wirksamen Stromdichte an den nicht bedeckten Stellen fiihrt zu einer Erhohung der Uberspannung und dadurch zu einer hoheren Keimbildungsgeschwin­digkeit. Eine Verschiebung der Kathodenspannung gegen negativere Werte durch den Zusatz von Kolloiden wird tatsachlich experimentell beobachtet.

Die angefiihrte Hypothese wird auch durch die Beobachtung bestatigt, dass das abgeschiedene Metall oft eine beachtliche Menge des dem Elektrolyten zugesetzten Kolloids enthiilt. Bei der Elektrolyse einer Kupfersulfatlosung, die 20 % CuS0 4 und 0,5 % Gelatine enthalt, bei einem pH von 3 und einer Stromdichte von 10 mA/cm 2 enthalt das abgeschiedene Kupfer 2,93 % Gelatine. Diese in der kathodischen Ab­scheidung verbleibenden Fremdstoffe konnen deren Eigenschaften veran­dern und sie brtichig machen. Ausserdem konnen sie, z.B., innere Span­nungen verursachen. In bestimmten Fallen kann in dem kathodisch abgeschiedenen Metall keine Spur des dem Bad zugesetzten Kolloids festgestellt werden. Man nimmt an, dass das Kolloid sich hier wie ein mehr oder weniger an der Kathode haftendes Diaphragma verhalt, das die Ionenentladung sowie das Kristallwachstum regelt.

Es gibt zahlreiche Theorien zur Funktion der Kolloide bei der kathodischen Metallabscheidung. Die soeben angefiihrte Erklarung dtirfte jedoch die wahrscheinlichste sein.

Bei der Metallabscheidung werden den Badern haufig noch indiffe­rente Elektrolyte zugesetzt, urn die Leitfahigkeit zu erh6hen. Ein der­artiger Zusatz kann jedoch die Struktur der kathodischen Abscheidung beeinfiussen. Einerseits verandern indifferente Elektrolyte die Aktivitat der zu entladenden Metallkationen und oft auch ~ wenn diese Kationen von der Dissoziation von Komplexen mittlerer Starke herrtihren, wie es bei den meisten Schwermetallkationen der Fall ist ~ den Dissoziations­grad und damit die Ionenkonzentration. Andererseits wirkt der Zusatz eines stark dissoziierten Elektrolyten auch auf die Leitfahigkeit der Diffusionsschicht und auf die Dichte des Bades, die sich weniger schnell andert als in Abwesenheit des indifferenten Elektrolyten. Wenn nun dieser letztere mit dem Elektrolyten des Bades ein Ion gemeinsam hat, ergibt sich daraus haufig eine Zunahme der Uberspannung. So wirken aIle indifferenten Elektrolyte indirekt auf den Typus der Abscheidung, indem sie darauf einwirkende Bedingungen verandern.

Gelegentlich kann bei bestimmten Zusatzstoffen in geringen Mengen eine spezifische Beeinfiussung bestimmter Eigenschaften der Abscheidung, z.E. Harte, Glanz u.a., festgestellt werden. Sehr haufig werden starke anorganische Sauren zugesetzt, die ausser ihrer allgemeinen Wirkung als indifferente Elektrolyte auch durch die Begtinstigung der Mitabscheidung von Wasserstoff zu einer porosen oder schwammigen Abscheidung fiihren konnen, die im allgemeinen unerwtinscht ist. Es muss daher fiir optimale pH-Bedingungen gesorgt werden, da der pH-Wert sowohl den Typ als auch die Struktur der Abscheidung beeinfiusst.

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Kupferraffination: Reaktionen 29

Die Hohe der kathodischen Uberspannung ist ein weiterer Faktor, der auf die Struktur des abgeschiedenen Metalls einwirkt. Eine erhohte Uberspannung fiihrt zu einer feinkornigen Abscheidung, da sie die Ent­stehung neuer Keime erleichtert ; schnellere Keimbildung erfordert eine hohere Aktivierungsenergie und somit eine negativere Elektrodenspan­nung. Dies erklart, warum Metalle mit hohen Uberspannungen und im besonderen die Metalle der Eisengruppe in gut haftenden und kompakten Schichten aus so feinen Kristallen abgeschieden werden, dass sie oft nur durch Analyse mit Rontgenstrahlen festgestellt werden konnen (Strukturtyp 4), wahrend Kationen ohne merkliche Uberspannungen, wie z.B. Ag, Pb, TI, Cd, deutliche Einzelkristalle ergeben. Diese Beziehung zwischen der Elektrodenspannung und der Struktur der kathodischen Abscheidungen gilt jedoch nicht streng.

Zur Erklarung dieser Erscheinungen wurden verschiedene Theorien, die die Aktivierungsenergien beriicksichtigen, vorgeschlagen; zu ihrem Studium verweisen wir den Leser auf die Spezialliteratur der Elektro­metallurgie.

Tab. VIlLI gibt eine Zusammenfassung der allgemeinen Wirkung verschiedener Entladungsbedingungen auf den Strukturtyp der kathodi­schen Abscheidungen.

Tab. VIlLI. - Einfiuss der Elektrolysebedingungen auf die Struktur der katho­dischen Abscheidung.

Elektrol yse bedingungen

Erh6hung der Stromdichte Erh6hung der Konzentration Erh6hung der Badbewegung Erh6hung der Temperatur Erh6hung der kathodischen Uberspannung Zusatz von Kolloiden Zusatz von indifferenten Elektrolyten

Struktur

1 234

--------+ -«-----

3. Elektrolytische Raffination des Kupfers (5): Reaktionen

Das wichtigste Anwendungsgebiet des Kupfers ist zweifellos seine Verwendung in der Elektrotechnik. Dazu muss es einen sehr hohen Reinheitsgrad - iiber 99,5 % - aufweisen, der auf dem Wege der

(5) Die neuesten Entwicklungen wurden von B. RUHL, Chem. lng. Techn. 45 (1973) 149, kritisch zusammengefasst.

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30 Elektrometallurgie wiissriger Losungen

thermischen Metallurgie nur schwer erreicht werden kann, wahrend man elektrolytisch ohne weiteres Kupfer mit einem Reinheitsgrad von 99,9°-99,98 % erhalt.

Es gibt Salze des Kupfer(l) und des Kupfer(lI) ions. Bei Vorhan­densein von metallischem Kupfer tritt das Gleichgewicht

Cu2+ + Cu .= 2 Cu+ (VIII.3.I)

ein, das bei Raumtemperatur stark nach links verschoben ist (s. Bd. I, Kap. IV.12). Mit zunehmender Temperatur verschiebt sich das Gleich­gewicht immer mehr nach rechts. Eine Losung eines Kupfersalzes enthalt in Gegenwart einer Elektrode aus metallischem Kupfer stets Cu+ lonen. Die folgenden, nach den entsprechenden Standardelektrodenspannungen geordneten Anodenreaktionen konnen eintreten:

(I) Cu+ -+ Cu2+ + e- + 0,153 V

(II) Cu -+ Cu 2+ + 2 e- + 0,342 V

(III) Cu -+ Cu+ + e- + 0,521 V

Zu Beginn der Elektrolyse ist die Menge an Cu+ lonen so gering, dass die Reaktion (I) praktisch nicht eintreten kann, daher findet fast ausschliesslich die Reaktion (II) statt, wodurch die Konzentration der Cu2+ lonen in der unmittelbaren Umgebung der Anode merklich erhaht wird. Die Konzentrationserhahung der Cu2+ lonen hat eine zweifache Wirkung. Erstens kannen durch das Gleichgewicht (I) Cu+ Ionen in einer Sekundarreaktion zwischen den Cu 2+ lonen und dem metallischen Kupfer der Elektrode entstehen. Zweitens kann, da durch die Konzentrationser­hahung der Cu 2+ lonen die Anodenspannung positiver geworden ist, der Vorgang (III) unter Bildung von Cu + lonen einsetzen. Dies vor ~llem deshalb, wei! die anodische Auflosung des Kupfers mit geringer Uber-

4

2

U(Volt) 0.30 0.35

spannung ablauft, besonders wenn der Lasung Gelatine zugesetzt wird (Abb. VIII.I). In der Praxis wird die Bildung von Cu 2+ lonen an der Anode von der Entstehung einer grosseren Menge Cu+ lonen, als dem Gleichgewicht (VIII.3.I) in der Lasung entspricht, begleitet (s. Bd. I, Kap. IV.12). In der Nahe der Anode ist daher die Konzentration der Cu+ lonen haher, als dem Gleichgewicht (VIII. 3.1) entspricht, und die

Abb. VIII.I. - Anodenspannung wahrend der Elektrolyse des Kupfers: 0--0 ohne Gelatine; x--x mit 0,002 g Gelatine/Liter.

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Kupferraffination: Reaktionen 3 I

Reaktion (VIII.3.I) Hiuft von rechts nach links ab, d. h. pulverfarmiges Kupfermetall wird abgeschieden. Dieses Kupfer sammelt sich am Boden der Elektrolysewanne ; so verschwindet ein Teil der an der Anode entstan­denen Cu+ Ionen. Ein weiterer Teil wird bei Vorhandensein freier Saure durch den Luftsauerstoff entsprechend der Reaktion

2 CU2S04 + O2 + 2 H 2S04 ~ 4 CuS04 + 2 H20 (VIII. 3.2) oxidiert.

Enthalt die Lasung keine freie Schwefelsaure, so wird das Kupfer(I)­sulfat entsprechend der Reaktion

(VIII.3·3)

unter Ausfallung von Kupfer(I)oxid hydrolysiert. Diese beiden Reaktionen verringern jedoch die Konzentration der

Cu+ Ionen auf einen Wert, der unter dem des Gleichgewichts (VIII.3.I) liegt. Die an der Kathode vorhandenen Elektrodenspannungen der Systeme Cu+ - Cu2+, Cu I Cu+ und Cu I Cu 2+, die gleich sind, wenn die Cu+ und Cu2+ Ionen im Gleichgewicht stehen, werden nun ver­schieden. Die elektrochemische Reaktion an der Kathode fiihrt zur Wiederherstellung dieses Gleichgewichts durch die Reduktion von Cu 2+ Ionen zu Cu+. Die wichtigste Kathodenreaktion bleibt jedoch die Ent­ladungsreaktion der Cu 2+ Ionen. Auch sie lauft mit geringer Uber­spannung ab und wird durch ein niedriges Konzentrationsverhaltnis [Cu + ] / [Cu 2+ ] gefOrdert. Sinkt der Wert dieses Verhaltnisses unter den dem Gleichgewicht entsprechenden Wert, so tritt die Reduktion Cu2+ + e- ~ Cu+ ein, die jedoch bei hoher Stromdichte von der Ent­ladung Cu 2+ + 2 e- ~ Cu iiberdeckt wird. Man kann durch Elektrolyse bei hoher Temperatur und geringer Stromdichte in neutraler Lasung an einer Platinkathode die ausschliessIiche Reduktion von Cu 2+ Ionen zu Cu+ erreichen, wodurch das Oxid durch Hydrolyse entsprechend der Reaktion (VIII.3.3) ausfallt. Das Diagramm j-U .~eigt unter geeigneten Voraussetzungen zwei deutlich unterscheidbare Aste, wobei der erste wahrscheinlich von der Reaktion Cu2+ + e- ~ Cu+ herriihrt, obwohl die ihr entsprechende Standardelektrodenspannung viel negativer als die der Reaktion Cu2+ + 2 e- ~ Cu ist. Das Verstandnis dieser Erscheinung wird erleichtert, wenn man beriicksichtigt, dass die echten Elektroden­spannungen dieser beiden Vorgange identisch werden, sobald sich ein Gleichgewicht zwischen den Cu 2+ und den Cu + Ionen einstellt, dass aber die Elektrodenspannung der Reaktion Cu2+ + e- ~ Cu+ positiver wird, wenn die Konzentration der Cu + Ionen infolge der Reaktionen (VIII.3.2) und (VIII.3.3) unter den Wert des Gleichgewichts sinkt.

Erhaht man die Stromdichte, so findet die Entladung der Cu2+ Ionen gleichzeitig mit der Reduktion Cu2+ + e- ~ Cu+ statt, die mit zunehmender Stromdichte immer mehr iiberwiegt. Die Zunahme der Stromdichte wird natiirlich durch die gleichzeitige Entladung der H + Ionen eingeschrankt, die eine Alkalisierung des Katholyten hervorruft und so die Hydrolyse des Kupfer(I) sulfats begiinstigt. Diese gleichzeitige

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3 2 Elektrometallurgie wassriger Losungen

Wasserstoffentwicklung kann das abgeschiedene Metall poros und sogar schwammig werden lassen.

Aus dem bisher Gesagten kann man die giinstigsten Bedingungen zur Durchfiihrung einer Elektrolyse mit maximaler Stromausbeute ableiten, und zwar:

r. eine hinreichend hohe Kathodenstromdichte, die jedoch nicht so hoch sein darf, dass Wasserstoffentwicklung einsetzt;

2. eine nicht zu hohe Temperatur, urn Hydrolyseerscheinungen zu vermeiden;

3. eine nicht zu hohe Kupfer(II)sulfatkonzentration, urn die ano­dische Bildung von eu + zu verringern ;

4. Ansauern des Elektrolyten, urn die LeiWihigkeit zu erhohen.

Einige dieser Bedingungen widersprechen allerdings den Vorausset­zungen, deren Einhaltung im Interesse einer guten Energieausbeute unerlasslich ist. So erhoht eine niedrige Temperatur zwar die Stromaus­beute, verringert jedoch die Energieausbeute, da der Elektrolyt b.ei niedriger Temperatur einen hoheren ohms chen Widerstand aufweist; ausserdem nehmen auch die Uberspannungen an den Elektroden mit zunehmender Temperatur abo

Die gleichen Uberlegungen gelten fiir die Konzentration; eine zu stark verdiinnte Losung weist einen erheblichen ohmschen Widerstand auf. Eine hohe Kupfersulfatkonzentration wiirde jedoch die Leitfahigkeit erhohen. Die Leitfahigkeit eines Elektrolytbades wird normalerweise durch Ansauern geregelt' d.h., durch Zusatz eines Elektrolyten, der den Widerstand des Bades verringert, ohne an der Elektrolyse beteiligt zu sein. Durch das Ansauern wird ausserdem ein Teil des pulverformigen Kupfers, das entsprechend der Reaktion (VIII.3.r) im Elektrolytbad abgeschieden wurde, wieder in Losung gebracht. Entsprechend der Reaktion (VIII.3.4) wird bei dieser neuerlichen Auflosung Luftsauerstoff verbraucht :

4. Elektrolytische Raffination des Kupfers: Anoden und Elektrolyt

Das Rohmaterial fiir die Raffination des Kupfers bildet das auf thermischen Wege gewonnene 98-99,5 %ige Rohkupfer, das die verschie­densten Verunreinigungen enthalten kann: Silber, Gold, Blei, Wismut, Arsen, Antimon, Eisen, Nickel, Selen, Tellur, Sauerstoff, Schwefel, Zink, Kobalt, Platin sowie verschiedene Spurenelemente.

Die edelsten Metalle (Ag, Au, Pt) werden nicht anodisch aufgelost und sammeln sich am Boden des Bades im Anodenschlamm. Selen und Tellur sind als Ag2Se und Ag2Te ebenfalls unloslich; das iiberschiissige Selen und Tellur, das sich nicht mehr an das Silber binden konnte, reagiert

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Kupferraffination: Anoden und Elektrolyt 33

mit Kupfer unter Bildung des ebenfalls unloslichen CuSe und CuTe. Die kleinen Mengen, die in raffiniertem Kupfer noch analytisch fest­gestellt werden konnen, riihren im wesentlichen von mechanischen Einschliissen feiner Teilchen in der kathodischen Abscheidung her. Kupfer(I)sulfid Cu2S und teilweise das Kupfer(I)oxid Cu20 16sen sich ebenfalls nicht. Andere Elemente (Fe, Ni, Co, Zn) gehen in Losung, werden aber an der Kathode nicht abgeschieden, da sie unedler als Kupfer sind. Blei bildet in einem schwefelsauren Elektrolyten schwerlosliches Bleisulfat. Arsen, Antimon und Wismut neigen dazu, in Losung zu bleiben; sie sind die am meisten storenden und am schwierigsten zu entfernenden Verunreinigungen. Die Standardelektrodenspannungen dieser drei Ele­mente liegen sehr nahe bei der des Kupfers, wie aus Tab. VIII.2 entnom­men werden kann (6).

Tab. VIII.2. - Standardelektrodenspannungen von Antimon, Wismut, Arsen und Kupfer.

Element Uo(V)

Sb I Sb3+ +0,1 Bi I Bi3+ +0,2 As I As3+ +0,3 Cu I Cu2+ +0,342

Eine rein elektrolytische Trennung des Kupfers von Antimon, Wismut und Arsen ware also sehr schwierig. Durch Wahl eines geeigneten Elektrolyten, in dem der grosste Teil dieser Elemente in Form von schwer­loslichen Verbindungen in den Anodenschlamm iibergeht, konnen jedoch gute Ergebnisse erhalten werden.

Der zu diesem Verfahren am besten geeignete Elektrolyt ist eine Kupfersulfatlosung mit einem Gehalt von 40 g Kupfer und 200 g Schwefel­saure pro Liter. Diese Losung weist noch andere grundlegende Vorteile auf. Antimon und Wismut bilden darin schwerlosliche Verbindungen, die sich im Anodenschlamm sammeln. Ausserdem wird eine gewisse Menge Arsen zu Arsensaure oxidiert; dieses Element kann aus seinem fiinfwertigen Zustand nur schwer elektrolytisch abgeschieden werden. Weiters bildet die Arsensaure bei Vorhandensein von Schwermetall­kationen im Elektrolyten Arsenate, die im Anodenschlamm zuriickbleiben.

(6) Die Werte fiir die Standardelektrodenspannungen sind nur als Richt­werte zu betrachten, da die Ionenaktivitaten der Ionen Sb3+, Bi3+, As3+ und Cu 2+ im elektrolytischen Bad unbekannt sind.

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34 Elektrometallurgie wassriger Losungen

Die beiden anderen Verunreinigungen, die im Elektrolyten in bedeutenden Mengen vorhanden sind, sind Nickel und Eisen. Die LeiWihig­keit des Bades wird durch das Nickel erhebIich gesenkt: 10 g Nickel pro Liter gentigen, urn den Widerstand des Elektrolyten urn etwa 7,5 % zu erhohen und gleichzeitig die Energieausbeute zu verringern. Das Eisen verringert im besonderen die Stromausbeute, da es Elektrizitat verbraucht, indem es an der Anode von Fe2+ zu Fe3+ oxidiert und an der Kathode wieder zu Fe 2+ reduziert wird.

Die Verwendung von Schwefelsaure als inerter Elektrolyt bringt folgende Vorteile mit sich :

1. sie erhOht die Leitfahigkeit des Bades ; 2. sie ist billig ; 3. sie verhindert die Hydrolyse des Kupfer(l)sulfats; 4. sie ist nicht fitichtig und kann in hohen Konzentrationen und

bei hoher Temperatur verwendet werden; 5. sie greift Blei nicht an, das deshalb zum Bau der Elektroly­

seanlagen verwendet werden kann.

Das Ansauern des Elektrolyten durch Schwefelsaure, d.h. durch einen Fremdelektrolyten, der mit dem anderen Elektrolyten ein gemein­sames Ion aufweist, erhoht die kathodische Uberspannung. Diese Zunahme wird jedoch durch die Abnahme des Zellwiderstandes und somit des ohms chen Spannungsabfalls, der gleich dem Produkt IR ist, reichlich ausgeglichen. So wird die Energieausbeute der Zelle schliesslich verbessert.

1m Verlauf der Elektrolyse wird die Menge an freier Schwefelsaure immer geringer, da sie bei der Auflosung der weniger edlen, in Losung bleibenden Metalle sowie bei der Oxidation der Cu+ lonen und des pul­verformigen Kupfermetalls (Reaktion VIII.3.4) durch den Luftsauer­stoff zu Cu2+ lonen verbraucht wird. Eine Verringerung der H2SOc Konzentration ftihrt zu einer Erhohung des Widerstandes und kann auch die Hydrolyse des Kupfer(l)sulfats unter Fallung von Kupfer(l)oxid verursachen. Urn dies zu vermeiden, wird haufig bei der Montage eine un16sliche Anode eingebaut, an der nun die von einer Regeneration der freien Schwefelsaure begleitete anodische Sauerstoffentwicklung statt­finden kann, wodurch keine frische Saure zugesetzt werden muss.

Die Schwefelsaure weist nur einen wesentlichen Nachteil auf: sie lost Kupfer tiberwiegend zu Cu2+ lonen auf, so dass der Stromverbrauch doppelt so hoch wie bei der Elektrolyse einer Losung von Cu + lonen ist. Verschiedene Versuche, die Elektrolyse in einer Cu+ Ionen enthaltenden Losung durchzuftihren, haben jedoch zu keinem konkreten Ergebnis geftihrt. Die Verwendung von Sulfatelektrolyten ist heute unumstritten.

Die Konzentration der Cu2+ Ionen wird durch die Loslichkeit des CuS0 4 begrenzt, die mit zunehmendem Sauregehalt abnimmt, wahrend der Widerstand des Bades mit zunehmendem CuSOcGehalt und dement­sprechender Abnahme der H 2SOc Konzentration hoher wird.

Das Vorhandensein einer zu grossen Menge Arsen in Bad kann nicht nur zur Verunreinigung des Kupfers durch Elektroabscheidung

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Kupferraffination: Kathoden und Verfahren 35

und durch mechanischen Einschluss von Anodenschlamm und Elektrolyt fiihren, sondern auch die Wasserstoffiiberspannung an der Kupferkathode herabsetzen und so die Entladung der H + Ionen begiinstigen. Die maxi­male Arsenkonzentration des Bades darf, solI eine Verschlechterung der kathodischen Kupferabscheidung vermieden werden, etwa 17 gil nicht iiberschreiten ; das Vorhandensein von Arsen im Elektrolyten muss daher sHindig iiberwacht werden.

1m Verlauf der Elektrolyse wird der Elektrolyt immer mehr verun­reinigt; ebenso nimmt, dank der Reaktion (VIII.3-4), seine Kupfersulfat­konzentration zu. Erneuert man einen Teil des Elektrolyten in regel­massigen Zeitabstanden, so kann fiir einige Zeit die Konzentration der Verunreinigungen unter dem zulassigen Hochstwert gehalten werden. Trotzdem muss der Elektrolyt nach einiger Zeit volIstandig erneuert werden. Die Anzahl der Arbeitsgange, die mit einem Bad vorgenommen werden kann, hangt von der Menge der darin angesammelten Verun­reinigungen abo

Dem Elektrolyten wird im allgemeinen eine geringe Menge kol­loider Stoffe, wie Gelatine oder bestimmte Gummiarten, zugesetzt, urn die kathodische Abscheidung gleichmassig und glatt zu machen und Kurzschliisse zwischen einander durch unregelmassiges Wachstum der Kathode beriihrenden Elektroden zu vermeiden. Das Vorhandensein von Cl- Ionen im Elektrolyten (in einer Konzentration von etwa 0,2-0,3 gil) bewirkt, dass die anodische Auflosung weniger gehemmt wird und Antimon und Wismut bevorzugt unlOsliche Verbindungen bilden.

Die Temperatur des Elektrolyten wird auf 54-55 °C gehalten; diese Temperatur stellt einen Kompromiss zwischen den bereits bespro­chenen Erfordernissen hinsichtlich der Leitfahigkeit, der Hydrolyse und der Uberspannungen dar. Ein Pumpensystem sorgt flir einen ununter­brochenen Kreislauf des Elektrolyten zwischen den verschiedenen Wannen, urn ein Kristallisieren des Kupfersulfats an der Anode zu vermeiden. Gleichzeitig wird der Elektrolyt durch dampfgespeiste Warmeaustauscher geleitet. Dieser Fliissigkeitskreislauf darf den Anodenschlamm nicht aufriihren, da dieser sich auf der Kathode ablagern konnte.

5. Elektrolytische Raffination des Kupfers: Kathoden und Verfahren

Die Kathoden bestehen aus Elektrolytkupferblechen, die in beson­deren Badern aus sehr reinen Elektrolyten und Kupferanoden hergestellt werden, urn die Entstehung von Anodenschlamm und die Konzentration der unedleren Verunreinigungen des Elektrolyten moglichst gering zu halten. In diesem Bad ist der Abstand zwischen den Elektroden grosser als in den normalen Raffinationsbadern. Man erhalt so gleichmassig dicke Bleche, die als Kathoden verwendet werden konnen.

Der Verlauf der Elektrolyse wahrend der Raffination hangt von der Anordung der Elektroden abo Am weitesten verbreitet ist die mono-

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Elektrometallurgie wassriger Losungen

polare Schaltung, bei der mehrere Elektrolysewannen hintereinander­geschaltet werden, so dass die Gleichspannung direkt an die beiden End­wannen gelegt werden kann.

Die Wannen bestehen im allgemeinen aus Holz oder Beton; ihre Innenwande sind mit durch einen Zusatz von 6 % Antimon gehartetem Blei ausgekleidet. Saurebestandiger Asphalt kann ebenfalls zur Ausklei­dung verwendet werden.

Die Anoden werden in Abstanden von jeweils 10 cm in den Wannen aufgehangt. Die als Kathoden dienenden Elektrolytkupferbleche werden nun so befestigt, dass sie sich genau in der Mitte zwischen zwei Anoden befinden.

Die einzelnen Elektrolysezellen enthalten im allgemeinen n Anoden und (n + I) Kathoden, so dass die Anoden an beiden Seiten gleichmassig angegriffen werden. Die an jede Wanne angelegte Spannung liegt zwischen 0,25 und 0,5 V; die mittlere Stromdichte betragt etwa 200 A/m2. Diese verhaltnismassig geringe Stromdichte verringert den Verlust an Edelme­tallen sowie die Betriebskosten, da sie die an die Zelle angelegte elek­trische Spannung senkt; ausserdem verringert sie die Wahrscheinlich­keit einer gleichzeitigen Abscheidung von Verunreinigungen oder von Wasserstoff an der Kathode. Die Herstellungskosten hangen jedoch von den bereits erwahnten Voraussetzungen ab (s. Abschn. 2). Die Wahl der am besten geeigneten Stromdichte wird auch von der Zusammensetzung der Anoden und dem jeweiligen Strompreis bestimmt. Die Stromausbeute liegt bei dieser Durchftihrung tiber 0,90 und kann sogar 0,98 erreichen. Der Verbrauch an elektrischer Energie betragt etwa 250 kWh pro Tonne raffinierten Kupfers.

Zellen mit bipolaren Elektroden enthalten im allgemeinen eine unlosliche Elektrode, eine Kathode aus reinem Kupfer und eine bestimmte Anzahl Rohkupferplatten, die mit der Stromzufuhr nicht verbunden sind und als bipolare Elektroden dienen (s. Abb. VII.2). Ihre der Anode zugewandte Seite arbeitet als Kathode, die entgegengesetzte Seite als Anode. Bei diesen Elektroden scheint sich die Umwandlung des Rohkup­fers in reines Kupfer ohne sptirbare Veranderung ihres Gewichts zu vollziehen; die Ausmassen der Platten sind nach Beendigung der Elek­trolyse praktisch unverandert. Die Verunreinigungen sind jedoch elimi­niert, und es ist nur noch elektrolytisch reines Kupfer vorhanden. Die wesen tlichste F olge dieser Durchftihrungsart ist eine Verringerung der Stromausbeute, die erheblich niedriger als I ist. Ein Teil des Stromes fiiesst namlich unmittelbar von der unlOslichen Anode durch den Elektro­lyten zur Endkathode, ohne an jeder bipolaren Elektrode anodische Auflosung und kathodische Abscheidung zu bewirken, da diese Elektroden nicht ganz genau die gleichen Ausmassen und die gleiche Form wie die Elektrol ysewanne ha ben konnen. Urn eine Verunreinigung der Elektroden durch den am Boden der Wanne liegenden Anodenschlamm zu vermeiden, mtissen sich die unteren Elektrodenenden in einem bestimmten Abstand vom Wannenboden befinden, so dass eine Elektrolytschicht vorhanden ist, in der der Strom direkt von der ersten zur letzten Elektrode fiies­sen kann.

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Kupferraffination: Kathoden und Verfahren 37

Die Stromausbeute Iiegt bei dieser Art der Schaltung zwischen 0,7 und 0,75, was moglicherweise auch daran liegt, dass man nur schwer feststellen kann, wann die Elektrode vollkQmmen gereinigt ist. Wird die Elektrolyse weiter fortgesetzt, so lost sich reines Kupfer von neuem auf, und der gesamte Strom, der von dem Moment der Auflosung des letzten Teilchens Rohkupfer der bipolaren Elektrode an verwendet wurde, geht verloren. Werden die Elektroden andererseits zu fruh aus der Wanne genommen, so muss der noch nicht gereinigte Rest auf me­chanischem Wege en tfem t werden. Dieser V organg kann vereinfach t werden, indem man vor der Elektrolyse die Kathodenseite aller Platten mit harzhaltiger Seife oder graphithaltigem ()l bespruht.

Der Abstand zwischen den Elektroden ist etwas geringer als bei den monopolaren Schaltungen (ungeHihr 33 mm), so dass die elektrische Spannung zwischen benachbarten Elektroden auf 0,II-O,13 V gesenkt werden kann. Ausserdem wird so das Elektrolytvolumen und damit der Platzbedarf fUr die Elektrolysewannen, Pumpenanlagen, Anlagen zur Erwarmung und Wiedergewinnung des Elektrolyten verringert. Strom­dichte und Temperatur sind die gleichen wie bei den monopolaren Schal­tungen. Der Energiebedarf pro Tonne raffinierten Kupfers ist erheblich geringer: er betragt etwa 160-170 kWh und kann sogar auf 130 kWh absinken. Urn zu erreichen, dass die Elektroden auf ihrer gesamten Oberflache gleichmassig angegriffen werden, muss man schon verhalt­nismassig reines Kupfer (99,2-99,5 %) verwenden, aus dem gleichmassig dicke Platten hergestellt werden konnen. Die Anzahl der hintereinander­geschalteten Wannen sowie die Anzahl der darin eintauchenden Elek­troden wird so gewahlt, dass die Endwannen direkt an das Gleichstrom­netz angeschlossen werden konnen. Dabei ist darauf zu achten, dass die kathodische Kupferschicht auf der gesamten Elektrodenoberflache gleich­massig wachst. urn Kurzschlusse zu vermeiden, die wegen des geringen Abstands zwischen diesen Elektroden sehr leicht auftreten konnen. An den Innenwanden der Wannen angebrachte Fuhrungsleisten aus Holz halten die Elektroden in gleichem Abstand voneinander. Ausserdem wird in regelmassigen Zeitabstanden dem Elektrolyten etwas Gelatine zuge­setzt, urn eine gleichmassigere Abscheidung zu erhalten. Die zur Elek­trolyse mit bipolaren Elektroden bestimmten Wannen durfen nicht mit Blei ausgekleidet werden, da dieses Material den Strom kurzschliessen wurde.

Ein Vergleich der verschiedenen Vor- und Nachteile beider Ver­fahren erlaubt eine noch deutlichere Darstellung ihrer charakteristischen Eigenschaften.

Das Verfahren mit monopolaren Elektroden weist folgende Vor­teile auf:

1. Als Anodenmaterial kann starker verunreinigtes Kupfer verwen­det werden, da die Elektroden weit genug voneinander entfemt sind, urn keine mechanische Verunreinigung der Kathode befUrchten zu mussen. Dies bedeutet einerseits einen hoheren Reinheitsgrad des kathodischen Kupfers, andererseits einen geringeren Verlust an Edclmetallen.

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Elektrometallurgie wassriger Losungen

2. Der Betrieb ist weniger kostspielig, da die Anoden durch ein­faches Giessen und in grosseren Ausmassen hergestellt werden. Die War­tung der Wannen und die Uberwachung des erheblich einfacheren Ar­beitsganges kann nichtspezialisiertem Personal anvertraut werden.

3. Die Wannen konnen mit Blei ausgekleidet werden.

Diesen Vorteilen stehen folgende Nachteile gegeniiber :

1. Die einzelnen Wannen haben einen hoheren Stromverbrauch; daraus ergibt sich ein grosserer Energievedust in den verschiedenen Widerstanden des Stromkreises und die Notwendigkeit hoherer Kupfer­querschnitte im Leitungsnetz.

2. Es miissen viele Kathoden hergestellt werden. 3. Das Vorhandensein zahlreicher Kontakte fiihrt zu emem Ener­

gievedust dUTCh die Kontaktwiderstande. 4- Der grossere Abstand zwischen den Elektroden erhoht den

ohmschen Widerstand des Elektrolyten, die Klemmenspannung der einzelnen Zellen, den Platzbedarf, die zu bewegende Elektrolytmenge und vergrossert die gesamte Anlage.

5. Es muss eine grossere Menge an anodischen Riickstanden auf­gearbeitet werden.

6. Der Raffinationszyklus ist langer.

Die bipolare Schaltung bietet die folgenden Vorteile:

1. Der durch die einzelnen Wannen fliessende Strom ist bei gleicher Elektrodenanzahl geringer. Der Energieverlust dUTCh joulesche Warme und die im Verteilernetz gebundene Kupfermenge sind daher ebenfalls geringer.

2. Die Zahl der Kontakte und damit die Kontaktwiderstande sind wesentlich geringer.

3. Der Abstand zwischen den Elektroden ist kleiner, so dass der ohmsche Widerstand, die Spannung, der Platzbedarf, das Elektrolytvo­lumen und die Ausmasse der ganzen Anlage geringer sind.

4. Der Energieverbrauch pro Tonne raffinierten Kupfers ist kleiner. 5. Es fallen weniger anodische Riickstande an, die wieder aufge­

arbeitet werden miissen. 6. Der Raffinationszyklus ist kiirzer.

Diesen Vorteilen stehen folgende Nachteile gegeniiber:

1. Der kompliziertere Vorgang erfordert eine sorgfaltigere Uber­wachung und speziell ausgebildetes Personal.

2. Der Verlust an Edelmetallen ist grosser. 3. Die anodischen Riickstande miissen auf mechanischem Wege

von den Platten entfernt werden. 4. Die Herstellung der Anoden dUTCh Auswalzen ist kostspieliger.

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Kupferraffination: Kathoden und Verfahren 39

5. Das als Ausgangsmaterial verwendete Kupfer muss bereits einen hoheren Reinheitsgrad aufweisen.

6. Der Elektrolyt muss sehr rein sein. 7. Die Wannen dlirfen nicht mit Blei ausgekleidet werden.

Aus dem Vergleich der beiden Verfahren geht hervor, dass das monopolare System vorzuziehen ist, wenn verhaltnismassig stark verun­reinigtes Kupfer ungleichmassiger Qualitat verarbeitet werden solI, wahrend das bipolare System sich bei der Raffination grosserer Mengen verhaltnismassig reinen Kupfers mit mehr oder weniger gleichbleibender Zusammensetzung als wirtschaftlicher erweist.

Tab. VIII.3 enthalt einige typische Analysenergebnisse.

Tab. VIII.3. - Typische Analysenergebnisse von Produkten der Kupferraffination.

Element Anodisches Kathodisches eu (%) eu (%)

eu 99,3 99,98 0 0,2 S 0,004 0,001 As 0,08 <0,0005 Sb 0,01 <0,0005 Pb 0,05 <0,0005 Se 0,1 <0,0005 Te 0,0122 <0,0002 Ni 0,2 <0,0005 Bi 0,01 <0,0005 Sn 0,002 <0,0005 Ag 0,08 <0,0005 Au 0,007 <0,0005

Tab. VIII+ - Elektrische Daten der Kupferraffination.

Grosse

Elektrische Spannung Stromdichte Stromausbeute Energieverbrauch

Monopolares System

0,2-0,5 V -200 A/m2 0,90-0,98 0,25 kWh/kg

Schlamm (%)

40

9

10 I

Bipolares System

0,II-O,13 V -200 A/m2 0,70- 0,75 0,16-0,17 kWh/kg

Page 53: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Elektrometallurgie wassriger Losungen

Die elektrischen Daten sind in Tab. VIII.4 zusammengefasst. In der Praxis werden noch verschiedene Hilfsmittel zur weiteren Verbes­serung des Endprodukts und zur Erleichterung des Arbeitsvorgangs angewendet.

Weitere Einzelheiten findet man in den entsprechenden Fachwerken der Elektrometallurgie (7).

6. Elektrolytische Raffination des Kupfers: Nebenprodukte

Bei der elektrolytischen Raffination des Kupfers erhalt man als Nebenprodukte den erschopften Elektrolyten und den Anodenschlamm. Sie sind von grosser Bedeutung, da oft dank ihrer Wiederverarbeitung ein erheblicher Teil der Kosten des Raffinationsvorgangs wieder einge­bracht werden kann. Schatzungen haben ergeben, dass ungefahr 80 % der Weltproduktion an Silber und IS % der Weltproduktion an Gold aus der elektrolytischen Raffination verschiedener Metalle stammen, unter denen Kupfer die erste Stelle einnimmt.

Der verunreinigte Elektrolyt enthalt beachtliche Mengen wertvoller Produkte, wie Kupfer, Schwefelsaure, Nickel und Arsen, die wieder­gewonnen und weiterverarbeitet werden konnen. Zu ihrer Gewinnung aus dem erschopften Elektrolyten wurden verschiedene Verfahren ent­wickelt.

Die einfachste Methode besteht in der Wiedergewinnung des Kup­fers durch Zementieren mit Eisenabfallen oder durch Kristallisieren des KupIersulfats nach vorhergehender Neutralisierung der freien Saure durch Kupferabfalle. Diese verhaltnismassig wenig wirtschaftlichen Methoden eignen sich fiir kleine Anlagen, bei denen die hoheren Kosten des Wiedergewinnungsverfahrens durch seine Einfachheit zum Teil wieder ausgeglichen werden.

Ein zweckmassigeres Verfahren besteht in der Elektrolyse des verunreinigten Elektrolyten in drei aufeinanderfolgenden Zellen mit unloslichen Anoden. Ein grosser Teil des Kupfers fallt in der ersten Zelle mit einer Stromausbeute von 0,85 als kathodische Abscheidung aus, wobei seine Qualitat der des raffinierten Kupfers ziemlich genau ent­spricht. In der zweiten Zelle fallt die Stromausbeute auf 0,50; die ka­thodische Abscheidung besteht aus Kupfer mittelmassiger Qualitat, das nicht als Elektrolytkupfer angesehen werden kann, zur Herstellung von Anoden jedoch durchaus geeignet ist. Die kathodisce Abscheidung der dritten Zelle besteht aus ungefahr 50 % Arsen ; man verwendet sie zur Gewinnung von Arsen.

Der Elektrolytriickstand wird so lange konzentriert, bis alle Verun­reinigungen, mit Ausnahme von Arsen und einigen Natrium- und Kalium­salzen, in Form von Sulfaten ausgefallt werden. Aus dieser hauptsachlich

(7) Siehe z.B. J. BILLITER, Technische Elektrochemie, Bd. I, Elektrometal­lurgie wiissriger Losungen, W. Kapp, Halle (1952).

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Kupfergewinnung durch Elektrolyse

aus Nickelsulfat bestehenden Sulfatmasse wird nun das Nickel gewonnen. Die Mutterlaugen werden darauf von neuem dem Kreislauf zugefiihrt, da sie vor aHem Schwefelsaure und eventueH noch einige Alkalisulfate enthalten.

Der Anodenschlamm, der ungefahr 0,8-1,2 % des eingesetzten Kupfers enthalt, besteht im wesentlichen aus Kupfer und Silber. Ausser­dem enthalt er stets Gold, das aus den Anoden und den un16slichen Verunreinigungen stammt. Es gibt verschiedene Verfahren zu der aller­dings ziemlich komplizierten Wiedergewinnung dieser Edelmetalle und anderer wertvoller Bestandteile.

Ein verhaltnismassig wenig kompliziertes Verfahren setzt sich aus folgenden Arbeitsgangen zusammen. Die groben Kupferteilchen werden in Sieben gesammelt, gewaschen und filtriert. Das so erhaltene Produkt enthalt noch 25-40 % Wasser und wird nun bei niedriger Temperatur in Flammafen gerastet, urn bestimmte Elemente (z.B. Arsen und Selen), die sich zum Teil verfitichtigen, so we it als maglich zu oxidieren. Sie kannen aus den Abgasen wiedergewonnen werden. Das Rastprodukt wird mit Schwefelsaure ausgelaugt; dabei wird fast das ganze Kupfer und ein Teil der Verunreinigungen ge16st. Der Rtickstand wird mit alka­lischen Fluss- und Oxidationsmitteln geschmolzen und bildet schliesslich eine Schlacke, aus der noch einzelne Elemente (z.E. Selen und Tellur) und Rohsilber gewonnen werden. Letzteres wird zu Anoden gegossen und elektrolytisch raffiniert. Oft ist auch noch eine chemische Behandlung erforderlich, urn Gold oder andere Edelmetalle yom Silber zu trennen.

7. Kupfergewinnung durch Elektrolyse von Kupfer(II)lOsungen mit unloslichen Anoden

Die Elektrolyse von Kupfer(II)lasungen mit unlaslichen Anoden wird im allgemeinen dann angewendet, wenn die Zusammensetzung der Erze die Kupfergewinnung auf nassem Wege am wirtschaftlichsten erscheinen lasst. Ausserdem dient sie zur Wiedergewinnung des Kupfers aus den Abwassern verschiedener Industrien und den Nebenprodukten metallurgischer Anlagen. Bei diesem Verfahren wird das Kupfer, so fern es sich noch nicht in Lasung befindet, in Saure gelast. Durch Elektrolyse dieser Lasung wird das Kupfer kathodisch abgeschieden und darauf der erschapfte saure Elektrolyt zur neuerlichen Aufiasung von Kupfer ver­wendet.

Aus dem bereits tiber den bei der elektrolytischen Kupferraffination verwendeten Elektrolyten Gesagten geht deutlich hervor, dass eine wirt­schaftliche Kupfergewinnung auf nassem Wege sehr viel schwieriger als die Raffination von Rohkupfer durchzufiihren ist. Ausserdem mtissen die zu diesem Verfahren verwendeten Anlagen wegen der verschiedenartigen Zusammensetzung des Ausgangsmaterials ganz verschieden konstruiert werden, wahrend die Raffinationsanlagen doch mehr oder weniger stan­dardisiert sind.

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Elektrometallurgie wassriger Losungen

Die elektrolytische Kupfergewinnung wird vor allem zur Ausbeu­tung kupferarmer Erze und zur Kupfergewinnung aus den Abbranden kupferhaltiger Pyrite angewandt, denn fUr kupferreiche Erzen erweist sich die thermische Metallurgie als wirtschaftlicherr. Aus kupferreichen Erzen erhiilt man auf diesem Wege Schwarzkupfer, das anschliessend raffiniert werden kann.

Die Erze, die flir die Kupfergewinnung auf nassem Wege in Frage kommen, konnen in zwei Gruppen eingeteilt werden. Die erste Gruppe umfasst den Cuprit (Cu20), den Malachit (CuCOa·Cu(OHh), den Azurit (2 CuCOa·CU(OH)2)' den Atacamit (CuCI2·3 CU(OH)2)' den Chrysokoll (CUSiOa·2H20), den Chalkantit (CuSO,,·5H20) und den Brochantit (CuSO,,·3 CU(OH)2). Zu diesen Mineralen, aus denen das Kupfer mit Schwefelsaure ausgelaugt werden kann, sind ausserdem die Abbrande der kupferhaltigen Pyrite zu rechnen, die das Kupfer hauptsachlich als Oxid (CuO) enthalten. Zur zweiten Gruppe gehoren der Kupferglanz oder Chalkosin (Cu2S), der Covellin (CuS) , der Kupferkies oder Chalkopyrit (CuFeS2), der Bornit (CuaFeSa) und der Burnonit (CuPbSbSa). Die Mi­nerale der erst en Gruppe konnen ohne weiteres mit verdtinnter Schwefel­saure ausgelaugt werden; man erhalt auf diese Weise Kupfersulfat sowie die entsprechenden freien Sauren (HCI, H20-C02-H2SiOa). Die Minerale der zweiten Gruppe mtissen vor dem Auslaugen einem Rostprozess unterzogen werden, urn die Sulfide in Oxide umzuwandeln. Enthalt jedoch die ExtraktionslOsung auch Eisen(III)sulfat, so gehen einige Minerale der zweiten Gruppe, vor allem das wichtigste Erz, der Kupferglanz, entsprechend folgender Reaktion in Losung:

In der Praxis durchlauft die Fltissigkeit einen Kreislauf, der sie mit dem Erz in Bertihrung bringt, wobei d~s Kupfer ausgelaugt und die Saure neutralisiert wird. Wahrend der Elektrolyse wird an der Kathode das Kupfer abgeschieden und an der Anode die Saure regeneriert. Der saure Elektrolyt, der kein Kupfer mehr enthalt, wird von neuem zum Auslaugen des Erzes verwendet. Dieses Verfahren kann folgenderweise schematisch dargestellt werden:

Mineral t

Laugung +----- erschopfter saurer Elektrolyt

t t saure Losung enthalt Cu 2+ ------? Elektrolyse

t Elektrolytkupfer

Die Gangart, die den Grossteil des abgebauten und zu behandelnden Materials bildet, solI moglichst wenig Carbonate und Erdalkalien ent­halten, urn einen zu hohen Verbrauch an Schwefelsaure und eine zu hohe

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Kupfergewinnung durch Elektrolyse 43

Konzentration von Erdalkalisulfaten zu vermeiden. Die letzteren storen die Elektrolyse und konnen nur schwer abgetrennt werden. Ein Teil der Schwefelsaure geht bei jedem Arbeitsgang bei der Aufiosung der im Erz vorhandenen Verunreinigungen und Carbonate verloren, ein anderer Teil bleibt im Loseruckstand. Diese Verluste mussen bei jedem Arbeits­gang ersetzt werden. Urn eine Zunahme der Verunreinigungen in der Losung moglichst zu vermeiden, darf die Laugungslosung nicht zu stark sauer sein ; sie soIl etwa 80-IOO gil Saure enthalten.

Nach der Laugung muss der Elektrolyt meist gereinigt werden, besonders wenn er einen Uberschuss an dreiwertigem Eisen oder Arsen und Cl- und NOa- lonen enthalt. Das Vorhandensein dieser beiden Anionen erschwert die Elektrolyse, da sie die in sauren Elektrolyten die meist aus Blei oder Bleilegierungen mit Antimon und Silber bestehenden Anoden angreifen. Durch Behandlung des Elektrolyten mit pulverisier­tern Zementkupfer konnen die meisten Cl- lonen abgetrennt und die Fe3+ lonen gleichzeitig zu Fe2+ lonen reduziert werden. Das metallische Kupfer geht dabei zum Teil in Form von Cu+ lonen in Losung und bildet mit den Cl- lonen schwerlosliches Kupfer(l)chlorid. In bestimmten Fallen muss eine zu hohe Konzentration an Fe3+ lonen vermieden werden, da sie die kathodische Stromausbeute durch die Primarreaktion

und durch Sekundarreaktionen mit dem an der Kathode abgeschiedenen Kupfer

Cu + 2 Fe3+ -+ Cu2+ + 2 Fe 2+ verringert.

Enthalt die gereinigte Losung nur wenig Cl- und NO a- lonen, konnen Anoden aus Blei oder Bleilegierungen verwendet werden; ebenso kann Magnetit verwendet werden, da er Cl- und NO a- gegenuber sehr widerstandsfahig ist. Ein Nachteil ist seine Zerbrechlichkeit, die ihn zur Herstellung grossfiachiger Anoden ungeeignet macht. Eher empfiehlt sich die Verwendung der Chilex-Legierung, die aus 60 % Kupfer, 8 % Eisen, 25 % Silizium, 2-3 % Blei sowie Zinn und Mangan besteht. Diese hauptsachlich aus CuSi und FeSi zusammengesetzte Legierung ist ge­genuber dem anodischen Angriff der Cl- lonen sehr widerstandsfahig. Die am haufigsten verwendete Bleilegierung enthalt I4 % Antimon und 0,5 % Silber. Die Elektrolyse wird in mit Blei oder Asphalt aus­gekleideten Holz- und Betonwannen durchgefuhrt. Die theoretische Elektrolysespannung des Kupfersulfats betragt in leicht saurer Losung, wie sie flir die EIektrolyse ublich ist, ungefahr 0,9 V. In der Praxis muss jedo~h eine Spannung von I,8-2,5 V an die Zelle angelegt werden, urn die Uberspannungen und den ohmschen Widerstand des Elektrolyten zu uberwinden.

Das Vorhandensein einer gewissen Menge an zweiwertigem Eisen im Elektrolyten erweist sich als niitzlich, da Fe2+ die Uberspannung an der Anode herabsetzt und so die an die Zelle angelegte Spannung ver­ringert. Die Regeneration des Eisen(III)salzes ist also bei Verfahren,

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44 Elektrometallurgie wassriger Losungen

die die Behandlung schwefelhaltiger Minerale mit einem Gemisch von Schwefelsaure und Eisen(III)sulfat vorsehen, von besonderer Bedeutung. 1st die Regeneration des Eisen(III)salzes unnotig, so kann es entweder durch das Zementkupfer bei der Abtrennung der Cl- Ionen oder mit Hilfe von Schwefeldioxid reduziert werden.

Die Elektrolyse beginnt mit einem etwa 5 % Kupfer enthaltenden Elektrolyten und wird mit einer Stromdichte von etwa 130 A/m2 fort­gesetzt, bis der Endgehalt des Elektrolyten an Kupfer, bei einer Strom­ausbeute von 0,8-0,9, noch 1,5 % betragt. Eine dariiber hinausgehende Kupferabscheidung wiirde die Stromausbeute zu sehr herabsetzen. Der erschopfte Elektrolyt enthalt 1,5 % Kupfer, 80-90 gil Saure und eine gewisse Menge regeneriertes Eisen(III)salz. Unter diesen Voraussetzungen liegt der Energieverbrauch bei 2,0-2,2 kWh/kg Kupfer.

In Tab. VIII.5 sind einige typische Werte fUr die Zusammensetzung des Elektrolyten zusammengefasst.

Die elektrischen Daten sind in Tab. V1II.6 angegeben.

Tab. VIII.5. - Typische Zusammensetzung (in gjl) eines zur elektrolytischen Kupfergewinnung verwendeten Elektrolyten.

Cu H 2SO4 Cl-

Rohelektrolyt 35,39 47,85 0,59 Mit Cu gereinigter Elektrolyt 36 ,19 46,09 0,13 Erschopfter Elektrolyt 14044 78,54 0,21

Tab. VIII.6. - Elektrische Daten fiir die Kupfergewinnung.

Elektrolysespannung Stromdichte Stromausbeute Energieverbrauch

1,8-2,5 V

'" I30 Ajm2

0,80-0,90 2,0-2,2 kWhfkg

8. Elektrolytische Raffination des Silbers

Fe total Fe3+

4,60 1,37 4,60 0,01 4,60 1,13

Die elektrolytische Raffination des Silbers stellt einen iiberaus einfachen Vorgang dar, da dieses Metall unter normalen Bedingungen in Losung nur einwertige Ionen bildet. An der Anode entstehen zwar auch Ag2 + Ionen mit der stochiometrischen Wertigkeit 1/2; sie sind jedoch nicht bestandig und zerfallen leicht entsprechend der Reaktion

Ag2 + --+ Ag+ + Ag (VIII. 8.1)

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Sil berraffina tion 45

Diese Reaktion vollzieht sich so nahe der Anode, dass das dabei entstandene metallische Silber an dieser haften bleibt. Nur eine ganz geringe Menge Ag2 + Ionen geht in den Elektrolyten tiber und kann mit Hilfe einer sehr stark verdtinnten Permanganat16sung festgestellt werden. Diese Ionen sind in so geringer Menge vorhanden, dass sie keinen spiir­baren Einfluss auf den Verlauf der Elektrolyse oder auf die Stromaus­beute austiben. Die Stromausbeute liegt also stets nahe bei l, ohne diesen Wert jedoch zu erreichen, da infolge der Reaktion (VIII.S.l) immer etwas Silber in den Anodenschlamm tibergeht. Die gtinstigsten Bedin­gungen werden daher mehr von wirtschaftlichen als von theoretischen Ubedegungen bestimmt.

Das Rohmaterial besteht im allgemeinen aus Gold-Silber-Legierun­gen, die aus dem Anodenschlamm bei der Raffination verschiedener Metalle (Kupfer, Blei, Wismut) erhalten werden. Auch Nebenprodukte der metallurgischen Verarbeitung edelmetallhaltiger Erze sowie Abfalle von Goldschmiedewerkstatten werden verwendet. Diese Rohstoffe wer­den, bevor man sie zu Anoden formt, entsprechend ihrer Zusammen­setzung vorbehandelt, urn ihren Silbergehalt soweit als moglich zu er­hohen. Der grosste Teil des Kupfers wird nach einem oxidierend wirkenden Rostprozess mit Schwefelsaure ausgelaugt. Ein Teil des Gehaltes an Blei, Selen und Tellur geht wahrend der Raffination in einem DORE-Ofen in die Schlacken tiber. Arsen und Antimon entweichen zum Grossteil wahrend des gleichen Vorgangs mit den Abgasen. Aus dem so erhaltenen Metall werden Anoden gegossen, deren mittlere Zusammensetzung in Tab. VIII.7 angegeben wird.

Der Silbergehalt darf nie weniger als 70 % betragen.

Tab. VIII.7. - Zusammensetzung der Silberanoden.

Ag

Au

Element

Cu, Bi, Pb, Pt, Zn u.a.

%

95-98

0,5-3

1,5-3

Eine gleichzeitige kathodische Abscheidung der das Silber beglei­tenden Verunreinigungen ist sehr unwahrscheinlich, da die Standard­elektrodenspannung des Silbers positiver als die der anderen vorhan­denen Metalle ist, lediglich Gold ist edler. Ausserdem vollzieht sich die kathodische Abscheidung des Silbers ohne merkliche Uberspannung. Bei der anodischen Auflosung des Rohsilbers bleibt das Gold ungelost und geht zugleich mit den Metallen der Platingruppe, Tellur und einem Teil des Bleis (dieses als Peroxid) in den Anodenschlamm tiber. Der

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Elektrometallurgie wassriger Losungen

Kupferriickstand, das restliche Blei und andere eventuell vorhandene Verunreinigungen gehen dagegen in Losung und werden kathodisch nicht abgeschieden.

Wegen der geringen Loslichkeit des Silbersulfats kann bei der Raffination des Silbers kein schwefelsaurer Elektrolyt verwendet werden. Das Nitrat ist unter den am besten loslichen Silbersalzen ohne Zweifel das wirtschaftlichste. Man verwendet also als Elektrolyt mit Salpeter­saure angesauertes Silbernitrat, dem Natrium- oder Kaliumnitrat zuge­setzt wird, urn die Leitfahigkeit des Bades zu erhohen. Die Zusammen­setzung dieses Elektrolyten wird in Tab. VIII.8 angegeben.

Tab. VIII.S. - Zusammensetzung des Elektrolyten fUr die Silberraffination.

Stoff

Ag

NaN03

HN03 frei

Konzentration (gil)

15-30

100

2-10

Das Vorhandensein freier Salpetersaure im Bad hat den zusatzlichen Vorteil, die Abscheidung des Kupfers zu verhindern. Da die kathodische Reduktion der Salpetersaure bei einer Elektrodenspannung stattfindet, die zwischen den Entladungspannungen des Silbers und des Kupfers liegt, tritt die Reduktion der freien Saure noch vor der Abscheidung des Kupfers an der Kathode ein. Da die Reduktion der Salpetersaure und die Abscheidung des Silbers bei fast gleicher Elektrodenspannung einsetzen, findet stets eine teilweise Reduktion von HN0 3 statt. Ihre Konzentration im Elektrolyten muss daher ziemlich niedrig gehalten werden, urn einen unnotigen Verbrauch an Salpetersaure und ein Absinken der Stromausbeute zu vermeiden. Die verbrauchte Saure muss standig ersetzt werden; man benotigt etwa 8 g Saure pro kg Elektrolytsilber.

Unter diesen Bedingungen kann die Konzentration des an der Anode in Losung gehenden Kupfers ohne Schwierigkeit hohe Werte erreichen. Urn jedoch zu vermeiden, dass dieses Metall infolge unkon­trollierbarer Konzentrationsanderungen im Kathodenraum zugleich mit dem Silber abgeschieden wird, darf der Kupfergehalt 80 gil nicht iiber­schreiten. 1m allgemeinen ersetzt man einen Teil des Elektrolyten durch frischen, kupferfreien Elektrolyten, sobald der Kupfergehalt 4 % erreicht.

Das Silber wird nur bei sehr geringer Stromdichte als anhaftende Abscheidung aus der Nitratlosung erhalten. Bei den im allgemeinen in den Elektrolysezellen verwendeten Stromdichten wird das Silber in gros­sen Kristallen (Typ I oder 2) abgeschieden. Diese Kristalle sind ge­wohnlich in der Richtung Kathode-Anode der Lange nach gerichtet;

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Sil berraffina tion 47

sie kannen daher leicht Metallbriicken bilden und die Zelle kurzschliessen. Aus diesem Grunde werden hauptsachlich zwei Kathodentypen ver­wendet: Die MOEBIUs-Zelle besitzt senkrechte Kathoden aus gewalztem reinem Silber oder aus Stahl, die zwischen senkrechten Anoden angebracht sind; die auf diesen Kathoden abgeschiedenen Kristalle werden durch eine sich standig hin- und herbewegende Holzgabel abgestreift und fallen auf den Boden der Zelle.

Die BALBACH-THuM-Zelle hat waagrechte Graphitkathoden auf dem Boden der Zelle; die eben falls waagrechten Anoden sind im Inneren eines Holzgehauses in der Zelle aufgehangt.

Da sich das raffinierte Silber stets in Kristallform auf dem Boden der Zelle ansammelt, muss eine eventuelle Verunreinigung durch den Anodenschlamm unbedingt vermieden werden. Zu diesem Zweck wird stets zwischen Anode und Kathode ein Diaphragma angebracht; es besteht aus einem sehr dicken und dem Elektrolyt gegeniiber wider­standsfiihigen Gewebe. Bei der MOEBIUs-Zelle umgibt es die Anoden in Form eines Sackes, wahrend es in der BALBACH-THuM-Zelle einfach den Boden des Holzgehauses bedeckt. Trotz dieser Vorsichtsmassnahmen miissen die kathodischen Silberkristalle in jedem FaIle sorgfaltig gewaschen werden, urn sie von dem anhaftenden Elektrolyten und von den durch das Gewebe eingedrungenen Anodenschlammteilchen zu befreien. Dieser Waschgang ist besonders bei hohem Goldgehalt des Anodenschlamms von grosser Wichtigkeit. Das Waschwasser darf selbstverstandlich keine Sulfate enthalten, da sonst Bleisulfat ausfallt.

Die Zellen bestehen aus verhaltnismassig klein en Wannen aus Porzellan, glasierter Majolika oder asphaltiertem Beton. Die Elektrolyse beginnt bei Raumtemperatur; in ihrem weiteren Verlauf steigt die Temperatur nach und nach auf 40-50 °C. Die Charakteristika der beiden wichtigsten Zellentypen sind in Tab. VIII.9 zusammengefasst. Man erhiilt auf diesem Wege Silber mit einem Reinheitsgrad von 99,98-99,99 %.

Liegt der Reinheitsgrad des zur Raffination vorgesehenen Silbers unter 70 %, so lOst man es zunachst in einem stark salpetersauren Ano­lyten anodisch auf. Das Silber wird nun mit Kupfer zementiert und so von der Lasung getrennt. Da es noch nicht rein genug ist, wird es elek-

Tab. VIII.9. - Elektrische Daten der Silberraffination.

Grosse

System Spannung Ka thodenstromdich te Anodenstromdichte Stromausbeute Energieverbrauch

MOEBIUs-Zelle

monopolar 2-2,5 V bis zu 500 A/m2 bis zu 500 A/m2 -0,93 0,5-0,6 kWh/kg

BALBACH-THuM-Zelle

monopolar 3,2-3,8 V 200 A/m2 300-400 A/m2 -0,95 0,9-1,1 kWh/kg

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Elektrometallurgie wiissriger Losungen

trolytisch raffiniert, wahrend die Salpetersaure aus der Losung durch kathodische Abscheidung des Kupfers in einer Zelle mit unloslichen Anoden wiedergewonnen wird. Bei sehr silberarmen Legierungen hat sich die elektrolytische Raffination jedoch als unwirtschaftlich erwiesen.

Der Anodenschlamm enthalt das gesamte Gold, Platin und Palla­dium, sowie geringe Mengen anderer Verunreinigungen. Kupfer und Silber werden durch Behandlung des Anodenschlamms mit kochender Schwefelsaure entfernt. Der Rest des Anodenschlamms wird zu Anoden gegossen, aus denen das Gold auf elektrolytischem Wege gewonnen wird (s. Abschn. 9).

Der Platzbedarf der MOEBIus-Zelle ist dank der senkrechten Anordnung der Elektroden geringer. Sie verbraucht pro Gewichtseinheit raffinierten Silbers weniger Energie und Salpetersaure ; es gehen weniger Edelmetalle verloren. Ausserdem ist der Personalbedarf geringer, da die Silberkristalle mechanisch von den Elektroden abgelost werden. Die BALBAcH-THuM-Zelle erlaubt dagegen einen vollstandigen Verbrauch der Anoden, die beliebig geformt und weniger rein sein konnen. lhre Wartung und ihr Betrieb sind einfacher, da sie keine beweglichen Teile enthalt. Schliesslich kann das raffinierte Silber ohne Unterbrechung des elektrochemischen Arbeitsganges entnommen werden.

9. Elektrolytische Raffination des Goldes

Die elektrolytische Raffination des Goldes stosst in der Praxis auf verschiedene Schwierigkeiten, da Gold dazu neigt, passiv zu werden. Es lost sich in Abwesenheit von lonen wie Cl- und CN- praktisch nicht auf. Eine Goldanode wird in einer AuC1 3 oder H[AuCl4J Lasung nur sehr wenig angegriffen, da die gebildeten Komplexionen kaum disso­ziieren. Die Konzentration der freien Cl- lonen, die eine anodische Auflosung ermoglichen, bleibt daher ausserst niedrig. 1st jedoch ein kleiner Uberschuss an HCl oder NaCl vorhanden, wird das Gold sofort und ohne jede Schwierigkeit aufgelOst. Bei einem Uberschuss an Cl- lonen kann das Gold wahrend der anodischen Auflosung Komplexe bilden, in denen es ein- oder dreiwertig ist. Dabei treten folgende Reaktionen ein (die da­zugehorigen Standardelektrodenspannungen sind daneben angefiihrt) :

Au

Au

+ 4 Cl- --+ AuC14 - + 3 e­

+ 2 Cl- --+ AuC12 - + e-

0,926 V

I,002 V

I,I54 V

Metallisches Gold und ein- und dreiwertiges Gold sind also gleich­zeitig in einem Gleichgewichtszustand vorhanden, wie auch beim Kupfer beobachtet werden konnte. Dieser Gleichgewichtszustand hangt von der Temperatur ab ; mit zunehmender Temperatur nimmt die Konzentration

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Goldraffina tion 49

des einwertigen Goldes zu. Das Verhalten des Goldes ist also in gewissem Masse mit dem des Kupfers zu vergleichen. Der Anodenschlamm der Goldraffination enthalt ebenso eine bestimmte Menge Goldpulver, das in einer analogen Reaktion zu (VIII.3.I) entsteht. Die Goldmenge, die so in den Anodenschlamm gelangt, hangt auch von der Konzentration an freier Salzsaure, von der Temperatur, von der Fliissigkeitsbewegung, von der Zusammensetzung der Anode und von der Stromdichte abo Das Gold unterscheidet sich allerdings vom Kupfer durch seine Tendenz zur Passivierung. In einer wassrigen neutralen Gold(III)chloridlosung entwickelt sich bei Verwendung von Goldelektroden an der Anode aus­schliesslich Chlor, eventuell noch Sauerstoff. 1st jedoch im Verhaltnis zu den Au 3+ Kationen ein Dberschuss an Cl- Ionen vorhanden, so lOst sich die Goldanode auf, ohne passiv zu werden, und man kann, wenn man die Temperatur und die Konzentration der Cl- lonen erhoht, mit einer hoheren Stromdichte arbeiten. Der Mechanismus der Kathodenreaktion ist noch nicht vollstandig bekannt, da die drei- und einwertigen Gold­kationen in der Umgebung der Kathode wegen der hohen Bestandigkeit der Goldanionenkomplexe in sehr geringer Konzentration vorhanden sind. Moglicherweise handelt es sich bei der kathodischen Elektroabschei­dung des Goldes nicht urn eine primare, sondern urn eine sekundare Reaktion. Die Reduktion der komplexen Goldanionen durch das Produkt einer wahrscheinlicheren Primarreaktion (z.B. der Entladung von H + Ionen) ware denkbar. Trotz dieser Unsicherheit ist bekannt, dass die giinstigsten Arbeitsbedingungen bei hoher Temperatur und hoher Kon­zentration an iiberschiissigen Cl- Ionen gegeben sind.

Weitere Bedingungen sind zu erfiillen, urn eine gut haftende katho­dische Abscheidung und einen moglichst schnellen Arbeitsablauf (wegen der hohen Kosten, die durch das im Prozess gebundene Material ent­stehen) zu erreichen : eine hohe Goldkonzentration sowie eine moglichst hohe Stromdichte.

Die maximale Stromdichte hangt von der Temperatur, der Kon­zentration der Cl- lonen und der Zusammesetzung der Anoden abo

Die Anoden bestehen aus Legierungen von Gold und Silber, die haufig Kupfer, Blei, Metalle der Platingruppe und verschiedene andere Verunreinigungen enthalten. Dieses Rohmaterial stammt hauptsachlich aus dem Anodenschlamm der Elektroraffination des Silbers oder aus der Verarbeitung von Riickstanden und Abfallen von Miinzstatten und Goldschmiedewerkstatten. Das klassische Raffinationsverfahren ohne Verwendung von Wechselstrom kann nur bei Anoden, deren Goldgehalt nicht unter go % liegt, angewandt werden. Die iibliche durchschnittliche Zusammensetzung ist in Tab. VIII.IO angegeben.

Die Wahl des Elektrolyten ist einfach, da nur wenige Moglichkeiten offenstehen. Die Verwendung eines schwefelsauren Elektrolyten ist wegen der geringen Loslichkeit des Goldsulfats ausgeschlossen; das Chlorid AuC1 3 bildet in einfacher wassriger Losung einen Anionenkomplex. Die Anodenreaktion fiihrt in diesem Fall nicht zur Auflosung der Anode, sonderm im Gegenteil zu deren Passivierung und zur Chlor- und Sauerstoff­entwicklung. 1st dagegen ein Dberschuss an Cl- Ionen vorhanden, so

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50 Elektrometallurgie wassriger Losungen

Tab. VIII.IO. - Zusammensetzung der Goldanoden.

Au

Ag

Element

Andere Metalle

(%)

lost sich die Anode ohne Passivierung mit hoher Stromdichte auf. In einer cyanidhaltigen Losung zeigt das Gold bei Vorhandensein liberschlissiger CN- Ionen ein analoges Verhalten. Die QualWit der aus Cyanidlosungen erhaltenen kathodischen Abscheidung ist stets den anderen liberlegen, so dass sie im allgemeinen zur Vergoldung verwendet werden. Da jedoch die Abscheidungsspannungen von Gold, Silber und Kupfer aus Cyanid­losungen sehr nahe beieinanderliegen, zieht man meist salzsaure Losungen vor. Der verwendete Elektrolyt enthalt gewohnlich 50-100 gil Gold und 100-130 gil Salzsaure. Die Temperatur des Bades wird bei etwa 65-70 °C gehalten, urn die Passivierung der Anoden noch weiter zu verringern, die Stromdichte zu erhohen und zugleich die Qualitat der kathodischen Abscheidung zu verbessern. Das Wasser verdampft bei dieser verhaIt­nismassig hohen Temperatur rasch und muss regelmassig erganzt werden.

Die metallischen Verunreinigungen dieses Elektrolyten gehen zum Teil in Losung, zum Teil in den Anodenschlamm liber. Kupfer, ein Teil des Bleis, Platin, Palladium sowie Iridium- und Rhodiumspuren losen sich auf, wahrend die anderen Metalle der Platingruppe (Osmium, Ruthe­nium, der Rest des Iridiums und Rhodiums) sowie das restliche Blei und Silber sich im Anodenschlamm sammeln. Blei und Silber sind je nach der Konzentration der SOl- Ionen in der Losung als Chloride oder Sulfate vorhanden.

Anoden mit hohem Kupfer- oder Bleigehalt sind zur elektrolytischen Raffination ungeeignet, da ein Kupferliberschuss die Goldkonzentration im Elektrolyten rasch verringern wfude; das Ergebnis ware eine nicht an der Kathode haftende Goldabscheidung. Ein Bleiliberschuss wfude zur Bildung eines dlinnen Films auf der Anode flihren, der durch Erhohung der wirksamen Stromdichte die Passivierung fordern wfude. Ein Bleiliber­schuss macht ausserdem das kathodisch abgeschiedene Gold rauh und unregelmassig; dadurch entsteht nicht nur die Gefahr einer Verunreini­gung des raffinierten Goldes durch den Einschluss von Bleisalzkristallen und Elektrolyt, sondern es werden auch (bereits bei einem Bleigehalt von nur 0,001 %) Schwierigkeiten bei der weiteren Verarbeitung ver­ursacht.

Ein Silbergehalt der Anode von weniger als 5 % verursacht keinerlei Schwierigkeiten, betragt er jedoch zwischen 5 und 10 %, so bildet sich ein Silberchloridfilm, der jedoch nicht gut an der Anode haftet und daher

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Goldraffination 51

mechanisch entfernt werden kann. Bei Silbergehalten iiber 10 % bis maximal 20 % muss dem zur Elektrolyse verwendeten Gleichstrom ein Wechselstrom iiberlagert werden. Besteht das Rohmaterial hauptsachIich aus dem Anodenschlamm der Silberraffination, so ist sein Silbergehalt im allgemeinen zu hoch, urn es direkt verwenden zu konnen. Man unter­zieht das Rohmaterial daher einer Vorbehandlung mit heisser Schwefel­saure in gusseisernen Behaltern, urn Silber, Blei und Kupfer aufzu16sen. Nach dem Was chen wird der Riickstand geschmolzen und zu Anoden gegossen.

Der Elektrolyt kann auch Platin und Palladium in beachtlichen Konzentrationen - 50 gil bzw. IS gil - enthalten, ohne dass sich nach­teilige Folgen bemerkbar machen. Diese Metalle werden ebenso wie der Goldriickstand auf chemischem Wege aus dem erschopften Elektrolyten wiedergewonnen. Auch aus diesem Grund sind stark kupferhaltige Goldlegierungen zur Raffination ungeeignet, da man den Elektrolyten sehr oft erneuern muss und so den Vorteil der automatischen Konzen­tration von Platin und Palladium, ohne zusatzIiche Kosten, verliert. Der Elektrolyt wird sehr einfach durch die anodische Auflosung von reinem Gold in einer Elektrolysezelle mit Diaphragma, die zu Beginn 25 % Salzsaure enthalt, hergestellt. Das Diaphragma verhindert die Diffusion und somit die Abscheidung des Goldes im Kathodenraum.

Die Kathoden bestehen aus diinnen Goldblechen. Die Kenndaten der Elektrolyse sind in Tab. VlII.II zusammengestellt.

Tab. VIII.II. - Elektrische Daten der Goldraffination.

Schaltung Spannung Stromdichte Stromausbeute Energieverbrauch

monopolar 0,5-3,5 V 1000-1600 A/m2

1 oder grosser als 1

0,3 kWh/kg

Eine Stromausbeute grosser als eins crscheint absurd; es ist jedoch zu beachten, dass sie auf das Ion AUa + bezogen ist, wahrend in Wirk­lichkeit die sehr nahe beieinanderliegenden Standardelektrodenspan­nungen der ein- und dreiwertigen lonen zeigen, dass in der Losung eine nicht vernachlassigbare Menge einwertiger lonen vorhanden ist. Diese sind am Raffinationsvorgang beteiligt, wobei sie nur ein Drittel des Stroms verbrauchen, den die dreiwertigen lonen benotigen.

Das so an der Kathode erhaltene Gold weist einen Reinheitsgrad von 99,97-100 % auf.

Dieses Raffinationsverfahren eignet sich fiir Anoden, die einen Goldgehalt von mindestens 90 % haben. Anoden, die 10-20 % Verun­reinigungen (die im wesentlichen aus Silber bestehen) enthalten, konnen noch elektrolytisch raffiniert werden, wenn man dem zur Elektrolyse

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Elektrometallurgie wassriger L6sungen

verwendeten Gleichstrom einen Wechselstrom niedriger Frequenz iiber­lagert, dessen Strom starke etwa 10 % grosser ist, urn eine periodische asymmetrische Umkehrung des Stromes zu erreichen.

Diese Uberlagerung eines Wechselstroms bietet verschiedene Vor­teile. Erstens wird dadurch der anodische Silberchloridfilm kompakter und zugleich weniger hafWi.hig, so dass er leicht entfernt werden kann. Zweitens wird die Anodenspannung herabgesetzt und damit die Passivie­rung gehemmt, so dass hohere Stromdichten verwendet werden konnen. Ausserdem wird auf diese Weise die Entstehung von Au+ Ionen einge­schrankt und daher die Menge an Goldpulver im Anodenschlamm verrin­gert. Schliesslich wird auch das Bad erwarmt.

Betragt der Goldgehalt der Anoden weniger als 80 %, so miissen sie vor der Raffination durch Behandlung mit Salpetersaure (Quartierung) oder mit kochender Schwefelsaure (Affinieren) gereinigt werden.

Angesichts des hohen Goldpreises miissen Material, Form und Aus­masse der Wannen so gewahlt werden, dass Verluste vermieden werden. Ausserdem miissen die Arbeitsbedingungen gestatten, den Raffinations­zyklus einschliesslich aller zusatzlichen Arbeitsgange in hochstens 24 Stunden durchzufiihren, da eine langer dauernde Festhaltung des hohen Kapitals einen zu grossen Verlust an Zinsen nach sich ziehen wiirde. Die im allgemeinen verwendeten Wannen bestehen aus Porzellan oder Steingut und miissen Temperaturen von 60-70 oC aushalten.

Die Nebenprodukte bestehen einerseits aus dem erschopften Elek­trolyten, der regelmassig erneuert wird, sobald sich eine zu grosse Menge Verunreinigungen darin gesammelt hat, andererseits aus dem Anoden­schlamm. Die Zusammensetzung dieser Nebenprodukte wird in Tab. VIII.12 angegeben.

Tab. VIII.I2. - Zusammensetzung des Anodenschlamms und des ersch6pften Elek­trolyten bei der Goldraffination.

Anodenschlamm

Au

AgCl

Metalle der Platin­

gruppe, Pb-, Sb­

Salze etc.

1-80 % (*)

95-20 %

Erschopfter Elektrolyt

Au

Pt

Pd

Andere Metalle der

Platingruppe, Cu,

Pb etc. :

30-60 gil

40-80 gil

5-20 gil

kleine Mengen

bis Spuren

(*) Je nachdem, ob bei der Raffination ein Wechselstrom uberlagert wird oder nicht.

Page 66: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Elektrolytische Zinkherstellung: Theorie 53

1st der Anodenschlamm stark goldhaltig, so wird er eingeschmol­zen; sofort nach dem Erstarren wird das obenschwimmende noch fHissige Silberchlorid aus dem Schmelztiegel entfernt; hierauf wird das Metall von neuem geschmolzen und zu Anoden gegossen. Das Silber­chlorid, wird durch Behandlung mit Zink und Salzsaure reduziert, ge­schmolzen und in der Silberraffination weiterverwendet.

Das Gold wird aus dem erschopften Elektrolyten durch Behandlung mit Schwefeldioxid abgeschieden. Platin und Palladium dagegen werden durch Zusatz von Ammoniumchlorid und darauffolgende Konzentration bis zur Kristallisation von Ammoniumhexachloroplatinat und Palladium­chloridat wiedergewonnen.

10. Elektrolytische Herstellung von Zink: Theorie (8)

Die Herstellung von Zink durch Elektrolyse mit unloslichen Anoden hat einen besonderen Aufschwung genommen, da das elektrothermische Verfahren ffir die Herstellung von Zink schwieriger als bei anderen Metallen durchzufiihren ist und ausserdem mit dem elektrolytischen Verfahren komplexe Zinkminerale verarbeitet werden konnen, deren Aufarbeitung auf thermischem Wege kaum durchfiihrbar ist.

Das elektrolytische Verfahren bietet zwei Hauptschwierigkeiten. Einerseits solI die kathodische Abscheidung von Zink in geeigneter Form und mit einer ffir die Industrie wirtschaftlichen Stroma us be ute aus einer von Anfang an schwach sauren Losung erfolgen. Andererseits muss der Elektrolyt sehr rein sein, urn die kathodische Abscheidung vor allem von metallischen Verunreinigungen freizuhalten.

In schematischer Darstellung zerfallt das Verfahren in folgende Arbeitsgange: Losen des in den Mineralen enthaltenen Zinks als Zink­sulfat nach vorhergehender Umwandlung in Oxid oder Sulfat durch einfaches oder sulfatierendes Rosten. Elektrolyse der so erhaltenen Losung mit unloslichen Anoden. Wahrend der Elektrolyse wird die Saure rege­neriert und zur neuerlichen Auflosung von Zink dem allgemeinen Kreis­lauf wieder zugefiihrt. Ein Fliessbild des Verfahrens sieht, stark verein­iacht, so aus:

Mineral {-

Rosten {-

La ugung -7 Reinigung t {-

saurer erschopfter +-- Elektrolyse Elektrolyt {-

elektrolytisches Zink

(8) Eine neue kritische Zusammenfassung wurde von K. MAGER, Chem. lng. Techn. 45 (1973) 157, ver6ffentlicht.

Page 67: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

54 Elektrometallurgie wassriger Losungen

Die wichtigsten Erze fUr die Zinkgewinnung sind die Zinkblende (ZnS), das Kieselzinkerz (Zn2Si04 • H20), der Zinkspat (ZnC03), der Zinkit (ZnO) und der Hydrozinkit (2 ZnC03 • 3 Zn(OH)). Die haufigsten Verunreinigungen sind Eisen als Sulfid (das mit der Zinkblende auch feste Losungen bilden kann - Marmatit) oder als Silikat bzw. hydra­tisiertes Oxid in den oxidierten Mineralen, ausserdem Blei, Kupfer, Kadmium, Arsen und Mangan; seltener Silber, Gold, Zinn, Kobalt, Nickel, Thallium, Germanium und Spuren anderer Metalle. Weitere Ve­runreinigungen konnen aus der Gangart kommen: Siliziumdioxid sowie mehr oder weniger losliche Calcium-, Magnesium- und Aluminium­minerale. Sind diese letzteren Verunreinigungen in grosser Menge vorhan­den, d.h., ist das Mineral nicht geniigend metallhaltig, so muss die Kon­zentration durch Flotation erhoht werden.

Das Mineral muss zunachst in seiner urspriinglichen oder in durch Flotation angereicherter Form durch Rostung in Oxid umgewandelt werden (9). Bei den am haufigsten vorkommenden Schwefelmineralen treten dabei folgende Reaktionen ein: Zinksulfid verbrennt, wenn es mit Luft stark erhitzt wird, unter Bildung von Zinkoxid und Schwefel­dioxid. Letzteres wird durch die katalytische Wirkung des ebenfalls gegenwartigen Eisenoxids zum Teil zu S03 oxidiert, das mit dem Zink­oxid unter Bildung von Zinksulfat reagiert :

2 ZnS + 3 O2 --+ 2 ZnO + 2 S02'

2 S02 + O2 --+ 2 S03'

ZnO + S03 --+ ZnS0 4 •

Das Verhaltnis zwischen Zinkoxid und Zinksulfat im Endprodukt des Rostvorgangs hangt von einer Reihe von Faktoren ab, die nicht alle kontrolliert werden konnen : Temperatur, bei der die Rostung durch­gefUhrt wird, wahrend dieses Vorgangs zugefUhrte Menge Luft sowie eventuelles Vorhandensein und Aktivitat katalytisch wirkender Stoffe, die die Bildung von S03 fordem. Diese teilweise Sulfatation des Zinkoxids

(9) Das Kieselzinkerz und der Zinkspat konnen auch durch direkte Be­handlung mit Schwefelsaure ausgelaugt werden; gew6hnlich wird jedoch nicht so vorgegangen. Man zieht es vor, das Zink dieser Minerale in Oxid umzuwandeln, urn zu vermeiden, dass eine zu grosse Menge an Kieselsaure, die schwer abzu­scheid en ist, in L6sung gehe. Da ausserdem Kieselzinkerz und Zinkspat eher arme Erzlager bilden, wiirde bei der Behandlung mit Schwefelsaure zu viel Saure verbraucht werden. Daher werden diese Minerale meist mit Kohle und iiber­schiissiger Luft in R6st6fen bei so hohen Tem:?eraturen behandelt, dass das durch Reduktion des Minerals durch Kohle gewonnene Zink abgeschieden, durch die in den Abgasen vorhandene Luft von neuem oxidiert und so isoliert werden kann. Das so erhaltene Produkt besteht hauptsachlich aus Zinkoxid, enthalt jedoch aLch andere fliichtige und in Schwefelsaure leicht l6sliche Metalloxide, im besonderen Kadmiumoxid.

Page 68: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Elektrolytische Zinkherstellung: Theorie 55

wahrend der Rostung gleicht zum Teil den standigen, unvermeidlichen Verlust an Schwefelsaure aus.

Wahrend der Rostung kann das als Verunreinigung vorhandene Eisen - besonders wenn seine Menge 5 % iiberschreitet - durch eine andere Reaktion die Bildung von Zinkferrit (ZnO. Fe20 3) verursachen. Die Entstehungsgeschwindigkeit dieser Verbindung nimmt mit der Temperatur zu und wird durch engen Kontakt zwischen den Zinkoxid­und den Eisen(III)oxidteilchen begiinstigt. Da Zinkferrit in verdiinnter Schwefelsaure nur wenig loslich ist und sich erst in konzentrierter Saure besser lost, muss die Ferritbildung wahrend der Rostung vermieden oder zumindest eingeschrankt werden, wenn eine Laugung mit verdiinnter Saure erfolgen solI. Die Temperatur darf in diesem Fall 650 °C nicht iiberschreiten. Wird die Laugung mit konzentrierter Saure durchgefiihrt, kann eine hohere Rosttemperatur zugelassen werden.

Vor der Rostung wird das Mineral fein zermahlen und getrocknet ; wahrend der Rostung wird die Masse stan dig geriihrt, urn die vollstan­dige Oxidation zu erleichtern.

Fiir das Kieselzinkerz mit einer Gangart von Dolomitenkalk und einem verhaltnismassig hohen Chlorid- und Fluoridgehalt wurde ein besonderer Rostprozess entwickelt, der hier zumindest kurz beschrieben werden solI. Das reichlich vorhandene Calcium- und Magnesiumcarbonat fiihrt bei dem normalen Verfahren zu einem zu grossen Verbrauch an Schwefelsaure, wahrend Cl- und F- Ionen die Elektrolyse erheblich storen. Trotzdem konnen diese Minerale nach einem entsprechenden Rostverfahren, bei dem ein stark sulfathaltiges Endprodukt erzielt wird, verwendet werden. Zu diesem Zweck wird das Kieselzinkerz nicht allein, sondern mit einer gewissen Menge Zinkblende (durch Flotation ange­Teichert) vermischt und mit Luftiiberschuss gerostet. Das Calcium- und Magnesiumcarbonat werden so in Sulfat umgewandelt :

CaC03

2 S02 + O2 -+ 2 S03'

CaO + S03 -+ CaS04 •

Analog wird das Magnesiumcarbonat umgesetzt. Bei der im Of en herrschenden Temperatur ist das Zinksulfat fast vollstandig in ZnO und S03 dissoziiert. Das wasserfreie CaS04 geht bei dem darauffolgenden Auslaugen mit H2S04 nicht in Losung; das Magnesiumsulfat wird aus dem Endprodukt der Rostung vor der Saurebehandlung durch einfaches Auswaschen mit Wasser entfernt. Bei dieser sulfatierenden Rostung werden auch die Chloride und Fluoride in Sulfate umgewandelt :

4 NaCl + 2 S02 + O2 + 2 H20 -+ 2 Na2SO" + 4 HCl,

2 CaF2 + 2 S02 + O2 + 2 H20 -+ 2 CaSO" + 4 HF,

4 HF + Si02

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Elektrometallurgie wassriger Losungen

Chlor und Fluor entweichen in Form von HCl und SiF4 mit den Abgasen. Auf diese Weise wird der Gehalt an Fluor, das besonders uner­wiinscht ist, auf 5 g pro Tonne oder darunter gesenkt.

Das Endprodukt der Rostung wird mit Schwefelsaure ausgelaugt. Dabei gehen, ausser Zink, aIle Elemente, die als Verunreinigungen im Mineral enthalten sind, in Losung: Eisen, Kupfer, Kadmium, Arsen, Antimon, Kobalt, Nickel, Blei- und Silberspuren, ein Teil des Silizium­dioxids und die eventuell im Mineral, im Wasch- oder Verdiinnungs­wasser vorhandenen Cl- Ionen. Die Zinkmenge und die Menge der in Losung gehenden Verunreinigungen hangen von der Zusammensetzung des Minerals, von seiner Kornung, seinem Eisengehalt sowie von der Temperatur und der Dauer der Rostung, hauptsachlich jedoch von dem Sauregehalt der Extraktionslosung abo Die Zinkausbeute steigt mit dem Gehalt an freier Saure, ebenso jedoch die Menge der gelosten Verun­reinigungen. Es ist nicht moglich, das gesamte vorhandene Zink aus dem Mineral zu gewinnen, da ein Teil gar nicht angegriffen wird, besonders bei hohem Eisengehalt; ein weiterer Teil bleibt in festem Riickstand nach der Laugung eingeschlossen, der durch Kieselsaure und Eisen(III)­hydroxid gelartig wird. Ein griindliches Waschen des Laugungsriick­standes bietet keine Vorteile, sondern wiirde im Gegenteil die Losung zu stark verdiinnen und eine zu grosse Wassermenge innerhalb der Anlage erforderlich machen. Je nach dem als Rohmaterial dienenden Mineral und der Konzentration der verwendeten Saure liegt das Ausbringen an Zink zwischen 75 und go %. In einigen besonders giinstigen Fallen kann auch eine hohere Ausbeute erzielt werden.

Die wahrend der Laugung gelOsten Verunreinigungen miissen vor Beginn der Elektrolyse entfernt werden, urn eine kompakte kathodische Zinkabscheidung mit guter Stromausbeute zu erhalten. Diese Reinigung der zu elektrolysierenden Losung ist unerlasslich, da fast aIle Verun­reinigungen ausser Mangan elektrochemisch edler als Zink sind und daher entweder vor dem Zink oder gleichzeitig mit diesem abgeschieden werden und so Lokalelemente bilden konnen. Dadurch wiirde eine neuer­hche Aufiosung des Zinks durch den sauren Elektrolyten begiinstigt und die Stromausbeute erheblich gesenkt. Unreines Zink ist ausserdem weniger korrosionsbestandig. Storende Anionen, die aus der Sulfatlosung entfernt werden miissen, sind Cl- und F-. Chloridionen greifen die Blei­anoden an, wobei Bleichlorid entsteht, das durch anodische Oxidation weiter in Pb02 iibergeht. F- Ionen lOsen den aus Aluminiumoxid beste­henden Schutzfilm der Kathode auf. Das ungeschiitzte Aluminium der Kathode bildet dann mit dem sich abscheidenden Zink eine Legierung, wodurch die Gewinnung von reinem Zink auf der Aluminiumunterlage unmoglich wird. F- Ionen greifen auch die Anoden an, da sie die Bildung eines PbSOcFilms begiinstigen und die Entstehung von Mn02, das den Elektrolytkreislauf zwischen den Elektroden behindert, begiinstigen. Eine weitere Folge ist eine Zunahme der anodischen Uberspannung und damit eine Senkung der Energieausbeute. Die hochsten noch zulassigen Konzentrationen an Verunreinigungen in den Elektrolysewannen liegen in der Grossenordnung von mg/I. Sie sind in Tab. VIII.I3 angegeben.

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Elektrolytische Zinkherstellung: Theorie 57

Tab. VIlLI3. - Maximal zuUi.ssige Verunreinigungen in der ZnSOcLosung.

Element mg/l

Mn 350 Fe 30 Cd 12 Cu 10 As I Sb I Co I Ni I Ge <I Cl- 50 F- 30

Sind mehrere Verunreinigungen gleichzeitig in der Losung vorhan­den, so sind die in der Tab. VIILI3 angefiihrten Werte zu hoch. Nach STEINTVEIT und HOLTAN (10) ergibt die Elektrolyse einer reinen ZnSOc Losung mit einem Zusatz von 0,003 gil Co eine Stromausbeute von 0,903. Bestehen die Verunreinigungen anstatt aus Co aus 0,05 gil Sb, so betragt die Stromausbeute 0,917. Sind jedoch beide Verunreinigungen gleichzeitig in den eben genannten Konzentrationen vorhanden, so sinkt die Strom­ausbeute auf 0,768. Das bedeutet, dass die Wirkung der verschiedenen Verunreinigungen nicht einfach additiv ist. Tab. VIILI3 zeigt, dass Man­gan die am wenigsten storende Verunreinigung ist; eine geringe Menge dieses Elements ist sogar niitzlich, da sich die Anoden mit einer schiitzen­den Oxidschicht iiberziehen. Das restliche Mn wird anodisch zu Perman­ganat oxidiert, bleibt in der Losung und dient im erschopften Elektrolyten zur Oxidation der Eisen(I1) zu Eisen(I1l) lonen.

Die Reinigung der Losung erfolgt in zwei Stufen: zunachst wird eine Behandlung mit Zinkoxid, d.h. mit einem Uberschuss an gerostetem Mineral vorgenommen; nach dem Filtrieren folgt eine Behandlung mit Zinkpulver. Eventuell vorhandene Cl- lonen miissen gesondert entfernt werden, urn eine zu rasche Auflosung der Anoden zu vermeiden. Die Behandlung mit Zinkoxid, die unter Umstanden mit der Anwendung starker Oxidationsmittel (02, Mn02, Pb02, KMn04 etc.) verbunden wird, urn das gesamte Eisen in den dreiwertigen Zustand iiberzufiihren, macht die Losung leicht alkalisch (11). Das Eisen taUt dadurch als Eisen(III)­hydroxid [Fe(OH)3J aus. Arsen und Antimon werden zum Teil als ba-

(10) G. STEIN TVEIT und H. HOLTAN, ]. Electrochem. Soc. 107 (1960) 247. (11) Die Alkalisierung wird, falls erforderlich, durch einen leichten Kalk­

zusatz verstarkt.

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Elektrometallurgie wassriger Losungen

sische Salze gefalIt, jedoch zum grassten Teil auf dem gefallten Eisen(III)­hydroxid adsorbiert. Das Siliziumdioxid fallt als Kieselsauregel und das Nickel als Hydroxid aus. Manchmal verursacht diese Behandlung eine Fallung des Siliziumdioxids in einer schwer zu filtrierenden Form oder in zu grosser Menge, je nachdem, welche Beschaffenheit das im Mineral enthaltene Silikat hat. In diesem Fall empfiehlt es sich, das gerastete Mineral in einem neutralen Elektrolyten oder einer neutralen Wasch­lOsung zu dispergieren und die saure Lasung langsam hinzuzufUgen, wobei der pH nicht unter 4,5 sinken darf. Auf diese Weise kannen bis zu 80 % des Zinks extrahiert werden, ohne dass grassere Mengen Sili­ziumdioxid in Lasung gehen. 1st die Oxidation so stark, dass das Kobalt in den dreiwertigen Zustand iibergefUhrt wird, so falIt es zugleich mit Eisen als Hydroxid [Co(OH)3J aus. Germanium wird ebenfalls auf dem Eisen(III)hydroxid adsorbiert. Diese erste Phase der Reinigung findet zugleich mit der Laugung statt, da der erschapfte Elektrolyt, der zur Extraktion verwendet wird, mit einem leichten Dberschuss an gerastetem Mineral behandelt werden kann. Reicht die darin vorhandene Eisenmenge nicht aus, urn das gesamte Arsen, Antimon und Germanium zu adsor­bieren, so kannen weitere Eisen(III)salze zugesetzt werden. Nach der Entfernung des Dberschusses an gerastetem Mineral und der wichtigsten Verunreinigungen wird die Lasung mit sehr rein em Zink behandelt, das man durch Pulverisieren von geschmolzenem Elektrolytzink in einem Luftstrahl erhalt. Das pulverisierte Zink falIt die noch vorhandenen Edelmetalle (Cu, Cd, Co, Ni) durch Zementierung aus. Diese Metalle, die edler als Zink sind, kannen auch durch die Bildung schwerlaslicher komplexer Salze, wie Kobalt-IX-nitroso-~-naphtolat, Nickeldithiocarba­mat oder Nickelxanthogenat, ausgefallt werden. Chlorid wird als Silber­oder Quecksilber(I)chlorid ausgefalIt (12).

Der nachste Arbeitsgang ist die Elektrolyse. Sie wird mit einer zu Beginn des Vorgangs leicht sauren, am Ende stark sauren Lasung durch­gefUhrt. Die Anoden sind aus Blei; die anfanglich aus Aluminium beste­hen den Kathoden werden fast augenblicklich mit Zink iiberzogen und wirken dann als Zinkkathoden. Die Elektrolyse einer neutralen Zinksul­fatlasung mit kathodischer Metallabscheidung sollte theoretisch nicht maglich sein, da die fUr die Abscheidung des Zinks erforderliche Elek­trodenspannung negativer ist als diejenige, bei der Wasserstoffentwicklung einsetzt. Die erst ere liegt entsprechend der gegebenen Konzentration der Zn 2+ Ionen bei -0,75 V, wahrend letztere etwa -0,42 V betragt. Die zu Beginn der Elektrolyse bestehende Differenz von 0,33 V solIte die Elektroabscheidung des Zinks bereits unmaglich machen. Diese Differenz nimmt im weitern Verlauf der Elektrolyse durch das Freiwerden

(12) Es soll hier daran erinnert werden, dass die Herstellung der Elek­trolyselosung zum besseren Verstandnis der erforderlichen Voraussetzungen nur schema tisch beschrieben wurde. In der Praxis wird das industrielle Verfahren dem verwendeten Rohmaterial und den besonderen wirtschaftlichen Bedingungen der Anlage angepasst.

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Elektrolytische Zinkherstellung: Theorie 59

von Schwefelsaure noch zu, da sich die Entladungsspannung der H + lonen, wenn auch nur wenig, zu positiveren Werten hin verschiebt. Die kathodische Elektroabscheidung des Zinks wird jedoch durch die hohe Wasserstoffiiberspannung an der Zinkkathoden maglich. Diese Uber­spannung hangt von einer Anzahl Faktoren ab, deren Einfluss fiir die elektrolytische Abtrennung des Metalls wesentlich ist.

1m allgemeinen verringert eine Temperaturzunahme die Wasserstoff­iiberspannung, begiinstigt die gleichzeitige Entladung der H + lonen und senkt die Stromausbeute. Eine Erhohung der Stromdichte fiihrt zwar zu einer Zunahme der Wasserstoffiiberspannung und der Stromausbeute, ein noch bedeutenderer Teil der Energie geht jedoch in Form von Warme an den verschiedenen Widerstanden des Stromkreises verloren. Spuren von Verunreinigungen (vor allem von Metallen, die edler als Zink sind) bewirken, wenn sie Mengen von etwa 0,0005-0,10 % erreichen, ausser den bereits erwahnten Schwierigkeiten eine merkliche Verringerung der Wasserstoffiiberspannung. Kupfer kann als charakteristisches Beispiel angefiihrt werden: bei einer Stromdichte von 1000 Ajm2 sinkt die Wasser­stoffiiberspannung an der Zinkkathode in einer I N Schwefelsaurelasung von 0,97 V auf 0,74 V, sobald die Kupferkonzentration von 0,001 % auf 0,01 % steigt.

Zur Erhaltung einer kompakten Zinkabscheidung ist eine hohe Konzentration an Zn 2+ lonen in der unmittelbaren Umgebung der Kathode unerlasslich. Ausserdem muss die Lasung an der Kathode vom Beginn der Elektrolyse an zumindest schwach sauer sein, da das Zink in neutralen Lasungen zur Bildung schwammiger Abscheidungen neigt. Diese schwam­mige Zinkabscheidung ist auf die gleichzeitige kathodische Abscheidung von mehr oder weniger hydratisiertem Zinkoxid und auf den Einfluss der bei der Hydrolyse entstandenen basischen Salze auf die Kristallisa­tion des Metalls zuriickzufiihren. Eine starke Wasserstoffentwicklung an der Kathode senkt nicht nur die Stromausbeute, sondern macht auch den Kathodenfilm alkalisch. Dadurch wird die Bildung von schwam­migem Zink begiinstigt. Man kann die nach dem Reinigungsvorgang neutrale Lasung durch Vermis chen mit einer entsprechenden Menge an erschapftem Elektrolyt leicht ansauern. Es empfiehlt sich, bestimmte Kolloide, wie Gelatine, Gummi arabicum, Leim oder kolloide Kieselsaure, zuzusetzen. Diese Kolloide fordern die Bildung kompakter, glatter Me­tallabscheidungen, d.h., sie vermeiden die Entstehung von rauhem oder schwammigem Zink, das wegen seiner ausgedehnten Oberflache eine Verringerung der wirksamen Stromdichte und eine Senkung der Wasser­stoffiiberspannung im allgemeinen durch den Zusatz dieser Kolloide bei gleichbleibender Stromdichte erhaht.

Wahrend der Elektrolyse wird an der Kathode das Zink und even­tuell eine geringe Menge Wasserstoff abgeschieden; an der unlaslichen Anode findet Sauerstoffentwicklung und die Regeneration der freien Schwefelsaure statt.

Die fiir eine hohe Stromausbeute giintigsten Elekstrolysebedingun­gen konnen zu folgenden Punkten zusammengefasst werden :

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60 Elektrometallurgie wassriger Losungen

1. die Temperatur soIl moglichst niedrig sein ; 2. die Stromdichte muss moglichst hoch sein ; 3. die zu eIektrolysierende Losung muss emen moglichst hohen

Reinheitsgrad aufweisen; 4. der EIektrolyt muss bewegt werden; 5. bestimmte Kolloide mussen zugesetzt werden.

Die Stromausbeute ist stets bedeutend kleiner als I, auch dann, wenn die EIektrolyse ohne Wasserstoffentwicklung an der Kathode durchgefuhrt werden kann. Die Hauptursache dieser Erscheinung ist, dass das Zink von der Schwefelsaure unter Eildung von Zinksulfat und Wasserstoff angegriffen wird. Dies tritt besonders dann ein, wenn bei der EIektrolyse die Abscheidung von Spurenelementen, die edler als Zink sind, nicht vermieden werden kann. Korrosion und neuerliche Auflosung werden durch diese Elemente erheblich gefordert, so dass ein Teil des abgeschiedenen Zinks wieder in Losung geht. Die Menge an wiederaufgelostem Metall hangt ausser yom Sauregehalt des Eades auch von der Dauer der EIektrolyse und aus der Kathodenoberflache abo Aus diesem Grund lOst man das Zink von den Aluminiumkathoden ab, sobald es eine Dicke von 2-3 mm erreicht hat, urn einen zu Iangen Aufenthalt in der sauren Losung zu vermeiden.

Die Stromausbeute hangt ausserdem von der Stromdichte ab, einerseits aus den bereits erwahnten Grunden (s. Ed. I, Kap. IV.9), andererseits, weil die pro Oberflachen- und Zeiteinheit abgeschiedene Zinkmenge zunimmt, wahrend die aufgeloste Menge etwa gleich bIeibt. Es ist nicht moglich, eine Zinksulfatlosung bis zur quantitativen Ab­scheidung des in ihr enthaltenen Metalls zu eIektrolysieren. Einerseits wurde dabei die Konzentration der an der Anode gebildeten Saure zu stark zunehmen und die Entladung der H + Ionen als Primarreaktion hervorrufen, andererseits ist eine bestimmte Konzentration an Zn2+ Ionen erforderlich, urn eine kompakte kathodische Abscheidung zu erhalten. Die Einrichtung eines EIektrolytkreislaufs ist daher nicht nur zur Erfullung der vierten Voraussetzung einer guten Stromausbeute, sondern auch zur qualitativen Verbesserung der kathodischen Abschei­dung unerliisslich. Dieser EIektrolytstrom halt die Konzentration an Zn 2+ auf einem verhaltnismassig hohen Wert, da der mit der Kathode in Eeruhrung kommende EIektrolyt standig erneuert wird. Er verhindert auch die durch die Entladung der H + Ionen hervorgerufene Zunahme der Alkalitiit (die eine schwammige Zinkabscheidung verursacht) und lasst den gesamten Vorgang kontinuierlich verIaufen.

Die Energieausbeute ist ebenfalls wesentlich geringer als 1. Die theoretische Elektrolysespannung des Zinksulfats betragt 2,35 V, woraus sich ein theoretischer Energieverbrauch von 1,927 kWh/kg Zink ergibt. Wegen der anodischen Uberspannung des Sauerstoffs und der katho­dischen Uberspannung des Zinks, die nicht vernachlassigt werden konnen, sowie wegen des SpannungsabfallS im EIektrolyten muss allerdings in der Praxis eine erheblich hohere Spannung angelegt werden. Der Wider­stand des EIektrolyten andert sich im VerI auf der EIektrolyse entspre-

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Elektrolytische Zinkherstellung: Verfahren 6I

chend der Veranderungen der Zusammensetzung und des Abstandes zwischen den Elektroden. Die Elektrolyse muss jedoch mit der zu Beginn (bei, wegen des geringen Sauregehalts des Elektrolyten, hohem Widerstand und maximalem Elektrodenabstand) erforderlichen elektrischen Spannung durchgeflihrt werden.

Die Anoden sind eben falls von Bedeutung. Man verwendet heute ausschliesslich Platten aus sehr reinem BIei, das eventuell I % Silber enthalten kann, die sich langsam mit einer Pb02-Schicht liberziehen. Die Verwendung von Bleielektroden ist an zwei Voraussetzungen gebun­den: die elektrolysierte Losung darf hochstens 50-70 mgjl Cl- Ionen enthalten, da sonst die Anode rasch zerstort wlirde, und das verwendete Blei muss sehr rein sein, da Verunreinigungen durch eine rasche Korrosion des an der Kathode abgeschiedenen Zinks eine Verringerung der Aus­beute herbeiflihren wlirden.

Als Elektrolysewannen werden mit BIei ausgekleidete Holzbehalter oder asphaltierte Betonwannen verwendet. Der Reinheitsgrad des durch Elektrolyse hergestellten Zinks betragt 99,95-99,99 %.

11. Elektrolytische Herstellung von Zink: Verfahren

Zur elektrolytischen Herstellung von Zink in industriellem Massstab gibt es verschiedene Verfahren. AIle diese beruhen im wesentlichen auf dem gleichen Prinzip. Die im vorhergehenden Abschnitt angeflihrten Schwierigkeiten werden jedoch auf verschiedene Weise gelost. Das heute am haufigsten angewandte Verfahren wurde aus dem altesten bekannten Verfahren, dem ANACoNDA-Prozess, entwickelt, der in Schema I gra­phisch dargestellet ist. Das Zink wird aus dem gerosteten Erz durch eine verhaItnismassig schwach saure Losung (IOO-lIO g freie Schwe­felsaure pro Liter) extrahiert (13); die Elektrolyse wird mit niedriger Stromdichte ("'350 Ajm2) durchgeflihrt. Wegen des geringen Saurege­halts des zur Extraktion des gerosteten Erzes verwendeten erschopften Elektrolyten muss durch strenge Kontrolle des Rostvorgangs eine zu hohe Temperatur vermieden werden, da sonst ein Dberschuss an (unter diesen Bedingungen) unangreifbarem Zinkferrit entstehen wlirde. Die Laugung wird, wie aus Schema I ersichtlich ist, in zwei Stufen durchgeflihrt, urn dem Erz das Zink soweit als moglich zu entziehen.

Wahrend der neutralen Laugung, die im Verhaltnis zur freien Saure mit einem Dberschuss an Rostgut durchgeflihrt wird, werden bei der erst en Reinigung Eisen, Antimon, Siliziumdioxid u.a. eliminiert; die Behandlung mit pulverisiertem Zink stellt einen eigenen Arbeits­gang dar.

(13) Heute neigt man dazu, den Sauregehalt der zur Extraktion des gero­steten Minerals verwendeten Losung zu erhohen.

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62 Elektrometallurgie wassriger Losungen

H2S04 Riistgut { Mn02

.--___ ~I======:~ t G====;- FeSO. eventuell t I CaCO. eventuell

t

t Neutrale triibe ZnSO.-Liisung

t Dekantation

I

1. Laugung J.

Scheider I

Zn-Pulver 1--- sChlamm

t Sand und nicht vollstandig ge­

riistetes En; t

R iickfiihrung zur Riistung

_I --J. J. t Filtration Unreiner. neutraler I-~I--------

J. Elektrolyt Schlamm

t Gereinigter Elektrolyt

!

J. J. Filtration 2. vollstandige Laugung

I J.

J. Elektrolyse

I J.

J. Dekantation Metallschlamm

J. Extraktion

von Cd

J.

t J.----Verdiinnte

saure Zn SO 4-

~ Schlamm

t Filtration

---I Saurer. erschiipfter Kathodisches J.

Erschiipfter LT Elektrolyt I

r Zink

J. GuB

Schlamm

~-------~

Schema 1. - Schema zur elektrolytischen Zinkherstellung (ANACoNDA-Prozess)

Die Elektrolyse wird in hintereinander aufgestellten Wannen durch­gefiihrt, in denen der Elektrolyt zirkuliert. Auf diese Art wird zweierlei erreicht. Der frische Elektrolyt tritt in die erste Wanne ein, fliesst durch alle Wannen und wird vollkommen ersch6pft dem Laugungszyklus wieder zugefiihrt.

Der durchschnittliche Zinkgehalt des Elektrolyten in jeder Wanne ist konstant.

Die Zirkulationsgeschwindigkeit wird entsprechend der von der Elek­trolysezelle aufgenommenen Stromstarke und der anfanglichen Zinkkon­zentration geregelt, so dass der Elektrolyt bei Verlassen der letzten Zelle in praktischer Hinsicht erschOpft sei. Die Kiihlung wird in der Elektrolysewanne selbst durch in dem Elektrolyten eintauchende Kiihl­schlangen aus Blei, in denen Wasser zirkuliert, vorgenommen. In Tab. VIII.r4 sind die fiir den ANAcoNDA-Prozess charakteristischen Zusam­mensetzungen von Erz und Elektrolyt angefiihrt.

Der Anodenschlamm besteht fast ausschliesslich aus Mangandioxid. Tab. VIII.r6 enthalt die elektrischen Daten fiir den ANACoNDA-Prozess sowie fiir den neueren TAINToN-Prozess.

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Elektrolytische Zinkherstellung :V erfahren

Tab. VIII. 14. - Fiir den ANACoNDA-Prozess typische Zusammensetzungen von Mineral und Elektrolyt.

Mineral

Angereichert Bestandteil Gerostet

55,6 % Zn 61,5 % 0 Zn loslich 9],5 %(*) 2,8 % Pb 3,2 % 0,98 % eu 0,99 % 3,3 % FeO 3,2 % 0,17 % Mn 0,2 %

29 % S 1,7 %(**) 5,9 % U nloslicher 8,4 %

Riickstand 700 g/t Ag 743 g/t 1,15 g/t Au 1,18 g/t

(*) Auf die gesamte Zinkmenge bezogen. (**) Ais Sulfid <0,2 %.

Elektrolyt

Frisch Bestandteil Erschopft

100-120 gil Zn 20-40 gil 5 gil H 2S04 frei 100-110 gil

500 g/t Zn Leim

Der TAINToN-Prozess hat zwar keine weite Verbreitung gefunden, weist jedoch einige interessante technische Besonderheiten auf, die eine kurze Beschreibung verdienen. Kennzeichnend fUr dieses Verfahren sind eine hohe Konzentration an freier Schwefelsaure (280-300 gil) im erschopf­ten Elektrolyten und eine hohe Stromdichte (--1000 Aim 2) wahrer.d der Elektrolyse. Da der hohe Sauregehalt der zur Laugung verwendeten Losung auch den Angriff von Zinkferrit gestattet, konnen Minerale mit hoherem Eisengehalt verwertet werden. Ausserdem kann der Rostvorgang bei hoher Temperatur durchgefiihrt werden, wodurch die vollstandige Umwandlung des als Ausgangsmaterial verwendeten Zinkminerals in Oxid gefOrdert wird. Die fiir den TAINTON Prozess typische Zusammen­setzungen sind in Tab. VIII.IS augefiihrt. Eine weitere, eher technische als grundlegende Besonderheit dieses Verfahrens besteht darin, dass der Ferrit vor der Laugung auf elektromagnetischem Wege abgetrennt wird. Der ferritreiche Anteil wird zunachst mit dem stark sauren, auf 60 DC erhitzten erschopften Elektrolyten behandelt, urn seine Auflosung zu erleichtern. Darauf wird der ferritarme und zinkoxidreiche Anteil hinzu­gefiigt; als oxidierendes Mittel und zur Begiinstigung der Fallung des Eisens als Eisen(III)hydroxid wird Mangandioxid zugesetzt.

Die Arbeitsweise des TAINToN-Prozesses ist in Schema II darge­stellt. Die hohe Stromdichte sowie die wahrend der Elektrolyse einzu-

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Elektrometallurgie wassriger Losungen

Tab. VIII. 15. - Fur den TAINToN-Prozess typische Zusammensetzungen von Mi­neral und Elektrolyt.

Elektrolyt Bestandteil Behandeltes

Mineral Frisch Erschopft Elektrolytisches Zink

H 2SO4 280 gil Zn Fe Pb Cu Cd Co S Si02

46-48 % 220 gil IO-II% 3-7 % 0,14 % 6 mg/l 0,14 % 5 mg/l Spuren 2 mg/l

28-3 1 % 3,2 %

Rostgut I t

Elektromagnetische Scheidung

! .. ;-------.., Ferritreicher Anteil

I ~

I. Laugung I V

2. Laugung I ..

Filtration

..-_- M nO ~

..... - Flu!3spat

35 gil

Ferritarmer Anteil

____ . __ Zinkpulver

I Riickstand Neutrale ZnS04-Losung - ... ..

Reinigung I y

Filtration

.ot;----- ------.

99,99 % 0,0085 %

Spuren 0,0019 %

Spuren Spuren

Reine neutrale Riickstand ZnSO,-Losung

I • Kiihlung I

• _ Erschopfter Elektrolyt __ Elektrolyse -.... Elektrolytzink

Schema II. - Schema zur elektrolytischen Zinkherstellung (TAINToN-Prozess)

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Elektrolytische Zinkherstellung : Verfahren

haltende niedrige Temperatur machen eine schnellere Elektrolytzirkula­tion und eine tiefere Kiihlung notwendig, so dass eine eigene Kiihlanlage unerlasslich ist. Aus diesem Grund werden beim TAINToN-Prozess die verschiedenen Zellen im Elektrolytkreislauf parallel und nicht, wie beim ANACoNDA-Prozess, hintereinandergeschaltet. Einmal pro Tag wird ein Teil des Elektrolyten aus dem Laugungsvorgang abgezogen und durch frischen Elektrolyten aus der Reinigungsanlage ersetzt. Urn die Qualitat der Abscheidung zu verbessern, setzt man dem Elektrolyten pro Tonne Zink r kg Leim oder Gummi arabicum zu. Durch Zusatz eines geeigneten oberfHichenaktiven Mittels wird die Bildung einer dichten Schaumschicht an der OberfHiche gefordert, und damit vermeidet man, dass durch die lebhafte Sauerstoffentwicklung an der Anode Schwefelsaure in die Atmo­sphare verspriiht wird.

Der TAINToN-Prozess bietet folgende Vorteile:

1. er gestattet die Verwertung von Mineralen mit hoherem Eisen­gehalt ;

2. die Rostofen werden wirtschaftlicher eingesetzt (Brennstoff­ersparnis), da das Rosten schneller und bei hoherer Temperatur durch­gefiihrt wird ;

3. eine grossere Zinkausbeute ; 4. der Losung wird mehr Eisen zugefiihrt, durch dessen abermalige

Fallung Arsen und Antimon wirksamer entfernt werden; 5. durch den Zusatz von CaF 2 kann die Filtrierbarkeit des Riick­

stands (s. Schema II) verbessert werden, so dass die Verwertung von Mineralen mit hohem Gehalt an loslichen Silikaten ermoglicht wird;

6. die Behandlung mit starken Oxidationsmitteln gestattet die Verwendung von kobalt- und nickelreichen Erzen;

7. die verarbeitete Fliissigkeitsmenge ist kleiner; 8. der hohere Sauregehalt und die gross ere Stromdichte senken

das Risiko der Bildung von Zinkschwamm.

Heute werden allerdings die Vorteile des TAINToN-Prozesses gegen­iiber dem ANACoNDA-Prozess durch die bei der Vorbehandlung des Minerals (Flotation) und bei der Extraktion des Rostguts erzielten Verbesserungen zum Teil aufgewogen. Selbst der Vorteil, den die dank der hoheren Stromdichte kleineren Ausmasse der Elektrolysezellen bieten, wird teilweise durch die Notwendigkeit einer starken Kiihlung dieser Zellen (da die durch den JOuLE-Effekt freiwerdende Warmemenge mit dem Quadrat der Stromstiirke zunimmt) wieder aufgehoben. Einige typische Analyseergebnisse sind in Tab. VIII.r6 zusammengefasst. Anhand dieser Zahlen kann festgestellt werden, dass der Energiever­brauch bei beiden Prozessen derselbe ist. Der beim TAINToN-Prozess hohere Energieverlust durch den JouLE-Effekt wird durch eine (dank der hoheren spezifischen Leitfahigkeit des Elektrolyten und des gerin­geren Elektrodenabstandes) niedrigere Spannung ausgeglichen.

Als Nebenprodukt der elektrolytischen Herstellung von Zink erhiilt man den Filtrationsriickstand nach der Reinigung der Losung mit Zink-

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66 Elektrometallurgie wassriger Losungen

Tab. VIU.I6. - Elektrolysedaten fUr die Zinkherstellung.

AN ACoNDA-Prozess TAINToN-Prozess MAGDEBURG-PrOZess

Kathoden Aluminium Aluminium Aluminium Anoden Legierung Legierung Legierung

Pb+1 % Ag Pb+1 % Ag Pb+1 % Ag Elektrodenabstand 32 mm 20 mm 21 mm Spannung 3,4-3,7 V 3,2-3,6 V 3,4-3,5 V Stromdichte 320-450 A/m2 "'1000 A/m2 600 A/m2 Stromausbeute 0,90-0,91 0,88-0,93 0,90 Energieverbrauch 3,4-4 kWh/kg 3,4-4 kWhfkg 3'{-4 kWh/kg Temperatur 40 C 36 C 35-40 C Lebensdauer der

Kathode 24 Stunden "'10 Stunden 24 Stunden Anodenschlamm Mn02 Mn02 Mn02

pulver. Dieser Riickstand enthalt ausser Zink eine erhebliche Menge Kadmium. Man verwendet ihn zur Gewinnung dieses Metalls; auch die Herstellung von Germanium aus den Reinigungsriickstanden gewinnt an Bedeutung.

Die Arbeitsbedingungen in den meisten modernen Anlagen ent­sprechen dem sog. MAGDEBURG-PrOZess (Tab. VIII.r6). Die dabei ange­wandte Stromdichte liegt zwischen denen des ANACONDA- und des T AIN­TON- Verfahrens.

12. Elektrolytische Herstellung von Kadmium

Wegen def stetig zunehmenden Nachfrage nach reinem Kadmium hat die elektrolytische Herstellung dieses Metalls grosse Bedeutung gewonnen. Diese Entwicklung wird durch die hervorragenden Schutzeigen­schaften des Kadmiums begriindet, die die der Verzinkung iibertreffen. Ausserdem wird Kadmium in Form von Legierungen zu L6tzwecken verwendet.

Die zur kathodischen Elektroabscheidung des Kadmiums erforder­lichen Voraussetzungen sind denen der Zinkabscheidung sehr ahnlich. Die Durchfiihrung ist allerdings einfacher, da die Abscheidungsspannung des Kadmiums positiver als die des Zinks ist. Die theoretischen Voraus­setzungen der Elektrolyse sowie die Zusammensetzung des Elektrolyten und die verwendeten Minerale entsprechen etwa den bei der Zinkelek­trolyse angewandten und brauchen daher nicht mehr eingehend behandelt zu werden.

Page 80: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Elektrolytische Kadmiumherstellung

Lager von reinen Kadmiumerzen kommen in der Natur nicht vor. 1m allgemeinen tritt dieses Metall in mehr oder weniger grossen Mengen in Zinkerzen auf. Als Rohmaterial zur Kadmiumgewinnung werden daher entweder:

(a) das nach der thermischen Reinigung von Zink, aber auch das nach der elektrolytischen Raffination von Kupfer und Blei zuriickbleibende Pulver, oder

(b) der Riickstand nach der Reinigung von Zinkelektrolyten verwendet (s. Abschn. 10 und 11).

1m allgemeinen treten bei der Kadmiumherstellung die gleichen Schwierigkeiten wie bei der Zinkherstellung auf. Die Rohstoffe (a) oder (b) werden verschiedenen chemischen Behandlungen unterzogen, urn die Metalle, die edler als Kadmium sind, zu entfernen. Man erhalt so ein Kadmiumprodukt, das als wichtigste Verunreinigung Zink und eventuell Eisen- und Kupferspuren enthalt. Diese Masse wird im erschopften sauren Elektrolyten gelost; die Losung wird, falls notwendig, von Eisen und Kupfer gereinigt und dann elektrolysiert. Die chemische Behandlung richtet sich danach, ob der verwendete Rohstoff ein Pulver (a) oder ein Riickstand (b) ist, da deren Zusammensetzungen verschieden sind. Die aus den Abgasen der Zinkofen gewonnenen Staube konnen Zn, Cd, Cu, Fe, Mn, As, Se, Te, Co, Ni, Ag, Au, Bi, TI enthalten (14).

Minerale mit hohem Arsengehalt werden bei niedriger Temperatur mit konzentrierter Schwefelsaure in Flammofen so lange behandelt, bis die Rauchentwicklung aufhDrt. Auf diese Art wird der grosste Teil des Arsens entfernt. Der Riickstand wird mit verdiinnter Schwefelsaure ausgelaugt, wobei Zink, Kadmium, Arsen, Kobalt' Nickel und die Spuren von Wismut, Silber, Thallium und Tellur gelOst werden. Die klare Losung wird nun mit pulverisiertem Kalk behandelt und unter Luftzufuhr das Eisen oxidiert. Dieses fallt mit einem Teil des Kupfers und des Arsens, die auf dem Eisen(lII)hydroxid adsorbiert sind, aus. Nach dem Filtrieren wird die Losung mit Zinkpulver versetzt, urn das noch vorhandene Kupfer und Kadmium auszufallen. Diese Fallung wird nun bei 60 0C mit 25 %iger Schwefelsaure behandelt; Zink und Kadmium gehen von neuem in Losung. Die Losung wird mit Kalziumhydroxid und -kar­bonat neutralisiert ; darauf wird das Kadmium mit Elektrolytzinkspanen zementiert. Die schwammige Kadmiummasse wird gewaschen und unter Erwarmen in dem aus der Kadmiumelektrolyse stammenden erschopften Elektrolyten gelost. Das restliche Eisen wird entfernrt, indem man der Losung Luft zufiihrt und sie mit Kalziumhydroxid behandelt. Thallium wird mit Chromat aus schwach saurer Losung ausgefallt. Nun wird die so erhaltene Losung elektrolysiert.

Der aus der Reinigung von Zinksulfatlosungen mit Zinkpulver stammende Riickstand (b) wird zunachst bei etwa 7000C gerostet, urn

(14) Viele dieser Metalle sind nur als Spuren oder iiberhaupt nicht vorhanden.

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68 Elektrometallurgie wassriger Losungen

das Eisen unlslich zu machen und Arsen und Antimon zu entfernen. Darauf wird er mit dem aus der Zinkelektrolyse stammenden erschopften Elektrolyten (10-I2 % freie H 2S04) ausgelaugt und dann dekantiert. Die klare Losung enthiiJt das gesamte Zink und Kadmium sowie einen Teil des Kupfers. Sie wird mit Zinkpulver sorgfaltig zementiert, urn nur das Kupfer abzuscheiden. Nach dem Filtrieren wird weiteres Zink zuge­setzt, urn das Kadmium abzutrennen. Das so erhaltene schwammige Metall wird zunachst in einem Ofen bei 300 oC oxidiert und darauf in dem aus der elektrolytischen Kadmiumherstellung stammen den erschopf­ten Elektrolyten gelst. Die Losung wird zur Entfernung der letzten Kupferspuren mit Kadmium behandelt, filtriert und elektrolysiert. Die ZinklOsungen, die von der Abtrennung der verschiedenen Verunreini­gungen und dem Zementieren des Kadmiums stammen, werden im allge­meinen zur Riickgewinnung des Zinks in die Elektrolyseanlagen geleitet.

Fiir die soeben beschriebenen Vorgange empfiehlt sich die Ver­wendung eines schwefelsauren Elektrolyten. Die auf diese weise fUr die Elektrolyse vorbereiteten KadmiumsulfatlOsungen miissen sehr rein sein, da die Verwendung verunreinigter Losungen zu den schon bei der Elek­trolyse von Zinksulfatlosungen beschriebenen Schwierigkeiten fUhrt.

Der Kadmiumgehalt des Elektrolyten liegt zwischen go und 200 gil; der Zinkgehalt ist veranderlich und kann ohne nachteilige Folgen bis zu 20 % des Kadmiumgehalts ausmachen. Da Kadmium edler als Zink ist, wird es vor diesem an der Kathode abgeschieden. Urn eine kompakte kathodische Abscheidung zu erhalten, lOst man im Elektrolyten etwa 1 kg Leim pro Tonne abgeschiedenen Kadmiums. Die Elektroabscheidung des Kadmiums aus einer sauren Losung ist nur dank der erheblichen Wasserstoffiiberspannung an der Kadmiumkathode moglich ; in neutraler Losung sind die Abscheidungsspannungen der Ionen Cd 2+ und H + fast die gleichen.

Tab. VIILI7. - Elektrolysedaten fiir die Kadmiumherstellung.

Frischer Elektrolyt

Erschopfter Elektrolyt

Anoden Kathoden Spannung Stromdichte Stromausbeute Energieverbrauch Temperatur

{ 90-200 g II Cd 20- 40 gil Zn

1 10- 20 gil Cd 20- 40 gil Zn 60-140 gil H 2S04

Pb; Pb + I % Ag Al 2,5-4 V 40-250 A/m2

0,85-0 ,90

IA-2,25 kWh/kg 30-35 C

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Galvanotechnik: Theorie

Eine kompakte und gut haftende Kadmiumabscheidung ist auf unbewegten Kathoden nicht leicht zu erreichen. Man hat daher Elektro­lysezellen mit waagrechten zylinderformigen Kathoden, die zumindest halb in den Elektrolyten eintauchen und sich darin langsam drehen, gebaut. Das abgeschiedene Kadmium wird von diesen Zylindern sHindig abgelost. In anderen Zellentypen mit unbewegten Elektroden erhalt man ziemlich gut haftende und kompakte Abscheidungen durch verschie­dene Hilfsmittel wie z.B. Zusatz von Kolloiden und Ruhren der Losung. Die Losungen werden im allgemeinen fast quantitativ elektrolysiert. Die entsprechenden Werte sind in Tab. VIlLI7 zusammengefasst.

Das so erhaltene elektrolytische Kadmium wird unter Natronlauge geschmolzen, urn die Oxidation zu vermeiden, und in Barren, Stangen oder andere gewunschte Formen gegossen.

Der erschopfte Elektrolyt wird zum Aufiosen des Kadmium­schwamms verwendet. Bei zu starkem Anstieg seines Zinkgehalts wird ein Teil durch frischen, aus der Zinkelektrolyse stammen den Elektrolyten ersetzt.

13. Galvanotechnik; theoretische Grundlagen

Das Ziel der Galvanotechnik ist der Dberzug metallischer Gegen­stande mit einer mehr oder weniger dunnen Schicht eines anderen Metalls, urn die Oberfiacheneigenschaften in asthetischer oder technischer Hinsicht zu verbessern (z.B. das Metall durch Erhohung seiner Harte zu schutzen, oder es korrosionsbestandig zu machen, oder es mit Spiegelglanzeigen­schaften zu verschen). Die bearbeiteten Gegenstande mussen nicht unbe­dingt aus Metall bestehen ; es genugt, dass sie lei tend seien oder leitend gemacht werden konnen. Ausser demerlaubt die Galvanotechnik die Herstellung bestimmter Gegenstande durch elektrolytische Abscheidung eines Metalls auf den entsprechenden Formen: nahtlose Rohre, Para­bolspiegel, Druckstocke, Matrizen zur Schallplattenfabrikation u.a. Von diesen beiden Arbeitsweisen ist die erste, die Galvanostegie oder das sog. Elektroplattieren, ungleich viel wichtiger als die zweite, die als Galvanoplastik bzw. Elektroformen bezeichnet wird.

In der Galvanostegie versucht man, auf der gesamten bearbeiteten Oberfiache eine elektrolytisch abgeschiedene Schicht moglichst gleich­massiger Dicke zu erzielen. Diese Schicht solI glatt, gleichmassig, auf der Unterlage sehr gut haftend, nicht poros, moglichst kompakt und dabei ausserst feinkornig sein. Sie darf keine Fremdeinschlusse und Oberfiachenfehler (z.B. Risse, BIasen etc.) aufweisen. Die durch Galvano­stegie erhaltenen Strukturtypen entsprechen den bereits dargestellten allgemeinen Regeln (s. Abschn. 2), die allerdings durch einige Uber­legungen (betreffend galvanische Abscheidungen in dunnen Schichten) erganzt werden m ussen.

Bei der Elektroraffination und der elektrolytischen Herstellung von Metallen sind geringfUgige Unterschiede in der Dicke der kathodischen

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Elektrometallurgie wassriger Losungen

Abscheidung bedeutungslos. In der Galvanotechnik ist es jedoch bei Schichtdicken in der Grossenordnung von 10-1-10- 2 mm sehr wichtig, gleichmassig dicke Schichten zu erhalten, selbst wenn bei unregelmassig geformten Werkstlicken die Abstande zwischen der Anode und den ein­zelnen Oberflachenbereichen des Gegenstandes verschieden sind. Die Unterschiede in der Schichtdicke mlissen sich jedenfalls in ziemlich engen Grenzen halten. Die Ursache ffir das Auftreten verschiedener Schichtdicken liegt darin, dass die Stromdichte am Rand des Werkstlicks sowie an vorspringenden (und somit der Anode naher liegenden) Teilen grosser ist als der Mittelwert. Dies gilt besonders flir Stellen mit kleinem Krlimmungsradius. In Vertiefungen des Werkstlicks liegt die Stromdichte normalerweise unter dem Mittelwert.

Die Stromdichte wird jedoch auch von einigen Faktoren beeinflusst, die diesem unerwlinschten Effekt entgegenwirken und die Abscheidung einer gleichmassig dicken Schicht fordern. So flihrt eine Zunahme der Stromdichte zu einer Erhohung der Uberspannung. Weiters kann durch die Wahl geeigneter Elektrolyte eine hohere Uberspannung hervorgerufen werden.

Der Einfluss des erst en Faktors ist offensichtlich. Die Stromdichte nimmt an dem der Anode am nachsten liegenden Punkt der Kathode zu, da der zu liberwindende ohmsche Widerstand des Elektrolyten an dieser Stelle geringer ist. Infolgedessen nimmt jedoch die Uberspannung in diesem Punkt zu. In der Praxis kann diese Erhohung der Uberspannung als zusatzlicher Widerstand, der liberwunden werden muss, angesehen werden. Die ErhOhung der Stromdichte in diesem Punkt (und die darauf zurlickzuflihrende Zunahme der Schichtdicke) wird daher vermindert.

Der zweite Faktor wirkt sich in ahnlicher Weise aus. Der dritte Faktor macht die Unterschiede des ohmschen Widerstandes zwischen der Anode und den verschiedenen Punkten der Kathode vernachlassigbar, wenn zur Entladung der Kationen eines gegebenen Elektrolyten eine hohe Elektrodenspannung benotigt wird. So wird der Strom gleich­massiger liber die gesamte Kathodenoberflache verteilt. Urn die the ore­tischen Grundlagen der Galvanotechnik besser zu verstehen, mlissen die Ausfiihrungen liber Stromverteilung (Kap. IV.16) berlicksichtigt werden.

Die Eigenschaft, mehr oder weniger gleichmassige Abscheidungen zu ergeben, wird als Deckkraft oder Streufahigkeit bezeichnet. Die Deck­kraft wird durch eine Zunahme der Leitfahigkeit und durch Zusatz von die Uberspannung erhohenden Stoffen (z.B. Kolloide) vergrossert. Sie nimmt unter dem Einfluss aller die Uberspannung senkenden Faktoren ab und ist ausserdem yom absoluten Wert der Stromdichte abhangig. Bei der Deckkraft spielen so viele Faktoren eine Rolle, dass sie nur sehr schwer durch einen Zahlenwert ausgedrlickt werden kann; trotzdem konnen einige allgemeine Regeln aufgestellt werden. Sie wird meist mit Hilfe bestimmter empirischer Testverfahren bestimmt: z.E. Versuche auf Platten, die identisch geformte Hohlraume in gleichen Abstanden, jedoch mit unterschiedlicher Tiefe aufweisen; Versuche auf rechtwinklig abgebogenen Kathoden, deren senkrechter Teil parallel zur Anode verlauft; Versuche zur Bedeckung des Innenraums von Rohren gegebener Dimen-

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Galvanotechnik: Theorie 7 1

sion. Am best en bewiihrt sich die von HARING und BLUM (15) vorgeschla­gene Methode: man misst die erhaltene Schichtdicke an zwei Kathoden, die in verschiedenen Abstiinden von der gleichen Anode angeordnet sind.

Urn die metallische Abscheidung moglichst gleichmiissig und glatt zu erhalten, wozu ein sehr feinkorniger Kristalltyp erforderlich ist, stehen noch andere Mittel als die bereits besprochenen (s. Abschn. 2) zur Verfiigung. Durch Verwendung pulsierender Gleichstrome oder iiber­lagerter Wechselstrome liisst sich eine Art elektrolytisches Polieren (s. Abschn. 15) erzielen. Diese iiberlagerten Wechselstrome gleichen die Konzentrationsunterschiede und die an verschiedenen Punkten der Kathode entstandenen unterschiedlichen Schichtdicken durch eine bei jedem Pol­wechsel des Stroms eintretende teilweise anodische Auflosung wieder aus. Die Oberfliichenstruktur des Metalls spielt ebenfalls eine Rolle. SolI die Abscheidung so gleichformig und glatt ausfallen, dass sie als Spiegelfliiche verwendet werden kann, so muss das als Unterlage dienende Metall vorher sorgfiiltig poliert werden.

Urn eine gut an ihrer Unterlage haftende Abscheidung zu erzielen, muss die Unterlage einer Oberfliichenbehandlung unterzogen werden, die eine Verankerung der Abscheidung erlaubt (z.B. Beizen, S. Abschn. 14), oder die beiden Metalle, Oberfliichenniederschlag und Unterlage, miissen eine Legierung yom Typ der festen Losungen bilden konnen. In diesem Fall diffundiert die erste abgeschiedene Schicht in das Unterlagenmetall hinein und bildet so eine sehr diinne Legierungszwischenschicht, die jedoch ausreicht, urn eine gute und dauernde Haftung auf der Unterlage zu bewirken. Kann das Unterlagenmetall mit dem abgeschiedenen Metall keine Legierung bilden, so muss ein anderes Metall, das sich mit beiden legieren kann, zwischengeschaltet werden. Aus diesem Grund haften z.B. viele Abscheidungen besser, wenn die Oberfliiche des Werkstiicks vorher amalgamiert oder, wie beim Vernickeln, zuerst verkupfert wird. In jedem Fall muss die zu iiberziehende Oberfliiche vollkommen sauber und entsprechend vorbereitet sein (s. Abschn. 14).

Ein Galvanostegiebad enthiilt folgende Bestandteile :

r. eine Verbindung, deren Dissoziation die Kationen liefert, die nach ihrer Entladung die galvanische Abscheidung bilden ;

2. einen indifferent en Elektrolyten zur Erhohung der Leitfiihigkeit ; 3. einen Stoff, der die Auflosung der Anoden fordert; 4. Verbesserungszusatze in kleinen Mengen, urn die Oberflachen­

eigenschaften der kathodischen Abscheidung giinstig zu beeinflussen (Kolloide, Glanzmittel);

5. Puffersubstanzen, die den pH-Wert konstant halten.

Einige dieser Bestandteile sind nicht unbedingt erforderlich, auch kann gelegentIich ein Stoff mehrere Aufgaben erfiillen. Galvanostegie-

(15) H. E. HARING und W. BLUM, Trans. Am. Electrochem. Soc., 44 (1923) 313. Zur Diskussion des Verfahrens s. T. P. HOAR und ]. N. AGAR, Discussions Faraday Soc., Nr. 1, Electrode Process (1974) 162.

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72 Elektrometallurgie wassriger Losungen

bader sind stets sehr viel komplexer als die zur Raffination der Metalle verwendeten elektrolytischen Losungen.

1m aIlgemeinen haben galvanotechnische Vorgange und Raffina­tionsverfahren eine Gemeinsamkeit: die gleichbleibende Zusammen­setzung des Elektrolyten. Wahrend der Entladung der Kationen an der Kathode lOst sich eine gleiche Menge der aus dem entsprechenden Metall bestehenden Anode auf; die Versilberung ist ein dafiir charakteristisches Beispiel. UnlOsliche Anoden werden selten verwendet. Bei der Verchro­mung ist z.B. die Anode unlOslich; der Elektrolyt ist zugleich Quelle und Reserve der abzuscheidenden Kationen.

14. Galvanotechnik: praktische Durchfiihrung (16)

Eine sorgfaltige Vorbehandlung (17) des Werkstiicks ist flir ein befriedigendes Ergebnis der Galvanisierung von grosster Wichtigkeit. Vor der elektrolytischen Abscheidung muss die zu iiberziehende MetaIl­flache sorg£altig gereinigt werden. AIle gewohnlich oder auch zufallig an dieser Flache haftenden Stoffe miissen entfernt werden, da sie die Elektroabscheidung behindern oder die Haftfahigkeit der Abscheidung beeintrachtigen konnen.

Die Oberflachenverunreinigungen konnen in zwei grosse Gruppen eingeteilt werden :

I. Stoffe, die von dem Werkstiick selbst herriihren (Oxide, durch Korrosion gebildete Salze, z.E. Karbonate, Sulfide) ;

2. Fremdkorper: Riickstande der Gussformen, Fette, Ole, Staub, Schmutz im allgemeinen.

AIle diese Verunreinigungen miissen quantitativ entfernt werden. Meist beginnt man mit einer mechanischen Reinigung (Schmirgeln, Eiirsten, Polieren), urn aIle fest haftenden und vor allem chemisch schwer angreifbaren Stoffe (z.E. Sandkornchen aus den Gussformen) zu entfernen. Diese mechanische Vorbehandlung dient auch dazu, die Oberflache des Werkstiicks moglichst glatt und regelmassig zu machen.

(16) Dieser Abschnitt bezieht sich im besonderen auf einige grundlegende Operation en der eigentlichen Galvanostegie. Fur das Elektroformen, das eine besondere Technik darstellt, verweisen wir den Leser auf die entsprechende Fachliteratur.

(17) Die in diesem Abschnitt unter der Bezeichnung Vorbehandlungen be­sprochenen Operationen werden vor allem hinsichtlich ihrer Grundlagen be­trachtet. Die tatsachlichen Bedingungen mussen von Fall zu Fall gesondert festgelegt werden. Sie konnen von zahlreichen Faktoren (das Material, aus dem das \Verkstuck besteht, ist einer der wichtigsten) abhangen, so dass ein einziger, aIle Falle umfassender Vorgang eben so wie die jeweils gunstigsten Bedingungen nicht angegeben werden konnen.

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Galvanotechnik: Durchfiihrung 73

Nach diesem ersten Arbeitsgang, der oft aus mehreren Schritten besteht, wird mit Hilfe geeigneter losungen die eigentliche Reinigung des Werkstiicks vorgenommen. Diese Losungen konnen nur dann ihre volle Wirkung entfalten, wenn das Werkstiick vollkommen benetzt wird. Man kann daher die chemischen Behandlungen in zwei grosse Gruppen einteilen:

- die einen dienen der Entfernung der letzten Spuren von Fremd­stoffen wie Fette, Ole (auch Minera16le), die die Benetzbarkeit des Werk­stiicks beeintrachtigen ;

- die anderen dienen der Entfernung von Verunreinigungen der erst en Gruppe (Oxide u.a.).

Zum Entfetten der Werkstiicke werden zwei Arten von Badern verwendet: organische Losungsmittel (Benzol, Toluol, Benzin, Trichlor­athylen) und mehr oder weniger konzentrierte Losungen von Natron­lauge oder Natrium- bzw. Kaliumkarbonat, denen gewohnlich Emulgato­ren (Wasserglas, Trinatriumphosphat, organische Detergenzien) zugesetzt werden. Diese zweite Art des Entfettungsbades wird warm angewendet. Die alkalischen Bader enthalten manchmal spezifische Losungsmittel fUr bestimmte Oxide (z.B. Cyanide).

Die eigentlichen Fette werden durch Behandlung mit Alkalien verseift und in Losung gebracht, die Mineralole und -fette werden dagegen chemisch nicht angegriffen. Man entfernt sie gewohnlich mit Hilfe von Emulgatoren. Taucht man das Werkstiick in eine alkalische Wasch16sung und schaltet es als Kathode, so wird die emulgierende Wirkung des Bades durch die Entwicklung kleiner Wasserstoffblaschen, die den anhaltenden Film mechanisch ablosen, noch verstarkt. Diese als elektrolytische SPii,­lung (18) bezeichnete Behandlung wird ausserdem dadurch noch gefordert, dass die an der Kathode haftende Losungsschicht infolge der Entladung der H + lonen stark alkalisch wird.

Urn die volle Wirksamkeit der elektrolytischen Spiilung zu erreichen, ist eine starke Wasserstoffentwicklung erforderlich. Daher darf die Strom­dichte nicht unter I Ajdm2 absinken. 1m allgemeinen arbeitet man mit 2 Ajdm2. Die elektrolytische Spiilung ist im Fall von Zink, Zinn, Blei und Bleilegierungen schwierig durchzufUhren. Diese Metalle losen sich in der alkalischen Flussigkeit und scheiden sich von neuem in Form von dunnen, wenig haftenden Schichten. Diese Schwierigkeit kann umgangen werden, indem man das Werkstuck kurzzeitig als Anode schaltet, urn die kathodisch abgeschiedene Metallschicht wieder aufzulosen.

Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, folgt auf die Waschung (Entfettung) die Entfernung der Verunreinigungen der ersten Gruppe in

(18) Die elektrolytische Reinigung dient auch anderen Zwecken als der Vorbereitung metallischer Oberflachen zu galvanotechnischen Operationen. Man verwendet sie z.B. zur raschen und einfachen Reinigung von Zinngefassen von Lacken sowie zur Reinigung metallischer Behalter.

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74 Elektrometallurgie wassriger Losungen

saurer Lasung. Dieses sog. Beizen wird mit Schwefelsaure, Salpetersaure, Salzsaure oder Flusssaure durchgefiihrt; man wendet diese Sauren einzeln oder vermischt, eventuell mit einem Zusatz von Natriumchlorid, an. Die Lasung wird erwarmt, manchmal sogar zum Sieden gebracht. Ein Teil der Verunreinigungen der ersten Gruppe wird so aufge16st; ausser­dem wird die Oberfiache des Werkstiicks angegriffen, da die Saure auch die das Oxid unmittelbar beriihrende Metallschicht aufiast. Es wird also die Unterlage, an der die Verunreinigung haftet, zerstart, wobei diese sich unter der Einwirkung der entstehenden Wasserstoffblaschen ablast.

Durch den Angriff von Sauren wird die metallische Oberfiache ausserdem leicht aufgerauht; dadurch wird die Haftfahigkeit des gal­vanischen Uberzuges verbessert, da er in der Unterlage sozusagen veran­kert wird. Diese Behandlung ist in allen den Fallen unerlasslich, in denen das Metall des Werkstiicks und das abzuscheidende Metall keine festen Lasungen biIden kannen und die Aufbringung einer intermediaren Me­tallschicht (die sich mit beiden Metallen zu einer Legierung verbindet) unerwiinscht ist.

Das Beizen kann auch auf elektrolytischem Wege durchgefiihrt werden, indem man die Werkstiicke in dem sauren Bad als Kathode schaltet; fiir diesen Vorgang gelten im allgemeinen die gleichen Uber­legungen wie fiir die elektrolytische Spiilung. Das elektrolytische Beizen ist hinsichtlich des Saureverbrauchs nicht vorteiIhafter ; es ist allerdings gleichmassiger und schneller. Es kann ausserdem bei niedrigerer Tempe­ratur durchgefiihrt werden und ergibt eine bessere Oberfiache.

Unmittelbar nach dem Beizen wird das Werkstiick galvanisiert. Muss das Werkstiick hintereinander in mehrere Bader verschiedener Zusammensetzung eingetaucht werden, so wird es zwischen den einzelnen Behandlungen mit kochendem Wasser griindlich gewaschen, urn die Lasungen nicht zu verunreinigen. Falls erforderlich, wird es auch getrock­net, wobei jedoch dafiir zu sorgen ist, dass an der Oberfiache kein neuer Oxidfilm entsteht.

In der Praxis muss man in der Lage sein, verschiedene Betriebs­grassen, wie die Dauer der Elektrolyse, die Dicke und das Gewicht der Abscheidung, im voraus zu bestimmen. Diese Zahlen werden annahernd durch sehr einfache Berechnungen ermittelt. Wenn

E das elektrochemische Aquivalent in g/Ah (s. Tab. IV.I), I die StromsHirke in A, 5 die Oberfiache des Werkstiicks in dm2, J die Stromdichte an der Kathode in A/dm2, d die Dichte des abgeschiedenen Metalls in g/cm3,

1 die Dicke der abgeschiedenen Schicht in mm, ASt die Stromausbeute bei der Elektrolyse, t die Zeit in Stunden, G das Gewicht des abgeschiedenen Metalles in g, G' das Flachengewicht der Abscheidung in g/dm2

bezeichnet; so gelten die Beziehungen (VIII. 14.I-4).

Page 88: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Galvanotechnik: Durchfiihrung 75

Das Gesamtgewicht der e1ektro1ytischen Abscheidung wird durch

G = EItA st

und das Gewicht pro dm 2 durch

G' =

a usgedrtickt.

G S

EItA st E' A 5 = Jt St

(VIII.14.r)

(VIII. 14.z )

Die Zeit, die benotigt wird, urn eine Abscheidung mit einem vorge­gebenen Gewicht pro dm 2 zu erhalten, ergibt sich aus der Umformung der G1eichung (VIII.14.z) :

(VIII.14·3)

Zur Berechnung der Zeit, die notig ist, urn eine Abscheidung gege­bener Dicke zu erhalten, bedient man sich der Dichte und wendet fo1-gende Ausdrticke an :

G' = G Gl

ld EjtAst ~S- Sl = ro

(VIII. 14-4)

ld 10

EjASt

Durh einfache Umformung der G1eichungen (VIII.14.r-4) konnen alle gewtinschten Grossen bestimmt werden (z.B. Stromstarke, Dicke der Abscheidung), wenn die anderen bekannt sind. Diese G1eichungen, sind nur ftir den Fall unbewegter E1ektro1yte und Gegenstande, wobei 1etztere vollstandig eintauchen, streng gtiltig. Sie werden komplizierter, wenn die Werkstticke standig im E1ektro1yten bewegt werden, wie z.B. bei der Ga1vanostegie von Drahten.

Die in der Ga1vanostegie am haufigsten verwendeten Metalle sind Ag, Au, Cd, Cr, Cu, Ni, Pb, Pt, Rh, Sn und Zn ; in neuester Zeit auch noch AI.

In einer besonderen Gruppe der ga1vanotechnischen Verfahren arbeitet man mit Cyaniden a1s E1ektro1yten. Eine Untersuchung der Zusammensetzung und Eigenschaften der in diesem Falle verwendeten Bader wurde von THOMPSON (19) veroffentlicht.

(19) M. R. THOMPSON, Trans. Electrochem. Soc. 79 (1941) 417.

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Elektrometallurgie wassriger Losungen

15. Elektrolytisches Polieren

von I. EPELBOIN (20) und M. GARREAU (20)

Als elektrolytisches Polieren bezeichnet man die selektive elektro­lytische Auflosung von Metallen oder gewissen Halbleitern, mit dem Ziel, rasch glatte, gHinzende Oberflachen zu erhalten. Durch die bevorzugte Auflosung von Vorspriingen bzw. rauhen Flachen wird die Elektro­denoberflache geglattet.

Das zu bearbeitende Werkstiick bildet fast immer die Anode einer mit Gleichstrom gespeisten Elektrolysezelle ; man nennt dieses Verfahren daher auch anodisches Polieren. In bestimmten Fallen kann allerdings auch die selektive Auflosung und das Polieren mit Wechselstrom durch­gefiihrt werden.

Es besteht keine allgemeine Ubereinstimmung beziiglich der Eigen­schaften, die eine Oberflache aufweisen muss, urn als vollkommen po­liert zu gelten. Manchmal erwartet man von der polierten Oberflache, dass das Korn des Metalls und andere strukturelle Einzelheiten klar erkennbar seien. Andererseits betrachtet man oft die Entfernung der mikroskopischen Unregelmassigkeiten der Oberflache als Ziel dieses Arbeitsganges, urn Metallflachen mit moglichst starkem Glanz zu erhalten. In diesem Fall ware daher die Bezeichnung Gliinzen vorzuziehen. Unter Gliitten versteht man dagegen die Entfernung der makroskopischen Unre­gelmassigkeiten (> I !lm), wobei das Profil des behandelten Werkstiicks erhalten wird. Gelegentlich versteht man unter Polieren auch nur ein Abbeizen der Oberflache, urn jede Spur einer fremden Schicht zu entfernen.

Bei der Diskussion des elektrolytischen Polierens sind daher die flir die bearbeitete Oberflache gewiinschten Charakteristika zu beachten.

Seit der Entdeckung des elektrolytischen Polierens durch P. A. JACQUET (I929) wurden verschiedene Theorien zur Erklarung des Mecha­nismus vorgeschlagen. Keine von ihnen bietet eine befriedigende Deutung aller Beobachtungen. Einige wesentliche Punkte scheinen jedoch geklart zu sein.

So haben die meisten Autoren die Bedeutung der viskosen Schicht, die auf der zu behandelnden Oberflache entsteht, erkannt. Diese Schicht ist haufig mit blossem Auge erkennbar; in bestimmten Fallen kann ihre Dicke einige Zehntelmillimeter erreichen. Ihre Zusammensetzung hangt von zahlreichen Parametern ab: die angelegte Spannung, die Beschaffen­heit des zu polierenden Metalls und der verwendeten Losung, die Tem­peratur, die hydrodynamischen Bedingungen der Elektrolyse. Die Ver­wen dung von rotierenden Scheibenelektroden hat gezeigt, dass eine notwendige Voraussetzung zum elektrolytischen Glatten die Kontrolle

(20) Groupe de Recherche (' Physique des Liquides et Electrochimie» du C.N.R.S., associe a l'Universite Pierre et Marie Curie, 4 Place Jussieu, 75230 Pa­ris Cedex 05.

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Elektrolytisches Polieren 77

des anodischen Stromes durch den Diffusionsvorgang in der viskosen Schicht ist. Die Stromdichte, die dem Konzentrationsgradienten pro­portional ist, ist in den Vertiefungen niedriger und an den Vorsprungen hoher. Dies fuhrt zu einer selektiven Aufiosung, die eine Nivellierung der Oberfiache (im makroskopischen Massstab) zur Folge hat. Diese Ni­vellierung darf jedoch nicht mit derjenigen verwechselt werden, die in manchen Elektrolyten durch Erhohung der Stromdichte bis zum Ein­treten einer starken Gasentwicklung an der Anode erhalten wird. Es handelt sich bei der letzteren nur urn eine Art des Abbeizens, bei der ausserdem an der Oberfiache haftende Gasblasen verursachte Unregel­massigkeiten zuruckbleiben.

Obwohl eine Oberfiache nur gut geglattet werden kann, wenn die Diffusion durch die erwahnte viskose Schicht die Stromdichte begrenzt (Diffusionsgrenzstrom) , so garantiert das Vorhandensein dieser Schicht nicht notwendigerweise ein Glanzen der Anode; dazu muss auch die Anodenspannung einen Schwellenwert uberschreiten. So wird im Fall der Aufiosung von Nickel in konzentrierter Schwefelsaure der Strom durch die Diffusion in zwei deutlich voneinander abgegrenzten Bereichen der Anodenspannung kontrolliert; das Glanzen der Oberfiache findet jedoch nur in dem Bereich statt, der den hohen Anodenspannungen entspricht.

Uber den Mechanismus des eigentlichen Glanzens ist wenig bekannt. Es scheint nur festzustehen, dass eine blosse Kontrolle der Aufiosungs­geschwindigkeit des Metalls durch die Diffusion durch eine - im Ver­gleich zu atomaren Dimensionen - dicke Schicht zu einer Nivellierung im mikroskopischen Grossenordnungen nicht ausreicht. Fur eine derartige Nivellierung muss die Differenzierung der Aufiosungsgeschwindigkeiten des Metalls von einer Schicht ausgehen, deren Dicke im Vergleich zu der Grosse der zu beseitigenden Unregelmassigkeiten nicht zu gross sein darf; sie kann einige nm betragen. Es kann dies ein dunner, kompakter Film (aus Oxiden, Salzen oder adsorbierten Anionen) sein, in dessen Innerem ein starkes elektrisches Feld vorhanden ist. Unter diesen Vor­aussetzungen andert sich die Energie, die zum Loslosen der Atome aus dem Kristallgitter benotigt wird, sehr rasch mit der Stellung dieser Atome in Bezug auf das mittlere Niveau der Metalloberfiache, so dass die Aufiosung eine mikroskopische Nivellierung ergibt. In einigen Fallen wurden kompakte Schichten nach Beendigung der Elektrolyse und Aufiosung der viskosen Schicht unter Luftausschluss ellipsometrisch vermessen und ihre Dicke (~4 nm bei der Aufiosung von Kupfer in einer 65 %igen Phosphorsaure16sung festgestellt. Selbst wenn diese nicht dem wahrend der Elektrolyse vorhandenen kompakten Film entspricht, sondern durch die Umwandlung des letzteren nach Verschwinden des elektrischen Feldes entsteht, gibt die gemessene Dicke einen Anhaltspunkt fur die Schichtdicke beim Poliervorgang. In Perchlorat enthaltenden Losungen ist die Entstehung des kompakten Films an eine bevorzugte Adsorption von CI04 - Anionen, die im elektrischen Feld zur Anode wandern, gebunden. Die adsorbierte Anionenschicht wird der Ansatz eines quasikristallinen Films, dessen Kohasion von einem starken elek­trischen Feld abhangig bleibt. Das Glanzen findet erst statt, wenn die

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Elektrometallurgie wassriger Losungen

Anodenspannung einen verhaltnismassig hohen Wert (mehrere Volt) uberschreitet. Die mikroskopische Beobachtung der Anode mit polari­siertem Licht wahrend des Polierens zeigt das Vorhandensein eines doppelbrechenden Films, der bei Unterbrechung des Stroms verschwindet, im Gegensatz zur viskosen Schicht, die auch nach Abschalten des Stroms erhalten bleibt. So bestatigt sich, dass die komplexe Struktur der anodi­schen Schicht unmittelbar von dem in der Nahe der Elektrode herrschen­den elektrischen Feld abhangt.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass ein echtes elektro­lytisches Polieren, d.h. eine anodische Auflosung mit Glatten und Glanzen der Elektrodeno berflache, das gleichzei tige Ein treten zweier V organge erfordert: eine Begrenzung des elektrolytischen Stroms durch die Diffu­sion und die Bildung eines kompakten Films auf dem Metall dank einer hinreichend hohen Anodenspannung.

Man untersucht die Entstehung der anodischen Schicht im all­gemeinen an Hand der Strom-Spannungskurve. Mit zunehmender Spannung beobachtet man zunachst eine rasche Erhohung des Stroms. Werden die Bedingungen fUr das Polieren erfUllt, so bleibt der Strom von einer bestimmten Spannung an konstant oder nimmt nur schwach zu; die Kurve zeigt eine mehr oder weniger deutliche Stufe. Bei noch hoheren Spannungen werden bestimmte Bestandteile des Elektrolyten an der Anode oxidiert und der Strom nimmt sehr rasch zu. Die gun­stigsten Bedingungen fur das elektrolytische Polieren herrschen haufig am Ende der Stufe, d.h. bei jener Anodenspannung U, die den grossten scheinbaren Widerstand ergibt. Bei hoheren Spannungen wird die ano­dische Schicht durch an der Anode entstehende Stoffe gestort, worunter im allgemeinen die Qualitat der Oberflache leidet; in manchen Fallen wird diese sogar unregelmassig angegriffen.

Bei der Ermittlung der gunstigsten Bedingungen fUr das Polieren wahlt man die Anodenspannung als kontrollierte Variable. Zur Aufnahme der Strom-Spannungskurve verwendet man eine potentiostatische Schal­tung mit drei Elektroden, von denen eine eine Bezugselektrode ist. Wenn die verwendete Losung (z.B. Perchlorsaure) ein Polieren bei kleinen Stromdichteschwankungen und ausreichend hoher Spannung ermoglicht und ausserdem die Oberflache der Anode sehr viel kleiner als die der Kathode ist, wird die Anodenspannung U der Klemmenspannung V proportional. Unter diesen Voraussetzungen kann man auf die Drei­Elektroden-Schaltung verzichten und mit Hilfe eines zwischen den Klemmen der Zelle geschalteten Regelwiderstandes die analog verlaufende I-V-Kurve aufnehmen.

Eine potentiostatische Schaltung garantiert nicht in allen Fallen eine eindeutige Strom-Spannungskurve. Einerseits stabilisiert sich in bestimmten Elektrolyten die anodische Schicht nur langsam, wodurch die Spannungen, bei denen die Stufe beginnt, von der Geschwindigkeit, abhangen, mit der die Charakteristik aufgenommen wird. Nur potentio­dynamische Versuche, die bei verschieden schnellem Spannungsvorschub durchgefUhrt werden, ergeben Hinweise auf den stationaren Wert.

In den meisten Fallen kann man durch verhaltnismassig langsame

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Elektrolytisches Polieren 79

Messungen bei abnehmender Spannung eine der stationaren Kurve sehr nahekommende Kurve erhalten. Andererseits miissen die Messungen unter isothermen Bedingungen durchgefiihrt werden. Bei den gewohnlich zum Polieren verwendeten Anodenspannungen und Stromdichten fiihrt jedoch die durch den J OULE-Effekt an der Anode freiwerdende Warme zu einem Temperaturanstieg der Metalloberflache. Es geniigt nun nicht mehr, die Temperatur des Elektrolyten konstant zu halten, urn eine ortliche Uberhitzung zu vermeiden. An der Oberflache einer in einer auf 20 oC gehaltenen Perchloratlosung polierten Aluminiumanode konnte z.B. eine Temperaturerhohung von mehr als 50°C beobachtet werden. Das Metall muss also direkt gekiihlt werden. Schliesslich ist der Wider­stand der anodischen Schicht manchmal hoch genug, urn einen ohmschen Spannungsabfall herbeizufiihren, der bei Verwendung der iiblichen Mess­methoden die beobachtete Anodenspannung verfalscht. Das Vorhanden­sein dieses Spannungsabfalls kann, ebenso wie eine Uberhitzung der Anode oder zu schnelles Ablesen, das Vorhandensein einer Stufe in der Strom-Spannungskurve vollkommen verdecken.

Die Bildung der anodischen Schicht kann auch an Hand der Abhan­gigkeit der Impedanz der Elektrode (Z = R - iG)* von der Anoden­spannung in einem breiten Frequenzbereich verfolgt werden. Wenn man bis zu sehr niedrigen Frequenzen (bis IO-5 Hz) misst, enthalt das Dia­gramm der Impedanz in Abhangigkeit von der Frequenz Informationen iiber den Vorgang des Ladungsdurchtritts und den Stoff transport. Die Durchfiihrung dieser Messungen und die Deutung der Ergebnisse sind jedoch, vor allem wegen der raschen Veranderung der Oberflache wahrend der Auflosung, ausserst schwierig.

Bei der Untersuchung und der Ausarbeitung eines Polierverfahrens sind zahlreiche Faktoren zu beriicksichtigen. Einige von ihnen ergeben sich unmittelbar aus den schon angefiihrten Ubedegungen beziiglich der Mechanismen der mikro- und makroskopischen Nivellierung. Wesentlich ist vor allem eine klare Definition des gewiinschten Zustands der Ober­flache nach der Bearbeitung. Darauf folgt die Wahl des Elektrolytbades; selbst in verhaltnismassig alten Tabellen (21,22) finden sich zahlreiche in Frage kommende Zusammensetzungen. Nach der Wahl eines geeigneten Elektrolyten sind die giinstigsten Grossen folgender Parameter fest­zulegen: die Konzentrationen der Bestandteile des Elektrolytbades, die Anodenspannung U (oder besser, vor allem in industriellen Anlagen, die Klemmenspannung V), die Temperatur, die hydrodynamischen Bedingungen, die geometrische Form der Zelle. Ebenso miissen die Dauer der Auflosung und die Vorbehandlung der Oberflache optimiert werden. Schliesslich sind wirtschaftliche Faktoren zu beriicksichtigen, wie schnelle

* R = Realteil iG = Imaginarteil (i = f=i). (21) P. A. J AQUET, Electrolytic and Chemical Polishing, M etaUurgical Re­

views 1 (1956) 157. (22) W. J. Me. G. TEGART, Polissage electrolytique et chimique des metaux,

Dunod, Paris, (1960).

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80 Elektrometallurgie wassriger Losungen

Durchfiihrung, einfache Steuerung, Kosten der Anlage und Preis des Elektrolyten, Regeneration des Elektrolyten, Einhaltung der Sicherheits­vorschriften.

Wenn man die Elektrolytbader nach ihrer Zusammensetzung einteilt, erhalt man eine verhaltnismassig geringe Anzahl verschiedener Badtypen (21,22). Die ersten, von JACQUET vorgeschlagenen Losungen setzen sich aus Perchlorsaure und Essigsaure oder Essigsaureanhydrid zusammen. Sie werden noch im Laboratorium verwendet. Seitdem sind zu dieser Gruppe Losungen von Perchlorsaure oder Perchlorat in ver­schiedenen organischen Losungsmitteln, wie Athanol, Methanol, Athylen­glycolmonobutylather, hinzugekommen. AIle diese Elektrolyte erfordern eine hohe Klemmenspannung (10 bis 50 Volt). Da diese Losungen das Metall nicht passivieren, ist die Oberfiache nach der Elektrolyse leicht zu reinigen.

SolI das Werkstiick vor allem gegHittet werden, empfiehlt sich oft eine '1iedrige Arbeitstemperatur. Auch heterogene Legierungen werden bess<;r bei niedriger Temperatur poliert, urn die zwischen den Phasen der Legierung bestehenden Unterschiede der Aufiosungsgeschwindigkeit aus­zugleichen.

Einige Edelmetalle konnen bei 80 oC mit Hilfe von in deren Kristall­wasser geschmolzenen Salzen poliert werden. Die geschmolzenen Salze konnen auch ohne jegliches Losungsmittel verwendet werden.

Zu den wichtigsten in der Industrie verwendeten Elektrolytbadern gehoren die von Phosphorsaure, Schwefelsaure und Chromsaureanhydrid ausgehenden Losungen, die keine hohen Anodenspannungen (einige Volt) erfordern. Sie miissen jedoch bei einer Temperatur von 60-roo °C ver­wendet werden.

Die giinstigsten Bedingungen zur Verwendung eines Elektrolyt­bades, im besonderen die optimale Konzentration seiner Bestandteile und sein eventueller Gehalt an verschiedenen Zusatzstoffen, hangen in den meisten Fallen von zu vielen Faktoren ab, urn selbst in der Spezialli­teratur genau und verlasslich angegeben zu werden. Diese Bedingungen andern sich vor allem mit der Zusammensetzung des Metalls (Verun­reinigungen oder Bestandteile einer Legierung), mit den vorangehenden mechanischen und thermischen Behandlungen des Materials, mit der Form und den Ausmassen des Werkstiicks sowie mit seiner Stellung im Elektrolysator, mit der Form der Kathode, mit der Temperatur und mit den hydrodynamischen Bedingungen. Sie miissen daher in jedem Fall neu bestimmt werden.

Die metallurgische Qualitat des Werkstiicks und die Vorbehand­lung der Oberfiache vor dem Polieren sind fUr das Ergebnis der elektro­lytischen Behandlung bestimmend. Es ist selbstverstandlich schwierig, das mittlere Profil einer Oberfiache, die urspriinglich bedeutende mi­kroskopische Fehler (Schrammen, Narben) aufweist, zu erhalten. Je dicker die zu entfernende Schicht ist, desto mehr unterscheidet sich das Profil der schliesslich erhaltenen OberfHiche yom ursprunglichen. Das Polieren des Werkstiicks kann daher nur bis zu einem bestimmten Grad fortgefiihrt werden. Ein weiterer wichtiger Faktor fUr die Qualitat des

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Metallpulver 81

Verfahrens ist die Geometrie der Zelle: die Stellung der Anode, Grosse und Anordung der Kathode oder mehrerer Kathoden.

Die Eignung des elektrolytischen Polierens zum raschen und dank der Technik des Elektrolytstrahls ausserst genauen Abtragen des Mate­rials entsprechend einer bestimmten Geometrie wird seit zwei Jahr­zehnten zur Metallbearbeitung (Elektrobearbeitung, elektrochemische Formung oder Elektroformung) ausgenutzt. Die Apparatur ist hier von grosser Bedeutung. Die Form der Elektroden und die Geschwindigkeits­verteilung in den Elektrolytstrahlen muss sorgfaltig untersucht werden. Diese Technik ist fUr die Bearbeitung sehr leicht verformbarer oder sehr harter Metalle von besonderem Interesse.

Zur Bearbeitung innerer, schwer zuganglicher Oberflachen ist die Elektroformung oft unersetzlich. Ein wesentliches Merkmal dieses Ver­fahrens besteht im Vermeiden von mechanischen Verformungen und Spannungen. Es ist mit kleinsten Toleranzen (r bis 5 [.Lm) durchfUhrbar und kann daher in vielen Fallen die klassischen Werkzeugmaschinen ersetzen.

16. Metallpulver (23)

Die Herstellung von Metallpulvern gewinnt immer mehr an Be­deutung, da sie die pulvermetallurgische Erzeugung von Werkstucken erlaubt, die durch andere Methoden, wie Schmelzen oder Schmieden, nur schwer hergestellt werden konnen. So wird die Erzeugung poroser werkstucke (die 2. B. Zur Herstellung von Lagern, die nachher impra­gniert werden sollen), die Bearbeitung von sehr harten Metallen und die Herstellung von Pulvern fUr katalytische Reaktionen ermoglicht.

Metallpulver konnen nach verschiedenen Methoden hergestellt werden: durch Elektrolyse, durch chemische Reduktion pulverformiger Oxide, durch Zerkleinern harter und sproder Metalle sowie durch Zerstau­ben geschmolzener Metalle. Das elektrolytische Verfahren ist den anderen jedoch qualitativ uberlegen, da es feinere und gleichmassigere Teilchen, mit einem Durchmesser zwischen 0,1 und 30 [.Lm, ergibt. Zur elektroly­tischen Herstellung von Metallpulvern sind Arbeitsbedingungen erfor­derlich, die gerade das Gegenteil der Abscheidungsbedingungen fUr galvanotechnische Verfahren darstellen ; es genugt hier, an die allgemeinen Regeln bezuglich der Struktur metallischer Abscheidungen zu erinnern (s. Abschn. 2).

Bei der Herstellung von Metallpulvern kann eine gleichmassige Kornung von Wichtigkeit sein. Pulverfi:irmige Abscheidungen werden im

(23) Eine hervorragende Monographie iiber diesen Gegenstand liegt von N. IBL vor, Applications of Mass Transfer Theory. The Formation of Powdered Metal Deposits in C. W. TOBIAS, A dvances in Electrochemistry and Electrochemical Engineering, Interscience Publishers, New York (1962) Bd. 2; s. auch N. IBL, Chen.. Ing. Tech. 36 (r963) 601.

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82 Elektrometallurgie wassriger Losungen

allgemeinen bei hoher Stromdichte, niedriger lonenkonzentration des abzuscheidenden Kations, niedriger Temperatur und mit Zusatz von Kolloiden hergestellt. Die Zusammensetzung des Elektrolyten muss selbstverstandlich sorgfaltig gewahlt und wahrend des Arbeitsganges, vor allem in Hinsicht auf den pH, streng iiberwacht werden. Die Grenz­stromdichte muss in jedem Fall iiberschritten werden. Metallpulver konnen auch durch Elektrolyse geschmolzener Elektrolyten hergestellt werden, so fern der Schmelzpunkt des verwendeten Elektrolyten unter dem des Metalls liegt.

Man erhalt die Pulver entweder unmittelbar oder auf dem Umweg iiber eine sprode kathodische Abscheidung, die mechanisch nachbear­beitet wird. Die Grosse der unmittelbar auf elektrolytischen Wege erhal­tenen Teilchen kann durch Abanderung der Faktoren, die die Bildung neuer Kristallkeime begiinstigen und deren Wachstum hemmen, beein­flusst werden. Da zu diesem Zweck die Stromdichte konstant gehalten werden muss, ist es notwendig, das an der Kathode abgeschiedene Metall von dieser standig zu entfernen, da die grosse Oberflache dieser Abschei­dung zu einer Senkung der effektiven Stromdichte fiihrt. Der Zusatz reduzierender Substanzen, die anodisch wieder oxidiert werden, hat sich in manchen Fallen als niitzlich erwiesen. Der Zusatz von Kolloiden erlaubt die Herstellung ausserst feiner Pulver, da auf diese Weise die gleichzeitig stattfindende Wasserstoffentwicklung verringert oder sogar vollkommen unterbunden wird; ausserdem wird so auch die Stromaus­beute erhoht.

Die wichtigsten Metalle, die in industriellem Massstab in Pulverform hergestellt werden, sind Kupfer, Zink, Eisen, Kadmium, Zinn, Antimon, Silber, Nickel und Wolfram.

17. Korrosion und Passividit

Korrosion und Passivitat gehoren selbstverstandlich nicht zu den fiir Herstellungsverfahren der elektrochemischen Industrie brauchbaren Phanomenen. Sie sind jedoch in der ganzen chemischen und elektroche­mischen Industrie von grosser wirtschaftlicher Bedeutung und auch die Ursache einiger elektrochemischer Erscheinungen, die ihrerseits in der Elektrometallurgie in wassrigen Losungen auftreten, so dass eine kurze Besprechung an dieser Stelle angepasst zu sein scheint.

(I) Korrosion

Die Korrosion, ein im Wesen elektrochemischer Vorgang, ist fiir die Metallverarbeitung von besonderer Bedeutung. Unmittelbarer Aufwand entsteht durch die fiir Korrosionsschutz aufgewandten Kosten und den Ersatz korrodierter Materialien. Schwierig abzuschatzende indirekte Kosten sind die Verluste durch ausfallende Anlagen, Ertragssenkungen, Explosionen und selbst, in einigen Fallen, Verluste an Menschenleben.

Die folgenden angenaherten Zahlen vermitteln ein Bild von de)

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Korrosion und Passivitiit

wirtschaftlichen Bedeutung der Korrosion. J edes J ahr wird ein Viertel bis zu einem Drittel der J ahresproduktion an Eisen durch Korrosion zerstort. J edes J ahr fallen auf London etwa 750 000 Tonnen Schwefel­saure, die bei der Verbrennung von Kohle freiwerden. Diese Menge geniigt, urn 400000 Tonnen Eisen vollstandig aufzulOsen.

Nach den auf Grund verschiedener Berichte von H. H. UHLIG (24) angestellten Berechnungen betrug allein fiir die Vereinigten Staaten im J ahr 1949 der unmittelbar durch Korrosion verursachte Verlust mehr als 5 500 Millionen Dollar, von denen 2000 Millionen fiir Schutzanstriche und 600 Millionen fiir den Unterhalt und das Auswechseln unterirdischer Rohrleitungen ausgegeben wurden. Heute sind diese Betrage wahr­scheinlich auf iiber das Doppelte, wenn nicht mehr, zu veranschlagen.

Man schatzt die durch Korrosion im Jahr 1971 verursachten Verluste fiir Grossbritannien und lrland auf 1365 Millionen Pfund. H. K. WOR­NER eS) hat fiir Australien im J ahr 1956 die Zahl von 120 Millionen Pfund ermittelt.

Durch die Korrosion werden die Metalle je nach der Beschaffenheit des korrodierenden Mediums in verschiedene chemische Verbindungen umgewandelt. Diese Verbindungen haben eine erheblich geringere che­mische und mechanische Bestandigkeit als das urspriingliche Metall. Durch die Korrosion des Metalls kommt es daher zur Zerstorung des Gegenstandes.

Unter Korrosion im eigentlichen Sinne versteht man den Angriff der Metalle in Elektrolyten. Auch der Angriff durch elektrische Primar­strome an den Stellen, an denen diese Strome aus einem metallischen Leiter in eine elektrolythaltige Umgebung fliessen (wobei das Metall die Rolle der Anode spielt), zahlt dazu. Der Angriff beginnt an der Ober­flache, kann aber infolge seiner Tiefenwirkung zur Bildung von Lochern fiihren.

Die Korrosion bei Normaltemperatur ist auf einen elektrochemischen Vorgang entweder galvanischer oder elektrolytischer Art zuriickzufiihren. 1m ersten Fall wird sie durch die Bildung ortlicher galvanischer Elemente verursacht, in denen der Korrosionsstrom durch chemische Reaktionen zwischen dem Metall und dem korrodierenden Medium hervorgerufen wird. 1m zweiten Fall dagegen verursacht der Durchfluss des Primarstroms einen elektrolytischen Prozess mit anodischer Auflosung des Metalls. Die beiden FaIle sollen daher gesondert besprochen werden.

Galvanische Korrosion wird durch eine oder mehrere chemische Reaktionen zwischen dem Metall und den Stoffen, die in der das Metall beriihrenden Lasung enthalten sind, verursacht. Das Vorhandensein von Wasser oder eines anderen ionisierenden Lasungsmittels ist flir das Auftreten der Korrosion unbedingt erforderlich. In vielen Fallen, in denen das Metall nicht mit Wasser in Beriihrung zu kommen scheint, geniigt der durch Kondensation der Luftfeuchtigkeit gebildete Fliissigkeitsfilm,

(24) H. H. UHLIG, Chem. Eng. News, 27 (1949) 2764. (2S) H. K. WORNER, Corrosion Technology, 3 (1956) 289.

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Elektrometallurgie wassriger L6sungen

urn die korrosiven Stoffe zu lOsen; in manchen Fallen wirkt der Film selbst korrodierend.

Fiir jene Metalle, die entsprechend der elektrischen Spannungsreihe in wassrigen Losungen unedler als Wasserstoff sind, kann die Korrosion durch die Reaktion

2 M + 2 Z H + --+ 2 Mz+ + z H2

dargestellt werden. Diese Reaktion kann eintreten, wenn unter den vor­handenen Aciditatsbedingungen die Gesamtspannung der entsprechenden Wasserstoffelektrode (die sich aus der Gleichgewichtspannung bei der gegebenen H + Ionenaktivitat und der auf dem jeweiligen Metall herr­schenden Wasserstoffiiberspannung ergibt) positiver als die Elektroden­spannung des Metalls ist. Die so entstandenen Metallionen reagieren unter Bildung von Hydroxiden mit den iiberschiissigen OH - Ionen, die nach der Entladung der H + Ionen des Wassers vorhanden sind. Diese Hydroxide sind meist schwer lOslich und fallen daher aus. Die Reaktion kann daher beliebig lange ablaufen, da die Ausgangsbedingungen zumin­dest teilweise wieder hergestellt werden. Sind die gewohnlich in der Luft vorhandenen sauren Gase (C02, H2S, S02) auch im Wasser gelost, so ent­stehen die entsprechenden, im allgemeinen schwer10slichen Salze. Diese Art der Korrosion wird durch das Vorhandensein gelOsten Sauerstoffs begiinstigt und verstarkt, da der Sauerstoff als Oxidationsmittel wirkt.

Diese Theorie kann natiirlich auf Metalle, die edler als Wasser­stoff sind, nicht angewandt werden. Die Theorie, die wirklich aIle FaIle der spontanen Korrosion (die nicht durch die Einwirkung eines von aussen stammenden elektrischen Stromes hervorgerufen wird) umfasst, stiitzt sich auf die Entstehung eines galvanischen Lokalelements. In der Praxis sind die Metalle weder vollkommen rein noch chemisch oder phy­sikalisch homogen, besonders dann, wenn es sich urn Legierungen handelt. Legierungen enthalten gewohnlich zahlreiche verschiedene Bestandteile: z.B. feste Losungen verschiedener Zusammensetzung, Eutektika, be­stimmte chemische Verbindungen, geloste Gase, die in unterschiedlichen Mengen an verschiedenen Stellen verteilt sind, auf der metallischen OberfHiche abgelagerte Verunreinigungen. Ausserdem kann die Zusam­mensetzung der das Metall benetzenden Fliissigkeit ortlich verschie­den sein.

Zwei verschiedene Phasen, die z.B. aus zwei Kristallen eines Eutek­tikums oder aus dem Metall und einer eingeschlossenen Verunreinigung bestehen konnen, bilden ein Lokalelement. Das heisst, dass eine der beiden Phasen gegeniiber der anderen eine positive Spannung annimmt. Da die beiden metallischen Phasen einander unmittelbar beriihren und der ohmsche Widerstand im ausseren Stromkreis des galvanischen Lo­kalelements meist sehr gering ist, kann der Gleichstrom, der zur Her­stellung des Gleichgewichts zwischen den beiden Phasen fiiesst, eine sehr hohe Stromstarke erreichen. Nach den FARADA Y-Gesetzen muss diesem Strom eine umfangreiche chemische Reaktion entsprechen.

An der Phase, die den negativen Pol des galvanischen Elements

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Korrosion und Passivitiit

bildet, kommt es zur Auflosung des Metalls. Es ist daher leicht einzusehen, dass die Korrosionsbestandigkeit eines Metalls meist mit dem Grad seiner Reinheit zunimmt.

Weitere Faktoren konnen die Korrosion ebenfalls fOrdern oder sogar verursachen; dazu gehoren im besonderen Oxidationsmittel. Das wichtigste unter diesen ist der in der das Metall benetzenden FHissigkeit gelOste Sauerstoff. Eine besonders haufig vorkommende Art eines galva­nischen Elements wird gebildet, wenn ein Metall an zwei verschiedenen Stellen mit zwei verschieden beliifteten Fliissigkeitsraumen in Beriihrung kommt. U. R. EVANS (26) hat fUr diesen Typ der galvanischen Zelle eine Theorie der Korrosion, die sogenannte Theorie der differentiellen Beliif­tung, aufgestellt. Die gelOste Sauerstoff enthaItende Elektrolytlosung benetzt eine metallische Phase: so entsteht eine Sauerstoffelektrode, deren Elektrodenspannung durch die Gleichung

gegeben wird, wobei POI den Partialdruck des Sauerstoffs im Gasraum im Gleichgewicht mit dem im Elektrolyten gelOsten Sauerstoff bezeichnet. Aus dieser Gleichung folgt, dass eine Konzentrationserhohung des gelO­sten Sauerstoffs die Elektrodenspannung der entsprechenden Elektrode positiver werden lasst. Wird nun das Metall an zwei verschiedenen Stellen durch die gleiche, in den beiden Bereichen jedoch verschieden beliiftete Fliissigkeit benetzt, so entsteht ein Konzentrationselement. Der positive Pol ist die Metalloberflache, die von dem sauerstoffreicheren, also starker beliifteten Elektrolyten benetzt wird. Am negativen Pol dieses Elements kommt es zur Auflosung des Metalls und somit zu dessen Korrosion. Darauf beruht def scheinbar paradoxale SachverhaIt, dass das Metall gerade an der Stelle mit der geringsten Sauerstoffkonzentration oxidiert Wifd. So ist z.B. zu erklaren, warum Wasserleitungsrohre im Inneren von Rissstellen starker korrodieren als an der mit dem fliessenden Wasser in direktem Kontakt stehenden Oberflache.

Verschiedene thermische oder mechanische Bearbeitungen an ver­schiedenen Stellen eines und desselben metallischen Gegenstandes konnen ebenfalls zu Unterschieden der Elektrodenspannung zwischen zwei vom gleichen Elektrolyt benetzten Punkten fUhren. Auch in diesem Falle entsteht ein Lokalelement.

Auch ein Temperaturunterschied zwischen zwei Punkten eines und desselben metallischen Gegenstandes, die vom gleichen Elektrolyten benetzt werden, kann zu Korrosionserscheinungen fUhren, wenn das Halbelement Metall I Elektrolyt einen sehr hohen Temperaturkoeffizienten aufweist (s. Bd. I, S. r67 ff.).

Das Harten eines Metallstiicks durch KaItverformung verursacht

(26) U. R. EVANS, The Corrosion and Oxidation oj Metals, E. Arnold, London (1960).

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86 Elektrometallurgie wassriger Losungen

im Werkstiick ungleichmassig verteilte mechanische Restspannungen; bei Legierungen kann dies zur Ausscheidung verschiedener Phasen und damit zur Entstehung von galvanischen Lokalelementen fiihren. Dadurch entsteht eine Erhohung der Korrosionsgeschwindigkeit vor allem in saurer Losung.

Mechanische Eigenspannungen, die nahe der Elastizitatsgrenze der korrodierenden Metalle oder sogar hoher liegen, konnen an einzelnen Stellen eine starke Korngrenzkorrosion verursachen. Dabei sind stets elektrochemische V organge beteiligt, die das Erge bnis der zwischen den Kornern auftretenden elektrischen Spannungen sind; sie werden durch Verunreinigungen, Ausscheidung interkristalliner Phasen oder lokale mechanische Spannungen zwischen den Kornern hervorgerufen. In allen Fallen besteht die hauptsachliche Auswirkung dieser mechanischen Span­nungen im Zerreissen des auf dem jeweiligen Material gebildeten Schutz­films, so dass neue anodische Oberfiachen der korrodierenden Losung ausgesetzt sind.

Eine haufig auftretende Form der Korrosion ist auf wasserstoff­haltige Losungen zuriickzufiihren; dieser Wasserstoff entsteht entweder bei Korrosionsreaktionen oder durch Elektrolyse. Entsprechend dem allgemein anerkannten Mechanismus nimmt man an, dass der atomare Wasserstoff in die Zwischenraume diffundiert und in Hohlraumen und Stellen mit fehlerhafter Kristallisation unter Bildung von molekularem Wasserstoff reagiert, so dass sehr hohe Driicke auftreten. Das Metall wird dadurch brtichig und weist transgranulare Risse auf. Andere Formen der durch mechanische Spannungen verursachten Korrosion werden in der einschlagigen Fachliteratur behandelt.

Man sieht, dass folgende Faktoren der Neigung der Metalle und Legierungen zur spontanen Korrosion entgegenwirken: homogene Zu­sammensetzung, glatte und homogene Oberfiache, gleichmassige Eeltif­tung der mit dem Elektrolyten in Bertihrung stehenden Oberfiache, Abwesenheit eines Kontaktes mit edleren Metallen, einheitliche Tempera­tur sowie einheitliche thermische und mechanische Bearbeitung des Werkstticks, gleichmassige Verteilung der mechanischen Spannungen, die moglichst an keiner Stelle die Elastizitatsgrenze tiberschreiten sollen.

Zahlreiche Korrosionserscheinungen werden durch vagabundierende Strome verursacht. Diese stammen aus dem Strassenbahn- und Eisen­bahnnetz (Rtickftihrung des Stroms durch die Erde) , aus Telephon- und Radioleitungen, und im allgemeinen aus allen Anlagen, die eine Erdung benotigen. Liegt in der Eahn eines vagabundierenden Stromes ein nicht isolierter metallischer Leiter (Geleise, Rohrleitungen), dessen ohmscher Widerstand geringer als der des Eodens ist, so tritt der Strom in diesen Leiter ein und verlasst ihn an einer Stelle, von der aus der Stromkreis mit einem moglichst geringen Widerstand geschlossen wird. Die Stellen, an denen der Strom aus dem Metall aus- und in das umgebende Milieu eintritt, verhalten sich dabei wie die Anoden einer Elektrolysezelle.

Wegen der stetigen Zunahme elektrischer Anlagen hat die durch vabundierende elektrische Strome verursachte Korrosion beunruhigende Ausmasse angenommen.

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Korrosion und Passivitat

Die Korrosion gehorcht, wie alle Reaktionen, den Gesetzen der Ther­rnodynarnik. Die chernische Therrnodynamik, die die Energiegesetze auf Grund des rein chemischen Gleichgewichtsbegriffes auf die Chemie anwendet, ist allerdings zur Untersuchung der Korrosion nicht hinrei­chend. Wesentlich flir Korrosionsvorgange ist die Reaktionsgeschwindig­keit und damit die Kinetik der Korrosionsreaktionen, uber die die Ther­rnodynamik nichts aussagen kann. Mit den Mitteln der Thermodynarnik kann aber zumindest der yom korrodierenden System angestrebte End­zustand vorausgesagt werden. Da die Korrosion in ElektrolytlOsungen ein elektrochemischer Vorgang ist, muss dafur die elektrochemische Ther­modynamik angewendet werden, in der neben den Grossen Druck, Tern­peratur, Aktivitaten bzw. Fugazitaten beteiligter Stoffe auch die Elek­trodenspannung bestimmend flir die Gleichgewichtseinstellung ist. Die Standardelektrodenspannungen und die elektrochemische Spannungsreihe (Bd. I, Kap. III.13 und 14) sind daher flir Korrosionsvorgange wesentlich.

Aus solchen thermodynamischen Dberlegungen kann man zwar schliessen, ob eine Korrosionsreaktion prinzipiell rnoglich ist, nicht aber, ob sie unter den gegebenen Verhaltnissen auch tatsachlich auftritt. In rnanchen Fallen kann man beobachten, dass Metalle, die entsprechend ihrem Standardpotential korrodieren sollten, nicht angegriffen werden, wahrend viel edlere Metalle stark korrodieren. Die Frage wird durch die Vielfalt der moglichen Angriffsmechanismen noch komplizierter. Die Korrosion des Eisens in beluftetem Wasser kann als Beispiel dienen. An den Reaktionen konnen zahlreiche Stoffe beteiligt sein : gelOste Stoffe (die Ionen H+,OH-, Ca2+, Fe2+ und Fe 3+, die gelOsten Gase CO2, O2 und H20 2 'IUS der Reduktion des gelOsten Sauerstoffs) und feste Stoffe [Fe(OH)2' Fe(OH)3' Fe 30 4, Fe20 3, CaC03]. Diese verschiedenen Stoffe reagieren sowohl chemisch als auch elektrochemisch miteinander und bilden so ein System, das nur ubersehen werden kann, indem man das Zusammenspiel aller Reaktionen in Betracht zieht. Die Anwendung graphischer Methoden gestattet das Studium der Gleichgewichte aller gleichzeitig ablaufenden chemischen und elektrochemischen Reaktionen.

Befriedigende Ergebnisse erhalt man mit einer graphischen Methode, die Diagramme chemischer Gleichgewichte verwendet: die Abszissen stellen den pH und die Ordinaten die Elektrodenspannungen dar. Diese Darstellung wurde von M. POURBAIX (27) entwickelt und systematisch angewandt. Man kann auf diese Weise die Bereiche der thermodynami­schen Stabilitat darstellen, indem man von den elektrochemischen Gleich­gewichten ausgeht, wie in Abb. VIII.2 fur Eisen in wassriger Losung bei 25 °C gezeigt wird. Die linke Seite dieser Diagramme bezieht sich auf saure Losungen, die rechte auf alkalische; im oberen Teil herrschen oxidierende, im unteren reduzierende Bedingungen. Die Linien a und b stellen die Veranderungen der Elektrodenspannungen der reversiblen

(27) M. POURBAIX, Thermodynamique des Solutions Aqueuses Diluees, These Delft, Beranger (1945) ; M. POURBAIX et al., Atlas d' Equilibres Electrochimiques, Gauthier-Villars, Paris (1963).

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88 Elektrometallurgie wiissriger Losungen

Wasserstoff- bzw. Sauerstoffelektrode bei 25 oC unter einem Partialdruck von I atm. als Funktion des pH dar. Diese Spannungen werden durch die in Fig. VIII.2 mit a und b beze ichneten Geraden und durck die Gleichungen

a usgedriickt.

Urev• O. = I,228 - 0,059I pH (V)

Urev. H • = 0,000 - 0,0591 pH (V)

+1.5 ?

3

-1.0 ® 4

II ?

3 5 7 9 11 13 15

Abb. VIlI.2. - pH-Spannungsdiagramm fUr Eisen. I, Korrosion; 2, Immunitiit; 3, Passivitiit. a) If.­Entwicklung bei p = I atm; b) O.-Entwicklung bei p = I atm.

(a)

(b)

1m Gebiet ausserhalb des von den Linien a und b eingeschlossenen Bereiches ist Wasser thermodynamisch instabil. Oberhalb von a wird Wasser zu Sauerstoff mit einem Druck von I atm. oxidiert; unterhalb von b wird es zu Wasserstoff mit einem Druck von I atm. reduziert. Zwischen a und b ist das Wasser unter Druck von I atm. thermodyna­misch bestandig und kann daher nicht elektrolytisch zersetzt werden.

Zieht man nun aIle Reaktionen, die zwischen metallischem Eisen, zweiwertigen und dreiwertigen Eisenionen und den erwahnten Oxidations­produkten eintreten k6nnen, in Betracht, so kann man fiir jede Reakt.~on in das U-pH Diagramm eine Reihe von Linien eintragen, die den An­derungen der Elektrodenspannung als Funktion des pH entsprechen; fiir jede Linie muss eine bestimmte Konzentration des ge16sten Eisens. angenommen werden.

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Korrosion und Passivitiit 89

Nun konnen folgende Hypothesen aufgestellt werden. Zunachst kann man die Passivierung des Eisens auf die Entstehung eines Fe20 3-

Films mit einem Loslichkeitsprodukt von etwa 10-42 zuriickfUhren (man vernachlassigt hier die Passivierung durch die Entstehung von Fe 30 4).

Darauf nimmt man naherungsweise an, dass das Eisen korrodiert wird, wenn seine Loslichkeit in der untersuchten Losung mehr als 10-6 Gramm­atom/Liter betragt (willkiirlich gewahlter Wert). So bleiben von allen moglichen Kurven nur die in Abb. VIII.2 dargestellten iibrig. Sie trennen sehr deutlich die Zonen, in denen die Korrosion moglich ist (Korrosions­bereiche) von denen, in denen keine Korrosion eintreten kann.

Das Auftreten von Korrosion ist in zwei Fallen unmoglich. In dem einen bildet das Metall selbst die thermodynamisch bestandige feste Phase (Immunitatsbereich oder kathodischer Schutzbereich), und aIle korrodierenden Reaktionen sind energetisch unmoglich. 1m anderen Fall (Passivierungsbereich) ist die bestandige feste Phase nicht mehr das Metall, sondern ein Oxid, ein Hydroxid, ein Hydrid oder ein Salz dieses Metalls. Diese Substanzen iiberziehen das Metall, und zwar entweder mit einem undurchlassigen Film, der jeden Kontakt mit der Losung aus­schlie sst (vollkommener Schutz), oder mit einem porosen Niederschlag (teilweiser oder unvollkommener Schutz). 1m letzteren Fall verhindert die Passivierung nicht, dass unter bestimmten Bedingungen Korrosionser­scheinungen auftreten konnen.

Die aus den theoretischen Korrosions-, Immunitats- und Passi­vierungsdiagrammen fUr Metalle und Metalloide von POURBAIX et al. abzuleitenden Aussagen stirn men mit den in der Praxis gemachten Beobachtungen iiberein. Voraussagen beziiglich der Wirksamkeit des Schutzes durch Passivierung sind jedoch wegen des nicht immer einfachen Mechanismus und wegen des Fehlens genauer Angaben iiber die Zusam­mensetzung und die thermodynamischen Eigenschaften der Schutzfilme nur schwer moglich. Trotzdem liefern diese Diagramme bei der elektro­chemischen Untersuchung der Korrosion viele niitzliche Informationen.

(II) Passivitiit (28)

Beim Studium der Korrosion versteht man unter Passivitat die Tatsache, dass ein Metall in einem bestimmten Milieu unangegriffen bleibt, obwohl der Obergang aus dem metallischen Zustand in das ent­sprechende Korrosionsprodukt mit einer erheblichen Abnahme der freien Reaktionsenthalpie verbunden ware.

Das bedeutet, dass ein bei einer Elektrolyse die Anode bildendes passives Metall auch dann nicht in Losung geht, wenn der Wert der Gleichgewichtselektrodenspannung fiir die Aufiosungsreaktion das er­warten liesse.

Die Passivitat kann ortlich begrenzt auftreten oder die gesamte betrachtete Oberfiache umfassen. Es handelt sich hier nicht urn eine

(28) Unter Mitwirkung von I. EPELBOIN und C. GABRIELLI.

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90 Elektrometallurgie wassriger Losungen

unvedinderliche charakteristische Eigenschaft des Elektrodenmetalls: viele Metalle kannen durch eine geeignete Behandlung passiviert, durch eine andere dagegen reaktiviert werden. Die Passivitat hangt nicht nur davon ab, ob es sich urn ein edles Metall handelt, sondern auch von den Lasungen und den Arbeitsbedingungen. Wesentlich ist auch der Zustand der Oberflache und die physikalisch-chemischen Eigenschaften der eventuell das Metall bedeckenden Schichten: z.B. chemische Beschaf­fenheit, Struktur, Art der Bindung, Grad der Bedeckung, Porositat, Leitfahigkeit. Zunachst kannen zwei Hauptarten der Passivitat unter­schieden werden: die mechanische Passivitat und die chemische Passivitat.

Die mechanische Passivitiit wird durch die Bildung eines gewahnlich unlaslichen, verhaltnismassig dicken und sichtbaren Schutzfilms auf der Elektrode gekennzeichnet. Dieser Film erhaht entweder durch einen ausschliesslich OHM-Effekt oder durch eine Konzentrationsuberspannung den Reaktionswiderstand gegenuber dem anodischen Angriff. 1m FaIle eines porasen Films wird das Metall nur zum Teil von der Lasung ge­trennt, so dass es sich hier nur urn einen dynamischen Schutz durch (anodische) Konzentrationsuberspannung handeln kann. Handelt es sich urn einen undurchlassigen und leitenden Film, so andert sich die Elektro­denspannung ebenso wie die des ungeschutzten Metalls. 1st der Film nicht nur undurchlassig, sondern ausserdem noch ein gutes Isoliermittel und bedeckt die Oberflache vollstandig, so wird die Elektrodenspannung vollkommen bedeutungslos.

Auf einem als Anode wirkenden Metall verringert der Film in jedem FaIle die fUr den Stromdurchfluss zur Verfugung stehende Elektro­denoberflache, so dass die effektive Stromdichte und somit die Uber­spannung sehr hoch werden kannen. Uberschreitet die effektive Strom­dichte den Wert des Grenzstroms, so nimmt die Uberspannung rasch zu, wahrend gleichzeitig die Gesamtstromstarke abnimmt und praktisch kein Anodenmetall mehr in Lasung geht, sofern aIle anderen Elektroden­vorgange durch Erreichen einer haheren positiven Elektrodenspannung unmaglich gemacht werden. Fur die Bildung des Films kommen zwei Mechanismen in Frage. Erstens kann ein Film leicht entstehen, wenn das Laslichkeitsprodukt schwerlaslicher Stoffe uberschritten wird. So bilden sich Oberflachenfilme durch Reaktion der bei der Metallauflasung entstehenden Kationen mit den in der Lasung vorhandenen Anionen. Da die Kationenkonzentration in der unmittelbaren Umgebung der Anode haher als in der ubrigen Lasung ist, kann das Laslichkeitsprodukt einer schwer16slichen Verbindung mit darauffolgender Abscheidung an der Anode hier leicht erreicht werden. Andererseits kannen Deckschichten auch durch Elektrophorese (s. Bd. I, Kap. VI) bereits vorhandener oder im Inneren der Lasung entstandener Kolloidteilchen entstehen.

Die mechanische Passivitat findet bei der Herstellung von Elektro­lytgleichTichtern (fUr kleine Leistungen) aus Aluminium Verwendung, da die Passivschicht von Aluminium dem Stromdurchfluss in der einen Richtung einen starken, in der anderen Richtung einen sehr viel geringeren Widerstand entgegensetzt.

Ausser ihrer Anwendung bei Gleichrichtern ist die mechanische

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Korrosion und Passivitii t 9 1

Passivierung durch anodische oder einfach chemische Oxidation als Schutzmittel fiir Aluminium und Aluminiumlegierungen von grosser technischer Bedeutung. Die Bildung schiitzender Oxidschichten auf Aluminium (die nach einem dazu ausgearbeiteten Verfahren manchmal als Eloxalschichten bezeichnet werden) kann nach dem ersten der beiden eben angefiihrten Mechanismen interpretiert werden. Das Aluminium geht durch anodische Auflosung in A13+ Ionen iiber und reagiert mit den vorhandenen Anionen unter Bildung der entsprechenden Salze. Das Loslichkeitsprodukt des Aluminiumsalzes wird sehr wahrscheinlich in nachster Nahe der Anodenoberflache iiberschritten : es scheidet sich ein Niederschlag des Salzes auf der metallischen Oberflache ab, wobei eine zunachst porose Schicht entsteht. Diese Schicht verringert die Anodeno­berflache sehr stark, so dass die Stromdichte und infolgedessen die Anodenspannung so weit zunehmen, dass die Anionen sich unter Sauer­stoffentwicklung zu entladen beginnen. Der so entstandene Sauerstoff reagiert unmittelbar mit dem Aluminium unter Bildung von Alumi­niumoxid. Zugleich nimmt infolge der hohen Stromdichte die Temperatur im Inneren der Schicht zu und die elektrolytische Zersetzung des Salzes und die teilweise Dehydratation des entstandenen Hydroxids werden gefordert. Die Entstehung der Eloxalschicht erklart, warum deren Zu­sammensetzung sich von aussen nach innen fortschreitend andert und auch von der Zusammensetzung des Elektrolyten abhangt. Der Bildungs­mechanismus erklart ebenfalls die ausserordentlich hohe Haftfahigkeit dieser Schicht.

Das wichtigste Kennzeichen der chemischen Passivitdt besteht darin, dass sie auf einigen Metallen, wie Eisen, Kobalt, Nickel, Chrom, durch Behandlung mit stark oxidierenden Mitteln (rauchende Salpeter­saure, Chromsaure, Permanganate) hervorgerufen werden kann, ohne eine sichtbare Veranderung der Oberflache des behandelten Metalls zu verursachen. Eine Elektrode aus aktivem Eisen wird z.B. durch Eintau­chen in rauchende HN0 3 passiviert. Das Metall wird dadurch in Sauren unloslich, kann die Kationen edlerer Metalle nicht aus ihren Losungen verdrangen und kann sich als Anode bei der Elektrolyse von verdiinnten Sauerstoffsauren nicht auflosen. Als einziger Vorgang an der Elektrode findet die Entladung der OH - Ionen statt. Es ist jedoch keine Film­bildung an der Oberflache sichtbar, die blank und augenscheinlich un­verandert bleibt.

Auf manchen Metallen (Fe, Co, Ni, Cr, Mo, W, V, Ru) kann die chemische Passivitat auch durch einfachen Kontakt mit der Luft, d.h., mit Sauerstoff, erreicht werden.

Schliesslich ist die durch eine anodische Behandlung hervorgerufene elektrochemische Passivitdt zu besprechen. Da eine anodische Belastung einer starken Oxidation entspricht, kann geschlossen werden, dass die chemische und elektrochemische Passivitat sich nur durch ihren Ursprung unterscheiden. Die elektrochemische Passivierung kann mit Hilfe von Stromdichte-Elektrodenspannung-Diagrammen, wie das in Abb. VIII.3 gezeigte, leicht verfolgt werden.

C. GABRIELLI hat in seiner Dissertation (1973) gezeigt, dass bei

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9 2 Elektrometallurgie wassriger Losungen

der Untersuchung der Passivierung die Verwendung einer rotierenden Scheibenelektrode zur Lasung des Problems des Stoff transports und eine entsprechende Regulierung der Elektrodenspannung unerlasslich sind. Mit Hilfe eines Potentiostaten kann man die in Abb. VIII.3A dargestellte Strom-Spannungskurve erhalten. Bei geringen Stromdichten ist die

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Abb. VIII.3. - Strom-Spannungskurven einer rotierenden Schei­benelektrode aus Eisen in I M Schwefelsaure (Elektrodendurch­messer 5 mm, Drehgeschwindigkeit 750 Umdrehungen/min) (20) (A) po­tentiostatische Kurve; (B) Kurven bei Verwendungeiner Stromquelle mit negativer Ausgangsimpedanz.

Anode aktiv und das Metall lOst sich auf; erhaht man die Anodenspan­nung, so nimmt die Stromdichte stetig zu (a-b), bis sie eine bestimmte, durch die Diffusion der reagierenden Stoffe begrenzte Hahe (b-d) erreicht. Bei der Spannung Up nimmt der Strom platzlich bis auf einen sehr niedri­gen Wert ab (d-e). Wird die Spannung weiter erhOht, so nimmt die Stromdichte nUT sehr langsam zu (e-h) (als ob es sich urn einen Reststrom

(29) EPELBOIN, C. GABRIELLI, M. KEDDAM, ]. C. LESTRADE und H. TAKE­

NOUTI, ]. Electrochem. Soc. t t 9 (r972) r632.

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Korrosion und Passivitat 93

handelte), bis jenseits eines bestimmten Wertes ein neuer Anodenvorgang (im allgemeinen die Entladung von Anionen) einsetzt. Von diesem Punkt an nimmt die Stromdichte von neuem stetig zu.

Soba1d das Maximum der Stromdichte iiberschritten ist, wird das. Anodenmetall praktisch un1oslich, d.h. passiv, und verhalt sich wie eine inerte E1ektrode. Verringert man nun schrittweise die Anoden­spannung, so nimmt das Diagramm einen anderen, namlich den durch Pfei1e angegebenen Verlauf. Dabei wird das Metall von neuem aktiv, und zwar bei einer Anodenspannung (U A), die niedriger 1iegt a1s die Elek­trodenspannung des Maximums der Stromdichte bei zunehmender An­odenspannung. Der Verlauf des Diagramms bei abnehmender E1ektroden­spannung ist flir chemisch, e1ektrochemisch oder mechanisch passivierte E1ektroden der gleiche. Eine passive Eisenelektrode z.B. wird von neuem aktiv, wenn sie bei hinreichend hoher Temperatur einer kathodischen Behand1ung in einer Natron1augelOsung unterzogen wird oder ihre Ober­Hache abgeschliffen wird. Alle diese Tatsachen zeigen, dass es sich bei der Passivierung urn eine e1ektrochemische Erscheinung handelt, an der nur die OberHache des Metalls beteiligt ist.

Die Verwendung der neuen Stromquellen mit negativer Ausgangsim­pedanz ermoglicht die Aufnahme der Kurve in Abb. VIII.3B. Das mit Hilfe eines Potentiostaten, der, ohne diese spezielle Stromquelle, zur Untersuchung der Passivierung ungeeignet ist, beobachtete Verhalten kann so erk1art werden. Die Unterbrechung der potentiostatischen Regel­ung in den Punkten d und f (Diagramm A) weist auf eine Umschaltung (d-e und f-b), hin wahrend die Kurve im Tei1diagramm B zeigt, dass. sich der Dbergang des Eisens aus dem aktiven in den passiven Zustand in Wirklichkeit stufen10s vollzieht.

Das Vorhandensein derartiger Charakteristiken mit mehrfachen stationaren Zustanden, in denen einer Spannung drei Strome entsprechen, konnte z.B. von C. GABRIELLI und M. KEDDAM durch die Kopp1ung eines Aktivierungs-/Passivierungsmechanismus mit der Diffusion eines. passivierenden Stoffes erk1art werden (30).

Die Passivierung eines gegebenen Metalls hangt von verschiedenen Faktoren abo Sofern es sich nicht urn ein amphoteres Metall handelt. kann eine Erhohung des pH die Passivierung er1eichtern. Die Anionen der Sauerstoffsauren (N0 3 -, C104-, Cr04 2-, P04 3-) haben eine ahnliche Wirkung, wahrend Ha1ogenidionen und Reduktionsmitte1 die Passivierung hemmen. Eine Temperaturerhohung hindert das Auftreten des passiven Zustands, eine Temperatursenkung hat die entgegengesetzte Wirkung.

Zahlreiche Theorien wurden zur Erklarung der Passivierung auf­gestellt, von denen jedoch keine eine vollstandige und befriedigende Deutung aller ihrer Erscheinungsformen bietet. Sie konnen auf zwei grund1egende Theorien zuriickgefiihrt werden: die (verallgemeinerte) Deckschichttheorie und die Theorie der elektronischen Konfiguration.

(30) C. GABRIELLI und M. KEDDAM, ]. Electroanal. Chem. Interfacial Elec­trochem. 45 (1973) 267.

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94 Elektrometallurgie wassriger Losungen

Die Deckschichttheorie beruht auf der ersten Hypothese FARADAYS uber die Passivierung des Eisens in Salpetersaure durch die Entstehung eines Oxidfilms. Nach entsprechender Verallgemeinerung haben diese Uberlegungen zur heutigen Theorie gefuhrt, die von U. R. EVANS (31), E. S. HEDGES (32), S. GLASSTONE (33), R. B. MEARS (34) und anderen verschieden formuliert wurde. Nach dieser Theorie kann die Passivierung in den meisten, wenn nicht in allen, Fallen direkt oder indirekt auf eine Passivschicht zuruckgefiihrt werden, die nicht unbedingt aus Oxiden bestehen muss. Tatsachlich tritt Passivitat nur unter oxidierenden Bedingungen auf, und die Oberflache der passiven Elektrode reflektiert das polarisierte Licht nicht in gleicher Weise wie aktive Elektrodenoberflachen. Diese Beobachtung macht das Vorhandensein einer uberaus dunnen Oxidschicht auf der Elektrodenoberflache sehr wahrscheinlich. Nach den neuesten Theorien der Passivierung findet jedoch z.E. im Falle des Eisens zuerst die Adsorption von Hydroxylionen statt (35), die zu den passivierenden Verbindungen Fe(OH)2 und Fe(OH)3 fiihrt, die den Stromabfall verursachen. Erst eine Neustrukturierung dieser Schicht bildet einen oxidahnlichen Film.

Der Nachweis des Vorhandenseins sehr dunner Eisen(III)oxidfilme auf passivem Eisen durch geeignete Auflasung der metallischen Unterlage ist ein weiterer schlussiger Beweis. Eine passive Eisenelektrode kann auch durch kathodische Behandlung in einer Salpetersaurelasung aktiviert wer­den. Man verwendet dazu kurze Impulse mit einer Ladungsdichte in der Grassenordnung von IO-4 Coulomb cm-2, was der zur Reduktion einer monomolekularen Oxidschicht notwendigen Elektrizitatsmenge entspricht. Eisen kann ausserdem von neuem aktiviert werden, indem man es mit konzentrierter Natronlauge bei der Temperatur, bei der das Eisen(III)hy­droxid sich aufzulOsen beginnt, behandelt. Molybdan und Wolfram, deren Oxide noch starker sauer sind, bleiben in alkali scher Lasung aktiv, werden dagegen in saurer Lasung leicht passiv. Das Vorhandensein von adsorbiertem Sauerstoff verhindert die Elektronenemission von gluhen­dem Wolfram (stark blockierter thermo-ionischer Effekt). Diese Filme aus adsorbiertem Sauerstoff reagieren selbst bei einer Temperatur von I200 oC nicht mit Wasserstoff, weil wahrscheinlich die Sauerstoffwertig­keiten durch die Atome der Wolframoberflache vollkommen gesattigt sind. Die photoelektrische Emission der Oberflache eines passiven Metalls ist ebenfalls erheblich schwacher als die des gleichen Metalls im aktiven Zustand.

(31) U. R. EVANS, Metallic Corrosion, Passivity and protection, E. Arnold, London (1937).

(32) E. S. HEDGES, Protective Films on Metals, van Nostrand, New York (1937) .

(33) S. GLASSTONE, Textbook of Physical Chemistry, van Nostrand, New York (1940).

(34) R. B. MEARS, Trans. Electrochem. Soc. 77 (1940) 288. (35) ].O'M. BOCKRIS, M. A. GENSHAW, V. BRUSIC und H. WROBLOWA,

Electrochim. Acta, 16 (1971) 1859.

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Korrosion und Passivitat 95

Aus diesen Beobachtungen hat sich die sogenannte katalytische Theo­rie ergeben, nach der die Ionisation der MetaIlatome durch den (entweder als bestimmtes Oxid oder als adsorbierter Film auftretenden) Sauerstoff stark verzogert wird. Das Oxid oder der adsorbierte Film reagieren entweder selbst, durch negative Katalyse des Vorgangs, oder durch Ausschaltung eines positiven Katalysators. Bei letzterem konnte es sich urn Wasserstoff in Form von mehr oder weniger labilen Hydriden, urn einen adsorbierten Film oder sogar urn im Metall ge16sten Wasserstoff handeln. Die Moglichkeit der Rtickkehr in den aktiven Zustand durch reduzierende chemische Behandlungen oder durch kathodische Strom­belastung bildet eine weitere Bestatigung dieser Theorie.

Verschiedene V ersuche, die zahlreichen Theorien der Passi vi tat auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, haben die Theorie der elek­tronischen Konfiguration ergeben. Diese Theorie beruht auf den erst en qualitativen Ideen von A. RUSSEL (36), R. SWINNE (37) und U. SBORGI (38) tiber die Beziehung zwischen den Elektronenkonfigurationen der Metall­atome und der Passivitat und wurde von H. UHLIG (39) quantitativ fUr Legierungen formuliert und verallgemeinert. Ihre Grundlage bildet die Beobachtung, dass die elektrochemisch aktiven Metalle - es handelt sich urn Metalle und ihre Legierungen, die durch Passivierung Eigen­schaften annehmen, die thermodynamisch edleren Metallen entsprechen­grosstenteils Dbergangsmetalle sind. Metallatome wie Cr, Ni, Co, Fe, Mo und W haben eine unvollstandig aufgefUllte d-Elektronenschale unterhalb der Schale der Valenzelektronen. Entsprechend der Elektronentheorie neigen unvollstandig besetzte Elektronenschalen dazu, sich mit Elek­tronen aufzufUllen. Der passive Zustand entspricht den unvollstandigen Schalen, der aktive den mit Elektronen gefUllten Schalen. Die Adsorption von Sauerstoff oder oxidierenden Substanzen auf der metallischen Ober­flache lasst das Metall passiv werden, da solche Elektronenakzeptoren Elektronen aus den Atomen dey Metalloberflache anziehen. Geloster Wa­sserstoff und einige Legierungsbestandteile liefem allerdings Elektronen und begtinstigen so die EinsteIlung des Aktivzustands.

Nach dieser Theorie wird im FaIle des rostfreien Stahls das Eisen durch das Vorhandensein von Chrom, das von Natur aus stark zur Auf­nahme von Elektronen neigt, passiviert. Diese Auffassung sttitzt sich auf folgende Beobachtung : wahrend bei der anodischen Auflosung von akti­vern Eisen Fe 2+ Ionen entstehen, ergibt die anodische Auflosung von rostfreiem Stahl, dessen Eisen passiv ist, Fe3+ Ionen, d.h. Ionen, die ein Elektron weniger aufweisen. Schliesslich kann die Passivierung des Eisens in Salpetersaure als das Ergebnis der Entstehung einer Oxidschicht angesehen werden, aber nur wenn diese Schicht, die sehr stark an die Metalloberflache gebunden ist, Elektronen aufnehmen kann.

(36) A. RUSSEL, Nature, 115 (1925) 455. (37) R. SWINNE, Z. Electrochem. 31 (1925) 422. (38) U. SBORG1, Atti Lincei, 6 [IJ (1925) 315. (39) H. H. UHLIG, Trans. Electrochem. Soc. 85 (1944) 307.

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96 Elektrometallurgie wassriger Losungen

(III) Schutzmethoden

Die Schutzmethoden konnen allgemein danach eingeteilt werden, ob die physikalisch-chemischen Eigenschaften des Metalls oder des korrodierenden Mediums verandert werden oder eine aussere Spannungs­quelle den Schutz bewirkt.

Die erste Gruppe umfasst die Kontrolle der wesentlichen Charakte­ristika des Metalls (Reinigung, Homogenisierung, Fertigung) sowie die Methoden, bei denen die Oberflache des Metalls mit anderen Metallen (durch Walzen, Galvanostegie, Eintauchen in geschmolzene Metalle) oder mit nichtmetallischen Stoffen (durch chemische oder elektroche­mische Reaktion, Oxidation, Farbanstrich, Plastikbezug, Emaillieren, Keramik) tiberzogen wird. Das effektive Korrosionsvermogen des Mediums kann durch Zusatz hemmender oder passivierender Substanzen kontrol­liert werden. Andere Moglichkeiten der Beeinflussung sind z.B. die Re­gulierung der Beltiftung, des pH, der Art der vorhandenen Ionen (Was­seraufbereitung), die Beseitigung galvanischer Kontakte, die Vermeidung von Schaumbildung (bei der eine differentielle Beltiftung auftritt).

Zur zweiten Gruppe gehoren die verschiedenen Schutzmethoden gegen die durch vagabundierende elektrische Strome verursachte Kor­rosion: man erhoht den ohmschen Austauschwiderstand zwischen dem Material und der korrodierenden Losung oder versucht den vagabun­dierenden Strom abzuleiten. Schliesslich zahlt man zu dieser Gruppe die Schutzmethoden, die auf dem Einfluss kontrollierter Strome beruhen: den kathodischen Schutz (durch einfache Kopplung mit unedleren Anoden oder Aufzwingen ausserer Strome) und den anodischen Schutz, die den passiven Zustand ford ern bzw. erhalten.

Die zahlreichen Arten nichtmetallischer Uberztige wirken im wesent­lichen durch die mehr oder weniger vollkommene Abschirmung gegen das korrodierende Medium. Ein solcher Korrosionsschutztiberzug muss nattirlich nicht nur gegen die ihn bertihrende Losung bestandig sein, sondern auch gut an der metallischen Unterlage haften, dicht sein und eine gentigende mechanische Festigkeit haben.

Metallische Schutztiberztige mtissen im wesentlichen die gleichen Eigenschaften aufweisen. Die Art der Schutzwirkung hiingt jedoch da­von ab, ob das Metall der Schutzschicht edler oder unedler als das Metall der Unterlage ist. 1m ersten Fall, namlich bei einem kathodischen Uberzug (Zinn auf Eisen), besteht die Schutzwirkung ausschliesslich in der Kor­rosionsbestandigkeit des Metalls, das den Uberzug bildet ; die Deckschicht muss vollig dicht sein. Hat dieser Uberzug eine undichte Stelle, an der das Grundmetall freigelegt wird, so entsteht an diesem Punkt ein Lokal­element, dessen negativer Pol das Metall der Unterlage ist, das dadurch an dieser Stelle viel starker korrodiert als ohne Schutztiberzug. 1st das Schutzmetall unedler als seine Unterlage (z.B. Zink auf Eisen, so wirkt diese anodische Deckschicht, sofern sie unbeschadigt ist, in der gleichen Weise wie ein kathodischer Schutztiberzug. Wird jedoch das Unter­lagenmetall an einer Stelle freigelegt, so tibt der Schutztiberzug durch einen elektrochemischen Effekt seine Schutzwirkung auch weiter aus.

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Korrosion und Passivitat 97

In diesem Falle bildet das Metall des Uberzuges den negativen Pol eines galvanischen Lokalelementes und wird daher anodisch korrodiert, wahrend das Grundmetall nicht angegriffen wird. Die zur Rerstellung kathodischer Schutztiberztige am besten geeigneten Metalle sind hart und daher abrieb­fest, so dass weniger Gefahr einer Freilegung der Unterlage besteht; ausserdem lassen sie sich leicht passivieren (Cr, Ni).

Der Schutz durch Bildung einer Oxidschicht durch anodische oder einfach chemische Oxidation wird im besonderen ftir Aluminium und bestimmte Aluminiumlegierungen verwendet. Es gibt zahlreiche indu­strielle Verfahren zur anodischen Oxidation des Aluminiums. Als Elektro­lyte werden dabei H2Cr04 , HN0 3, H2S04, (COOR)2' mit oder ohne Zusatzmittel, bei Gleichstrom, Wechselstrom oder einer Kombination aus beiden verwendet. Die Eigenschaften dieser durch anodische Oxi­dation erhaltenen Schichten hangen nicht nur von der Zusammensetzung des Elektrolyten, sondern auch yom Metall der Unterlage, dessen Vor­behandlung, der Stromdichte und der Temperatur abo Die Dicke dieser Schicht liegt im allgemeinen zwischen O,IO und 0,030 mm ; in bestimmten Fallen kann sie 0,6 mm erreichen. Entsprechend der Dicke und den anderen Bedingungen konnen die Schichten hart und sprod sein (dicke Schichten) oder dtinn und flexibel, so dass sie plastisch verformt werden konnen. Sie sind sehr temperaturbestandig und konnen bis zum Schmelz­punkt des Aluminiums (660°C) erhitzt werden, ohne sich chemisch zu verandern. Diese Eigenschaften garantieren nicht nur einen guten Kor­rosionsschutz, sondern erlauben auch die Verwendung dieser Schichten als thermische und elektrische Isolatoren, Gleichrichter, Schutztiberztige gegen Abrieb. Ausserdem konnen diese Schichten dank ihrer Porositat und ihrer Absorptionsfahigkeit mit verschiedenen Stoffen getrankt und so flir die bereits genannten Verwendungen noch wirksamer gemacht, oder zu Dekorationszwecken eingefarbt werden.

Eine typische Schutzmethode durch rein chemische Oxidation ist der M.B.V.-Prozess. Dabei wird das aus Aluminium oder einer Alumi­niumlegierung bestehende Werksttick in einem durch Natriumhydroxid stark alkalisch gemachtes Chromatbad gekocht. Beim Angriff des Alumi­niums durch das Alkali entsteht atomarer Wasserstoff, der die CrO,,2-Ionen zu Cr3+ reduziert. Diese werden durch die tiberschtissigen OR­Ionen in Form eines am Werksttick haftenden Chromhydroxidfilms ausgefallt. Wegen der hohen Temperatur ist diese Fallung teilweise dehydratisiert. Die Schutzschicht besteht aus dem Oxid Cr20 3 . Korro­sionsschutzverfahren durch Oberflachenoxidation sind auch ftir Zink, Magnesium, Eisen und Stahl ausgearbeitet worden.

Bei den auf einer Beeinflussung des Mediums beruhenden Methoden ist die Bedeutung der Inhibitoren zu erwahnen, die in der chemischen, Erdol und petrochemischen Industrie weite Verbreitung gefunden haben. Als Inhibitoren bezeichnet man alle Stoffe, die, in kleinen Mengen kor­rodierenden Losungen zugesetzt, den Korrosionsvorgang chemisch oder physikalisch hemmen. Sie wirken auf die Anoden- oder Kathodenober­fiachen, oder auf beide zugleich, ein und setzen die Korrosionsgeschwin­digkeit des Metalls erheblich herab. Obwohl diese Stoffe nur schwer nach

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98 Elektrometallurgie wassriger Losungen

der Art ihrer Wirkung eingeteilt werden konnen, ist es immerhin moglich, die chemisch aktiven Mittel von den filmbildenden Mitteln und den oligen Inhibitoren zu unterscheiden.

Die Wirkung der chemisch aktiven Mittel (z.E. Chromate, Nitrite, Polyphosphate, Molybdate, Wolframate flir Eisen) kann stets auf eine der beiden folgenden Eigenschaften zuriickgefiihrt werden. Entweder reicht ihr Oxidationsvermogen aus, urn die Elektrodenspannungen aller Stellen der Metalloberflache in die durch das entsprechende chemische Gleichgewichtsdiagramm definierte Passivierungszone zu iiberfiihren und so die Passivierung hervorzurufen; oder sie bewirken durch Reaktion oder Reduktion des Inhibitors die Entstehung fester Stoffe, die unter den Verwendungsbedingungen des Materials thermodynamisch bestan~ dig sind.

Die filmbildenden Mittel, die im besonderen zum Schutz gegen Saureangriff verwendet werden, sind meist organische, Schwefel oder Stickstoff enthaltende Verbindungen. Sie werden an der Oberflache des Metalls an anodischen oder kathodischen Bereichen adsorbiert und bilden einen monomolekularen Film, der das Metall vom korrodierenden Medium elektrochemisch isoliert oder die Uberspannung des kathodisch gebildeten Wasserstoffs erhoht.

Die oligen Inhibitoren oder loslichen Ole sind oberflachenaktive Substanzen, die, wenn man sie in kleinen Mengen wassrigen Losungen zusetzt, stabile Emulsionen von 01 in Wasser bilden und die korrodierende Wirkung stark herabsetzen. Das emulgierte 01 wirkt zumindest teilweise als filmbildender Inhibitor, da ein diinner Olfilm an der Metalloberflache adsorbiert wird.

Als Schutzmethode, die auf der Kontrolle der ausseren elektrischen Spannungsquellen beruht, wird heute der kathodische Schutz in der ganzen Welt angewandt, urn die Korrosion grosser Objekte, die sich unter Wasser oder unter der Erdoberflache befinden, zu verhindern. Diese Methode wurde urspriinglich zum Schutz unterirdischer Objekte gegen vagabundierende Strome verwendet. Sie fand rasch weite Ver­breitung zum Schutz von Metallkonstruktionen beliebiger Form gegen spontane Korrosion (Korrosion unter Abnahme der freien Enthalpie des Systems). Die Immunisierung eines Metalls besteht in der Herstellung thermodynamisch stabiler Bedingungen fill dieses Material, d.h. von Bedingungen, denen im elektrochemischen Gleichgewichtsdiagramm die immune Zone entspricht (Abb. VIII.2). Da diese Zone gewohnlich un­terhalb des Korrosionsbereichs liegt, kann man ein Metall immunisieren, indem man seine Elektrodenspannung durch Aufpragung eines katho­dischen Stroms so we it senkt, dass sie im Immunbereich liegt.

Die niedrigste, zum kathodischen Schutz des Metalls erforderliche Elektrodenspannung hangt von der Zusammensetzung des Milieus, dem pH und der Temperatur abo Bei manchen Metallen und Legierungen muss die Elektrodenspannung genau geregelt werden, urn eine kathodi­sche Korrosion zu vermeiden. So k6nnen z.B. Blei und Zinn bei zu nega­tiver Elektrodenspannung durch Gasbildung angegriffen werden (Ent­wicklung gasf6rmiger Hydride) ; zahlreiche andere Metalle k6nnen feste

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Korrosion und Passivitat 99

Hydride bilden. Manche Metalle werden durch die Hydridbildung spr6d und zerfallen schliesslich. Bei rostfreien Stahlen und passiven Legie­rungen kann durch Anlegen eines reduzierend wirkenden Kathodenstroms die Passivitat zerst6rt oder zumindest ihre Fortdauer gehemmt werden; bei zu wenig negativer Elektrodenspannung wird nun das Material dem Angriff durch das korrodierende Medium ausgesetzt.

Abgesehen von diesen durch ihre Natur bedingten Einschrankungen ist die kathodische Schutzmethode ohne Zweifel heute die vorteilhafteste. Sie ist ein voIlkommener Schutz, da sie die korrodierende Wirkung zur Ganze aufhebt und nicht nur verlangsamt. Ausserdem bietet sie den grossen Vorteil einer einfachen Kontrolle der Schutzwirkung an allen Stellen des geschiitzten Objekts durch einfache Messungen und eventuelle Aufzeichnung der Elektrodenspannungen. Auf diese Weise kann auch die angelegte Spannung automatisch geregelt werden.

Schliesslich soIl noch die Verwendung von Korrosionsvorgangen zu praktischen Zwecken erwahnt werden, wobei die unterschiedliche Kor­rosionsgeschwindigkeit verschiedener Stellen der Metalloberflache, die auf unterschiedliche Zusammensetzung oder auf mechanische Bear­beitung zuriickgeht, ausgeniitzt wird. Ein Beispiel dafiir sind die Atzme­thoden zur Herstellung metallographischer Praparate.

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KAPITEL IX

NICHTMETALLURGISCHE ELEKTROLYTISCHE VERFAHREN

von P. GALLONE (1) und G. MILAZZO

A. ELEKTROLYSE DER ALKALIHALOGENIDE (2)

A.t. Grundlegende Reaktionen

Die erste industrielle Anwendung der Elektrochemie war die Elek­trolyse der Alkalihalogenide. Dieses Verfahren wurde noch vor der Erfindung des Dynamos (PACINOTTI, 1860) angewandt, als grossere ElektrizWitsmengen ausschliesslich in Form von Gleichstrom aus gal­vanischen Elementen verfiigbar waren.

Das erste Patent fiir die industrielle Herstellung von Natronlauge durch Elektrolyse von Natriumchlorid wurde im Jahre 1851 erteilt. Seitdem ist mehr als ein J ahrhundert vergangen, wahrenddessen diese Industrie grosste Bedeutung erlangt hat. Der Grund dafiir ist nicht nur die Vielfalt der Produkte (Wasserstoff, Alkalihydroxide, Chlor, Hypochlorite, Chlorate und Perchlorate), die mit verhaltnismassig ein­fachen Verfahren und Anlagen sehr rein hergestellt werden konnen. Auch der Wert dieser Produkte ist gestiegen, da einige von ihnen anderen chemischen Industrien als Rohstoff dienen. Ihre J ahresproduktion nimmt daher immer rascher zu. Die wirtschaftliche Bedeutung dieser Techno-

(1) Technische Hochschule, Mailand, Italien. (2) Eine ausgezeichnete Zusammenfassung der Situation und der Mog­

lichkeiten der Elektrolyse der Alkalihalogenide wurde anliisslich einer Kon­ferenz der Gruppe «Angewandte Elektrochemie» der Deutschen Chemischen Gesellschaft, 5. und 6. Oktober 1961, gegeben und im Maiheft 1962 der Zeit­schrift Chemie-Ingenieur-Technik veroffentlicht. Siehe auch die Hefte Juni 1967. Juni 1968, Februar 1971.

Page 114: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Grundlegende Reaktionen 101

logie liisst sich auch aus der grossen Anzahl der einschlagigen wissen­schaftlichen Arbeiten und der zahlreichen auf diesem Gebiet erteilten Patente ermessen. Die grosse Auswahl an verschiedenen Elektrolysezellen ist ein Beweis fUr die laufende Forschungstatigkeit, die eine Verbesserung der Leistung und damit eine ErhOhung der Rentabilitat anstrebt.

Zu Beginn dieses Buches wurde bereits auf die Unmoglichkeit hingewiesen, eine vollstandige Darstellung der neuesten technischen Entwicklungen zu bieten. Dies trifft in besonderem Ausmass fUr diesen Teil des Textes zu. Wegen der grossen Anzahl industrieller Verfahren, die auf der Elektrolyse der Alkalihalogenide beruhen, ist es unmoglich, jede einzelne Elektrolysezelle eingehend zu beschreiben. Die grundle­genden Prinzipien sollen dagegen hervorgehoben werden, da sich die verschiedenen Modelle in den meisten Fallen eher durch ihre Bauweise als durch ihre Grundlagen unterscheiden.

Da man aus dem gleichen Ausgangsprodukt, namlich einem Alka­lihalogenid, durch einfache Veranderungen der Arbeitsbedingungen sehr viele verschiedene Produkte erhalten kann, miissen die Hauptreaktionen offensichtlich von einer Vielzahl von Nebenreaktionen begleitet werden. Das Eintreten dieser Nebenreaktionen hangt von den besonderen Bedin­gungen der Elektrolyse abo

Die bei der Elektrolyse eines Alkalihalogenids eintretenden Reak­tionen sind prinzipiell gleich und von der Art des Alkalimetalls und des Halogenids unabhangig. Aus diesem Grund solI im folgenden das Natrium­chlorid behandelt werden, da es bei weitem der wichtigste Rohstoff fUr derartige Elektrolyseverfahren ist. In einer wassrigen NaCl Losung sind stets die Ionenarten Na+, H+, Cl- und OH- vorhanden. An der Kathode sind die Kationen, die die positivste Elektrodenspannung aufweisen, an der Hauptreaktion beteiligt. Die Standardelektroden­spannung der Reaktion H2 ~ 2 H+ + 2 e- betragt 0,000 V. Die Elek­trodenspannung der Wasserstoffelektrode ist in einer neutralen (pH = 7) Losung nach der NERNST Gleichung urn den Betrag 7 X 0,059 V negativer und betragt (bei 25 oC) -0,41 V.

Da die Standardelektrodenspannung der Reaktion N a ~ N a + + e­gleich -2,71 V ist, miisste man, urn eine gleichzeitige Entladung der H + und N a + Ionen zu erreichen, die Konzentration der N a + Ionen so lange erhohen, bis die Elektrodenspannung der N atriumelektrode gleich der Elektrodenspannung der Wasserstoffelektrode ware. Sie miisste der Beziehung

-OAl = -2,71 + 0,059 log [Na+]

entsprechen, in der der Einfachheit halber die Aktivitaten den entspre­chenden Konzentrationen gleichgesetzt werden, da durch diese Dber­legungen nur die Grossenordnungen abgeschatzt werden sollen. Die aus dieser Gleichung berechnete Na+ Konzentration erreicht mit etwa 1039

Grammaquivalent pro Liter einen absurd hohen Wert. Selbst bei Beriick­sichtigung der Wasserstoffiiberspannung auf Eisen (dem gewohnlich bei diesem Verfahren verwendeten Kathodenmaterial) kann demnach die

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102 Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

tatsachliche Elektrodenspannung nie SO weit erhoht werden, dass eine Abscheidung von metallischem Natrium eintritt. Es findet daher nur Wasserstoffentwicklung statt, wenn nicht durch besondere Vorkehrungen die Abscheidungsspannung der H + Ionen negativer als die der N a + Ionen gemacht werden kann. Dies ist bei Verwendung einer Quecksilberkathode der Fall. Der Wasserstoff zeigt hier eine sehr starke Dberspannung, wahrend die Abscheidungsspannung der N a + Ionen infolge der Amalgam­bildung positiver wird (s. Bd. I, Kap. III.S).

Die gleichen Dberlegungen gelten flir den Vorgang an der Anode. Die Standardelektrodenspannung der Sauerstoffelektrode betragt +o,{o V; dies bedeutet, dass in neutraler Losung die Gleichgewichtselektroden­spannung gleich +0,81 V ist. Andererseits ist die Standardelektroden­spannung der Chlorelektrode +1,36 V. Aus diesem Grunde konnte man eine gleichzeitige reversible Entladung der beiden Ionenarten bei pH 7 erreichen, wenn die Konzentration der Cl- Ionen derart erhoht werden konnte, dass sie der Gleichung

1 0,81 = 1,36 + 0,059 log [Cl-J-

entsprache; die Gleichung ergibt etwa 109 GrammaquivalentfLiter. Die Abscheidungsspannung des OH - Ions ist jedoch in der Praxis

erheblich hoher als der hier eingesetzte Wert, der dem Gleichgewicht entspricht. Dies ist hauptsachlich auf die Tatsache zuriickzufiihren, dass die zur Entladung des OH - Ions benotigte Dberspannung viel hoher als die des Cl- Ions ist, obwohl sie durch Elektroden auf Kohlenstoff oder Graphit vermindert werden kann. Demzufolge werden an der Anode bevorzugt Cl- Ionen und nur eine ganz geringe Menge OH- Ionen entladen. Daher ist die Chlorentwicklung sehr viel starker als die Sauer­stoffentwicklung, wenn auch das erzeugte Chlor durch Sauerstoffspuren verunreinigt ist. Auch ein bestimmter Prozentsatz an CO2 aus der Oxi­dation des Anodenmaterials kann als Verunreinigung im Chlor vorhan­den sein.

A.2. Herstellung von Atznatron und Chlor: Theorie

Die Hauptreaktion an einer, nicht aus Quecksilber bestehenden, Kathode ist die Entladung der durch die Dissoziation des Wassers ent­standenen H + Ionen. Fiir jedes als Gas freigewordene Wasserstoffaqui­valent bleibt ein Hydroxylionenaquivalent in der Losung zuriick und ergibt mit den vorhandenen Na+ Ionen die gewiinschte Natronlauge.

Die OH - Ionen, deren Konzentration im Kathodenbereich nach und nach zunimmt, wandern unter dem Einfluss des elektrischen Feldes und des Konzentrationsgradienten zur Anode. Sobald die Hydroxylionen den Anodenbereich erreicht haben, losen sie verschiedene Nebenreaktionen aus. Diese Wanderung ist moglichst zu vermeiden, da sie die Ausbeute an Natronlauge und Chlor verringert.

Page 116: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Herstellung von Atznatron und Chlor; Theorie 103

Das bei der anodischen Primarreaktion freigewordene Chlor lost sich teilweise im Wasser auf und reagiert nach folgender Gleichung:

(IX.A.2.I)

Setzt man eine konstante Konzentration des Wassers voraus, so ist die Gleichgewichtskonstante dieser Reaktion bei 25 °C :

(IX.A.2.2)

wobei [C12] die Konzentration des gelosten Chlors bezeichnet. Die Gleichung (IX.A.2.2) zeigt, dass jede Erhohung der Konzentration der Cl- lonen, ohne Veranderung der iibrigen Bedingungen, eine Abnahme der Kon­zentration der unterchlorigen Saure hervorruft. Ausserdem nimmt mit zunehmender lonenkonzentration auch die Loslichkeit des elementaren Chlors abo

Die bei der Reaktion (IX.A.2.I) gebildete unterchlorige Saure ist eine schwache Saure, die wie folgt dissoziiert :

HClO ~ H+ + ClO- (IX.A.2·3)

Die Dissoziationskonstante dieser Reaktion bei 25 oC ist gleich

[H+] [ClO-] [HClO] ~ 4,4 X 10-8 (IX.A.2-4)

Die bei (IX.A.2.I) und (IX.A.2.3) entstandene unterchlorige Saure und ClO- lonen reagieren chemisch unter Bildung von Chlorat:

2 HClO + ClO- ~ Cl03- + 2 H+ + 2 Cl- (IX.A.2·5)

Durch Kombination der Reaktionen (IX.A.2.I), (IX.A.2.3) und (IX.A.2.5) erhalt man:

3 C12 + 3 H 20 ~ Cl0 3- + 6 H+ + 5 Cl- (IX.A.2.6)

Die Gleichgewichtskonstante dieser Reaktion bei 25 oC ist

(IX.A.2·7)

Die Konzentration des gelosten Chlors hangt im wesentlichen vom Partialdruck des gasformigen Chlors ab, der unter den technischen Be­dingungen der Elektrolyse etwa I atm betragt, wahrend die Konzen­tration der Cl- lonen vom Natriumchloridgehalt des verwendeten Elek-

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Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

trolyten abhangt. Gleichung (IX.A.2.7) sagt also aus, dass die ClO a-Konzentration im Gleichgewicht praktisch nur yom pH und der Salz­konzentration abhangt. Die maximale, entsprechend Reaktion (IX.A.2.5), entstehende Chloratmenge ist also urn so geringer, je hoher die Konzen­tration des Elektrolyten und je niedriger der pH ist. Die Bildung von Chlorat ist unerwiinscht, da sie die Produktion von Cl2 und damit die praktische Stromausbeute verringert. Ausserdem kann das entstandene Chlorat an der Kathode reduziert werden, wodurch die Stromausbeute weiter verringert wird.

Das Chlorat kann auch auf elektrochemischem Wege an der Anode entstehen, und zwar unter Beteiligung der Hypochloritionen:

(IX.A.2.S)

Diese Reaktion wird durch das Vorhandensein kleiner Mengen ClO- Ionen im Anodenbereich ausgelost. Auch diese Art der Chlorat­bildung hangt hauptsachlich yom pH ab, da sie durch hOheren pH des Anolyten gef6rdert wird. Unter den Betriebsbedingungen der modernen Elektrolysezellen ist die Reaktion (IX.A.2.S) allerdings vollkommen bedeutungslos. Die Chloratbildung erfolgt im wesentlichen nach der Reaktion (IX.A.2.5).

Die Wanderung der an der Kathode entstandenen OH- Ionen in dem Anodenbereich verursacht ebenfalls ein Absinken der Stromausbeute. Es kann eine Sauerstoff- und eventuell auch eine CO2-Entwicklung einsetzen, die einen Stromverlust verursacht. Ausserdem wird durch diese Nebenprodukte das Chlor verunreinigt. Ferner lost die Anwesenheit von OH - Ionen im Anolyten Sekundarreaktionen mit dem gelosten Chlor aus:

(IX.A.2.g)

Diese Reaktion entspricht der Summe der Reaktionsgleichungen (IX.A.2.l) und (IX.A.2.3) mit der Dissoziation des Wassers in der Form:

2 H+ + 2 OH- ~ 2 H 20

Die der Reaktion (IX.A.2.g) entsprechende Gleichgewichtskonstante,

K _ [C10-][Cl-J - = 2,lXl017

4 - [C12J [OH-J2 (IX.A.2.l0)

kann daher leicht berechnet werden, indem man das Produkt der Gleich­gewichtskonstanten der Reaktionen (IX.A.2.l), (IX.A.2.3) und der Dissoziationsreaktion des Wassers bildet *. Die Gleichung (IX.A.2.l0) zeigt deutlich, dass bei niedrig gehaltenem anodischem pH (wenn die Salzkonzentration und der Partialdruck des Chlors konstant bleiben)

(*) [HCID] [H+] [Cl-] Cl2

[H+] [ClD-]

HClD

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Herstellung von Atznatron und Chlor: Theorie 105

sowohl die Chloratkonzentration (IX.A.2.S) als auch die Hypochlorit­konzentration in annehmbaren Grenzen bleiben. Man kann also aus dem bisher Gesagten die Voraussetzungen fUr eine hohe Stromausbeute ableiten, und zwar :

1. Die Natriumchloridkonzentration muss fast den Sattigungspunkt erreichen. Durch eine moglichst hohe Konzentration der Cl- lonen wird deren bevorzugte Entladung gegeniiber anderen Anionen erleichtert. Da ausserdem bei maximaler Salzkonzentration die Loslichkeit des Chlors am geringsten ist, wird die Entstehung von unterchloriger Saure [(IX.A.2.r), (IX.A.2.z)], von Chlorat [(IX.A.2.6), (IX.A.2.7)] und von Hypochlorit [(IX.A.2.g), (IX.A.2.ro)] gehemmt.

z. Die Stromdichte an der Anode muss moglichst hoch gehalten werden, urn die Dberspannungen der anderen lonen zugunsten von CI­zu erhohen.

3. Bei hoher Temperatur nimmt die Loslichkeit des Natriumchlorids zu, wahrend die Loslichkeit des Chlors abnimmt. Durch Temperatur­erohung werden die in Punkt r angefiihrten optimalen Bedingungen geschaffen und ausserdem die Leitfahigkeit des Elektrolyten auch erhoht.

4. Die Wanderung der an der Kathode entstandenen OH - lonen zur Anode muss durch geeignete Mittel verhindert werden, oder ihr Auftreten vollkomn~en vermieden, z.B. durch Verwendung von Quecksilberkathoden.

Besteht die Kathode anstatt aus Quecksilber aus einer Metallplatte (Eisen), so verhindert man die Wan de rung der OH- lonen entweder durch ein Diaphragma zwischen Anode und Kathode oder durch die Anwendung des Gegenstromprinzips, bei dem die Losung durch eine standige Zufuhr konzentrierter Salzlosung im Anodenraum in eine zur Kathode gerichtete Bewegung versetzt wird.

In den modernen Elektrolysezellen mit Stahlkathode werden diese beiden Methoden kombiniert; es handelt sich urn die sog. Filterzellen.

Eine andere Moglichkeit, die Wanderung der OH- lonen zu ver­meiden, ist die Verwendung einer Quecksilberkathode; dies geschieht in den Quecksilberzellen. In diesem Modell werden anstelle der H + lonen die Na+ lonen entladen; das Natrium bildet mit dem Quecksilber ein Amalgam, so dass die Bildung von Natronlauge im Inneren der Elektro­lyse zelle vermieden wird. Der Zelle wird standig frisches Quecksilber zugefiihrt und Natriumamalgam entnommen; dieses Natriumamalgam lasst man dann in einem getrennten Gefass mit Wasser reagieren, wodurch die gewiinschte Natronlauge entsteht.

Die Abscheidung des Natriums auf der Quecksilberkathode verhin­dert die Entwicklung von Wasserstoff, und zwar aus folgendem Grunde: die Entstehung von Natriumamalgam aus metallischem Natrium und Quecksilber ist mit einer erheblichen Abnahme der freien Enthalpie verbunden. Die Entladung des Natriumions an der Quecksilberkathode verlauft daher mit geringerer Dberspannung, d.h. die Kathodenspannung wird weniger negativ. In einer gesattigten Salz16sung wird das Na + Ion an einer Natriumamalgamelektrode mit o,Z % Na bei etwa -r,83 V abgeschieden.

Page 119: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

106 Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

Dagegen erfolgt die Abscheidung des Wasserstoffions aus der stark alkalischen Diffusionsschicht an der Elektrode infolge der sehr hohen Wasserstoffiiberspannung an Quecksilber (die durch die hohe Stromdichte noch zunimmt!) bei ungefahr -2,0 V. Man sieht, dass die zur Entladung der H + Ionen erforderliche Elektrodenspannung negativer als die zur Entladung der Na+ Ionen benatigte wird. Unter geeigneten Betriebsbedingungen kann daher die Primarreaktion ausschliesslich aus der Entladung der Na+ Ionen und der Bildung von Natriumamalgam bestehen.

Die an die Elektrolysezelle angelegte Klemmenspannung ist gleich der Differenz der Elektrodenspannungen von Kathode und Anode, einschliesslich der Uberspannungen an Kathode und Anode und dem ohmschen Spannungsabfall im Elektrolyten und in den Zuleitungen:

U = (UAnod• + "1)Anod.) - (UKath• + "y)Kath.) + IR

Die Differenz der Gleichgewichtselektrodenspannungen (ohne Strom­fluss) kann aus der freien Reaktionsenthalpie (s. Bd. I, Kap. I.2.VIl und IlI.4) berechnet werden. Dieser Wert liegt bei Raumtemperatur, sofern es sich bei der kathodischen Primarreaktion urn die Entladung des Wasserstoff­ions handelt, zwischen 2,2 und 2,3 V und erhaht sich im FaIle einer Entla­dung von Na+ Ionen unter Amalgambildung auf etwa 3,4 V. Diese Berech­nungen weisen aus verschiedenen Grunden Ungenauigkeiten auf. Vor allem sind die Aktivitatskoeffizienten der beteiligten Ionen (Cl-, Na+, H+) in einer so konzentrierten Salz16sung nicht bekannt. Ausserdem ist es nicht moglich, den Temperaturkoeffizienten der elektrischen Spannung, dessen Kenntnis zur Anwendung der GIBBs-HELMHoLTz-Gleichung unerlasslich ist, hinreichend genau zu bestimmen. In der Praxis kannen jedoch die oben angefuhrten Werte als gute Naherung verwendet werden, da die Uberspannungen, die von der Temperatur, der Stromdichte und der Beschaffenheit der Elektrode abhangen, nicht genau bestimmt werden kannen. In einer modernen Anlage ist die Gesamtspannung an Filter­zellen ungefahr 3,7 V und an Zellen mit Quecksilberkathode etwa 4,5 V. Trotz des standigen Fortschritts auf diesem Gebiet wird in den letzten Jahren eine Erhahung der elektri.schen Spannung angestrebt, urn bei gleicher ZeIlkapazitat eine hahere Stromdichte zu erreichen und so bei gleicher Jahresproduktion das Investitionskapital zu verringern.

Die Beschaffenheit des Anodenmaterials ist sehr wesentlich, da es gegen Chlor, Sauerstoff und den Sauregehalt des Anolyten bestandig sein muss. Wegen der sehr hohen Reaktionsfahigkeit des atomaren Chlors kommen nur Platin, Magnetit, Retortenkohle und Graphit in Frage. Die den Ionen Cl- und OH- entsprechenden Uberspannungen sind an Platin und Magnetit haher als an Graphit. Die Verwendung der beiden erstgenannten Werkstoffe begunstigt deshalb die Entstehung von Hypochlorit, die nachfolgende elektrochemische Bildung von Chlorat und di.e Sauerstoffentwicklung. Retortenkohle und Graphit wei sen da­gegen andere Nachteile auf: wegen ihrer Porositat werden die Ionen nicht nur an der Oberfiache, sondern auch im Inneren der Elektrode

Page 120: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Filterzellen mit stationarem Elektrolyten 107

entladen. Die Lasung im Inneren der Kohleporen verarmt rasch an Cl- lonen, da diese durch Diffusion nur langsam ins Innere der Poren gelangen. Die elektrochemische Bildung von Chlorat unter Sauerstoffent­wicklung wird daher im Inneren der Elektrode gefardert, so dass die Elektrode schnell oxidiert wird und schliesslich zerfallt.

Graphit ist wegen seiner grasseren chemischen BesHindigkeit der Retortenkohle vorzuziehen. Urn die Lebensdauer der Elektroden zu verlangern, wird der Graphit in Form von dicken Platten oder Staben angewandt. Fur bestimmte Anwendungen, besonders in FilterzeIlen, wird die Graphitanode mit einem polymerisierbaren en impragniert; eine Impragnierung mit Leinal hat zu guten Ergebnissen gefuhrt (3).

AIle diese und noch andere Vorteile sind der Grund fur die bis vor kurzem ausschliessliche Verwendung von Graphit als industrielles Anoden­material in zur Chlorherstellung dienenden Zellen. Die Verwendung von Metallblechanoden erregt jedoch von neuem Interesse, vor allem in Bezug auf Bau und Wartung der Zellen. Dies beruht auf den neuesten Ent­wicklungen der Metallurgie korrosionsfester Metalle (Titan) und dem technischen Fortschritt bei deren Beschichtung mit Platin oder elektro­katalytischen Oxiden. Titan allein kann zum Bau von Anoden nicht verwendet werden, da es von Beginn der Anodenreaktion an von einem nicht leitenden Titanoxidfilm bedeckt wurde. Dieser Film ist die Ursache der Passivitat von Titan; er schutzt jene Teile der Elektrode, die von der Platinschicht eventuell nicht bedeckt wurden. Unter diesen Voraus­setzungen kann die Platinschicht so dunn gehalten werden, dass die Kosten fur die Industrie tragbar sind.

In der zur Chlorherstellung verwendeten Filterzellen besteht die Kathode stets aus einer Eisenplatte oder einem Eisensieb, da Eisen nicht nur billiger ist, sondern auch eine niedrigere Wasserstoffuberspannung aufweist als andere Metalle. Es wird ausserdem von alkalischen La­sungen nur sehr wenig angegriffen.

A.3. Filterzellen mit stationarem Elektrolyten

Diese Zellen sind heute als vollkommen veraltet und uberholt zu betrachten. Sie sollen hier trotzdem eingehender beschrieben werden, da ihre uberaus einfache Arbeitsweise die Berechnung der theoretischen Stromausbeute von Diaphragmaprozessen sehr erleichtert und klar angibt.

Der Betrieb dieser Zellen ist diskontinuierlich. Sobald der Gehalt an N atronlauge genugend hoch ist, wird der Elektrolyt abgezogen und die Zelle mit frischer SalzlOsung gefiillt. Da der Wanderung der OR­lonen keine gegenlaufige Bewegung der Lasung entgegenwirkt, muss das den Anoden- und Kathodenbereich trennende Diaphragma die Diffusion des Anolyten und Katholyten ineinander maglichst verhindern. Das Diaphragma besteht daher aus Stoffen, die der Diffusion einen

(3) B. SrODIN und G. WRANGLEN, Electrochim. Acta 10 (1965) 203.

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108 Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

hohen Widerstand entgegensetzen. Diese Art der Anlage ist von geschicht­lichem Interesse, da so Chlor und Natronlauge zum erst en Male indu­striell hergestellt wurden. Besonders interessant 1st sie auch, weil eine Untersuchung ihrer Arbeitsweise den Einfluss der Ionenwanderung auf die Stromausbeute zeigt.

Die GRIESHEIM-ELEKTRoN-Zelle (1890) ist ein typisches Beispiel dieser Anlagen (s. Abb.IX.1). Sie bestand aus einem rechteckigen, ther­misch isolierten Eisentrog, der als Kathode diente. In diesem Trog WUT­

den zwolf Diaphragmen durch eiserne Rahmen festgehalten. Zur Her­stellung dieser Diaphragmen wurden Platten aus Beton mit einer Bei­mischung von Kochsalz hergestellt; das Kochsalz wurde nach dem Erharten mit Wasser herausgelost, wodurch die gewunschte Porositat

11

12

8 +

Abb. IX.I. - GRIESHEIM-ELEKTRON-Zeile zur Erzeugung von C1 2 und NaOH. I. Warmeisolation; 2. Eisentrog; 3. Kathodenraum; 4. Diaphragma; 5. Gasdichter Verschluss; 6. Graphitanoden; 7. H 2-Abzug; 8. C1 2-Abzug; 9. Salzbehalter; 10. festes NaCl; II. Anodenraum; 12. Stlitzgestell des Diaphragmas; 13· Heizleitung; 14. NaOH-Ableitung.

erreicht wurde. Jeder Rahmen bildete mit seinen Diaphragmen einen Anodenraum, in dem sechs Anoden aus Retortenkohle oder Magnetit angebracht waren. Den Mittelpunkt dieses Anodenraums bildete ein durchlochertes Porzellangefass mit festem Salz, urn den dauernden Verbrauch an Anolyt wahrend der Elektrolyse auszugleichen. Der freie Raum zwischen dem Trog und den Anodenabteilen bildete den Kathoden­raum. Der Trog wurde durch eine Warmwasser- oder Dampfheizung

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Filterzellen mit stationarem Elektrolyt 109

erwarmt und nach oben durch einen gasdichten Deckel abgeschlossen, dessen Abzugsaffnungen fUr Chlor und Wasserstoff mit dem Anoden- bzw. Kathodenraum verbunden waren.

Diese Zelle mass tiber alles 4,8 X 3,8 m, bei einer Hahe von I m. Die Stromausbeute des Kathodenvorgangs kann bei .,tationarem

Elektrolyten nach folgender Dberlegung berechnet werden. Zu Beginn der Elektrolyse enthalt der Elektrolyt nur Natrium­

chlorid. Bezeichnet man also die DberfUhrungszahl des Chloridions mit tA, so werden bei Durchfluss von I F durch die Lasung von den CI- und den Na+ Ionen die Strommengen tA bzw. (I - tA) transponiert. Wtirde der Strom ausschliesslich von diesen beiden Ionenarten transportiert, so ware die Stromausbeute gleich eins, da der Durchfluss von I F stets der Bildung eines Aquivalents OH - Ionen an der Kathode entsprechen wtirde. Es tritt aber ftir jedes die Zelle durchfliessende Fan der Kathode ein Aquivalent OH- Ionen auf, wahrend nur tA Aquivalente CI- Ionen zur Anode wandern. Die Alkalitat nimmt also im Katholyt schneller zu, als die Chlorid konzentration abnimmt, so dass die Dichte des Katholyten im Verlauf der Elektrolyse steigt.

Setzt man nun voraus, dass die Cl- Ionen bei dem Transport der negativen Ladungen vollstandig durch die OH - Ionen ersetzt werden, so ist der von den OH- Ionen transportierte Stromantei.l gleich tOH, wahrend die Na+ Ionen den StromanteiJ (I - tOH) trans.l)ortieren. Daher wtirden bel.m Durchfluss von I F durch die Zelle tOH Aquivalente Hy­droxylionen aus dem Katholyten zur Entladung an die Anode wandern oder mit den eben entladenen Chloridionen reagieren. Nach dieser Hypo­these ware die Stromausbeute an der Kathode gleich (I - tOH.)

In Wirklichkeit transportiert das Natriumhydroxid nur einen bestimmten Stromanteil X; den Rest transportiert das Natriumchlorid. Das Verhaltnis (I - x}/x ist gleich dem Verhaltnis zwischen den Leit­fahigkeiten der beiden Bestandteile der Lasung :

XNaCI (C!xAo}NaCI

XNaOH (C!xAo}NaOH

Daher ist

I-X (C!xAo}NaCI I (C!xAo)NaCI -- - I

X (C!xAo)NaOH X (C!xAo}NaOH

I X=

1+ (C!AAo}NaCI

(C/xAo}NaOH

Die Gesamtstromausbeute ASt,ges an der Kathode kann durch die Summe der Teilausbeuten der von den beiden Elektrolyten (NaCI bzw. NaOH) transportierten Stromanteile ausgedrtickt werden. Da das

Page 123: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

IIO Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

Natriumchlorid den Stromanteil (r - x), der ganzlich zur Bildung von NaOH dient, transportiert, ist

A st, NaCI = r - x und

A st, NaOH = X (r - tOH).

Man erhalt also:

ASt,ges = ASt,NaCI + ASt,NaoH = r - x + X (r - tOH) = r - tOHX.

Ersetzt man x in der letzten Gleichung durch den weiter oben angefUhrten Ausdruck, so erhalt man:

tOH ASt,ges = r - --------

(cJA AO)NaCI r+

(cJA Ao)NaOH

Das Verhaltnis der beiden Aktivitatskoeffizienten kann annahernd glekh eins angenommen werden, da es sich urn zwei starke Elektrolyte handelt' deren Konzentrationen in der gleichen Grossenordnung liegen. Bezeichnet a das Verhaltnis zwischen den beiden Leitfahigkeiten, so ist

tOH ASt,ges = r - --------

[NaCl] r+a---­

[NaOH]

Da im Verlauf der Elektrolyse die Chloridkonzentration abnimmt, wahrend die Konzentration des Alkalihydroxids zunimmt, zeigt diese Gleichung, dass die Stromausbeute nach und nach geringer werden muss.

Ersetzt man im vorhergehenden Ausdruck die Konstanten durch die entsprechenden Zahlenwerte, so erhalt man bei Raumtemperatur fUr die Herstellung von NaOH

0,799 As!, NaOH = r - ---------

[NaCl] r+o,5° ---­

[NaOH]

Fur Kalium hydroxid ergibt sich :

0,726 ASt,KoH = r - ---------

[KCl] r+o,55 ---­

[KOH]

Page 124: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Zellen ohne Diaphragma mit Elektrolytkreislauf III

Ein Vergleich von ASt,NaOH und ASt,KOH zeigt, dass die Stromaus­beute an der Kathode fUr Kaliumchlorid hoher als fiir Natriumchlorid ist, Bei zunehmender Temperatur nahert sich die Dberfiihrungszahl des OR- Ions dem Wert 0,5 und die Stromausbeute nimmt in beiden Fallen zu,

An der Anode kann die Stromausbeute wegen der Wanderung der OR - Ionen zur Anode nicht gleich eins sein. Es wurde bereits gezeigt, dass diese Anionen ausser an der Sauerstoffentwicklung auch an der Bildung von Chlorationen beteiligt sind, die ihrerseits an der Primar­reaktion teilnehmen und die Chlorausbeute vermindern. Die angestellten Dberlegungen zeigen bereits die .. Grenzen dieses Elektrolyseverfahrens. Die hochste Konzentration an Atznatron, die damit erhalten werden kann, betragt nicht mehr als 40 bis 50 gil, da oberhalb dieses Wertes die Stromausbeute kleiner als 0,80 wird. Dieser Wert wurde friiher als an­nehmbar betrachtet, schliesst aber heute den wirtschaftlichen Betrieb dieser Zellen aus.

Ein weiterer erheblicher N achteil dieses Verfahrens ist der diskon­tinuierliche Betrieb der Zelle, da die bei der Elektrolyse gebildete ver­diinnte Natronlauge aIle drei oder vier Tage abgezogen und durch frischen Elektrolyten ersetzt werden muss. Ausserdem wird der Mutterlauge wahrend des Betriebs direkt Salz zugesetzt, so dass die Mutterlauge vorher nicht gereinigt werden kann. Dadurch verursachen verschiedene Verunreinigungen, vor allem Sulfate, den rascheren Verschleiss der Elek .. troden, eine Abnahme der Stromausbeute und eine geringere Reinheit des erhaltenen Produktes.

A.4. Zellen ohne Diaphragma mit Elektrolytkreislauf

Wie die im vorhergehenden Abschnitt besprochenen, sind auch diese Zellen veraltet. Sie sollen trotzdem hier kurz beschrieben werden, da sich an ihnen das in den modernen Diaphragmazellen haufig ver­wendete Gegenstromprinzip gut erlautern lasst. Anstatt die Diffusion der OR - Ionen durch ein Diaphragma zu verhindern, vermeidet man ihre Wanderung, durch Diffusion und elektrisches Feld, indem man den Elektrolyten in die entgegengesetzte Richtung stromen lasst. Urn eine maximale Stromausbeute zu erreichen, miisste sich die Losung mit der gleichen Geschwindigkeit wie die OR - Ionen in die entgegengesetzte Richtung bewegen.

Aus der Beweglichkeit der OR - Ionen kann berechnet werden, dass die Wanderungsgeschwindigkeit dieser Ionen bei Raumtemperatur in einer verdiinnten Losung 0,0018 mm pro Sekunde fUr einen Gradienten von 0,1 V /cm (wie er in industriellen Zellen vorkommt) betragt. Die Wanderungsgeschwindigkeiten der Ionen in konzentrierten Losungen sind nicht genau bekannt. Fiir eine gesattigte NaCl-Losung betragt diese Geschwindigkeit in erster Naherung 6,48 mm/h. Andererseits ergibt ein elektrisches Feld von 0,1 V /cm in einer Losung, deren Leitfahigkeit der verwendeten Salzlosung entspricht, eine Stromdichte von 2 A/dm 2 •

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lIZ Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

In der Lasung fliesst daher eine Elektrizitatsmenge von 2 Ah durch eine senkrecht zum elektrischen Feld stehende Flache von I dm 2 und setzt 4.4 g NaCl zu 3 g NaOH urn. Bewegt sich die Lasung in die entgegen­gesetzte Richtung mit einer Geschwindigkeit, die gleich der Wanderungs­geschwindigkeit der OH - Ionen ist, so entspricht dies einem Durchfluss von 65 cm3/h durch eine Flache von 100 cm 2, und die NaOH-Konzen­tration wiirde etwa 46 gil betragen. Sie ist fiir einen wirtschaftlichen Betrieb nicht hoch genug.

Berechnet man mit Hilfe ahnlicher Dberlegungen den Durchfluss bei der vollstandigen Elektrolyse des Chlorids, so wiirde die entsprechende Geschwindigkeit 1,6 mm/h betragen, d.h. nur ein Viertel der Wanderungs­geschwindigkeit. Die entsprechende Stromausbeute ware daher erheblich niedriger als eins.

Daraus sieht man, dass man einen Kompromiss eingehen muss, wenn man bei annehmbarer Stromausbeute eine hinreichend konzen­trierte Natronlauge erhalten will. Die giinstigste Stramungsgeschwin­digkeit hangt ausserdem von der Form der Zelle ab, da die Geschwin­digkeit des Fliissigkeitsstromes maglichst iiber die ganze Querschnitts­flache gleich sein solI.

In der Lasung entsteht ein gleichmassiger und homogener Fliissig­keitsstrom infolge der spontanen Schichtbildung der Fliissigkeitsteile verschiedener Dichte. Wie bereits erklart wurde (s. Abschn. A.3), nimmt die Hydroxidkonzentration im Kathodenraum rasch zu, wahrend der Chloridgehalt weniger rasch abnimmt. Dadurch wird die Gesamtkon­zentration des Katholyten ebenso wie seine Dichte immer grasser, so dass der Katholyt den unteren Teil der Elektrolytlosung bildet, wahrend der Anolyt sich in den oberen Schichten findet. Verwendet man eine geeignete Elektrolysezelle und sorgt durch sehr regelmassige Verteilung der zugefUhrten Lasung fUr die Herstellung eines homogenen Fliissig­keitsstroms von der Anode zur Kathode, kann man die Wanderung der OH- Ionen wirksam hemmen. Dadurch erhalt man bei befriedi­gender Stromausbeute eine hinreichend konzentrierte Atznatronlasung. In gut fiir dieses Gegenstromverfahren geeigneten Zellen entsteht in der Elektrolysefliissigkeit eine neutrale Zwischenschicht. Der Katholyt ist stark alkalisch, wahrend der Anolyt wegen der Reaktion von C12 mit H 20 und von C12 mit OR - sowie wegen der Entladung der OH - Ionen an der Anode sauer ist. Die OH - Ionen, die die Alkalitat des Katholyten verursachen, wandern zur Anode, treffen auf die saure Schicht und reagieren unter Bildung einer in einem gewissen Abstand zur Kathode liegenden neutralen Schicht.

Die AussIG-Zelle (Glockenzelle) ist das beste Beispiel fUr die An­wendung der Technik des Gegenstroms; sie ist in Abb. IX.2 im Schnitt dargestellt.

Zur gleichen Gruppe geharen noch andere bekannte Modelle, wie die BILLITER-LEYKAM- und die PEsTALozzA-Zelle. Sie unterscheiden sich von der erstgenannten Zelle vor aHem durch die Anordnung der Bauelemente und ein die Kathoden umgebendes Gasdiaphragma, das die Vermischung des Elektrolyten durch die Wasserstoffentwicklung

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Diaphragma-Gegenstrom-Zellen

4 9 8 6 5 4

11

Abb. IX.2. - AUSSIG-Zelle zur Herstellung von Cl2 und NaOH. I. Betontrog; 2. Kathodenraum und H 2-Abzug; 3. Eisenkathode; 4. Verbindungsrohr der Glocken; 5. Betonglocke; 6. Anolyt; 7. Offnung flir die Elektrolytzufur; 8. Verteiler flir die Salz16sung ; 9. ClcAbzug; ro. NaOH-Ableitung; II. Katholyt.

II3

verhindern solI. In der AUSSIG-Zelle ist das Diaphragma nicht erfor­derlich, da entsprechend der Anordnung der Elektroden der gebildete Wasserstoff die Hauptmenge des Elektrolyten nicht durchstromt.

Die Zellen dieser Gruppe haben gegentiber dem GRIESHEIM-ELEK­TRoN-Modell den Vorteil, kontinuierlich zu arbeiten. Das Fehlen des Diaphragmas zur vollstandigen Trennung von Anolyt und Katholyt erfordert jedoch einen sehr gleichmassigen Betrieb; vor allem dtirfen in der Fltissigkeit keine storenden Querstromungen auftreten, die Anolyt und Katholyt vermis chen konnten. Dies wtirde so fort zu einer bedeu­tenden Abnahme der Stromausbeute fiihren. Man halt daher die Strom­dichte sehr niedrig, wodurch der Platzbedarf pro Produktionseinheit steigt. Ausserdem kann die Konzentration der auf dies em Wege erhaltenen Natronlauge 100 bis 120 gil nicht tiberschreiten.

A.5. Diaphragma - Gegenstrom-Zellen

Wie bereits festgestellt, besteht das Ziel der Konzeption neuer Elektrolysezellen in der gleichzeitigen Ausntitzung der Vorteile eines Diaphragmas und eines Elektrolytgegenstroms.

Das wichtigste Kennzeichen dieser Zellen ist ein sehr durchlassiges Diaphragma, das die Elektrolytstromung nur wenig hemmt.

Mit einer einzigen Ausnahme, die spater besprochen werden soIl, wei sen aIle in modernen industriellen Anlagen gebauten und verwen­deten Zellen ein senkrechtes Diaphragma sowie senkrecht angeordnete Kathoden und Anoden auf. Abb. IX.3 zeigt eine Zelle dieser Art, die lange Zeit hindurch in zahlreichen Betriebsanlagen verwendet wurde.

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Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

Diese Zelle besteht aus einem U-formigen Gestell aus isolierendem Material, dessen Seitenwande mit Kathoden aus durchlocherten Stahl­platten oder Stahlnetzen versehen sind. An der Innenseite ist in geringem Abstand ein Diaphragma angebracht. Dieses Diaphragma besteht aus verstarktem Asbest mit verschiedenen Zusatzen (Fe20 a, Fe(OH)a, BaS04,

CaF2 etc.). Dadurch wird die Durchlassigkeit verringert und dem hydro­statischen Druck des jeweiligen Fliissigkeitsstandes angepasst. Man erreicht so einen weitgehend konstanten Fliissigkeitsstrom durch die gesamte Oberflache des Diaphragmas. Der Raum im Inneren des Gestells bildet den Anodenraum und enthalt Anode und Anolyt ; er wird ununter­brochen mit frischer Salzlosung gefiillt. Die Salzlosung fliesst durch ein in

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der Zeichnung nicht dargestelltes Rohr (das in den Anolyten eintaucht) zu, wahrend das Chlor durch eine am Deckel der Zelle angebrachte Offnung abgezogen wird.

Zwischen der Aussenflache der Ka­thoden und dem Gehause der Zelle befindet sich der Kathodenraum. Hier wird mit Hilfe eines regulierbaren Syphons die Natron­lauge kontinuierlich entnommen. Der an der Kathode entstandene Wasserstoff kann nicht durch das mit Fliissigkeit getrankte Diaphragma dringen. Der Wasserstoff ent­wickelt sich also nur im Kathodenraum und wird im oberen Teil abgezogen.

Abb. IX.3. - Filterzelle mit senkrechtem Diaphragma zur Herstellung von el2 und NaOH. 1. Betongestell; 2. Syphon filr die NaOH-Ableitung; 3. Seitenwand aus Eisen; 4. Eisenkathode; 5. Abschlussglocke; 6. Graphitanode; 7. Anolyt; 8. Diaphragma.; 9. nicht­elektrolytische Flilssigkeit; ro. NaOH-Losung. H 2-

und Cl2-Abzilge nicht eingezeichnet.

Die Zellen mit senkrechtem Diaphragma wurden friiher in zwei Gruppen eingeteilt, je nachdem, ob ihr Kathodenraum leer bzw. mit einer nichtleitenden Fliissigkeit gefiillt war oder den Katholyten enthielt.

Der Grund fiir diese Einteilung war folgender : in den ersten J ahr­zehnten der Anwendung dieses Verfahrens war man zu Unrecht der Meinung, dass durch Vermeiden einer Beriihrung zwischen der Kathode und der Natronlauge, indem man den Kathodenraum leer hielt, die Wanderung der OH- Ionen in den Anolyten wirksamer verhindert werden konnte. Diese Annahme, auf der die wahrend dreissig Jahren verbreitete Anwendung des leeren Kathodenraumes beruhte (nach dem Bau des Prototyps von HARGREAVES und BIRD, 1890), wurde spater

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Diaphragma-Gegenstrom-Zellen lIS

wissenschaftlich widerlegt. Das erste Modell mit gefiilltem Kathoden­raum war die Zelle von GIORDANI-POMILIO.

Dass die Annahme, die Anwendung nicht eingetauchter Kathoden konnte die Wanderung der OH- Ionen verhindern, nicht zutrifft, ist leicht einzusehen. Die beiden Seiten der Kathode sind stets von einer Katholytschicht benetzt, gleichgiiltig, ob Kathode und Diaphragma im Kathodenraum eintauchen oder nicht. Die Diffusionskrafte sind daher in beiden Fallen die gleichen. Ausserdem ist das die Ionenwanderung auslosende elektrische Feld jenseits der dem Diaphragma benachbarten Kathodenoberflache immer Null. Der Kathodenraum von Zellen, deren Kathode praktisch am Diaphragma anliegt, kann also auch mit Elektro­lytlosung geflillt werden, ohne dass Hydroxylionen, die sich bereits jenseits der Kathode befinden, wieder zur Anode wandern konnen.

Tatsachlich ist die Stromausbeute von Zellen, deren Kathodenraum mit Elektrolyt gefiillt ist, nicht niedriger als jene von Zellen mit leerem Kathodenraum. Deshalb verwendet man nur noch Zellen mit elektrolyt­geflilltem Kathodenraum, die mit sehr wirksamen Diaphragmen aus­geriistet sind.

Der Widerstand der Diaphragmen nimmt im allgemeinen wahrend der erst en Wochen des Betriebs zu, da die porose Struktur durch ver­schiedene vom Elektrolyten mitgespiilte Verunreinigungen (Graphit­pulver, das vom Zerfall der Anode herriihrt, Magnesium und Kalzium­hydroxide, Eisenoxid) ausgeflillt wird. Die Diaphragmen erflillen daher ihre Aufgabe immer besser und die Stromausbeute nimmt, trotz einer leichten Erhohung des ohmschen Spannungsabfalls in der Zelle, erheblich zu. Der Oberzug der Diaphragmen zersetzt sich jedoch nach und nach durch die gleichzeitige Wirkung des Sauregehalts des Anolyten und der Alkalitat des Katholyten sowie durch die mechanische Beanspruchung infolge der Wasserstoffentwicklung, so dass die Diaphragmen mit der Zeit ihre Wirksamkeit verlieren. Sob aid die Stromausbeute unter einen tragbaren Wert sinkt, muss der Betrieb unterbrochen werden, urn die Diaphragmen auszuwechseln.

Die Strombelastung dieser alten Elektrolysezellen war nur selten hoher als 3000 A. Auch die Stromdichte war beschrankt, vor allem durch die N otwendigkeit, die Zellenspannung unter einem wirtschaftlichen Grenzwert zu halten. Besonders zu beriicksichtigen ist der ohmsche Spannungsabfall im Diaphragma und die Tatsache, dass die Stromaus­beute durch die Stromdichte nicht beeinflusst wird, sofern aIle anderen Parameter unverandert bleiben. Aus diesem Grunde war die Stromdichte (flir die gesamte Oberflache einschliesslich der leeren Zwischenraume der Kathodenstruktur berechnet) meist geringer als 6 A/dm 2 an der Kathode und 8 A/dm2 an der Anode. Zu den besten bekannten recht­eckigen Zellen mit senkrechtem Diaphragma zahlen ausser den bereits erwa.hnten (HARGREAVES-BIRD, TOWNSEND und GIORDANI-POMILIO) die von ALLEN-MoORE, eIBA-MONTHEY, DE NORA, KREBS und NELSON gebauten Modelle.

Andere Zellen, die auf dem gleichen Prinzip beruhen, sind zylinder­fOrmig. Ein typisches Beispiel flir diese Bauweise sind die Zellen von

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II6 Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

GIBBS und VORCE, die wegen ihrer einfachen Konstruktion in vielen Landern verwendet wurden, obwohl ihre Belastbarkeit sehr beschrankt war (lOOO A).

Die neuen, verbesserten Modelle ntitzen den verfiigbaren Raum besser aus und erfordern weniger Wartung; ausserdem kann durch Ausrtistung mit Metallanoden ihre Stromaufnahme bis etwa 100 000 A gesteigert werden.

In den Vertikalzellen HOOKER und DIAMOND besteht die Kathode aus einem Stahlrahmen, der senkrecht angeordnete Taschen aus perfo­riertem Eisenblech oder Eisendrahtnetz tragt. Diese Kathodentaschen greifen in die Zwischenraume zwischen den eben falls senkrechten Gra­phitanoden ein und tragen das Diaphragma. Dieses Diaphragma wird mit einer besonderen Technik aufgebracht. Man bereitet eine Suspension von Asbestfasern in Wasser oder NaCl-Losung. In diese Suspension werden die evakuierten Kathodentaschen eingetaucht, worauf sich die Asbestfasern zu einem gleichmassigen Dberzug ablagern. Die Arbeits­bedingungen sind die gleichen wie bei rechteckigen oder zylinderformigen Zellen. Bej den neuesten Modellen betragt die mittlere Stromausbeute etwa 0,96-0,97 und die Natronlaugekonzentration nicht mehr als 140 gil.

Die Diaphragmazellen mit senkrecht angeordneten Elektroden und Diaphragma, vor allem die modernen Modelle, wei sen gegentiber den anderen Zellen zwei Hauptvorteile auf. Sie benotigen eine geringere Grundfiache, so dass bei geringerem Platzaufwand eine erhebliche Pro­duktionskapazitat zur Verfiigung steht. Ausserdem ersparen ihre leichte Handhabung und Wartung Arbeitszeit, da die Innenreinigung und das Auswechseln der Diaphragmen sehr einfach durchzufiihren sind.

Diese Vorteile werden jedoch durch einige nachteilige Eigenschaften zum Teil aufgehoben:

- wahrend des Betriebs kann der Abstand zwischen Anoden und Kathoden nicht neu eingestellt werden, urn den Verschleiss der Anode auszugleichen;

- das Diaphragma ist auf einer Seite mit einer stark alkalischen Losung, auf der anderen dagegen mit einer leicht sauren Losung, die gelostes Chlor enthalt, in Kontakt (s. Abb. IX.4).

Anode

pH 7

Es wurde bisher noch kein nattir-liches oder ktinstliches Material gefun­den, das lange Zeit sowohl dem Ka­tholyten als auch dem Anolyten gegen­tiber bestandig ist; das Diaphragma wird also nach einer gewissen Betrie­bsdauer immer schlechter und muss ausgebessert oder ausgewech-selt wer­den.

Abb. IX+ - pH-Verteilung in Elektrolysezellen mit senkrechtem Diaphragma.

Page 130: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Diaphragma-Gegenstrom-Zellen 117

Das Modell der Elektrolysezelle mit Filterpresse und bipolaren Elektroden, das sich fUr die Elektrolyse des Wassers bewahrt hat (s. Abschn. Bt), wird bei der Herstellung von Atznatron und Chlor wenig verwendet ; das einzige Beispiel dieser Art ist die Dow-Zelle. Die Schwie­rigkeit beim Bau einer bipolaren Anlage zur Chloralkalielektrolyse ist, class (abgesehen von den bei dieser Art der Schaltung auftretenden Komplikationen) jede bipolare Elektrode aus zwei verschiedenen Mate­rialien bestehen muss: Graphit auf der Anodenseite und Eisen auf der Kathodenseite. Dazu kommt, dass die Technik des Gegenstromprinzips mit dem Bau einer Filterpresse nur schwer vereinbar ist. Trotzdem konnten durch die Anwendung von aktiviertem Titan anstelle des Graphits neue Zellentypen entwickelt werden, von denen man sich, vor allem hinsichtlich des Platzbedarfs, viele Vorteile verspricht.

In dieser Dbersicht tiber die wichtigsten Arten der Diaphragma­zellen darf die SIEMENS-BILLITER-Zelle nicht fehlen, das einzige Modell mit waagrechter Bauweise, das wahrend vieler Jahre einen wohlver­clienten Ruf genoss. Obwohl diese Zelle wegen ihres Platzbedarfs nicht mehr verwendet wird, ist sie wegen ihrer besonders sinnreichen Bauweise erwahnenswert. Sie ntitzt alle verfUgbaren Mittel zur Trennung des Katholyten vom Anolyten (einschliesslich der Schichtbildung). Abb. IX.S zeigt eine schematische Darstellung dieser Zelle.

Die Zelle besteht aus einem langlichen Stahltrog, in dem die aus einer durchlocherten Eisenplatte oder einem MetaUgitter bestehende Kathode in einem bestimmten Abstand vom Boden der Zelle waagrecht angebracht ist. Das Diaphragma liegt auf der Kathode auf; es besteht

11

Abb. IX·5. - SIEMENS-BILLITER-Zelle zur Herstellung von Cl. und NaOH. I. H.-Abzug; 2. Flufsigkeitsstandanzeiger; 3. Roluleitung fur die Elek­trolytzufuhr; 4. Graphitanoden; 5. Heizschlange; 6. Verteiler fur die Salzliisung; 7. Anolyt; 8. Deckplatte der Zelle; 9. Betontrog; 10. pul­verfiirmiges Diaphragma; II. Auslasshahn; 12. Asbestgewebe; 13. Eisenka­thode; 14. Isolierstiitzen; 15. Zellenboden aus Eisen; 16. NaOH-Ableitung; 17. Katholyt; 18. Kathodenstutzen; Cl.-Abzug nicht eingezeichnet.

2

Page 131: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

IIS Nichtmetall urgische elektrol ytische Verfahren

aus einem Asbestgewebe, worauf eine Mischung aus Bariumsulfat und Asbestfasern aufgetragen wurde. Die Dicke dieser Schicht betragt un­gefiihr 2 cm.

Die als Anoden dienenden Graphitplatten sind, ebenso wie in den Zellen mit Quecksilberkathode (s. Abschn. A.6), an Stangen waagrecht an der Deckplatte der Zelle befestigt. Der Abstand zwischen Anoden und Kathoden kann also leicht und genau neu eingestellt werden, wenn die Graphitp1atten unter der chemischen und mechanischen Einwirkung des an der Anode entwickelten Gases dunner werden. Diese Moglichkeit der Regulierung besteht nur bei waagrechten Modellen und stellt einen Vorteil dieser Bauweise gegenuber den Vertikalzellen dar.

Die Stellung und Zusammensetzung des Diaphragmas erlauben eine gleichmassige Vertei1ung des hydrostatischen Druckes und somit die Entstehung eines gleichmassigen und konstanten Elektrolytstromes auf der ganzen Oberflache. So wird einer der hauptsachlichsten Nachteile der Zellen mit senkrechtem Diaphragma vermieden. In den senkrechten Zellen hangt die Diffusionsgeschwindigkeit des Elektro1yten durch das Diaphragma vom jeweiligen Fliissigkeitsstand abo

Der Wasserstoff wird oberhalb der Laugenab1eitung im Raum zwischen dem Zellenboden und der Kathode gesammelt. Die an der Kathode gebildete Natron1auge fliesst durch die Zelle und sammelt sich am Boden. Trotzdem wandert eine bestimmte Menge OH - Ionen zur Anode. Der Katho1yt bildet wegen seiner hoheren Dichte eine Schicht auf dem Diaphragma, von wo er durch den Fliissigkeitsstrom aus dem Anodenraum zum Boden des Trogs mitgespult wird. So wird ein Verlust an OH- Ionen durch Reaktion mit dem an der Anode entwickelten C12

vermieden. Bei entsprechender Regulierung des F1ussigkeitsstroms bildet

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sich in einem bestimmten Abstand oberhalb des Diaphragmas eine neutra1e Schicht. Die Anderung des pH in Abhangigkeit vom Abstand Diaphragma fUr eine waagrechte. zum Anlage wird in Abb. IX.6 gra-

Abb. IX.6. - pH-Verteilung in Elektroly­sezellen mit waagrechtem Diaphragma.

phisch dargestellt. Das Diaphragma hat keinen Kontakt mit dem Ano-1yten und kann daher viel 1anger verwendet werden. Seine Lebensdauer, die in den senkrechten Zellen nur einige Monate betragt, kann in den waagrechten Modellen mehrere Jahre erreichen.

Tab. IX, I gibt die Eigenschaften der verschiedenen fUr die Chloralkalielektrolyse verwendeten E1ektrolysezellen an.

Page 132: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

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Page 133: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

120 Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

1m allgemeinen muss die N atriumchloridlosung vor der Elektrolyse in einer besonderen zusatzlichen Anlage gereinigt werden, urn gunstige Voraussetzungen fur die Elektrolyse und Natronlauge guter Qualitat zu erhalten. Natriumchlorid enthalt namlich, gleichgiiltig, ob es aus dem Meereswasser oder im Bergwerk gewonnen wurde, eine gewisse Menge Verunreinigungen, vor allem Magnesium, Kalzium und Eisen, in Form von Karbonaten, Sulfaten und Hydroxiden. Das Sulfat stort in grosseren Konzentrationen als 5 gil, da es an den Anoden Sauerstoffentwicklung begunstigt und so den Verschleiss der Anoden beschleunigt. Magnesium­hydroxid und die anderen unloslichen Hydroxide storen durch Ablagerung auf dem Diaphragma.

Man entfernt die Sulfate, indem man sie als Bariumsulfat oder Kalziumsulfat ausfallt. Magnesium, Eisen und Schwermetalle werden durch Zusatz von Natronlauge als Hydroxide ausgefallt.

A.6. Zellen mit Quecksilberkathoden

Die durch die Bildung von OH - lonen an der Kathode und ihre Wanderung zur Anode verursachten Nachteile konnen durch Verwendung einer Quecksilberkathode vermieden werden.

Das Verfahren mit einer Quecksilberkathode wird durch die sehr hohe Wasserstoffuberspannung auf Quecksilber und die Verminderung der Dberspannung bei der Entladung der lonen N a + und K + durch die Bildung von Natrium- oder Kaliumamalgam und seine Loslichkeit im uberschussigen Quecksilber ermoglicht.

Die Elektrodenspannung einer Halbzelle, die ein amalgamiertes Alkalimetall in Gegenwart einer Losung des entsprechenden Metallions enthalt, wird durch folgende Gleichung gegeben:

RT a2 U = Uo + --- In --

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(IX.A.6.r)

wobei a1 und a2 die Aktivitaten des Alkalimetalls im Amalgam bzw. der Alkaliionen in der Losung bezeichnen; U 0 ist die Standardelektroden­spannung fur a1 = a2 = I.

Urn die Entladung des Alkalimetalls zu erleichtern, muss die zu elektrolysierende Salzlosung bei einer Betriebstemperatur von 70-80oC fast gesattigt sein, wahrend die Konzentration des Alkalimetalls im Amalgam nicht mehr als o,r Gewichtsprozente betragen darf. Unter diesen Voraussetzungen liegt der Wert fur U fur Natrium und Kalium bei etwa -r,8 V; mit zunehmender Stromdichte verandert sich dieser Wert nicht merklich. Urn den Wasserstoffgehalt des erzeugten Chlors abschatzen zu konnen, geht man davon aus, dass die Wasserstoffent­wicklung eine Konkurrenzreaktion zur Abscheidung des Alkalimetalls darstellt. Deshalb muss die Elektrodenspannung der Halbzelle H2/H + einschliesslich der Dberspannung 'YJ der Elektrodenspannung der Halb-

Page 134: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Zellen mit Quecksilberkathoden J2I

zelle Na-HgjNa+ (= U) gleichgesetzt werden. Nimmt man an, dass der Wasserstoff an der OberfHi.che des Quecksilbers Gasblasen bildet, was einen Wasserstoffdruck von I atm voraussetzt, so ergibt sich folgender Zusammenhang zwischen der Kathodenspannung U und der Wasser­stoffiiberspannung "IJ :

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In dieser Gleichung ist selbstverstandlich der Wert des pH an der Phasengrenze KathodelLosung zu verwenden. Nimmt man diesen pH = I4 und = 70 DC an, so ist "IJ gleich -0,85 V. Verwendet man diesen Wert sowie die dem Quecksilber entsprechenden Koeffizienten a und b in der TAFEL-Gleichung (s. Band I, Kap. IV.3,4), so ergibt sich daraus fUr die Entladung von H+ eine Stromdichte jH von ungefahr I mAjcm2. In einer Zelle mit waagrechter Quecksilberkathode, die bei einer Strom­dichte von 0,5 Ajcm2 arbeitet, wiirde der Wert jH einem H2-Gehalt des Chlors von 0,2 Volumprozent entsprechen, wie man in der Praxis findet.

Die vorhergehenden Berechnungen zeigen, obwohl sie auf groben Annaherungen beruhen, dass die Amalgambildung bzw. die Wasser­stoffentwicklung, von der Kinetik an der Quecksilberkathode abhangen. Ausserdem zeigt die Erfahrung, dass die Geschwindigkeit der Wasser­stoffentwicklung, wenn aIle anderen Faktoren unverandert bleiben, von der gesamten Kathodenstromdichte unabhangig ist. Das heisst, dass pro OberfHi.chen- und pro Zeiteinheit praktisch die gleiche Wasserstoff­menge entwickelt wird, gleichgiiltig, ob ein starker oder schwacher Strom von der Anode zur Kathode fliesst. Die H2-Entwicklung scheint also nur mit der Kathodenspannung, die wiederum von der Konzentration des Alkalimetalls im Amalgam abhangt, eng verkniipft zu sein.

Die Geschwindigkeit der Wasserstoffentwicklung ist tatsachlich von der Stromdichte und den festgelegten Betriebsbedingungen (Geometrie der Zelle, Temperatur, Reinheit der Salzlosung, Konzentration des Alkali­chlorids und pH) unabhangig. Sie ist aber der Konzentration a l des Alkalimetalles im Amg,lgam deutlich proportional, d.h., sie hangt von dem einzigen Faktor ab, von dem die Spannung U in (IX.A.6.I) bestimmt wird. Au<; diesem Grund ist U urn so negativer und die Geschwindigkeit der Wasserstoffentwicklung urn so hoher, je grosser a l ist. Die Geschwin­digkeit der Wasserstoffentwicklung ist daher einer der wichtigsten Faktoren, die die zulassige Konzentration des Alkalimetalls im Amalgam einschranken. Diese Grenzkonzentration fUr das aus der Elektrolysezelle abfliessende Amalgam betragt 0,2 Gew. % Alkalimetall. Sie liegt damit noch wesentlich niedriger als jene Konzentration, bei der sich die erhohte Viskositat des Amalgams storend auszuwirken beginnt (ca. I Gew. % Na).

Ganz ahnliche Oberlegungen konnen auf die Elektrolyse von Kaliumchlorid angewandt werden, obwohl die Stromausbeute an der Kathode infolge der geringeren Stabilitat des Kaliumamalgams ungefahr 2 % niedriger als bei N atriumchlorid ist.

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122 Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

Sieht man nun die Kathodenspannung, bei der die Elektrolyse vorgenommen wird, die hauptsachlich von der Aktivitat des amalga­mierten Alkalimetalls abhangt, als konstant an, so wird die H 2-Gleich­gewichtsspannung durch jede Erhohung des pH in der Diffusionsschicht zu negativeren Werten verschoben und der Anteil der Wasserstoffiiber­spannung wird kleiner [so Gl. (IX.A.6.2)]' Die Entladungsgeschwindigkeit der H + lonen wird damit ebenfalls kleiner. Die Dbereinstimmung zwi­schen den experiment ellen Werten fiir den H2-Gehalt des erzeugten Chlors und den mit Hilfe der Gleichung (IX.A.6.2) errechneten (wobei der pH der Diffusionsschicht mit I4 angenommen wird) zeigt, dass bei einem normalen H2-Gehalt der pH der Diffusionsschicht erheblich hoher als der pH der iibrigen Losung ist. Die Hauptmenge des Elektro­lyten zeigt, unabhangig yom urspriinglichen pH der verwendeten Salzsole, wegen der Reaktion des Wassers mit dem gelosten Chlor eine leichte Zunahme des Sauregehalts. Die Diffusionsschicht darf also keinesfalls gestort werden; weshalb man das Quecksilber moglichst gleichmassig iiber eine vollkommen glatte Oberflache fliessen lasst.

Das an der Kathode erhaltene Alkaliamalgam wird kontinuierlich in eine Zersetzungszelle geleitet. Das dieser Zelle zugefiihrte Wasser zersetzt das Amalgam unter Bildung von N atronlauge. Die Zersetzungs­zelle enthalt eine Elektrode mit verhaltnismassig niedriger Wasserstoff­iiberspannung. Man verwendet dazu ausschliesslich Graphit. Dieser hat zwar im Vergleich mit bestimmten Metallen (z.B. Eisen) eine hohere Wasserstoffiiberspannung, bietet jedoch den Vorteil, dass seine Oberflache nicht durch Bedeckung mit Quecksilber desaktiviert werden kann. Das aus dem Alkaliamalgam, der Natronlauge und dem Graphit bestehende System stellt ein kurzgeschlossenes galvanisches Element dar, das wie folgt dargestellt werden kann :

+C- H21 NaOH I Na- Hg I C-.

Der Anodenvorgang findet am Amalgam statt, in dem das Alkali­met all gelost ist, wahrend der Graphit als Kathode wirkt, an deren Oberflache die H + lonen entladen werden. Die Reaktion zwischen dem Amalgam und dem Wasser fiihrt daher schliesslich zur Bildung von Alkalihydroxid und Wasser stoff :

I Na·x Hg + H20 -+ X Hg + NaOH + - H2

2

Diese beiden Produkte sowie das direkt der Elektrolysezelle ent­nommene Chlor sind mit den in Diaphragmazellen erhaltenen Produkten identisch. Ein wichtiger Unterschied besteht jedoch darin, dass das mit einer Quecksilberkathode hergestellte Alkalihydroxid keinerlei Alkali­chlorid enthalt und viel hohere Konzentrationen aufweist.

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Zellen mit Quecksilberkathoden

Betrachtet man die Systeme :

N a· x Hg (Amalgam) Naaq+

Naaq+

I H 20 I C12

I OHaq-1 H21 x Hg I C12

I Claq- I x Hg

(I)

(II)

(III)

12 3

so sieht man, dass der Dbergang von einem System zum folgenden jeweils eine exotherme Reaktion darstellt, d.h., dass diese Systeme nach ab­nehmendem Energieniveau geordnet sind. Ein Dbergang in umgekehrter Richtung erfordert demnach eine Energiezufuhr von aussen. In Diaphrag­mazellen verursacht diese Energiezufuhr den Dbergang von (III) zu (II), wobei das an der Reaktion unbeteiligte Quecksilber selbstverstandlich durch eine Kohle- oder Graphitanode ersetzt werden kann. Die fiir den Dbergang vom System (III) zum System (II) ben6tigte Energie ist das Produkt aus Elektrizitatsmenge mal Zellspannung; davon wird der zur Dberwindung der Dberspannungen an Anode und Kathode und des Innenwiderstandes der Zelle ben6tigte Energiebetrag irreversibel in Warme umgewandelt.

In Zellen mit Quecksilberkathode findet als erster Schritt der Dbergang von (III) zu (I) statt, dessen Energieniveau h6her als das von (II) ist. Die ben6tigte Spannung muss also in diesem Fall entspre­chend h6her als in Diaphragmazellen sein, da in beiden Fallen die gleiche Elektrizitatsmenge zur Umwandlung der gleichen Mengen der Ausgangs­stoffe (N aaq + und Claq -) verwendet wird. Die Spannungsdifferenz zwischen den beiden Zellentypen muss der Energiedifferenz zwischen (I) und(II), d.h. der bei der Zersetzung des Amalgams freigewordenen Energie, entsprechen. Daraus folgt, dass der bei der Elektrolyse an einer Queck­silberkathode ben6tigte Energieiiberschuss theoretisch bei der Zerset­zung des Amalgams zuriickgewonnen werden kann. Dazu muss z.B. eine Zelle zur Zersetzung des Amalgams so gebaut werden, dass man in dem urspriinglichen, kurzgeschlossenen galvanischen System (Graphit I Was­ser I Amalgam) das Amalgam durch eine Eisenkathode ersetzt. Die in diesem galvanischen Element freiwerdende Energie k6nnte durch Hin­tereinanderschalten der Elektrolyse- und der Zersetzungszelle unmittel­bar wiedergewonnen werden (s. Abb. IX.7). Durch Hintereinanderschalten der Zersetzungszelle und der die Elektrolysezelle speisenden Energiequelle k6nnte die erforderliche elektrische Energie theoretisch urn einen der elektrischen Spannung der Zersetzungszelle

+Fe - H21 NaOH I Na - Hg-

entsprechenden Wert verringert werden. Die hier beschriebene einfache Schaltung hat jedoch flir die Praxis

zwei grosse Nachteile, so dass sie in dieser Form nicht verwendet werden kann. Einer davon besteht darin, dass die Stromausbeute an der Kathode der Elektrolysezelle nur selten mehr als 0,95 betragt, so dass weniger Amalgamaquivalente gebildet werden, als den durch die Zelle geflossenen

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Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

-..I..--c . Fe-........ -

NaCl NaOH

+

Abb. IX.7. - Schaltschema fur in Serie geschaltete Elektrolyse­und Zersetzungszelle.

ElektrizWitsaquivalenten entspricht. Die an der Zersetzung des Amalgams beteiligte Elektrizitatsmenge entspricht jedoch exakt der Menge an zersetztem Amalgam, die ihrerseits gleich der in der Elektrolysezelle gebildeten Menge ist. Die gesamte Elektrizitatsmenge, die durch die beiden Zellen fiiessen muss, ist daher grosser als die Elektrizitatsmenge, die zur Zersetzung des Amalgams benotigt wird. Der Dberschuss fiihrt zu einer unerwlinschten Nebenreaktion: an der Anode der Zersetzungs­zelle findet eine oberfiachliche Oxidation des Quecksilbers statt. In alkali scher Losung entsteht eine HgO-Schicht, wodurch Quecksilber verloren geht und der Gesamtwiderstand hoher wird. Der Quecksilber­verlust ist urn so grosser, je geringer die Stromausbeute der Elektrolyse­zelle ist.

Das zweite Problem ist die hohe Wasserstoffliberspannung. An den grossten technisch moglichen Elektroden muss man die Stromdichte immer noch so hoch halten, dass die Wasserstoffliberspannung hoher wird als die Zellspannung der Zersetzungszelle, da bei niedrigeren Strom­dichten die Amalgamzersetzung zu langsam verlauft. Durch die dem Stromfiuss entgegenwirkende Wasserstoffliberspannung benotigt man daher bei dieser Anordung eine hohere Gesamtspannung als bei Ver­wendung einer Zersetzungszelle mit Kurzschluss zwischen Anode und Kathode. Heute verwendet man daher ein kurzgeschlossenes galvanisches Element zur Amalgamzersetzung, wobei Graphit als Kathode moglichst grossfiachig mit dem Amalgam in Berlihrung gebracht wird.

Die oben angeflihrten Schwierigkeiten haben sich in der CASTNER­

Zelle bestatigt ; diese Zelle war das erste Modell mit Quecksilberkathode, bei dem das Schema der Abb. IX.7 angewandt wurde. Das Quecksilber wurde dabei zwischen Elektrolyse- und Zersetzungszelle hin- und her­bewegt. Urn die verschiedenen Stromausbeuten (und daher verschiedenen Stromstarken) in der Elektrolyse- und der Zersetzungszelle auszugleichen, ordnete CASTNER parallel zur Zersetzungszelle einen Nebenschlus'lwider­stand R an (Abb. IX.S). Dieser Parallelwiderstand soIl den Dberschuss­strom aufnehmen, der zwar fiir die Elektrolyse, nicht aber flir die Zer­setzung benotigt wird. Diese Schaltung ist nur deswegen praktikabel,

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Zellen mit Quecksilberkathoden 12 5

weil eben (s.o.) an die Zersetzungszelle eine hahere Spannung angelegt werden muss als die Gleichgewichtsspannung des Elements Fe I NaOH I Natriumamalgam. Dementsprechend hatte im Gedanke des Erfinders der Strom durch den Nebenschluss in der Richtung Amalgam ---7- negativer Pol des gesamten Systems fliessen sollen. Falls aber die Zersetzungszelle der Elektrolysezelle Energie lifem sollte (anstatt Energie zu verbrauchen) ware die Verwendung eines Nebenwiderstandes sinnlos, weil die Zer­setzungseelle +FeINaOHIAmalgam- (mit dem positiven Pol unter Re­versibilitatsbedingungen auf der Einsenelektrode und dem negativen Pol auf Amalgam) durch den Nebenwiderstand sozusagen kurzgeschlossen werden wiirde und daher einen lokalen Strom im Nebenwiderstand in entgegengesetzter Richtung, in Bezug auf Gesamtstrom, verursachen wiirde. Dadurch wiirde der Strom durch die Zersetzungszelle haher als ohne Parallelwiderstand, weil sich im Elektrolyten der Kurzschlussstrom zu dem von aussen aufgebrachten Strom addieren miisste.

+

R

Abb. IX.S. - Schematische Darstellung der elektrischen Ver­bindungen von in Serie geschalteten Elektrolyse- undlZer­setzungszellen mit Einschaltung eines Parallelwiderstandes.

Die neuesten Entwicklungen der Technologie der Brennstoffzellen haben beziiglich derWiedergewinnung eines Grossteils der freien Enthal­pie der Zersetzungsreaktion des Amalgams neue Perspektiven eraffnet. AIle bisher vorgeschlagenen Verfahren verbrauchen jedoch Wasserstoff und sind daher nur dann wirtschaftlich interessant, wenn dieser Wasser­stoff nicht zu weiteren chemischen Reaktion benatigt wird. Das einfachste System bestiinde in der Verwendung einer entsprechenden Brennstoff­zelle. bei der in einer porasen Kathode die Oxidation des Wasserstoffs durch den in die Poren eindringenden Luftsauerstoff stattfinden wiirde. Man nimmt an, dass in modemen Anlagen dieser Art 20 bis 25 % der zur Elektrolyse benotigten Energie erzeugt werden kannten. Die prak­tische Anwendung dieses Verfahrens scheint jedoch yom wirtschaftlichen und technischen Standpunkt aus verfriiht.

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126 Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

9 + 1 ~+-3

~j. 8 7 6 5 d

-Hg 10 -NaCL

11

Abb. IX.9. - SOLVAy-Zelle zurHerstellungvon C12 undNaOH. I. Platinanoden; 2. Hg-Kanal; 3. Hg-Hebevorrichtung; 4. Hg­Standgefiiss; 5. Kathodenanschiuss; 6. Kathode (Quecksilber­schicht) ; 7. Betonwanne; 8. Verbindungsrinne zwischen Zer­setzungs- und EIektrolysezelle; 9. gasdichter VerschIussdeckel; 10. EIektrolysewanne; II. Amalgamzersetzungswanne. CIz­Abzug nicht eingezeichnet.

Von den zahlreichen gebauten Zellentypen wird das von SOLVAY vorgeschlagene horizontale Modell (s. Schema, Abb. IX.g) noch am haufigsten verwendet. Diese Zelle besteht aus zwei parallelen Wannen aus mit Beton verkleidetem Eisen, die auf Isolatoren ruhen. An einem Ende sind die beiden Wannenniveaus gleich miteinander verbunden, wahrend am anderen Ende die eine Wanne etwas hoher steht. Das Queck­silber fliesst von einer Wanne in die andere und wird mechanisch in die erste Wanne zuriicktransportiert. In der erst en hoheren Wanne findet die Elektrolyse statt und in ihr entsteht das Amalgam, das dann in der zweiten Wanne zersetzt wird. Die Elektrolysezelle wird ununterbrochen mit einer Alkalichloridlosung gespeist, wahrend der Zersetzungszelle in der dem Quecksilber entgegengesetzten Richtung ein Wasserstrom zugefiihrt wird. Das Quecksilber nimmt in der Elektrolysezelle Natrium auf, gibt es in der Zersetzungszelle an das Wasser ab und wird dem Kreislauf wieder zugefiihrt. Die beiden Wannen sind dicht abgeschlossen, urn das ChI or bzw. den Wasserstoff sammeln zu konnen. Die Ano­den der Elektrolysezelle sind am Deckel der Zelle befestigt, wahrend der Kathodenanschluss mit Hilfe metallischer Kontakte hergestellt wird, die durch den mit Quecksilber bedeckten Zementboden gefiihrt werden. Platin, das friiher wegen seiner niedrigen Chloriiberspannung und seiner geringen Abniitzung als Anode verwendet wurde, ist fUr die Industrie wieder interessant geworden: man verwendet Titanelektroden, die mit

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Zellen mit Quecksilberkathoden I27

einer dtinnen Schicht (in der Grossenordnung von 1 [lm) Platin oder anderer Metalle der gleichen Gruppe oder ihrer Oxide (z.E. einem Titan­Ruthenium-Mischoxid) tiberzogen werden.

Uber die Verwendbarkeit von Elektroden aus beschichtetem Titan wurde bereits am Ende des zweiten Abschnittes dieses Kapitels berichtet.

In der Zersetzungszelle fliessen die Amalgamschicht und die alkali­sche Losung in Gegenstrom; sie stehen miteinander sowie mit einer Reihe Graphitplatten in Kontakt, die ihrerseits lei tend verbunden sind. Damit ist das galvanische Element durch die Natronlauge und die Gra­phitkathoden sowie durch den zwischen dem Quecksilber und dem Gra­phit tiber den Stahlboden der Zelle bestehenden direkten Kontakt kurz­geschlossen.

Verschiedene Konstrukteure haben zu dem eben beschriebenen Prototyp zahlreiche patentierte Abanderungen beigetragen. Diese sehen z.B. vor, den Abstand zwischen der Anode und der Kathode, der im allgemeinen auf etwa 5 cm gehalten wird, kontinuierlich zu regulieren, urn den mechanischen und chemischen Verschleiss der Anoden auszu­gleichen, oder zielen auf erhohte Betriebssicherheit, erleichterte Wartung, geringeren Platzbedarf. Andere betreffen die chlor- und alkalifeste Auskleidung oder den Verschluss und die Abdichtung der Zellen, urn die verschiedenen Fltissigkeits- und Gasstrome besser zu trennen.

So besteht z.B. in modernen Anlagen die Zersetzungszelle zur Verringerung des Platzbedarfs aus einem senkrechten Turm, der mit Graphitstticken, tiber die das Amalgam fliesst, geftillt ist.

Wie bereits festgestellt wurde, arbeiten die Zellen mit Quecksilber­kathode mit hoherer Stromdichte als die Diaphragmazellen. Die ersteren konnen unter den derzeitigen Voraussetzungen an der Anode eine Strom­dichte in der Grossenordnung von 100 A/dm2 und an der Kathode von 95 A/dm2 aufweisen. Diese Werte sind ftinfmal hoher als die entspre­chenden Werte fUr Diaphragmazellen. Die neuen Zellen mit Quecksilber­kathode konnen Strome in der Grossenordnung von 500 000 A aufnehmen. Trotz dieser hohen Stromdichten und der guten Belastbarkeit ist der Platzbedarf der waagrechten Zelle mit Quecksilberkathode sehr gross. Man hat daher wiederholt versucht, senkrechte Zellen, in denen der kathodische Quecksilberfilm auf einem starren Metallsttick (z.E. Eisen) haftet, zu bauen. Die von der Badischen Anilin- und Soda-Fabrik (BASF) gebaute HONsBERG-MEssNER-Zelle ist das einzige Modell dieser Art, das zumindest zeitweise in der Industrie grossere Verbreitung gefunden hat. Die Kathoden bestehen hier aus rotierenden Stahlscheiben, die in das Amalgam eintauchen. Eine als Anode dienende Graphitplatte ist oberhalb des Amalgams zwischen den einzelnen Scheibenpaaren befestigt ; die NatriumchloridlOsung fliesst durch die Zwischenraume zwischen dem Graphit und den Scheiben.

1m Verlauf der letzten ftinfzehn Jahre wurden noch verschiedene andere Modelle einer senkrechten Zelle ausgearbeitet; keines scheint jedoch einen wirklichen Erfolg zu verzeichnen. Es konnte bisher bei keiner Vertikalzelle eine ftir die Praxis geeignete Methode zur N ach­stellung der Anode gefunden werden, urn die Spannung der Zelle trotz

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128 Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

des Anodenverschleisses auf annehmbaren Werten zu halten und Anoden­material zu sparen.

Der grundlegende Unterschied zwischen Diaphragmazellen und Zellen mit Quecksilberkathode besteht darin, dass in den letzteren das Alkalihydroxid nicht wahrend der Elektrolyse in der Salzlosung gebildet wird. Ausserdem ist die gebrauchte Salzl6sung, die nach Umsetzung etwa eines Sechstels ihres urspriingliches Salzgehaltes aus der Zelle mit Queck­silberkathode abfliesst, mit Chlor gesattigt. Der grosste Teil dieses Chlors wird wiedergewonnen, indem man die Losung nach Zusatz von Salz­saure bei vermindertem Druck (etwa 400 mm Hg) durch besondere Tiirme leitet. Dabei wird ihr Gehalt an Chlor von 0,3-0,4 gIl auf O,I gIl gesenkt. Der Gehalt an Restchlor wird hierauf auf O,OI gIl herabgesetzt, indem man in einer geeigneten Anlage einen Luftstrom durch die Losung leitet. Dann wird die Losung wieder aufgesattigt, indem man ihren pH auf IO-II einstellt und sie iiber festes Salz fliessen lasst. Danach wird sie chemisch gereinigt und filtriert.

Zur Elektrolyse an einer Quecksilberkathode muss die Salzlosung sorgfaltiger als fUr Diaphragmazellen gereinigt werden. Diese Reinigung muss im besonderen die Eisen- und Magnesiumsalze entfernen, die un­gliicklicherweise die haufigsten Verunreinigungen des verwendeten Salzes sind. 1st eine grossere Menge dieser Kationen in der Losung vorhanden, kann die Wasserstoffentwicklung an der Kathode durch die synergetische katalytische Wirkung dieser Metalle sehr viel starker werden. Finden sich Magnesium oder Eisen allein vor, so schein en sie keine Wirkung auszuiiben, sind jedoch beide vorhanden, so nimmt die Stromausbeute betrachtlich abo Der Eisen- und Magnesiumgehalt der urspriinglichen Salz16sung sollte daher O,I mg/l bzw. I mg/l keinesfalls iiberschreiten.

Die katalytische Wirkung bestimmter Schwermetalle (Vanadium, Chrom, Molybdan) ist so stark, dass selbst Konzentrationen in der Grossenordnung von O,I mg/l eine so intensive Wasserstoffentwicklung hervorrufen, dass in der Zelle ein explosives Chlorknallgasgemisch ent­stehen kann.

In der Salzlosung vorhandenes Vanadium kann von den Graphitano­den herriihren, falls der Graphit aus Erdolkoks hergestellt wurde. Chrom und Molybdan konnen in der Zelle nicht auftreten, wenn beim Bau der Anlage keine CoMo-Stahle verwendet werden und wenn das Salz keine derartigen Verunreinigungen enthalt (z.B. von den Abbaumaschinen her).

1m Verlauf der letzten zehn Jahre konnte der Mechanismus, durch welchen diese metallischen Verunreinigungen die Entladung der H + lonen an der Quecksilberkathode katalysieren, aufgeklart werden. AIle MetaIle, die dieses katalytische Verhalten aufweisen, sind in Quecksilber so gut wie un16slich (4). Ausserdem konnen sie sich in verschiedenen Oxidations­stufen im Elektrolyten auflosen und, sob aId sie die alkalische Diffu­sionsschicht der Kathode erreichen, mit den OH - lonen zu schwerloslichen Hydroxiden reagieren; diese Hydroxide bilden auf der Oberflache des

(4) G. ANGEL et ai., J. Electrochem. Soc. 104 (1957) 167.

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Zellen mit Quecksilberkathoden 129

Quecksilbers eine undurchHissige Schicht. Es konnen auch durch Agglo­meration Partikel entstehen, die die Entladung der H + Ionen fordern und die in der Amalgamschicht durch plotzliche lokale Anderungen der Konzentration des Alkalimetalls Storungen hervorrufen konnen (0). Diese Hydroxidiiberziige und -partikel verursachen die Entladung des Wasser­stoffs, indem sie entweder fiir den Wasserstoff eine niedrigere Uber­spannung als das Quecksilber aufweisen oder indem sie als Diaphragma wirken und die Wanderung der Natriumionen zur Kathode verhindern. Magnesium und Aluminium reagieren in gleicher Weise, da sie als Hydro­xide in unmittelbarer Niihe der Kathode ausflocken. Eisenionen sind storend, da <;ie relativ leicht kathodisch zum Metall reduziert werden und die Wasserstoffiiberspannung an Eisen gering ist. Gliicklicherweise wird Eisen von Alkaliamalgamen sehr gut benetzt, und die suspendierten Eisenpartikel iiberziehen sich daher rasch mit einem gut haftenden Quecksilberfilm. Anders verhalt es sich allerdings, wenn Magnesium­oder Aluminiumhydroxide zugleich mit dem Eisenhydroxid ausgefallt werden. Diese Hydroxide bilden eine Art Kolloiddiaphragma, das jede Beriihrung zwischen dem Eisenhydroxid und dem Amalgam verhindert. In diesem Fall kann das Eisen die Entladung der H + Ionen katalysieren, wodurch die synergetische Wirkung des Magnesiums und des Alumi­niums erklart wird (6).

1m FaIle einer mit Graphitanoden ausgeriisteten Zelle darf der Sul­fatgehalt der Salzlosung 3 bis 5 gil nicht iiberschreiten.

Die gesattigte Salzlosung wird durch Ansauern auf einen pH von 5 gebracht, bevor sie dem Kreislauf der Elektrolyseanlage wieder zuge­fiihrt wird. Dieses Ansauern verhindert die Entstehung von Hypochlorit und Chlorat wahrend der Elektrolyse und verbessert so die anodische und kathodische Stromausbeute; auch wird die Anode weniger stark oxidiert.

Der an der Kathode auftretende Stromverlust wird im wesentlichen durch folgende Reaktionen verursacht :

2 e-(Hg) + 2 H20 --+ 2 OH - + H 2(g), 2 e-(Hg) + C12(aq) --+ 2 Cl-,

2 e-(Hg) + CIO- + H20 --+ Cl- + 20H-,

6 e-(Hg) + Cl0 3- + 3 H20 --+ Cl- + 60H-.

Die erste Reaktion, die die Wasserstoffentwicklung hervorruft, wurde bereits besprochen. Die zweite, die einer Ionisierung des ge16sten elementaren Chlors entspricht, kann gehemmt werden, indem man einen ausreichenden Abstand zwischen den Oberflachen der Kathode und der Anode einhalt, so dass die Chlorblaschen nach ihrer Entwicklung an der

(Ii) V. 5TOCKMANN und R. LANDSBERG, Chem. Techn. 17 (1965) 148. (6) P. GALLONE, private Mitteilung.

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Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

Anode das Quecksilber nicht erreichen konnen (der giinstigste Abstand betragt etwa 5 mm).

Die Bedeutung der beiden letzten Reaktionen, die der Reduktion der Hypochlorit- bzw. der Chlorationen entsprechen, kann, wie bereits erkHirt wurde, durch Speisen der Zelle mit einer leicht angesauerten Losung verringert werden [s. Gleichungen (IX.A.2. r), (IX.A.2.2), (IX.A.2.S) und (IX.A.2.ro)].

Das Ansauern der Losung verhindert iiberdies die Entladung der Ca 2+ Ionen, die sonst die Quecksilberkathode verunreinigen. Das Kal­zium neigt zur Amalgambildung ; obwohl es die Entladung des H+ Ions nicht unmittelbar beeinfiusst, macht es den Quecksilberstrom langsam und unregelmassig infolge der Entstehung einer sog. Amalgambutter, die eine ungleichmassige Quecksilberoberfiache hervorruft und so die Strom­ausbeute verringert. Betrieb und Wartung der Zelle werden durch diese Erscheinung ebenfalls kompliziert.

Die N atriumkonzentration des Amalgams wird niedrig, meist unter 0,20 %, gehalten, da konzentrierteres Amalgam zu zahfiiissig ist und leichter mit Wasser reagiert. Eine Erhohung der Amalgamkonzentration konnte noch in der Elektrolysezelle Zersetzung hervorrufen und unter Abnahme der Stromausbeute zur Bildung einer explosiven Chlor-Wasser­stoff-Mischung und der Entstehung von Natronlauge fiihren.

Die Konzentration der erhaltenen Natronlauge ist hoher als in anderen Zellen; sie betragt 700-750 gil (ungefahr 50 Gewichtsprozent).

Die Betriebskenngrossen der wichtigsten Elektrolysezellen mit Quecksilberkathode sind aus Tab. IX.r zu entnehmen.

A.7. Fertigstellung der Produkte. Vergleich von Filter- und Quecksilberkathodenzellen

Die am haufigsten zur Herstellung von Chlor und Atznatron ange­wandten Verfahren verwenden Diaphragma- oder Quecksilberzellen. In beiden Fallen erhalt man Wasserstoff zugleich mit Chlor und Natron­lauge. Letztere enthalt, bei der Herstellung in einer Diaphragmazelle, noch nicht ungesetztes Chlorid, wahrend sie bei dem Quecksilberver­fahren praktisch frei von Salzresten ist.

Der entstandene Wasserstoff wird entweder in angeschlossenen Anlagen verwendet oder komprimiert und in Stahlfiaschen verkauft.

Das Chlor wird vor seiner industriellen Verwendung, mit Ausnahme der chemischen Herstellung von Hypochlorit, im allgemeinen verfiiissigt. Das verfiiissigte Chlor wird zum Transport in Metalltanks abgefiillt. Vor der Verfiiissigung wird das Gas auf Raumtemperatur abgekiihlt und durch Trockentiirme, in denen es gegen einen Strom konzentrierter Schwefelsaure fiiesst, geleitet. Danach wird das Gas entweder durch langsames Abkiihlen auf etwa 0 oC und Komprimieren bis zum Erreichen des dieser Temperatur entsprechenden Taupunktes (3 bis 5 atm) oder durch Abkiihlen auf Temperaturen unter -50°C verfiiissigt.

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Fertigstellung der Produkte

Die mit Filterzellen hergestellten Laugen, die etwa 140 g NaOH/l und 200 gil NaCI-Reste enthalten, werden zunachst durch Verdampfen bei reduziertem Druck auf 40 oBe konzentriert ; ihr NaOH-Gehalt betragt nun 500 gil. Die Laslichkeit des Natriumchlorids nimmt unter diesen Bedingungen stark ab; das ausgefallte Salz wird durch Zentrifugieren oder ein anderes geeignetes Verfahren abgetrennt. Die noch 2 % Chlorid enthaltende Natronlauge wird nun auf 500Be konzentriert. Die Kon­zentration wird eventuell in Verdampfern aus Gusseisen, Nickel oder Nickelstahl zu Ende gefiihrt, in denen man schliesslich geschmolzene wasserfreie Natronlauge erhalt. Diese wird in Stahlbehalter abgefiillt, die luftdicht verschlossen und so verschickt werden. Die Natronlauge­schmelze kann auch zu Pastillen oder Stangen verarbeitet werden.

SolI der Chloridgehalt unter I % herabgesetzt werden, so wird die 50 %ige Lasung von neuem auf 37,5 % verdiinnt und auf 5 oC abge­kiihlt. Man trennt das ausgefallte Kochsalz ab und leitet die Lasung wieder in die Verdampfer. Das aus diesem Reinigungsvorgang stammen de Salz ist sehr rein, jedoch leicht alkalisch (0,2 % NaOH) ; es kann durch HCI neutralisiert werden. Das so erhaltene Salz kann, anstatt der Anlage wieder zugefUhrt zu werden, verkauft werden und stellt ein geschatztes Nebenprodukt der Natronlaugeerzeugung dar.

Die Reinigungsanlagen werden von der konzentrierten heissen N atronlauge stark angegriffen. Als beste Gegenmassnahme hat sich der kathodische Schutz der Kessel erwiesen. Dazu verbindet man den negati­yen Pol eines Gleichstromgenerators mit dem Kessel und den positiven Pol mit einer in die fliissige Masse eintauchenden Platinanode. Dadurch wird die Korrosion erheblich verringert, und das Entwassern der Natronlauge wird durch die elektrolytische Zersetzung des Restwassers beschleunigt.

Das Verfahren zur Herstellung von Natronlauge aus dem Elektro­lyten von Quecksilberkathodenzellen ist das gleiche wie das fiir die Lauge­lasung aus Diaphragmazellen beschriebene. Nur der erste Arbeitsgang der Konzentration bei vermindertem Druck, der Kristallisation und der Abtrennung des nicht umgesetzten Chlorids entfallt. Die Natronlauge wird manchmal als konzentrierte Lasung unmittelbar verwendet, z.E. bei der Herstellung von Rayon, oder ohne weitere Bearbeitung in den Handel gebracht.

Obwohl die bisher angefiihrten Uberlegungen sich im besonderen auf die Elektrolyse des Natriumchlorids beziehen, gelten sie ebenso fiir die Elektrolyse anderer Alkalichloride.

Ein Vergleich zwischen den auf Diaphragma- bzw. Quecksilberka­thodenzellen beruhenden Verfahren muss man an erster Stelle die artlichen Voraussetzungen in Betracht ziehen. Von Ihnen kann die Wahl zwischen diesen beiden Verfahren abhangen. Besonders zu beriicksichtigen ist das Verhaltnis zwischen den Kosten fUr die elektrische Energie und dem Preis des fiir die Verdampfer benatigten Brennstoffs sowie die gewiin­schte Konzentration und Reinheit des Endprodukts.

Die grundlegenden Unterschiede zwischen den beiden Verfahren, die bei einem Vergleich dieser Art in Betracht gezogen werden miissen, kannen folgendermassen zusammengefasst werden.

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132 Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

Die wichtigsten Vorteile der Quecksilberkathodenzellen sind:

1. Die dUTCh die Elektrolyse erhaltene Natronlauge ist verhaltnis­massig konzentriert (bis zu 75 %) und bereits von der Salz16sung ge­trennt. Die Verdampfungsanlage ist daher, falls tiberhaupt erforderlich, erheblich einfacher, kleiner und billiger zu betreiben. In manchen Fallen ist sie sogar tiberfttissig, wie z.B. in den Rayonfabriken, in denen die N atronlauge unmittelbar weiterverwendet werden kann.

2. Die Natronlauge ist reiner und frei von Chlorid, so dass em weiterer Reinigungsvorgang tiberfttissig ist.

3. Die Kosten fUr die Wartung der Zellen sind niedriger, da wegen der grosseren Kapazitat, deren Anzahl bei gegebener Tagesproduktion verringert werden kann. Ausserdem fallt das regelmassige Auswechseln der Diaphragmen weg.

4. Der Betrieb muss weniger oft zu Wartungszwecken unterbrochen werden. Die Anzahl der Reservezellen, die zur Aufrechterhaltung der Produktion notig sind, ist daher geringer und das Aufstellen der Anlage weniger kO'itspielig.

Die Diaphragmazellen sind andererseits den Quecksilberkathoden­zellen in einzelnen Punkten tiberlegen :

1. Zur Elektrolyse wird etwa 20 % weniger elektrische Energie benotigt als in den Quecksilberkathodenzellen.

2. Die Betriebssicherheit ist grosser, da kein Chlorknallgas ent­stehen kann. Dieses Risiko ist allerdings in den modernen Quecksilber­kathodenzellen ebenfalls sehr klein.

3. Die den Diaphragmazellen zugefiihrte SalzlOsung muss nicht so extrem gereinigt werden.

Zusammenfassend kann tiber die Anwendbarkeit der beiden Ver­fahren gesagt werden :

1. Die Gesamtkosten der Anlage liegen bei beiden Verfahren in der gleichen Grossenordnung.

2. Ftir die Erzeugung technischer Natronlauge kann das Diaphrag­maverfahren unter bestimmten Voraussetzungen billiger sein.

3. Ftir die Erzeugung sehr reiner N atronlauge (zur Herstellung von Rayon) ist das Quecksilberkathodenverfahren im allgemeinen wirt­schaftlicher.

4. Bei niedrigen Strom- und hohen Brennstoffpreisen ist das Quecksilberverfahren wirtschaftlicher.

5. Das Quecksilberkathodenverfahren kann leichter zur Erzeugung anderer Alkalihydroxide umgestellt werden.

6. Das Quecksilberkathodenverfahren erlaubt die Ausntitzung der reduzierenden Eigenschaften der Alkaliamalgame zur Erzeugung anderer Produkte, wie z.B. Alkalialkoholate, anstelle von Alkalihydroxiden.

7. In bestimmten Fallen, z.E. wenn das Salz unmittelbar als nattir­liche Losung erhalten wird, ist eine Verbindung der beiden Verfahren von Vorteil. Die Roh16sung wird so direkt den Diaphragmazellen zugeftihrt; das reine Salz aus der angeschlossenen Verdampfungsanlage wird in den Quecksilberkathodenzellen verwendet.

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Herstellung von Hypochloriten und Chloraten 133

8. 1m Jahre 1970 wurden erstmals Fragen der Umweltgefahrdung und der Gesundheitsschadigung durch den Quecksilbergehalt von Ab­fallstoffen und von in die Atmosphare entweichenden Dampfen auf­geworfen. In den USA wurden daraufhin zahlreiche Quecksilberkatho­denanlagen geschlossen und durch Diaphragmazellen ersetzt.

Tab. IX. I erlaubt einen Vergleich der fUr verschiedene Diaphragma­und Quecksilberkathodenzellen charakteristischen Betriebsbedingungen.

A.S. Herstellung von Hypochloriten und Chloraten

(I) Theoretische Uberlegungen

1m Abschnitt 2 wurde diskutiert, wie bei der Chloralkalielektrolyse die Stromausbeute optimiert werden kann. Es wurde festgestellt, dass als wesentlichste Bedingung dafiir die Reaktion zwischen dem alkalischen Katholyten und dem mit Chlor gesattigten Anolyten moglichst unter­bunden werden muss.

Konnen sich Anolyt und Katholyt vermischen, so treten Sekun­darreaktion ein, wie aus den Gleichungen (IX.A.2.r) bis (IX.A.2.IO) zu ersehen ist. Es entstehen Hypochlorit- und Chlorationen. Da die Bildungsgeschwindigkeiten von Hypochlorit und Chlorat hauptsachlich von den Betriebsbedingungen abhangen, kann durch eine geeignete Betriebsweise vermieden werden, dass die Reaktion das den Gleichungen (IX.A.2.7) und (IX.A.2.IO) die entsprechende thermodynamische Gleich­gewicht erreicht. Dadurch wird anstelle eines Gemisches das eine oder das andere der beiden Produkte erhalten.

Die im besonderen von F. FOERSTER und E. MULLER und ihren Mitarbeitern durchgefiihrten wissenschaftlichen Untersuchungen sowie die inzwischen erworbene technische Erfahrung vermitteln eine recht genaue Vorstellung von den Reaktionsmechanismen.

Hypochlorit entsteht grundsatzlich dann, wenn unter alkalischen Bedingungen gearbeitet wird. Man erreicht dies, indem man die an der Kathode entstandenen Hydroxylionen mit dem an der Anode gebildeten elementaren ChI or reagieren lasst :

(IX.A.S.r)

Das Hypochlorition reagiert nun mit Wasser, wobei unterchlorige Saure entsteht :

ClO- + H20;;=e HClO + OH- (IX.A.8.z)

Das Gleichgewicht (IX.A.S.z) verschiebt sich durch Absinken des pH-Wertes nach rechts. Eine Bildung von Wasserstoffionen, die dann auftritt, wenn die unterchlorige Saure und das Hypochlorition in geeigne-

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134 Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

tern (schwach saurem) Milieu unter Bildung von Chlorat miteinander reagieren,

z HClO + CIO- ~ Cl0 3 - + z Cl- + z H+ (IX.A.8·3)

begiinstigt daher die N achlieferung von unterchloriger Saure. Die Hypothese, dass Hypochlorit und Chlorat nach dem den

Gleichungen (IX.A.8.l), (IX.A.8.z) und (IX.A.8.3) entsprechenden Me­chanismus entstehen, beruht auf folgender Beobachtung. Eine schwach alkalische Hypochloritlosung ist sehr stabil; sobald jedoch die Losung schwach sauer wird, nimmt ihre Konzentration an CIO- Ionen unter Entstehung einer entsprechenden Menge Cl0 3 - Ionen rasch ab. Da das Hypochlorit ein Salz einer schwachen Saure und einer starken Base ist, wird es zum grossten Teil entsprechend der Gleichung (IX.A.8.z) hydro­lysiert. Daher ist die Menge an freier unterchloriger Saure, im Gleich­gewicht mit dem CIO- Ion, urn so hoher, je niedriger die Konzentration an OH - Ionen ist. Ausserdem kann die Geschwindigkeit der Reaktion (IX.A.8.3) durch die Geschwindigkeit ausgedriickt werden, mit der die CIO- Ionen abnehmen und die der Gleichung

entspricht.

d[CIO-] --- = k [HClO] 2 [CIO-]

dt

Die Entstehungsgeschwindigkeit des Chlorats ist also der Konzen­tration der ClO- Ionen proportional, andert sich aber mit dem Quadrat des Gehalts an freier unterchloriger Saure. Die Bildung der unterchlorigen Saure erfolgt jedoch auf Kosten der CIO- Ionen, wie aus Reaktion (IX.A.8.z) hervorgeht. Aus diesem Grund erhalt man den giinstigsten pH, sobald geniigend freie unterchlorige Saure vorhanden ist, urn die Entstehungsgeschwindigkeiten des Chlorats und des durch die Elektrolyse gebildeten Hypochlorits gleichzuhalten.

Sind in einem System ausser den Cl- und OH- Ionen auch CIO­Ionen in geniigender Menge vorhanden, so miissen auch andere Reak­tionen als (IX.A.8.l), die der anodischen Oxidation des ClO- Ions ent­spricht, und (IX.A.8.z) eintreten.

Sofern die iibrigen Bedingungen unverandert bleiben, erfordert namlich die Entladung der ClO- Ionen eine weniger positive Elektroden­spannung als die der Cl- Ionen, selbst bei Beriicksichtigung aller Dber­spannungen (s. Abb. IX.IO).

Dies erklart, warum folgende Anodenreaktion eintreten kann:

Sie wird von folgender Kathodenreaktion begleitet:

(IX.A.8·5)

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Herstellung von Hypochloriten und Chloraten 135

1# NaOCl;0025NNaOH

Anodische spannun (V)

0.9 10 11 12 1.3 1.:4 15 16 1.7 1.5 1,9 2.0

Abb. IX. 10. - Entladungs­diagramm der Ionen Cl­und CIO-.

Die CIO- Ionen werden, wie bei der Entstehung des Chlorats auf chemischem Wege, zu Cl- Ionen reduziert. Gleichzeitig erfolgt eine elektrolytische Zersetzung des Wassers und daher eine Sauerstoffent­wicklung.

Diese Dberlegung beruht auf der Beobachtung, dass bei der Elek­trolyse einer chloridfreien Hypochloritlosung die Oxydation von ClO- zu Cl0 3 - vom Auftreten von Cl- Ionen begleitet wird, wahrend die Elektri­zitatsmenge, die durch das System fiiesst, den entstandenen Sauerstoff­und Wasserstoffmengen genau entspricht. Der durch (IX.A.8.4) und (IX.A.8.S) dargestellte elektrochemische Vorgang erfordert 6 F, die der Elektrolyse von 3 Mole Wasser entsprechen, wahrend aus dem Hypo­chlorit 2 Grammionen Chlorat entstehen. Ausserdem miissen die reagieren­den 6 Aquivalente Hypochlorit aus 12 Aquivalenten Chlor und einer ent­sprechenden Menge OH - Ionen entstanden sein, wie die Reaktion (IX.A.8.I) zeigt. Die gesamte Elektrizitatsmenge, die zur Herstellung von 2 Grammionen Cl0 3 - aus Cl- benotigt wird, betragt also 18 F, von denen 6 zur Elektrolyse des Wassers verwendet werden. Die entsprechende auf die Herstellung von Chlorat bezogene Stromausbeute betragt daher maximal 0,667.

Die Oxidation des Cl- Ions zu Cl0 3 - erfordert nach folgendem Reaktionsschema ebenfalls 6 Landungsaquivalente:

(IX.A.8.6)

Die entsprechende Stromausbeute ist gleich eins, wie bei der Herstellung von Chlorat durch elektrolytische Oxidation des Chlorids zu elementarem Chlor und darauf folgende sekundare chemische Oxydation durch zwei Disproportionierungen, bei denen zuerst Hypochlorit und dann Chlorat entsteht:

Elektrochemischer Vorgang

Anodenreaktion

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Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

Chemische Oxidation

1. Sekundare Oxidation

3 Cl2 + 6 OH- ~ 3 C10- + 3 C1- + 3 H20

Hydrolyse

2 C10- + 2 H20 ~ 2 HC10 + 20H-

2. Sekundare Oxidation

C10- + 2 HClO ~ ClOa- + 2 C1- + 2 H+

Gesamtreaktion

(IX.A.8·7)

(IX.A.8.6) und (IX.A.8.7) sind in Bezug auf Ladung se1bstver­standlich aquiva1ent. Daraus fo1gt, dass der e1ektrochemische Vorgang (IX.A.8A) und (IX.A.8.5) einen Verlust an e1ektrischer Energie verur­sacht, die zur Zersetzung von Wasser verbraucht wird. Es hangt bei sonst unveranderten Voraussetzungen hauptsach1ich vom pH und der Konzentration der C10- Ionen ab, ob das Ch10rat auf chemischem oder e1ektrochemischem Wege aus dem Hypoch10rit entsteht. Andererseits wird die chemische Ch10ratbi1dung durch eine Temperaturerhohung kinetisch mehr besch1eunigt a1s die e1ektrochemische.

Die Hypoch10ritionen konnen auch durch kathodische Reduktion zersetzt werden :

C10- + H 20 + 2 e- -+ Cl- + 20H- (IX.A.8.S)

Die ClO a - Ionen wei sen ebenfalls eine gewisse Neigung zur kathodischen Reduktion auf, wenn auch weniger a1s die C10- Ionen. Auf einer Kathode aus P1atin oder rostfreiem Stahl werden die C10 a - Ionen nicht reduziert. Die kathodische Reduktion kann fast vollkommen ausgeschaltet werden, indem man der Salzlosung etwa I gil eines Erdalkalisalzes oder eines Alkalichromats zusetzt. So entsteht auf der Kathode ein Erdalkalihy­droxid- oder Cr(OH)a-Diaphragma, an dem keine Reduktion von ClO­und ClO a - stattfindet. Man bevorzugt im allgemeinen den Zusatz von Dichromat, das ausserdem eine Pufferwirkung ausiibt.

Die Vorgange bei der anodischen Chloratbildung sind in Abb. IX. II dargestellt. Die fiinf Kurven wurden von FOERSTER und MULLER bei der Elektrolyse einer Natriumchlorid16sung erhalten, deren Ausgangs­volumen 200 cma und urspriinglicher NaCl-Gehalt 5,1 Mol/l betrug; ausserdem wurden zur Verhinderung der kathodischen Reduktion der entstehenden Hypochlorit- und Chlorationen 0,44 g Kaliumchromat zugesetzt. Die Temperatur wurde auf 12,5 oC gehalten, die Stromdichte auf einer Platinanode betrug 0,067 A/cm2 • Die Ordinatenskala auf ster rechten Seite entspricht den Kurven I und II. Die Kurve I stellt die An-

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Herstellung von Hypochloriten und Chloraten 137

derung der Stromausbeute (bezogen auf aktiven Sauerstoff in Hypo­chlorit bzw. Chlorat) in Abhangigkeit von der Zeit dar. Diese Stromaus­beute ist zunachst zwischen 0,97 und 0,98 und sinkt dann auf 0,667. Die Kurve II entspricht der Anderung der Stromausbeute, bezogen auf entwickelten gasfOrmigen Sauerstoff; diese Stromausbeute steigt von 0 auf 0,333.

Auf der linken Ordinate, die fur die Kurven III, IV und V gilt, ist die Konzentration des aktiven Sauerstoffs des Hypochlorits bzw. des Chlorats in Gramm/loo cm 3 aufgetragen. Die Rypochloritkonzentration (Kurve III) steigt mit der Zeit bis zu einem konstanten Wert an; die Rohe dieser Konzentration hangt von den geometrischen Verhaltnissen und den Betriebsbedingungen abo Die Chloratkonzentration (Kurve IV)

20

16

12

1)4

o 23 4S 6789

100

080

060

040

020

Abb. IX.II. - Diagramm der elektrolytischen Herstellung von NaCIO und NaCI03 •

steigt bis zur Sattigung rasch an. Die Kurve V stellt die theoretische Summe der Konzentration des aktiven Sauerstoffs dar.

Der Reaktionsmechanismus, auf dem die in Abb. IX. II gezeigten Kurven beruhen, konnte im Verlauf der neuesten Forschungsarbeiten (7) weitgehend geklart werden. Bei niedriger Temperatur, wie in dem hier beschriebenen Experiment, wird das Chlorat vorwiegend elektrochemisch gebildet. Da auf Grund der Gleichung (IX.A.8.6) der pH an der Anode niedriger ist, wird das Gleichgewicht der Chlorhydrolyse [Gleichung (IX.A.8.l)] so stark zum Chlor hin verschoben, dass bei hohen Natrium­chloridkonzentrationen die Rydrolysereaktion nicht mehr an der Anode,

(') D. LANDOLT und N. IEL, Electrochim. Acta 15 (1970) II65.

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Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

sondern nur in der Losung, in der der pH-Wert hoher ist, stattfinden kann. Infolgedessen wird im Inneren der Losung Hypochlorit gebildet, das von dort mit einer Geschwindigkeit, die seiner Konzentration ent­spricht (s. Kap. IV.5-6), zur Anode zuriickdiffundiert. Hier wirken die Hypochloritionen in der urspriinglich sauren Diffusionsschicht als Pro­tonenakzeptoren und erhohen so deren pH auf einen Wert, bei dem die Chiorhydrolyse an der Anode stattfinden kann. Unter diesen Vorausset­zungen wird nur ein Teil der zur Anode diffundierenden Hypochloritionen elektrochemisch oxidiert: der andere Teil reagiert mit den an der Anode entstandenen Wasserstoffionen unter Bildung von unterchloriger Saure, die in das Innere der Losung diffundiert und dort durch die an der Kathode entstandenen Hydroxylionen neutraIisiert wird. Ein stabiler Zustand wird erreicht, wenn die Menge der zur Anode diffundierenden Hypochloritionen gleich der Menge der in die Losung diffundierenden unterchlorigen Saure ist. In diesem Modell besteht die Bedeutung der Hypochloritbildung in der Losung und ihrer Diffusion zur Anode in ihrer Pufferwirkung auf die Diffusionsschicht und im Transport von Wasser­stoffionen in Form von unterchloriger Saure in die Losung. An der Anode wird weniger Chlorat gebildet, als bei einem rein auf der Diffusion beru­henden Vorgang erwartet werden konnte, da nur ein Teil der Hypo­chloritionen an der Elektrode reagiert.

(II) H erstellung von H ypochlorit

Die bisher angestellten Dberlegungen, die sowohl auf der Erfahrung ais auch auf theoretischen Grundiagen beruhen, zeigen, dass zur Her­stellung von Hypochlorit durch die Elektrolyse von Natrium- oder Kaliumchiorid ohne darauffolgende Oxidation des Hypochlorits zu Chiorat bestimmte Voraussetzungen erfiillt werden miissen:

I. Die Konzentration des Aikalichiorids muss moglichst hoch sein, urn die Entladung der Cl- Ionen anstelle der CIO- Ionen zu begiinstigen, da Ietztere die Reaktion (IX.A.8.4) ausli:isen wiirden.

2. ]ede starke Bewegung im Inneren des Anolyten, die eine ano­dische Entladung der in der sog. Diffusionsschicht (8) in einer bestimmten Entfernung von der Anode gebildeten ClO- Ionen zur Folge hatte, muss durch eine geeignete geometrische Form der Elektrolysezelle soweit als moglich vermieden werden.

3. Die Stromdichte muss ebenfalls geniigend hoch sein. Wird namlich die Losung nicht bewegt und auch jede andere Ursache einer Turbulenz vermieden, so steigt mit zunehmender Stromdichte die Dber­spannung fiir die Entladung des ClO- Ions rascher als die des Cl- Ions an, so dass die Entladung des letzteren gefordert wird.

(8) Diese Schicht wird Diffusionsschicht genannt wegen der entgegenge­setzten Diffusion des Anolyten und des Katholyten. Sie ist von der Diffu­sionsschicht an den Elektroden (s. Kap. IV) zu unterscheiden.

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Herstellung von Hypochloriten und Chloraten 139

4. Die Arbeitstemperatur muss m6glichst niedrig gehalten werden, urn die Geschwindigkeit der Oxidation des Hypochlorits zu Chlorat, nach Reaktion (IX.A.8.3), herabzusetzen.

5. Die Zelle muss bei neutralem pH arbeiten. In alkali scher L6sung wiirden die Reaktionen (IX.A.8.1) und (IX.A.8.z) in die Richtung einer hohen Konzentration von CIO- Ionen mit darauffolgender Oxidation dieser Ionen nach dem Anodenvorgang (IX.A.8A) verschoben. In saurer L6sung wiirde dagegen die chemische Oxidation nach der Reaktion (IX.A.8.3) gehemmt.

6. Das Chlor ist im Hypochlorition in der Oxidationsstufe +1 vorhanden und wird daher leicht an der Kathode zur Oxidationsstufe -1 (d.h. zum CI- Ion) reduziert. Man verhindert deshalb die Diffusion von CIO- zur Kathode durch Zusatze wie Kaliumchromat, Kalziumchlorid, Harzseifen oder Vanadiumsalze, die die Kathode mit einem fiir die ClO- Ionen nur schwer zu durchdringenden Film umgeben.

Es wurde bereits beobachtet, dass die Hypochloritbildung selbst in einer Elektrolysezelle nicht elektrochemisch ist, da es sich urn eine Sekundarreaktion handelt, an der die Produkte der primaren Anoden­und Kathodenreaktionen (d.h. Chlor und Alkalilauge), nach Gleichung (IX.A.8.1), beteiligt sind. Daher k6nnen ebensogut diese beiden Produkte der Chloralkali-Elektrolysezelle entnommen und in einem anderen Behalter miteinander zur Reaktion gebracht werden. So verfahrt man in den meisten modernen Anlagen, die fiir die Produktion in grossem Massstab gebaut sind, da dieses Herstellungsverfahren weniger Sicher­heitsmassnahmen als die elektrochemischen Hypochloritzellen erfordert; ausserdem k6nnen Anlagen mit wesentlich h6herer Stromkapazitat verwendet werden. Der Vorteil, den die unmittelbare Herstellung des Hypochlorits in eigens dazu gebauten Elektrolysezellen bietet, kann daher nur in Anlagen mit sehr geringer Tagesproduktion ausgeniitzt werden.

Es muss auch festgestellt werden, dass der Restgehalt des Pro­duktes an N atrium- oder Kaliumchlorid (bei gleicher Konzentration an aktivem Chlor) bei Hypochlorit-Elektrolysezellen h6her liegt als bei der Reaktion von Cl2 und NaOH in einem eigenen Reaktor. Das bedeutet, dass bei der Herstellung von Natriumhypochlorit der Salzverbrauch pro kg aktives Chlor im erst en Fall 6 kg gegen 4 kg im zweiten betragt. Ausserdem unterscheiden sich die beiden Falle durch ihren spezifischen Energieverbrauch: in den Chloralkali-Zellen erfordert 1 kg Chlor mit der aquivalenten Menge Natronlauge 3 bis 4 kWh, wahrend der Energie­verbrauch in den Hypochlorit-Zellen gew6hnlich zwischen 5 und 7 kWh pro kg aktives Chlor liegt.

Die Hypochlorit-Zellen sind stets bipolar. In diesem besonderen Fall k6nnen aIle Vorteile dieser Schaltung voll ausgeniitzt werden (vor allem ihre Einfachheit und Kompaktheit), da weder Diaphragmen noch andere Vorrichtungen zur Trennung von Anolyt und Katholyt erfor­derlich sind. In manchen Fallen bestehen die bipolaren Elektroden auf beiden Seiten aus Graphit; in anderen besteht die Elektrode zumindest auf einer Seite aus Platin. Der Abstand zwischen den einzelnen Elektroden

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140 Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

liegt in der Grossenordnung von einigen Millimetern. Die Wannen der Zellen bestehen meist aus Sandstein. In einem Modell (DE NORA) sind die Elektroden nicht senkrecht, sondern schrag angeordnet, urn die Diffusion des an der Oberflache der Anode entstandenen elementaren Chlors in die Losung zu erleichtern und sein Entweichen in die Luft zu vermeiden. Die Zelle wird mit einer 10-15 %igen NaCI-Losung gespeist, der manchmal reduktionshemmende Stoffe wie Kaliumchromat in Mengen von 0,2 bis 0,5 % zugesetzt werden. Die Endkonzentration liegt zwischen 10 und 20 g aktives Chlor pro Liter. Die Spannung der Zelle betragt je nach Modell zwischen 3,7 und 6,1 V. In einer bipolaren Einheit sind gewohnlich nieht mehr als 40 Zellen hintereinandergeschaltet; die ge­samte zugefiihrte Spannung ist maximal 220 V, die hochste Stromauf­nahme 50 A. Dem Elektrolyten wird in regelmassigen Zeitabstanden Natronlauge zugesetzt, urn die an der Anode durch die Reaktion des gasformigen Chlors mit dem Wasser entstandene Saure zu neutralisieren.

Die KELLNER Hypochlorit-Zelle ist ein charakteristisches Beispiel fiir Zellen mit waagrechten Elektroden. Grundriss und Querschnitt dieser Zelle werden in Abb. IX.12 a und b schematisch dargestellt. Die DE NORA-Zelle wird durch die schrage Anordnung der Elektroden ge­kennzeichnet. Sie ist in Abb. IX.13 schematisch dargestellt. In Tab. IX.2 sind einige Angaben iiber die wiehigsten Zellen zur Hypochloriterzeugung zusammengefasst.

d 8

b

Abb. IX.I2. - KELLNER-Zelle zur Herstellung von Hypochlorit. 1.

Anschluss der Graphitkathoden; 2. NaCIO-Auslass; 3. Glaswande; 4. Betontrog; 5. Stromungskanlile fiir den Elektrolyten; 6. Zufuhr der NaCI-LOsung; 7. bipolare Pla­tinelektroden; 8. Anschluss der Graphitanoden; H 2-Abzug nicht eingezeichnet.

Page 154: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Herstellung von Hypochloriten und Chloraten

11

Abb. IX.I3. - DE NORA-Zelle zur Herstellung von Hypochlorit. I. Isolatoren; 2. aussere Kiihlwanne; 3. Elektrolysewanne; 4. Abfluss des Kiihlwassers; 5. Zuleitung der Salzl5suDg ; 6. Endkathode; 7. bipolare Elektroden ; 8. Stiltz­gestelle; 9. Endanode ; roo Elektrolyt; II. Auslass filr das Hypochlorit; 12. Zu­leitung des Kiihlwassers; H 2-Abzug nicht eingezeichnet.

Tab. IX.2. - Betriebsdaten einiger Zellenmodelle zur Hypochloriterzeugung.

Elek- Anfangs- Elektr. Stromaus- Cl Tempe-Modell troden konz. in Span- beute aktiv, ratur

NaCl gIl nung, V gIl in °C

DE NORA Graphit 100-150 3,5 0,78 12-15 18-22 KELLNER Pt-Ir 100 5 0,55 20 21 HAAS-OETTEL Graphit 150 3,7 0,53 14 23 SCHOOP Pt 4.5-5 0,75 10 SCHUCKERT Graphit 100 5,5-6,1 0,6-0.65 18 20-30

Pt-Ir

(III) Herstellung von Chlorat

kWh pro kg aktives

Cl

3.4 6.9 5.5 5 7

Da die anodische Oxidation eine Abnahme der Stromausbeute mit entsprechender Sauerstoffentwicklung verursacht, wird der Elektrolyt durch Zusatz verdiinnter Salzsaure (0,1 N) leicht sauer gehalten (pH zwischen 6 und 6,8).

Ein hOherer Sauregehalt fiihrt zu Chlorentwicklung, da dadurch die Hypochlorit- und daher auch die Chloratbildung abnimmt.

Ausser dem schwach sauren Milieu wird eine verhaltnismassig hohe Temperatur benotigt, urn die chemische Bildung ausreichender Chlorat­mengen zu erreichen. Verwendet man jedoch Graphitanoden, wie in den alteren Anlagen, darf eine Temperatur von 45°C nicht iiberschritten werden, da der Graphit bei hi::iheren Temperaturen rasch oxidiert wird.

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Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

Verwendet man platinierte Titananoden, so kann die Temperatur bis 80 0 C erhoht werden. Dadurch kann, ohne Erhohung des Spannungsab­falls, mit grosseren Stromdichten gearbeitet werden, wahrend der Platz­bedarf abnimmt und die Stromausbeute sich verbessert. Die Aciditat der Diffusionsschicht nimmt dabei zu; dadurch wird das Gleichgewicht der Reaktion (IX.A.8.z) von links nach rechts verschoben, so dass immer weniger C10- Ionen die Diffusionsschicht durchqueren und an der Anode oxidiert werden konnen.

Eine der beiden Reaktionen, die die Oxidation des Graphits verur­sachen, verlauft unter Beteiligung der OH - Ionen und hat anodischen Charakter:

Die zweite Reaktion dagegen entspricht einer unmittelbaren Reak­tion des Graphits mit der ihn angreifenden unterchlorigen Saure:

C + z HCI0 --7 CO2 + z H+ + z Cl-.

Diese letztere Reaktion ist von der Stromdichte unabhangig, so dass sie bei niedriger Stromdichte den grossten Teil des Graphitver­brauchs verursacht. Die Zelle sollte daher mit einer verhaltnismassig hohen anodischen Stromdichte (7 bis ro A/dm 2) betrieben werden, soweit dies mit den vorgeschriebenen Temperatur- und Stromdichtegrenzen (s. weiter unten) in Einklang gebracht werden kann. Der in den Chlorat­Zellen verwendete Graphit wird stets mit Leinol oder einem ahnlichen 01 impragniert, urn seine Porosit1it herabzusetzen. Poroser Graphit wird rascher oxidiert, da in den Poren die beiden oben erw1ihnten Reaktionen durch die geringere Chloridkonzentration gefordert werden.

Die Stromdichte spielt eine wichtjge Rolle, da durch hohe Strom­dichte die chemische Oxidation des Hypochlorits zu Chlorat gefordert wird. Die Elektrolysezellen zur Chloratherstellung sind gewohnlich so bemessen, dass das Verhaltnis zwischen ihrer Stromaufnahme und dem Volumen der in ihnen enthaltenen Elektrolytlosung z A/I nicht iiber­steigt. Bei niedriger Stromdjchte konnen die Reaktionen (IX.A.8.r), (IX.A.8.z) und (IX.A.8.3) im Inneren des Elektrolyten ablaufen, da sie schneller als die anodische Entladung der Cl- Ionen und schneller als die Aufiosung und Entwicklung des elementaren Chlors an der Anode sind. Lasst man ausserdem den Elektrolyten schnell durch die Zelle fiiessen, konnen die zur Chloratbildung fiihrenden Reaktionen auch ausserhalb der Zelle stattfinden, so dass die Stromdichte nur mehr eine sekundare Rolle spielt. Aus diesem Grund werden in den modernen Anlagen oft nach den Elektrolysezellen zusatzliche Reaktoren angeordnet, in denen die Elektrolytlosung langere Zeit verweilt. Ein weiterer Vorteil einer raschen Stromung zwischen Zelle und Reaktor besteht darin, dass die Hypochloritkonzentration (HClO + ClO-) ziemlich niedrig gehalten werden kann. Daraus ergibt sich eine Verbesserung der Stromausbeute, da der Massentransport bei der anodischen Chloratbildung der geschwin­digkeitsbestimmende Schritt ist.

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Herstellung von Hypochloriten und Chloraten

Die Chlorat-Zellen haben, ebenso wie die Hypochlorit-Zellen, kein Diaphragma. Chloratzellen sind jedoch meist monopolar, wobei in jeder Zelle mehrere parallelgeschaltete Anoden und Kathoden angeordnet sind. Die Kathoden bestehen aus durchlocherten Stahlplatten. Die Elektrolysewanne ist gewohnlich ebenfalls aus Stahl und wird auf der gleichen Spannung wie die Kathoden gehalten, urn das Metall kathodisch zu schfitzen. Die meisten Modelle verffigen fiber eine mit kaltem Wasser gespeiste Kfihlanlage, urn die optimale Betriebstemperatur einhalten zu konnen. Bei der Herstellung von Kaliumchlorat ist zu berficksichtigen, dass die Loslichkeit von Kaliumchlorat wesentlich sHirker von der Tem­peratur abhangt als jene von Natriumchlorat. Man zieht es daher meist vor, zuerst Natriumchlorat elektrolytisch herzustellen und daraus, durch eine doppelte Austauschreaktion,

NaCI0 3 + KCl ~ KCI0 3 + NaCl,

Kaliumchlorat kristallisieren lassen. Die Elektrolyse lauft in den meisten Anlagen ohne Unterbrechung, da den Zellen standig von neuem gesattigte Natriumchloridlosung zugefiihrt wird. Nach ihrer Wiederaufsattigung wird die Salzlosung nach dem bereits bei der Chloralkalielektrolyse beschrie­benen Verfahren gereinigt und wieder in die Elektrolysezellen geleitet.

Die Geometrie und die Betriebseigenschaften der einzelnen Chlorat­Zellen weisen grosse Unterschiede auf. Die in Tab. IX.3 angegebenen Werte beziehen sich daher nur auf einige typische Beispiele.

Tab. IX.3. - Betriebsdaten einiger Zellen zur Chloratherstellung

Anodenma terial Ka thodenma terial Elektrische Spannung Stromkapazitiit

Stromdichte Temperatur Stromausbeute Energieverbrauch Graphitbedarf

Graphit; Bleidioxid; platiniertes Titan Stahl 3-4 V 5 000-15 000 A pro monopolare Einheit bis 400 000 A pro bipolare Einheit

Graphit

17 A/dm2

35-45°C 75--90 % 6-7 kWh/kg NaCl03

10 kg/t NaCl03

platiniertes Titan

30 A/dm2

70-80oC

94--96 % 5,5 kWh/kg NaCl03

Zusammensetzung des Elektrolyten: AnfangslOsung EndlOsung pH

280 g NaCl/l; 140 g NaCl03/1 85 g NaCl/l; 500 g NaCl03 /1

6-6,8

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144 Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

B. ANDERE NICHTMETALLURGISCHE ELEKTROLYSEPROZESSE

B.l. Elektrolyse des Wassers

Die Elektrolyse des Wassers dient zur Herstellung von sehr reinem Wasserstoff und Sauerstoff. Diese beiden Gase kannen auch mit Hilfe anderer Verfahren hergestellt werden: man erhalt z.B. Wasserstoff aus Wassergas bzw. Sauerstoff aus fltissiger Luft. Der grasste Vorteil des elektrolytischen Verfahrens besteht jedoch darin, dass man beide Gase mit verhaltnismassig einfachen Apparaturen in grossen Mengen und mit einem tiberaus hohen Reinheitsgrad rasch herstellen kann.

Nach dem FARADAy-Gesetz wird pro Ampere-Stunde 0,037 g Hz und 0,298 g O2 frei. Diese Mengen entsprechen Volumina von 0,4176 1 bzw. 0,2088 1 bei 0 DC und 760 mm Hg. Daraus geht hervor, dass der Wasserverbrauch, ohne die durch Verdampfen eintretenden Verluste zu berticksichtigen, ungefahr 8 1 pro m 3 H2 betragt.

Reines Wasser kann wegen seiner zu geringen Leitfahigkeit ftir die Elektrolyse nicht verwendet werden. Man verwendet daher relativ kon­zentrierte Lasungen einer Oxisaure oder einer Base.

Vor der Erlauterung der Elektrodenvorgange ist festzuhalten, dass die Wasserzersetzung in den meisten Oxisauren und Basen an zwei blanken Platinelektroden ungefahr bei 1,69 V beginnt. Da diese Spannung von der Art der Anionen und der Kationen weitgehend unabhangig ist, muss die Gesamtreaktion stets dieselbe sein. Die geringen beobachteten Schwankungen kannen auf die zwischen den Uberspannungen der beiden Halbreaktionen bestehenden Unterschiede (die yom Saure- oder Basen­gehalt des gelasten Stoffes abhangen kannen) zurtickgefiihrt werden.

In einer wassrigen Lasung einer Saure oder einer Base sind stets mindestens drei Ionenarten, namlich die in beiden Fallen anwesenden Ionen H + und OH - sowie das Anion der Saure bzw. das Kation der Base, vorhanden.

Es ist unwahrscheinlich, dass die bei der Elektrolyse einer alka­lischen Lasung eintretende Wasserstoffentwicklung durch die Entladung von Wasserstoffionen entsteht, wenn man die unter diesen Bedingungen ausserst niedrige Konzentration dieser Ionen in Betracht zieht. Ebenso kann nicht angenommen werden, dass bei der Elektrolyse einer Saure-16sung die Sauerstoffentwicklung durch die Entladung von OH - Ionen erfolgt. In einer sauren Lasung finden daher mit grosser Wahrscheinlich­keit die folgenden Halbreaktionen statt :

an der Kathode --+2H

an der Anode --+ 2 OH + 2 H+ + 2 e-

--+ H20 + 0

Gesamtreaktion

Page 158: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Elektrol yse des ""-assers

In alkalischer Lasung kannte der Vorgang folgenden Reaktionen ent­sprechen:

an der Kathode

an der Anode

Gesamtreaktion

2 H 20 + 2 e- ~ 2 H + 20H­

J 20H-

120H

~2 OH + 2 e-

Die gesamte Entladungsreaktion ist also in beiden Fallen die gleiche; sie fuhrt, unabhangig vom pH der Lasung, primar zur Bildung von H-Atomen und OH-Radikalen und erzeugt schliesslich molekularen Sauerstoff und Wasserstoff.

Die gleichen Dberlegungen kannten angewandt werden, falls es sich bei dem Elektrolyten urn ein Salz eines Alkalimetalles und einer Oxisaure handelte. Zur technischen Elektrolyse des Wassers wird jedoch praktisch keine Salzlasung verwendet. Man zieht es vor, die grassere Beweglichkeit der Wasserstoff- und Hydroxylionen auszunutzen, urn den ohmschen Widerstand des Elektrolyten maglichst niedrig zu halten. Es steht also als Elektrolyt nur entweder eine Saure oder eine Base zur Wahl.

Wie bereits erwahnt, ist die Spannung der Elektrolysezelle von der Beschaffenheit des Elektrolyten so gut wie unabhangig, wenn man von den irreversiblen und den die Uberspannungen verursachenden Vorgangen an den Elektroden absieht. Dies entspricht den Prinzipien der Thermo­dynamik, da das Endergebnis des gesamten Vorgangs, namlich die Zer­setzung des Wassers, in jedem FaIle das gleiche ist. Die theoretisch zur Elektrolyse eines Mols Wasser benatigte elektrische Energie wird durch das Produkt UnF gegeben, wobei U die theoretische Zellenspannung und n die Anzahl der fur jedes reagierende Mol umgesetzten Ladungs­equivalenten bezeichnet (fur Wasser ist n = 2) ; 11' = 96 500 C.

In der Praxis muss die Klemmenspannung der Zellen nicht nur wegen der Uberspannungen, sondern auch aus verschiedenen anderen Grunden haher als der theoretische Wert (I,24 V) sein. Die Gesamt­spannung setzt sich aus der theoretischen Spannung, die dem thermo­dynamisch reversiblen Vorgang entspricht, und mehreren irreversiblen Anteilen zusammen: Durchtrittsuberspannungen fur Wasserstoff und Sauerstoff (jede einzelne hangt von der Stromdichte sowie vom Elektro­denmaterial ab); durch den Elektrolytwiderstand verursachten Span­nungsabfall in der Zelle; und schliesslich Konzentrationsuberspannung.

Die zu Beginn dieses Abschnitts aufgestellten allgemeinen Formeln fur die kathodischen und anodischen Halbreaktionen zeigen deutlich, warum der pH in der unmittelbaren Umgebung der Kathode stets zu­nimmt und an der Anode abnimmt (eine gut bekannte Erscheinung, die bei jeder Elektrolyse einer Lasung, unabhangig von der Art des

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Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

Elektrolyten, eintritt) : die Elektrolytkonzentration andert sich an einer Elektrode schneller als an der anderen.

Der eben beschriebene Vorgang muss jedoch, wenn die anderen Voraussetzungen unverandert bleiben, einen stationaren Zustand er­reichen, da die entstehenden Diffusionskrafte jede weitere Konzentra­tionsanderung verhindern. Das Auftreten von Konzentrationsunter­schieden zwischen dem Anolyten und dem Katholyten kann durch Kunstgriffe vermieden werden, indem man z.B. die Zelle entsprechend konstruiert oder Anordnungen verwendet, die die Zufuhr von Wasser in jenen Bereich, in dem die Elektrolytkonzentration zunimmt (d.h. bei saurer Losung im Anolyten, bei alkalischer Losung im Katholyten) , ermoglicht.

Zur industriellen Erzeugung von Wasserstoff und Sauerstoff kommen als Elektrolyte nur Natron- und Kalilauge in Frage. Diese Wahl beruht auf folgenden Erwagungen: einerseits findet man zum Bau der Zellen leichter alkalifeste als saurefeste Werkstoffe; anderseits ist die Wasser­stofftiberspannung an Stahl erheblich niedriger als an jedem anderen Metall. Selbst an Blei, das im FaIle der Verwendung von Schwefelsaure (die ihrerseits als einzige Saure fUr dieses Elektrolyseverfahren verwendet wird) als Konstruktionswerkstoff bzw. Elektrodenmaterial dient, ist die Wasserstofftiberspannung hoher.

Aus diesen Grtinden ist ein alkalischer Elektrolyt vorzuziehen, obwohl seine Leitfahigkeit unter der der Schwefelsaure liegt und trotz der Tatsache, dass in offenen Zellen verwendete Alkalilaugen leicht mit der Kohlensaure der Luft reagieren. Diese Reaktion ftihrt zu einer Anrei­cherung des Elektrolyten mit Karbonat, die eine Abnahme der Leit­fahigkeit und eventuell die Korrosion der zum Zellenbau verwendete Werk­stoffe zur Folge hat. Bei den normalen Arbeitstemperaturen von 70-80 oC liegt die maximale Leitfahigkeit bei Alkalihydroxidkonzentrationen von etwa 23 Gewichtsprozenten ftir Natronlauge und 27-30 % fUr Kalilauge. In diesem Temperatur- und Konzentrationsbereich ist der wahrend des Betriebs gemessene ohmsche Spannungsabfall fUr beide Elektrolyte ungefahr gleich. Auch die Korrosionsprobleme sind etwa die gleichen. In einer modernen Anlage, vor allem bei bipolaren Zellen, die bei hoher Stromdichte und hoher Temperatur (tiber 70°C) arbeiten, bevorzugt man jedoch im allgemeinen Kalilauge, obwohl sie haufig wesentlich teurer ist. Der Grund dafUr ist, dass bei gleicher Temperatur der Wasser­dampfdruck der 25-30 %igen KOH-Losungen wesentlich niedriger liegt als der der 20-23 %igen NaOH-Losungen. Die Verwendung von Kali­lauge verringert daher die Schwierigkeiten, die sich aus der Entfernung grosserer Mengen Kondenswasser aus dem Gasstrom ergeben. Die Wasser­abscheidung ist notwendig, urn das Verstopfen der Leitungen und die kost­spieligen Verluste an destilliertem oder entmineralisiertem Wasser, das der Anlage wieder zugeftihrt werden kann, zu vermeiden.

Der ohmsche Widerstand der Zelle hangt unter gegebenen Arbeits­bedingungen nicht nur yom Widerstand des Elektrolyten und der geome­trischen Form ab. Die Gase entwickeln sich an den Elektroden in Form von kleinen Blaschen, die sich erst bei Erreichen einer bestimmten Grosse

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Elektrolyse des Wassers

von der ElektrodenoberfHiche losen. Eine ahnliche, unter dem Namen A nodeneffekt bekannte Erscheinung tritt bei der Elektrolyse geschmol­zener Salze auf (s. Kap. IV.15). Die tatsachliche Beriihrungsflache zwi­schen der Metallelektrode und dem Elektrolyten wird dadurch verringert; daraus ergibt sich eine entsprechende Zunahme der effektiven Strom­dichte und der Vberspannung. Ausserdem brauchen die sich von den Elektroden 16senden Blaschen eine bestimmte Zeit, urn durch den Elek­trolyten an dessen Oberflache aufzusteigen. Dadurch wird auch der wirksame Querschnitt des als Leiter betrachteten Elektrolyten zwischen den beiden Elektroden verringert. Aus diesem Grund nimmt der ohmsche Widerstand zu und der Energieverlust ist urn so hoher, je intensiver die Gasentwicklung ist.

Diese Erscheinung hangt in bemerkenswerter Weise von der geome­trischen Form der Zelle ab, da bei gleicher Elektrodenoberflache der von den Gasblaschen besetzte Querschnitt urn so grosser wird, je hoher die Zelle im Verhaltnis zu ihrer Breite ist. Dies ist leicht einzusehen, wenn man bedenkt, dass die oberen Elektrolytschichten sowohl von den dort entstandenen Blaschen als auch von den weiter unten im Inneren der Losung entstandenen Blaschen durchquert werden.

Der Widerstand des Elektrolyten wird nicht nur von der Gasent­wicklung, sondern auch von der bei hoher Temperatur stets eintretenden Entwicklung von Wasserdampf erheblich beeinflusst. Da der Wasser­dampfdruck von 25 %iger KOH bei 80 0 C etwa 250 Torr betragt, ent­spricht das Volumen des entwickelten Dampfes bei dieser Temperatur und normalem Druck ungefahr der Halfte des Volumens der verwend­baren Gase. Da ausserdem der Dampfdruck in Abhangigkeit von der Temperatur exponentiell wachst, nehmen der ohmsche Spannungsabfall und der durch die an den Elektroden haftenden Gasblaschen verursachte zusatzliche Abschirmungseffekt so schnell zu, dass eine Erhohung der Betriebstemperatur auf mehr als 75 oder 80°C praktisch keine Ener­gieersparnis mehr bedeutet. Diese unerwiinschte Auswirkung der Dampf­entwicklung auf die Zellspannung bei Erhohung der Betriebstemperatur tritt noch deutlicher und bei tieferen Temperaturen auf, wenn man als Elektrolyt Natronlauge gleicher Leitfahigkeit verwendet.

Urn die Spannung der Zelle moglichst niedrig zu halten und damit Energieverbrauch zu senken, miissen folgende Bedingungen sorgfaltig eingehalten werden :

1. Die Wahl eines geeigneten Elektrodenmaterials verringert die auf die Vberspannung zuriickfiihrenden Energieverluste. Dieses Material darf selbstverstandlich weder durch den Elektrolyten noch durch die Gase angegriffen werden.

2. Eine Temperaturerhohung senkt die Vberspannung und den Widerstand des Elektrolyten. In der Praxis sind der Temperaturerhohung jedoch durch die Dampfentwicklung Grenzen gesetzt.

3. Ein weiterer wichtiger Faktor ist die Elektrolytkonzentration. Bei gegebener Temperatur steigt die spezifische Leitfahigkeit eines Elek­trolyten mit zunehmender Konzentration, erreicht ein Maximum und fallt dann wieder abo Dieses LeiWihigkeitsmaximum tritt nur dann nicht

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Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

auf, wenn infolge zu geringer Loslichkeit die entsprechende Konzen­tration nicht erreicht werden kann. 1m Temperaturbereich zwischen 0 und roo oC tritt sowohl bei Natronlauge als auch Kalilauge ein Maximum auf. Die Konzentration der Lauge, bei der das LeiWihigkeitsmaximum liegt, nimmt in diesem Temperaturintervall mit der Temperatur linear zu. Durch richtige Wahl der Temperatur und der Konzentration kann daher der ohmsche Spannungsabfall auf ein Minimum herabgesetzt werden.

4. Eine rasche Bewegung des Elektrolyten verhindert das Auf­treten von Konzentrationsiiberspannungen. Zu diesem Zweck werden in einigen Modellen Anolyt und Katholyt durchgechmischt. Dieses Verfahren ist jedoch umstritten, da die Reinheit der Gase darunter lei den kann (wegen des Wasserstoffs und des Sauerstoffs, mit denen Katholyt bzw. Anolyt gesattigt sind).

5. Eine rasche Entfernung der Gasblaschen und des Wasserdampfes zwischen den Elektroden ist vorteilhaft. Haufig werden gelochte Platten als Elektroden verwendet, bei denen die Gasblaschen gleich nach ihrer Entstehung durch die Locher hindurchtreten und den Raum zwischen den Elektroden verlassen konnen.

6. Durch Einhalten des richtigen Abstandes zwischen den Elek­troden kann der Widerstand der Zelle verringert werden. Der giinstigste Abstand darf weder zu gross noch zu gering sein, da die Gasblaschen zwischen den Elektroden ungehindert aufsteigen sollen (siehe hierzu auch Punkt 5).

7. Eine Vergrosserung der aktiven Elektrodenoberflache durch Verwendung von Lamellen, Rillen etc. senkt bei unveranderten ausseren Dimensionen die Stromdichte und verringert die Dberspannungen.

Die Elektroden konnen monopolar oder bipolar geschaltet sein (s. Kap. VII.3). Die Elektrolysezellen mit monopolaren Elektroden gehoren im allgemeinen zu Wannentyp. Die meisten mit bipolaren Elektroden aus­gestattenen Zellen bestehen dagegen aus einer Anzahl Rahmen, die gleich der Anzahl der hintereinandergeschalteten Zellen ist. Diese Rahmen sind

6

7 I \ +

2

durch eingeschobene isolierende Schichten in de Art einer Filterpresse miteinander verbunden. Man nennt daher die bipolaren Modelle den Filterpressentyp. Die erst en Zellen dieser Art, wie sie gegen Ende des vorigen Jahrhunderts von SCHMIDT und SHRIVER gebaut wurden, waren tatsachlich Adaptationen von Filterpressen. Die monopolaren Modelle konnen kleine Unterschiede aufweisen, wor allem beziiglich der Art, den Wasserstoff und den Sauerstoff von­einander zu trennen. Die Trennung der Gase kann z.B. durch ein Glockensystem erreicht werden. Dieses

Abb. IX.I4. - Monopolare Glockenzelle zur Elektrolyse des Wassers: I. Wanne; 2. Elektrolyt; 3. H 2-Abzug; 4. Kathode; 5. Gasglocken; 6. Anode; 7. 02-Abzug.

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Elektrolyse des Wassers

System solI im folgenden als Typ I bezeichnet werden; es ist in Abb. IX.I4 dargestellt (9). In einigen monopolaren Modellen werden die Gase einfach durch Diaphragmen getrennt (Typ 2, s. Abb. IX.IS), wahrend andere Glocken- und Diaphragmasysteme wiederum verbinden (Typ 3, Abb. IX.I6).

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+

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Abb. IX.I5 a und b. - Monopolare Diaphragmazelle fur die Wasserelektrolyse. a) I. Wanne; 2. Elektrolyt; 3. Kathodenan­schluss; 4. H 2-Abzug ; 5· Diaphragma ; 6. 02-Abzug ; 7. Ano­denanschluss. b) I. Als Kathode wirkende Aussenwand; 2. elek­trische Isolation; 3. H 2-Abzug; 4. Diaphragma; 5. Elektro­lyt; 6. 02-Abzug; 7. als Anode wirkende Aussenwand.

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Abb. IX.I6 a un.d b. - Kombinierte monopolare Diaphragma und Glockenzellen fur die Wasserelektrolyse. a) I. Wanne; 2. Diaphragma; 3. Elektrolyt; 4. H 2-Abzug; 5. Kathode; 6. Gasglocken.; 7. Anode; 8. 02-Abzug. b) I. Wanne; 2. hy­draulischer Verschluss; 3. Anoden; 4· 02-Abzug; 5. Elek­trolyt; 6. Kathode; 7. HcAbzug; 8. Diaphragma.

(9) Die Abbildungen IX.I4 bis IX.I9 zeigen stark vereinfachte Darstel­lungen der verschiedenen Zellentypen.

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Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

Bipolare Schaltungen konnen auch in einer Wanne angeordnet werden (Typ 4, Abb. IX.I7); haufiger werden sie allerdings in Filter­pressen-Anordnung gebaut (Typ 5, Abb. IX.I8). Obwohl die beim Ent­wurf und Bau der bipolaren Elektrolysatoren zu lOsenden Probleme schwieriger als bei den monopolaren Modellen sind, zeigen die in den letzten J ahren verbesserten bipolaren Zellen Vorteile der bipolaren ge­geniiber der monopolaren Schaltung. Diese Vorteile sind:

1. Bei gleicher Produktionskapazitat und gleichem Energiever­brauch ist der Platzbedarf der Filterpressen-Zellen erheblich geringer.

9 9

Abb. IX.I7. - Bipolare Zelle (Wannentyp) fiir die Wasserelektrolyse. 1. Wanne; 2. Endkathode; 3. He Abzug; 4. Elektrolyt; 5. Diaphragma; 6. O 2-

Abzug; 7. bipolare Elektrode; S. Endanode ; 9. Iso­latoren.

Abb. IX. IS. - Bipolare Zelle (Filterpres­sentyp) fUr die Wasserelektrolyse. 1. Als Endkathode wirkende Aussenplatte ; 2. H 2-Abzug; 3. Diaphragma; 4· O 2-

Abzug; 5. als bipolare Elektrode die­nende Trennplatte; 6. Elektrolyt; 7. als Endanode dienende Aussenplatte ; S. Iso-

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7

latoren. 8

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Dies hangt nieht nur mit der Elektrolysezelle selbst zusammen, sondern auch damit, dass der grosste Teil der zusatzlichen Apparatur (Kiihlanlage fiir den Elektrolyten, Wasserdampfkondensatoren, Druckausgleicher, Wasch- und Kiihlanlagen fiir die Gase, u.a.) in einer senkrechten kom­pakten Gruppe auf dem von den Zellen gebildeten Block angeordnet werden kann. Manche dieser modernen Anlagen bestehen aus iiber 100 in Serie geschalteten Zellen, mit einer Stromaufnahme von mehr als

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Elektrolyse des Wassers 151

IO 000 A, so dass die Produktion bei einem Bedarf von 35 m 2 Boden­flache 500 m 3 H2 pro Stunde iiberschreitet.

2. In einer bipolaren Anlage kann viel leichter fiir eine kraftige Bewegung des Elektrolyten gesorgt werden. Dadurch wird die Strom­dichte wesentlich erhoht. Das Ergebnis ist auch hier ein geringer Bedarf an Bodenflache.

3. Vorteilhaft ist auch die bei Zellen des Filterpressentyps mogliche hohere Stromdichte, wenn aus dem gewonnenen Wasserstoff schweres Wasser hergestellt werden solI, da der Trennfaktor Deuterium (2H) -Wasserstoff (lH) mit zunehmender Stromdichte steigt.

4- Die Zellen des Filterpressentyps konnen auch mit Vberdruck arbeiten. Die Verwendung von zusatzlichen Pumpen zum Ausgleich des Druckverlustes in den Gasleitungen und zum Dberwinden des Rest­drucks in den Gasflaschen ist daher nicht erforderlich.

5. Der hydraulische Verschluss des glockenartigen Deckels, mit dem zahlreiche monopolare Zellen ausgeriistet sind, verursacht unver­meidliche Verluste durch Verdampfen und den Verbrauch von Lauge durch das Kohlendioxid der Luft. Dieses Problem tritt bei den bipolaren Zellen nicht auf. Das ist ein weiterer Vorteil bei der Herstellung von schwerem Wasser.

6. In einer monopolaren Schaltung werden zahlreiche Anschliisse zwischen den elektrischen Zuleitungen und den Elektroden benotigt. Die elektrischen Anschliisse in einer bipolaren Schaltung werden dagegen hergestellt, indem man die Zuleitungen nur mit den positiven und nega­tiven Endklemmen des Elektrolysators verbindet. Die dadurch erzielbare Ersparnis an Kupfer ist bedeutend; ausserdem wird der elektrische Spannungsabfall in den Leitungen und in den Kontakten auf einen vernachHissigbaren Bruchteil der Gesamtspannung, die gewohnlich meh­rere hundert Volt betragt, verringert.

Man verwendet meist Stahl zum Bau der Zellen, da dieser gegen Alkalilaugen bestandig ist. Die Anoden werden im allgemeinen vernickelt, urn die Sauerstoffiiberspannung zu senken. Die Stahlkathoden werden manchmal mit Kobalt iiberzogen, obwohl die hohen Kosten durch die geringen Vorteile dieser Massnahme kaum gerechtfertigt werden.

Da das Diaphragma einen wesentlichen Bestandteil des Systems bildet, ist das zu seiner Herstellung dienende Material besonders sorg­faltig auszuwahlen. Ausser der Bedingung, den ohmschen Widerstand so klein als moglich zu halten, muss das Diaphragmamaterial die Trennung des Wasserstoffs yom Sauerstoff gewahrleisten, urn den hochsten Rein­heitsgrad dieser beiden Gase zu garantieren. Ausserdem muss das Diaphragma mechanisch so widerstandsfahig sein, dass keine Gefahr eines Risses und somit der Bildung eines explosiven Gasgemisches besteht. Zur Herstellung des Diaphragmas verwendet man gewohnlich ein Asbest­gewebe, das manchmal durch diinne Nickelfaden verstiirkt wird. Siebe oder durchlocherte Metallplatten werden ebenfalls mit Erfolg als Dia­phragmen verwendet. Das Diaphragma dan klarerweise nicht als bipolare Elektrode wirken, daher muss der ohmsche Spannungsabfall IR beim

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152 Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

Stromdurchgang durch das Diaphragma kleiner als die Zellspannung fUr eine Wasserzersetzung sein.

Der spezifische Energieverbrauch kann sich von einem Zellentyp zum anderen stark andern, da die elektrische Betriebsspannung von zahlrei­chen Faktoren abhangt. Bei einer minimalen Klemmenspannung von 1,60 V (s. Tab. IV.2) und einer Stromausbeute von 100 % betragt unter normalen Bedingungen die zur Erzeugung von I m 3 Wasserstoff und 0,5 m 3 Sauerstoff erforderliche Energiemenge 4,02 kWh. Da jedoch die Betriebsbedingungen den idealen Bedingungen nicht entsprechen, liegt der tatsachliche Energieverbrauch kaum unter 5 kWh, eher etwas daruber.

Die Gase, die sich in der Elektrolysezelle entwickeln, enthalten Wasserdampf, dessen Menge dem Partialdruck des Wassers bei der Betriebstemperatur der Zelle entspricht. Ausserdem wird eine gewisse Menge Elektrolyt von den Gasen in Form eines feinen Nebels mitgerissen. Der grosste Teil des Wasserdampfes wird durch Kondensation in geeigne­ten Kondensatoren abgeschieden. Sollen die Gase absolut trocken sein, mussen zur weiteren Trocknung andere Mittel angewandt werden: man leitet die Gase z.B. in Trockenturmen durch verspruhte konzentrierte Schwefelsaure und behandelt sie danach, falls es notig sein sollte, mit Silicagel oder aktiviertem Aluminiumoxid.

Die Elektrolytnebeltropfchen werden durch Waschen der Gase mit dem zur Elektrolyse verwendeten Wasser entfernt. Laugenreste werden manchmal in elektrostatischen Filteranlagen abgeschieden.

Man verwendet destilliertes Wasser oder Kondenswasser; haufig auch durch Ionenaustauscher entmineralisiertes Wasser. Der Rest­gehalt an Salzen muss sehr klein sein (weniger als 5-10 mg/I), da sich diese rasch im Elektrolyten anreichern. Ein zu hoher Salzgehalt fUhrt nicht nur zu Sekundarreaktionen, sondern auch zu verstarkter Korrosion der Elektroden.

Der Betrieb einer Anlage zur Wasserelektrolyse erfordert daher zusatzliche Apparate: Nebelseparatoren, Kondensatoren, Anlagen zur kontinuierlichen oder periodischen Filtration des Elektrolyten, Pumpen fur den Kreislauf und den Transport des Elektrolyten und des Wassers, Einheiten zur Wasserentsalzung, Gasbehalter und -kompressoren.

Bestimmte Teile dieser Vorrichtungen konnen im Elektrolysator selbst angebracht werden, vor allem im Falle bipolarer Zellen. Beim Entwurf der Anlage ist grosste Sorgfalt erforderlich, da ein nicht durch die Elektrolysezellen flies sender Strom neben einem Energieverlust auch eine elektrolytische Korrosion und eine starke Gasentwicklung in anderen Punkten der Anlage und somit eine Verunreinigung der erzeugten Gase verursachen kann.

Es gibt einige Verfahren, bei denen die Elektrolyse des Wassers unter Dberdruck durchgefUhrt wird. Die erforderliche Zellspannung wird dadurch verringert, da bei Dberdruck die entstehenden GasbHischen kleiner sind. N ach den Gesetzen des thermodynamischen Gleichgewichts erscheint diese Verringerung des Energieverbrauchs paradox. Auf Grund der Druckabhangigkeit der reversiblen elektrischen Spannungen der Zelle H 2-02 (s. Bd. I, Kap. III. 7) kann man berechnen, dass bei

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Elektrolyse des Wassers 153

25°C jede Zunahme des Gasdrucks urn einen Faktor Zehn eine Er­hohung der Spannung urn etwa 15 m V bewirkt. Eine Druckerhohung fiihrt aber auch zu einer proportionalen Verringerung des Volumes der entwickelten Gase. Das Volumen der BHischen, die an den Elektroden haft en und durch den Elektrolyten aufsteigen, wird daher ebenfalls verrin­gert. Die LeiWihigkeit des Elektrolyten nimmt also dank der Vergros­serung der zum Stromdurchfluss zur Verfiigung stehenden FHiche zu. Daraus ergibt sich eine Senkung der Stromdichte und des ohmschen Spannungsabfalls. In der Praxis (unter irreversiblen Bedingungen) ist der sich aus der Verringerung des ohmschen Spannungsabfalls durch Betrieb bei erhohtem Druck ergebende Gewinn erheblich grosser, als die durch die Kompression zusatzlich verbrauchte Energiemenge. Die gesamte elektrische Spannung einer unter Dberdruck stehenden Elek­trolysezelle ist also, wenn aIle anderen Faktoren unverandert bleiben, niedIiger als bei Normaldruck. Die grossten Schwierigkeiten, die bei der industriellen Entwicklung der Wasserelektrolyse unter erhohtem Druck auftreten, sind die kompliziertere Zellkonstruktion, die Zunahme der Loslichkeit des Wasserstoffs und des Sauerstoffs im Elektrolyten, un­vermeidliche Stromverluste und die schwierige Regulierung des Drucks, der zu beiden Seiten des Diaphragmas gleich und konstant gehalten werden muss. Ein Druckunterschied von I % zwischen dem Anoden- und Kathodenraum einer bei 200 atm arbeitenden Zelle belastet das Dia­phragma mit einem Druckunterschied von 2 atm und kann bereits zu seiner Zerstorung fiihren.

Einige Zahlenangaben zur Wasserelektrolyse sind in Tab. IX.4 zusammengestell t.

Die in den Handel gebrachten Einheiten des Filterpressentyps, die Gase unter einem Druck von etwa 30 atm erzeugen, waren wahrend mehrerer Jahre in Betrieb.

Tab. IX+ - Betriebsangaben einiger zur Wasserelektrolyse verwendeten Zellen.

% Reinheit Nominale Energie-Modell Typ Elektr. des Gases Temp. Stromdichte Stromaus- verbrauch

Spannung (0C) (A/m 2) beute (kWh/rna HI) H2 O2

KNOWLES 2,12-2,25 99,95 99,5 60-75 600-700 5,5-6.3 ELECTROLAB 2 99. 8 99,8 250-300 FAUSER 3 2,0 99,9 60 400 HOLMBOE 3 1.99-2•09 99,9 99.7 5.02-5.06 SIEMENS 4 1.9-2.3 99.9 98 65-75 800-1500 0.96-0,98 4,5-5,6 BAMAG 5 2,0-2,2 99,9 99,8 75-85 2500 0,99 5.35 DE NORA 5 2,0-2,05 99,9 99. 8 70- 80 1400 0.99 5,01 PECHKRANz 5 2,0-2.5 99,5-99,9 98,5 80 15°0-2000 5.74 ZDANSKY 5* 1,87 99,9 99,5 lIO 1000 4.3

* Arbeitsdruck: 30 atm.

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154 Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

Eine weitere Anwendung der Wasserelektrolyse besteht in der Verbindung dieses Verfahrens mit der Erzeugung von schwerem Wasser oder Deuteriumoxid, D20. 1m natiirlichen Wasser betragt der Molenbruch an Deuterium (Isotop des Wasserstoffs mit einem Atomgewicht gleich 2) ungefahr 1,5 auf 10000 Mole des gesamten vorhandenen Wasserstoffs. Wahrend der Elektrolyse bleibt dieses Verhiiltnis nicht konstant, da die Gasphase weniger Deuterium als das elektrolysierte Wasser enthalt. Dieses Wasser wird also nach und nach mit Deuterium angereichert, bis ein Gleichgewicht eintritt, d.h., bis die Menge des mit dem Wasser­stoff freiwerdenden Deuteriums gleich der mit dem Zusatzwasser zuge­fiihrten Menge ist. Der Wert dieses Isotopentrennveriahrens wird durch den Trennfaktor S, d.h. durch das Verhaltnis

S= d(ln NH)/iq

d(ln ND)/iq (IX.B.l.I)

ausgedriickt, wobei (NH)/iq und (ND)/iq die gesamte Anzahl der in der fiiissigen Phase vorhandenen H- bzw. D-Atome bezeichnen. Die Dif­ferentiale entsprechen in jedem Augenblick einem unendlich klein en Fortschritt des Vorgangs. Der Trennfaktor, wie er hier definiert wurde, ist zwar von der Konzentration des Deuteriums unabhangig, wird jedoch in gewissem Ausmass von anderen Bedingungen beeinfiusst: Art des Kathodenmaterials, Stromdichte und Temperatur. Der Trennfaktor wird durch eine Zunahme der Stromdichte grosser und ist unter normalen Betriebsbedingungen der Temperatur umgekehrt proportional.

Die Gleichung (IX.B.l.I) kann auch in folgender Form angeschrie­ben werden:

S= (dNH/dND)/iq

(NH /ND ) li4 (IX.B.l.2)

Bezeichnet man die innerhalb einer sehr kurzen Zeit in die gasfor­mige Phase abgegebene Anzahl von H- bzw. D-Atomen mit (NH)gas und (ND)gas, so kann die folgende Gleichung aufgestellt werden:

(IX.B.l·3)

Die Gleichung (IX.B.l.3) fiihrt zu einer Definition, die zwar weniger streng giiltig ist als die vorhergehende, jedoch eine viel einfachere prak­tische Handhabung erlaubt. Einsetzen der Gleichung (IX. B.l.3) in die Gleichung (IX. B.l.z) ergibt:

S* = (NH/ND)gas

(NH/ND)/iq

([H] /[D])gas

([H] ![D])/iq (IX.B.l·4)

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Anodische Oxidationen und kathodische Reduktionen 155

in der der neue Trennungsfaktor S* durch das Verhaltnis zwischen den Konzentrationen der beiden Isotope ausgedriickt wird.

Unter den in modernen Elektrolyseanlagen iiblichen Betriebsbedin­gungen betragt der Wert des Trennfaktors S ungefiihr 6.

Die Isotope anderer chemischer Elemente k6nnen ebenfalls elektro­lytisch getrennt werden. In Tab. IX.S findet man einige Werte fUr die Trennfaktoren der haufigsten Isotope.

Tab. IX.5. - Elektrolytische Trennfaktoren fiir einige Isotope.

H/D (5*) 2,8-7,6 7Li/6Li (5) 1,020-1,079 160/180 (5) 1,008 35Cl/37Cl (5) 1,0061 39K/UK (5) 1,0054

Es konnte bisher keine befriedigende Theorie zur Erkliirung der elektrolytischen Trennung von Isotopen aufgestellt werden. Man ist jedoch heute der Ansicht, dass die Trennung der Wasserstoffisotope unter anderem durch die verschiedene Aktivierungsenergie des Adsorp­tionsvorganges auf der Metallelektrode bestimmt wird.

Man kann schweres Wasser mit einem D20-Gehalt von 99,8 % herstellen, indem man eine bestimmte Anzahl Elektrolysezellen so hin­tereinanderschaltet, dass der mit Deuterium angereicherte Elektrolyt der einen Zelle zur Speisung der nachsten verwendet wird.

In der letzten Zeit sind ausser dem elektrolytischen Verfahren, das zuerst verwendet wurde, einige andere Verfahren eingefiihrt worden: fraktionierte Destillation des Wasserstoffs oder des Wassers, Austausch­verfahren mit Temperaturgradienten. Selbst bei niedrigen Stromkosten und hoher Kapazitat der Anlagen ist die elektrolytische Herstellung des schweren Wassers nur dann wirtschaftlich, wenn sie als Nebenzweig an die elektrolytische Wasserstofferzeugung angeschlossen ist.

B.2. Anodische Oxidationen und kathodische Reduktionen

Die industrielle Erzeugung verschiedener Stoffe durch elektroche­mische Oxidation oder Reduktion ist oft vorteilhafter als die entspre­chenden chemischen Verfahren. Erstens weist das auf elektrochemischem Wege hergestellte Produkt gewohnlich einen hoheren Reinheitsgrad auf, da eine Reaktion des zu oxidierenden oder zu reduzierenden Stoffes mit anderen Stoffen meist vermieden werden kann. Ein zweiter wesentlicher Vorteil des elektrochemischen Verfahrens besteht darin, dass es leichter kontrollierbar ist. Man hat die Moglichkeit, wenn der Reduktions- oder Oxidationsvorgang in mehreren Schritten ablauft, aus dem gleichen Aus­gangsstoff verschiedene Produkte zu erhalten. Die Elektrodenspannung

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Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

der Arbeitselektroden kann im allgemeinen durch einfache Anpassung von Zellspannung oder Stromdichte auf den gewiinschten Wert ein­gestellt werden. Dadurch kann das Endprodukt gezielt und in besserer Qualitat als bei der Anwendung der chemischen Verfahren hergestellt werden.

Ausser der Verlasslichkeit des Verfahrens und der Reinheit des Produktes, die die elektrochemischen Oxidationen und Reaktionen kenn­zeichnen, treten auch weniger technische Schwierigkeiten als bei den entsprechenden chemischen Verfahren auf, ganz abgesehen von der Frage der Kosten. Die Verwendung starker Oxidations- oder Reduk­tionsmittel ist im allgemeinen sehr viel teurer als der einfache Energie­verbrauch.

Die Auswahl an Anodenmaterialien zur Verwendung bei anodischen Oxidationen ist verhaltnismassig gering, da die Anode inert oder leicht passivierbar sein muss. Diese Forderung ist besonders schwer zu erfiillen, wenn die gewiinschte Oxidationsreaktion eine hohe Elektrodenspannung benotigt. Unter diesen Voraussetzungen muss der Elektrolyt sauer gehalten werden, urn so die Sauerstoffentwicklung zugunsten der ge­wiinschten Anodenreaktion zu unterdriicken.

Muss die Losung alkalisch sein, verwendet man als Anodenmaterial Platin, Iridium, Kohlenstoff (in Form von Retortenkohle oder Graphit), Eisen (rein oder mit Nickellegiert) oder reines Nickel. In sauren Losungen beschrankt sich die Auswahl auf Platin, Iridium, Kohlenstoff und Blei, das jedoch nur bei Verwendung von Schwefelsaure als Elektrolyt brauch­bar ist.

Fiir Kathodenreaktionen steht eine gross ere Anzahl an reinen Metallen oder Legierungen als Elektrodenmaterial zur Verfiigung. Die Schaltung als Kathode hebt zwar die Passivierungseffekte auf, iibt jedoch einen sehr wirksamen Schutz aus. Das Metall muss natiirlich jedem ein­zelnen Fall entsprechend gewahlt werden, urn durch eine geniigend hohe Wasserstoffiiberspannung die H2-Entwicklung an der Kathode weitgehend zu vermeiden.

(I) Perchlorat

Perch lor at wird durch Oxidation von Chlorat hergestellt. Diese Reaktion kann jedoch nicht unmittelbar in der E1ektrolysezelle durch­gefiihrt werden, in der Chlorat aus Chlorid erzeugt wird, da die Oxida­tionsspannung des C1- Ions erheb1ich niedriger als die des Cl0 3 - Ions ist. Es muss daher von einer moglichst ch10ridfreien Chloratlosung aus­gegangen werden.

Unter den zahlreichen bisher vorgeschlagenen Reaktionsschemata fUr den Mechanismus der Primar- und Sekundarreaktionen bei der Oxidation des Chlorats zum Perch lor at ist das folgende am wahrschein­lichsten (10) :

(10) P. GALLONE et al., J. Electrochem. Soc. 116 (1969) 146.

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Anodische Oxidationen und kathodische Reduktionen 157

Eine erste Primarreaktion fiihrt zur Entstehung des Radikals Cl0 3=

Dieses Radikal reagiert mit Wasser in einem weiteren Entladungsschritt:

Da die Neigung der TAFEL-Geraden auf blankem Platin ziemlich genau 0,12 betragt, kann der Ladungsiibertritt in der ersten Reaktion der oben angefiihrten Reaktionsfolge als geschwindigkeitsbestimmender Schr itt angesehen werden.

Die gesamte Anodenreaktion lautet daher:

Uo = 1,19 V

Die Standardelektrodenspannung ist fast gleich wie die der Sauer­stoffelektrode, und auch die Differenz zwischen den beiden Spannungen wird vom pH nicht beeinflusst. Urn eine annehmbare Stromausbeute zu erreichen, muss daher bei hoher Stromdichte und kontrollierter Tem­peratur an einer Anode mit maglichst hoher Sauerstoffiiberspannung gearbeitet werden. Am besten eignet sich blankes Platin als Anoden­material, an dem eine Stromausbeute von 80 % erreicht werden kann, sofern die Stromdichte nicht unter 50 A/dm2 liegt. Vergleichbare Ergeb­nisse erhalt man auch an mit Bleidioxid iiberzogenen Anoden, unter der Voraussetzung, dass die Lasung wenigstens 2 g N aF 11 enthalt. Die Anwesenheit von Dichromat beeinflusst die Stromausbeute auf blankem Platin nicht, dieselbe senkt jedoch, unabhangig vom Vorhandensein von Natriumchlorid, stark auf Bleidioxid. Andererseits wird die katho­dische Reduktion sowohl von Cl0 3 - als auch von Cl04 -, sogar ohne Dichromat, vernachlassigbar, wenn die Kathode aus rostfreiem Stahl besteht. Dementsprechend wird die Elektrolyse unabhangig vom Katho­denmaterial gewahnlich in ungeteilten Zellen, d.h. ohne Diaphragma, a usgefiihrt.

Die giinstigsten Voraussetzungen zur Herstellung von Perchlorat sind daher eine hohe elektrische Anodenspannung, eine hohe C10 3 - Ionen­konzentration und die Abwesenheit von Cl- Ionen.

Die erste Voraussetzung wird erfiillt, indem man blanke Platinano­den, die eine hohe Sauerstoffiiberspannung haben, verwendet und zur Erhahung der Sauerstoffiiberspannung mit hoher Stromdichte bei mog­lichst tiefer Temperatur arbeitet. Beziiglich der Temperatur muss ein Kompromiss eingegangen werden, da Temperaturerniedrigung nicht nur die Stromausbeute, sondern auch die Uberspannung erhoht, d.h. Ener­gieverbrauch der gewiinschten Elektrodenreaktion.

Als Ausgangsmaterial zur Perchloraterzeugung dient meist Natrium­chlorat, da es leichter loslich als Kalium- und Ammoniumchlorat ist. Die beiden letzteren Perchlorate werden aus diesem Grunde durch Umset-

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Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

zung des Natriumperchlorats mit Kalium- und Ammoniumchlorid hergestellt. Tabelle IX.6 enthalt die wichigsten Angaben fUr die elektroly­tischen Perchloratherstellung.

Tab. IX.6. - Betriebsangaben zur Perchloratherstellung.

Anodenmaterial Ka thodenma terial Elektrische Spannung Anodische Stromdichte Kathodische Stromdichte Stromkapazitat Gesamte Stromausbeute pH Temperatur Zusammensetzung des Elektrolyten:

AnfangslOsung EndlOsung

Energieverbrauch PIa tin bedarf

(II) Permanganat

Platin, Bleidioxid Stahl, rostfreier Stahl 5-6,5 V 20-50 A/dm2

7-10 A/dm2

6000-12 000 A 0,70 - 0 ,80

6,5

50-60 C

700 g NaC13 /l; 20 g NaCl0 4/1 20 g NaCl0 3/l; 800 g NaCl0 4/1 3-3,5 kWh/kg NaCl04

2-3 g/Tonne NaCl04

Die elektrochemische Herstellung von Permanganat hat heute die chemischen Verfahren, hauptsachlich wegen des wesentlich niedrigeren Verbrauchs an Kalilauge, fast vollkommen verdrangt.

Bei beiden Verfahren dient als Ausgangsmaterial Kaliummanganat, das durch Schmelzen des Minerals Braunstein (Mn02) in Anwesenheit von Kalilauge und Luftsauerstoff entsprechend der Reaktion

I Mn02 + z KOH + - O2 --+ K 2Mn0 4 + z H 20

z hergestellt wird.

(IX.B.2.I)

Bei der chemischen Permanganatherstellung wird das durch die Reaktion (IX.B.2.I) erhaltene Manganat durch Oxidation mit Chlor oder durch Disproportionierung in Anwesenheit von Kohlendioxid hergestellt :

2 K2Mn0 4 +C12 --+ Z KMn0 4 + z KCl

3 K 2Mn0 4+z CO2 --+ Z KMn04+Mn02+z K 2C0 3

(IX.B.2.z)

(IX.B.2·3)

Bei Anwendung der Reaktion (IX.B.2.z) gehen 50 % des Alkalihy­droxids durch die Chloridbildung verloren, wahrend bei der Reaktion

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Anodische Oxidationen und kathodische Reduktionen 159

(IX.B.2.3) die Entstehung von Karbonat einen Verlust von 66,7 % des Alkalihydroxids verursacht.

Bei der Herstellung von Permanganat durch anodische Oxidation des Manganats nach der Primarreaktion

Mn04 2 - ~ Mn04- + e-

ist dagegen keinerlei Verlust an Kalilauge zu verzeichnen. Die Kalilauge wird im Gegenteil durch die zur gleichen Zeit an der Kathode statt­findende Halbreaktion, an der ein Molekiil Wasser beteiligt ist, unter Wasserstoffentwicklung regeneriert:

r H20+e-~OH-+ - H2

2

Die entstehenden OH - lonen ergeben mit dem Uberschuss an K + lonen wieder Kalilauge. Wahrend der ganzen Dauer des Oxidations­vorganges entsteht also Kaliumhydroxid, das am Abfluss der Zelle auf­gefangen und zu dem der Reaktion (IX.B.2.r) entsprechenden Schmelz­vorgang wieder verwendet wird.

Da die der Anodenreaktion Mn04 2- ~ Mn04 - + e- entsprechende Standardelektrodenspannung nur etwa +0,56 V betragt, muss kein besonderes Anodenmaterial zur Erhohung der Sauerstoffiiberspannung verwendet werden; Eisenblech z.E. ist durchaus hinreichend. Das Eisen wird durch die Alkalitat der Losung passiviert und daher unter diesen Voraussetzungen kaum korrodiert. 1m allgemeinen zieht man jedoch Nickel oder vernickelten Stahl vor. Die Stromdichte an der Anode muss entsprechend kontrolliert und die Anodenspannung auf dem gewiinschten Wert gehalten werden. Dies dient nicht nur der Oxidation des Manganats, sondern auch der Passivierung der Anode und der Erhaltung ihrer Pas­sivitat. Die anodische Stromdichte darf den Wert, bei dem eine Sauer­stoffentwicklung eintreten konnte, nicht erreichen. Die Stromdichte an der Kathode kann dagegen sehr viel hoher sein; bei hoher kathodischer Stromdichte tritt in den Zellen ohne Diaphragma nur eine schwache kathodische Reduktion der Mn04- lonen ein, da ihre Diffusion aus dem Anolyten durch die entgegengerichtete Wanderung im elektrischen Feld behindert wird. Da die Bestandigkeit der Anode von ihrer Passivitat abhangt, muss der zur Manganatherstellung verwendete Rohstoff moglichst frei von Chloriden und Nitraten sein: das Vorhan­densein dieser Verunreinigungen in der Losung wiirde die Passivitat zerst6ren (s. Kap. VIILI7). Aus dem gleichen Grund wird die Betriebs­temperatur unter 60 0C gehalten. Man kann die giinstigsten Betriebs­bedingungen fUr Permanganatherstellung in folgenden Punkten zusam­menfassen:

I. Die Anodenspannung muss sorgfaltig geregelt werden. 2. Die Stromdichte an der Anode darf nicht zu hoch sein. 3. Die Stromdichte an der Kathode muss verhaltnismassig hoch

sein, urn die Tendez der Mn04- lonen, zur Kathode zu diffundieren, zu verringern.

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160 Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

4. Die Betriebstemperatur darf nicht zu hoch sein. 5. Die zu elektrolysierende Losung darf keine Cl- und N0 3 - Ionen

enthalten.

In einer modernen Industrieanlage wird die Elektrolyse in Batte­rien aus rechteckigen Zellen durchgefuhrt, die fur eine Stromaufnahme von 10000 A ungefahr 3 m lang, 1,25 m breit und 2 m tief sind. Die Anoden bestehen aus vernickeltem Eisenblech und sind in mehreren parallelen Reihen angeordnet. Zwischen den einzelnen Anodenreihen sind die als Kathoden dienenden Eisenstangen befestigt; aIle Kathoden­stangen sind von Asbest oder einem synthetischen Gewebe umhullt, das die Diffusion der Permanganationen zur Kathodenoberflache verhindert.

Dia AnfangslOsung enthalt 200-225 g Manganat (K2Mn04) pro Liter und 5 % Kalilauge. Festes Manganat ist als Bodenkorper anwesend ; der Elektrolyt muss daher kraftig bewegt werden, urn maglichst viel davon wahrend der Elektrolyse aufzulasen. Die Elektrolyse wird unter­brochen, sob aid der Gehalt an K2Mn04 unter 15-20 gil absinkt und da­durch die KOH-Konzentration entsprechend hoch geworden ist.

Der verbrauchte Elektrolyt wird aus der Zelle entfernt ; das in ihm enthaltende Permanganat lasst man in Kristallisatorenbatterien durch Abkuhlung auf 10-15 DC kristallisieren. Die Mutterlauge, die einen K2MnOcGehalt von 15-20 gil und einen KOH-Gehalt von 190-210 gil aufweist, wird durch Verdampfer geleitet, in denen die Konzentration der Kalilauge bis zu 750 g KOHlI erhOht wird. Das gefallte Manganat wird zu der zur Elektrolyse verwendeten Lasung hinzugefiigt. Die kon­zentrierte Lauge wird nun fur einen neuen Arbeitsgang, der mit der Reaktion (IX.B.2.1) beginnt, verwendet.

Die elektrischen Kennzahlen dieses Verfahrens sind aus Tab. IX.7 zu ersehen.

Tab. IX.7. - Elektrische Daten der Permanganatherstellung.

Elektroden Elektrische Spannung Anodische Stromdichte Kathodische Stromdichte Stromausbeute Energieverbrauch

Fe; Ni 2,5-3 V 1,5 A/dm2

15 A/dm2

0,55-0,7 0,77-0,85 kWh/kg

(III) Peroxodischwejelsaure und Peroxodis~tljate

Die Peroxodischwefelsaure und ihre Salze werden ausschliesslich durch anodische Oxidation hergestellt. Die an der Anode stattfindenden Primarreaktionen sind noch nicht vollstandig geklart.

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Anodische Oxidationen und kathodische Reduktionen r61

In Schwefelsaure sind die lonen H + und HSO 4 - vorhanden, so dass die anodische Primarreaktion wahrscheinlich die folgende ist:

HS04- -7- HS04 + e­

z HS04 -7- H 2S20 g

Das gleiche Ergebnis konnte allerdings auch auf andere Weise erreicht werden. In einer neutralen Sulfatlosung scheint der einzige anodische Mechanismus in der teilweisen Entladung der S042 - lonen und einer darauf folgenden Dimerisation zu bestehen :

Z S042 - -7- Z S04- + z e­

ZS04- -7-S20g2 -

Die zur gleichen Zeit an der Kathode stattfindende Primarreaktion ist die Entladung der H + lonen. Abgesehen von diesen primaren Oxida­tionsreaktionen erreicht man fUr den Gesamtprozess der Peroxodisulfat­herstellung keine hohe Stromausbeute. Geht man von einer konzentrierten SchwefelsaurelOsung aus, kann die neugebildete Peroxodischwefelsaure durch sekundare Zersetzungsreaktionen unter Zerstorung der dabei ent­standenen Peroxomonoschwefelsaure wieder in Schwefelsaure ubergehen:

H 2S20 g + H 20 -7- H 2S05 + H 2S04

H 2S0 5 + Z OH- -7- H 2S04 + H 20 + O2 + Z e-

Dabei wird die gleiche Anzahl Ladungen wie bei ihrer Bildung verbraucht. Unter bestimmten Bedingungen kann der Wert der Strom­ausbeute sehr niedrig und sogar negativ werden; d.h., wenn die Aus­gangslOsung Peroxodischwefelsaure enthalt, kann deren Konzentration wahrend der Elektrolyse ab- anstatt zunehmen. Urn bei der Herstellung von Peroxodisulfat eine befriedigende Stromausbeute zu erhalten, muss daher durch eine hinreichend hohe Stromdichte fur eine rasche Zunahme der Peroxodisulfatkonzentration gesorgt werden, wobei die entstehende Peroxomonoschwefelsaure durch geeignete Mittel (z.B. Cl- lonen) sofort zersetzt wird.

Die Oxidationsvorgange, die zur Bildung von Peroxodischwefelsaure oder Peroxodisulfaten fUhren, sowie deren kathodische Reduktion, sind ausgesprochen irreversibel, so dass die entsprechenden Standardelektro­denspannungen praktisch unbekannt sind. Man weiss jedoch aus Er­fahrung, dass nur eine moglichst hohe Anodenspannung eine befriedigende Stromausbeute erlaubt. Deshalb empfiehlt es sich, mit hoher Stromdichte zu arbeiten und Anoden aus blankem Platin zu verwenden, wodurch eine hohe Sauerstoffuberspannung erreicht wird.

Aus allen diesen Grunden mussen bei der Herstellung der Peroxo­dischwefelsaure die Prozessparameter entsprechend eingestellt werden, urn

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162 Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

eine tragbare Stromausbeute zu erhalten. Die wesentlichen Bedingungen sind:

1. Die Konzentration der Schwefelsaure darf weder zu hoch noch zu niedrig sein, da sonst zu viel Peroxomonoschwefelsaure gebildet wird.

2. Die Anodenspannung soll hoch sein. 3. Die anodische Stromdichte muss so gross sein, dass die Ent­

stehungsgeschwindigkeit der Peroxodischwefelsaure wesentlich grosser als ihre Zersetzungsgeschwindigkeit wird.

4. Die Betriebstemperatur muss niedrig sein, da hohe Temperaturen die Zersetzung der Produkte beschleunigen.

5. Durch Zusatz von geeigneten Chemikalien muss die gebildete Peroxomonoschwefelsaure chemisch sofort zersetzt werden.

6. Der Elektrolyt muss sorgfaltig gereinigt werden, da viele Stoffe, wie z.B. Arsen, Eisen, Mangan und Platinschwarz, die Zersetzung des Peroxodisulfats katalysieren.

Wird der Anolyt vom Katholyten durch ein Diaphragma getrennt, so kann die letzte Voraussetzung ohne wei teres erfiillt werden, indem man den Elektrolyten vom Kathodenraum zum Anodenraum fiiessen lasst, wobei der grosste Teil der storenden Metalle an der Kathode abgeschieden wird. Zugleich verarmt der Katholyt an Sulfationen, da diese durch das Diaphragma wandern. Dieser und auch andere Sulfatverluste werden durch die Zufuhr frischer Schwefelsaure ausgeglichen. Diese Saure wird gereinigt, bevor sie dem Elektrolyten zugefiihrt wird.

Wird Schwefelsaure als Elektrolyt verwendet, so besteht das Dia­phragma immer aus unglasiertem, porosem Porzellan. Das Diaphragma verhindert die Diffusion der Peroxodischwefelsaure zur Kathode und halt so die Verluste durch Reduktion gering. Unter diesen Voraussetzungen erhalt man die maximale Konzentration an aktivem Sauerstoff, indem man die Elektrolysezelle mit Schwefelsaure einer Konzentration von 500-600 g/l (d = 1,30-1,35) speist. Die maxim ale Stromausbeute wird allerdings erst bei einem Anfangsgehalt von 730 g/l (d = lA15) erreicht.

Bei der Elektrolyse von Ammonium- oder Kaliumsulfatlosungen ist die Stromausbeute wesentlich hoher als bei der von Schwefelsaure. Die Verwendung von Porzellandiaphragmen ist daher nicht unbedingt erforderlich. Als Vorsichtsmassregel empfiehlt sich allerdings, die Katho­den mit einem Asbestgewebe zu umgeben oder dem Elektrolysebad ungefahr 0,2 % Dichromat zuzusetzen, urn auf der Kathodenoberfiache einen Film aus Chromhydroxid zu erzeugen. Die Verwendung von Kalium­dichromat ist jedoch nur moglich, wenn die Elektrolyse mit einer neu­tralen Sulfatlosung durchgefiihrt wird, da andernfalls der die Reduktion des Peroxodisulfats verhindernde Chromhydroxidfilm reduziert wird.

Ammoniumsulfat eignet sich dank seiner grossen Loslichkeit besser als Kaliumsulfat. In einer typischen Anlage enthalt del' Elektrolyt 230-250 g/l Ammoniumsulfat und 250-270 g/l Schwefelsaure; dies entspricht ungefahr der Zusammensetzung von (NH4)HS04 •

Nach der Elektrolyse enthalt die Losung 240-250 g/l Ammonium­peroxodisulfat, ungefahr 100 g/l Ammoniumsulfat und 200 g/l freie

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Anodische Oxidationen und kathodische Reduktionen 163

Saure. Die Elektrolyse wird bei einer Temperatur von 30 oC durchgefiihrt. Die Stromdichte an den Platinanoden betragt 125 A/dm2 und die Strom­konzentration 13 A/I. Die Kathoden k6nnen aus Graphit- oder Bleistan­gen bestehen.

Die Peroxodisulfatkonzentration kann durch Kreislauffiihrung des Elektrolyten stetig erh6ht werden. Bestehen die Kathoden aus Blei, so k6nnen sie gleichzeitig zur Kiihlung dienen. Das Endprodukt wird durch Kristallisation erhalten. Das Innere der Elektrolysewannen ist mit saure­festen Ziegeln oder mit Polyvinylchlorid ausgekleidet.

Die elektrolytische Herstellung der Peroxodisulfate ist bedeutend, da sie die Rohstoffe zur Erzeugung des Wasserstoffperoxids liefert :

Die Hydrolyse wird mit Dampf bei IIO °C durchgefiihrt und das Wasserstoffperoxid unter einem absoluten Druck von 20 mm Hg de­stilliert.

Das Ammoniumhydrogensulfat wird nach Reinigung, Filterung und Wiedereinstellung der Konzentration an Ammoniumsalz und Schwefel­saure in die Elektrolysezelle zuriickgeleitet.

Tab. IX.S. - Elektrische Daten der Herstellung von Ammoniumperoxodisulfat. Elektrolyt: (NH4)2S04 + H 2S04,

Anoden Kathoden Elektrische Spannung Stromdichte Stromstarke Stromausbeute Energieverbrauch

Pt Pb; Graphit 5,5-6,5 V 30-150 A/dm2

4500 A 0,7-o,S I,S-2,2 kWh/kg (NH4)2S20S

(IV) Oxidationen und Reduktionen organischer Verbindungen (11)

Zahlreiche organische Verbindungen k6nnen auf elektrolytischem Wege hergestellt werden, auch wenn die Ausgangs- und Endprodukte selbst keine Elektrolyte sind. Die unter diesen Bedingungen stattfindende Elektrolyse des Wassers wird von Sekundarreaktionen begleitet, an denen die organischen Stoffe teilnehmen.

Die organische Elektrochemie ist bisher von viel geringerer indu­strieller Bedeutung als die anorganische Elektrochemie, befindet sich

(11) Siehe auch den Artikel von F. BECK, Entwicklungsstand der Elektro­synthese organischer Verbindungen, Chem. lng. Techn. 42 (1970) 153 und denje­nigen von S. WAWZONECK, Science, 155 (1967) 39. Dieser letzte enthalt eine sehr reichhaltige und aktuelle Bibliographie der organischen Elektrochemie.

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Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

jedoch in rascher Entwicklung. Unter den gebrauchlichen Verfahren, auf die nicht naher eingegangen werden kann, sind die Oxidation des An­thracen zu Anthrachinon, die Reduktion der Glucose zu Mannit und Sorbit, die Reduktion des Nitrobenzols zu p-Aminophenol, die Reduktion und Dimerisation des Acrylonitrils zu Adipinsauredinitril und die Her­stellung von Bleitetraalkyl zu erwahnen.

Die organische Elektrochemie hat sich bisher nur langsam durch­gesetzt, vor allem deshalb, weil fast aIle organischen Reaktionen von einer Anzahl mehr oder weniger komplexer Sekundarreaktionen mit verschiedenen Reaktionsgeschwindigkeiten begleitet werden. Dazu kom­men haufig noch verzogerte Reaktionen, die durch die von ihnen verur­sachten tJberspannungen dem Vorgang eine unerwunschte Richtung verleihen konnen. Ausserdem ist die Loslichkeit der organischen Ver­bindungen oft gering und ihre Leitfahigkeit sehr niedrig bzw. fast Null. Wegen des haufigen Auftretens verzogerter Reaktionen ist es schwierig, die elektrischen Anoden- und Kathodenspannungen hinreichend genau auf Werte einzustellen, die wirtschaftlich tragbare Werte fur die Strom­und Energieausbeute ergeben.

Auch die elektroorganischen Reaktionen folgen den allgemeinen Prinzipien, die in den Kap. IV und IX dargelegt wurden. Das Auftreten und die Ausbeute einer Reaktion hangen auch im Fall der organischen Verbindungen von folgenden Faktoren ab: Elektrodenspannung, Strom­dichte, Konzentration und Diffusionsgeschwindigkeit der reagierenden Stoffe, Temperatur, Bewegung des Elektrolytbades, Elektrodenmaterial, katalytische Eigenschaften des Elektrodenmaterials und anderer im Elektrolysebad vorhandener Stoffe usw.

Eine Besonderheit organischer Molekiile ist die Moglichkeit einer elektrochemischen Umwandlung in anionische oder kationische Carbo­radikale; letztere reagieren sehr schnell und konnen Polymerisationsvor­gange auslosen.

B.3. Elektrolyse der Salzsaure

Dieser technisch durchaus mogliche Vorgang erscheint yom wir t­schaftlichen Standpunkt aus zunachst widersinnig. Er hat jedoch in den letzten J ahren sehr an Bedeutung gewonnen, da in der modernen chemischen Industrie grosse Mengen Abfallsalzsaure anfallen. Diese SaUTe entsteht vor allem als Nebenprodukt der organischen Chlorierungs­verfahren. In vielen Fallen ist die elektrolytische Wiedergewinnung des Chlors, das an Ort und Stelle sofort von neuem verwendet werden kann, die billigste und praktischste Art, so grosse Mengen Salzsaure zu besei­tigen. Die einzige andere Moglichkeit ware die Einleitung der Saure in die Abwasser; die Folge ware eine schwerwiegende Gewasserverunreinigung.

Das auf die Salzsaure angewendete elekholytische Verfahren er­zeugt Chlor und eine aquivalente Menge Wasserstoff. Wirtschaftlich wird die Salzsaureelektrolyse erst dadurch, dass sie zur Erzeugung eines

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Elektrolyse der Salzsiiure

Aquivalents Chlor nur halb soviel Energie benotigt wie die Chloralkali­elektrolyse.

Da die beiden durch die Elektrolyse einer wassrigen HCI-Losung erhaltenen Produkte gasfOrmig sind, sind die technischen Merkmale dieses Verfahrens denen der Wasserelektrolyse sehr ahnlich.

Aus den gleichen Griinden wie bei der Wasserelektrolyse beruhen die industriellen Anlagen zur Elektrolyse der Salzsaure auf dem bipolaren oder Filterpressenmodell. Es treten jedoch wegen der korrosiven Wirkung des Elektrolyten und des Chlors eine Reihe zusatzlicher Problem en auf.

Die von der modernen Industrie hergestellten synthetischen Harze bewahren sich hier besonders. Die Zellenrahmen konnen so vollkommen aus gegossenen Elementen aufgebaut werden (Phenol-Formaldehyd- oder Harnstoff-Formaldehyd-Harze), wahrend die Diaphragmen im allgemei­nen aus Polyvinylchlorid bestehen.

Die einzelnen Diaphragmen sind zwischen Rahmen angebracht, an denen die Elektroden angeschweisst sind. Die Elektroden bestehen aus Graphitplatten, die auf beiden Seiten gerippt sind.

Die Konzentration der in die Zelle eintretenden SalzsaurelOsung betragt 33 %, die der austretenden Losung nur mehr 18 %. Diese letztere wird zur Anreicherung durch einen Absorptionsturm geleitet, in dem sie gegen einen aus den Chlorierungsanlagen stammenden HCl-Strom fliesst.

Bei der Betriebstemperatur von 80 0 C enthalten die aus dem Elek­trolysator kommenden Chlor- und Wasserstoffgasstrome 2 bis 3 % HCl. Man entfernt diesen Rest in getrennten Wasch- und Kiihlanlagen; die erhaltene Saure wird in die HCI-Absorptionstiirme geleitet. Da die mittlere Leitfahigkeit del Salzsaurelosung bei der Betriebstemperatur 3- bis 4mal hoher als die einer N atriumchloridlOsung ist, kann die Strom­dichte im allgemeinen mehr als 40 Ajdm2 betragen.

Bei der weiter oben angefiihrten hohen HCI-Konzentration ist die Gleichgewichtsspannung fiir das System H21HCIICl2 etwa gleich I,3 V, im Vergleich zu mehr als I,4 V fiir das System H21H20102' Die anodische Entladung des Sauerstoffs ist daher schon thermodynamisch und nicht nur wegen der hohen Sauerstoffiiberspannung unmoglich. Der Graphit­verbrauch wird daher sowohl an der Anode als auch an der Kathode nur durch die mechanische Erosion verursacht und ist so gering, dass die Lebensdauer praktisch unbegrenzt ist.

Die elektrischen Kenngrossen der Salzsaureelektrolyse sind in Tab. IX.g zusammengefasst.

Tab. IX.9. - Elektrische Daten zur Salzsaureelektrolyse.

Elektroden Elektrische Spannung Stromdichte Stromausbeute Energieverbrauch

Graphit 2,6 V 30-50 Ajdm2 0,98 2 kWh/kg C12

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166 Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

B.4. Schwerlosliche Metallverbindungen

Enthalt die Elektrolytlasung Anionen, die mit den Kationen des Elektrodenmetalls schwerlasliche Verbindungen bilden, so wird die Elektrode bei anodischer Belastung oft kaum angegriffen, weil bereits die ersten anodisch gebildeten Kationen mit den Anionen einen schutz­enden Oberflachenfilm bilden. 1st die entstehende Oberflachenschicht gut haftend und dieht, so wird die Anode passiviert (s. Kap. VIII. 17) . Enthiilt der Elektrolyt jedoch auch noch andere Anionen, die mit den von der Anode stammenden Kationen eine leicht lasliche Verbindung eingehen, dann kannen die Betriebsbedingungen der Elektrolyse so ge­wahlt werden, dass die schwerlasliche Verbindung nicht unmittelbar auf der Anodenoberflache, sondern in einiger Entfernung davon ausge­fallt wird.

Unter diesen Voraussetzungen haftet das Reaktionsprodukt nicht auf der Anode, und die Anodenreaktion kann mit der theoretischen Stromausbeute weiter ablaufen, wahrend das Reaktionsprodukt nach seinem Dbergang in die Lasung ausgefallt wird.

Auf diesem Prinzip beruht die elektrochemische Herstellung von Verbindungen wie Bleiweiss (basisches Bleikarbonat), Chromgelb (Blei­chromat) (12) usw.

Das erste Herstellungsverfahren fur diese Pigmente wurde von LUCKOW ausgearbeitet. Der Elektrolyt besteht aus einer 1,5 %igen Lasung eines Gemischs von 80 % Natriumchlorat und 20 % Natrium­karbonat oder -chromat. Die Anoden bestehen aus reinem Blei, die Kathoden aus Hartblei. Fiihrt man die Elektrolyse mit einer Strom­dichte von etwa 0,5 A/dm2 durch, so lOst sich das entstandene basische Bleikarbonat oder das Bleiehromat leicht von der Anode abo Bei dem Prozess werden die Anionen der Lasung verbraucht, so dass deren Alka­litat steigt. Ein Teil des Elektrolyten wird daher standig abgezogen, wieder mit Kohlensaure oder Chromsaure gesattigt und der Elektrolyse­zelle wieder zugefiihrt. Eine modernere Herstellungsmethode fur Bleiweiss stammt von SPERRY. Man verwendet bei diesem Verfahren eine Zelle, in der ein Diaphragma zwei Elektrolyte verschiedener Zusammensetzung trennt. Der Anolyt enthalt 4 % Natriumacetat, 0,06 bis 0,2 % Natrium­karbonat und 0,05 % Natriumhydrogenkarbonat. Der Katholyt enthalt 4 % Natriumacetat, seine Karbonatkonzentration ist jedoch erheblich haher als die des Anolyten und kann 5 % erreichen. Die anodisch ent­stehenden Kationen Pb2+ treffen beim Diaphragma auf die Karbonat­ionen, die aus dem Kathodenraum stammen und das Diaphragma durchquert haben. Die Fallung verlauft nach der Reaktion:

3 Pb2+ + 4 CO a2- + 2 H20 -? (2 PbCO a) . Pb(OH)2 + 2 HCO a-.

(12) Es gibt eine grosse Anzahl Patente fUr Herstellungsverfahren von basischen Chromaten und Sulfochromaten (Gemische aus Sulfaten und Chro­maten) der Schwermetalle; sie werden zur Herstellung von Farbstoffen ver­wendet. AIle diese Verfahren verwenden ZeIlen mit zwei Elektrolyten.

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SchwerlOsliche Metallverbindungen

Der Anolyt, in dem das gebildete Bleiweiss suspendiert ist, wird in entsprechenden Anlagen konzentriert, filtriert und dann wieder in den Anodenraum der Elektrolysezelle geleitet. Der alkalisch gewordene Katholyt wird in einen Absorptionsturm im Gegenstrom zu kohlen­sauregesattigtem Dampf und wieder zuruck in den Kathodenraum geleitet. Urn ein hochwertiges, chemisch einheitliches Produkt herzustellen, muss die Zusammensetzung des Elektrolyten konstant gehalten werden. Dies erreicht man durch eine der Gesamtstromstiirke entsprechende Regulie­lUng des Anolyt- und Katholytkreislaufs. Abb. IX.I9 zeigt eine schemati­sche Darstellung dieses Herstellungsverfahrens.

Klarer Oiaphragma Erschopfter Katholyt r-A-n-o-Iy-t------------~: " Ir--------~----~l

:o.~' I I l-g Carbtonat-:: : -E -blldung

i ~ Anolyt mit

Oekant ierung suspendiertem ~ Bleiweiss

Konzentrierung

t

Regenerierter Katholyt

Filtrierung - Waschung _ Trocknung _ pulvensierung

Abb. IX.I9. - Schema der BleiweisshersteIlun,g.

Die Wanne der Elektrolysezelle besteht im allgemeinen aus Eisen­beton, der mit Asphalt ausgekleidet wird, urn ein Rissigwerden der Wan de zu vermeiden.

Die Anode besteht aus Blei. Ein sehr hoher Reinheitsgrad des Bleis ist jedoch bei diesem Verfahren nicht erforderlich, da die in diesem Metall enthaltenen Verunreinigungen im allgemeinen edler als das Blei selbst sind. Sie gehen daher nieht in Lasung, sondern bilden eine Ablagerung an der Anodenoberflache, von der sie von Zeit zu Zeit durch Bursten entfernt werden. Die Kathoden bestehen aus Stahl oder Eisen­blech. Das Diaphragma besteht aus Leinengewebe, das dieht genug ist, urn ein Eindringen der Bleiweisspartikel in den Anodenraum zu ver­hindern.

Das so erhaltene Bleiweiss ist sehr rein, es weist eine konstante Zusammensetzung, sehr feines und gleichmassiges Korn und glanzend­weisse Farbe auf. Es wird mit dem Anolyten als 0,5 %ige Suspension abgezogen, in einem Kondensator aufgefangen und schliesslich filtriert. Das Rohprodukt wird mit warmem Wasser gewaschen, getrocknet und pulverisiert. Dieser letzte Arbeitsgang dient nur zur Zerkleinerung der Agglomerate, da die Korngrasse durch die Elektrolyse bestimmt wird.

Tab. IX.IO enthalt die elektrischen Kenngrassen des SPERRY­Prozesses.

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168 Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

Tab. IX. 10. - Elektrische Daten zur Bleiweissherstellung nach dem SPERRY­Verfahren.

Anoden Kathoden Elektrische Spannung Stromdichte Stromausbeute Energieverbrauch

Pb Fe 3,5 V 2,7-2,8 A/dm2

0,97 0,45-0,5 kWh/kg

B.S. Entsalzung durch Elektrodialyse mit semipermeablen Membranen

Wie bereits in Kap. VI.6 erwahnt, ist die Elektrodialyse ein Ver­fahren zur Entfernung von Elektrolyten aus wassrigen oder nichtwass­rigen Losungen; dabei wird senkrecht zu der in die Elektrolytlosung eintauchenden permselektiven Membran ein elektrisches Gleichspan­nungsfeld angelegt. Infolge der Entwicklung der sog. permselektiven oder Ionenaustauschermembranen hat dieses Verfahren in der Industrie eine grosse Bedeutung erlangt. Dank dieser synthetischen Membranen kann die Elektrodialyse mit anderen physikalischen Verfahren, wie z.B. mit der Destillation, zur Herstellung von Trinkwasser durch Entsalzen von Brackwasser (dessen Salzgehalt zwischen lund mehreren gil liegt) oder zur Herstellung konzentrierter Kochsalzlosungen aus Meerwasser (fur Chloralkalielektrolysen) in Wettbewerb treten.

In der Natur gibt es eine grosse Anzahl an Membranen mit selektiver Permeabilitat. Sie sind von grosster Bedeutung fUr die lebenden Zellen, die auf diese Weise fUr anorganische Kationen, mit Ausnahme der Pro­tonen, undurchlassig, fUr Anionen dagegen durchlassig sind.

Die chemische Struktur der synthetischen permselektiven Mem­brane ist im wesentlichen die gleiche wie die der Ionenaustauscherharze. Eine Kationenaustauschermembran kann also z.B. aus einem Film aus modifiziertem Polystyrolharz bestehen, in das stark saure Sulfonsaure­gruppen (-SOaH) eingebaut sind. Lasst man von dieser Verbindung Wasser absorbieren, so dissoziieren die Sulfonsauregruppen einerseits in R-SOa­Ionen, die chemisch an die Matrix gebunden (fixiert) bleiben, und in Gegenionen, die in diesem Fall Protonen sind.

Eine Anionenaustauschermembran kann quaternare Ammonium­gruppen (z.B. -CH2-N +(CHa) aOH -) enthalten, die in fixierte Ionen und bewegliche Gegenionen OH - dissoziieren, wenn die Poren der Membran sich mit Wasser vollsaugen.

Enthalt das mit den Ionenaustauschern in Kontakt stehende Wasser ein Salz, so bildet sich ein ionisches Gleichgewicht zwischen der wassrigen Phase im Inneren der mikroporosen Struktur der Membran und der Losung, wobei die Ionen des dissoziierten Salzes die vorher als Gegen­ionen enthaltenen Ionen H + und OH - teilweise ersetzen. Auf Grund der

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Entsalzung durch Elektrodialyse 169

Elektroneutralitat muss die Konzentration der in dem Porenwasser gelosten Koionen (Ionen, die eine Ladung gleichen Vorzeichens wie die der fixierten Ionen tragen) niedriger als die Konzentration der Gegenionen (die eine Ladung des entgegengesetzten Vorzeichens tragen) sein. Die Ionengleichung, die das thermodynamische Gleichgewicht ausdriickt, kann aufgestellt werden, wenn man annimmt, dass die fixierten Ladungen in der fliissigen Phase im Inneren der Poren gleichmassig verteilt sind, was durch ihre submikroskopische Dimension (20 bis 40 A) gerechtfertigt scheint.

Das durch die fliissige Phase im Inneren der Poren der Losung (13) gebildete System gehorcht also dem DONNAN-Gleichgewicht (s. Bd. I, Kap. VI.5).

Handelt es sich bei dem gelosten Salz urn NaCl, so kann im Fall einer Anionenaustauschermembran die Verteilung im Gleichgewicht fol­gendermassen dargestellt werden:

M

Losung

(ausserhalb der Poren) Nan+ Cln-

Auf dieses Gleichgewicht kann die Gleichung (VI.5.l) (s. Bd. I) angewandt und in folgende Form gebracht werden:

(IX.B.5.l)

Hier wird die gesamte Aktivitat [CI-r] in den Poren der Membran in zwei Teilaktivitaten unterteilt: [Cl-R +] ist die Konzentration der Chloridionen, die die Rolle der Gegenionen innehaben, da ihre Ladungen die der fixierten Ionen R+ ausgleichen; [Cl-Na+] entspricht dagegen der Menge der Chloridionen, die die Ladungen der noch im Porenwasser vorhan­denen Koionen N a + kompensieren.

1st die Salzkonzentration im Vergleich zu der Konzentration des fixierten Ions (die in der Grossenordnung von 2 Aquivalenten pro 1000 g absorbiertes Wasser liegen muss) niedrig, so kann [Cl-Na+] im Verhaltnis zu [Cl-R +] vernachlassigt werden, so dass dieser letztere Wert immer mehr gleich der gesamten Aktivitat [CI-r] wird.

(13) Es ist zu beachten, dass in dieser Darstellung die Membran, auf die man das DONNAN-Gleichgewicht anwendet, eine ideale, fUr das fixierte Ion undurchlassige und fUr die Gegenionen durchHissige Membran ist und keine physikalische Phasentrennung bewirkt. Daher kann zwischen den beiden Seiten der semipermeablen Membran (ganz wie im Fall einer Glaselektrode) eine elek­trische Konzentrationsspannung bestehen, ohne dass ein Widerspruch zu dem Gesagten auftritt.

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170 Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

Man setzt nun eine vollstandige Dissoziation voraus :

wobei N die Normalitat in der Gesamtlasung bezeichnet. Daraus folgt, dass die Gleichung (IX.B.5.I) unter der Annahme,

dass [Cl-R +] = [R+] in erster Naherung in folgende Form gebracht werden kann :

1m Fall einer durch [R+] = 2 charakterisierten Anionenaustauscher­membran in Meerwasser (annahernd 0,6 N NaCl) zeigt dieser letzte Ausdruck, dass in den Poren auf ein Natriumion etwa elf Chloridionen kommen. Die Dberfiihrungszahl der Anionen wiirde daher etwa urn einen Faktor II zunehmen, so dass mehr Strom von den Anionen durch die Membran transportiert wiirde.

1st tA- die Dberfiihrungszahl einer anionendurchlassigen Membran und ts- die Dberfiihrungszahl im Inneren der Lasung, so wird die Perm­selektivitat Pa der Membran durch folgenden Ausdruck gegeben:

Pa = tA- - ts-1- ts-

Die Leitfahigkeit per Oberflacheneinheit der Membran hangt mit der Beweglichkeit des Gegenions eng zusammen. Fiir ein gegebenes Gegenion nimmt sie natlirlich mit zunehmender Konzentration zu; dies tritt ein, wenn die Semipermeabilitat abnimmt. Die Leitfahigkeit einer Membran von 0,8 mm Dicke kann in der Grassenordnung von 0,03 S* lern 2 liegen ; sie nahert sich 0,01 S/cm 2, wenn die NaCl-Konzentration sich Null nahert.

Ein weiteres wichtiges Kennzeichen der permselektiven Membranen ist der Wassertransport, der sich im allgemeinen in der gleichen Richtung wie der des Gegenions vollzieht und normalerweise 0,5 11 F nicht iiber­schreitet. Diese Wassermenge umfasst das Hydratationswasser der Gegenionen sowie die Elektroosmose.

Der Ausdruck der Membranspannung (s. Bd. I, Kap. VI.5), der sich in diesem Fall auf die zwischen der fllissigen Phase im Inneren der Mikroporen und der Lasung vorhandene Spannung bezieht, gilt flir beide Seiten einer in eine Lasung eintauchenden Membran. 1st die Konzen­tration auf beiden Seiten die gleiche, so kann zwischen zwei gleichen Elektroden, die zu beiden Seiten der Membran in die Lasung eintauchen, keine elektrische Spannung gemessen werden. Sind jedoch die Konzen­trationen der durch die Membran getrennten Lasungen I und 2 nicht

* S = Siemens, Einheit der LeiWihigkeit = a-I.

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Entsalzung durch Elektrodialyse 171

die gleichen, so sind im allgemeinen nicht nur die beiden DONNAN­Spannungen 'ltl und 'lt2 verschieden, sondern es ist auch die Beriicksich­tigung eines Konzentrationsgradienten, der eine Diffusionsspannung 'ltD

verursacht, erforderlich. Bezeichnet man die Aktivitat des Anions in der Lasung mit a und

seine Aktivitat in den Poren der Membran mit A, so kann die gesamte Spannung (mit Ausnahme der Spannungen der Fliissigkeitsbriicke), die zwischen zwei gleichen, zu beiden Seiten der Membran angebrachten Elektroden gemessen werden kann, folgendermassen ausgedriickt werden (Abb. IX.20) :

RT

F

Bei einer idealen Membran (t = I) lasst das Fehlen eines Konzen­trationsgradienten die Aktivitaten Al und A2 annahernd gleich werden und den Term 'ltD wegfallen.

Li:isung 1 )( Uisung 2

Abb. IX.2o. - Reversible Spannung durch eine Membran M; 71:1 , 71:2' DONNAN-Spannungen; 71:D

Diffusionsspannung; U Gesamtspannung.

Der obige Ausdruck wird also zu :

RT a2 ---In --

F a l

Dies entspricht dem Wert der Spannung einer Konzentrationszelle, die aus den durch eine Membran getrennten Lasungen lund 2 besteht.

Abb. IX.21 zeigt das Schema einer Anlage mit mehreren Mem­branen, in der anionendurchlassige (3) und kationendurchlassige Mem­branen (4) einander abwechseln; das elektrische Feld wird durch zwei an den Enden der Membrangruppe befindliche Elektroden angelegt und zwingt die Ionen diese Membranen zu durchqueren, urn die einzelnen Verdunnungskammern zu verlassen, bis sie schliesslich die Konzentra­tionskammer erreichen, aus der sie nicht mehr abwandern kannen, da sich auf ihrem Weg nur mehr fiir Ionen entgegengesetzten Vorzeichens durch­lassige Membranen befinden. Der Abstand zwischen den Membranen betragt gewahnlich weniger als I mm; man halt ihn auf diesem Wert, urn ein Abfliessen der dialysierten Fliissigkeit zu vermeiden.

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172 Nichtmetallurgische elektrolytische Verfahren

6

1~5

1118

7 L-~---L __ +-~k-____ 8

~ ____ ~ __________ 9

Abb. IX.21. - Elektrodialysezelle mit mehreren Membranen. 1. NaCI-Lasung; 2. CI.-Abzug; 3. Anionenaustauscher­membranen; 4. Kationenaustauscher­membranen; 5. H.-Abzug; 6. HCI­Abfluss; 7. NaOH-Abfluss; 8. Verdiinnte Lasung; 9. Konzentrierte Lasung.

Die gesamte elektrische Spannung zwischen den beiden Klemmen der Membrananlage wird hauptsachlich durch den ohmschen Spannungs­abfaH in den Membranen und im Elektrolyten verursacht ; ist die Anzahl der Membranen genugend hoch, so k6nnen die Elektrodenspannungen bei der Berechnung der Gesamtspannung vernachlassigt werden. Daher ist der Energieverbrau~h pro Einheit entsalztes Was'>er oder pro Einheit konzentrierter Elektrolyt der Stromdichte proportional. Fur die Kosten

Tab. IX. I 1. - Betriebsdaten eines typischen Elektrodialyseverfahrens zur Entsal­zung von Brackwasser.

Konzentration des verwendeten Wassers, Gesarntrnenge der ge­losten Salze als NaCl ausgedriickt

Konzentration des hergestellten Wassers, Gesarntrnenge der ge-16sten Salze als NaCI ausgedriickt

Ternperatur des zugeleiteten Wassers Anzahl der Stu fen Strorndichte:

1. Stufe 2. Stufe

Elektrische Spannung pro Mernbranpaar: I. Stufe 2. Stufe

Entsalzung in %: I. Stufe 2. Stufe

Strornausbeute Energieverbrauch pro rn3 hergestellten Wassers

Gleichstrorn gesarnt

3,3 gil

0,50 gil 20 °C

2

1,25 V I V

61 % 61 % 0,91

3,6 kWh/rn3

5>4 kWh/rn3

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Entsalzung durch Elektrodialyse 173

der Anlage und den Energieverbrauch kann angenommen werden, dass das Kostenminimum erreicht wird, wenn der Spannungsabfall an einer Membran etwa ein Volt betdigt.

Tab. IX.II fasst die wichtigsten Betriebsdaten einer typischen Anlage zur Herstellung von entsalztem Wasser aus Brackwasser zu­sammen. Der Verbrauch an elektrischer Energie (3,6 kWh/m3) betragt etwa 67 % des Gesamtenergieverbrauchs. Der Gesamtenergieverbrauch fur das Entsalzen von Meerwasser liegt bei 40 kWh/m3. Ausserdem kann die Elektrodialyse auch zur Herstellung konzentrierter Salz16sungen aus Meerwasser, deren Konzentrationen bis zu 200 gil NaCl gehen konnen, angewandt werden. Diese Losungen werden durch das ausgefallte Salz der Ablaugen aus den Zellen noch aufkonzentriert und konnen dann in Diaphragmazellen verwendet werden. Dabei betragt der Energiever­brauch der Elektrodialyse 460 kWh pro Tonne NaCl.

Ausser bei der Wasserentsalzung und der Konzentration von Elek­trolytlosungen wird die Elektrodialyse mit Erfolg in zahlreichen indu­striellen Verfahren angewandt. Ein typisches Beispiel ist die Herstellung der Sebazinsaure aus wassrigen Losungen ihres Natriumsalzes. Die Anlage besteht aus einer Elektrolysezelle, in der eine kationendurch­lassige Membran den mit Natronlauge gefiillten Kathodenraum vom Anodenraum, der das Sebazinsauresalz enthalt, trennt.

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KAPITEL X

ELEKTROLYSE GESCHMOLZENER SALZE

unter Mitwirkung von A. SCHMIDT (1)

1. Elektrolytische Herstellung von Aluminium; Elektrolyt und Reaktionen

Aluminium kann elektrolytisch aus wassrigen Losungen wegen seines stark negativen Potentials nicht abgeschieden werden. Die Ab­scheidung aus einem rein en Aluminiumsalz im Schmelzfluss ist aus einer Reihe von Grfinden ebenfalls nicht moglich. Erstens hat Aluminium­chlorid ein sehr geringes Leitvermogen und muss fast wie ein Nichtelek­trolyt, dessen Mehrzahl von Molekiilen nicht dissoziiert sind, angesehen werden. Darfiber hinaus sublimiert es schon bei normalem Druck, d.h. es verdampft direkt ohne vorher zu schmelzen. Es ist aber moglich, eine Schmelze von Aluminiumchlorid mit Natriumchlorid oder anderen Alkalichloriden zu elektrolysieren. Die ALCOA (USA) hat kfirzlich fiber ihren technischen « ALCOA Smelting Process)} berichtet, bei dem Alumi­niumchlorid, vermutlich in Mischung mit anderen Alkalichloriden, in einer geschlossenen Zelle elektrolysielt wird. Der Stromverbrauch soIl 30 % unter dem des klassischen Kryolith-Vefrahrens, also noch unter 10 kWh/kg Aluminium, liegen.

Die Elektrolyse anderer Aluminiumsalze stosst auf verschiedene Schwierigkeiten, so dass man zum Aluminiumoxid fibergehen musste, der einzigen bei hohen Temperaturen stabilen Verbindung dieses Metalls. Bei einem Schmelzpunkt des Oxids von 2050 °C kann es nicht in reinem geschmolzenem Zustand elektrolysiert werden. Die technischen Schwierig­keiten, einen ausreichend grossen Of en fUr einen industriellen Betrieb bei diesen Temperaturen zu bauen, waren erheblich. Durch Warmeab­strahlung wfirden erhebliche Energieverluste entstehen. Das Alumi­niumoxid wird deswegen in einem geeigneten Losungsmittel gelost, das folgende Forderungen erffillen sollte :

(1) Eppenheim / Ts.

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Herstellung von Aluminium: Elektrolyt und Reaktionen 175

1. es sollte ein gutes Losungsmittel fur Tonerde sein ; 2. seine Zersetzungsspannung sollte hoher sein als die der Tonerde; 3. es sollte ein guter elektrischer Leiter sein; 4. es darf keine Verunreinigungen, insbesondere solcher Metallverbin­

dungen, enthalten, die sich schon bei Kathodenpotentialen abscheiden, die unter dem der Aluminiumabscheidung liegen;

5. sein Schmelzpunkt sollte moglichst niedrig sein, urn die Warmeverluste durch Abstrahlung zu verringern und die Bildung von Aluminium­carbid durch Reaktion des Aluminiums mit dem Kohlenstoff der Kathode zu vermeiden ;

6. sein Dampfdruck sollte niedrig sein ; 7. seine Dichte bei der Elektrolysetemperatur muss kleiner sein als die

des Aluminiums; 8. seine Viskositat darf nicht zu hoch sein ; 9. es darf nieht mit den Elektroden oder den Elektrolyseprodukten

reagieren.

Der Elektrolyt, dessen Eigenschaften am besten diesen Forderungen entsprechen, ist der Kryolith, das Doppelsalz von N atrium- und Alumi­niumfluorid der Zusammensetzung 3 N aF· AIF 3' das genauer als Kom­plexsalz Na3AIF6 bezeichnet werden muss. Die Tonerde ist in ge­schmolzenem Kryolith loslich. Beide Bestandteile der Losung sind in ge­schmolzenem Zustand vollstiindig miteinander mischbar. Es ist nieht ganz sieher, ob die Mischbarkeit in festem Zustand null ist oder einen merk­baren Wert erreieht (2). In jedem Fall bildet sich ein Eutektikum mit 81,5 % Kryolith und 18,5 % Tonerde, das bei 935 °C schmilzt.

Nach neueren Untersuchungen (2) solI das Eutektikum bei 962°C schmelzen und 10 % Tonerde enthalten. Diese Differenzen zeigen die Schwierigkeiten von Messungen bei diesen Temperaturen auf und die daraus resultierenden Ungenauigkeiten. Andere Autoren haben fur die Loslichkeit der Tonerde in Kryolith einen Wert von nicht hoher als 12 % angegeben.

Andere Verbindungen wie Calciumfluorid, Aluminiumfluorid und neuerdings auch Magnesiumfluorid konnen dem Elektrolyten zugegeben werden, urn die Elektrolyt-Temperatur herabzusetzen. Bei der Herstel­lung dieser Mischungen mit Schmelzpunkten unter dem des Eutektikums Kryolith-Tonerde muss die Dichte der erhaltenen Schmelze bei der Betriebstemperatur beachtet werden.

Es ist wichtig, dass die Dichte der Schmelze immer kleiner sei als die des geschmolzenen Aluminiums (2,39 g/cm3 bei einer Betriebstem­peratur von 950oC). Dies ist notwendig, urn zu verhindern, dass das Aluminium an die Badoberflache gelange und dort von dem anodisch entbundenen Sauerstoff oder dem Luftsauerstoff reoxidiert wird.

Durch Zusatz von Calciumfluorid lasst sieh der Schmelzpunkt

(2) N. W. F. PHILLIPS, R. H. SINGLETON und E. A. HOLLINGSHEAD, J. Elektrochem. Soc. 102 (1955) 648, 690; ]. BRYNESTAD et al., Discuss. Faraday Soc. 32 (1961) 90.

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Elektrolyse geschmolzener Salze

ebenfalls herabsetzen. Das Eutektikum des ternaren Systems Kryolith­Calciumfluorid-Tonerde hat den bemerkenswert niedrigen Schmelzpunkt von 868°C. Der Zusatz grosserer Mengen an Calciumfluorid jedoch verursacht verschiedene Schwierigkeiten, da er die Dichte des geschmol­zenen Elektrolyten erhoht. Der Zusatz von Natriumfluorid bis zum Doppelsatz NaF· Na 3AIF 6 wtirde die Loslichkeit der Tonerde vergrossern, bei einer weiteren Erhohung der Natriumfluoridkonzentration beginnt die Loslichkeit jedoch wieder abzunehmen. Dabei konnen wegen der dadurch bedingten ErhOhung der Dichte des Elektrolyten erhebliche Schwierigkeiten auftreten. Schmelzen mit Natriumfluorid-Zusatz werden deswegen industriell nicht verwendet.

Der Zusatz von Aluminiumfluorid setzt nicht nur den Schmelz­punkt, sondern auch die Loslichkeit der Tonerde herab. Allerdings ver­mindert sich die Elektrolytdichte. Deswegen setzt man in der Regel Calciumfluorid oder Aluminiumfluorid hinzu. Wie bereits erwahnt, neigt man mehr und mehr dahin, Magnesiumfluorid (3) zuzusetzen, das den Schmelzpunkt gtinstig beeinflusst und in der Praxis befriedigende Ergeb­nisse zeigt. Man kann die Arbeitstemperatur ermassigen, die gleichzeitige Abscheidung von Natrium herabsetzen (wahrscheinlich, weil die Kon­zentration der Na+ Ionen an der Kathode verringert wird) und dadurch die Stromausbeute erhohen und den spezifischen Stromverbrauch herab­setzen. Bisweilen verwendet man den billigeren Chiolith (4) anstelle von Aluminiumfluorid. Der Zusatz von Aluminiumfluorid oder Chiolith dient ausserdem noch dazu, die Alkalinitat des Elektrolyten zu korrigieren. Sie hat die Tendenz sich mit dem Fortschreiten der Elektrolyse zu vergrossern (s. Abschn. 2). Tatsachlich neigen alle diese Zusatze allgemein dahin, die Leitfahigkeit der Schmelze zu verringern.

Der meistens verwendete Kryolith wird ktinstlich nach der fol­genden Gleichung hergestellt :

(X.t.r)

da es nicht immer moglich ist, aus dem nattirlichen Kryolith Quarzein­schltisse zu entfernen. Quarz wtirde zum Silicium reduziert werden, das sich dann mit dem Aluminium legiert. Ausserdem findet man ausreichend reinen, nattirlichen Kryolith auf der Erde nur in einer industriell nutz­baren Lagerstatte, in Gronland.

Die Aluminiumverbindung, die schliesslich bei der Elektrolyse zersetzt wird, ist das Aluminiumoxid. In der N atur findet sich Aluminium­oxidhydrat als Bauxit, der aus einer Mischung von Trihydrat A120 3 • 3 H 20 (Hydrargillit), Monohydrat, A120 3 • H20 (Bohmit und Diaspor: zweiFormen des Monohydrats mit verschiedenen Kristallstrukturen), Kieselsaure und anderen Metalloxiden (oder Oxidhydraten) in kleineren Mengen besteht.

(3) Vgl. beispielsweise P. PANEBIANCO, Metallurg. Ital. 52 (1960) 531. (4) Chiolith ist ein anderes Natrium-Aluminiumfiuorid-Komplexsalz der

Zusammensetzung 5 N aF . 3 AIF 3. Es enthiilt also mehr Aluminiumfiuorid als der Kryolith.

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Herstellung von Aluminium: Elektrolyt und Reaktionen 177

Der Bauxit muss zuerst zu sehr reiner wasserfreier Tonerde verar­beitet werden, weil er zahlreiche Verunreinigungen, insbesondere Eisen­oxide enthalt.

Die Ansichten iiber die fiir die Elektrolyse am besten geeignete Tonerdekonzentration haben sich im Laufe der Zeit stark geandert. Bei den ersten Versuchen, Aluminium industriell elektrolytisch herzu­stellen, empfahl HALL, einer der Pioniere dieser lndustrie, einen gesattig­ten Elektrolyten zu verwenden. Spater stellte man jedoch fest, dass es besser ware, weniger konzentrierte Schmelzen zu benutzen, urn die Leit­fahigkeit des Elektrolyten zu erhohen. Die heute verwendeten Konzen­trationen schwanken von 5 bis 7 %. Man soll diese Grenze nicht iiber­schreiten, da die Gefahr besteht, dass die periodisch eingetragene Tonerde sich nicht schnell genug lOst und sich unter das fliissige Aluminium fest­setzt, da ihre Dichte viermal so gross ist als die des geschmolzenen Alu­miniums. Auf diese Weise wird der elektrische Kontakt zwischen der Auskleidung der Elektrolysezelle und dem fliissigen Aluminium, das als Kathode wirkt, gestort. Die daraus resultierende Erhohung des Wider­stands wiirde zu lokalen Uberhitzungen mit der Gefahr der Bildung von Aluminiumcarbid fiihren.

Der Ablauf der Anoden- und Kathodenprozesse ist noch nicht genau bekannt. Man weiss sogar noch nicht, welche Arten von lonen im Elektrol yten existieren. Am wahrscheinlichsten sind dies N a +, Al02 - und eventuell AIF 4 - lonen. Eine Reihe von Autoren sind sich aber nicht dariiber einig, ob die InneD F-, AlO+, AI02 -, O2-, AIF 6 3-,

AIF4-, AP+ und AIOF2 - auch vorhanden sind. Alles dies weist auf eine betrachtliche Kompliziertheit dieses Systems hin. Unter diesen Um­standen ist es offensichtlich sehr schwer, die Kathoden- und Anoden­prozesse mit Sicherheit aufzuklaren und festzulegen, ob der Gesamt­prozess einfacher Natur ist oder aus einer Reihe von Folgereaktionen besteht.

N ach einer einleuchtenden Erklarung bildet sich aus einer oder mehreren aluminiumhaltigen Verbindungen einschliesslich von nicht­dissoziiertem AIF 3 und A120 3 durch eine direkte oder indirekte Elektro­denreaktion oder eine homogene Dissoziation das Ion AP+. Nach der Neutralisation seiner positiven Ladung durch drei Elektronen an der Kathode bildet sich Aluminiummetall. Dabei konnte es '3ich urn den folgenden kathodischen Mechanismus handeln. In der dort entstehenden Doppelschicht bilden Elektronen die Ladung der einen Seite und Natrium­lonen unter Erhohung ihrer Konzentration die der anderen Seite eines elektrischen Kondensators. Beriicksichtigt man den Einfluss des elektri­schen Feldes und die starke deformierende Wirkung der Na+ lonen, auch auf undissoziierte Molekiile, ohne die Zersetzungsspannungen der vorhan­denen Molekiilarten aus den Augen zu verlieren, konnte man den Pri­marprozess an der Kathode durch eine der folgenden Reaktionen dar­stellen :

3 N a + + AIF 3 + 3 e- ~ Al + 3 N aF (X.l.2)

(X.1.3)

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Elektrolyse geschmolzener Salze

Die gleichzeitige, je nach den Betriebsbedingungen mehr oder weniger starke Abscheidung von Natrium ist auf eine primare Begleit­reaktion zuruckzufiihren, die durch die uberwiegende Konzentration der N a + Ionen und die geringe Differenz zwischen den Abscheidungsspan­nungen des Natriums und Aluminiums moglich wird. Unter den Bedin­gungen der technischen Elektrolyse liegt diese Differenz bei etwa 0,1 bis 0,2 V (5).

Diese gleichzeitige Abscheidung von Natrium, die unter bestimmten Bedingungen uberwiegen kann, kann als eine Nebenreaktion angesehen werden. N ach PEARSON und WADDINGTON (6) besteht der primare Ka­thodenprozess in einer Entladung des Al3+ Ions. Diese Auffassung stutzt sich auf den Vergleich der Zersetzungsspannungen verschiedener Alumi­niumfluoride in An- und Abwesenheit von Tonerde, wie aus der Tab. X.I hervorgeht.

Tab. X.1. - Zersetzungsspannungen verschiedener geschmolzener Fluoaluminate.

Aluminiumfluorid Us (V) Us (V) bei 9500C bei 1080 0C

Na3AIF6 2,07

Na3AIF6 + 15 % A120 3 2,22 2,01

K3A1F6 2,13

K3A1F6 + 15 % A120 3 2,20 2,01

Li3AIF6 2,20

Li3AIF6 + 7 % A120 3 2,20 2,03

A120 3 (theoretisch) 2,15

Da die Zersetzungsspannungen der verschiedenen Alkali-Alumi­niumfluoride in Gegenwart von Tonerde konstant sind, sich aber in Ab­wesenheit von Tonerde unterscheiden, schliessen die Autoren daraus, dass die A13+ Ionen durch Dissoziation der Tonerde entstehen:

(X.l·4)

und nicht aus der Dissoziation von Aluminiumfluorid stammen, das sich durch Zersetzung von Kryolith gebildet hat:

2 AIF 3 ~ A13+ + AIF63- (X.l·s)

(5) M. FEINLIEB und B. PORTER, J. Elektrochem. Soc. 103 (1956) 231.

(6) T. G. PEARSON und J. WADDINGTON, Discuss. Faraday Soc. 1 (1947) 307.

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Herstellung von Aluminium: Elektrolyt und Reaktionen I79

Der von PEARSON und WADDINGTON gegebenen Deutung der Katho­denreaktion steht allerdings die Tatsache entgegen, dass die Anwesenheit von A13+ lonen problematisch ist. Die Versuchsergebnisse der Tabelle X.I sind mit der Reaktion (X.l.3) nicht in Widerspruch, sondern k6nnten sogar die Gesamtreaktion (X.l.3) - (X.l.S) unterstiitzen.

Die theoretische spezifische Stromausbeute miisste gleich eins sein, aber der tatsachliche Wert liegt niedriger, wei I sich Metallnebel bilden und gleichzeitig Natrium abgeschieden wird.

Der Mechanismus des primaren Anodenprozesses ist im wesent­lichen aus den Griinden, die bereits beim Kathodenprozess erwahnt wurden, ebenfalls nicht eindeutig klar. Vnter normalen Bedingungen kann die primare Entladung von F- lonen zum elementaren Fluor ausgeschlossen werden, weil es sonst als F 2 oder CF4 im Anodengas ge­funden werden miisste. Beide Verbindungen treten im Anodengas nicht auf. Gleichfalls kann die Anwesenheit des einfachen 0 2 - Ions ausge­schlossen werden. Die wichtigsten Ladungstrager sind wahrscheinlich die Anionen F- und AIF 6 3-. 1m Schmelzfluss sind aber auch wahrscheinlich die Anionen AI02 - und AI0 33- vorhanden. Daraus folgt, dass der pri­mare Anodenprozess in der Entladung dieser Anionen unter Entwicklung von Sauerstoff besteht, der sich intermediar an der Anodenoberflache absorbieren kann :

(X.l.6)

(X.l·7)

ohne dass primar F- oder AIF63- lonen entladen werden. Diese Ent­ladung ist aus energetischen und kinetischen Griinden wenig wahrschein­lich. Man muss auch beriicksichtigen, dass die Entladung sauerstoff­haltiger lonen an der Kohleelektrode durch die Reaktion zwischen dem primar entladenen Sauerstoff und dem Kohlenstoff depolarisiert wird. Dieser Vorgang ist deswegen sehr viel wahrscheinlicher.

Vnter normalen Bedingungen enthalt das anodisch entbundene Gas 70 bis go % Kohlendioxid und 10 bis 30 % Kohlenoxid. Energe­tische Studien der Gleichgewichtsreaktion

CO2 + C~2 CO

und ein Vergleich der analytischen Zusammensetzung des Anodengases mit der kathodischen Stromausbeute lassen darauf schliessen, dass in erster Linie an der Anode Kohlendioxid bei einer spezifischen Stroma us­beute von I entsteht. Das Vorhandensein von Kohlenoxid kann durch eine Reaktion zwischen Metallnebeln oder Kohlenstoff der Anode mit Kohlendioxid erklart werden. Der Metallnebel besteht im wesentlichen aus Aluminiumpartikeln und Dampfen von metallischem Natrium, deren Dampfdruck bei der Betriebstemperatur der Elektrolysezelle bedeutend iiber I Atmosphare liegt.

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180 Elektrolyse geschmolzener Salze

Kohiendioxid wird umgehend durch die Metallnebel zu Kohienoxid, unter gieichzeitiger Bildung Aiuminiumoxid bzw. Natriumoxid, reduziert. Natriumoxid kann dann weiter mit Natriumfluorid nach der folgenden Gieichung reagieren:

3 Na20 + 2 AIFa --+ 6 NaF + AI20 a (X.l.8)

Von den primaren Anoden- und Kathodenprodukten (C02, AI, Na) ausgehend, erhalt man tiber verschiedene Sekundarreaktionen schliesslich wieder Tonerde (7). Hiermit wird das Auftreten von Kohienoxid im Anodengas und die unter eins liegende Stromausbeute erklart.

Diese Deutung, sowie auch stochiometrischen Verhaltnisse fiihren zu der Beziehung (8).

% CO2 = 2 ASt - 100 (X.l.10)

wobei die Stromausbeute (ASt) in % ausgedrtickt wird. Tabelle X.2, der Werte aus der Praxis zugrunde liegen, bestatigt dies.

Diese Formein sind nur begrenzt gtiltig, weil die folgenden Neben­reaktionen, die noch auftreten konnen, nicht berticksichtigt werden: I. die Reaktion zwischen Kohiendioxid und dem Kohienstoff der EIek­

trode: CO2 + C --+ 2 CO (X.l.II);

Tab. X.2. - Vergleich der Stromausbeute ASt mit dem CO2-Gehalt (%) im Ano­dengas.

ASt % CO2 % CO2

(theoretisch) ( experimentell)

0,85 85 % 70 71

0,83 83 % 66 66 0,72 72 % 44 45

(7) Vgl. hierzu auch die Analyse des Anodenprozesses von J. THONSTAD, J. Electrochem. Soc. 111 (1964) 955.

(8) Tatsachlich lautet das theoretische Verhaltnis zwischen kathodischem Aluminium und anodischer Kohlensaure 4 AI: 3 CO2 (beide unter der Voraus­setzung ASt = 1 gerechnet). Angenommen z. B., dass die effektive Stromausbeute 0,75 betragt, das heisst, dass von 4 erzeugten AI-Atomen eines in den Metallne­bel iibergeht und danach quantitativ mit CO2 nach dem Schema

3 1 3 Al + - CO2 --+ - Al20 a + - CO

2 2 2

reagiert, setzt sich das Anodengas zu 50 % aus CO2 und zu 50 % aus CO zusam­men. Denn 3/2 CO2, das heisst die Halfte des gesamten CO2, reduziert sich zu CO. Der Prozentanteil des CO2 betragt also (fUr ASt = 0,75) 50 %, wie von Glei­chung (X.1.IO) gefordert.

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Herstellung von Aluminium: Elektrolyt und Reaktionen 181

2. die Verbrennung von Kohlenoxid mit zutretendem Luftsauerstoff:

(X.t.I2),

oder die direkte Verbrennung der Elektrode

(X.t.I3);

3. Kracking von Kohlenwasserstoffen bei Zellen mit SODERBERG-Elek­troden (s. Abschn. 4). Dabei bildet sieh Wasserstoff, der weiter rea­gieren kann :

(X.t.I4);

4. Reaktion zwischen gelostem Aluminium und Kohlenoxid:

(X.t.I5)·

Nach BECK (9) kann man die Gleichungen (X.t.I4) und (X.t.I5) zugrunde legen, wenn man zwei Korrektionsfaktoren g und z einfiihrt. Man erhalt dann eine neue Beziehung zwischen Stromausbeute As! (%) und dem Prozentgehalt an Kohlendioxid:

(X.t.I6)

Offensichtlich hangen die beiden Korrekturfaktoren von den effektiven Betriebsbedingungen ab und mussen bei Anderungen dieser Bedingung von Fall zu Fall neu bestimmt werden.

Man hat noch andere empirische Beziehungen vorgeschlagen, urn den experimentellen Ergebnissen Rechnung zu tragen, aber keine hat ganz befriedigt. Das zeigt wieder einmal mehr die Kompliziertheit dieses elektrolytischen Systems und der darin moglichen chemischen und elektrochemischen Reaktionen (10). 1m Endergebnis wird das Alumi­niumoxid zersetzt. Dies wird durch Untersuchungen der Zersetzungs­spannungen der beteiligten Verbindungen bestatigt. In der Schmelze spaltet sich Kryolith teilweise in N atrium- und Aluminiumfluorid. Die Elektrolyse findet damit in einem Elektrolytsystem statt, das Alumi­niumoxid, Aluminiumfluorid und Natriumfluorid, als elektrolytisch wiehtige Bestandteile und eventuell noch andere Verbindungen, enthalt. Die Zersetzungsspannungen dieser drei Verbindungen sind nicht sieher bekannt. Die in der Literatur fur Natriumfluorid angegebenen Werte schwanken zwischen 2,80 bis 5,92 V. Es ist jedoch sicher, dass die Zerset-

(9) T. R. BECK, J. Elektrochem. Soc. 106 (1959) 710. (10) S. weiter J. THONSTAD, Tidsskr. Kjem. Bergvesen, Met. 4 (1966) 77

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182 Elektrolyse geschmolzener Salze

zungsspannung des Aluminiumoxids unter der der anderen Komponenten liegt. Beriicksichtigt man die anodische Polarisation des Sauerstoffs durch den Kohlenstoff der Elektrode, so ist es sieher, dass als Gesamt­prozess die Tonerde zersetzt wird.

2. Elektrolytische Herstellung von Aluminium; Elektroden und Verfahren

Da bei Elektrolysetemperaturen von etwa 950°C elektrolysiert und anodisch Sauerstoff entwickelt wird, kann als Anodenmaterial industriell nur Kohlenstoff verwendet werden. Der Kohlenstoff reagiert mit dem Sauerstoff unter Bildung von Kohlendioxid und Kohlenoxid, so dass durch den Sauerstoff keine Verunreinigung des Elektrolyten und der Elektrolyseprodukte auftreten kann. Der flir die Anodenherstellung verwendete Kohlenstoff muss aber sehr rein sein und darf nur geringe Mengen an Aschebestandteilen enthalten, damit Verunreinigungen des Elektrolyten und der Elektrolyseprodukte vermieden werden. Besonders schadlich sind Kieselsaure und Eisenoxide, weil ihre Reduktionsprodukte, Silicium und Eisen, sich mit dem kathodisch abgeschiedenen Aluminium legieren. Sehr wichtig ist ein ausreichender mechanischer Widerstand der Anoden gegen das Abbrockeln fester Teile, die wegen ihres geringeren spezifischen Gewichtes auf der Elektrolytoberfiache schwimmen. Sie konnen zu Kurzschliissen zwischen den Anoden und der inneren Ofenaus­kleidung flihren und den Elektrolyten verunreinigen.

Als Kathode dient die innere Auskleidung der Zelle, die allgemein aus einer Kohlenstoffmischung besteht, die ahnlich wie die der Anode zusammengesetzt ist. Sie kann etwas mehr Aschebestandteile enthalten, da sie nicht wie die Anode chemisch am Elektrolyseprozess teilnimmt. Als eigentliche Kathode wirkt eine Schicht von fiiissigem Aluminium, die sieh wahrend der Elektrolyse auf dem Boden der Zelle ansammelt. Schon bei der Inbetriebsetzung der Zelle bringt man reines Aluminium ein, urn den Zellenboden zu bedecken. Die innere Kohleauskleidung muss vollkommen dicht sein, damit kein fiiissiges Aluminium eindringen und in Kontakt mit dem eisernen Zellenkasten und den Stromzuflihrungen kommen kann. Die sich dabei bildenden Aluminium-Eisen-Legierungen wiirden das Kathodenprodukt verunreinigen. Die Kohlenstoff-Ausklei­dung muss ebenfalls ausreichende mechanische Festigkeit haben und darf aus den schon oben bei der Anode genannten Griinden nicht briichig sein. Wahrend friiher die Zellenboden und die Seitenwande vielfach aus einer Kohlenstoff-Stampfmasse gefertigt wurden, verwendet man he ute bei den modernen Hochstromzellen ausschliesslich vorgebrannte B10cke aus Elektrodenkohle, teilweise auch Graphit, weil sich bei der Stampf­masse wegen der wesentlich grosseren Flachen dieser Zellen Rissbildungen im Betrieb nieht vermeiden lassen. Die Fugen zwischen den Kohleblocken werden sorgfaltig mit Elektrodenmasse ausgefiillt, die nach der Inbe­triebnahme gekrackt wird, so dass eine zusammenhangende, geschlossene Flache entsteht.

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Herstellung von Aluminium: Elektroden und Verfahren 183

Die verschiedenen technischen Elektrolyseverfahren unterscheiden sich mit Ausnahme der Elektrolytzusammensetzung nicht wesentlich. Basis des Elektrolyten ist immer der Kryolith, der, wie schon oben er­wahnt, durch verschiedene Zusatze modifiziert wird. Abb. X.I zeigt im Schnitt den prinzipiellen Aufbau einer modernen Aluminiumzelle.

Die modernen Zellen arbeiten heute mit Spannungen von 4,2 bis 4,5 V. Diese Spannungen liegen wesentlich iiber der Zersetzungsspannung der Tonerde von etwa 2,15 V (s. Tab. X.2). Die Differenz zur Zellen­spannung von iiber 2 V dient dazu, die Warmeverluste durch Abstrahlung, durch Erhitzen der kalt eingebrachten Tonerdechargen und durch die mit Zellentemperatur ausgetragenen Elektrolyse-Produkte zu decken und die Zelle so auf ihrer Betriebstemperatur zu halten. Zur gesamten

Abb. x.!. - Zelle filr Aluminiumherstellung. I: Strom­zufiihrung zur Anode; 2: Anoden; 3: Gliihlampe zum Anzeigen des Anodeneffektes; 4: Blechmantel; 5: Elek­trolyt; 6: Ofenfutter-Kathode; T Mauerwerk; 8: Strom­zufiihrung zur Kathode.

Energiebilanz gehort noch die Energie, die fiir die Umwandlung der Ausgangsstoffe in die Elektrolyseprodukte benotigt wird. Man arbeitet heute mit Stromdichten an der Kathode von etwa 3500 bis 4 000 A/m? (bezogen auf den Querschnitt des Of en bod ens) , an der Anode von 6000 bis 8 000 A/m 2 (bezogen auf den unteren in den Elektrolyten eintauehen­den Querschnitt). Die Tendenz geht dahin, Zellen fiir hohere Strom­belastungen zu bauen. Moderne Zellen werden heute mit roo bis 150 kA belastet. Dabei treten neue Probleme auf. Bei diesen hohen Strombe­lastungen bilden sieh sehr kraftige Magnetfelder aus, die sehr stark auf die Oberfiachen der beiden fiiissigen Phasen (geschmolzener Elektrolyt und geschmolzenes Aluminium) einwirken. Es bilden sich Aufwolbungen der Oberfiache, die es unmoglieh machen, die Entfernung Anode-Kathode zu kontrollieren und zur Vermisehung von Anolyt und Katholyt fiihren.

Urn diese Schwierigkeiten zu vermeiden, werden die Elektroden 5 em voneinander eingestellt und der Strom der Zelle an beiden Seiten unsymmetrisch verteilt zugefiihrt. Wiehtig ist weiter, dass die Anoden in der Hohe verstellbar seien, urn die Anderung der Elektrodenabstiinde

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Elektrolyse geschmolzener Salze

wegen des Anodenabbrandes kompensieren zu konnen. Die Anoden sollen zweckmassig einzeln regulierbar sein, damit sie auf die gleichen Abstande zur Kathode eingestellt werden konnen, so dass eine moglichst gleich­massige Stromverteilung resultiert. Man erreicht damit gleichmassige Temperaturen und einen gleichmassigen Abbrand der Anoden. Die Strombelastung der gesamten Zelle wird so reguliert, dass die gesamte Masse des Elektrolyten flussig bleibt und sich auf seiner Oberflache nur eine dunne Schicht vom erstarrten Elektrolyt bildet. Man vermeidet damit zu starke Verdampfungsverluste des Elektrolyten. Die Elektrolyse­temperatur solI moglichst wenig urn etwa 9500C schwanken, urn einen zu hohen Verdampfungsverlust an Elektrolyt (insbesondere Aluminium­fluorid) zu vermeiden und die Bildung von Metallnebeln zu verhindern. In diesem Fall hat das Entstehen von Metallnebeln eine andere Ursache als in Kap. IV.15 erlautert. Die Nebel bilden sich aus sehr feinen Metall­teilchen, die durch die starken magnetischen Felder in der Masse des Elektrolyten verteilt werden. Diese ausserordentlich feine Verteilung wird in dem Masse erleichtert, wie das geschmolzene Aluminium mit steigender Temperatur flussiger wird. Die Bildung von Metallnebeln hat naturgemass eine Verminderung der Stromausbeute zur Folge. Unter normalen Bedingungen schwankt die spezifische Stromausbeute zwischen 0,80 bis 0,90. Die wichtigste, nicht vermeidbare Ursache fur Strom­verluste ist die gleichzeitige Entladung von Na+ neben A13+ Ionen. Die Energieausbeute ist nicht genau bekannt und nicht genau zu berechnen, weil die Abscheidungsspannung des Aluminiums bei der Elektrolyse­temperatur nicht genugend genau bekannt ist.

Das fliissige Aluminium wird heute nur noch durch Absaugen in einen Vakuumtiegel vom Zellenboden entfernt. Es enthalt 99,5 % Alu­minium, daneben etwa 0,14 % Silicium und 0,16 % Eisen. Seine Reinheit, insbesondere sein Eisengehalt, wird laufend kontrolliert. Ein anormales Ansteigen des Eisengehaltes deutet darauf hin, dass die Kohlenstoff­Auskleidung der Zelle fehlerhaft geworden ist und das Kathodenalumi­nium mit dem Eisenmantel des Zellenkastens oder den eisernen Strom­zufiihrungen im Boden der Zelle in Kontakt gekommen ist und sich mit dem Eisen legiert hat. Die Zelle muss dann ausser Betrieb gesetzt und repariert werden.

An der Anode entsteht ein Gemisch von Kohlendioxid und Kohlen­monoxid. Der spezifische Verbrauch von Anodenkohle hangt von der Strom­ausbeute und der Zusammensetzung des Anodengases ab. Der theoretische Verbrauch betragt bei einer Stromausbeute von eins 333,3 g C/kg AI, bei einer Stromausbeute 85 % und einem CO2-Gehalt im Anodengas von 70 % 400 g C/kg AI. In der Praxis liegt der Verbrauch bei etwa 450 bis 500 g, was auf eine mechanische Zerstorung und einen unver­meidlichen Abbrand durch hinzutretende Luft zuruckzufiihren ist.

In dem Masse wie die Elektrolyse voranschreitet, nimmt die Ton­erdekonzentration ab. Wenn die Grenze von etwa I % erreicht wird, tritt der Anodeneffekt auf. Diese Grenze hangt nicht nur von der chemi­schen Natur des Systems Elektrolyt-Elektrode ab, sondern auch von der Stromdichte und der Temperatur. Schon bei Beginn des Anodeneffektes

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Herstellung von Aluminium: Rohstoffe und Hilfsstoffe 185

steigt die Zellenspannung so schnell an, dass eine parallel zu den Elek­troden geschaltete Gliihlampe aufleuchtet und anzeigt, dass Tonerde nachgefiillt werden muss. Die Tonerde muss fein genug gemahlen sein, damit sie bis zum Auflosen geniigend lange im Elektrolyten suspendiert bleibt. Anderenfalls lagert sie sich auf dem fliissigen Metall ab und sinkt infolge ihrer hoheren Dichte bis auf den Zellenboden, wo es zu den bereits erwahnten Schwierigkeiten fiihrt : Erhohung des Zellenwiderstandes und der Temperatur, Gefahr der Bildung von Carbiden sind die Folge. Aus dem gleichen Grunde darf nicht zu vie I Tonerde eingetragen werden, damit es nicht zu einer Ubersattigung des Elektrolyten kommt. Man arbeitet deswegen in der Praxis mit etwa 3 bis 6 % Al20 a we it unter der Sattigungsgrenze. Die Tonerde wird auf der erstarrten Elektrolyt­oberflache verteilt, wo sie nachtrocknet und gleichzeitig die Warmeab­strahlung verringert. Beim Eintragen wird die Salzkruste durchbrochen und das Tonerdepulver schnell mit dem Elektrolyten verriihrt. Beim Eintreten des Anodeneffektes muss die Tonerde schnell nachgefiillt werden, da einmal der Stromverbrauch stark ansteigt, zum anderen an der Anode vorwiegend Kohlenoxid entsteht, so dass auch der Kohlever­brauch ansteigt.

In modernen Anlagen ist die Tonerdezugabe weitgehend auto­matisiert. Eine zuverlassige analytische Methode zur Kontrolle des Tonerdegehaltes, mit der man durch rechtzeitiges Eintragen der Tonerde den Anodeneffekt weitgehend vermeiden konnte, ist noch nicht bekannt. Ausser Tonerde wird von Zeit zu Zeit gewohnlich noch Aluminiumfluorid zugesetzt, urn den Verdampfungsverlust zu kompensieren und zu ver­hindern, dass der Elektrolyt alkalisch wird, da die Tonerde immer etwas Alkali enthalt. Ein Alkaliiiberschuss tritt auch dadurch auf, dass beim Anodeneffekt in gewissem Umfang F- Ionen entladen werden. In mo­dernen Zellen konnte der Stromverbrauch bis auf I4 kWh/kg Al gesenkt werden. In Tabelle X.3 sind einige charakteristische Betriebsdaten zusammengestellt.

Tab. X.3. - Elektrische Daten der Aluminiumherstellung.

Zellenspannung Stromdichte (Kathode) Stromdichte (Anode) Stromausbeute Stromverbrauch

4,2 -4,5 V 3000 - 3500 Ajm2 6000 - 8000 Ajm2 0,86 - 0,92

14 - 15 k Whjkg

3. Elektrolytische Herstellung von Aluminium. Rohstoffe und Hilfsstoffe

Es ist wesentlich wirtschaftlicher, Aluminium direkt rein durch Elektrolyse von reinem Aluminiumoxid in einem reinen Elektrolyten herzustellen und dabei Elektroden aus reinen Materialien zu verwenden,

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186 Elektrolyse geschmolzener Salze

als verunreinigtes Aluminium aus nicht gereinigten Rohstoffen zu ge­winnen und dann zu raffinieren. Aus diesem Grunde mtissen alle in der Elektrolyse verwendeten Stoffe sehr rein sein. Deswegen gehoren zu einer Aluminiumelektrolyse-Anlage im allgemeinen auch Einrichtungen flir die Herstellung und Verarbeitung von Roh- und Hilfsstoffen. Sie sind bis zu einem gewissen Grad Teile des Aluminium-Produktionsverfahrens und ausschliesslich flir die Aluminium-Industrie bestimmt.

Tonerde

In der Natur kommt ein Aluminiumoxid-Hydrat, der Bauxit, vor. Seine empirische Zusammensetzung entspricht im Mittel etwa der Formel A120 a '2 H20. Er enthalt erhebliche Mengen an Eisenoxid, daneben Kieselsaure, Titandioxid und andere Verunreinigungen. Analysen von industriell verwendeten Bauxiten sind in Tabelle X.4 zusammengestellt.

Tab. X+ - Typische Bauxit-Analysen.

Zusammensetzung Amerika

Al20 a '" 50 Fe20 a '" 8 Si02 '" 10 Ti02 '" 3 Gliihverlust "'29

Bauxit

Frankreich

50 - 57 21 -24 3-7 2-3

21 -24

Italien

53 - 54 "'24 '" 4 3-4

10 -20

Wie mineralogische Untersuchungen ergeben haben, ist Bauxit im wesentlichen eine Mischung von Mono- und Trihydraten des Alumi­niumoxids (Diaspor und Boehmit; Hydrargillit) begleitet von verschie­denen Verunreinigungen. Wegen der erheblichen Verunreinigungen an Eisenoxiden und Kieselsaure kann man Bauxit nach einer einfachen Entwasserung nicht direkt als Rohstoff ftir die Aluminiumelektrolyse verwenden. Man wtirde dann eine Aluminium-Eisen-Siliciumlegierung erhalten. Der Bauxit muss deswegen zuerst auf reine Tonerde verar­beitet werden. Daflir sind eine Reihe von Verfahren ausgearbeitet worden, aber nur wenige im industriellen Massstab verwendet. Die wichtigsten be nut zen den amphoteren Charakter des Aluminiumhydroxids, ein losli­ches Aluminat zu bilden, das sich dann leicht von den anderen Bauxit­Bestandteilen trennen lasst. Bei der nachfolgenden Hydrolyse des Alu­minats erhalt man ein sehr reines Aluminiumhydroxid, das nach dem Kalzinieren eine sehr reine Tonerde (>99,5 % AI20 a) ergibt.

Beim BAYER-PrOzess wird der vorher getrocknete und gemahlene Bauxit in Autoklaven mit einer 43 bis 45 %igen Natronlauge (46 bis

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Herstellung von Aluminium: RohstofIe und HilfsstofIe 187

470Be) bei 160 bis 1700C aufgeschlossen. Die Alkalimenge wird so ein­gestellt, dass das Verhaltnis Na20: A120 a etwa bei I: 1,18 liegt. Bei dieser Behandlung wird neben dem Aluminiumoxid auch die Kieselsaure etwas angegriffen, so dass Natronlaugekonzentration, Temperatur und Aufschlussdauer dem Kieselsauregehalt des Bauxits angepasst werden mussen. Dabei lOst sich die Kieselsaure nicht, sondern bUdet ein Natrium­Aluminiumsilikat. Mit der Erhohung von Temperatur, Natronlaugekon­zentration und Aufschlussdauer erhoht man zwar den Anteil an gelOster Tonerde, gleichzeitig aber auch die Alkaliverluste als Natrium-Alumi­niumsilikat. Ausserdem vergrossern sich die Filtrationsschwierigkeiten.

Nach dem Dekantieren und Filtrieren wird die klare Losung auf spez. Gewicht 1,20 bis 1,25 verdunnt und mit Tonerdehydrat, das aus vorangegangenen Chargen stammt und als Kristallisationskeim wirkt, unter dauerndem Ruhren etwa 4 Tage hydrolysiert. Dabei fallen etwa 50 % des als Aluminat gelOsten Aluminiums als Rydroxid aus. Der Niederschlag wird auf Vakuumfiltern abgetrennt, gewaschen und in Drehofen bei IIOO bis 1200 °C kalziniert. Die gewonnene Tonerde enthalt etwa 99,5 % A120 a. Das klare Filtrat wird nach dem Eindampfen und dem Ersatz der Alkaliverluste durch Natronlauge wieder fUr den Auf­schluss von neuem Bauxit eingesetzt. Reute arbeitet man industriell nur noch nach dem BAYER-Verfahren. Andere fruher entwickelte und verwendete Verfahren, die hier nicht mehr erwahnt werden, hat man zugunsten des BAYER-Verfahrens aufgegeben.

Kryolith

Synthetischer Kryolith wird nach verschiedenen Verfahren entweder nach der im Abschn. 1 erwahnten Reaktion (X.l.l) oder durch Einwirkung von Natriumchlorid auf Aluminiumfluorid in Gegenwart von Fluorwas­serstoffsaure oder von Natriumfluorid auf Aluminiumsulfat hergestellt.

Anoden und Zellenauskleidungen

Die Anoden werden aus Petrolkoks oder einem sehr aschearmen Anthrazit (Aschegehalt 0,1 bis 0,4 %) hergestellt. Nach dem Zerkleinern stellt man durch Mischen des Kokses mit Teer und Pech als Bindemittel (Aschegehalt maximal Ibis 2 %) die Elektrodenmasse her. Daraus werden auf Block-, Gesenk- oder Strangpressen die sogenannten grunen Elek­troden geformt und anschliessend bei Temperaturen von 1000 bis 1350 °C zur fertigen Elektrode gebrannt.

Die SODERBERG-Elektrode verdient als eine Art kontinuierlicher Elektrode besonders erwahnt zu werden. Sie besteht aus einem ausseren Blechmantel, in dessen Innenraum die plastische Elektrodenmasse laufend eingefUllt wird. Der untere Teil taucht in den Elektrolyten ein. Beim Eintreten in die warme untere Zone schmilzt die Masse homogen zusammen und wird schliesslich in der heissen Zone zur festen Elektro­denkohle gebrannt. In dem Masse wie die Anode verbraucht wird, wird sie nachreguliert und oben frische Masse nachgefullt. Fur die innere

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188 Elektrolyse geschmolzener Salze

Auskleidung der Zelle werden die gleichen Rohstoffe wie fUr die Elektro­denherstellung verwendet mit dem Unterschied, dass der Koks nicht so rein zu sein braucht und fur das Einbrennen Temperaturen von 700 bis 800 oC ausreichen.

Wahrend man fruher Zellenboden und Seitenwande vielfach nur aus Elektrodenstampfmasse hergestellt hat, legt man die Zellen heute mit fertig gebrannten Kohleblocken aus, deren Fugen mit Elektroden­masse ausgefUllt werden. Bei den grossen Flachen moderner Zellen ist bei der Auskleidung mit Stampfmasse die Gefahr der Bildung von Rissen zu gross.

4. Elektrolytische Raffination von Aluminium *

Aluminium kann elektrolytisch raffiniert werden. Man kann ent­weder von Huttenaluminium ausgehen oder von Aluminiumlegierungen einer geeigneten Zusammensetzung.

Das elektrolytische Raffinationsverfahren des Aluminiums ent­spricht in den theoretischen Grundlagen der Metallraffination in was­seriger Losung. Aus den bereits bei der Aluminiumelektrolyse genannten Grunden kann man jedoch nicht in wasserigen Elektrolyten raffinieren. Man verwendet deswegen ebenfalls Mischungen geschmolzener Fluoride, und zwar bei Temperaturen zwischen 750 bis 800 0 C, bei welchen der Elektrolyt und die Elektrodenprodukte fiussig sind.

Das einzige industriell genutzte Raffinationsverfahren, das im Jahre 1900 zuerst von HOOPER entwickelt und spater verbessert wurde, ist deswegen interessant, weil das zu raffinierende Rohmetall, der Elektrolyt und das raffinierte Aluminium in horizontalen Schichten angeordnet und auf Grund der Differenz ihrer Dichten voneinander getrennt werden, wie aus Abbildung X.2 ersichtlich ist. Dabei wird die Dichte des Rohalu­miniums durch Hinzulegieren von 25 bis 30 % Kupfer erhoht.

HOOPER hatte das Verfahren entwickelt, urn aus primar elektro­thermisch hergestellten Aluminium-Silicium-Legierungen, denen zur Er­hohung der Dichte Kupfer zugesetzt wurde (Zusammensetzung s. Tab. X.5) reines Aluminium zu gewinnen (11).

Dieses Verfahren wurde spater verlassen, weil es wegen des erheblich hoheren Energiebedarfs unwirtschaftlich arbeitet. Heute wird nur noch Huttenaluminium und Aluminiumschrott raffiniert. Der Schrott darf nur geringe Mengen an unedleren Metallen (Magnesium, Erdalkalimetalle) enthalten, da sie vor dem Aluminium in den Elektrolyten ubergehen

* Obwohl die elektrolytische Raffination von Aluminium kaum noch ver­wendet wird, wird das entsprechende Verfahren trotzedem als Beispiel der elek­trolytischen Itaffination in geschmolzenen Elektrolyten beschrieben, das Ana­logon zur elektrolytischen Raffination in wassriger Losung.

(11) Fur weitere, alleerdings heute uberholten Einzelheiten s. G. MILAZZO,

Electrochimie, Dunod, Paris (1969) Ed. 2, S. 189.

Page 202: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Elektrolytische Raffination von Aluminium 189

Abb. X.2. - PECHINEy-Zelle flir die Aluminium-Raffination. r: Eisen­behalter; 2: Warmeisolierung; 3: Magnesitauskleidung; 4: Graphit­Anode; 5: Graphit-Kathode; 6: Anodenlegierung; 7: raffiniertes Aluminium; 8: Elektrolyt-Schmel­ze; 9: Graphit-Anode.

Tab. X.5. - Zusammensetzung der Anodenlegierung bei der Aluminiumraffi­nation.

Bestandteil %

Al 30 - 40

eu 45 - 55 Si 5 - 10

Fe "'5 Ti <I

und dessen Dichte ungiinstig beeinfiussen. Grossere Mengen an Magnesium miissen deswegen vor der Raffination aus dem Schrott entfernt werden. Dies kann durch Behandeln der fiiissigen Legierung mit Chlor geschehen oder durch Umsetzen mit Aluminiumfiuorid :

3 Mg + 2 AIF 3 -+ 3 MgF 2 + 2 Al (X.4.r)

Da nach der Entfernung des Magnesiums und der Erdalkalien das Aluminium das unedelste Metall ist, wird es in der Raffinationszelle ano­disch vor den moglichen Verunreinigungen Mn, Si, Zn, Fe, Sn, Cu und Ag herausgelOst und danach praktisch frei von allen Verunreinigungen an der Kathode abgeschieden. Ein erhOhter Siliciumgehalt der Anodenlegierung ist notwendig, weil er ihren Schmelzpunkt erniedrigt und so ihre Visko-

Page 203: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

190 Elektrolyse geschmolzener Salze

siHit herabsetzt, zumal sich ihr Aluminiumgehalt im Verlauf der Elek­trolyse erheblich verringert. Man vermeidet so eine zu grosse Verarmung an Aluminium an der Oberfliiche der Anodenlegierung.

Wenn das an der Oberfliiche in Lasung gehende Aluminium nicht in dem gleichen Masse aus dem Inneren der Legierung wieder an seine Oberfliiche gelangt, kannen Verunreinigungen gelast werden und so das Raffinat verunreinigen. Der Gehalt der Anodenlegierung an Eisen, Titan und Mangan darf nicht zu hoch ansteigen, da er ihren Schmelzpunkt zu stark erhohen wiirde.

Der Kathodenprozess ist identisch mit dem Vorgang bei der elek­trolytischen Metallgewinnung. Dabei liisst sich die Entladung einer ge­wissen Menge von Na+ lonen nicht vermeiden. Das metallische Natrium diffundiert an die Oberfliiche, wird dort sofort oxidiert und setzt die Stromausbeute entsprechend herab. Aus diesem Grunde muss man die Natriumverluste nach einer gewissen Zeit, die von der Strombelastung, der Zelle, der Menge und Temperatur des Elektrolyten abhiingt, ergiinzen. Die Zellenkonstruktion ist in der Abbildung X.2 schematisch dargestellt.

Bei dieser Raffinationszelle ist die Stromzufiihrung zum Zellenboden im Gegensatz zur Produktionszelle als Anode, die obere Elektrode als Kathode geschaltet. Da sich an dieser Elektrode kein Sauerstoff ent­wickelt, verwendet man als Elektrodenmaterial keine vorgebrannte Elektrodenkohle, sondern den teueren Graphit. Graphit hat ein hoheres elektrisches Leitvermogen und neigt weniger zur Bildung von Alumi­niumcarbid.

Bei der Inbetriebsetzung der Zelle wird eine ausreichend, minde­stens 10 cm hohe Schicht an geschmolzenem Elektrolyten eingefiillt. Diese Schichtdicke ist notwendig, urn zu verhindern, dass das Kathodenprodukt sich unter dem Einfluss stiirkerer Stramungen mit der Anodenlegierung mischt. Diese Stromungen sind die Folge hoherer Temperaturen im In­neren der Zelle, hoher Stromdichten und starker elektromagnetischer Felder. Danach wird die geschmolzene Anodenlegierung vorsichtig in die Zelle eingefiillt und schliesslich eine Schicht von reinstem Aluminium auf die Oberfliiche aufgebracht. Die Kathoden werden so eingestellt, dass sie nur in diese Aluminiumschicht eintauchen. Das Aluminium bedeckt sich so fort mit einer Oxidhaut, die es vor weiterer Oxidation durch den Luftsauerstoff schiitzt. Damit ist die Zelle betriebsbereit.

Die Anodenlegierung kann bis zu einem Gehalt von etwa 20 % herab elektrolysiert werden. Danach wird der Strom abgeschaltet und ein Teil der kupferreichen Anodenschicht in einen Tiegel abgelassen, der bereits eine neue Charge von Hiittenaluminium oder der zu raffinierenden Legierung enthiilt. Man stellt die Mengen so ein, dass die Mischung unter Beriicksichtigung der in der Zelle verbliebenen Menge eine Dichte erhiilt, die iiber der des Elektrolyten liegt und der Zusammensetzung beim Beginn der Elektrolyse entspricht. Die erhaltene Legierung wird dann iiber ein mit Graphit ausgekleidetes Trichterrohr, das bis in die Anoden­legiel ung eintaucht, in die Zelle zuriickgefiillt. Diese zuriickgefiihrte Legierung fiihrt infolge ihres grosseren Volumens zu einer Niveauer­hohung in der Zelle, so dass eine entsprechende Menge an raffiniertem

Page 204: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Herstellung von Magnesium 191

Metall tiber einen Dberlauf in einen Tiegel abHiuft. Es existieren eine Reihe von Zellenkonstruktionen, die aber alle nach diesem Prinzip arbeiten.

Mit der Zusammensetzung und dem Durchsatz des Rohmetalls reichern sich Eisen, Titan, Mangan und andere Verunreinigungen in der Anodenlegierung an: Wenn diese Verunreinigungen etwa 8 % tiber­schreiten, erstarrt die Anodenlegierung. Sie muss regeneriert und er­neuert werden. Wenn man Htittenaluminium raffiniert, erreicht man Reinheitsgrade von 99,99 % bis 99,999 %. Die Betriebsdaten einer Raffinationszelle sind in der Tabelle X.6 zusammengestellt.

Tab. X.6. - Elektrische Daten der Aluminiumraffination.

Zellenspannung Stromdichte Stromausbeute Stromverbrauch

6-7 V 3600 - 4000 A/m2 0.85 -0·95 22 - 25 kWh/kg

Man hat als Elektrolyt auch Systeme auf der Basis von Aluminium­chlorid und Alkalichloriden vorgeschlagen. Man erreicht Schmelzpunkte von IOO°C, so dass bei Elektrolysetemperaturen zwischen 120 und 150 oC mit festen Elektroden gearbeitet werden kann. Damit sich das Aluminium unter diesen Bedingungen als glatter, dichter Niederschlag abscheidet, muss man Schwermetallchloride (Bleichlorid) zusetzen. Dabei erhiilt man nur Reinheitsgrade von 99,5 bis 99,9 %. Deswegen hat sich dieses Ver­fahren industriell nicht durchsetzen konnen.

5. Elektrolytische Herstellung von Magnesium

Magnesium kann eben falls nur durch Schmelzfiuss-Elektrolyse hergestellt werden, da sein Abscheidungspotential sehr viel negativer als das des Wasserstoffs ist. Von den technisch in Frage kommenden Salzen, dem Magnesiumchlorid und dem Magnesiumsulfat, kann nur das erstere verwendet werden, weil das Sulfat von metallischem Magnesium reduziert werden wtirde :

Mg + MgS04 -+ 2 MgO + S02 (X.5.I)

Ein der Aluminiumherstellung entsprechendes Verfahren wurde ebenfalls versucht. Man verwendet eine Mischung von Magnesium- und Bariumfiuorid zu etwa gleichen Teilen mit einem Zusatz von 10 % Na­triumfiuorid. In diesem Elektrolyten, der einen Schmelzpunkt zwischen etwa 850 und 9000C hat, lost sich das Magnesiumoxid nur zu etwa 0,1 %, so dass praktisch nur das Magnesiumfiuorid mit seiner hohen Zerset­zungsspannung elektrolysiert wird. Die einzige technische Anlage der

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192 Elektrolyse geschmolzener Salze

MAGNESIUM CORP. OF AMERICA wurde nach wenigen Jahren wegen un­wirtschaftlichen Arbeitens (hoher Energieverbrauch, hohe Arbeitstem­peraturen) stillgelegt.

Das gesamte elektrolytisch hergestellte Magnesium wird heute durch Schmelzfiuss-Elektrolyse von wasserfreiem Magnesiumchlorid her­gestellt. Die Elektrolyse des Magnesiumchlorids bietet aus der Sicht der theoretischen Elektrochemie nichts besonderes. An der Kathode werden Mg2+ Ionen unter Bildung von Magnesiummetall und an der Anode Cl- Ionen unter Bildung von Chlorgas entladen. Diesen primaren Kathoden- und Anodenreaktionen folgen keine nennenswerten Sekundar­reaktionen.

Der Elektrolyt besteht aus wasserfreiem Magnesiumchlorid unter Zusatz von Natriumchlorid und anderen Alkali- und Erdalkalichloriden, urn seinen Schmelzpunkt herabzusetzen, seine Leitfahigkeit zu erh6hen, seine Dichte anzupassen und seinen Widerstand gegen Hydrolyse [so Gleichungen (X.5.3) und (X.5.4)] zu erh6hen. Der Elektrolyt muss sehr rein sein, urn Stromverluste zu vermeiden. Die hauptsachlichsten Verun­reinigungen des Magnesiumchlorids sind Wasser, Sulfate und Spuren von Eisensalzen. In Tabelle X.7 ist eine typische Elektrolytzusammensetzung angegeben.

Tab. X.7. - Elektrolyt-Zusammensetzung bei der Magnesiumchlorid-Elektrolyse.

Bestandteil

MgCl2

NaCI CaCl2

%

15 -20

45 - 55 20 - 30

Reines entwassertes Magnesiumchlorid enthalt selten weniger als I

bis 2 % Wasser. Erschwerend kommt hinzu, dass es beim Transport und beim Lagern wegen seiner starken Hygroskopizitat sehr leicht Feuchtigkeit anzieht. Ein Teil dieses Wassergehalts wird in der Zelle verdampft, ein Teil vor dem Beginn der Elektrolyse des Magnesium­chlorids elektrolytisch zersetzt, da die Zersetzungsspannung des Magne­siumchlorids tiber der des Wassers liegt. Diese Wasserzersetzung ver­braucht eine erhebliche Energiemenge. Beispielsweise muss eine Zelle, die mit 1500 kg Magnesiumchlorid mit einem Wassergehalt von 2 % beschickt wird, bei 5000 A 18 Stunden betrieben werden, urn die darin enthaltenen 30 kg Wasser zu zersetzen, bevor die Zersetzung des Magne­siumchlorids beginnt (der Wasserverlust durch Verdampfen beim Be­schicken der Zelle ist hierbei ausser acht gelassen worden). Rechnerisch entspricht dies einem Verlust an Stromausbeute von 9,8 %. Diese Rechnung gilt fUr jede Beschickung. Dariiber hinaus kann das in jeder

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Herstellung von Magnesium I93

Charge vorhandene Wasser mit bereits abgeschiedenem Magnesium­Metall nach der folgenden Gleichung reagieren :

(X.5.z)

In Bezug auf die Stromausbeute hat diese Reaktion die gleiche Wirkung wie die direkte elektrolytische Zersetzung des Wassers, denn die beiden fur die Abtrennung eines Grammatoms Magnesium benotigten Stromiiquivalente gehen bei der Dberf~hrung des Magnesiums in das Oxid genau so verloren, wie die beiden Aquivalente, die ein Mol Wasser zersetzen. Die Reaktion (X.5.z) ist trotzdem nachteiliger, weil das gebildete Magnesiumoxid nicht elektrolysiert wird und so einen Materialverlust darstellt.

Das Wasser kann auch mit dem Magnesiumchlorid nach folgenden Gleichungen reagieren :

MgCl2 + H20 ~ Mg(OH)Cl + HCl

MgCl2 + H20 ~ MgO + z HCl

(X.5·3)

(X.5·4)

Das dabei gebildete Oxychlorid und Oxid bedeutet ebenfalls einen Ma­terialverlust. Jedoch wird je nach der Beschaffenheit der Magnesium­chloridcharge (stuckig oder pulverig) ein mehr oder weniger grosser Anteil des Wassers verdampfen, bevor er nach den Reaktionen (X.5.z), (X.5.3) und (X.5.4) reagieren kann. Das ist besonders dann der Fall, wenn die Charge in einen mit dem Anodenraum in Verbindung stehenden Raum eingetragen wird, der so angeordnet ist, dass das heisse Chlorgas das Wasser verdampfen und abfiihren kann, so dass die Hydrolyse vermie­den wird.

Sulfat-Ionen sind eben falls schiidlich, da sie nach der Reaktion (X.5.l) reagieren. Der Sulfat-Gehalt solI deswegen 0,5 % nicht uber­steigen. Die BiIdung von Magnesiumoxid in der Zelle nach den Gleichung­en (X.5.z) und (X.5.4) verringert die Stromausbeute, weil es die ent­stehenden Magnesiumtropfchen mit einer dunnen Oxidhaut bedeckt und so das Zusammenfliessen zu grosseren Teilchen verhindert. Es sinkt mit der Masse des Magnesiumoxids auf den Boden der Zelle abo Bei der Analyse dieses auf dem Zellenboden abgelagerten Magnesiumoxid­Schlammes findet man wegen des Metall-Gehaltes mehr Magnesium als der Zusammensetzung des Oxids entspricht. Eine Schlammanalyse yom Boden der Zelle ist in der Tabelle X.8 zusammengestellt.

Durch Zusiitze geringer Mengen an Natrium- oder Calciumfluorid liisst sich die Dispergierung des Magnesium-Metalls verringern, da sie die Oxidhiiute teilweise losen. Eisen und andere Verunreinigungen von Schwermetallen storen ebenfalls, da sie das Endprodukt verunreinigen und durch einen dauernden Wechsel der Oxidationsstufen an Kathode und Anode (Fe2+ ~ Fe3+ ~ Fe2+ usw.) die Stromausbeute herabsetzen konnen. Von anderen Verunreinigungen stort insbesondere das Bor, das sich an der Kathode abscheidet und dort Metallboride bildet. Diese

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194 Elektrolyse geschmolzener Salze

Tab. X.8. - Schlamm-Analyse vom Boden einer Magnesium-Zelle.

Bestandteil %

MgO 18 Mg 5 Schwermetalle I

Elektrolytschmelze 76

verunrelmgen nicht nur das Magnesium, sondern beeinflussen auch die Dispergierung des Metalls und verursachen so grossere Stromverluste. Alkali- oder Erdalkali-Ionen storen nicht, da ihre Abscheidungs­spannung uber der des Magnesiums liegt. Ihre Abscheidung beginnt erst, wenn bei hohen Stromdichten der Magnesiumchloridgehalt im Elektrolyten unter 5 % fallt. Bei reinem und weitgehend entwassertem Magnesiumchlorid erreicht man spezifische Stromausbeuten von 90 %.

Obwohl man durch eine entsprechende Zusammensetzung des Elektrolyten erreichen kann, dass seine Dichte geringer als die des ge­schmolzenen Metalls sei, so dass metallisches Magnesium sich auf dem Boden der Zelle sammelt, ist es gunstiger, das flussige Metall an die Elektro­lytoberflache steigen zu lassen. Man vermeidet dadurch, dass es sich mit dem Magnesiumoxid-Schlamm, der sich auf dem Zellenboden ansam­melt, mischt und so das Zusammenfliessen des von den Kathoden abtrop­fenden Metalls zu grosseren zusammenhangenden Tropfen verhindert. Ausserdem lasst sich das flussige Metall leichter aus der Zelle entfernen, wenn es auf der Elektrolytoberflache schwimmt. Beim Einsatz von reinen Ausgangsstoffen, frei von metallischen Verunreinigungen, die sich katho­disch abscheiden konnen, kann man ein Elektrolysemetall mit einem Reinheitsgrad von 99,7 bis zu 99,9 % herstellen. Hauptsachliche Verun­reinigungen sind Aluminium, Silicium und Eisen. Bisweilen findet man Einschlusse von Elektrolytresten, die sich nur schwer mit blossem Auge erkennen lassen und sehr schadlich sind, weil sie zu Korrosionen fiihren. Ais Chlor berechnet, solI ihr Gehalt 0,005 % nicht uberschreiten.

Wenn das Kathodenprodukt nicht rein genug ist, lasst es sich durch Destillieren des Rohmagnesiums im Vakuum bei einem Druck von etwa 3 Torr reinigen. Die Temperatur solI moglichst niedrig sein, muss aber uber dem Magnesium-Schmelzpunkt liegen. Die Destillation kann in zunderfesten Stahlretorten vorgenommen werden. Man kann nach diesem Verfahren ein Meta11 mit 99.99 % Magnesium erhalten.

Die Zersetzungsspannung des geschmolzenen Magnesiumchlorids ist nicht genau bekannt. Mit etwa 2.5 V liegt sie deutlich unterhalb der Zer­setzungsspannung der anderen Elektrolytkomponenten. Die Zellenspan­nung jedoch liegt mit 6 bis 7 V erheblich hOher. Man arbeitet im allge­meinen mit anodischen Stromdichten von 7000 bis 10000 AJm2 , die ka­thodischen Stromdichten sind mit 5000 bis 7000 A/m2 etwas geringer.

Page 208: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Herstellung von Magnesium 195

Diese Werte haben keinen wesentlichen Einfluss auf die Stromausbeute. Sie hangt dagegen hauptsachlich vom Wassergehalt der Magnesiumchlo­ridchargen ab.

Die Elektrolyttemperatur solI mit 720 bis 750 oC ziemlich we it tiber dem Metallschmelzpunkt (650oC) liegen. Bei dieser Temperatur zeigt das fltissige Magnesium noch keine grosse Neigung, mit dem Anodenchlor zu reagieren. Gegen Oxidation durch den Luftsauerstoff wird es durch einen dtinnen Film von geschmolzenem Elektrolyten, der die Metallober­flache bedeckt, geschtitzt. Die Zelle wird teilweise oder auch vollstandig mit Hilfe elektrischer Energie auf der Betriebstemperatur gehalten. Ein Zellentyp, bei dem die Warme zum Teil von ausserhalb der Zelle zugefiihrt wird, ist in Abbildungen X.3 gezeigt.

12

11

Abb. X.3. - Magnesium-Zelle der Dow CHE­

MICAL CO. I: 5ffnung fur MgO-Eintrag; 2: Graphit-Anoden; 3: Stromzufiihrung; 4: Gasaustrittsoffnung (CI" HCI, Luft); 5: Zellendeckel; 6: Rinnen fur fiussiges Ma­gnesium; T kathodische Stromfuhrung; 8: feuerbestandige Bekleidung; 9: Katho­den; 10: Stahlgusswanne; II: Gasheizung; 12: fiussiges Magnesium; 13: geschmolze­nes Magnesiumchlorid.

Diese von der Dow CHEMICAL COMPo betriebene Zelle besteht aus einem Stahlgusswanne (ro) die in einem mit feuerfesten Steinen ausge­mauerten (8), gasbeheizten Of en (II) erhitzt wird. Die Graphit-Anoden (2) werden von oben beweglich durch den Deckel (5) hindurchgefiihrt, wah­rend die fest mit dem Zellentrog elektrisch leitend verbundenen, mit Schlitzen versehenen Kathoden (9) seitlich angebracht sind. Das durch diese Schlitze hindurchtretende Metall sammelt sich in den umgekehrten Rinnen (6), die zur Stirnseite der Zelle fiihren, an und wird dort von Zeit zu Zeit durch Absch6pfen entfernt. Das mit Chiorwasserstoff und Luft vermischte etwa 5 bis 10 %ige Chior wird bei (4) abgesaugt. Die Dow­Zelle verarbeitet ein unvollstandig getrocknetes Magnesium-Chiorid dem Natrium-Chiorid und Ca1cium-Ch10rid zugesetzt werden. Die Zusammen­setzung der Schmeize besteht aus etwa 25 % MgCl2, 15 % Ca C12 und 60 % NaCl. E1ektr01ytmischungen mit etwa rO-20 % Wassergehalt k6nnen noch verwendet werden. Das anwesende Wasser dampft beim Eintritt in die Elektr01ysezelle norma1erweise sofort. Die Stromausbeuten sind entsprechend niedrig.

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Elektrolyse geschmolzener Salze

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7

Abb. X+ - Magnesiumzelle der 1. G. FARBENINDUSTRlE, oben: Lang­schnitt; unten: Querschnitte. I: Stromzufiihrung zu den Kathoden ; 2: Stromzufilhrung zu den Anoden; 3: Kathoden ; 4: Trennwande ; 5: Eisenmantel; 6: Anoden; 7: Mauerwerk; 8: Chlorgasabsaugung; 9: Kathodenraumentliiftung.

Die ausschliesslich durch Stromwarme beheizte, von der 1. G. FAR­

BENINDUSTRIE A. G. entwickelte Magnesiumzelle ist in Abb. X-4 sche­matisch dargestellt. Elektrolysiert wird ein praktisch wasserfreies Magne­siumchlorid. Die Reinheit des erzeugten Chlors liegt tiber 95 %.

In der Tabelle X.9 sind charakteristische Betriebsdaten der Dow­Zelle und der 1.G.-Zelle zusammengestellt.

6. Herstellung von wasserfreiem Magnesiumchlorid

Das Rohmaterial fUr die Magnesiumchlorid-Herstellung stammt aus verschiedenen Quellen :

I. wasser10sliche Magnesiumsalze: Bischofit (MgC12 • 6 H 20), Carnallit (MgC12 ·KCl·6 H 20) und Tachhydrit (MgC12 ·CaCl2 ·I2 H20);

Page 210: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Herstellung von wasserfreiem Magnesiumchlorid Ig7

Tab. X.g. - Elektrische Daten von Magnesiumchlorid-Elektrolysezellen.

Dow-Zelle 1. G. FARBEN-Zelle

Zellenspannung V 5.5 - 6 6·5 -7

Stromstarke A go 000 32000

Stromdichte (Kathode) A/m2 '" 10000 6800

Stromdichte (Anode) A/m2 '" 12000 6000

Stromausbeute 0,75 o,go Stromverbrauch kWh/kg 17 - 18 16 - 17

2. wasserunlosliche Magnesiumverbindungen: Magnesit (MgC0 3), Do­lomit (MgC02 ·CaC0 3) und Brucit ((Mg(OH)2) ;

3. magnesiumreiche Salzsolen; 4. Seewasser.

Die Gewinnung von wasserfreiem Magnesiumchlorid aus diesen Rohstoffen kann auf trockenem oder nassem Wege erfolgen.

1. Magnesiumchlorid-Doppelsalze werden nass verarbeitet. In der ersten Stufe wird reines Magnesiumchloridhexahydrat hergestellt. Die verschiedenen Wege zur Herstellung dieses Hydrats laufen auf eine Lo­sung des Salzes in Wasser und eine fraktionierte Kristallisation hinaus, urn die Begleitchloride abzutrennen. Verunreinigungen durch Eisen-, Kie­selsaure- und Aluminiumverbindungen werden vorher aus der Magnesium­chloridlauge mit Magnesiumhydroxid gefallt und eventuell vorhandenes Brom mit Chlor entfernt. Die Entwasserung des Hexahydrates ist die schwierigste Stufe bei der Herstellung von wasserfreiem Magnesiumchlorid. Bis zum Dihydrat (MgCl2 • 2 H 20) bietet sie keine Schwierigkeiten. Bei der weiteren Trocknung treten wegen der notwendigen hohen Tempera­turen hydrolytische Spaltungen nach den Gleichungen (X.5.3) und (X.5A) auf. Die letzten Ibis 1,5 % Wasser, das vermutlich als Oxychlorid [Mg(OH)CI] gebunden ist, lassen sich nUl unter vollstandiger Hydrolyse entfernen, so dass man auf die weitere Entwasserung verzichtet. Die Hydrolyse lasst sich zuriickdrangen, wenn man dem Hexahydrat Alkali­chloride (KCI, NaCl) oder Ammoniumchlorid zusetzt oder die restliche Entwasserung im Chlorwasserstoffstrom durchfiihrt. Das tiber Trock­nungsverfahren hergestellte wasserfreie Magnesiumchlorid enthalt infolge der hydrolytischen Spaltung immer einige Prozente Magnesiumoxid. Dieser Gehalt stort zwar die Elektrolyse nicht, erhOht aber den Schlamm­anfall in der Zelle und hat entsprechende Materialverluste zur Folge. Man kann ihn durch Chlorieren (s. nachfolgenden Punkt 2) entfernen.

2. In der erst en Stufe des trockenen Verfahrens wird Magnesiumoxid hergestellt. Reiner Magnesit oder Brucit werden zuerst kalziniert und das erhaltene Magnesiumoxid dann in Gegenwart von Kohlenstoff bei Tem­peraturen oberhalb des Schmelzpunktes des Magnesiumchlorids (708°C) in Schachtofen chloriert. Die Reaktion :

Page 211: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

198 Elektrolyse geschmolzener Salze

MgO + C + C12 --+ CO + MgCl2 (X.6.1)

fiihrt direkt zum wasserfreien Magnesiumchlorid. 3. N atiirlich vorkommende Salzsolen konnen eingedampft und wie

unter I angegeben verarbeitet werden. Es besteht auch die Moglichkeit, das Magnesium mit Kalkmilch oder gebranntem Dolomit zu Hillen und das Oxid nach Punkt 2 zum wasserfreien Chlorid zu chlorieren.

4. Bei der Verarbeitung von Seewasser wird das darin mit 0,14 % geloste Magnesium mit Kalkmilch als praktisch unlosliches Magnesium­hydroxid gefalIt. Man entfernt zuerst die festen und suspendierten Stoffe iiber grobmaschige Siebe am dem Seewasser und falIt dann das Hydroxid mit Kalkmilch in grossen Behaltern bei einem pH-Wert von 10 bis II aus. Nach dem Eindicken in grossen DORR-Eindickern wird der Hydroxid­schlamm abfiltried. Er kann entweder zum Oxid kalziniert oder mit Salzsaure zum Chlorid neutralisiert werden. Das Oxid kann, wie oben unter Punkt 2 angegeben, direkt zu wasserfreiem Magnesiumchlorid chloriert werden. In der Anlage der Dow CHEMICAL COMPo in Freeport, Texas, wird es mit Salzsaure zu konzentrierter Magnesiumchloridlauge neutralisiert. Diese Lauge wird nach dem Eindampfen iiber das Hexa­hydrat, wie unter Punkt I angegeben, entwassert und schliesslich im Chlorwasserstoff-Strom getrocknet. Der Chlorwasserstoff und die Salz­saure werden durch Umsetzung des in der Elektrolyse erzeugten Chlors mit Erdgas erzeugt. Urn eine Tonne Magnesium herzustellen werden 800 Tonnen Seewasser benotigt. Voraussetzung fUr die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens sind billige Hilfsstoffe. In der Anlage der Dow CHEMICAL COMPo in Freeport werden als Rohstoff fiir die Herstellung des gebrannten Kalkes Austernschalen verwendet, die mit Hilfe grosser Bagger aus der in der Nahe liegenden GAL VESTONE- Bucht gefordert werden.

7. Elektrolytische Herstellung von Natrium

Die elektrolytische Gewinnung von Natrium ist wegen seines hohen Reaktionsvermogens bei den Herstellungstemperaturen von mehreren hundert °C einer der schwierigsten elektrometallurgischen Prozesse. Man kann metallisches Natrium nicht direkt aus den wasserigen Lo­sungen seiner Salze abscheiden, weil sein Abscheidungspotential weit negativer als das des Wasserstoffs ist. Selbst bei einer Quecksilberkathode geniigt die Uberspannung des Wasserstoffs allein noch nicht, urn die Differenz der Abscheidungspotentiale von Wasserstoff und Natrium auszugleichen. Die Abscheidung des Natriums an der Quecksilberkathode wird erst dadurch moglich gemacht, dass Quecksilber und Natrium ein Amalgam und vielleicht intermetallische Verbindungen bilden (vgl. Kap. IX.A.2 und A.6). Ihre Bildung verlauft unter einer relativ hohen War­metonung exotherm. Dariiber hinaus sind diese Verbindungen in einem an der Kathode vorhanden lTberschuss an Quecksilber loslich, so dass das effektive Abscheidungspotential des Natrium Ions ausreichend de­polarisiert wird, urn seine Abscheidung an Quecksilber zu ermoglichen.

Page 212: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Herstellung von Natrium 199

Urn metallisches Natrium herzustellen, muss man es aus dem Amalgam abtrennen. Dieses aufwendige Verfahren fiihrt zu Gestehungskosten, die die Natriumherstellung nach diesem Verfahren unwirtschaftlich machen. Man zieht deswegen die schmelzflusselektrolytische Herstellung VOT. Das gesamte metallische Natrium wird heute auf diesem Wege hergestellt.

Die erste Schwierigkeit, auf die man stasst, ist die relativ hohe, notwendige Elektrolysetemperatur. Natrium ist ein Metall mit einem relativ niedrigen Schmelz- und Siedepunkt (97,5°C bzw. 880 oq. Man muss bei einer maglichst tiefen Temperatur arbeiten, urn N atriumverluste durch Verdampfen und Reaktionen mit den Anodenprodukten und dem Luftsauerstoff zu vermeiden, da die ReaktionsHihigkeit des N atriums mit der Temperatur ansteigt. Der geeigneteste Elektrolyt sollte danach das wasserfreie Natriumhydroxid sein, das in reiner Form bereits bei 3180C schmilzt. Aus diesem Grunde wurde es als Elektrolyt fur die N atriumgewinnung verwendet.

Man kann auch Natriumsalze einsetzen, die billiger als Hydroxid sind, wie das Chlorid, Carbonat, Nitrat, Borat usw. Heute wird als Elektrolyt nur noch das Chlorid eingesetzt, das wesentlich billiger als das Hydroxid ist.

Elektrolyse des H ydroxids

Da dieses Verfahren heute nahezu verlassen worden ist, sollen hier nur die primaren und sekundaren Reaktionen und Reaktionsbedingungen besprochen werden. Man kann daraus klar die Schwierigkeiten erkennen, die dazu gefiihrt haben, die Chloridelektrolyse zu bevorzugen.

Die Primarreaktionen bei der Elektrolyse von N atriumhydroxid sind:

an der Kathode:

an der Anode:

Na+ + 2 e- --+ Na (X.7.1) (X.7.2)

Da die Dichte des Natriums geringer ist als die des Elektrolyten, sammelt es sich auf der Elektrolytoberflache an. Das an der Anode gebildete Wasser fiihrt gleichzeitig zu einer weiteren Kathodenreaktion :

(X.7·3)

Das an der Kathode abgeschiedene Natrium ist im Elektrolyten sehr stark lOslich. Diese Laslichkeit nimmt mit steigender Temperatur ab, jedoch steigt gleichzeitig der Diffusionskoeffizient an, so dass die Dif­fusion bei erhahter Temperatur iiberwiegt. Das im Elektrolyten diffun­dierte Natriummetall kann sich mit dem anodisch gebildeten Wasser und Sauerstoff nach den folgenden Sekundarreaktionen umsetzen :

2 Na + 2 H 20 --+ 2 NaOH + H2

2 Na + O2 --+ Na20 2

(X.7-4)

(X.7·5)

Page 213: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

200 Elektrolyse geschmolzener Salze

2 Na + 2 Na20 2 -+ 2 Na20

2 Na20 + 2 H 20 -+ 4 NaOH

(X.7.6)

(X.7·7)

Die Sekundar-Reaktionen (X.7.4) bis (X.7.7) verbrauchen bereits abgeschiedenes Natrium und vermindern die schon durch die Primar­reaktion (X.7.3) herabgesetzte Stromausbeute. Die Reaktionen (X.7.4) und (X.7.5) storen noch aus einem anderen Grunde. Reaktion (X.7.4) ftihrt zu einer Wasserstoffbildung auch an der Anode. Dieser Wasserstoff mischt sich mit Luft bzw. dem anodisch entbundenen Sauerstoff zu einem Gemisch, das laufend detoniert. Das nach Gleichung (X.7.5) mit Luft bzw. Sauerstoff reagierende Natrium ftihrt eben falls laufend zu Detonationen, die eine dauernde, aufmerksame Dberwachung der Ar­beitsweise der Zelle erforderlich machen.

Die Zersetzungsspannung des Natriumhydroxids bei der Betriebs­temperatur liegt bei etwa 2,2 V, die des Wassers bei der gleichen Tem­peratur bei etwa 1,4 V. Demnach lasst sich die elektrolytische Zersetzung des Wassers, das sich an der Anode bildet und vom Beginn an wegen der starken Hygroskopizitat im Elektrolyten vorhanden ist, nicht ver­meiden. Das Natriumhydroxid wird so wahrend der Elektrolyse nach den Primarreaktionen (X.7.I), (X.7.2) und (X.7.3) vollstandig in seine Grundbestandteile: Natrium, Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt.

Ftir die Zersetzung eines Moles Natriumhydroxid ist die Elektri­zitatsmenge von 2 Ii' erforderlich, wenn man die vollstandige elektroly­tische Zersetzung des nach Gleichung (X.7.2) gebildeten Wassers [Glei­chung (X.7.3)] einbezieht. Theoretisch kann die spezifische Stromausbeute dann 50 % nicht tiberschreiten, es sei denn, dass ein Teil des nach Glei­chung (X.7.2) entstandenen Wassers durch Verdampfen aus dem Elek­trolyten entfernt wird. In der Praxis werden wegen der Natrium ver­brauchenden Sekundarreaktionen spezifische Stromausbeuten von 40 % kaum tiberschritten, es sei denn, dass die Zelle so konstruiert ist, dass der grosste Teil des anodisch gebildeten Wassers verdampfen kann (vgl. weiter unten).

Die Menge des durch Sekundarreaktionen verbrauchten Natriums steigt schnell an, wenn die Betriebstemperatur tiber den Elektrolyt­schmelzpunkt erhoht wird. Bei einer Erhohung von 25 DC verbrauchen die Sekundarreaktionen fast das gesamte elektrolytisch erzeugte Metall, so dass die Stromausbeute schnell bis auf Null absinkt. Aus diesem Grunde sind die Temperaturgrenzen fiir den Arbeitsbereich der Zelle mit 15 bis 20 DC tiber dem Elektrolytschmelzpunkt sehr eng. Deswegen muss dieses Temperaturintervall streng eingehalten werden. Wenn die Tem­peratur zu sehr taUt, wird der Elektrolyt zu viskos. Es bildet sich ein dichter Schaum urn die Kathode. Der Schaum verhindert die Bildung von N atriumtr6pfchen. Damit fallt die Stromausbeute stark weiter abo In den oben angegebenen Temperaturgrenzen schwankt die Stromausbeute in der Praxis zwischen 36 und 45 %. Die Temperaturschwankungen konnen mit Hilfe eines mit den Stromzuftihrungen zur Zelle verbundenen Voltmeters verfolgt werden. Bei faUender Temperatur steigt die Zellen-

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Herstellung von Natrium 201

spannung an, umgekehrt vermindert sie sich, wenn die Temperatur ansteigt.

Reines wasserfreies Natriumhydroxid schmilzt bei 3I8oC, Verun­reinigungen und geringe Feuchtigkeitsmengen konnen den Schmelzpunkt bis auf 3000C herabdriicken. Aus diesem Grunde arbeitet man in der Praxis bei Temperaturen zwischen 310 und 320oC.

Der Elektrolyt solI so rein und so trocken wie moglich sein, urn Stromverluste durch die vor der Hydroxid-Elektrolyse ablaufende Wasser-Elektrolyse und eine sHirkere Schaumbildung zu vermeiden. Er solI insbesondere frei von Chloriden sein, weil das anodisch entbundene Chlor die im allgemeinen aus Eisen bestehenden Metallteile der Zelle unter Bildung von Eisenchlorid angreifen wiirde. Unter dem Einfluss von Feuchtigkeit wiirde dieses zu Eisenoxid hydrolysieren, den Elektro­lyten und das Kathodenprodukt verunreinigen und das Diaphragma zerstoren. Das verwendete Natriumhydroxid wird aus diesem Grunde allgemein durch die Elektrolyse von Natriumchlorid an Quecksilber­kathoden hergestellt (Kap. VIII.6).

Elektrolyse des Chlorids

Die Elektrolyse des Natriumchlorids zeigt emlge Besonderheiten, auf die aus der Sicht der theoretischen Elektrochemie hier hingewiesen werden solI. Durch Sekundarreaktionen zwischen dem im Elektrolyten gelostem Metall, das zur Anode diffundieren kann, und dem anodisch entbundenem Chlor oder dem Luftsauerstoff sich Peroxide, Natriumchlo­rat und N atriumchlorid bilden konnen. Diese Reaktionen vermindern die Stromausbeute. An der Anode kann sich durch Verbrennung des Kohlen­stoffs der Anode mit Luftsauerstoff Kohlenoxid bilden. Dieses Kohle­noxid kann bei Vorliegen entsprechender Temperaturbedingungen mit dem Anodenchlor Phosgen bilden. Dieses Gas gehort im Hinblick auf seine Giftigkeit zu den gefahrlichsten Stoffen.

Die Zersetzungsspannung von Natriumchlorid liegt an der Schmelz­punkttemperatur bei etwa 3,24 V, jedoch konnen bei der Elektrolyse erhebliche Dberspannungen auftreten. In der Praxis liegt die grosste Schwierigkeit dieses Verfahrens in dem hohen Schmelzpunkt des N atrium­chlorids von 800 oC. Urn einen ausreichend diinnfliissigen Elektrolyten zu erhalten, miisste die Zelle im Temperaturgebiet von 850 bis 900 °C arbeiten. Da der Siedepunkt des Natriums unter Normaldruck bei 880 °C liegt, wiirde es sich praktisch vollstandig verfliichtigen.

Eine andere Schwierigkeit liegt in der geringen Viskositat des Natriums bei diesen hohen Temperaturen. Seine Loslichkeit im Elektro­lyten muss ebenfalls beriicksichtigt werden. Sie steigt bei Temperaturen von 500 bis 600 oC schnell an. Bereits bei 700 oC bilden sich so starke Metallnebel, dass das Natrium sich praktisch nicht mehr an der Kathode ansammeln kann.

Man kann jedoch die Temperatur des Elektrolyten durch Verrin­gerung seines Schmelzpunktes herabsetzen. Durch Zusatz geeigneter Stoffe, wie Calciumchlorid, ist es moglich, die Betriebstemperatur der

Page 215: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

zoz Elektrolyse geschmolzener Salze

Zelle auf 600 oC zu senken. Trotzdem ist diese Temperatur noch zu hoch, weil der Dampfdruck des Natriums unter diesen Bedingungen noch so erheblich ist, dass es sich bei der Beruhrung mit dem Luftsauerstoff sofort entziinden wiirde. Aus diesem Grunde muss das an der Kathode abgeschiedene Natrium im Inneren der Zelle gekiihlt werden, beY~r es mit der Aussenluft in Beriihrung kommt.

In den N atriumchlorid-Elektrolysezellen k6nnen die Kathoden aus Eisen oder Kupfer gefertigt werden, als Anodenmaterial wird Graphit verwendet. Der eiserne Zellentrog muss mit einem gegen geschmolzenes Natriumchlorid und Natriummetall besHindigen keramischen Material ausgekleidet werden.

Eine Zelle dieses Typs - die DowNs-Zelle - ist in der Abbildung X.5 schematisch wiedergegeben. Sie wird nur durch die Stromwarme beheizt.

Da:

Abb. X. 5. - DowNs-Zelle flir die N atrium­Herstellung. I: Eisenbehalter; 2: Strom­zuflihrung zur Kathode; 3: Sammelrinne filr Natrium; 4: keramische Ausmaue­rung; 5: Zellendeckel; 6: Eintragsoff­nung filr NaCl; 7. Abgasleitung flir Chlor; 8: Sammelhaube filr Chlor; 9. verfestigter Elektrolyt; 10: geschmol­zener Elektrolyt; II: geschmolzenes Na­trium; IZ: Sammelbehalter flir Natrium; 13: Eisen-Kathode; 14: Drahtnetz; 15: Graphit-Anode; 16: StromzuHihrung zur Anode.

a) die Zersetzungsspannung des Chlorids wesentlich h6her als die des Hydroxids ist ;

b) die Dberspannungen der Chlorid-Elektrolyse die der Hydroxid­Elektrolyse iibersteigen und

c) der Stromverbrauch grosser ist, urn die Zelle auf der hoheren Betriebs­temperatur zu halten, muss die Zellenspannung der Chlorid-Zelle wesentlich h6her als die der H ydroxid-Zelle sein. Diese h6here Spannung wird jedoch durch die bessere Stromausbeute der Chlorid­Elektrolyse kompensiert, so dass der spezifische Stromverbrauch je kg

Page 216: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Herstellung von Natrium 203

Natrium bei beiden Zellen fast identisch ist. Die Chlorid-Elektrolyse arbeitet wegen des geringeren Rohstoffpreises des Elektrolyten und der wesentlich geringeren Zahl an Betriebsstorungen wirtschaftlicher. In Tabelle X.IO sind charakteristische Betriebsdaten beider Verfahren zusammengestellt.

Tab. X.IO. - Elektrische Daten zur Natriumherstellung.

Zellenspannung Stromdichte (Kathode) Stromdichte (Anode) Stromausbeute Stromverbrauch

* 5 000 A - Zelle. ** Dow - Zelle.

v A/m2 A/m2

kWh/kg

NaOH*

4,0-4,2 10000

9500 0>42 - 0 >46 10-11***

Elektrolyt

NaCI **

7 9700 9700 0,75 -0,80 10 - II

*** Da fUr I kg Natrium etwa 1,85 kg NaOH benotigt werden und fUr 1 kg NaOH + Chlor 3,2 kWh d.h. anteilsmassig 1,7 kWh/kg, NaOH verbraucht werden, erhoht sich der Stromverbrauch in diesem Vergleich urn 3,15 kWh auf insgesamt rund 13 - 14 kWh/kg Na.

Page 217: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

KAPITEL XI

PRIMARBATTERIEN UND AKKUMULATOREN(l)

von G. MILAZZO

1. Einleitung

Unter dem Namen Primiirbatterie oder kurz Batterie versteht man eine galvanische Zelle (manchmal auch galvanisches Element genannt), die chemische Energie in elektrische Energie umwandelt. Die ersten Batterien wurden im Jahre r800 auf Grund von Arbeiten von ALESSANDRO VOLTA gebaut. Sie stellten lange, bis zur Erfindung des Dynamo durch ANTONIO PACINOTTI im Jahre r860, die einzigen Stromquellen dar, die zur Erzeugung grasserer Elektrizitatsmengen zur Verfiigung standen. Die elektrostatischen Maschinen lieferten hohe elektrische Spannungen, konnten aber keine bedeutenden Elektrizitiitsmengen erzeugen. Die grundlegenden elektrochemischen Forschungsarbeiten von FARADAY, DAVY und anderen wurden mit Hilfe galvanischer Zellen durchgefiihrt.

Das erste VOLTA-Element bestand aus durch angefeuchtete Schich­ten eines saugfahigen Stoffes voneinander getrennten Kupfer- und Zink­scheiben. Der Sauerstoff und die Kohlensaure der Luft verursachen die Entstehung kleiner Mengen von Bicarbonat, so dass die elektrische Spannung dieses Elements bei offenem Stromkreis der Zelle

Cu I Cu2+ I Zn2+ I Zn

entspricht. Bei geschlossenem Stromkreis werden jedoch die in der Lasung vorhandenen Kupferspuren abgeschieden, und am positiven Pol findet dann der folgende elektrochemische Prozess statt :

(1) Der Autor dankt Herrn Prof. J. BRENET (Universitat Strassburg) fiir die Ratschlage bei der neuen Bearbeitung dieses Kapitels.

Page 218: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Einleitung 205

Dieses Element erwies sich in der Praxis als unverwendbar. Das erste verHisslich funktionierende Element war das DANIELL-Element, ihm folgten spater andere.

Zahlreiche galvanische Zellen werden als Elektrizitatsquellen prak­tisch verwendet. Die wichtigsten sind in Tab. XI.I zusammengefasst. Ihr hauptsachlicher Nachteil besteht in der Anwesenheit zweier Elektro­lyten. Dadurch wird die Anwendung eines Diaphragmas oder einer besonderen Vorrichtung notig, da sich die beiden Elektrolyten sonst durch Diffusion vermischen. Dies wiirde eine chemische Reaktion ohne Erzeugung elektrischer Energie und die Zerst6rung des Elements zur Folge haben.

In der Praxis werden heute die in Tab. XI.I angefiihrten galva­nischen Elemente nicht mehr verwendet, sondern die in der Folge be­schriebenen Trockenbatterien.

Tab. XI.I. - Elektrisehen Spannungen von, Elementen mit zwei Elektrolyten.

Element

Bun,sen Bunsen Poggendorf Poggendorf Daniell Daniell Daniell Grove Grove Grove Grove Meidinger

Zusammensetzung

C I HNO, rauehend C IHNO,d=I,38g/em8 C 112 KaCraO, + 25 HaSO, + 100 HaO C 112 K.Cr20, + 100 H.O C I CuSO,· 5 H 20 ges. Lsg. C I CuSO.· 5 H 20 ges. Lsg. C I CuSO •. 5 H 20 ges. Lsg. Pt I HNO, rauehend Pt I HNO, d = 1,33 g/em' Pt I HNO. d = 1,33 g/em· Pt I HNO. d = 1,33 g/em' Cu I CuSO, ges. Lsg.

H 2SO. + 12 H 20 Zn, amalg. H.SO, + 12 HaD Zn amalg. H 2SO, + 12 HaD Zn amalg. H 2SO, + 12 H 20 Zn amalg. H 2SO, + 4 HaO Zn amalg. NaCl aq Zn amalg. ZnSO,· 7 H 20 5 % Zn amalg. H 2SO, + 12 H 20 Zn amalg. ZnSO, aq. Zn amalg. H 2SO, d = 1,136 ge/m' Zn amalg. NaCl aq. Zn amalg. ZnSO, ges. Lsg. Zn amalg.

Elektrische Span,n,ung

(V)

1,94 1,86 2,00

2,03 1,06 1,05 1,08

1,93 1,66 1,79 1,88 1,18

Die Verwendung von Primarbatterien als Elektrizitatsquellen um­fasst Anwendungen wie Taschenlampenbatterien, Batterien fiir tragbare Radioempfanger und -sender, Uhren, Horgerate, Spielzeuge, Tonband­gerate, etc. In Anwendungen, wo grossere Leistungen benotigt werden (z.B. Starten von Fahrzeugen), werden Akkumulatoren eingesetzt. Auf den meisten anderen, iibrigens oft sehr bedeutenden Anwendungsgebieten (Fernmeldewesen, Lichtsignale, etc.) wurden die Batterien nach und nach durch die Verwendung von Wechselstrom, durch mit Gleichrichtern aus Wechselstrom erhaltenem Gleichstrom oder durch Akkumulatoren ersetzt.

Eine verwendbare Batterie soIl eine moglichst hohe und konstante elektrische Spannung liefern. Sie solI einen moglichst grossen Teil der freien Enthalpie der Reaktion in nutzbare aussere Energie umwandeln.

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206 Primarbatterien und Akkumulatoren

Das bedeutet, dass die Leistung einer praktisch verwendbaren Batterie durch die elektrische Spannung des verwendeten galvanischen Elements, seinen inneren Widerstand und seine Kapazitat bei dauernder und inter­mittierender Entladung festgelegt wird. Es ist in der Praxis unmoglich, die gesamte freie Enthalpie der Reaktion in aussere elektrische Energie umzuwandeln. Da der innere Widerstand der Batterie nicht gleich Null ist, geht ein bestimmter Teil der freigewordenen elektrischen Energie im Element durch den ]OuLE-Effekt verloren. Anderseits sind chemische Reaktionen niemals vollkommen umkehrbar und fehlende Reversibilitat verursacht augenblicklich das Auftreten von Dberspannungen.

Zwei Voraussetzungen miissen erfiillt werden, urn eine Batterie mit hoher Klemmenspannung zu erhalten: hohe Leerlauf-Spannung des galvanischen Elements und niedriger innerer Widerstand (s. Kap. III.2). Urn eine konstante Spannung zu erhalten, darf das Element nur geringe Dberspannungen aufweisen. Nur zugunsten anderer, vorteilhafteren Eigen­schaften kann, zumindest teilweise, auf die Konstanz der elektrischen Spannung verzichtet werden, wie z.B. bei den LECLANCHE- oder Trocken­elementen. Von diesem Standpunkt aus kann man die Elemente mit konstanter und nichtkonstanter Entladungsspannung einteilen.

Die Primarbatterien wei sen zwei Arten der Uberspannung auf: Durchtrittsiiberspannungen und Konzentrationsiiberspannungen (s. Kap. IV, 4, 5 und 6). Wahrend des Betriebs eines DANIELL-Elements z.B. erhoht sich die Konzentration der Zinksulfatlosung, wahrend sich die Kupfersulfatlosung verdiinnt. Da die Elektrodenspannung einer Me­tallelektrode erster Art von den Konzentrationen der elektrochemisch aktiven Metallionen abhangt, wird die Zinkelektrode wahrend des Betriebs positiver, wahrend die Elektrodenspannung der Kupferelektrode negativer wird. Daher nimmt die gesamte elektrische Spannung dieses Elements bei Stromentnahme abo Man nennt diese Erscheinung auch Konzentra­tionspolarisation. Sie ist praktisch jedoch unbedeutend, da sie die Elektro­denspannung bei Zimmertemperatur und einer Konzentrationsanderung von I : 10 an jeder Elektrode nur urn (0,059/z) V, d.h. 0,0295 V im Fall von Kupfer und Zink, verandert.

Wesentlich wichtiger ist die Durchtrittsiiberspannung: sie ist auf die begrenzte Geschwindigkeit der chemischen Reaktionen in den beiden Halbzellen zuriickzufiihren, vor allem bei Vorgangen wie z.B. Wasser­stoffentwicklung, Auflosung oder Abscheidung von Eisen etc. So kann selbst bei sehr geringen Stromstarken die Reaktionsgeschwindigkeit so rasch abnehmen, dass die elektrische Spannung sich stark verringert. Der Einfluss der Durchtrittsiiberspannungen sollte also moglichst aus­geschaltet oder zumindest herabgesetzt werden, indem man Stoffe, die die hemmenden Vorgange unterdriicken oder beschleunigen, in Anwendung bringt. Man nennt diese Stoffe Depolarisatoren.

Der wesentliche Vorteil der Batterien mit nur einer Elektrolyt­losung besteht darin, dass die chemischen Reaktionen, die zum Ver­brauch der elektrochemisch aktiven Stoffe des galvanischen Elements und zu seinem vorzeitigen Verschleiss fiihren (Selbstentladung), in we­sentlich geringerem Masse auftreten, da Diffusionerscheinungen zwischen

Page 220: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Lec1anche-Elemente 207

verschiedenen Losungen vollkommen abwesend sind. Die Lebensdauer dieser Zellen wird durch den Ausfall der Diffusionserscheinungen be­trachtlich erhoht. Samtliche derzeit verwendeten Batterien haben nun eine einzige Elektrolytlosung.

Sind die aktiven Stoffe der Batterie verbraucht, so wird keine Energie mehr erzeugt. Es ist nicht moglich, die Batterie durch Umkehrung des zur Energieerzeugung dienenden elektrochemischen V organgs in ihren urspriinglichen Zustand zuriickzufiihren, d.h. sie durch Zufiihrung elek­trischen Stromes wieder aufzuladen. Akkumulatoren konnen im Gegensatz dazu wieder geladen werden ; man lasst dazu im Inneren der Zelle einen Strom yom positiven zum negativen Pol fliessen. Der Akkumulator verhalt sich dann wie eine Elektrolysezelle, in der der elektrochemische Vorgang, der wahrend der Entladung den Strom erzeugt, umgekehrt wird. Es kehrt also in seinem Ausgangszustand zuriick und kann nun einen Teil der aufgenommenen Energie abgeben. Diese Zellen erhielten den Namen Akkumulatoren eben aus dem Grund, dass sie wahrend des Aufladens Energie in chemischer Form speichern, die sie bei der Entladung wieder in Form von elektrischer Energie abgeben.

Theoretisch konnte ein Akkumulator auf einer beliebigen umkehr­baren Reaktion beruhen. Die Notwendigkeit der Verwendung einer einzigen Elektrolytlosung schrankt jedoch in der Praxis die Auswahl stark ein. Die praktisch verwendeten galvanischen Elemente sind in Tab. XI.2 zusammengefasst.

Tab. XI.2. - Akkumulatorentypen

Typ

Blei

EDISON

JUNGNER

Ag-Zn

galvanische Zelle

Pb I Pb02 1 H 2S04 (d = I,20) I Pb

Stahl I Ni20 a ·xH20 I KOH ('" 20%)+LiOH I Fe I Stahl

Stahl I Ni20 a ·xH20 I KOH (20-25%)+LiOH I Cd I Stahl

Ag I Ag20 2 1 KOH ("'40%) +K2Zn02 1 Zn I Ag

2. LECLANCHE-Elemente

Elektrische Spannung

(V)

""2,00

"'I,25

Die heute am meisten verwendete Primarbatterie ist zweifellos das LEcLANcHE-Element, manchmal in abgeanderter Form. Der Grund­gedanke des LEcLANcHE-Elements kehrt bei vielen Primarbatterien wieder. Das LEcLANcHE-Element hatte urspriinglich die folgende Zu­sammensetzung :

Page 221: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

208 Primarbatterien und Akkumulatoren

Die am negativen Pol (in diesem Fall die Anode) staHfindende Reaktion fiihrt zur Bildung von Zn 2+-Ionen :

Zn - 2 e- --+ Zn2+

Die am positiven Pol (Kathode) staHfindenden Reaktionen sind komplex. Das Mangandioxid wirkt als Depolarisator. Da es der Formel Mn02 nicht genau entspricht, ist diese Reaktion noch nicht vollsHindig geklart. Die elektrische Spannung hangt vor allem von den Versuchs­bedingungen bei der Herstellung des Dioxids und von seinen physikalisch­chemischen Eigenschaften abo

Ein Grund fiir das Absinken der elektrischen Spannung im Betrieb ist die Veranderung der physikalisch-chemischen Beschaffenheit der Oxide Mn02 , Mn20 3 und Mn30 4. Vor allem Mn30 4 kann gegen Ende der Entladung gebildet werden. Eine genaue Untersuchung des gesamten in der LECLANcHE-BaHerie staHfindenden Prozesses wurde von SCARPA durchgefiihrt; er unterscheidet zwischen BaHerien mit normalem Man­gandioxid und solchen mit aktiviertem Mangandioxid.

Die ersteren liefern eine miHlere elektrische Ausgangsspannung von 1,53 V, die letzteren von 1,67 V; bei Verwendung von stark akti­viertem Mn02 konnen sogar Spannungen von 1,9 V erzielt werden.

Der mittlere isotherme Temperaturkoeffizient der BaHerien mit natiirlichem Mn02 betragt + 0,00085 ± 0,0000 V /oC. Setzt man diesen Wert in die GIBBS-HELMHoLTz-Gleichung ein, so kann berechnet werden, dass bei einer Raumtemperatur von 20 °C ~ E /n einen Wert von 125 730 Joule hat (wobei n die Anzahl der pro Formelumsatz iibertragenen Ladungsaquivalente bezeichnet und gleich 2 angenommen wird).

Nach verschiedenen Autoren wie KANEKO (2), DANIELS (3) und SCARPA (4) konnen folgende Reaktionen eintreten:

Zn + 2 NH4CI + 2 Mn02 --+ ZnCl2· 2 NH3 + Mn20 3 + H 20; n = 2 (XI.2.1)

2 Zn + 4 NH4Cl + 3 Mn02 --+ 2 ZnC12 '2 NH3 + Mn 30 4 + 2 H 20; n = 4 (XI.2.2)

Von diesen Reaktionen fiihrt nur (XI.2.1) zu Werten, die mit den auf Grund thermochemischer und elektrochemischer Angaben berechneten Anderungen der inneren Energie (249 II5) bzw. 251459 Joule/Mol) iibereinstimmen. Die Reaktion (XI.2.1) scheint die elektrochemischen Vorgange in BaHerien mit nicht aktivierten Mn02 richtig zu interpretieren.

(2) S. KANEKO, J. Soc. Chem. Ind. (Japan), 32 (1929) 120. (3) F. DANIELS, J. Am. Electrochem. Soc. 53 (19 28) 45. (4) O. SCARPA, Ricerca Sci. 12 (1941) 5.

Page 222: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Leclanche-Elemente 209

Die Reaktionen set zen jedoch voraus, dass das Mangandioxid der Formel Mn02 tatsachlich entspricht. Die neuesten Untersuchungen er­geben allerdings, dass dies nicht immer der Fall ist. Diese Reaktionsglei­chungen konnen die Wirklichkeit also nur sehr annahernd wiedergeben. Sie sind in jedem Fane nur Bruttogleichungen und gestatten keine ge­naueren Angaben uber den Mechanismus der Elektrodenreaktionen. Sie konnen jedoch sehr gut zu angenaherten Berechnungen verwendet werden.

Durch Rontgenbeugungsuntersuchungen, die zur Identifizierung der Reaktionsprodukte am positiven Pol durchgefUhrt wurden, konnte das Auftreten der festen Verbindungen (MnOOR) und (ZnO· Mn20 3) bewiesen werden. Ausserdem findet man Mangan auch im Katholyten in Losung.

Das Wasserstoffion kann aus thermodynamischen Grunden nicht entladen werden, da die Elektrodenspannung zu positiv ist. Das Was­serstoffion kann also eine Ladung nur neutralisieren, indem es mit dem Dioxid eine Verbindung eingeht, ohne dass eine Entladung stattfindet.

Auf Grund dieser Beobachtungen kann der am positiven Pol des LEcLANcHE-Elementes stattfindende Vorgang folgendermassen schema­tisch dargestellt werden (5) : die rein elektrochemische Primarreaktion:

lauft nun ab, sob aId die Zelle Strom liefert. Zwei andere chemische Reaktionen sind aber ebenfalls beteiligt. Eine findet zwischen dem Man­gandioxid und den Mn 2+ Ionen, die einem im Elektrolyt gelOsten Man­gansaIz entsprechen, statt

Mn 2 + + Mn02 + 2 OR- ---* 2 MnOOR (XI.2·5}

und fuhrt zur Entstehung von Manganit. Die zweite verHiuft parallel mit den von der Anode stammenden Zn 2+ Ionen :

(XI.2.6)

Die Reaktionen (XI.2.5) und (XI.2.6) scheinen unabhangig von der Entladung einzutreten.

Anderseits nimmt man an (6,7), dass die erste Phase des Mechanismus III den aktivierten Dioxiden in einer Reduktion der Mn(IV)-Ionen zu

(5) N. C. CAHOON, R. S. JOHNSON und M. P. KORVER, ]. Electrochem. Soc. 105 (1958) 296.

(6) J. BRENET, Proc. VIII Reunion CITCE, Madrid, 1956. Butterworth, London (1957).

(7) J. P. GABANO, B. MOR1GNAT und J. F. LAURENT, III symp. Intern. Batteries, Brighton, 1964, Pergamon Press, London (1965).

Page 223: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

2IO Primarbatterien und Akkumulatoren

Mn(III) oder Mn(II) in fester Phase mit Ausdehnung des Dioxidgitters besteht. Es folgt eine plotzliche Umwandlung des urspriinglichen Gitters in ein Mn20S-Gitter, das strukturell dem MnsOcGitter entspricht. Die MnOOH-Phase entsteht ebenfalls, sowie (zumindest in den Trockenele­menten) die ZnO· Mn20S-Phase (5).

Bei ~-Mn02' einer sehr wenig aktiven Abart mit einer Struktur von Rutil-Typ, fiihrt die Reaktion am positiven Pol zu einer schritt­weisen Umwandlung in Manganit, MnOOH. Die Mechanismen hangen also von der Struktur der Dioxide abo Die aktiven Dioxide enthalten notwendigerweise OH-Gruppen; diese Bedingung scheint jedoch zur Charakterisierung der Aktivitat oder der elektrochemischen Reaktivitat dieser Dioxyde nicht auszureichen.

Das Verhalten der Batterie konnte auch durch die Diffusion der Protonen in das Dioxidgitter bestimmt werden (8); diese wichtige Frage wurde in theoretischen Untersuchungen aufgegriffen (9). Eine eingehende thermodynamische Untersuchung auf Grund neuer Arbeiten (10) ist noch nicht abgeschlossen.

Die Entstehung anderer Stoffe, wie ZnCI· 2 NHa, kann vor aHem bei einer intensiven Entladung der Batterie festgesteHt werden. Unter diesen Bedingungen wird, wahrscheinlich durch die Reaktion von Am­moniumionen mit den iiberschiissigen Hydroxylionen an der Kathode, Ammoniak frei:

(XI.2·7)

Es konnen andere Reaktionen eintreten, wie z.B.

(XI.2.8)

Die den positiven Pol umgebende Losung wird wahrend des Betriebs der Batterie immer starker alkalisch, da durch die Primarreaktion (XI.2.4) ein Dberschuss an OH - Ionen entsteht. Diese Reaktion ruft die Pola­risierung der Elektrode sowie ein Absinken der elektrischen Spannung hervor. Die aktive Elektrode CJMn02 ist wahrend des grossten Teils der Betriebszeit nicht im thermodynamischen Gleichgewicht oder auch nur in einem stationaren Zustand. Die NERNsT-Gleichung oder eine ent­sprechende thermodynamische Beziehung kann daher nicht angewendet werden. Auch deshalb, weil die Mn 2+ und Zn 2+ Ionen nicht wirklich frei, sondern in Komplexen verschiedener Zusammensetzung gebunden sind. Die Tatsache, dass die Elektrodenspannung der Mn02-Elektrode yom pH abhangt, kann rein qualitativ aus der Elektrodengleichung

2 Mn O2 + 2 H + + 2 e- -+ Mn2 Oa + H20

(8) J. J. COLEMAN, Trans. Electrochem. Soc. 90 (I946) 545. (9) J. BRENET, Chem. Ing. Tech. 6 (I966) 658. Diese Abhandlung enthiilt

ein Verzeichnis der friiheren Literatur. (10) K. J. VETTER, Z. Electrochem. 66 (I962) 577.

Page 224: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Lec1anche-Elemente 211

abgeleitet werden. Danach ergibt sich die Gleichgewichtselektroden­spannung bei 25°C zu:

Urev = Uo + 0,059

2

[Mn02J2 [H+]2 log-----­

[Mn20 a] [H20]

Schliesst man in die Konstante Uo die Werte der Konzentrationen [MnOJ2 und [Mn20a] (wobei wegen des rein qualitativen Wertes dieser Beziehung die Aktivitaten durch die Konzentrationen ersetzt werden), da eine feste Phase vorliegt, und [H20], da das Wasser im Dberschuss vorhanden ist, ein, so erhalt man

U rev = Uo' + 0,059 log [H+J.

Man sieht, dass eine Abnahme der Wasserstoffionenkonzentration die Elektrodenspannung der Kathode (= des positiven Pols) des Elements negativer werden lasst.

Liefert das galvanische Element nur sehr geringe Stromstarken, so miisste der pH des die Mn02-Elektrode umgebenden Elektrolyten und daher auch die elektrische Spannung dieser Elektrode konstant bleiben, da die bei der Entladung von 2 F entstandenen zwei Gramm­ionen OH- durch die Sekundarreaktionen (XI.2.5) und (XI.2.6), (XI.2.7) und (XI.2.8) verbraucht werden.

Das Zinkchlorid bindet nicht den gesamten bei der Reaktion (XI.2.7) entstandenen Ammoniak : ein Tell entweicht als Gas. Dadurch wird das galvanische Element irreversibel, und weitere Reaktionen, die die Deutung der LECLANCHE-Batterie noch schwieriger gestalten, werden gefOrdert. So bildet sich z.B. basisches Zinkchlorid entsprechend den Reaktionen:

Zn2+ + 2 OH- --+ Zn(OH)2 4 Zn(OHh + ZnCl2 --+ [4 Zn(OH)2l ZnCl2

Die LECLANCHE-Batterie ist also eine Batterie mit veranderlicher Entladungsspannung. Sie wird wahrend ihres Betriebs bei endlichen Stromstarken polarisiert, da die am positiven Pol gebildeten OH - lonen nur langsam in den festen Depolarisator diffundieren. Dadurch wird der Kathodenbereich sehr stark alkalisch und die elektrische Spannung der Batterie sinkt. Abb. XI.I stellt die charakteristische Entladungskurve einer LECLANCHE-Batterie dar. Das Absinken der Spannung hangt bei konstanten Versuchsbedingungen von der Starke des Entladungsstromes ab, da sie auf Dberspannungen zuriickzufiihren ist. Das Absinken wird um so steiler, je hoher die Stromstarke ist. Schaltet man, nachdem die Batterie wahrend einer bestimmten Zeit einen starken Strom geliefert hat (ohne jedoch erschopft zu sein), eine Ruhepause ein, so diffundieren die OH - lonen aus dem Mangandioxid in den Elektrolyten und vermin­dem die Alkalinitat des das Mn02 umgebenden Milieus: man beobachtet ein Wiederansteigen der Spannung. Abb. XI.2 zeigt diese Erscheinung an einer Batterie von drei hintereinandergeschalteten galvanischen

Page 225: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

212 Primarbatterien und Akkumulatoren

Elementen. Die intermittierenden Entladungen entsprechende Kurve Hisst die Zunahme der elektrischen Spannung nach jeder Unterbrechung deutlich erkennen.

1.5

1.0 > :::::,

t (h) 05'--------------=-'---'-----

Abb. XI.I. - Entladungskurve einer LECLANCHE-Batterie bei ununterbrochener Entladung.

Die Trockenbatterie ist eine Variante der LECLANCHE-Batterie und weist das gleiche elektrochemische Verhalten auf. Sie unterscheidet sich von der urspriinglichen LECLANCHE-Batterie dadurch, dass ihr Elektrolyt durch Zusatz von Geliermitteln wie Starke, Carboxymethylcellulose, etc. verfestigt wird. Die Kapazitat dieser Batterien kann nur empirisch iestgestellt werden. Sie hangt nicht nur von der aktiven Masse, sondern stark von den Bedingungen ab, unter denen die Entladung stattfindet : Stromstarke des Entladungsstroms, intermittierende oder kontinuierliche Entladung, elektrische Spannung, bei welcher man das Element als erschopft ansieht etc.

5.0

3.0 > ~

2.0

C1> C :::J .c cJ QJ L

.n L QJ

C ::::> c OJ Ll C :::J

<J)

LD

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C1> C1> C C ::J :::J .c .c u U

::' ::' .n -e L

OJ OJ

C ~c

::::> ::::> c <lJ Ll C :::J

en cD C\J

Abb. Xl.z. - Entladungskurve einer LECLANCHE-Batterie mit intermittierenden Entladung.

Page 226: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Quecksilberoxid-Zink-Batterien 21 3

Nimmt man zunachst die folgende grundsatzliche Gesamtreak­tion an:

Zn + 2 Mn02 + 2 NH4Cl-+ ZnC12 ·2 NH3 + Mn20 3 + H 20 65 174 170 170 158 18

so entsprechen die unter jedem Stoff angegebenen Zahlen bei einer gelie­ferten Elektrizitatsmenge von 2 F den Gewichten der entsprechenden an der Reaktion beteiligten Stoffe. Diese Stoffe sollten also im Inneren des Elements in diesen Gewichtsverhaltnissen vorhanden sein. Bei be­sonders niedrigem und intermittierendem Entladungsstrom erhalt man jedoch in der Praxis grossere Strommengen, als theoretisch dem urspriing­lich in der Batterie vorhandenen Gewicht an Mangandioxid und Ammo­niumchlorid entspricht. Diese Erscheinung bestatigt die bereits erwahnte komplexe N atur der elektrochemischen Reaktionen in der LECLANCHE­Batterie. Sie scheint auf eine Reduktion des Mn02 nicht nur zu Mn20 a, sondern bis zu MnO und sogar Mna04 sowie auf die Bildung weiterer basischer Zinksalze hinzuweisen. Es werden jedoch hochstens 25-30 % des Zinks verbraucht ; es kann daher beim Bau von Trockenbatterien als Material fUr den Behalter verwendet werden, ohne dass man schon vor der vollkommenen Entladung des Elements eine Zersetzung des Behalters befiirchten muss.

Urn Selbstentladungen zu verhindern, muss das Zink geniigend rein sein und darf keine edleren Metalle, wie z.B. Kupfer, Blei oder Silber, enthalten. Die galvanische Abscheidung dieser Metalle auf dem Zink wiirde die Bildung kurzgeschlossener Lokalelemente verursachen, eine Erscheinung, die auch als Folge eines Korrosionsvorgangs auftreten kann (Kap. VIII, 17). Sie wiirde einen raschen Verbrauch des Zinks und even­tuell eine Zerstorung des Behalters herbeifUhren. Die wesentlichen Vor­teile des LEcLANcHE-Elements bestehen in seiner langen Lebensdauer und der Moglichkeit, den Elektrolyten durch mechanische Mittel zu verfestigen, so dass es in transportablen Batterien verwendet werden kann. Es weist folgende Nachteile auf: einen verhaltnismassig hohen inneren Widerstand (in der Grossenordnung von einigen Zehntel Ohm), die Erhohung dieses Widerstands wahrend der Entladung und die man­gelnde Konstanz der Klemmenspannung wahrend des Betriebes. Bei unterbrochener Verwendung des galvanischen Elements verliert jedoch dieser Punkt an Bedeutung.

3. Quecksilberoxid-Zink-Batterien

Die HgO-Zn-Batterie wird heute sehr haufig in Apparaten ver­wendet, die wahrend langerer Zeit gute Konstanz der Entladespannung erfordern.

Die zugrundeliegende galvanische Zelle ist

+Hg I HgO I Zn(OH)2fest I KOH 40 % + ZnArnalg.

Page 227: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Primarbatterien und Akkumulatoren

Die am negativen Pol stattfindende Primarreaktion kann durch folgende Reaktionsgleichung ausgedrtickt werden:

Zn 2+ + 2 OH - --+ Zn(OH)2 ~ ZnO + H20,

so dass man als Anodenreaktion erhalt :

Zn + 2 OH- - 2 e- --+ ZnO + H20.

Das Ionenprodukt [Zn2+]x[OH-P ist gleich 4,5X10- 17 und die Molaritat der OH - Ionen betragt (bei einem Aktivitatskoeffizienten von etwa 2) 7,7. Unter diesen Bedingungen kann fUr die Halbzelle ZnjZn2+ (Zinkelektrode) eine auf die Wasserstoffelektrode bezogene Elektroden­spannung von -1,317 V berechnet werden.

An der Kathode, die aus mit HgO (als Depolarisator) vermischtem Graphit besteht, kann der Vorgang als

HgO + H20 --+ Hg(OH)2 ~ Hg2+ + 20H-,

Hg2+ + 2 e- --+ Hg.

beschrieben werden

Daraus ergibt sich :

HgO + H20 + 2 e- --+ Hg + 2 OH-.

Da die Standardelektrodenspannung der Elektrode Hg j HgO j OH­+0,854 V betragt und das Ionenprodukt [Hg2+]X[OH-]2 den Wert 1,7 X 10-26 hat, hat die Halbzelle eine Elektrodenspannung von +0,021 V in Bezug auf die Wasserstoffstandardelektrode. Die gesamte elektrische Spannung der Batterie mtisste also 1,338 V betragen; der praktisch erhaltene Wert von etwa 1,34 V stimmt damit gut tiberein.

Abb. XI.3 zeigt die charakteristische Entladungskurve einer MALLORY-Batterie, verglichen mit der Entladungskurve einer LE­CLANCHE-Batterie gleicher Kapazitat. Beide Entladungen finden mit verhaltnismassig hohen Stromstarken tiber einen Lastwiderstand von 5 n statt.

Die MALLORY-Batterie erweist sich bei intensiver Entladung durch die Konstanz der Klemmenspannung wahrend der Entladung deutlich tiberlegen. Die theoretische Kapazitat des Elements betragt 0,223 Ahjg HgO. In der Praxis liegt die Ausbeute bei Stromdichten bis zu 1,5 Ajdm2 Kathoden-Oberflache bei etwa go % dieses Wertes und bei sehr hohen Stromdichten knapp darunter. Die Kapazitat einer MALLORY-Batterie ist bei der Abgabe starker Strome in der Praxis fUnf- bis achtmal grosser als die einer entsprechenden LECLANCHE-Batterie.

MALLORY-Zellen sind tiber lange Zeit sehr stabil : nach dreijahriger Lagerung ist die elektrische Spannung unverandert und die Kapazitat

Page 228: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Quecksil beroxid -Zink-Ba tterien 21 5

nur wenig gesunken. Der einzige Nachteil ist der hohe Preis, der den der gebrauchlichen Batterien wesentlich ubersteigt. Dieser Nachteil wird jedoch durch zahlreiche hervorragende Eigenschaften aufgewogen: hohe Kapazitat, geringes spezifisches Volumen ; lange Lebensdauer des stahler­nen Behalters ; gute Lagerungsbestandigkeit selbst bei hoher Temperatur und grosser Feuchtigkeit; geringer Innenwiderstand wahrend der Ent­ladung. Ausserdem kann man mit der MALLORY-Batterie sofort sehr starke Strome erhalten. Dank allen diesen Vorteilen ist die MALLORY­Eatterie auch hinsichtlich der Betriebskosten der klassischen LECLANCHE-

1.5

\ 1.0 \ ~,

> ' ..........

OS :::, ------------------___ IT l(h) ---

I

o 10 20 30 40 50 60 70

Abb. XI.3. - Vergleich der Entladungskurven einer MALLORY­Batterie (I) und einer LECLANcHE-Batterie (II).

Eatterie gegenuber konkurrenzfiihig. Ihre wichtigsten Anwendungen liegen auf militarischem Gebiet ; sie wird jedoch heute sehr haufig in H6rgeraten, Mikroblitzlichtern fUr die Photographie und ahnlichem verwendet.

Die RUBEN-Laboratorien haben eine Variante dieser Batterie ausgearbeitet, die die eben geschilderten Vorteile des normalen alka­lischen Elements mit der preiswerten Herstellung der LECLANCHE­Eatterie vereint; die Quecksilberoxid-Quecksilbersulfat-Batterie :

+c I HgS0 4 · Z HgO I ZnS0 4 II % I Zn-amalg•

Die dieser Batterie entsprechende Gesamtreaktion ist folgende:

3 Zn + HgS04 ·z HgO --+ ZnS04 + 2 ZnO + 3 Hg,

mit einer elektrischen Spannung von etwa 1,36 V. Eine dem Elektrolyten zugesetzte Puffersubstanz erhoht den pH

und halt ihn im gunstigsten Bereich von 5-6 ; innerhalb dieser Grenzen ist die Loslichkeit des Depolarisators am geringsten. Diese Batterie, deren Entladungskurve in Stufen verlauft, eignet sich fur aIle Anwen­dungen, die wahrend langer Zeit Strom geringer Starke erfordern.

Page 229: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

216 Primarbatterien und Akkumulatoren

4. Andere Batterien

Einen weiteren Batterietyp, der den Vorteil einer teilweisen Rege­neration bietet, stellt die LALANDE-Batterie dar. lhr Aufbau ist

+Cu I CuO I NaOH 20 % I Zn-amalg•

Am negativen Pol findet die gleiche Primarreaktion Wle in der LECLANCHE-Batterie statt :

Zn - 2 e- ~ Zn 2+

In alkalischem Milieu sind die Zn 2+ lonen nicht bestandig und reagieren mit den OH - lonen

(XI.4.I)

unter Bildung von Natriumzinkat. An der Anode findet also folgende Gesamtreaktion statt :

(XI.4.2)

Die Konzentration der Zn 2+ lonen ist also sehr niedrig und die Elektrodenspannung der Zinkelektrode stark negativ.

Das Kupferoxid wirkt an der positiven Elektrode als Depolarisator :

CuO + H20 + 2 e- ~ Cu + 2 OH-.

Diese Reaktion lauft schrittweise, unter intermediarer Bildung von Kupfer(I)Oxid, abo Die Gesamtreaktion der LALANDE-Batterie ist folgende:

1m Fall der LALANDE-Batterie sind weder das Kupferoxid noch das Zinkion im Elektrolyten loslich. Dieser ist daher stets mit den Aus­gangs- und Endprodukten der Elektrodenreaktion gesattigt. Die elek­trische Spannung bleibt daher wahrend des Betriebs praktisch konstant. Die in Abb. XI.4 dargestellte Entladungskurve der LALANDE-Batterie zeigt dies deutlich durch einen waagrechten Abschnitt. Die Spannung ist geringer als die der LECLANCHE-Batterie, der innere Widerstand der

lOt~ -------...... 0.5 ~ t(h)

Abb. XI+ - Entladungskurve einer LALANDE-Batterie.

Page 230: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Andere Batterien 21 7

LALANDE-Batterie ist jedoch wesentlich niedriger ('"-' ro-2 Q). Diese beiden Faktoren gleichen einander aus.

Kupfer(II)Oxid ist zwar in Natriumhydroxid16sung sehr schwer loslich, jedoch loslich genug, urn die spontane Entladung der Batterie durch Kurzschlusslokalelemente zu ermoglichen; diese Lokalelemente entstehen durch die Abscheidung metallischen Kupfers auf dem Zink und verursachen Schwierigkeiten bei der Lagerung. Ein Zusatz von Stoffen, die zu S2- oder S2032- Ionen dissoziieren, verringert die Konzentration der Cu 2+ Ionen und erhoht so die Lebensdauer des Elements.

Die Elektrolytmenge wird so bemessen, dass sie fast verbraucht ist, sob aId die Reduktion des Kupferoxids zu metallischem Kupfer statt­gefunden hat. Das entladene Element kann jedoch noch weiter verwendet werden, wenn bei leicht erhohter Temperatur und nach Erneuerung des Elektrolyten das Kupfer an der Luft oxidiert. Auch die Zinkelektrode kann im FaIle zu starker Abniitzung ersetzt werden. Die Vorteile der LALANDE-Batterie sind ihre konstante Spannung, die Moglichkeit der Regeneration und ihre einfache Bauweise. Diese Eigenschaften gestatten ihre Verwendung fiir kleinere Leistungen wie z.B. Signalanlagen fiir den Zugsverkehr oder Beleuchtungsmittel iiberall dort, wo die Zufuhr elek­trischer Energie durch ein Verteilungsnetz grosse Schwierigkeiten bereitet.

Ein weiterer Typ dieser Batterie verwendet den Luftsauerstoff als Depolarisator. Ais Prototyp dieser Art kann die Luftsauerstoff-Zink­Batterie (FERY-Batterie) gelten, in welcher auf Kohle adsorbierter Luftsauerstoff als Depolarisator wirkt. Man kann diese Batterie folgen­dermassen darstellen :

+C I Elektrolyt I Zn-amalg•

Die Primarreaktion am negativen Pol ist die gleiche wie in der LALANDE-Batterie, am positiven Pol jedoch, an dem der Luftsauerstoff als Depolarisator wirkt, tritt folgende Reaktion ein:

r - 02ads + H 20 + 2 e- -+ 2 OH-

2

Ohne emen geeigneten Katalysator tritt auch die Reaktion

ein, die die elektrische Spannung vermindert. Bei der Verwendung von Ammoniumchlorid als Elektrolyt finden

die Sekundarreaktionen (XI.2.7 und XI.2.8) statt, wahrend mit Natrium­hydroxid die Reaktion (XI.4.r) ablauft.

Die Kohlenstoffelektrode der Zink-Sauerstoff-Batterie ist poros und schwammig : sie ragt aus dem Elektrolyten heraus, so dass der Luft­sauerstoff leichter adsorbiert werden und als Depolarisator wirken kann.

Page 231: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

218 Primarbatterien und Akkumulatoren

Die elektrische Spannung der FERY-Batterie liegt anHinglich bei 1,25 V, sinkt jedoch wahrend des Betriebs rasch auf 0,9 V. Ihr grosster Nachteil besteht in der Langsamkeit, mit welcher der Sauerstoff als De­polarisator wirkt und die die Abgabe starkerer Strome unmoglich macht.

Spater wurde diese Batterie wesentlich verbessert. Als Elektrolyt wird jetzt Ammoniumchlorid und Natriumhydroxid verwendet. Die Kohlenstoffkornchen der positiven Elektrode werden mit einem hydro­phoben Stoff vorbehandelt. Die Porositat dieser Elektrode wird dadurch stark erhoht, ohne dass der Elektrolyt in das Innere der Poren eindringen und die Kohlenstoffkornchen benetzen konnte; nur die Aussenseite der Elektrode wird vom Elektrolyten beriihrt. Die Kohlenstoffelektrode verhalt sich, als ob ihre Oberfiache (in der zwischen dem Luftsauerstoff und dem adsorbierten Sauerstoff ein Gleichgewicht hergestellt wird) erheblich zugenommen hatte. Die depolarisierende Wirkung des Sauer­stoffs wird auf dieser Weise gefordert. Die Elektrodenspannung dieser Elektrode liegt in Anwesenheit von Ammoniumchlorid dank ihrer gros­seren aktiven Oberfiache bei 1,0 V; sie iibertrifft also die der FERY­Batterie urn 0,1 V. Eine weitere Erhohung der elektrischen Spannung erreicht man, indem man das Ammoniumchlorid durch Natriumhydroxid ersetzt, da die Zinkelektrode dadurch urn 0,2 V negativer wird; die gesamte elektrische Spannung des Elements betragt dann 1,2 V.

Bei diesen beiden Batterietypen bleibt die elektrische Spannung auch wahrend Entladungen mit hoher Stromstarke konstant (s. Abb. XI.5).

~.:~~ Abb. Xl.s. - Entladungskurven einer Zink­SauerstofI-Batterie (NATIONAL CARBON Co.) unter verschiedenen Versuchsbedingungen:

lD~ t(h) ~--------~~~----------

I: hohere Entladungsstromstarke; II: klei­nere Entladungsstromstarke.

Die NATIONAL CARBON COMPANY hat eine weitere Verbesserung durch den Zusatz von Kalziumhydroxid erzielt, dessen Reaktion mit dem Natriumzinkat zur Bildung von Kalziumzinkat und zur Regeneration des N atriumhydroxids fiihrt :

Unter den verschiedenen Batterien, die in den letzten J ahren bekannt wurden, gibt es zwei, die Chloride als Depolarisatoren verwenden. Die verwendeten galvanischen Zellen sind:

+ Ag I AgCl I MgC12 I Mg-amalg.

und

Page 232: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Brennstoffzellen Z 1 9

Die Reaktion am negativen Pol entsprieht der Oxidation des Magne­siums zu zweiwertigen Ionen und ergibt sehliesslieh hydratisiertes Magne­siumehlorid. Am positiven Pol wird das Silberehlorid oder das Kupfer(I) Chlorid reduziert und metallisehes Silber bzw. Kupfer abgesehieden. Mit diesen Batterien lassen sieh verhaltnismassig starke Strome erzeugen. Die elektrisehe Spannung des Silberehloridelements betragt etwa I,6 V fur eine Stromdiehte von 0,2 mA/em2 und etwa I,3 V fur 70 mA/em2. Die Spannung des Kupfer(I)Chloridelements ist etwas geringer. Die Spannungen sind wahrend der Entladung sehr stabil. Diese Batterien funktionieren aueh bei Temperaturen von weniger als -50°C noeh ein­wandfrei und eignen sieh daher aueh zur Verwendung in arktisehen Regionen. Ais Elektrolyt kann eventuell aueh Meereswasser verwendet werden, so dass sie sieh als Notstromquellen fur maritime Anlagen eignen.

Vnter den neuesten Entwieklungen ist eine besonders interessante Batterie zu erwahnen. Es handelt sieh urn ein der bereits besehriebenen Queeksilberbatterie ahnliehes Troekenelement, bei dem HgO dureh AgO ersetzt wird :

+Ag I AgO I KOH 40 % I Zn-

Die Primarreaktion an dem aus porosem Zink bestehenden nega­tiven Pol ist die gleiche wie in der LECLANCHE-Batterie. Am positiven Pol wird AgO zunaehst zu Ag20 und dann zu Ag reduziert. Die elek­trisehe Spannung bei offenem Stromkreis betragt I,86 V. Die Leistung dieser Batterien ist die hoehste derzeit fur Troekenelemente bekannte : I60 Wh/kg und 370 Wh/dm3• Aus diesem Grunde werden sie vor aHem in bestimmten Sonderfallen, wie z.B. in Raketen, angewandt. Ihr sehr hoher Preis und rase her Versehleiss stellt jedoeh im Vergleieh zu anderen Troekenelementen einen N aehteil dar.

Sehliesslieh ist noeh eine Batterie zu erwahnen, die wie die LE­CLANCHE-Batterie Mangandioxid verwendet, jedoeh in alkalisehem Milieu. Diese Batterie hat eine nahezu konstante Entladungsspannung. Die Reaktionsmeehanismen am positiven Pol konnen anders als in der LECLANCHE-Batterie aufgefasst werden; es konnte jedoeh bewiesen werden (11,12), dass die Dehnung des Dioxidgitters bei den aktiven Dioxiden gleieh wie in den Batterien mit saurem Elektrolyten verlauft. Die Ent­wieklung dieser Batterien ist heute wegen ihres praktisehen Interesses vor allem fur Transistorempfanger im Aufsehwung begriffen.

5. Brennstoffzellen

Die bei der Oxidation der gebrauehliehen Brennstoffe freiwerdende und meist in Form von Warme verwendete Energie kann in einer Brenn­stoffzelle mit hervorragender Ausbeute direkt in elektrisehe Energie

(11) B. S. BELL und R. HUBER, ]. Electrochem. Soc. 111 (1964) 1.

(12) A. KOZAWA und J. F. YEAGER, ]. Electrochem. Soc. t 12 (1965) 959.

Page 233: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

220 Primarbatterien und Akkumulatoren

umgesetzt werden. Da bei allen Oxidationsreaktionen ein Dbertritt von Elektronen zwischen Brennstoff und Oxidationsmittel stattfindet, kann offensichtlich die chemische Reaktionsenergie direkt in einen elektrischen Strom und damit in elektrische Energie umgewandelt werden, wenn es gelingt, die beiden Teilreaktionen an getrennten Elektroden stattfinden zu lassen. Dann mtissen die bei der Reduktion aufgenommenen und bei der Oxidation abgegebenen Elektronen tiber einen metallischen Leiter zwischen Kathode und Anode fliessen und k6nnen an einem zwischen­geschalteten Lastwiderstand Arbeit leisten.

Eine Brennstoffzelle muss eine Anode, eine Kathode und einen Elektrolyten aufweisen, der direkt mit einem Brennstoff, wie z.B. Kohle, und mit Luft gespeist werden solI (s. Abb. XI.6). Der zur Verbrennung

Elektronen -+

-Nz

Elektrol yt

Kohle--"

Abb. X1.6. - Schematische Darstellung einer Brennstoffzelle.

notwendige Sauerstoff wird an der Kathode ionisiert und wandert dann durch den Elektrolyten zur Anode, an der die Oxidation des Brennstoffs stattfindet. Die so freigewordenen Elektronen fliessen durch den ausseren Stromkreis zur Kathode des Elements, an der sie zur Reduktion des Sauerstoffs verwendet werden; neue 0 2- Ionen entstehen und der elek­trische Stromkreis wird so geschlossen. Die schematische Darstellung zeigt die Einfachheit der theoretischen Grundlagen einer als Stromquelle dienenden Brennstoffzelle.

Der wichtigste Vorteil dieser elektrochemischen Verwendung eines Brennstoffs ist, dass (vom thermodynamischen Standpunkt aus) die sich aus dem CARNoT-Kreisprozess ergebenden Beschrankungen hier nicht gelten, da nur ein ganz geringer Teil der freigewordenen Energie in Warme umgewandelt wird. Diese Tatsache ist von DE BETHUNE (13) sehr klar dargelegt worden. In einer Warmekraftmaschine kann nur ein Teil der

(13) A. J. DE BETHUNE, J. Electrochem. Soc. 107 (1960) 937.

Page 234: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Brennstoffzellen 22I

Verbrennungswarme als Arbeit gewonnen werden, da die Umsetzung von Warme in mechanische Arbeit durch den maximalen Wirkungsgrad des CARNoT-Kreisprozesses begrenzt ist. In einer Brennstoffzelle ist dagegen die maxim ale nutzbare Arbeit gleich der freien Reaktionsenthalpie I1G, die der reversiblen, isothermen Reaktion des Brennstoffs mit dem Sauer­stoff entspricht. Das Interesse an Brennstoffzellen als Quelle elektrischer Energie beruht also im we3entlichen auf ihrer hohen Ausbeute. Der Marktpreis des Brennstoffs stellt einen entscheidenden Faktor fUr die wirtschaftliche Verwendung von Brennstoffzellen dar.

Stellt I1E die, in einer bei konstantem Druck arbeitenden Zelle, Abnahme der inneren Energie des Systems wahrend der Gesamtreaktion dar, so ist die Reaktionsenthalpie I1H gleich I1E + pn V. Eine bestimmte Warmemenge

q = TI1S + q'

die normalerweise grosser' als die Arbeit pl1 V ist, wird entsprechend der Beschaffenheit der an der Reaktion beteiligten Ausgangs- und End­produkte (TI1S) und dem Weg der Reaktion (q') abgegeben oder auf­genommen. Die Warmemenge q' kann nicht in elektrische Energie um­gewandelt werden, wodurch je nach dem Vorzeichen von q' eine Zu- oder Abnahme der Temperatur wahrend des Betriebs verursacht wird. Die Enthalpie der Reaktion I1H und der Term TI1S hangen ausschliesslich davon ab, welche Menge des Stoffes reagiert hat. In def Praxis hangt jedoch der Wert fUr q' auch von den Reaktionsbedingungen abo Dieser Wert umfasst z.B. auch die Warme, die beim Stromdurchfiuss durch den Elektrolyten frei wird (RI2). Diese verlorene Warme nimmt schneller mit der Anderung des Stromes als mit der Anderung des inneren Wider­standes des Elements zu und ist von der Stromdichte abhangig; q' enthalt auch noch andere Terme, die kinetisch bedingt sind:

1. die Sekundarreaktionen, 2. die Dberspannungen, die die Durchtrittsgeschwindigkeiten der Elek­

tronen in den Elektrodenreaktionen verringern, 3. die Konzentrationsiiberspannung, die auf den Konzentrationsgradien­

ten an den Elektrodenoberfiachen zuriickzufiihren ist.

Obwohl der Gesamtwert von q' in der Praxis sehr schwierig zu berechnen ist, kann man die unter reversiblen Bedingungen, d.h., wenn die Stromstarke sich Null und die elektrischen Spannungen sich ihren theoretischen Maximalwerten nahern, erhaltliche maximale elektrische Energie berechnen.

Unter diesen Voraussetzungen ist der absolute Wert der elektri­schen Spannung Urev gleich :

I1G = zFUrev ,

wobei I1G die freie Reaktionsenthalpie der Gesamtreaktion und z die Anzahl der umgesetzten Elektronen bezeichnet.

Page 235: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

222 Primarbatterien und Akkumulatoren

Der ideale Wirkungsgrad R unter reversiblen Bedingungen ist:

6.G T6.S R= =1----

6.H 6.H

In der Praxis, und daher unter nicht reversiblen Bedingungen, wird der Wirkungsgrad Rp wie folgt ausgedriickt :

q Rp = 1- ---

6.H wobei q > T6.S ist.

1.1

1.0 C+~=C~

0.9 :; ::::;

0.8 (.,'0 ~'(;

07

'0'" c; 1t

T(K) 0.5

0 500 1000 1500

Abb. XI.7. - Temperaturabhangigkeit der Spannung ver­schiedener Brennstoffzellen.

Die theoretischen Werte der elektrischen Spannungen fUr verschie­dene Brennstoffe wurden auf Grund der Enthalpien und ihrer spezifischen Warme berechnet (14). Abb. XL7 zeigt eine graphische Darstellung dieser Ergebnisse.

(14) V. S. DANIEL-BEK und M. Z. MINTS, Zhur. Priklad. Khim. 32 (1959) 649.

Page 236: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Brennstoffzellen 223

Theoretisch konnen mit jedem Brennstoff Zellspannungen in der Grossenordnung von I V erreicht werden; sie hangen jedoch weitgehend von der Temperatur und von der Beschaffenheit des Brennstoffs abo Man sieht, dass (mit Ausnahme des Elements C I CO) eine moglichst tiefe Betriebstemperatur eine maximale elektrische Spannung ergibt. Allerdings muss ein Kompromiss eingegangen werden, da die Geschwin­digkeiten aller Teilreaktionen bei tiefen Temperaturen stark absinken: daraus entsteht eines der schwierigsten Probleme bei der praktischen Konstruktion von Brennstoffzellen.

Andere Faktoren, bei denen die Temperatur ebenfalls eine Rolle spielt, hangen von den gewahlten Betriebsbedingungen abo Diese sollen, wenn auch notwendigerweise irreversibel, doch elektrische Spannungen gestatten, die den theoretischen Werten so nahe als moglich kommen. In der Praxis darf der innere Spannungsabfall, bei einer nutzbaren Stromdichte, 20-30 % der elektrischen Spannung bei offenem Stromkreis nicht iiberschreiten. Nur unter diesen Voraussetzungen kann ein befrie­digender Gesamtwirkungsgrad erreicht werden.

AUSTIN (15) hat eine vollstandige analytische Untersuchung der drei wichtigsten Terme, die beim inneren Spannungsabfall eine Rolle spielen, namlich der Aktivierungsiiberspannung, der Konzentrationsiiber­spannung und des OHM-Widerstandes, durchgefiihrt.

Die Aktivierungsiiberspannung ist das unmittelbare Ergebnis des Betriebs des Elements unter Bedingungen, die vom thermodynamischen Gleichgewicht abweichen und eine teilweise Umwandlung der freien Reaktionsenthalpie in Warme zur Folge haben. Ais Beispiel kann der Fall eines Wasserstoffhalbelements mit einer porosen Kohlenstoffelek­trode dienen, die mit einem Katalysator impragniert ist und in eine alkalische Losung eintaucht. Die Anwesenheit von Katalysatoren isi unerlasslich; sie haben zwei Aufgaben zu erfiillen. Der Katalysator muss vor aHem fiir eine rasche chemische Adsorption des Gases sorgen, damit dieses sich ionisieren und mit den aktiven Stoffen des Elektrolyten reagieren kann. Zugleich muss er den durch diese Adsorption verur­sachten Verlust an freier Reaktionsenthalpie moglichst gering halten. Die chemische Adsorption des reagierenden Gases solI moglichst starker als die der Reaktionsprodukte sein, urn eine Vergiftung des Katalysators zu vermeiden.

Bei der Stromstarke Null ist die Reaktionsgeschwindigkeit eben­falls gleich Null; zwischen dem an der Oberflache adsorbierten Wasser­stoff und dem Elektrolyten stellt sich ein dynamisches Gleichgewicht ein. Dabei tritt keine Anderung der freien Enthalpie ein. Sobald die Elektrode arbeitet, hat die Reaktionsgeschwindigkeit einen endlichen Wert ~nd eine bestimmte Stoffmenge reagiert, wobei sie eine entsprechende An­derung der freien Enthalpie und den Fluss eines Stromes hervorruft. Infolgedessen bestehen die Gleichgewichtsbedingungen nicht mehr und die freie Reaktionsenthalpie wird zum Teil zur Dberwindung der Akti-

(15) G. AUSTIN, Ind. Eng. Chem. 52 (1960) 300.

Page 237: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

224 Primarbatterien und Akkumulatoren

vierungstiberspannungen der verschiedenen Teilreaktionen, wie Adsorp­tion, elektrochemische Oxidationen, Reaktionen mit den aktiven Bestand­teilen des Elektrolyten und Desorption, verbraucht.

Die Terme fUr die freie Enthalpie, die den beiden Reaktionen

H2 + aktives Zentrum .= 2 [H]adsorb.

[H]adsorb. + OH - .= H 20 + e- + aktives Zentrum

entsprechen, fUhren zur folgenden Beziehung zwischen Stromdichte und Aktivierungstiberspannung:

UI= {( exp I ~~~~A D -( exp [- ~~~~A J)} (XI.5.r)

Dabei bezeichnet

J 5 ~A (l(., ~

die Stromdichte, die OberfHiche der Elektrode, die Aktivierungstiberspannung, die Durchtrittskoeffizienten (s. Kap. IV.4), die zwischen 0 und r liegen und die im allgemeinen in einem grossen Stromdichten­bereich konstant sind, den Austauschstrom

= KNcSe(ap)a (arP exp (- ~LlG* ) exp ( ~LlG ) in der RT RT

die Anzahl der aktiven Zentren pro Flacheneinheit der geome­trischen Elektrodenober£lache, die aktive Flache pro Einheit der geometrischen Elektrodenober­£lache, die freie Standardenthalpie der Reaktion, die freie Aktivierungsenthalpie, die Aktivitat der Endprodukte der Reaktion, die Aktivitat der Reagenzien (Ausgangsprodukte der Reaktion).

Der wichtigste Faktor ist der Austauschstrom, der moglichst hoch sein muss. Die Temperatur ist ebenfalls von grosser Bedeutung. Die Porositat der Elektroden tibt einen unmittelbaren Ein£luss auf den Wert fUr 10 aus, und zwar tiber ihre Wirkung auf die Flache Se. Der Kataly­sator setzt den Wert fUr LlG* auf ein Minimum herab.

Bei hoher Uberspannung ~A nimmt die Gleichung (XI.5.r) die bekannte Form der TAFEL-Gleichung an:

~A = a + b log I j I wobei

2,3 RT a = - log I jo I

~zF und b=

2,3 RT

~zF

Page 238: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Brennstoffzellen 225

Bei sehr kleinem Austauschstrom geniigt der geringste Strom­verlust bei offenem Stromkreis, urn eine erhebliche Uberspannung zu erzeugen, so dass selbst bei offenem Stromkreis die Zellspannung geringer ist als die fUr reversible Bedingungen berechnete.

Die Konzentrationsiiberspannung steht mit der Stromdichte in folgender Beziehung:

1), = 2,3 RT I j LI - Ii I ----lg----

zF IjL I (XI.5.2)

Dabei bezeichnet IiLI die von den Transporteigenschaften des Systems abhangige Grenzstromdichte. Bei einer Gaselektrode kann z.B. die Dif­fusion des Gases durch die porose Masse, in der die Reaktion mit dem Elektrolyten eintritt, nur unter dem Einfiuss eines Druckgradienten stattfinden. 1m Grenzfall kann der Gasdruck an der Elektrode gleich dem Gesamtdruck der Gase werden. Unter diesen Bedingungen ist der entsprechende Strom der Grenzstrom. Aus Gleichung (XI.5.2) kann man ersehen, dass der absolute Wert der Uberspannung urn so mehr zunimmt, je mehr sich die Stromdichte der arbeitenden Elektrode dem Grenzwert nahert. Bei gegebener innerer Oberfiache diirfen die Poren der Elektroden nicht zu klein sein, da dadurch die Uberspannung ansteigt.

Der OHM-Spannungsabfall 1)0 = IR hangt nicht nur von der Leit­fahigkeit des Elektrolyten, sondern auch von der Bildung wenig leitender oder sogar isolierender Schichten auf den Elektroden ab, wie dies z.E. bei Hochtemperaturelementen der Fall sein kann.

Weitere Spannungsverluste ergeben sich aus dem Ablauf von ungewollten Nebenreaktionen. Da bei Nebenreaktionen die freien Reak­tionsenthalpien geringer als bei der gewollten Reaktion sind, fiihren sie zu niedrigeren elektrischen Spannungen als theoretisch berechnet. Bei manchen Sauerstoffelektroden wird z.E. der Sauerstoff nur bis zu Peroxid­ionen und nicht bis zu Hydroxylionen reduziert, so dass ein Katalysator fiir die Reaktion

erforderlich wird.

I HO-~OH-+-O 222

Der Ursprung der Brennstoffzellen geht auf das J ahr 1839 zuriick, als GROVES das Fliessen eines kurzfristigen Stroms im Augenblick des Abschaltens von Wasserelektrolysezellen beobachtete.

Erst in den letzten Jahren haben jedoch die Brennstoffzellen praktische Bedeutung erlangt. Sie wurden Gegenstand systematischer Untersuchungen, die zu verschiedenen industriellen Anwendungen gefiihrt haben. Die heute hergestellten Brennstoffzellen konnen nach den folgen­den Gesichtspunkten eingeteilt werden:

1. nach der Art des Elektrolyten: wassrig, nicht-wassrig, geschmolzen oder fest:

Page 239: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

226 Primarbatterien und Akkumulatoren

2. nach dem Oxidationsmechanismus: direkt oder indirekt (16) ; 3. nach der Art des verwendeten Brennstoffs: Gas, fliissige oder feste

Brennstoffe, reiner Wasserstoff oder kohlenstoffhaltige Brennstoffe; 4. nach der Art des verwendeten Oxidationsmittels: Luft oder reiner

Sauerstoff ; 5. nach den Betriebsbedingungen: Druck und Temperatur ; 6. nach Beschaffenheit und Form der Elektroden und des Katalysators.

Die wassrigen Elektrolyte sind meist konzentrierte (30-50 %) Kaliumhydroxidlosungen; diese haben eine hohe Leitfahigkeit, stellen keine besonderen Korrosionsprobleme und verkiirzen durch ihre AlkalWit die Lebensdauer der Peroxidionen an der Sauerstoffelektrode in vorteil­hafter Weise. In Brennstoffzellen mit geschmolzenen Elektrolyten ver­wendet man im allgemeinen eine eutektische Mischung von Natrium- und Lithiumkarbonat. Feste Elektrolyte werden in den Zellen von BISHOFF und DAVTYAN (Natriumkarbonat und -silikat, Ceroxid und Wolfram­trioxid) und als Ionenaustauschermembranen in den Zellen von GRUBB (General Electric Co.) verwendet.

Ausser den Brennstoffzellen mit direkter Oxidation wurden ver­schiedene regenerierbare Zellen entwickelt, bei denen es sich eigentlich urn Redoxsysteme, wie Fe3+ - Fe 2+, Sn4+ - Sn 2 + und Cu2+ - Cu+, handelt.

Die befriedigendsten Ergebnisse erhalt man mit Brennstoffzellen, die reinen Wasserstoff als Brennstoff verwenden. Verschiedene andere Modelle verwenden Propan, Athan, Methan, Stadtgas, Kohle, Kohlenoxid, Methanol, Acetylen und schliesslich fliissige Kohlenwasserstoffe wie Benzol in der DANIEL-BEK-Zelle und Kerosen in der CHALMERs-Zelle.

Bei Raumtemperatur und niedrigem Druck (hochstens 3-4 atm.) werden H 2-02-Zellen (STANDARD OIL, NATIONAL CARBON, GENERAL ELECTRIC, ALLIS-CHALMERS etc.) und Kohlenwasserstoffe-02 (Luft)-Zellen (ALLIS-CHALMERS, NATIONAL CARBON, STANDARD OIL, LEESONA etc.) verwendet.

Bei mittleren Temperaturen (200-300oC) und hohen Driicken (30-70 atm.) hat man vor allem H 2-02-Zellen konstruiert (BACON, UNITED AIRCRAFT, LEESONA etc.).

Bei hoher Temperatur (300-800 0C) arbeiten Kohlenwasserstoffe­Luft-Zellen mit geschmolzenen Elektrolyten (GENERAL ELECTRIC, LEE­SONA, UNITED AIRCRAFT etc.).

Die Elektroden variieren von porosem Kohlenstoff in der NATIONAL CARBON-Zelle zum schwammigen Nickel in der BAcoN-Zelle, zum Sil­bersieb (nur bei der Sauerstoffelektrode) bis zu hochtemperaturbestan­digen Materialien aus Zinkoxid und Silberoxid in anderen Modellen.

(16) Der indirekte Mechanismus entspricht dem der Redoxelemente, in denen der Brennstoff und das Oxidations mittel nicht un mittel bar im Element verbraucht werden, sondern zur chemischen Regeneration der reagierenden Stoffe dienen, die in den beiden Elektrodenreaktionen des Elements elektro­chemisch verbraucht werden.

Page 240: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Brennstoffzellen 227

Urn das bisher Gesagte naher zu erlautern, solI eine Brennstoff­zelle eingehender beschrieben werden, und zwar die von F. T. BACON an der Cambridge Flying School ausgearbeitete Wasserstoff-Sauerstoff-Zelle mit mittlerer Temperatur und hohem Druck. Diese Zelle, deren Betriebs­spannung nur wenig unter der Spannung bei offenem Stromkreis liegt, kann dank der gemeinsamen Wirkung von Temperatur und Druck erheblich hohere Stromdichten als andere Brennstoffzellen liefern. Bei Spannungen von etwa 0,7 V erhalt man Strome von 300-400 mAJcm 2

gegeniiber 50-100 mAJcm 2 bei vielen anderen Brennstoffzellen. Eine schematische Darstellung der Zelle wird in Abb. XI.8 gezeigt.

Elektrolyt - Kreislanf

--:;;11: "' ---= \5 :

J

=

Ni weniger durchlassig

Ni durchlassig

/

Abb. XI.S. - Schema der BACON-Batterie.

Die Arbeitstemperatur liegt bei 200 DC, der Druck liegt zwischen 20 und 40 atm. Der Elektrolyt besteht aus einer 37-50 %igen Kalium­hydroxidlOsung ; die Elektrolytschicht ist nur 3 mm stark, urn den innern OHM-Widerstand moglichst klein zu halten. Die Elektroden bestehen aus porosen Nickelscheiben, die aus (durch thermische Zersetzung von Nickekarbonyl hergestelltem) schwammformigem Nickel erzeugt werden.

Jede Scheibe ist etwa 1,5 mm dick und besteht aus zwei Schichten mit verschiedener Porengrosse : die den Elektrolyten beriihrende Schicht hat einen Porendurchmesser von 3-5 {lm, die mit dem Gas in Kontakt stehende Schicht einen Porendurchmesser von 30 {lm. Durch die Kapil-

Page 241: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

228 Primarbatterien und Akkumulatoren

larkrafte wird der Elektrolyt in den Poren der innern Schicht festgehalten, so dass die Dreiphasengrenze ElektrolytlGaslFestkorper an der Grenze der grossporigen Schicht fixiert wird und dort auch bei Druckschwan­kungen stabil bleibt. Dadurch wird ein Austreten von Gas in den Elek­trolytraum bzw. von Elektrolyt in den Gasraum erschwert. Die Sauer­stoffelektrode wird zuerst bei hoher Temperatur mit Luft oxidiert, urn ihre Korrosion durch den unter hohem Druck stehenden Sauerstoff und durch die Elektrolytlosung zu verringern. In das Kristallgitter des Nickeloxids eingefuhrte Lithiumatome (durch Impragnieren der porosen Masse mit Lithiumhydroxid) ergeben anstelle des normalen, isolierenden Nickeloxids ein schwarzes Nickel-Lithium-Doppeloxid, das sich als Halbleiter hervorragend bewahrt.

Fur die Wasserstoffelektrode wird das Nickel durch Impragnieren mit einer konzentrierten Nickelnitratlosung aktiviert, indem man es an der Luft auf 400 °C erwiirmt und schliesslich bei der gleichen Temperatur mit Wasserstoff reduziert.

Die Isolierschichten bestehen aus Asbest, der mit Neopren oder anderen halogenierten Hochpolymeren impragniert wird, die hohen Tem­peraturen noch besser widerstehen. Der maximale Durchmesser der aktiven Elektrode betragt 25 cm.

Der Einfluss der Stromdichte auf die elektrische Spannung und die Ausbeute dieser Zelle wird in Tab. XI.3 fUr den Betrieb bei 200 0 C und 40 atm. dargestellt.

Tab. XI.3. - Kenndaten der BAcoN-Zelle.

Stromdichte (mAjcm2)

10 100 250 500 675

Elektrische Spannung

(V)

1,02 0,905 0,805 0,677 0,585

Wirkungsgrad, be­zogen auf die freie Reaktionsenthalpie

(%)

85 75 66 57 48

Wirkungsgrad, bezogen auf die

Reaktionswarme (%)

76 67 59 51 43

Eine Druckerhohung beeinflusst die elektrische Spannung nur wenig, erhoht jedoch die gelieferte Leistung (Stromdichte) durch eine Beschleunigung der Reaktion erheblich. Eine Temperaturerhohung von 100 auf 200 0C fUhrt ebenfalls zu einer Leistungssteigerung urn den Faktor 10. Erhoht man die Konzentration des Elektrolyten, so nimmt die Leistung der Zelle bis zu einem bei einer Konzentration von 35 % liegen­den Maximum zu.

Page 242: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Bleiakkumulatoren

Tab. XI.4. - Vergleich verschiedener Quellen elektrischer Energie

BACON-Zelle H 2-02

Bleiakkum ula toren Dieselmotor-Wechselstromgenerator Dampfturbine-Wechselstromgenerator

Spezifische Leistung (kW/m3)

150 -300

10

5 35,5

229

Wirkungsgrad (%)

70 -55 75-85

38 40

Tab. XI.4 vergleicht verschiedene Typen elektrischer Energieer­zeuger. Man sieht, dass die Brennstoffzelle eine der leistungsfahigsten Energiequellen ist. Ausser fur feste Installationen grosser und mittlerer Ausmasse sowie fur den Schienenverkehr sind sie wegen ihrer hohen Leistungsdichte, des geringen Raumbedarfs, der hohen Energiedichte und des larmfreien Betriebs besonders fUr militarische Anwendungen von grossem Interesse.

6. Bleiakkumulatoren (17)

Akkumulatoren sind galvanische Elemente mit umkehrbaren Elek­trodenprozessen. Nach der Entladung kann der elektrochemische Prozess umgekehrt werden, so dass das Element wie eine durch einen ausseren Strom gespeiste Elektrolysezelle arbeitet. Auf diese Weise wird der grosste Teil der elektrischen Energie in innere Energie fUr das System umgewandelt, welches in seinen Ausgangszustand zuruckgefuhrt wird und wieder entladen werden kann.

Theoretisch musste sich jeder reversible elektrochemische Vorgang zur Anwendung in einem Akkumulator eignen. Da man jedoch in der Praxis im allgemeinen nur eine Elektrolyt16sung verwendet, ist die Auswahl an elektrochemischen Vorgangen stark eingeschrankt. Bis heute haben sich nur die Bleiakkumulatoren, die alkalischen Eisen-Nickel­Akkumulatoren und die Nickel-Cadmium-Akkumulatoren als in grossem Massstab verwendbar erwiesen, deren Eigenschaften aus Tab. XI.5 er­sichtlich sind. Seit neue stem werden auch alkalische Zink-Silber-Akku­mulatoren auf den Markt gebracht. Sie zeigen interessante Charakteristika und konnen zweifelsohne auf vielen Anwendungsgebieten den Wett­bewerb mit den anderen Akkumulatorentypen aufnehmen.

(17) Ein Artikel von J. BURBANK und A. C. SIMON, in Advances in Elec­trochemistry and Electrochemical Engineering, P. DELAHAY und C. W. TOBIAS (Editors), Wiley, New York (1971), gibt einen Dberblick iiber den Stand der Forschung auf diesem Gebiet.

Page 243: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Primarbatterien und Akkumulatoren

Tab. XI.5. - Eigenschaften der Akkumulatoren.

Pb Ni-Fe Ni-Cd Ag-Zn

Positiver Pol Pb0 2 auf Pb Ni 20 3 Ni 20 3 AgO auf Ag Negativer Pol Pb Fe Cd Zn Elektrolyt H 2S04 15-40 % KOH 21 % + KOH 21 % + KOH ~ 40% +

LiOH 50 gil LiOH 50 gil K 2Zn0 2 ges. Elektrische Spannung (V) 1,95 1,18-1,20 1,20 1,50

Kapazitat (Ah/kg) ~I5 ~22 ~21 ~95

Kapazitat (Wh/kg) ~29 ~26 ~25 ~80

Lebensdauer IS Jahre 10 Jahre 10 Jahre 100 Entladungen

Der von PLANTE r859 erfundene Bleiakkumulator besteht aus dem folgenden galvanischen Element:

Am positiven Pol finden wahrend der Entladung die folgenden Elek­trodenreaktion statt :

Pb02 + 4 H+ + 2 e- -+ Pb2+ + 2 H 20

Pb 2 + + S042 - -+ PbS04

Daraus ergibt sich :

Bei der Reaktion wird also Wasser gebildet und Bleisulfat abge­schieden, wobei Schwefelsaure verbraucht wird.

Am negativen Pol treten die folgenden Reaktionen ein:

Daraus ergibt sich :

Pb -+ Pb 2+ + 2 e­

Pb2+ + S042 - -+ PbS04 (X.6.r)

Auch hier wird Bleisulfat gebildet und Schwefelsaure verbraucht. Die elektrochemische Gesamtreaktion entspricht der Summe dieser

Elektrodenreaktionen :

Entladung

Pb02 + 2 H 2S04 + Pb +- -+ 2 PbS04 + 2 H 20 Ladung

(XI.6.z)

Page 244: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Bleiakku mula toren 23 1

Diese doppelte Bleisulfatbildung stellt die tatsachliche Gesamt­reaktion dar. Sie wird durch die experimentellen Beobachtungen und die thermodynamischen Berechnungen von CRAIG und VINAL (18) sowie von BECK und WYNNE JONES (19) vollkommen bestatigt.

Bei CRAIG und VINAL wird die Reaktionswarme der Sulfatbildung aus der Gleichung (XI.6.2), aus den besten fUr die elektrische Spannung von Bleiakkumulatoren erhaltenen Versuchsergebnissen, sowie aus .~her­mochemischen Data abgeleitet. Es ergibt sich eine hervorragende Uber­einstimmung zwischen den aus diesen auf verschiedene Weisen erhalte­nen Werten. Die Ubereinstimmung wird besonders gut falls die Elektro­denspannungen verwendet werden, die, unter Bedingungen nahe der thermodynamischen Reversibilitat und Benutzung der Elektroden

und Pb I PbS04 1 H 2S04

bei verschiedenem Sauregehalt gemessen wurden. BECK und WYNNE JONES haben den Einfluss von Anderungen der

Temperatur, des Druckes und der Elektrolytkonzentration auf die elek­trische Spannung von Bleiakkumulatoren yom thermodynamischen Gesichtspunkt aus untersucht. Die so erhaltenen Ergebnisse stimmen mit der Theorie der doppelten Sulfatbildung iiberein. Sie konnten aus­serdem zeigen, dass die doppelte Sulfatbildung nicht nur die reversible Spannung des Elementes bei offenem Stromkreis bestimmt, sondern auch diejenige die wahrend des irreversiblen Entladungsvorganges bei Stromentnahme gemessen wird. Unter normalen Entladungsbedingungen zeigt die Abhangigkeit der elektrischen Spannung von der Zeit und von der Stromdichte keine merkbare .A.nderung, die auf einen anderen Me­chanisms oder auf das Auftreten eines nicht reversiblen Schrittes im nor­malen Reaktionsmechanismus (XI.6.r) schliessen liese.

An der positiven Elektrode ist die Redoxreaktion

spannungsbestimmend und davon ergibt sich nach NERNST die Elek­trodenspannung bei Zimmertemperatur (25 oC)

0,059 2

log [Pb4+] [Pb2+] (XI.6·3)

wobei der Einfachheit halber die Aktivitatskoeffizienten mit r eingesetzt wurden.

(18) D. N. CRAIG und G. W. VINAL, J. Research. Natl. Bur. Standards 24 (1940) 482.

(19) W. H. BECK und W. G. K. WYNNE JONES, Trans. Faraday Soc. 50 (1954) 136.

Page 245: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

23 2 Primarbatterien und Akkumulatoren

Die Standardelektrodenspannung der Elektrode Pb2+- PbH liegt bei 1,7 V (s. Tab. I1I.5). In einer Schwefelsaurelosung der Dichte 1,15 g/cm3 bei 18 oC und mit den fest en Phasen Pb02 und PbS04 betragt die Konzentration der PbH Ionen 0,91 X 10-4 M und die der Pb2+ Ionen 5 XIO- 6 M.

Setz man diese Werte in die Gleichung (XI.6.3) ein, so erhalt man bei 25 °C :

u + = 1,70 + 0,0295 log 0,91 X 10-4

5 X 10-6 ~ 1,74 V

An der negativen Elektrode ist die Reaktion (XI.6.I) spannungs­bestimmend und daher ergibt sich nach NERNST die Elektrodenspannung bei derselben Temperatur

0,059 2

log [Pb2+]

immer unter der vereinfachenden Voraussetzung der Aktivitatskoeffizien­ten gleich I. Da die Standardelektrodenspannung der PbIPb2+-Elek­trode -0,126 V ausmacht und die Pb2+ Konzentration dieselbe als ftir die positive Elektrode ist, ergibt sich

u_ = - 0,126 + 0,059 2

log (5 X 10-6) = - 0,27 V

Die gesamte Spannung eines Bleiakkumulators mit einer Schwe­felsauredichte von 1,15 g/cm3 bei 18 °C ist daher:

u = U+ - U_ = 1,74 - (-0,27) = 2,01 V

Bei 20°C misst man einen Wert von 1,98 V. Experiment und Be­rechnung stimmen also sehr gut iiberein, vor aHem angesichts der Un­genauigkeiten, denen die Bestimmung der Ionenkonzentrationen von PbH und Pb2+ und der entsprechenden Aktivitatskoeffizienten unterliegt.

Es ist weiter moglich, mindestens qualitativ weil die Aktivitats­koeffizienten nicht geniigend genau bekannt sind, die Abhangigkeit der Gesamtspannung des Bleiakkumulators von der Konzentration der Schwe­felsaure zu erkennen.

An der positiven Elektrode kann die stattfindende Reaktion folgen­dermassen geschrieben werden

wovon die Elektrodenspannung

0,059 2

log (XI.6·4)

Page 246: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Bleiakkum ula toren 233

sich ergibt, indem man die Werte von [Pb02], [PbS04] und [H20] als konstant, und in U 0+ eingeschlossen, betrachtet.

An der negativen Elektrode kann die stattfindende Reaktion fol­gendermassen geschrieben werden

wovon man die Elektrodenspannung

erhalt. Anderseits gilt

mit der Gleichgewichtskonstante

wovon

entsteht.

0,059 2

(XI.6·S)

(XI.6.6)

Aus Gleichungen (XI.6.s) und (XI.6.6) nach Einschliessung der Konstante K in U 0- ergibt sich

U._ = U'o- 0,059 2

(XI.6·7)

Die Gesamtspannung des Akkumulators wird dann aus den Glei­chungen (XI.6.4) und (XI.6.7)

0,059 2

(XI.6.8)

erhalten, die den Einfluss der Konzentration der Schwefelsaure deut­lich zeigt.

Der Verbrauch von Schwefelsaure wahrend der Entladung verur­sacht eine Abnahme der H + Ionenkonzentration und daher auch eine Abnahme der elektrischen Spannung. Wahrend des Aufladens findet die umgekehrte Reaktion unter Bildung von Schwefelsaure und Erhohung der H + Ionenkonzentration statt, wodurch die Spannung steigt. Der Einfluss der Dichte d der Saure auf die elektrische Spannung eines Akku­mulators wird durch folgende empirische Gleichung:

U = 1,85 + 0,917 (d - I) gegeben.

Page 247: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

234 Primarbatterien und Akkumulatoren

Wahrend der Entladung entsteht sowohl am positiven als auch am negativen Pol Bleisulfat, und zwar in so feiner Verteilung, dass die umgekehrte Reaktion beim Aufladen ohne Schwierigkeiten ablaufen kann.

Die Kapazitat eines Bleiakkumulators hangt von der aktiven Masse und deren Zustand, von der Art der Elektroden und dem Grad ihrer Ausniitzung, von der Konzentration der Saure, von der Stromstarke des Entladungsstroms und der elektrischen Spannung, bei welcher der Akku­mulator als erschopft gilt, und schliesslich von der Temperatur abo Diinne und po rose Elektroden haben bei gleicher Menge an aktivem Stoff eine hohere Kapazitat als kompakte und dicke Elektroden. Die aktive Sub­stanz der Elektroden kann jedoch in keinem Fall vollstandig ausgeniitzt werden, da bei den Umwandlungen Pb02-PbS04 und Pb-PbS04 Volums­anderungen von 164 % bzw. 82 % auftreten. Eine Fortsetzung der Elektrodenreaktionen bis zum vollstandigen Verbrauch der aktiven Masse wiirde durch die dabei eintretenden grossen Volumsanderungen zu einem raschen Zerfall der Elektroden fiihren und den Akkumulator unbrauchbar machen. 1m allgemeinen werden ungefahr 25-30 % der aktiven Masse ausgeniitzt.

Die Kapazitat eines Akkumulators wird von der Konzentration der Schwefelsaure nur indirekt beeinflusst, da die elektrische Spannung von ihr abhangt. Die spannungbestimmende Konzentration ist nicht die mittlere Konzentration der gesamten zwischen den Elektroden sich be­findlichen Sauremenge, sondern die Konzentration der Saure unmittelbar an der Elektrodenoberflache. Diese Konzentration nimmt urn so schneller ab, je hoher die Stromstarke des Entladungsstromes ist. Wegen der Langsamkeit der Diffusion stellt sich das Konzentrationsgleichgewicht zwischen der Saure an den Phasengrenzen und in der Hauptmenge des Elektrolyten nur langsam ein. Der elektrische Spannungsabfall steigt also mit zunehmender Stromstarke. Daher wird die elektrische Endspan­nung urn so schneller erreicht und die Kapazitat des Akkumulators urn so geringer, je grosser der Entladungsstrom ist.

Eine Erhohung der Temperatur beschleunigt die Diffusion und erhoht die Kapazitat des Akkumulators. Nimmt man z.B. die Kapazitat bei 27 °C mit 100 an, so betragt sie bei 12 °C nur noch So. Die Spannung wird von der Temperatur auch merklich beeinflusst. Dieser Einfluss folgt den Gesetzen der Thermodynamik und vor aHem, in Bezug auf die Temperaturkoeffizienten, der GIBBS-HELMHoLTz-Gleichung. Der Einfachheit halber verwendet man jedoch folgende empirische Gleichung, die die elektrische Spannung eines Akkumulators in Abhangigkeit von der Temperatur in °C angibt:

U = U' + aT-bP,

wobei die Werte der Konstanten U' (Spannung bei 0 oq, a und b in ge­wissem Ausmass von der Konzentration der Saure abhangen. Man findet die entsprechenden Werte in Tab. XI.6.

Der Endwert der elektrischen Spannung, bei der man einen Blei. akkumulator normalerweise als erschopft betrachtet, betragt 1,8 V.

Page 248: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Bleiakkum ula toren 235

Tab. XI.6. - Einftuss der Konzentration der Schwefelsaure auf die Konstanten U', a und b.

c(moljl) U'(V) ax 106 b X 108

2 1,9666 189 103

3 2,0087 178 97

4 2,0479 177 9 1

5 2,0850 167 87

6 2,1191 162 85

7 2,1507 153 80

Unterhalb dieser Spannung nimmt die Korngrosse des Bleisulfats bei weiterer Stromentnahme rasch zu und erschwert das Aufladen stark, da der OHM-Widerstand der Korner spiirbar wird und diese ausserdem bei der Aufladung langsamer reagieren. Bei 1,8 V zeigt die Entladungs­kurve (s. Abb. XI.g) einen steil abfallenden Abschnitt. Dies bedeutet jedoch keineswegs die Erschopfung der aktiven Masse des Akkumulators, sondern zeigt nur, dass jedes Korn von einer so dicken Bleisulfatschicht umgeben ist, dass die Reaktionsgeschwindigkeit gering wird und die elektrische Spannung durch die auftretenden Reaktionswiderstande abnimmt.

2.7 :;;-----------------------~

:::; Aufladung

2.0 Entladung lB ----------------------------

t(h)

Abb. XI.9. - Aufladungs- und Entladungskurven eines Bleiakkumulators.

Selbst wenn die Entladung nicht bis unter 1,8 V vorgenommen wurde, darf ein fast vollstandig oder vollstandig entladener Akkumulator nicht langere Zeit ungeladen bleiben, da sonst die Korngrosse des Sulfats stark zunimmt; diese Erscheinung wird als Sulfatisierung bezeichnet. .. Entsprechend den fiir eine Strommenge von I Ah verbrauchten Aquivalentgewichten der Ausgangsstoffe (3,86 g Pb, 4,46 g Pb02, g,2 g H2S04, d = 1,30), dem Ausniitzungskoeffizienten der aktiven Masse ("""'35 %) und einer Schatzung des Gewichts des Gefasses und der Mon-

Page 249: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Primarbatterien und Akkumulatoren

tageteile sowie des unerlasslichen Schwefelsaureiiberschusses (20) auf """'18 g/Ah, findet man fur die Coulombdichte eines normalen Akkumu­lators etwa 15 Ah/kg. Nimmt man als mittleren Wert seiner Entladungs­spannung 1,95 Van, so liegt die Energiedichte bei 29 Wh/kg.

Die Selbstentladung von Bleiakkumulatoren wird durch zumindest sechs Reaktionen, die von RUETSCHI und ANGSTADT (21) theoretisch und experimentell untersucht wurden, verursacht. An der positiven Platte ergibt sich die spontane Entladung im wesentlichen aus der Reaktion zwischen dem Bleidioxid und der Legierung des Plattenskeletts, die nach folgendem Reaktionsschema verlauft :

Pb + Pb02 + 2 H 2S04 -?- 2 PbS04 + 2 H 20

2 Sb + 5 Pb02 + 6 H2S04 -?- (Sb02)2S04 + 5 PbS04 + 6 H20

Diese Spontanentladung nimmt mit zunehmendem Sauregehalt ab, da sich in der Schwefelsaurelosung passive PbSOcSchichten bilden. Die Geschwindigkeit der Entladung hangt jedoch von der verwendeten Legierung abo Sie ist merklich hoher bei Legierungen, die Antimon enthalten, welches die Porenbildung in der PbSOcSchutzschicht fordert.

Andere Selbstentladungsreaktionen an der positiven Platte sind die Zersetzung des Bleidioxids

Pb02 + 2 H+ + S042+ -?- PbS04 + H20 + _1_ O2 2

und die Oxidation des Materials der mit dem Dioxid in Kontakt stehenden Separatoren

Pb02 + (oxidierbares Material der Separatoren) + H2S04 -?­

-?- PbS04 + (oxidiertes Material)

Von diesem Gesichtspunkt aus scheint sich mikroporoser Gummi am besten zur Herstellung der Separatoren zu eignen.

Eine weitere Selbstentladungsreaktion an der positiven Elektrode ist die Oxidation des bei offenem Stromkreis an der negativen Platte entwickelten Wasserstoffs:

Diese Reaktion tragt jedoch nur sehr wenig zur Entladung bei, da Wasserstoff in konzentrierten Schwefelsaure16sungen nur wenig loslich ist.

(20) 1m Vergleich zur aktiven Masse muss ein Uberschuss an Schwefelsaure vorhanden sein, damit am Ende der Entladung (wenn die aktive Saure als Sulfat gebunden ist) die Konzentration der freien Saure im Elektrolyten hoch genug ist, um eine gute Leitfahigkeit zu garantieren.

(21) P. RUETSCHI und R. T. ANGSTADT, J. Electrochem. Soc. 105 (1958) 555.

Page 250: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Bleiakkum ula toren 237

Die wichtigste Selbstentladungsreaktion an der negativen Platte ist der Angriff des Bleis durch die Saure, wobei Wasserstoff frei wird:

In Abwesenheit fremder Stoffe verlauft diese Reaktion wegen der hohen Dberspannung des Wasserstoffs an Blei sehr langsam. In Gegen­wart von Antimon nimmt jedoch diese Dberspannung stark ab und die Selbstentladung wird deutlich beschleunigt. Die gleiche Wirkung haben Spuren edlerer Metalle sowie Spuren von Schwefeldioxid, Salzsaure, Salpetersaure und Chromsaure. Eine zweite Selbstentladungsreaktion an der negativen Platte wird durch den im Elektrolyten gelosten Sauerstoff hervorgerufen :

Diese Reaktion verlauft so schnell, dass die Entladung nur durch die Diffusionsgeschwindigkeit des Sauerstoffs kontrolliert wird. Ein Akkumulator sollte in der Praxis unter guten Bedingungen in einem Monat nicht mehr als 30 % seiner Ladung verlieren.

Die wichtigste Eigenschaft eines Bleiakkumulators ist die Konstanz seiner elektrischen Spannung wahrend der Entladung (s. Abb. XI.9). Der leichte Spannungsabfall wahrend der Entladung ist auf die Ver­diinnung der Saure zuriickzufiihren.

Ein idealer Akkumulator miisste die gesamte wahrend des Auf­ladens gespeicherte Energie wieder abgeben. Natiirlich geben die Akku­mulatoren in Wirklichkeit nur einen Teil der aufgenommenen Energie abo Die Stromausbeute eines Akkumulators ist gleich dem Verhaltnis zwischen der wahrend der Entladung erhaltenen und der beim Aufladen aufge­nommenen Elektrizitatsmenge. Als Energieausbeute bezeichnet man das Verhaltnis zwischen der wahrend der Entladung erhaltenen und der beim Aufladen aufgenommenen Energiemenge.

Die Elektrodenspannung der reversiblen Entladung der OH - Ionen ist negativer als die der Bleidioxidelektrode selbst, so dass ohne Sauer­stoffiiberspannung an dieser Elektrode das Aufladen unmoglich ware. Ebenso ist die Elektrodenspannung der Entladung der H + Ionen po­sitiver als die der Bleielektrode. Der Aufladungsvorgang wird daher nur durch die Wasserstoff- bzw. Sauerstoffiiberspannung an den entspre­chenden Elektroden ermoglicht. Wahrend des Aufladens bildet sich Schwefelsaure und die Konzentration der H + und S042 - Ionen nimmt zu. Die tatsachliche Elektrodenspannung beider Elektroden nimmt also so lange zu, bis die Entladung von H + bzw. OH - Ionen eintritt. Bei dieser Spannung ist die Aufladung beendet, da der Akkumulator als Elektro­lyse zelle zu arbeiten beginnt, in der anstatt des elektrochemischen La­dungsvorgangs die Zersetzung des Wassers stattfindet. Das Ende dieses Vorgangs entspricht dem Abschnitt der Kurve, der sich mehr oder weniger asymptotisch 2,7 V nahert. 1st dieser Wert erreicht, so tritt eine starke

Page 251: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Primarbatterien und Akkumulatoren

Gasentwicklung ein ; der von nun an verbrauchte Strom wird yom Akku­mulator nicht mehr gespeichert und geht verloren.

Die Selbstentladung der Elektroden verursacht, wie bereits fest­gestellt wurde, einen Stromverlust. Die Stromausbeute von in gutem Zustand befindlichen und entsprechend gewarteten Bleiakkumulatoren liegt zwischen 0,94 und 0,98.

Die Energieausbeute ist gleich dem Produkt aus der Stromausbeute und dem VerhaJtnis der Klemmenspannungen wahrend der Entladung und wahrend des Aufladens ; dieses Verhaltnis ist kleiner als eins. Wahrend des Aufladens wird die Klemmenspannung durch die Gleichung

UAufl. = U + JR

gegeben, die wahrend der Entladung durch

U Entl. = U - JR,

so dass das Verhaltnis U Entl./ U Aufl. stets kleiner als eins ist. Die durch den inneren Widerstand des Akkumulators verursachte Differenz zwischen den Klemmenspannungen wahrend der Entladung und wahrend des Aufladens bietet jedoch keine vollstandige Erklarung fUr das Abnehmen der Klemmenspannung wahrend der Entladung und ihre Zunahme wahrend des Aufladens (s. Abb. XI.9), da der innere Widerstand der Akkumulatoren sehr niedrig, in der Grossenordnung von 10-3 n, ist.

Die grundlegende Ursache dieser Differenz ist vielmehr in der bereits erwahnten Langsamkeit der Diffusionsvorgange zu suchen. Die Konzentration der Saure an der Elektrodenoberflache bleibt daher wahrend der Entladung niedriger als die Konzentration der ausseren Saurelosung; wahrend des Aufladens ist es umgekehrt. Das Verhaltnis U Entl./ U Aufl. wird daher wesentlich kleiner als eins. Die Energieausbeute der Bleiakkumulatoren schwankt dadurch zwischen 0,75 und 0,85.

Man unterscheidet entsprechend ihrer Herstellungsart zwei Arten von Platten (Elektroden) fUr Bleiakkumulatoren. Die aktive Masse der PLANTE-Elektroden wird durch Elektrolyse der urspriinglichen Blei­masse, die der FAuRE-Elektroden (oder gepasteten E1ektroden) durch Elektrolyse einer Paste aus Bleioxid und Schwefe1saure hergestellt.

Zur Herstellung der PLANTE-E1ektroden muss reines Blei als Rohmaterial verwendet werden. Eine anodisch in reiner Schwefe1saure be1astete Platte aus sehr reinem Blei iiberzieht sich rasch mit einer Blei­dioxidschicht; dadurch wird die weitere Oxidation des Bleis erschwert, und es entwickelt sich nur mehr Sauerstoff. Enthalt die Schwefelsaure­lOsung aber auch Sauren, deren Anionen mit Blei lOsliche Salze bilden (N0 3-, C104-, CH 3COO- etc.), so wird bei geeigneten Temperaturen und geeigneten Mengenverhaltnissen der beiden Sauren die Bildung von Bleidioxid im Inneren der Platte fortgesetzt. An dem Mechanismus dieses Vorgangs ist wahrscheinlich die Bildung lOslicher B1eisalze, die Aus­fallung von Bleisulfat in sehr kompakter oder haftender Form (durch die Reaktion des loslichen Salzes mit der Schwefelsaure) auf der Elektrode

Page 252: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Bleiakkumulatoren 239

und die schrittweise Umwandlung des Sulfats in Dioxid beteiligt. Lasst man den Strom in der entgegengesetzten Richtung durchfliessen, so wird die Dioxidschicht zu metallischem Blei reduziert; man kann auf diese Art die negativen Platten herstellen. Urn eine schnelle und tiefgehende Umwandlung zu ermoglichen, muss die tatsachliche Oberflache der Platten durch Anbringen von Rillen oder ahnliche Massnahmen ver­grossert werden. Das so entstandene Bleidioxid und ebenso der Blei­schwamm sind verhaltnismassig poros; der Elektrolyt kann also in die aktive Masse eindringen. Sie sind auch hinreichend kompakt, urn eine Verformung der Platte zu vermeiden. Ihr Nachteil besteht darin, dass der elektrochemische Entstehungsvorgang auch dann noch weitergehen kann, wenn die Platten bereits in einem Akkumulator montiert wurden. Dadurch konnen sich die metallischen Stutzteile der Platten und ihre mechanische Festigkeit nach und nach verandern.

Die FAuRE-Platten bestehen aus einem geharteten Bleigitter, das gewohnlich 8 % Antimon enthalt und mit einer Paste aus Bleioxiden (PbO, Pba0 4) und Schwefelsaure gefUllt wird. SolI die Paste fUr die negative Elektrode verwendet werden, so konnen ihr indifferente Stoffe wie Bariumsulfat, Graphit, Sagespane etc. zugesetzt werden, urn die Porositat zu erhalten und eine ubermassige Kontraktion zu vermeiden. Fur die positive Platte konnen auch Magnesiumsulfat, Zucker, Lignin­sulfonsaure etc. als Zusatz verwendet werden, urn die Porositat zu erho­hen, da diese Stoffe loslich sind und daher am Ende des Produktions­prozesses entfernt werden konnen. N ach dem Trocknen bestehen die Platten im wesentlichen aus dem durch die Reaktion der Oxide entstan­denen Bleisulfat. Nach Eintauchen in Schwefelsaure (d = 1,1-1,2) werden die Platten elektrolysiert und so in schwammiges Bleidioxid umgewandelt. Bei dieser Herstellungsart ist es nicht erforderlich, dass die Schwefel­saure des Elektrolysebads loslich machende Wirkstoffe enthalt. Die Elektrolyse wird noch vor der Beendigung der quantitativen Umwand­lung der Oxide und des Sulfats in Bleidioxid und Blei abgebrochen. Die fertiggestellten Platten haben normalerweise die in Tab. XI.7 ange­gebene Zusammensetzung. Die nicht umgewandelten Anteile an Oxid und Sulfat erhohen die mechanische Festigkeit der Platten.

Tab. XI.7. - Zusammensetzung aufgeladener FAuRE-Platten.

Bestandteil

Pb02

Pb

PbO

PbS04

Positive Platte

90 %

7% 3%

Negative Platte

Page 253: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

240 Primarbatterien und Akkumulatoren

Bei der Herstellung der FAURE-Platten hangt die Lebensdauer der Akkumulatoren von der Feinkornigkeit der verwendeten Oxide abo

Bleiakkumulatoren erfordern eine standige Wartung. Das ver­dunstete und am Ende des Aufladens zersetzte Wasser muss durch de­stilliertes Wasser ersetzt werden (die Verwendung von Leitungswasser wtirde zu Verunreinigungen ftihren). Die Sauredichte muss haufig kon­trolliert werden, wenn der Akkumulator einige Zeit nicht verwendet wurde; ausserdem muss er regelmassig aufgeladen und entladen werden. Aufladen und Entladen mtissen entsprechend den Vorschriften hinsichtlich der Stromstarke und der zugeftihrten bzw. entnommenen Energiemenge durchgefiihrt werden. Eine zu hohe Ladungs- oder Entladungsstrom­starke kann zu sprunghaften und auf die Oberflachenschichten der Platte beschrankten Volumsanderungen ftihren und dadurch die Form der Elektroden verandern und einen raschen Zerfall der aktiven Masse verur­sachen. Ein Bleiakkumulator muss wahrend kurzer Zeit auch sehr hohe Entladungsstrome von I A/cm 2 Elektrodenoberflache vertragen konnen. Bei Langzeitentladung sollte jedoch 0,1 A/cm 2 nicht tiberschritten werden. Eine tiber 1,8 V hinausgehende Entladung wtirde, wie bereits erwahnt, eine Zunahme der Korngrosse des Bleisulfats verursachen und wahrend tibermassigen Aufladens zum Zerfall der Elektrode durch die im Elektro­deninneren eintretende Gasentwicklung fiihren.

7. Alkaliakkumulatoren (22)

Die Nachfrage nach einem Akkumulator mit geringerem Gewicht als das des Bleiakkumulators hat zur Entwicklung des Alkaliakkumula­tors, der auch EDISON- oder Nickel-Eisen-Akkumulator genannt wird, geftihrt. Eine Variante dieses Typs ist der sogenannte ]UNGNER- oder Nickel-Cadmium-Akkumulator.

Der Nickel-Eisen-Akkumulator besteht aus einer Elektrode aus hydratisiertem Nickeloxid, das durch sehr fein verteiltes metallisches Nickel leitend gemacht wird, und einer Elektrode aus fein verteiltem Eisen. Beide tauchen in 20 %ige Kalilauge ein, die 50 gil Lithiumhydroxid enthalt :

+Stahl I NiOOH; Ni(OH)2 I KOH aq. 20 % I Fe(OH)2; Fe I Stahl-

Dieser Akkumulator weist einige Ahnlichkeit zum LALANDE­Element auf (Abschn. 4). Es wird hier jedoch Eisen anstelle von Zink und Nickeloxid anstelle von Kupferoxid verwendet. 1m Gegensatz zur LALANDE-Batterie ist aber der Alkaliakkumulator wieder aufladbar.

(22) Der Artikel von P. C. MILNER und U. B. THOMAS, in Advances in Electrochemistry and Electrochemical Engineering, P. DELAHA YE and C. W. To­BIAS (Editors), New York (1967) Band 5, gibt Aufschluss iiber Einzelheiten auf dem Gebiet der Alkaliakkumulatoren.

Page 254: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Alkaliakkum ula toren 24 I

Der Strom wird in diesen Akkumulatoren durch folgende Reak­tionen erzeugt :

Wiihrend des Aufladens und sogar bei starker Dberladung entsteht am positiven Pol (23) durch die Oxidation von Ni(OH)2 nach den folgenden Reaktionen NiOOH als primiires Produkt:

2 Ni3+ + 2 e-

2 Ni 2+ + 40H-Entladung

2 NiOOH + 2 H20 + 2 e- +--- -+ Ladung

? 2 Ni 2+

? 2 Ni(OH)2

2 Ni(OH)2 + 20H-

Am negativen Pol finden folgende Reaktionen statt :

Fe

Fe2+ + 20H-

Fe + 20H-Entladung ---+ +-----

Ladung

? 2 Fe(OH)2

Fe(OH)2 + 2 e-

Der Gesamtvorgang ist die Summe der Anoden- und Kathodenreaktionen:

Entladung 2 NiOOH + Fe + 2 H20 -+ _ -+ 2 Ni(OHh + Fe(OH)2

Ladung

Die positive Elektrode ist ein Redox-Element. Ihre Elektroden­spannung wird durch folgende Gleichung gegeben:

[Ni3+J2 [Ni 2+J2

Die Elektrodenspannung der negativen Elektrode ergibt sich aus der Gleichung

Die gesamte Zellspannung ist die Differenz dieser beiden Span­nungen:

(23) s. UNO FALK. ]. Electrochem. Soc. 107 (I960) 661.

Page 255: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Primarbatterien und Akkumulatoren

RT - Uo FelFel+ + -- In [Fe 2+] zF

,RT [Ni3+J2 0,059 [Ni3+J2 = Uo + 2F In [Ni2+J2 [FeH] = Uo' + --z--=-=--ln [Ni2+J2 [FeH]

In diesem Akkumulatortyp dient der Elektrolyt ausschliesslich als Leiter, da er nicht wie im Bleiakkumulator an den elektrochemischen Vorgangen beteiligt ist. Die elektrische Spannung sollte daher von der Elektrolytkonzentration unabhangig und konstant sein.

Alle Hydroxide sind stets als feste Phasen vorhanden; es gelten die folgenden drei Gleichungen:

L 2 [NiH] [OH-]3 = LI ; [NP+J2 = I

[OH-]6

L 2 [NiH] [OH-]2 = L2 [Ni2+J2 = 2

[OH-]~

[FeH] [OH-]2 = L3 ; [Fe 2+] L3

[OH-J2

Daraus erhalt man Ll2

[Ni3+J2 [OH-]6 L 2 1

[Ni2+J2 [Fe2+] L 2 2 L3 L22·L3

[OH-] 4 [OH-] 2

wobei der Einfachheit halber die Aktivitatskoeffizienten gleich I ange­nommen werden. In der Praxis lasst sich jedoch wahrend des Betriebs eine leichte Anderung der Spannung sowie der Dichte des Elektrolyten feststellen. Bei der Aufladung wird der Elektrolyt durch das an der positiven Elektrode entstehende Wasser verdiinnt. Die Beziehung zwischen den Konzentrationen

ist also nicht mehr konstant und von der Konzentration der OH- Ionen unabhangig ; dies erklart die Anderungen der elektrischen Spannung des Akkumulators und der Konzentration des Elektrolyten wahrend des Betriebes.

Page 256: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Alkaliakku mula toren 243

Die elektrische Spannung betriigt anfiinglich r,4 V und sinkt zu Beginn der Entladung rasch auf r,3 V, im weiteren Verlauf der Ent­ladung langsam auf r V abo Bei diesem Wert wird der Akkumulator als erschOpft betrachtet. Abb. XLro zeigt die Auf- und Entladungskurven. Allen Beobachtungen ist zu entnehmen, dass zugleich mit der Haupt­reaktion Sekundiirreaktionen stattfinden, die die elektrischen Span­nungen und die von diesen abhiingige Energieausbeute beeinflussen.

1.75 ~ >

t(h)

Abb. XI. 10. - Ladungs- und Entladungskurven von Alka­liakkumulatoren: I: Ni-Fe Ladung; II: Ni-Cd Ladung; III: Ni-Fe Entladung; IV: Ni-Cd Entladung.

Betrachtet man die Entladungskurve der Eisenelektrode (Abb_ XLII) fur sich allein, so kann man deutlich drei Abschnitte erkennen: der erste entspricht der Anfangsionisierung des Wasserstoffs, die sofort nach Schliessen des Entladungsstromkreises verschwindet; der zweite entspricht der Reaktion

Fe ~ FeO

und der dritte der Reaktion

die maglichst vermieden werden sollte, da die umgekehrte Aufladungs­reaktion langsam und schwierig ist. Die Oxidation zu dreiwertigem Eisen entspricht der Sulfatisierung in Bleiakkumulatoren.

Weiter sieht man, dass die Ladungskurve des Akkumulators er­heblich hahere elektrische Spannungen als die Entladungskurve aufweist. Der innere Widerstand eines normalen Alkaliakkumulator<; ist etwa funfmal h6her als der eines Bleiakkumulators. Dies genugt jedoch nicht

Page 257: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

244

-0.6

> -0.7 ~

Primarbatterien und Akkumulatoren

Q(C)

n

Abb. XI.II. - Entladungskurve einer Eisenelektrode.

zur Erkliirung der Differenz der Klemmenspannungen wiihrend des Ladens und wiihrend der Entladung. Sie kann auch nicht auf Anderungen der Elektrolytkonzentration im Inneren der Elektroden zuriickgefiihrt werden, da diese nur einen ganz geringen Einfluss haben. Diese Differenz wird offensichtlich durch einen irreversiblen Vorgang hervorgerufen, der an der positiven Elektrode wahrscheinlich in einer Adsorption des Sauer­stoffs durch das primiir entstandene NiOOH besteht :

Der adsorbierte Sauerstoff wiirde dann spontan freigesetzt und wieder Sauerstoff in seiner urspriinglichen Form ergeben. An der negativen Elektrode wird die Reaktion FeO -+ Fe wahrscheinlich etwas verzogert, da das Eisen dazu neigt, passiv zu werden. Dadurch wird eine Dber­spannung hervorgerufen.

Vom elektrochemischen Standpunkt aus konnten sowohl Kalium­als auch Natriumhydroxid verwendet werden. Kaliumhydroxid wird jedoch wegen seiner besseren Leitfiihigkeit vorgezogen.

Da die Elektrolytkonzentration wenig Einfluss auf die elektrische Spannung des Akkumulators ausiibt, wiirde man vorzugsweise die der maximalen spezifischen Lei.tfiihigkeit entsprechende Konzentration, niim­lich 6,58 N (28 % ; d = 1,271 g/cm 3), wiihlen. Bei. dieser Kon:tentration wird jedoch die Eisenelektrode durch den Elektrolyten stark angegriffen. Darunter leidet die Kapazitat des Akkumulators, weil dadurch Selbst­entladungsreaktionen gefOrdert werden. Man bevorzugt daher niedrigere Konzentrationen (20-21 % Kaliumhydroxid), bei denen die Loslichkeit der Eisenelektrode vernachlassigt werden kann.

1m Elektrolyten ist eine bestimmte Menge Lithiumhydroxid gelost, die die Kapazitat des Akkumulators erheblich vergrossert. Der Zusatz von 50 gil Lithiumhydroxid (was mehr oder weniger dem Sattigungswert entspricht) lasst die Kapazitat um etwa 20 % zunehmen. Dieser Zusatz erhoht auch die Dichte und den Widerstand der Elektrolytlosung. Letz­terer ist etwa 20 % hoher als der Widerstand der Losung ohne Lithium­hydroxidzusatz. Der Mechanismus dieser Beeinflussung der Akkumulator­kapazitat konnte bisher nicht geklart werden.

Page 258: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Alkaliakkum ula toren 245

Der Hauptnachteil des alkalischen Elektrolyten ist seine Reaktion mit der Kohlensaure der Luft, wobei Karbonat gebildet wird. Dieser Vorgang hat keinen Einfluss auf die Elektrodenreaktionen, erhoht jedoch den Widerstand des Elektrolyten. Die hochste zuHissige CO2-Konzen­tration ist 0,4 N; dies entspricht einer Umwandlung von 10 % des an­fanglich vorhandenen Kaliumhydroxids in Karbonat. Der Elektrolyt muss erneuert werden, sobald diese Grenze erreicht wird. Unter normalen Voraussetzungen geschieht dies etwa einmal im J ahr. Das Lithium­hydroxid verzogert auch die Karbonatbildung im Elektrolyten. Der Zusatz von 8 gjl LiOH· H20 zur KOH-Losung verringert die in einer gegebenen Zeit absorbierte Menge CO2 auf die Halfte. Bei festen Anlagen ist es vorteilhaft, den Elektrolyten mit einer Schicht Paraffinol zu be­decken, urn so jede Beruhrung mit der Luft und daher auch die Karbonat­bildung zu verhindern. Die Kapazitat des Nickel-Eisen-Akkumulators hangt, im Gegensatz zum Bleiakkumulator, nur von der Temperatur ab: eine Temperaturerhohung ruft eine leichte Zunahme der Kapazitat hervor.

Auf Grund der Aquivalentgewichte der pro Ah verbrauchten ak­tiven Masse (1,042 g Fe; 4,094 g Ni20 a · 3 H20), der Ausnutzungskoeffi­zienten (17 % bzw. 45 %) und einer Schatzung des Gewichts von Monta­geteilen, Gefass und Elektrolyt auf 40-50 gjAh, erhalt man fUr die Cou­lombdichte eines Nickel-Eisen-Akkumulators einen Wert von etwa 20 Ahjkg, also mehr als beim Bleiakkumulator. Da jedoch der innere Widerstand des Alkaliakkumulators hoher ist als der des Bleiakkumu­lators, hangt seine in Whjkg ausgedruckte Energiedichte stark von der Entladungsstromstarke abo Nimmt man fur eine Entladung bei normaler Stromstarke 1,1 V als Mittelwert fur die elektrische Spannung an, so betragt die Energiedichte des Alkaliakkumulators ungefahr 25 Whjkg und ist damit der eines Bleiakkumulators in der Grossenordnung ver­gleichbar.

Die Selbstentladung hat hier weniger Bedeutung als beim Blei­akkumulator. Die elektrochemisch aktiven Bestandteile des Alkaliakku­mulators sind im Elektrolyten praktisch unloslich und der Elektrolyt selbst ist an den Elektrodenreaktionen nicht beteiligt, so dass die Moglich­keit einer Selbstentladung gering ist. Da ausserdem die Sekundarreaktionen

Fe + 2 H+ ~ Fe2+ + H2

2 NiOOH + Ni ~ 3 NiO + H20

sehr langsam verlaufen, ist der Alkaliakkumulator stabiler als der Blei­akkumulator. Seine Stabilitat in entladenem Zustand ist einer seiner Hauptvorteile. Der Alkaliakkumulator kann ohne weiteres lange Zeit hindurch unbenutzt bleiben; es empfiehlt sich sogar, ihn vollstandig zu entladen, wenn er langere Zeit ausser Betrieb gestellt werden solI.

1m Vergleich zum Bleiakkumulator weist der Alkaliakkumulator den N achteil einer niedrigeren Strom- und Energieausbeute auf. Die Stromausbeute liegt bei 80 %. Die Energieausbeute hangt sehr stark von den Ladungs- und Entladungsstromstarken ab, da wegen des hohen inneren Widerstandes des Akkumulators bei einer Erhohung der Strom-

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Primarbatterien und Akkumulatoren

starke auch ein grosserer Anteil an Energie im Inneren als Warme ver­lorengeht. Andererseits darf die Ladungsstromstarke wegen der Uber­spannung der Reaktion FeO -;.. Fe nicht unterhalb eines bestimmten Wertes liegen. Reicht die Ladungsstromstarke zur Dberwindung dieser Dberspannung nicht aus, so bleibt der Elektrodenvorgang auf eine Was­serstoffentwicklung ohne Ladung des Akkumulators beschrankt. Unter normalen Betriebsbedingungen betragt die Energieausbeute 50 bis 65 %.

Die aktiven Massen des Alkaliakkumulators sind gelatineartig und weisen keinen mechanischen Zusammenhalt auf. Mit Ausnahme des met allis chen Eisens haben sie eine geringe Leitfahigkeit. Die Auswahl geeigneter Gefasse sowie der Zusatz von leitfahigkeitserhohenden Stoffen ist also unerlasslich. Die Gefasse haben Rohren- oder eine andere geeignete Form und bestehen aus Stahl oder Nickel. Sie sind durchlochert und mit Ringen oder anderen Hilfsmitteln verstarkt, urn den durch die Volums­anderungen wahrend des Betriebs verursachten Druckschwankungen zu widerstehen. Die Behalter fur die positiven Elektroden enthalten Nickel­oxidschichten, die mit Blattchen aus metallischem Nickel abwechseln. Die Behalter fUr die negativen Elektroden werden mit einer Mischung aus Eisenfeilspanen und Quecksilberoxid gefUllt. Das Quecksilberoxid wird durch das metallische Eisen zu Quecksilber reduziert. Dieses bildet, da es nicht zu Tropfchen zusammenlaufen kann, ein Netz im Inneren der aktiven Masse der Elektrode. Die Elemente sind zwischen Nickelstahl­platten verlotet und tauchen in den Elektrolyten ein. Die entweder parallel oder in Serie geschalteten Elemente bilden den Akkumulator. Durch diese Bauweise ist der Alkaliakkumulator widerstandsfahiger als der Bleiakkumulator : er ist unempfindlich gegen Stosse und vertragt langdauernde Entladungen und hohe Stromdichten.

Zur Herstellung der aktiven Masse der positiven Elektrode wird zunachst reines Nickel in Schwefelsaure gelost. Diese Losung wird in eine warme Natriumhydroxidlosung gespritzt. Das so ausgefallte Nickel­hydroxid wird filtriert, gewaschen, getrocknet, mit heissem Wasser ausgelaugt, wieder getrocknet, zerkleinert und gesiebt.

Die Nickelblattchen werden auf elektrolytischem Weg hergestellt. Die so erhaltenen Filme von etwa I [Lm Dicke werden in 1,5 mm 2 grosse Quadrate zerschnitten. Die aktive Masse der positiven Elektrode enthalt 14 % dieser Nickelblattchen, die schichtweise abwechselnd mit Nickeloxid in die rohrenformigen Behalter gepresst werden. Nach dem Fullen werden die Elektroden anodisch oxidiert, urn das zweiwertige Nickeloxid in dreiwertiges zu verwandeln.

Die aktive Masse der negativen Elektrode wird durch wiederholte Kristallisation aus gereinigtem Eisen(II)-Sulfat hergestellt, das durch Erhitzen in oxidierender Atmosphare in Eisen(III)-Oxid umgewandelt wird. Die noch vorhandenen metallischen Verunreinigungen werden durch Auslaugen entfernt. Nach dem Waschen und Trocknen wird das Oxid bei 480 0 C mit Wasserstoff reduziert, in einer Wasserstoffatmosphare abgekuhlt und schliesslich wieder teilweise zu FeO oxidiert. Diese Mi­schung aus Fe und FeO wird getrocknet, mit 3 % Quecksilberoxid ver­mischt und schliesslich in die Behalter gepresst.

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Alkaliakkum ula toren 247

Der, auch JUNGNER-Akkumulator genannte, Nickel-Cadmium­Akkumulator ist eine Abart des Nickel-Eisen-Akkumulators. Zum Unterschied yom EmsoN-Akkumulator besteht seine negative Elektrode nicht aus Eisen, sondern aus Cadmium. Cadmium ist in mancher Hinsicht vorteilhafter als Eisen. Das wahrend der Entladung entstehende Oxid ist gut leitend, so dass ein Zusatz von Quecksilberoxid iiberfliissig ist. Ausserdem verursacht das Cadmium keine Sekundarreaktion, weil es keine dreiwertige Verbindung dieses Elements gibt und weil die Selbst­entladungsreaktion

sehr viel weniger bedeutend ist als die entsprechende Reaktion bei der Entladung der Eisenelektrode. Ferner ist Cadmium im Gegensatz zu Eisen nicht passivierbar. Diese Unterschiede fiihren dazu, dass die Ladung des Nickel-Cadmium-Akkumulators bei erheblich niedrigeren Spannungen als die eines Nickel-Eisen-Akkumulators verlauft, so dass sich eine hohere Energieausbeute ergibt. Schliesslich nimmt die Kapazitat des Nickel­Cadmium-Akkumulators bei tiefen Temperaturen wesentlich weniger ab als die des Nickel-Eisen-Akkumulators, da Eisen bei Temperaturen unter o°C passiv wird.

Der Hauptnachteil der Cadmiumelektrode gegeniiber der Eisenelek­trode besteht in der starken Schrumpfung des Cadmiumschwammes beim Altern. Dieser N achteil kann teilweise durch Verwendung einer gemischten Eisen-Cadmium-Elektrode vermieden werden. Abb. XI.I2 zeigt die Entladungskurve einer solchen Elektrode; sie verlauft flach und ohne Stufen. Daraus kann geschlossen werden, dass das Eisen an den elektrochemischen Vorgangen unbeteiligt bleibt.

0.55 :;-

0.50 ~

0.45 t{h)

Abb. XLI2. - Entladungskurve einer Eisen-Cadmium­Elektrode.

Der Alkaliakkumulator erfiillt die zunachst an ihn gestellte An­forderung, namlich ein geringeres Gewicht, nicht vollkommen. Er weist jedoch gegeniiber dem Bleiakkumulator zahlreiche Vorteile auf, darunter vor aHem die Moglichkeit der Bedienung durch ungeschultes Personal.

Page 261: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Primiirbatterien und Akkumulatoren

8. Alkalische Zink-Silber-Akkumulatoren

Obwohl man ursprtinglich angenommen hatte, dass nur in alkali­schen Elektrolyten un16sliche Metalle in Alkaliakkumulatoren verwendet werden konnten, wurde in zahlreichen Arbeiten die Moglichkeit unter­sucht, Zink in Verbindung mit Nickel- und Silberoxiden anzuwenden. DRUMM schlug die Verwendung dieser Kombination in Elementen vor. Der grosste Teil der Arbeiten tiber Zink-Silber-Akkumulatoren ist jedoch ANDRE zu verdanken. Diese Batterien befinden sich bereits im Handel, da sie trotz ihres hohen Preises wegen des geringen Platzbedarfs, der Schnelligkeit des Ladevorgangs und der konstanten Entladungsspannung auf verschiedensten Anwendungsgebieten mit allen klassischen Akkumula­torentypen konkurrieren konnen.

Das galvanische Element besteht aus:

Die porosen Zinkanoden werden durch eine meist aus Zellulose bestehende Membran von den die Kathode bildenden oxidierten Silber­platten getrennt; das Volumen der Elektrolytlosung reicht gerade zur Sattigung dieser Membranen aus.

Wahrend des am positiven Pol stattfindenden Entladungsvorgangs wird das Silberdioxid zuerst zu Oxid, dann zu Silber reduziert. Der Vor­gang verlauft also in zwei deutlich unterschiedenen Schritten:

Dies ergibt

Ag20 2 + H20 + 2 e­

Ag20 + H 20 + 2 e-

--+ Ag20 + 20H---+ 2 Ag + 2 OH-

Die Reoxidation des Silbers wahrend des Aufiadens vollzieht sich ebenfalls entsprechend diesen beiden Schritten: der erste bei einer Span­nung, die urn 50-100 mV positiver als die der als Referenzelektrode be­trachteten AglAg20-Elektrode in alkali scher Losung ist; der zweite bei einer Spannung, die urn 150-300 m V positiver als die der Referenz­elektrode ist. Die Umwandlung des Silbers in Dioxid betragt stets weniger als 60 %, obwohl die FARADAy-Ausbeute bei fast 100% liegt. Die Ursache dafiir ist in der Bildung einer intermediaren Oxidschicht aus Ag20 zu suchen, in der wegen ihres hohen Widerstandes ein so starker OHM Span­nungsabfall auftritt, dass der zweite Oxidationsschritt noch vor Been­digung des ersten einsetzen kann. Wahrend der Entladung verursacht die gleiche Erscheinung die Konstanz der elektrischen Spannung auf dem der ersten Reduktion Ag20 2 --+ Ag20 entsprechenden Niveau und schrankt die gesamte Umwandlung ein.

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Alkalische Zink-Silber-Akkumulatoren

Die Entladungsreaktion am negativen Pol entspricht der Aufla­sung des Zinks :

Zn --+ Zn 2+ + 2 e-

Zn 2+ + 2 OH - --+ Zn(OH)2

Zn(OH)2 + 2 OH- .= Zn022 - + 2 H 20

Das bei dieser Reaktion gebildete Zinkhydroxid und Kaliumzinkat wird, da es sich urn eine gesattigte Lasung handelt, ausgefallt. Der untere Teil des Anodenbereiches wird im Verlauf der sich wiederholenden La­dungen und Entladungen immer reicher an Zinkat. Diese Anhaufung von Zinkat am Boden des Akkumulators kann die Elektroden kurz­schliessen. Ausserdem diffundieren die Zinkkationen zur Kathode und reagieren mit deren aktiver Masse, wodurch die Kapazitat des Elements in entsprechendem Ausmass gesenkt wird (24). Man bringt also eine Membran zwischen den Elektroden an, die diese Diffusion der Zinkkatio­nen zum positiven Pol verhindert. Das Vorhandensein dieser Membran schrankt ausserdem den Anoden- und Kathodenbereich ein und erschwert so die Ausfallung des Zinkats.

Die Verwendung dieser Ionenaustauschermembranen ist aus einem weiteren Grund unbedingt erforderlich: sie verringern die Korrosion der Zinkelektrode (25). Das Silberoxid lOst sich in der alkalischen Lasung auf und wiirde ohne Diaphragma zur Anode wandern und dort durch das Zink unter Bildung einer festen Lasung schwammiger Konsistenz redu­ziert werden bzw. die Platten durch die Abscheidung von metallischem Silber nach und nach kurzschliessen.

Die Ladungs- und Entladungskurven der Zink-Silber-Akkumula­toren werden in Abb. XI.I3 dargestellt. Die beiden den Oxidationsschrit­ten des Silbers entsprechenden Stufen sind deutlich zu erkennen. Wahrend der Entladung hangt die mehr oder weniger deutliche Ausbildung des der Reduktion Ag20 2 --+ Ag20 entsprechenden Spannungsplateaus von den Ausmassen des Elements und der Entladungsstromdichte abo Die sprunghafte Abnahme der elektrischen Spannung ist in kleinen Elementen mit langsamer Entladung ausgepragter. Die am Ende der Ladung beob-

2 /

"'------;

Entladung

t (h) OL-----~5------~170------~15 Abb. XLI3. - Ladungs- und Entladungskurve

eines Ag-Zn-Akkumulators.

(24) H. WINKLER, Electrotech. 9 (1955) 300. (25) T. P. DIRKSE und F. DE HAAN, J. Electrochem. Soc. 105 (1958) 311.

Page 263: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Primarbatterien und Akkumulatoren

achtete Spannungszunahme entspricht der Sauerstoffentwicklung, also einer anderen Elektrodenreaktion.

Die maximale Entladungsstromdichte der Zink-Silber-Akkumula­toren kann sehr hohe Werte - ungefahr 80 Ajdm2 - erreichen, wird jedoch normalerweise auf etwa 2 Ajdm2 beschrankt, wobei die bei etwa I,5 V liegende elektrische Spannung bemerkenwert konstant ist. Wird der Akkumulator mit einer zehnmal grosseren Stromdichte entladen, so nimmt die Kapazitat urn IO % und die mittlere elektrische Spannung urn O,I V abo Die Selbstentladung hangt bei Zimmertemperatur haupt­sachlich von der Grosse des Akkumulators abo Die Kapazitat eines kleinen Akkumulators nimmt monatlich urn 25 % ab, wahrend ein grosser Ak­kumulator (etwa IO Ah) den gleichen Kapazitatsverlust erst nach sechs Monaten aufweist. Mit einer Erh6hung der Temperatur nimmt auch die Geschwindigkeit der Selbstentladung zu. Bei niedrigen Temperaturen nimmt die Kapazitat selbstverstandlich ab ; in der Praxis liegt die Grenze fiir die Verwendung dieser Akkumulatoren bei -20 oC.

Bei normaler Ladungs- und Entladungsgeschwindigkeit weisen die Zink-Silber-Akkumulatoren eine Stromausbeute von 90-95 % auf. Das Verhaltnis der elektrischen Entladungs- und Ladungsspannungen betragt ungefahr 0,85 und die Energieausbeute etwa 80 %.

Die wesentlichen Vorteile dieses Akkumulatortyps sind sein geringer Platzbedarf (bis I90 Ahjdm3) und sein geringes Gewicht (bis 95 Ahjkg) (diese Zahlen sind vier- bis fiinfmal besser als die entsprechende Cha­rakteristik von Bleiakkumulatoren), ausserdem seine Ladungs- und

Tab. XI.S. - Praktische Eigenschaften der Akkumulatoren.

Pb

Energieausbeute % 75-S5 Spannungsabfall wahrend der Entladung, % 15 Kapazitat, Whjkg 29 SpontanentladungfMonat 10-30 Mittlere Lebensdauer in J ahren 1-15 * Wartung hiiufig Empfindlich gegen -oberladung ja

» iibermassige Entladung ja Inaktivitat ja

» Verbleiben in entladenem Zustand ja

» Erschii tterungen ja

Fe-Ni

55-65 33 25 2-30 15

keine nein nein nein

nein nein

Ag-Zn

So 15

135 4-2 5

unbest.

nein nein

nein

• Die kleinere Zahl bezieht sich auf bewegliche, die h6here auf feste Anlagen.

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Alkalische Zink-Silber-Akkumulatoren 25 1

Entladungsgeschwindigkeit und die Konstanz der Betriebsspannung. Die wichtigsten Anwendungsgebiete sind also jene, bei denen Raum- und Gewichtsersparnis wichtig sind, wie vor aHem in Flugzeugen und trag­baren Geraten.

Die Hauptnachteile sind sein hoher Preis und seine begrenzte Lebensdauer, die derzeit etwa hundert Entladungen betragt, wahrend deren die Kapazitat durchschnittlich urn 50 % abnimmt.

Tab. XI.8 gibt einen Dberblick tiber die verschiedenen Akkumu­latortypen.

Page 265: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

KAPITEL XII

ANDERE ANWENDUNGSGEBIETE

1. Elektrochernie der Gase

Ionisation und Stromfluss durch Case

In einer Gasschicht kann durch Anlegen einer elektrischen Spannung nur dann ein elektrischer Strom hervorgerufen werden, wenn das Gas die zum Transport der ElektrizWit benotigten freien Ionen oder Elektro­nen enthiilt. Diese Stromtriiger werden, unabhiingig von der Art des Gases, stets durch eine iiussere energetische Einwirkung erzeugt. Ein gegeniiber iiusseren Einfliissen vollstiindig isoliertes Gas stellt daher, zumindest bei nicht allzu hohen elektrischen Feldstarken, einen voll­kommenen Isolator dar. Durch diese Eigenschaft unterscheiden sich die Gase grundlegend von elektrolytischen Systemen, in denen das Vorhan­densein von Ionen von mehr oder weniger zufiilligen iiusseren Einwir­kungen unabhiingig ist.

Ein weiterer Unterschied besteht darin, dass die Ionenkonzentration der elektrolytischen Systeme fiir das System unter den gegebenen Be­dingungen kennzeichnend ist; sie wird durch die chemische Beschaffen­heit und die physikalisch-chemischen Voraussetzungen dieses Systems bestimmt. In gasfOrmigen System en ist die Ionenkonzentration veriin­derlich und kann mit den physikalisch-chemischen Bedingungen, trotzdem sie von diesen abhiingt, nicht in quantitative Beziehung gebracht werden.

Die Bildung freier Ionen oder freier Elektronen im Inneren eines Gases kann auf verschiedenen Ursachen beruhen. Allen ist jedoch gemein­sam, dass eine Mindestmenge an Energie zugefiihrt werden solI, die hinreichend sei die Trennung eines Elektrons von einem gasformigen Atom oder von einem Gasmolekiil (eigentliche Ionisation), oder die Emission eines freien Elektrons aus einem anderen, hiiufig festen, Stoff (Emission von Elektronen aus geladenen Metallspitzen; thermoionischer und photoelektrischer Effekte) auszu16sen.

Die eigentliche Ionisation kann folgendermassen hervorgerufen werden:

Page 266: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Elektrochemie der Gase 253

Zusammenstosse zwischen geladenen Teilchen mit hinreichend hoher kinetischer Energie, wie z.B. cx-Teilchen, freie Elektronen und Atome oder Molekiile des Systems selbst, bei geniigend hoher Temperatur;

durch Absorption von Strahlungen mit hinreichend hoher Frequenz (ausserstes Ultraviolett, SCHuMANN-Gebiet; Rontgen- und kosmische Strahlen).

In allen Fallen muss dem Gas eine Energiemenge zugefiihrt werden, die ebenso gross oder grosser als die Ionisationsenergie ist; das heisst, dass die zugefiihrte Energie grosser sein muss als diejenige, die zur Trennung eines Elektrons von einem Atom oder einem Molekiil gerade notwendig ist. Die Ionisationsenergien E j einiger Gase oder in den gasfOrmigen Zustand iibergefiihrter Stoffe sind in Tab. XII.! zusammengestellt.

Tab. XII.I. - Ionisationsenergien * verschiedener Stoffe in Elektronenvolt **.

Atome E; Anorganische Ej Organische Ej Molekiile Molekiile

A 15,76 Br2 13 CH4 13,0 Ba 5,21 Cl2 13,2 CHaCl 11,2

Ca 6,11 CO 14,1 CHCla II,5 CS 3,89 CO2 13,7 CH30H 10,8

He 24,56 12 9 HCHO 10,9 Hg 10.44 H2 15,8 C2H 4 10,5 K 4,34 HBr 12,0 C2H 6 11,8 Kr 14,0 HCI 12,8 C2H sCI 10,8

Li 5.40 HCN 15 C2H 5OH 10,7 Na 5,14 HI 10,7 CH3CHO 10,2 Ne 21,56 H 2O 12,6 (CH3)2CO 10,1 Rb 4,17 H 2S 10,4 (C2H S)20 10,2 Sr 5,69 N2 16,5 C6H 6 9,2 Xe 12,13 NH3 II,5 Zn 6,39 NO 9,5

N02 II

°2 12,2

S2 10,7

S02 12,1

* Weitere Ionisationsenergie-Werte findet man in LANDOLT-BoRNSTEIN, Zahlen-werte und Funktionen, Springer Verlag, Berlin.

** Das Elektron-Volt (eV) ist eine Energieeinheit, die der Energie entspricht, die ein Elektron zwischen zwei Punkten, zwischen denen eine Spannung von I V angelegt ist, gewinnt. Fiir Teilchen entspricht I eV 23,04 kcaljMol.

Page 267: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

254 Andere Anwendungsgebiete

Ein Stoff kann also sowohl positive Ionen (durch den Verlust eines Elektrons) als auch negative Ionen (durch Erwerb eines zusatzlichen fremden Elektrons) erzeugen. Dieses Verhalten stellt den dritten grund­legenden Unterschied zwischen ionisierbaren Gasen und elektrolytischen Systemen dar. In einer Losung gibt z.B. Wasserstoff nur positive und Chlor nur negative Ionen ab, wahrend im gasformigen Zustand positive und negative Ionen beider Stoffe moglich sind (H2 + und H2 -, Cl2 + und CI2-). Die Beweglichkeiten einiger Gasionen sind in Tab. XII.2 zusam­mengestellt (1).

Tab. XII.2. - Beweglichkeiten in (cm X S-I)/(V X cm-I) positiver und negativer einwertiger lonen in ihrem ursprtinglichen Gas, bei einer Tempera­tur von ooC.

Gas

A C2H 2 C2H 5OH CCI, Cl2 CO (in CO2) CO2 H2 HCI He H 2O. H 2S Kr N2 N 20 Ne NH3

°2 S02 Xe

• t = 100 DC.

Positive lonen Negative lonen

P=I mmHg

1,2 X 103

0,27 X 103

0,56 X 103

0,84 X 103

0,73 X 103

10 X 103

0,40 X 103

15,4 X 103

0.47 X 103

0,69 X 103

2 X 103

3,3 X 103

0,43 X 103

1,0 X 103

0,44 X 103

p=760mmHg P=I mmHg

1,3 0,78 0,34 0,30 0,65 1,10 0,76 5,9 0,65

17 0,62

0,71 0,94 1,28 0,82 6,23 0,74 2,18 0,48 0,65

0,27 X 103

0,56 X 103 0,87 X 103

0,73 X 103

0,43 X 103 0,54 X 103

p=760mmHg

1,7 0,84 0,37 0,32

0,5 1

1,14 1,01

10,7 0,56

0,56 0,69

1,8 0,90

(1) Die Beziehung zwischen Beweglichkeit der Gasionen, Druck und Temperatur geht tiber den Rahmen dieses Buches hinaus; der Leser wird auf die Spezialliteratur tiber elektrische Entladungen in Gasen verwiesen.

Page 268: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Elektrochemie der Gase 255

Die Gase verdanken ihre LeiWi.higkeit dem Vorhandensein der Gasionen, deren Entstehung so eben beschrieben wurde. Da in der Praxis die Auswirkung kosmischer Strahlen, praktisch nicht vollstandig ver­mieden werden kann, weisen aIle gasfOrmigen Systeme, sogar in Ab­wesenheit von Ionisationsmitteln oder freie Elektronen emittierenden Stoffen, eine gewisse Leitfahigkeit auf. Diese LeiWi.higkeit wird durch die Bewegung der geladenen Teilchen (positive oder negative Ionen oder Elektronen) im Inneren des Gases verursacht.

Die Leitfahigkeit eines gasformigen Systems wird durch die ange­legte elektrische Feldstiirke in nicht Ii nearer Weise beeinflusst; dies ist ein weiterer grundlegender Unterschied zwischen gasformigen und elek­trolytischen Systemen (2). Bei der graphischen Darstellung der Veran­derung der Stromstarke zwischen zwei Elektroden in einem gasformigen System in Abhangigkeit von der elektrischen Feldstarke erhiilt man eine Kurve wie in Abb. XII.I dargestellt. Bei geringer Feldstarke folgt

OJ -"" L. ,," Vi E 0 L. if)

A

o

D

B C

Elektrisches Feld (V /em)

Abb. XII.I. - Veranderung der Stromstarke in Abhangigkeit vom elektrischen Feld wahrend einer elektrischen Entladung in einem Gas.

die Zunahme des Stroms dem OHM-Gesetz und verlauft proportional der Zunahme des Feldes (Abschnitt OA), wie in den dem STOKEsschen Gesetz gehorchenden elektrolytischen Systemen. Diese Erscheinung beruht auf der zunehmenden Wanderungsgeschwindigkeit der die elek­trischen Ladungen tragenden Teilchen. Bei hoher Feldstarke ist jedoch die Zunahme des Stromes der Zunahme des Feldes nicht mehr propor­tional (Abschnitt AB) und erreicht eine Stufe BC, die parallel zur Abszisse verlauft und einem Sattigungsstrom entspricht. Der Grund fur dieses Verhalten liegt darin, dass in dem Bereich zwischen dem Ursprung 0 und dem Punkt C die Zahl geladener Teilchen, wegen der gegeneinander wirkenden Effekte, Erzeugung neuer Ionen und Elektronen einerseits, gegenseitiger Entladung von im Gasraum anwesenden Teilchen mit ent-

(2) Weitere charakteristische Unterschiede zwischen Gasen und Elektrolyten werden im folgenden Abschnitt besprochen.

Page 269: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Andere Anwendungsgebiete

gegengesetztem Vorzeichen und Entladung an den Endelektroden ander­seits, konstant bleibt. Sobald der Punkt A erreicht wird, andert sich die Geschwindigkeit der Teilchen nicht mehr der Anderung der elektrischen Feldstarke proportional und nahert sich einem Wert, der von der An­derung des elektrischen Feldes unabhangig ist (eine Erscheinung, die mit dem Grenzstrom der elektrolytischen Systeme verglichen werden kann).

Das Diagramm weist also einen Kurvenabschnitt auf, der zur Abszisse konkav ist, nach dem der zur Abszisse parallel verlaufende Abschnitt BC folgt. Bei einer weiteren Erhohung der Feldstarke nimmt jedoch auch der Strom von neuem zu, und zwar zunachst langsam, dann aber immer schneller (Abschnitt CD) und ohne sich einem Maximum zu nahern. Dieser letzte Kurvenabschnitt stellt eine vollkommen neue Erscheinung dar; die geladenen Teilchen werden durch das Feld zwischen zwei aufeinanderfolgenden Stossen so stark beschleunigt, dass ihre so erworbene kinetische Energie grosser ist als die Ionisationsenergie des angestossenen neutralen Teilchens oder grosser als die Energie, die zur Abtrennung eines Elektrons von dem Elektrodenmaterial benotigt wird. Die Spaltung eines neutralen Teilchens in ein positives Ion und ein freies Elektron als Folge des Zusammenstosses mit einem anderen hinreichend beschleunigten Teilchen erfolgt dann nach einer statistischen Wahr­scheinlichkeit. Die Anzahl der geladenen Teilchen nimmt also zu und erhoht die Leitfahigkeit des Gases.

Der Zusammenstoss eines geladenen Teilchens mit der Elektrode kann entweder zur einfachen Emission eines neuen freien Elektrons oder zur gleichzeitigen Neutralisierung des einfallenden Teilchens fiihren. Die Ionisation, durch Zusammenstoss, neuer Atome oder neuer Molekiile und die Emission neuer freier Elektronen wird urn so wahrscheinlicher, je we iter die elektrische Feldstarke zunimmt, und somit nimmt die Leit­fahigkeit in undefinierter Weise zu. Die Stromdichte an der Elektro­denoberflache nimmt ebenfalls proportional zur Stromstarke zu, so dass die Temperatur der Elektroden nach und nach steigt. Die Temperaturer­hohung der Elektrode verursacht dann eine Zunahme der Leitfahigkeit des gasformigen Systems, da die Elektroden durch einen thermoionischen Effekt Elektronen aussenden, sobald eine bestimmte Temperatur iiber­schritten wird. Dieser Effekt hangt von der chemischen Beschaffenheit des Elektrodenmaterials ab und verstarkt sich mit zunehmender Tem­peratur. Die Zahl der geladenen Teilchen wird also immer grosser und die Leitfahigkeit wird weiter erhoht, wobei ein Absinken des Spannungs­gradienten beobachtet wird (3).

Da$ hier beschriebene allgemeine Verhalten kennzeichnet im be son­deren Gase bei niedrigem Druck, in der Grossenordung von einigen mm Hg. In diesen Systemen kann die Entladung verschiedene Formen annehmen und wird dementsprechend verschieden bezeichnet: Dunkel

(3) Der dieser Erscheinung entsprechende Kurvenabschnitt ist in Abb. XII. I nicht dargestellt; er wird als absteigende Charakteristik bezeichnet.

Page 270: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Elektrochemie der Gase 257

entladung, Licht- oder Glimmentladung, elektrischer Lichtbogen etc. (4). Bei hohen Drucken, in der Grossenordnung von einer Atmosphare, konnen andere Arten der Entladung auftreten.

1. Ein intermittierender, sehr starker Strom hann durch das Gas :fiiessen, im besonderen, wenn ein Kondensator mit hoher Kapazitat parallel zu den Elektroden geschaltet wird. Diese Art der Entladung, die bei hohen Feldstarken eintritt, wird als Funken bezeichnet. Sie wird hauptsachlich von einer Ionisation durch Zusammenstoss verursacht; aus­serdem hangt sie vom Elektrodenmaterial, von der Form der Elektrode, von der Beschaffenheit und dem Druck des Gases, von der Temperatur und dem Vorhandensein ionisierend wirkender Stoffe abo

2. Eine besondere Art des Lichtbogens kann zwischen zwei Kohle­elektroden hergestellt werden, wenn die Stromdichte an der Anode Werte in der Grossenordnung von 300 Ajcm2 erreicht. Diese hohe Dichte und das dadurch hervorgerufene intensive Elektronenbombardierung der Anode fiihren zu einer sehr starken Erhohung der Anodentemperatur und somit zu einer raschen Verdampfung des Anodenmaterials. Die so entstandenen Dampfe sind als Anodenflamme sichtbar. Wahrend die Gastemperatur in einem Lichtbogen etwa 7000-8000oC betragt, liegt die Temperatur der Anodenflamme in der Nahe der Anode we it hoher. Dieser noch intensivere Entladungstyp wird als Hochstromkohlebogen bezeichnet (5).

3. Bei weiterer Erhohung der Stromstarke wird der Durchmesser der leuchtenden Gassaule, durch welche die elektrische Entladung zwi­schen den Elektroden vollzogen wird, durch das eigene Magnetfeld ver­ringert. Die Stromdichte in dieser Gassaule erreicht Werte in der Gros­senordnung von 10 3 Ajcm2; die Temperatur erreicht etwa 15 000 oc. Diese Entladung ist von der Beschaffenheit des Anodenmaterials unab­hangig und wird als negative Stichflamme bezeichnet.

Eine elektrische Entladung in einem gasfOrmigen System kann nicht nur durch Anlegen einer Gleichspannung, sondern auch einer Wechselspannung zwischen zwei mit dem Gas in Beriihrung stehenden Elektroden hervorgerufen werden. 1m letzteren Fall tritt die Entladung, sofern die Frequenz dieser Spannung hoch genug ist, auch dann ein, wenn die Elektroden durch ein Dielektrikum vom System getrennt sind. Ein besonderer Typus der Entladung zwischen Elektroden, die durch ein anderes Dielektrikum als das Gas selbst voneinander getrennt sind, tritt in den Ozonisatoren auf und solI im folgenden Abschnitt behandelt werden.

(4) Die eingehende Beschreibung der verschiedenen Entladungstypen und ihrer charakteristischen Eigenschaften gehen tiber den Rahmen dieses Buches hinaus; der Leser wird auf die einschlagigen Werke auf dem Gebiet der Physik oder der elektrischen Technologie verwiesen.

(5) S. Fussnote 4.

Page 271: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Andere Anwendungsgebiete

Chemische Reaktionen in Gasentladungen

Die chemischen Reaktionen, die im Verlauf einer elektrischen Entladung in einem Gas auftreten, konnen in zwei Hauptgruppen ein­geteilt werden.

Die erste Gruppe enthalt die Reaktionen, die durch die hohe Tem­peratur des Reaktionsmilieus verursacht werden; sie verlaufen unab­hangig von Faktoren elektrischen Ursprungs, welche die Temperatur nicht unmittelbar beeinfiussen, wie z.B. die Stromfrequenz des Bogens oder des Funkens. Die zweite Gruppe bilden die Reaktionen, die im wesentlichen von Faktoren abhangen, die die elektrische Entladung und die Reaktionen zwischen elektrisch geladenen Teilchen beeinfiussen.

Die Reaktionen der ersten Gruppe konnen nicht elektrochemische Reaktionen im eigentlichen Sinne, sondern eher elektrothermische genannt werden, da sie zum grossten Teil durch die im Verlauf der elektrischen Entladung erreichten hohen Temperatur ausge16st werden, besonders in den Fallen, in denen Ausgangs- und Endprodukte sich in der konden­sierten Phase befinden (z.E. Herstellung von Kalziumcarbid und ver­schiedener Stahlsorten). Die Reaktionen dieser Gruppe sind fUr den Elektrochemiker ohne besonderes Interesse.

Die zweite Kategorie umfasst die Reaktionen, die von den elektri­schen Entladungsfaktoren unmittelbar beeinfiusst werden; es wird angenommen, dass die Ausgangsprodukte Gasionen, Atome oder freie Radikale sind. Die Ionen entstehen unmittelbar bei den Stassen freier beschleunigter Elektronen im elektrischen Feld. Die Atome und freien Radikale sind das Ergebnis einer komplexen Reaktionsfolge im inneren des von der elektrischen Entladung durchfiossenen Gases und entstehen ebenfalls, aber nicht unmittelbar durch die Wirkung der freien beschleu­nigten Elektronen. Diese Art der Reaktionen weist einen echten elek­trochemischen Charakter auf; sie entsprechen den in den Elektrolyten stattfindenden Reaktionen, da sie von einem energiearmen Ausgangs­system zu einem energiereicheren Endsystem fiihren, wobei die gewonnene Energie von einer ausseren Stromquelle geliefert wird. Ais Beispiele konnen die Bildung von Ozon, Stickoxid, von atomarem Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff, von den Radikalen OH und NH angefiihrt werden.

Verlauf und Theorie dieser Reaktionen sind noch wenig bekannt. Es ist nicht wahrscheinlich, dass die in der Gasmasse (in der die Ent­ladung stattfindet) herrschenden Gleichgewichte oder stationaren Zu­stan de ausschliesslich den Gesetzen der Thermodynamik entsprechend von der Temperatur und der gelieferten Energiemenge abhangen. Es ist durchaus richtig, dass eine von einer elektrischen Entladung, wie z.E. einem Bogen, durchquerte Gasmasse als Bereich hoher Temperatur angesehen werden muss. Die Zustandsbedingungen dieser Bestandteile und vor allem der Ionen und freien Elektronen unterscheiden sich jedoch von denen einer einfachen Hochtemperaturzone ohne elektrisches Feld, wie z.E. eine Flamme. Die kinetischel Energie der geladenen Teilchen - die von ihrer Geschwindigkeit und daher, nach den Gesetzen der

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Elektrochemie der Gase 259

Thermodynamik, von der Temperatur abhiingt - in einem elektrischen Lichtbogen sehr viel h6her ist als in einer Zone gleicher Temperatur (6) ohne elektrisches Feld. Bei Vorhandensein eines solchen werden die Teilchen beschleunigt, so dass ihre mittlere Geschwindigkeit h6her als die der thermodynamischen Temperatur des Systems entsprechende Geschwindigkeit ist. Es ist also iiusserst schwierig, wenn nicht unm6glich, die rein thermischen Effekte von den bei stark endothermischen Reak­tionen (wie es im Inneren einer von einer elektrischen Entladung durch­querten Gasmasse der Fall ist) gleichzeitig auftretenden elektrischen Effekten (7) zu trennen. Diese Systeme k6nnen also nicht thermody­namisch definiert werden.

Die elektrischen Entladungen k6nnen unmittelbar zur Entstehung von lonen fiihren, die dann beschleunigt werden; sie k6nnen jedoch keine Primiirreaktionen im klassischen elektrochemischen Sinn hervorru­fen. In einer Reihe von den Versuchsbedingungen abhiingiger Sekun­diirreaktionen entstehen jedoch verschiedene kurzlebige Teilchen. Diese Teilchen k6nnen positiv oder negativ geladene, ein- oder mehratomige Gasionen, freie Radikale oder freie Atome im Grundzustand oder im angeregten Zustand sein; es kann sich schliesslich auch urn ein von einer bestimmten Anzahl neutraler Molekiile umgebenes Gasion handeln. AIle diese instabilen oder metastabilen Teilchen weisen eine hohe Reak­tionsfahigkeit auf, die sich, im Gegensatz zu den elektrolytischen Syste­men, nicht an der Elektrodenoberfiiiche, sondern im Inneren der Gas­masse auswirkt. Die katalytische Wirkung von als Spuren vorhandenen und an der Reaktion unbeteiligten Fremdstoffen oder auch der chemischen Bestandteile der Gefiisswiinde (Wandkatalyse) lenkt diese Reaktions­fiihigkeit in eine bestimmte Richtung. Dies bedeutet, dass zahlreiche Reaktionen gleichzeitig stattfinden und einander iiberlagern ; ein thermo­dynamischer Gleichgewichtszustand kann wegen der Instabilitiit eines oder mehrerer Bestandteile des Systems nicht erreicht werden. Die Schwierigkeiten, auf die man bei der experiment ellen Bestimmung der tatsiichlichen Konzentrationen der an den Reaktionen beteiligten lonenar­ten stosst, gestalten die L6sung der durch die Elektrochemie der Gase gestellten Probleme noch komplizierter.

Die Ungiiltigkeit der FARADAy-Gesetze in Gasen erschwert die Untersuchung dieser Reaktionen und bildet einen weiteren grundlegen­den Unterschied zwischen Gasen und Elektrolyten. Die im Verlauf einer elektrischen Entladung in einem Gas umgewandelte Stoffmenge steht in keinem quantitativen Zusammenhang mit der das System durchfiiessen­den Elektrizitatsmenge und unterliegt starken Veranderungen, die von

(6) D.h., in einem Bereich, in dem die kinetische Energie der ungeladenen Teilchen in gleicher Weise verteilt ist bzw. in der die Teilchen die gleiche mitt­lere kinetische Energie aufweisen.

(7) In bestimmten Fiillen ist die Interferenz photochemischer Reaktionen zu beriicksichtigen, die durch die Lichtstrahlung der elektrischen Entladung ausgelost werden, wodurch die Erscheinung noch komplizierter wird.

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260 Andere Anwendungsgebiete

Anderungen der physikalisch-chemischen Bedingungen (Druck und Tem­peratur) des Systems sowie von den elektrischen Entladungsfaktoren abhangen. Man kann eine gut uber eins liegende Stromausbeute erreichen. Bei der Bildung von Ozon schwankt die zur Herstellung eines Gasaqui­valents notige Elektrizitatsmenge in Coulomb nach verschiedenen Autoren zwischen 84 und 1400; diese Zahlen sind in jedem FaIle weit geringer als die 96500 Coulomb, die bei Gultigkeit der FARADAy-Gesetze benotigt wurden. Dabei ist zu betonen, dass man in elektrolytischen Systemen bei Anwendung von reinem Wechselstrom, d.h. ohne Gleichstromkom­ponente, keine permanente Elektrolyse erreicht, da der wahrend der ersten Halbperiode ablaufende Vorgang wahrend der zweiten llmge­kehrt wird. In gasformigen Systemen lasst sich dagegen haufig beobach­ten, dass durch Anwendung von Wechselstrom eine erhebliche Erhohung der Ausbeute entsteht.

Schliesslich unterscheiden sich gasformige Systeme und elektro­lytische Systeme in kondensierten Phasen voneinander durch die Tatsache, dass in den ersteren der Stromdurchfluss und das AuslOsen chemischer Reaktionen gewohnlich viel hohere elektrische Spannungen erfordert als in den elektrolytischen Systemen. Yom energetischen Standpunkt aus gesehen, erweisen sich also die gasformigen Systeme trotz der oft uber I liegenden Stromausbeute weniger gunstig als die elektrolytischen Systeme in kondensierten Phasen.

Aus allen diesen Grunden ist die Entwicklung der Elektrochemie der Gase weniger bedeutend als die der Elektrolyte in kondensierten Phasen geblieben. Man kann mit einiger Berechtigung feststellen, dass diese Entwicklung sich noch in einem Anfangsstadium befindet, in dem die bisher erhaltenen Ergebnisse fast ausschliesslich qualitativer N atur sind. Eine vollstandige Theorie, die die Deutung und Vorhersage von Versuchsergebnissen gestattet, fehlt einstweilen.

Die kurze Beschreibung dreier elektrochemischer Gasreaktionen solI das bisher Gesagte erlautern. Es handelt sich urn die Bildung von Ozon, die Synthese von Salpetersaure und die Herstellung von Hydrazin. Nur die beiden erstgenannten Verfahren werden bzw. wurden in der Industrie verwendet.

Ozon

Ozon entsteht bei einer besonderen Art der elektrischen Entladung, der sog. stillen Entladung, in Apparaten, die nach und nach der indu­striellen Verwendung angepasst wurden. Legt man an zwei Elektroden, die durch das Gas und, zur Erhohung des Widerstandes, durch zwei Schichten eines Dielektrikums getrennt sind, eine nach und nach zu­nehmende Wechselspannung an, so verhalt sich zunachst alles wie bei einem idealen Leiter, wobei die wirksame Stromstarke Ieff durch die Gleichung

(XII.I.I)

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Elektrochemie der Gase 26r

gegeben wird, in der w die Frequenz und C die Kapazitanz bezeichnet. Die verbrauchte Leistung, W, ist also gleich

(XII.l.Z)

wobei cp der Phasenwinkel ist ; da cp praktisch gleich n/z ist, ist die absor­bierte Leistung praktisch gleich Null. Uberschreitet jedoch die elektrische Spannung einen bestimmten kritischen Wert, so tritt eine Entladung mit geringer Starke und Leuchtkraft ein, die von einem schwachen Gerausch begleitet wird ; man bezeichnet sie als stille Entladung, Spriih­oder Glimmentladung. Sie besteht aus zahlreichen win zig kleinen Funken, die von den Elektroden ausgehen und sich in der gesamten Gasmasse verteilen. Diese Entladung ware ohne die Gegenwart des Dielektrikums

Abb. XII.2. - Anderung der Stromstarke in einem Ozonisator in Abhangigkeit von der Zeit.

instabil, da die durch die Funken verursachte Zunahme der Ionisation die Leitfahigkeit des Gases spiirbar erhohen wiirde, so dass die Strom­starke mehr oder weniger schnell der eines kontinuierlichen Funkens oder Lichtbogens entsprechen wiirde. Durch das Dielektrikum und seinen hohen Widerstand wird eine zu grosse Erhohung der Stromstarke als Folgeerscheinung der Ionisation vermieden und so die Glimmentladung stabilisiert. Dnter diesen Bedingungen verhalt sich das Gas nicht mehr wie ein Dielektrikum, da es von winzig klein en Funken durchquert wird ; die Gleichungen (XII.1.l) und (XII.l.z) verlieren also jegliche Bedeutung, da in einem Gas, das kein Dielektrikum ist, der Begriff der Kapazitanz nicht mehr existiert. Verfolgt man die bei jeder Anderung der elektri­schen Spannung stattfindenden Entladungen mit einem Oszillographen, so erhalt man Diagramme wie in Abb. XII.z dargestellt, bei dem die

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262 Andere Anwendungsgebiete

mehr oder weniger unregelmassig verteilten Fransen den Zeitspannen, wahrend deren die Glimmentladung stattfindet, entsprechen. Da unter diesen Bedingungen die Gleichungen (XII.l.I) und (XII.l.2) nicht mehr zutreffen, ist die absorbierte Leistung nicht mehr Null; es kann eine chemische Reaktion eintreten. Es gibt eine verhaltnismassig grosse An­zahl sogenannter Ozonisatoren, die jedoch aile auf dem in Abb. XII.3 dargesteilten Prinzip beruhen. Abb. XII.3 ist die schematische Dar­stellung eines Plattenozonisators, der aus einem Rahmen (5) aus Isolier­material besteht, das die Rohre fUr den Eintritt (7) und Austritt (6) des Gases tragt. Auf diesem Rahmen sind zwei Glasplatten (4) befestigt, die als Dielektrikum mit hohem Widerstand dienen. An den Aussenseiten dieser beiden Glasplatten sind die Elektroden (3) befestigt, von denen eine geerdet und die andere mit einer Hochspannungsquelle verbunden ist.

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2 c Abb. XlI.3. - Schematische Darstellung eines Ozoni­sators.

Bei letzterer kann es sich urn die Sekundarspule eines Transformators (I) (2) oder urn einen Hochspannungsgenerator oder urn einen Oszillator mit hoher Frequenz handeln. An die Elektroden wird eine Spannung in der Gr6ssenordnung von 1000 bis 25 000 V angelegt. Die Stromdichte betragt ungefahr 0,1-0,2 A/cm 2• Die fUr Industrieozonisatoren verwendete Frequenz liegt zwischen 50 und 1000 Hertz, die fur bestimmte Labora­toriumsozonisatoren verwendeten Frequenzen k6nnen allerdings bis zu 10000 Hertz reichen. Zwischen den Platten streicht Sauerstoff oder Luft durch; die Glimmentladung findet in diesem Gasstrom statt und fuhrt zu folgender Gesamtreaktion :

Diese Reaktion ist stark endotherm, da die Bildungswarme des Ozons +34,5 kcal betragt, und musste also durch hohe Temperaturen begunstigt werden. Die Herstellung von Ozon ausschliesslich durch

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Elektrochemie der Gase

Warmewirkung wiirde jedoch so hohe Temperaturen erfordern, dass selbst mit Hilfe eines elektrischen Lichtbogens keine geniigende Ausbeute mehr erhalten werden kann. Die befriedigende Ausbeute der Ozonisa­toren bei niedrigen Temperaturen kann noch erhoht werden, indem man bei der Temperatur der fiiissigen Luft arbeitet (8). Die geringe Ozonaus­beute des elektrischen Lichtbogens kann durch verschiedene Massnahmen elektrischer Art (z.B. Erhohung der Frequenz) oder physikalisch-chemi­scher Art (z.B. Druckverringerung) erhoht werden.

Dies alles zeigt, dass die Bildungsreaktion des Ozons weniger einfach als oben angegeben ist; sie ist tatsachlich erheblich komplexer und muss durch die geladenen oder ungeladenen primaren Teilchen, die wahrend der Entladung entstehen, beeinfiusst oder so gar hervor­gerufen werden. Eine elektrische Entladung im Sauerstoff oder in der Luft kann durch Aufspaltung des Gasmolekiils, durch Ionisation und durch Addition freier Elektronen zur Entstehung verschiedener Teilchen, 0, O2 +, 0+, O2-, 0-, fiihren, die an der Bildung des Ozons beteiligt sein konnen. 0 3 kann nach den folgenden Reaktionen entstehen :

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O2+ + 0- ~ 0 3

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Der tatsachliche Bildungsmechanismus des Ozons bei der Glimm­entladung ist noch nicht bekannt; bei Raumtemperatur entspricht er wahrscheinlich einer dieser Reaktionen, an denen freie Atome oder Gasionen beteiligt sind. Es muss festgehalten werden, dass das Ozon auch durch dreifachen Stoss dreier Sauerstoffatome entstehen konnte; in diesem Falle ware die Reaktion stark exotherm. Die Dberlagerung einer stark endothermen durch eine stark exotherme Reaktion, wobei eine Reaktion durch niedrige, die andere durch hohe Temperatur be­giinstigt wird, wozu noch die eventuell zwischen Gasionen eintretenden Reaktionen hinzukommen, bildet ein typisches Beispiel flir die Kompli­kationen, die die theoretische Untersuchung elektrochemischer Reak­tionen in der Gasphase so erschweren.

Die Glimmentladung ist bisher die einzige Methode zur industriellen Herstellung von Ozon. Entsprechend den thermochemischen Angaben der Bildungsreaktion miisste eine kWh Elektrizitat ungefahr 1200 g 0 3

ergeben; die hochste bisher erhaltene Ausbeute betragt jedoch nur 300 gjkWh, d.h. eine Energieausbeute von 0,25 (9). Die verschiedenen

(8) E. BRINER, Arch. Sci. Phys. Nat. 23 (1941) 25, 71. (9) Die Entstehung des Ozons und ihre Beeinftussung durch verschiedene

elektrische und physikalisch-chemische Faktoren wurden von E. BRINER und seinen Mitarbeitern eingehend untersucht. Ein Bericht iiber diese Arbeiten wurde in Helv. Chim. Acta 38 (1955) 340 verofientlicht.

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Andere Anwendungsgebiete

Anwendungsgebiete des Ozons stiitzen sich alle auf seine stark oxidieren­den und sterilisierenden Eigenschaften ; es wird vor aHem zur Behandlung von Luft und Wasser verwendet, urn sie zu sterilisieren und durch Oxi­dation von Stoffen zu reinigen, die einen unangenehmen Geruch oder Ge­schmack verleihen konnten.

Stickoxid

Die Bindung des atmosphiirischen Stickstoffs wurde friiher mit Hilfe eines elektrischen Lichtbogens durchgefiihrt, der dank seinen be­sonderen Eigenschaften folgende endotherme Reaktion ermoglichte :

N2 + O2 + 43,2 kcal --+ 2 NO

Das so gebildete Stickoxid reagierte darauf mit Sauerstoff zu N02, das mit Wasser Salpetersiiure und andere mehr oder weniger bestiindige Stickstoffverbindungen ergab. Heute wird jedoch die Fixierung von Stickstoff in der Industrie ausschliesslich durch die Verbrennung von Ammoniak durchgefiihrt. Aus diesem Grunde soHen die zahlreichen Methoden zur Modifizierung des Lichtbogens, durch die er an die beson­deren Erfordernisse der Synthese von NO angepasst werden kann, hier nicht besprochen werden. Man kann aus der weiter oben angefiihrten Reaktion und der ihr entsprechenden Reaktionswiirme schliessen, dass sie durch hohe Temperaturen begiinstigt wiirde. Das Stickoxid kann jedoch auch unmittelbar aus Stickstoff- und Sauerstoffatomen gebildet werden:

N + 0 --+ NO + 121 kcal.

Diese Reaktion ist stark exotherm und wiirde durch niedrige Temperatur begiinstigt. Die durch Dissoziation der entsprechenden Molekiile ent­standenen Stickstoff- und Sauerstoffatome konnen durch thermische Reaktionen unmittelbar gebildet werden, oder auch durch Aufspaltung als Folge des Zusammenstosses von durch das elektrische Feld hinreichend beschleunigten geladenen Teilchen entstehen, so dass die Konzentration der Stickstoff- und Sauerstoffatome nicht vernachliissigbar ist und mit der Temperatur und der an die Elektroden angelegten Spannung zunimmt. Die Entstehung von Stickoxid ist allerdings nicht nur das Ergebnis dieser beiden Reaktionen, sondern auch einer Anzahl anderer, an denen auf elektrochemischem Wege in der Gasphase entstandene Teilchen (die Ionen N2+ und N+, die Atome N und 0) beteiligt sind. Ihr Vorhandensein wurde auf drei Arten bewiesen :

I) die Untersuchung elektronischer Zusammenstosse zeigt, dass NO bei einer Beschleunigungsenergie der Elektronen von mindestens 17 eV, die der Ionisierungsenergie des Stickstoffmolekiils entspricht, zu ent­stehen beginnt; die Entstehungsgeschwindigkeit des NO nimmt zu, sobald die Energie der zusammenstossenden Elektronen 22 e V erreicht und damit der Energie entspricht, die fiir die Aufspaltung eines Stick-

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Elektrochemie der Gase

stoffmolektils in ein neutrales Atom N, ein positives Ion N+ und ein freies Elektron benotigt wird ;

2) durch die Bildung von Stickoxid bei niedriger Temperatur durch stille Entladung, bei der das Vorhandensein von Atomen durch thermische Aufspaltung auszuschliessen ist ;

3) durch den Einfluss der Entladungsfrequenz auf die Ausbeute, der an der IntensiUitszunahme der Emissionsbanden der N-Ionen und so mit deren Konzentration erkannt wird.

Es laufen also auch im FaIle der Stickoxydbildung mehrere Reak­tionen nebeneinanuer ab, von denen einzelne, je nach den Versuchs­bedingungen, bestimmend wirken konnen.

Hydrazin

SCHULER und DEGENHART (10) haben eine andere, auf einer elektri­schen Entladung in einer Gasphase beruhende Synthesereaktion beobach­tet: wenn bei niedrigem Druck NH3 die positive Saule einer Gasent­ladung durchfliesst, entsteht Hydrazin in beachtlicher Menge; der Grund dafiir ist wahrscheinlich die Dissoziation des NH 3-Molekiils

durch beschleunigte Elektronen, nach der durch Wechselwirkung der beiden Radikale NH2 das Hydrazin N2H4 entsteht. Natiirlich wiirden zur gleichen Zeit folgende Nebenreaktionen stattfinden: Wiederverei­nigung dieser NH2-Radikale mit Wasserstoffatomen, Bildung von Was­serstoffmolektilen aus Wasserstoffatomen und von Stickstoffmolektilen aus Stickstoffatomen, die ihrerseits von dem bedeutenderen Zerfall des Ammoniakmolektils und der NH2-Radikale herriihren. Es wiirde sich also auch hier urn eine Dberlagerung mehrerer Reaktionen handeln. SCHULER und DEGENHART erhielten bei dieser Art der Hydrazinbildung in der positiven Saule der Gasentladung bis zu I3 g Hydrazin pro kWh, eine deutlich hohere Ausbeute als die in den ozonisatoren-ahnlichen Apparaturen erhaltenen 3-4 gjkWh. Dies scheint dafiir zu sprechen, dass der Vorgang der Hydrazinbildung sich von dem der Ozonbildung un­terscheidet.

Schliesslich muss noch erwahnt werden, dass die elektrische Ent­ladung in der Gasphase zur Herstellung verschiedener Gase (H, N, 0, Cl) in atomarem Zustand verwendet wurde, urn deren Reaktionsfahigkeit zu untersuchen, sowie zur Darstellung freier Radikale wie z.B. OH und NH. Ausserdem wurde sie versuchsweise bei zahlreichen anderen Reak­tionen angewendet; die theoretische Deutung der so erhaltenen Ergeb­nisse ist jedoch sehr schwierig. Es steht ausser Zweifel, dass die Elektro­chemie der Gase bisher ungeahnte Forschungs- und Anwendungsmog-

(10) H. SCHULER und V. DEGENHART, Z. N aturforsch. 8 A (1953) 251.

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266 Andere Anwendungsgebiete

lichkeiten bietet, die jedoch erst vollkommen entwickelt werden konnen, wenn bessere theoretische und experimentelle Methoden zur Verfiigung stehen werden.

2. Elektrophoretische Verfahten

von K. M. OESTERLE (11)

Unter dem Begriff der elektrophoretisehen Verfahren, insbesondere der Elektrophorese wiisseriger Liisungen, versteht man die Abscheidung mikroskopisch feiner bis kolloidaler Teilchen mittels elektrischen Stroms auf einem als Elektrode ausgebildeten Objekt. Theoretische Erklarungen dieser Vorgange finden sich bei BROWN und SALT (12), BECK et al. (13), VAN WESTRENEN (14), SCHENK et al. (15,16) und PIERCE (17).

Elektrophoretiseh erzeugte Besehiehtungen aus organise hem Material (K unst­stoffuberzuge)

Die ersten Versuche zur Abscheidung organischer Stoffe mittels Elektrodeposition (ED) erfolgten unmittelbar nach der Entdeckung der Moglichkeit, in einem wasserigen Elektrolyten fein verteilte Festkorper­teilchen unter dem Einfluss eines elektrischen Spannungsfeldes zum Wandern und zur Abscheidung auf ein als Elektrode ausgebildetes Objekt zu bringen. So schlug COCKERILL (18) schon I908 vor, Kautschuk aus einer wasserigen Latex-Suspension elektrophoretisch abzuscheiden. Kurz danach konnten KLEIN und SZEGVARY (19) auf elektrophoretischem Wege Gummitiicher ohne Stoffeinlagen herstellen. Schon vor I930 wurden Patente gelOst, welche sich mit der Herstellung von organischen Kor­rosionsschutziiberziigen, auf elektrophoretischem Prinzip beruhend, be­schaftigten (20). Die Zahl solcher Erfindungen vermehrte sich in den weiteren Jahren in rascher Folge.

(11) Kusnacht (Zurich). Ehemals Dozent an der Eidgenossischen Techni­schen Hochschule Zurich.

(12) D. R. BROWN und F. M. SALT, J. Appl. Chern. 15 (1965) 40. (13) F. BECK, H. POELMANN und H. SPOOR, Farbe+Lack 72 (1967) 288;

F. BECK, Progr. Org. Coat. 4 (1976) I.

(14) W.]. VAN WESTRENEN, J. Oil Colour Chern. Assoc. 62 [7J (1979) 253· (15) H. U. SCHENK, H. SPOOR und M. MARX, Progr. Org. Coat. 7 (1979) I.

(16) H. U. SCHENK und J. STOELTING, J. Oil Colour Chern. Assoc. 63 [12J (1980) 482 .

(17) P. E. PIERCE, J. Coat. Tech. 53 [672J (1981) 52. (18) T. COCKERILL, D.R.P. 21897; Brit. Pat. 21441 (1908). (19) P. KLEIN, Anode Rubber Company Ltd., D.R.P. 512170; P. KLEIN

und A. SZEGVARY, Brit. Pat. 254765 (1926). (20) Brit. Thomson Houston Company Ltd., Brit. Pat. 121523.

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Elektrophoretische Verfahren

Die elektrophoretischen Abscheidungsverfahren bieten folgende Vorteile an:

Vorziigliche Adhasion der Beschichtung auf dem Objekt. Gleichmassige Schichten auf ebenen Flachen, wie auch auf Spitzen, Kanten, konvex oder konkav gebogenen Flachen. Gleiche Abscheidungen auch in Vertiefungen und Hohlraumen. Keine Laufer-Erscheinungen zufolge elektrophoretischer Verdichtung der abgeschiedenen Schichten. Keine Riicklasung der abgeschiedenen Schichten durch organische Lasungsmittel oder durch die Badlasung selbst. Wirtschaftliche Vorteile durch die Nichtverwendung teurer organi­scher Lasungsmittel, verbunden mit erhahtem Umweltschutz. Keinerlei Feuergefahr. Giinstige Bedingungen fUr die Automatisierung und damit Reduktion der Prozess-Unkosten.

Diesen Vorteilen stehen aber auch, - allerdings nur wenige -. Nachteile gegeniiber wie

Notwendigkeit standiger scharfer Kontrolle der Badzusammensetzung sowie Kontrolle der Abscheidungsbedingungen.

Zu der urspriinglich allein nur maglichen A naphorese gesellt sich heute die Kataphorese, d.h. die elektrophoretische Teilchenabscheidung auf kathodisch geschaltete Objekte.

Durchfuhrung einer elektrophoretischen Beschichtung

Zuerst solI eine griindliche Reinigung des Beschichtungs-Objektes durchgefUhrt werden, d.h. Entfernung von Schmutz und Fett sowie von Flugrost, bis die zu beschichtende Oberflache metallisch blank erscheint.

SolI mittels Anaphorese beschichtet werden, so muss das Objekt zusatzlich noch phosphatiert werden, damit anodisch in Lasung gehendes Eisen nicht als Verfarbung in die Beschichtung iibertreten kann.

Erst nach der griindlichen Reinigung kann das elektrophoretische Verfahren selbst im Elektrophorese-Bad durchgefUhrt werden. Das Bad ist wasseriger Natur, feinst dispers verteilte Makromolekiile synthetischer Harze mit funktionellen Endgruppen enthaltend. Diese disperse Phase kann pigmentiert oder unpigmentiert sein (21,22).

(21) Pigmentierungshohe 15-20 % unter KPOK nach OESTERLE (22), wobei KPOK = Kritische aktive Pigment-Oberfiiiche-Konzentration bedeutet. Di­selbe ist die von 100 g Pigmentmischung gebotene totale aktive adsorptive Oberfiiiche, gekennzeichnet durch die Menge Harz (g, 100% Polymere). welche

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Elektrophoretische Verfahren 269

Die synthetischen Harze unterscheiden sich fiir Anaphorese und Kataphorese und verlangen verschiedene Saureeinstellung des Bades: 7 -:- 8 fiir die Anaphorese und 5 -:- 6 fiir die Kataphorese.

In der Tab. XII.3 sind einige der wichtigsten Angaben der Ana­phorese- und Kataphoreseverfahren zusammengestellt.

N ach erfolgter Abscheidung der Schicht solI man sofort anschlies­send die anhangende Badflussigkeit abtropfenlassen und anschliessend das Objekt mit deionisiertem Wasser abspriihen. Schliesslich muss man das Objekt mit deionisiertem Wasser abspriihen und zur Polymerisation, bzw. Vernetzung, des abgeschiedenen Kunstharzes einbrennen.

M echanismus des elektrophoretischen Beschichtungsvorganges

Transport der Kunstharz-Makromolekiile im Bad und Koagulation derselben an der Objekt-Elektrode, beides schwach ausge16st durch die am Bad angelegte elektrische Spannung, unterscheiden sich bei Anapho­rese und Kataphorese.

Bei der Anaphorese wird die geringe Transportbewegung der Ma­kromolekiile durch die niedrige ponderomotorische Kraftwirkung des elektrischen Feldes auf die negativ geladenen Endgruppen der Makro­molekiile ausgelost und durch den COEHN Effekt (23) verstarkt. Der COEHN-Effekt besteht darin, dass Teilchen, deren Dielektrizitatskonstante nieddger als diejenige ihrer Umgebung ist, im elektrischen Feld eine ne­gative scheinbare Ladung zeigen. 1m wassrigen elektrophoretischen Beschichtungsbad ist dies der Fall, so dass sich eine zusatzliche ponde­romotorische Kraftwirkung ergibt, in der gleichen Richtung wirkend.

Bei der Kataphorese miissen die Endgruppen der Kunstharz­Makromolekiile positiv geladen sein, damit sie durch das elektrische Feld eine Beschleunigung in Richtung des als Kathode geschalteten Objektes erfahren. Der COEHN-Effekt wirkt in diesem Fall der Wirkung des elektrischen Feldes auf die Endgruppen entgegen. Die pondero­motorische Wirkung des elektrischen Feldes ist bei der Anaphorese und ganz besonders bei der Kataphorese derart gering, dass in beiden Fallen eine intensive Baddurchriihrung notwendig ist, welche die Makro­molekiile in nachste Nahe der Abscheidungs-Elektrode bringt.

Die Koagulation der Makromolekiile zum kompakten Harz erfolgt bei der Anaphorese vorwiegend durch den elektrolytisch ausgelosten Saure-Effekt des Anodenraumes, bei der Kataphorese durch Alkalinitat des Kathodenraumes, aber zum Teil auch durch Entladung der elektrisch geladenen kolloidalen Kunstharzteilchen (Abb. XII-4). Entsprechend

sie in diinnster n-molekularer Schicht zu adsorbieren vermag (behelfsmiissige Bestimmung nach DIN 53199, verbesserte Methode in Entwicklung).

(22) K. M. OESTERLE, W. WIEDEMANN, H.-J. KOLL und K. KLOTZSCH,

FATIPECH-Buch (1978) pp. 314-319. (23) A. COEHN, Wied. Ann. Phys. N.F. 64 (1898) 217; A. COEHN und U.

RAYOT, Ann. Phys. 30 (190 9) 777.

Page 283: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

270 Andere Anwendungsgebiete

Electrolyse Entladung und Electrolyse

Abb. XII+ - Schematische Darstellung des Mechanismus des Anfangsstadiums der elek­trophoretischen Beschichtung (Elektrolyse und Entladung).

mussen die Kunstharze aufgebaut sein. Durch die Koagulation durch die Stromwirkung wird zunachst ein noch lockeres Netzwerk koagulierter Kunstharzteilchen gebildet, wie in Abb. XII.5 dargestellt, durch das der elektrische Strom hindurchtreten und damit weitere Koagulationen auslOsen kann, bis dass ein derart dichter Film gebildet worden ist, dass der elektrische Strom unterbunden wird. Bei der Anaphorese ist die anfiingliche Stromwirkung und deren Abfall logischerweise grosser als bei der Kataphorese.

Ais weiterer Vorteil im Fall der Kataphorese kann man feststellen, dass die Alkalinitat des Kathodenraumes den Korrosionsschutz der kataphoretischen Beschichtung wesentlich unterstutzt.

Die fur die elektrophoretische Beschichtung geeigneten Harze (14-16) sind generell thermohartender N atur von relativ niedrigem Molekular-

gewicht IOOO '" 5000. Harze mit niedrigem Molekulargewicht geben in der Regel glattere Oberfiachen, Harze mit hoherem Molekularge­wicht weisen dafiir bessere Tiefen­wirkung (throwing power) auf.

Abb. XII.5. - Koagulierte Harzteilchen im Anodenraum.

Page 284: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Elektrophoretische Verfahren 27 1

Anstelle der Elektrophorese-Bader auf Basis von makromolekular verteiltem Kunstharz werden auch solche auf Basis von Kunstharz­Dispersionen bentitzt. Mit solchen Dispersions-Badern kann man hohere Abscheidungsgeschwindigkeiten erreichen, jedoch sind die Schichten weniger dicht und daher flir den Korrosionsschutz weniger geeignet.

Die flir Anaphorese geeigneten Harze (15) enthalten endstandige Carboxylgruppen. Die Wasserloslichkeit dieser Harze wird erreicht durch partielle Neutralisation mit Ammoniak, Aminen oder Hydroxiden der Alkalimetalle.

Basis-Harze: maleinisierte l1attirliche Ole oder synthetische Ole, maleinisierte Polybutadiene, Alkeyd-Melamin-Kombinationsharze, Polyacrylate, Phenolmodifizierte Polyacrylate, Epoxiester,

AIle diese im Prinzip tiber Amine oder Alkaliverbindungel1 wasser­loslich bzw. wasserdispergierbar gemachte Makromolektile mtissen der Hydrolyse des wasserigen Anodenraumes widerstehen konnen und mtissen frei sein von sauren weiteren wasserloslichen oder dissozierbaren Verunreinigungen. Zur Erreichung gentigender Tiefenwirkung (throwing power) muss die elektrische Leitfahigkeit des mit ihnen erzeugten Bades tief gehalten werden konnen.

Zur Pigmentierung eignen sich wasserunlosliche Pigmente, z.B. Metalloxide, Flammruss, entsprechend wasserunlOsliche organische Pig­mente. Feine und regelmassige Granulometrie ist unerlasslich (21).

Die flir die Kataphorese geeigneten Harze (15) mtissen im schwach sauren wasserigen Bad lOslich oder zum mindesten dispergierbar sein und in der alkalischen Zone des kathodisch geschalteten Objektes koaguliert werden konnen.

Basis-Harze: Copolymere von Acrylaten mit Monomeren, die tertiare Aminogruppen enthalten, Dimethylamino-Allylmethacrylat, Vinylimidazole, Aminalkylamide der Acryl- oder Methacrylsaure, amil1ogruppen-modifizierte Polyurethane und Polyester, Hydromethacrylate copolymerisiert mit Amiden, die quar­Hire N-Atome enthalten,

Tab. XII.4 enthalt einige Hinweise in Bezug auf flir Elektrophorese geeignete Konstruktionsmaterialien und Mechanisierungsmoglichkeiten.

Page 285: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

272 Andere Anwe,ndungsgebiete

Tab. XII+ - Konstruktions-Material der Elektrophorese-Anlagen, Rationalisie­rungs- und Mechanisierungsmoglichkeiten.

Anaphorese

Elektrolytische Anlosung. des Objektes, Gefahr der Beschichtungsverfarbung durch aufgelostes Anodenmaterial

Gegenelektrode aus Eisen zulassig

Badwanne aus normalem Eisen

Rationalisierung des Betriebes er­schwert durch geringe Badstabilitat: standige scharfe Badkontrolle und Erganzung der Badzusatzstoffe neben dem normalen Harzverbrauch (relativ niedriger Turnover-Wert)

Mechanisierung erschwert

Erreichbare Filmdicke 25 [lm und mehr

Kataphorese

Keine An16sung des kathodischen Ob­jektes

Gegenelektrode aus Graphit oder rost­freiem Stahl

Badwanne aus Kunststoff oder saure­bestandigem Material

Rationalisierung des Betriebes erleich­tert durch hohe Badstabilitat. Neben Erganzung des verbrauchten Kunst­harzmateriales miissen Zusatzstoffe nicht erganzt werden, z.B. wahrend I J ahr (hoher Turnover-Wert)

Mechanisierung normal

Erreichbare Filmdicke 15 '" 20 [lm

Weitere Vergleichsdaten sind in Tab. XII.S angegeben. Fiir eine einfache Kontrolle der Beschichtungen s. Ref. 24, fiir eine rasche Er­kennung der Giite und des inneren Zusammenhaltes (Kohasion) der Schichten s. Ref. 25.

In Abb. XII.S ist das Schema einer elektrophoretisch arbeitenden Lackieranlage fiir Autokarosserien dargestellt.

Elektrophoretische Reinigung von Kaolin

Die elektrophoretische Reinigung von Kaolin ist ein zweiter Beispiel elektrophoretischer Verfahren die mit Erfolg in die Praxis eingefiihrt wurden. Sie hat sich fiir die Bediirfnisse der keramischen und der phar­mazeutischen Industrie gut bewahrt.

Der Hauptbestandteil des Kaolins ist der Kaolinit A120 3 " 2 Si02 "

2 H 20. Er ist ein Verwitterungsprodukt des Granits und anderer Gesteine

(24) F. WILPORN, Physikalische und technologische Prufverfahren fur Lacke und ihre Rohstofje, Berliner Union G.m.b.H., Stuttgart (1953).

(25) K. M. OESTERLE, FATIPECH-Buch (1972) pp. IIO-II6; IMD­Verfahren Farbe+Lack 86 [IOJ (1980) 88r.

Page 286: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

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Page 287: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Andere Anwendungsgebiete

Abb. XII.6. - Schema einer elektrophoretisch arbeitenden Lackieranlage filr Auto-Karosserien. I: Transportanlage, 2: Dialyse-Apparatur filr Badreinigung, 3: Filter, 4: Pumpe, 5: Warmeaustauscher.

der Feldspatgruppe. Ais Verunreinigungen enthalt er vorwiegend Quarz und Glimmer; dazu kommen unter Umstanden auch Eisen und Car­bonate.

Der im Ausgangsmineral enthaltene Kaolin wird in Wasser unter Zusatz von Natriumsilicat peptisiert, urn eine stabile Suspension kol­loider Natur zu erhalten, deren Teilchen negativ geladen sind und aus der die groben Verunreinigungen leicht ausgeschieden werden k6nnen. Aus dieser kolloiden Suspension kann jedoch der Kaolin wegen seiner Feinheit und kolloiden Stabilitat durch Filtrieren oder Zentrifugieren nicht abgeschieden werden. Die Koagulation mittels eines Elektrolyten ist ebenfalls nicht ratsam, da die Reinheit und die flir die Formung so wertvolle Plastizitat verlorengehen wiirden.

Fiir die Abscheidung des Kaolins werden daher dessen kolloide Eigenschaften ausgeniitzt. Hierfiir steht die in Abb. XII.7 schematisch dargestellte Apparatur zur Verfiigung. Die Suspension wird durch die Beschlage (2) zugefiihrt. Die beiden in entgegengesetzter Richtung rotierenden Riihrwellen (7) verhindern eine Schichtbildung der Kaolin­teilchen. 1m oberen Teil taucht zur Halfte ein als Anode dienender Hart­bleizylinder (5) ein, unter dem sich in koaxialer Lage die aus einem halbzylindrischen Metallnetz gebildete Kathode (3) befindet. Unter dem Einfluss des im Zwischenraum herrschenden elektrischen Feldes wandern die Kolloidteilchen zur Anode, wo sie teilweise oder ganz entladen werden. Sie scheiden sich in einer ziemlich kompakten Schicht ab, die au<;serdem zum Teil auf elektroosmotischem Weg entwassert wird. Die gereinigte

Page 288: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

2

Elektrophoretische Verfahren

Abb. XII.7. - Elektrophoretische Kaolin-Reinigungs-Apparatur.

275

Kaolinsehieht wird vom rotierenden Zylinder mitgenommen und von diesem mittels des Sehabers (6) dauernd abgestreift. Die klare FHissigkeit tritt aus dem Rohr (4) aus und wird neuerlieh zur Peptisation von Roh­kaolin verwendet. Die angelegte Spannung betragt etwa 70 bis 80 V Jem; die Stromdichte liegt unter I AJdm2. Der Energieverbraueh sehwankt zwischen 2S und 60 kWh je Tonne. Mit dieser Methode konnen aueh andere Stoffe ahnlieher Art gereinigt werden, wie Ton, Zirkonoxyd, amorphe Kieselsaure usw. Kaolin und Tone, die auf diese Weise behandelt werden, weisen einen sehr hoben Reinheitsgrad auf.

Page 289: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Sachverzeichnis

Abscheidungsformen (der) Metalle (s. auch Metall Abscheidung) 22 ff

Adion 24 ff Affinieren 52 Akkumulator(en) 207, 229 ff

Alkali s. Alkali Akkumulatoren

- Blei s. Blei Akkumulator - Vergleichsdaten 207, 250 Aktivierungsliberspannung 25, 223 ALCOA SMELTING Prozess 174 Alkali, Akkumulatoren 207, 240 ff, 250

Amalgam, Zersetzung 122 Chlorid Elektrolyse 100 ff

Betriebsgrossen II9

Bipolare Zelle I 17 - Diaphragmen (flir) 114 - Elektroden 106

Reaktionen 100 ff Theorie 102 ff

Aluminium, anodische Passivierung 9 1, 97 Aluminium Elektroden 7 Aluminium Herstellung 174 ff

ALCOA Prozess 174 Anoden 187

- Anodeneffekt 184 ff Anodenprozess 179 Betriebsdaten 185 Einfiuss (von) Magnetfelder 183 ff

Elektroden 182

Elektrolyt 175 ff Kathodenprozess 172

Metallnebel 179 - Minerale 176

Nebenreaktionen 180 ff

Reaktionen 177 ff Rohstoffe 185, 186

Stromausbeute 180

- Verfahren 183

Alluminium Herstellung, Zelle 183 - Oxid (s. auch Tonerde) 176 ff

- - (als) Diaphragma 17 - - Zersetzungsspannung 178, 182 - Raffination 188 ff

- Anodenlegierung 189 - - Betriebsdaten 191 Amalgam Butter 130 ANACONDA Prozess 61 Anaphorese 267 - Mechanisms 269 Anoden effekt 9, 147

Anodenschlamm 20, 39, 41, 48, 49, 52, 62 Anodenfiamme 257 Asbest, Diaphragma 17 A USSIG Zelle II 2

Atznatron s. Natriumhydroxid

BACON Zelle 227 ff BALBACH THUM Zelle 47 Batterie, Definition 204 - Voraussetzungen 206

Bauxit 176, 186 BAYER Prozess 186 Behalter 5 - Filterpressetyp 148 - VVannentyp 148

Beizen 74 Beschichtung, elektrophoretische, Mecha-

nismus 269

Beton Behalter 5

Betriebs-Anlagen, elektrochemische I ff Bipolare Elektroden 10

- Schaltung 10

Blei Akkumulator 229 ff

- elektrische (und) technische Daten 207,

23 0, 235, 239, 25 0 - - Elektroden 238

Page 290: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Sach verzeichnis

Blei Akkumulator Energieausbeute 237 ff Energiedichtc 236

- - Kapazitat 234 pH-Abhangigkeit 232 Reaktionen 230 ff Selbstentladung 236 Spannung 232

- - Stromausbeute 237 ff Sulfatisierung 235

- Temperaturabhangigkeit 234 - Volumanderungen 234 Dioxid Elektroden 7 - Elektroden 7

Blieweiss Herstellung 166 - - Betriebsdaten 168 Bohmit 176 Braunstein s. Mangan Dioxid Brennstoff Zelle(n) 219 ff

Austauschstrom 224 - - Elektrode(n) 226

Elektrolyt 226 Klassifizierung 225

- Uberspannungen 223 BUNSEN Element 205

CASTNER Zelle 124 Chile x Legierung 43 Chiolith 176 Chlor Herstellung 102 ff, 164, 201 - - Bedingungen 105

Betriebsdaten II9, 165, 203 Diaphragma Zelle 108

- - - Gegenstrom Zelle I I 3 ff - - - Vorteile 132 Filter Zelle(n) 105, 107

- - Quecksilber Zelle 120 ff

Stromverlust 129 Vorteile 132

- Wasserstoffbildung 121 Theorie 102 ff, 163

Chlorat Herstellung, Bedingungen 141 ff

Betriebsdaten 143 - Durchflihrung 142

Theorie 133 ff Zelle 143

Chlorwasserstoffsaure Elektrolyse 163 Chromgelb Herstellung 166 COHEN Effekt 269

DANIELL Element 205 ff Deckkraft 70 Deckschicht Theorie 93 Dendrite 24 ff DE NORA Zelle 140, 141 Depolarisation, Depolarisatoren 206 Deuterium Wasserstoff Trennung 154 DIAMOND Zelle II6 Diaphragma 12 - Filter Zelle(n) 107, 113 ff - Gegenstrom Zelle (n) I I 3 ff - Glocke Zelle(n) 148

horizontal pH-Abstand Diagramm 117 - Materialien 13, 17, 115 - Pcrmeabilitat 15

Porosi tat 15 - senkrecht pH-Abstand

116 - Zelle(n) 107, III, 117, 149 Diaspor 176 Differen tielle Bel liftung 85 Diffusionskoeffizient 14 Dispersionsbader 271 DONNAN Gleichgewicht 169 Dow Zelle 106 DOWNS Zelle 202 Dunkelentladung 256, 257

Diagramm

EDISON Akkumulator s. Nickel Eisen Ak­kumulator

Eisen Elektroden 7 - Nickel Akkumulator s. Nickel Eisen

Akkumulator - Passivierung 89

pH-Spannung Diagramm 88 Elektrode (n) 6 - (flir) Alkalichloridelektrolyse 105 ff

bipolare 10

- Formen 9 - impragnierte 8, 107 - monopolare 10

Montierung I I

- Schaltungen I I

Elektrodialyse 168 ff Elektroformung 20, 70, 81 Elektrokristallisation 24 ff Elektrolyse-Bedingungen (flir) Metallab-

schcidung 28

Page 291: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Sach verzeichnis 279

Elektrolyt Bewegung, Einfiuss (auf) Me­tallabscheidung 26

- indifferent 2 I

- Zusammensetzung, Einfiuss (auf) Me-tallabscheidung 27

Elektrometallurgische Verfahren (mit) los-lichen/unloslichen Anoden 20

Elektronenkonfiguration, Theorie 93 Elektrophorese, Anwendungen 266 ff Elektrophoretische Beschichtung 266 ff - - Mechanismus 269 Elektroplattierung 21, 69 Elektrowachstum 25 Elemente, galvanische 205 Eloxal Schichten 91 Energieverluste (an) Kontakte 12 Entladung(en) (durch) Gase 257 - Mechanismus (der) Metalle 23 Entsalzung, elektrodialytische 168 Epitaktsches Wachstum 24 EVAN'S Theorie 85

FARADAY Gesetze, Ungilltigkeit 260 FAURE Elektrode 238 FERY Batterie 217 Filmbildende Schutzmitteln 98 Filter Zelle(n) 107, III, II7 Fluoaluminate, Zersetzungsspannung 178 Fremde Stoffe, Einfiuss (auf) Metallab-

scheidung 27 ff

Funken 257

Galvanoplastik 70 Galvanostegie 69 Galvanotechnik 20, 21, 69 ff - Beizen 74 - Berechnungen 74 ff

Deckkraft 70 Durchfiihrung 72 ff Elektrolyt 71 Streufahigkeit 70

- Vorbehandlung 72 ff Gas (e), Elektrochemie 252 ff - Entladung(en) (durch) 256 - - Reaktionen 258 - Ionen 253 - - Beweglichkeit 254 - Ionisation (und) Leitfahighkeit 252 ff

Gas (e) Stromfiuss (durch) 255 Gegenstrom Prinzip I I I - Zelle II2 Glanzen 76 ff Glatten 76 ff Glimmentladung 257 Glocke(n) Zellen II2, 148 Gold Raffination 48 ff - - Affinierung 52

Anode(n) 50, 51 Anodenschlam 49, 52 Bedingungen 48

- - Behalter 52 - - Betriebsdaten 51

Elektrolyt 49 ff - - Nebenprodukte 52

Quartierung 52 - - Reaktionen 48 - - (mit) Wechselstrom 52 Graphit Elektrode(n) 8 GRIESHEIM Elektron Zelle 108

Hochstromkohlebogen 257 HONSBERG MESSNER Zelle 127 HOOKET Zelle II6 HOOPER verfahren 188 Hydrargillit 176 Hydrazin 265 Hypochlorit Herstellung 133

Bediungengen 138 - - Betriebsdaten 142 - - Durchfiihrung 139 - - Theorie 133 ff - - Zelle 139 - Reduktion 136

Immunitat 90 Inhibitore(n) 57 Ionenaustausch Membrane 168 Ionisation (von) Gasen 252 Isotopen, Trennfaktor, Trennung 154

JUNGNER Akkumulator s. Nickel Kadmium Akkumulator

Kadmium Herstellung 66 ff Bedingungen 68 Betriebsdaten 68

- - Elektrolyt 68

Page 292: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

280 Sach verzeichnis

Kadmium Herstellung Rohstoffe 67 - Nickel Akkumulator s. Nickel-Kadmium

Akkumulator Kaolin 272 Kataphorese 267 - Mechanismus 269 Kathodischer Schutz 89, 96, 98 KELLNER Zelle 140 Keramik Diaphragma 17 Kohle Elektrode(n) 8 Kolloide, Einfiuss (auf) Metall-Abscheidung

27 Komplexbildung, Einfiuss (auf) Metallab­

scheidung 27 Kontakte 12 Konzentration, Einfiuss (auf) Metallab-

scheidung 26 - Kammer 171 Korrosion 82 ff - Definition 83 - Inhibitoren 97 - Schad en 83 - Schutz 96 ff - Ursachen 84 ff - Theorien 83 ff Kryolith 175 ff Kupfer Chlorid Batterie 218 - Gewinnung 41 ff - - Bedingungen 43, 44

Behiilter 43 - - Betriebsdaten 44

Elektroden 43 Elektrolyt 43 Minerale 42 Schema 42

- Oxid Batterie 216 - Raffination Anoden 32

Anodenschlamm 39, 41 Bedingungen 32 ff, 36 ff

- - Behii.lter 36 - - Betriebsdaten 39 - - bipolare Schaltung 36, 38

Elektrolyt 33 - - Kathoden 35 - - monopolare Schaltung 36 ff

Nebenprodukte 40 Reaktionen 39 ff Verfahren 36 ff

LALANDE Batterie 216 ff LECLANCHE Batterie 207 ff - - Entladung 212 - - Reaktionen 208 Lichtbogen 257

MAGDEBURG Prozess 66 Magnesium Batterie 218 - Chlorid (aus) Seewasser 198 - - wasserfreies 196 - - Wasser Gehalt 192 - Herstellung 191 ff - - Betriebsdaten 197 - - Elektrolyt 192

Reaktionen 192 - - Schlamm 193, 194 - - Zellen 195 ff Magnetfelder 183, 190 Magnetit Elektrode 7 MALLORY Batterie 213 ff Mangan Dioxid 208 - - aktiviertes 208 - - Batterie 219 - - Elektrode 208 M.B.V. Prozess 97 Membrane Ionenaustausch 168 - permselektive 17, 168 Metall(e) Abscheidung, Bedingungen 28 - - Einfiuss der experimentellen Bedin-

gungen 26 ff - - Strukturtypen 24 ff - - Zwischenschritte 23 - Elektrokristallisation 25 ff - Elektrowachstum 25 - Entladung Mechanismus 23 - inerte 25 - intermediare 25

- normale 25 - Nebel 179, 184, 201 - Oxid Diaphragma 7 - - Elektrode(n) 7, 8 - Passivitiit 89 - Pulver 81 ff Mischoxid Elektrode(n) 8

MOEBIUS Zelle 47 Monopolare Elektrode (n) 10 Montierung (von) Elektrode(n) (in) Zellen

II

Page 293: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

Sach verzeichnis 281

Natrium Amalgam Zersetzung 122 Chlorid Elektrolyse, Lasung 102 ff

Bedingungen 105 Betriebsdaten II9 Diaphragmen 115 Energetics 123 Verfaren (und) Zellen 105, II3,

120, 132 - - Schmelzfiuss 201 - Reinigung, Verunreinigungen 120, 128 Herstellung 198 ff

Betriebsdaten 203 - Elektrolyt 199, 201 - Zelle 202 Hydroxid Elektrolyse, Schmelzfiuss 199 - Herstellung, Betriebsdaten II9

- - - Theorie 102 ff NATIONAL CARBON Batterie 218 Negative Stichfiamme 257 Nickel Kadmium Akkumulator 240, 247

Eisen Akkumulator 240 ff Elektroden 246 Elektrolyt 244 Energieausbeute 245 Energiedichte 245 Kapazitat 244 Konstruktion 246 Reaktionen 241 Selbstentladung 245 Spannung 243 Stabilitat 245 Stromausbeute 245

Nivellierung 77

Oberfiachennivellierung 77 Organische Verbindungen, Oxidation en und

Reduktionen 163 Oxidation, anodische 155 ff Oxid Diaphragmen 17

- Elektroden 7 Ozon Herstellung 260 ff Ozonisatoren 262

Passivitat 89 ff chemische 91 elektrochemische 91 mechanische 90 Theorien 93

Perchlorat Herstellung 156 - - Betriebsdaten 158 Permanganat Harstellung 158 - - Betriebsdaten 160 Permeabilitat 15 Permselektive Membrane 17, 168 Peroxodischwefelsaure 160 Peroxodisulfat Herstellung 160 - - Betriebsdaten 163 pH-Spannung Diagramme 87, 88 PLANTE Elektrode 238 Platin Elektrode(n) 7 Polieren 76 ff

Bedingungen 77 ff - Elektrolyt 77, 80

Schaltung 78 viskose Schicht 76 Vorbehandlung 80

Porositat 13 Primarbatterie s. Batterie Pulvermetalle 20

Quartierung 52 Quecksilber Zelle(n) 105, 120 - Oxid Batterie 213 ff - - Sulfat Batterie 215

Raffination 19 Reaktionen (in) Gasentladungen 258 ff Reduktione(n) kathodische 155 ff Rastung, sulfatierende 55 RUBEN Batterie 215

Salzsaure Elektrolyse 164 - - Betriebsdaten 165 Sandstein, Behalter 5 Sauerstoff Batterie 217 - Herstellung, Reaktionen 144 Schaltung (von) Elektroden (in) Zellen 10 Schutz Methoden (in) Korrosion 96 ff - Uberziige 96 ff Schweres Wasser 154 Schwerlosliche Verbindungen 166

SIEMENS BILLITER Zelle II 7 Silber Chlorid Batterie 218

Oxid Batterie 219

Raffination 44 ff - Anoden 45

Page 294: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

282 Sachverzeichnis

Silber Chlorid Anodenschlamm 48 - - Bedingungen 45 ff - - Behiilter 47 - - Betriebsdaten 47 - - Elektrolyt 46

- - Zelle(n) 47 - Zink Akkumulator s. Zink Silber Ak-

kumulator SODERBERG Elektrode 187 SOLVAY Zelle 126 SPERRY Prozess 166 Spiilung elektrolytische 73 Stickoxid 264 Stille Entladung 260 Streufiihigkeit 70 Stromdichte, Einfluss (auf) Metallabschei­

dung 26

TAINTON Prozess 63, 66 Titan Elektrode 7, 8, 107, 127, 141 Tonerde (s. auch Aluminium-Oxid) 177,

186 Trennfaktor, Isotopen 154 Trockenbatterie 212

Vagabundierende Strome 86 Verdiinnung Kammer 171 Verfahren (mit) loslichen!unlOslichen Ano­

den 20 Viskose Schicht 77 VOLTA Element 204

Wachstum epitaktisches 24 Wasser Elektrolyse 144 ff

Bedingungen 14 7 - - Behiilter 148, 151

- - Betriebsdaten 153 - - bipolare Schaltung 150 - - Diaphragmen 151

Wasser Elektrolyse (unter) Druck 152 Elektrolyt 146 Gastrennung 148

- - Isotopentrennung 154 ff monopolare Schaltung 148

- - Wasser Bereitung 152 - - Zellen 148 ff - Entsalzung 168 ff - - Betriebsdaten 172 - schweres 154 - Deuterium Trennung 154 Wasserstoff Herstellung, Reaktionen 144 Wasserstoffionen Entladung (an) Quecksil-

ber 121 Wechselstrom Elektrolyse 52 Wertigkeit, Einfluss auf Metallabscheidung

26 Wirbel Elektrode(n) 9

Zellen elektrochemische Klassification 2

Zink Ferrit 55 - Herstellung, ANACONDA Prozess 61 ff, 66

Anodenschlamm 62 - - Bedingungen 59 - - Behiilter 61

Betriebsdaten 66 Elektroden 60 Elektrolyt 56, 63, 64

- - MAGDEBURG Prozess 66 - - Nebenprodukte 65

Schemata 53, 62, 64 - - Minerale 54, 63, 64

Reaktionen 54 ff - - TAINTON Prozess 63 ff, 66

- - Zusiitze 59, 65 - Silber Akkumulator 248 ff

- - Reaktionen 248 - - - Energieausbeute 250 Zwischenkontakte 12

Page 295: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

VII. I.

VIlLI.

VIIL2.

VIIL3·

VIII+

VIIL 5·

VIIL6.

VIII.7·

VIIL8.

VIII.9.

VIII. 10.

VIII.II.

Tabellenverzeichnis

Verschiedene Typen von elektrochemischen Zellen (Klassifica­

tion nach Zusammensetzung und Arbeitsweise .

Einfiuss der Elektrolysebedingungen auf die Struktur der ka­

thodischen Abscheidung

Standardelektrodenspannungen von Antimon, Wismut, Arsen

und Kupfer .

Typische Analysenergebnisse von Produkten der Kupferraffi­

nation .

Elektrische Daten der Kupferraffination

Typische Zusammensetzung (in gjl) einer zur elektrolytischen

Kupfergewinnung verwendeten Elektrolyten

Elektrische Daten fUr die Kupfergewinnung

Zusammensetzung der Silberanoden

Zusammensetzung des Elektrolyten fUr die Silberraffina tion

Elektrische Daten der Sil berraffina tion

Zusammensetzung der Goldanoden

Elektrische Daten der Goldraffination

2

29

33

39

39

44

44

45

46

47 50

51 VIII.12. Zusammensetzung des Anodenschlamms und des erschopften

Elektrolyten bei der Goldraffination 52

VIII. 13. Maximal zuHi.ssige Verunreinigungen in der ZnSOcLosung 57

VIII. 14. Fur den ANACONDA - Prozess typische Zusammensetzungen von

Mineral und Elektrolyt . 63

VIII. 15. Fur den TAINTON - Prozess typische Zusammensetzungen von

Mineral und Elektrolyt . 64

VIII. 16. Elektrolysedaten der Zinkherstellung 66

VIII.17. Elektrolysendaten fUr die Kadmiumherstellung 68

IX. I. Betriebskenngrossen der wichtigen Diaphragma und Quecksil-

ber Zellen I 19

IX.2. Betriebsdaten einiger Zellenmodelle zur Hypochloriterzeugung 142

IX.3. Betriebsdaten einiger Zellen zur Chloratherstellung 143

Page 296: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

IX·5· IX.6.

IX·7· IX.8.

IX·9· IX.lo.

IX.II.

X.I.

Tabellenverzeichnis

Betriebsangaben einiger zur Wasserelektrolyse verwendeten

Zellen .

Elektrolytische Trennfaktoren flir einige Isotope

Betriebsangaben zur Perchloratherstellung

Elektrische Daten der Permanganatherstellung

Elektrischen Daten der Herstellung von Ammoniumperoxodi­

sulfat. Elektrolyt: (NH2)2S04 + N 2S04 .

Elektrische Daten zur Salzsaureelektrolyse

Elektrische Daten zur Bleiweissherstellung nach dem SPERRY

Verfahren

Betriebsdaten eines typischen Elektrodialyseverfahren zum Ent­

salzung von Brackwasser

Zersetzungsspannungen versehiedener gesehmolzener Fluoalu­

min ate

153 155 158 160

168

172

X.2. Vergleich der Stromaubeute ASt mit dem CO - Gehalt (%) im

X.6.

X·7·

X.8.

X.9. X.IO.

XLI.

XI.2.

XI.3·

XI+

XI.5· XI.6.

XL7· XI.8. XILI.

XII.2.

Anodengas

Elektrische Daten der Aluminiumherstellung

Typische Bauxit-Analysen .

Zusammensetzung der Anodenlegierung bei der Aluminium­

raffina tion

Elektrische Daten der Aluminiumraffination

Elektrolyt-Zusammensetzung bei der Magnesiumchlorid-Elek­

trolyse .

Schlamm-Analyse von Boden einer Magnesium-Zelle

Elektrische Daten von Magnesiumchlorid-Elektrolysezellen

Elektrische Daten zur Natriumherstellung

Elektrische Spannungen von Elementen mit zwel Elek­

trolyten

Akkum ula toren typen

Kenndaten der BAcoN-Zelle

Vergleiche versehiedener Quellen elektrischer Energie

Eigensehaften der Akkumulatoren .

Einfiuss der Konzentration der Schwefelsaure auf die Konstanten

U', a und b .

Zusammensetzung a ufgeladener FA URE-Platten

Praktisehe Eigenschaften der Akkumulatoren

Ionisationsenergien verschiedener Stoffe in Elektronen-volt .

Beweglichkeiten in (em X S-I) (V X cm-I) positiver und nega­

tiver einwertiger Ionen in ihrem ursprunglichen Gas, bei einer

180

186

189

191

192

194 197 203

205

207 228

229

230

235

239 25 0

253

Temperatur von 0 oC 254

Page 297: Elektrochemie: Grundlagen und Anwendungen

XII.3·

XII.5·

Tabellenverzeichnis

Vergleich der Daten von Anaphorese- und Kathaphorese­

Verfahren der Praxis gemass H. U. SCHENK und J. STOELTING

(BASF, Ludwigshafen) 268

Konstruktionsmateriale der Elektrophorese-Anlagen, Rationali-

sierungs- und Mechanisierungsmoglichkeiten

Vergleich verschiedener Methoden zur Herstellung von Schutz­

Uberzugen

27 2

273