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Beate Andres · Hans-Joachim Laewen Ludger Pesch (Hrsg.) Elementare Bildung Handlungskonzept und Instrumente Band 2 verlag das netz

Elementare Bildung

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Beate Andres · Hans-Joachim Laewen Ludger Pesch (Hrsg.)

Elementare Bildung Handlungskonzept und Instrumente

Band 2

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Band 2

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Beate Andres, Hans-Joachim LaewenLudger Pesch (Hrsg.)

Elementare BildungHandlungskonzept undInstrumenteBand 2

verlag das netz

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Diese Veröffentlichung entstand in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport desLandes Brandenburg.Den Kindertageseinrichtungen im Land Brandenburg wird ein Exemplar jedes Bandes durch eine Förderungdes Ministeriums für Bildung, Jugend und Sport kostenlos zur Verfügung gestellt.

Bitte richten Sie Ihre Wünsche, Kritiken und Fragen an: Herausgeber: Ludger Pesch

verlag das netz GbRWilhelm-Kuhr-Str. 6413187 BerlinTelefax: 030.48 15 686Internet: www.verlagdasnetz.de

oder an:Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes BrandenburgReferat 42 Postfach 900 161 14437 PotsdamTelefax: 0331.8 663 907Internet: www.mbjs.brandenburg.de

ISBN 3-937785-32-9Beate Andres, Hans-Joachim LaewenLudger Pesch (Hrsg.): Elementare Bildung. Handlungskonzept und Instrumente. Band 2

ISBN 3-937785-31-0 Set: Ludger Pesch (Hrsg.): Elementare Bildung. Grundsätze und Praxis. Band 1Beate Andres, Hans-Joachim LaewenLudger Pesch (Hrsg.): Elementare Bildung. Handlungskonzept und Instrumente. Band 2

Alle Rechte vorbehalten© 2005 verlag das netz, Weimar · Berlin Das Werk und alle seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen desUrheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages nicht zulässig und strafbar. Das gilt insbesonderefür Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elek-tronischen Systemen.

Gestaltung: Jens Klennert, Tania MiguezDruck und Bindung: COLOR-DRUCK ZWICKAU GmbH & Co. KGTitelbild: Christian Boldt, 9 Jahre: »Drei im All«, Klax gGmbH, BerlinFotos: Torsten Krey-GervePrinted in Germany

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Konzeptioneller Rahmen:Einleitung und Klärung der Begriffe

Einleitung

Zur fachpolitischen Verortung und Klärung von Begriffen• Grundbegriffe der infans – Pädagogik

Zum Vorgehen – eine Übersicht

Pädagogischer Rahmen: Handlungsschritte und Verfahrensweisen

Modul 1Erziehungsziele und Handlungsziele formulieren und reflektieren• Verfahrensschema zum Formulieren von Zielen

Modul 2Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren• Die Beobachtungsinstrumente im Überblick• Übersicht zur Gliederung des Instrumentes »Themen der Kinder«• Bildungsbereiche und Zugangsformen• Bevorzugte Tätigkeiten und Interessen• Bildungsgeschichten aus der Familie• Soziogramm• Freunde und Beziehungen• Ergänzende Kurznotizen• Kommentierte Fotos und Werke der Kinder• Das individuelle Curriculum• Grundlagen des individuellen Curriculums –

1. Bildungsdokumentation• 2. Erziehungsziele

Inhalt

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38.138.1

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Modul 3Themen zumuten und beantworten• Themen des Kindes wahrnehmen und verstehen• Handlungsbilder und Bildungshandeln• Themen der Erwachsenen dem Kind zumuten• Gestaltung der Umwelt• Gestaltung der Interaktion und von Situationen

Modul 4 Bildungsprozesse dokumentieren1. im Portfolio dokumentieren2. für Eltern und Besucher der Kita dokumentieren

Organisatorischer Rahmen:Strukturelle Grundlagen und Qualitätsmanagement

Modul 5Ressourcen nutzen und entwickelnEinführung• Leitfaden zur Umstellung der pädagogischen Arbeit auf das infans-Konzept• Das Zeitmanagement• Kooperation im Team• Qualifizierung des Personals • Erreichtes prüfen – Qualitätsmessung und Qualitätsentwicklung • Äußere Rahmenbedingungen• Vernetzung der Kindertagsstätte und Kooperation im Gemeinwesen• Exkurs: Die Rolle der Leitung

Instrumente

Bildungsbereiche Zugangsformen• Erläuterungen unter M 2/Seite 33

Bildungsthemen der Kinder • Erläuterungen unter M 2/Seite 20 – 33

Bevorzugte Tätigkeiten/Interessen • Erläuterungen unter M 2/Seite 35

Soziographische Beobachtung• Erläuterung unter M 2/Seite 36

Freunde und Beziehungen zu anderen Kindern• Erläuterungen unter M2/Seite 38

Bildungsgeschichten aus der Familie• Erläuterungen unter M 2/Seite 36

Individuelles Curriculum• Erläuterungen unter M2/Seite 38-3

Inhalt

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Erreichtes prüfen – Qualitätsmessung/-entwicklung• Erläuterungen unter M5/Seite 3 + 12

Individuelle Analyse der Erzieherinnen-Arbeitszeit• Erläuterungen unter M5/Seite 5

Tatsächliche Anwesenheit der Kinder• Erläuterungen unter M5/Seite 6

Kontrollbogen für die Beobachtungen• Erläuterungen unter M5/Seite 14

Auswertungsbogen• Erläuterungen unter M5/Seite 14

Bildungs- und Lerngeschichten

Einleitung

Vorwort

Bildungs- und Lerngeschichten

Anhang

Adressen und Materialien

AdressenKonsultationseinrichtungen in Brandenburg• Kitas, die das Handlungskonzept in der Einrichtung umsetzen und als

Konsultationskita zur Verfügung stehen

Projektkitas in Brandenburg• Kitas, die am 10 Stufen – Projekt – Bildung teilgenommen haben

MaterialienDas 10 – Stufen – Projekt – Bildung• Ein Überblick der 10 Module• Erläuterungen zur Einordnung dieses Erprobungsprojektes unter »Einleitung«

Seite 2 – wie der Text entstanden ist

Vier Felder des Allgemeinwissens

Literaturliste

Diese Übersicht wurde erarbeitet im Rahmen der Landesfachgruppe »Praxisberatung«

Inhalt

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Konzeptioneller Rahmen:Einleitung und Klärung

der Begriffe

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Die Kindertageseinrichtungen stehen vor sehr großenHerausforderungen, ihren Platz in einem Bildungs-system zu finden, das selbst unter hohen Reform-druck geraten ist und sich in einem zwar raschen,aber durch Ungleichzeitigkeiten in der Entwicklunggeprägten Wandel befindet. Die Erwartungen an denBeitrag, den die Kindertageseinrichtungen in diesemRahmen leisten sollen, sind außerordentlich, wiejeder in den Bildungs- und Erziehungsplänen nach-lesen kann, die bundesweit ausgearbeitet werdenoder bereits vorliegen. In dem Beschluss der Jugend-ministerkonferenz vom 15. Mai 2004, die ebensowie die Kultusministerkonferenz einen länderüber-greifenden Rahmen für die Erneuerung der Pädago-gik im Elementarbereich formuliert hat, heißt es dazu:

»Im Vordergrund der Bildungsbemühungen im Ele-mentarbereich steht die Vermittlung grundlegenderKompetenzen und die Entwicklung und Stärkungpersönlicher Ressourcen, die das Kind motivierenund darauf vorbereiten, künftige Lebens- und Lern-aufgaben aufzugreifen und zu bewältigen, verant-wortlich am gesellschaftlichen Leben teilzuhabenund ein Leben lang zu lernen.«1

Damit ist ein hoher Anspruch an die Leistungen vonKindertageseinrichtungen formuliert, der durch dieBildungs- und Erziehungspläne der Länder konkreti-siert wird. Für Brandenburg geschieht dies durch die»Grundsätze elementarer Bildung in Einrichtungender Kindertagesbetreuung in Brandenburg«.

Dieser – politisch gewollte – Wandel von einer Be-treuungseinrichtung mit Bildungsauftrag hin zu einer

Bildungseinrichtung mit Betreuungsauftrag ist fürdas Fachpersonal der Kindertagesstätten, wenn erals Aufgabe denn wirklich ernst genommen wird unddie erwarteten Leistungen auch erbracht werdensollen, ein Vorhaben mit höchsten Schwierigkeits-graden, das ohne die leidenschaftlichste Zustim-mung der Fachkräfte und die Ausschöpfung allerRessourcen, die ein Team aufzubieten in der Lageist, kaum gelingen kann. Dass dies so ist, hat meh-rere Gründe, die in eher geringerem Maß von denLeiterinnen und Erzieherinnen selbst zu vertretensind. Es sind gerade ihr Engagement, ihre Lebens-und Berufserfahrung, ihre Lernfähigkeit und ihre Be-reitschaft, sich auf weit reichende Selbstbildungs-prozesse, auf tief greifende Umstrukturierungen ih-rer Arbeit und auf intensive Kooperation mit allenBeteiligten einzulassen, die eine Voraussetzung da-für schaffen, dass die Neukonstruktion einer Frühpä-dagogik Wirklichkeit werden kann. Dazu gehört esauch, dass die Rollenvorstellungen in Bezug auf denBeruf der Erzieherin, auch und insbesondere, soweitsie in das Selbstbild der Fachkräfte Eingang gefundenhaben, einer gründlichen Revision unterzogen werden.

Nicht von ungefähr haben, außer der BRD und Öster-reich, die anderen westeuropäischen Länder die Aus-bildung von Erzieherinnen an die Universitäten undFachhochschulen verlagert, sie versuchen damit,den zukünftigen Anforderungen an ihre Fachlichkeitgerecht zu werden. In der Bundesrepublik Deutsch-land hat dieses Umdenken gerade erst begonnenund wir werden auf absehbare Zeit andere Wege

1

Einleitung

1 Zitiert aus MBJS Brandenburg: Gemeinsamer Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen. In: KitaDebatte1/2004, S. 40. Anzumerken bleibt mit Blick auf die in diesem Zitat gewählte Formulierung, dass Kompetenzen, aus unserer Sicht,und seien sie noch so grundlegend, nicht vermittelt werden können. Es können allenfalls Bedingungen geschaffen werden, dieeine Herausbildung solcher Kompetenzen durch das Kind wahrscheinlich machen. Dazu wird im von uns weiter unten im Text nochetwas zu sagen sein.

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finden müssen, um Anschluss an die europäischenEntwicklungen finden und halten zu können. UnsereErfahrungen mit Entwicklungsprojekten in diesemBereich zeigen uns, dass in den Kindertageseinrich-tungen ein sehr hohes Potenzial an Veränderungs-bereitschaft und der Kompetenz, sich an Weiterent-wicklungen der Frühpädagogik zu beteiligen, vor-handen ist und nach Entfaltung strebt. Die Bestenin diesem Berufsfeld spüren, dass weit reichendeVeränderungen an den Grundlagen ihres Berufs not-wendig und möglich sind. Viele haben in eigenerInitiative neue Ideen entwickelt und in eine verän-derte Praxis umgesetzt, andere sind im Begriff, sichauf einen solchen Weg zu begeben. Zugleich sind,inspiriert durch wissenschaftliche Denkmodelle Hand-lungskonzepte entwickelt worden, in denen sich fort-schrittliche Praxis mit dem Stand des Wissens ver-bindet. Die Hoffnung auf Innovation in der Frühpä-dagogik und Weiterentwicklung zukunftsfähiger An-sätze ruht auf einer gelingenden Kooperation beiderSeiten.

Für wen dieser Text gedacht ist

Wir schreiben diesen Text für Erzieherinnen und Lei-terinnen von Kindertageseinrichtungen, die sich selbstals Pädagoginnen verstehen, als Menschen mit einembesonderen Beruf. Sie sehen ihre Aufgabe darin, diefrühen Bildungsprozesse der Kinder zu ermöglichen,zu unterstützen und herauszufordern. Sie wollen dazubeitragen, dass die Kinder in diesen Prozessen alleTalente, alle Kräfte, alle Ressourcen, die sie mitbrin-gen, auf einem höchst möglichen Niveau entfaltenkönnen, ganz gleich aus welcher Region der Weltdie Kinder in ihre Obhut gelangt sind, welche Ein-schränkungen ihnen auferlegt sind oder in welcherSituation ihre Familien leben.

Wie dieser Text entstanden ist

In den Jahren 1997 bis 2000 hat infans ein Bundes-modellprojekt mit dem Arbeitstitel »Zum Bildungs-auftrag von Kindertageseinrichtungen« in Kooperati-on mit zwölf Kitas aus drei Bundesländern durchge-führt.2 Im Rahmen dieses Projekts sind Bildung undErziehung als Arbeitsbegriffe für die Frühpädagogikentwickelt und eine Reihe Konsequenzen aus der

Rekonstruktion dieser Kategorien für die pädagogi-sche Praxis formuliert worden. Die Ergebnisse desProjekts sind in zwei Bänden herausgegeben wor-den (Laewen, Andres (Hrsg.) 2002a; 2002b). Einmalmehr auf Initiative des Ministeriums für Bildung,Jugend und Sport des Landes Brandenburg ist aufdieser Grundlage in den Jahren 2001/2002 voninfans ein Konzept zur Umsetzung dieser Arbeitser-gebnisse entwickelt worden, mit dessen Erprobungim Herbst 2002 in Brandenburg begonnen wurde.Zeitgleich hat sich an diese Erprobungsphase derLandeswohlfahrtsverband Baden mit drei Kinderta-geseinrichtungen aus den Städten Freiburg, Kon-stanz und Rastatt angeschlossen Ab Januar 2003beteiligten sich der Landewohlfahrtsverband Würt-temberg-Hohenzollern und die Städte Böblingen,Heilbronn und Ulm sowie die LandeshauptstadtStuttgart an dem Vorhaben, das dort Ende 2005abgeschlossen sein wird. Diese verschiedenen Teil-projekte sind im Projektverbund »Bildung in derKindertageseinrichtung« zusammengefasst.

Der hier vorliegende Text wertet im Wesentlichendie Erfahrungen aus, die während der Erprobungs-zeit in Brandenburg gemacht wurden. Es ist vorge-sehen, die Ergebnisse aus Baden-Württemberg ineinem gesonderten Band zu veröffentlichen, der umeine Reihe von Ergebnissen aus der aktuell nochlaufenden Arbeit erweitert sein wird. Darüber hinausist geplant, diese beiden Publikationen kontinuier-lich durch kleinere Bände mit Praxisbeispielen undweiteren Arbeitsergebnissen zu ergänzen.

»10-Stufen-Projekt-Bildung« ist der Arbeitstitel desBrandenburgischen Erprobungsprojekts.3 Es enthieltals Arbeitsgrundlage für die Erprobung ein in zehnModule gegliedertes Themenblatt der pädagogi-schen Arbeit, das im Anhang zum besseren Ver-ständnis noch einmal abgedruckt ist. Im Laufe derErprobungsarbeit wurde klar, dass die Logik dieserAufgabenstruktur eher einem analytischen Interessefolgte, als dass sie den Anforderungen der prakti-schen Arbeit angemessen wäre. Die in der »10-Stu-fen-Darstellung« gut zu trennenden Arbeitsthemenverschränkten sich in ihrer praktischen Bearbeitung,so dass schließlich von uns einer Neugruppierungder Vorzug gegeben wurde. Entlang dieser neuenStruktur werden auch die Themen in dieser Handrei-chung behandelt. Sie entsprechen in ihrer Reihenfol-

Einleitung

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2 Das Projekt wurde gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, das Ministerium für Bildung,Jugend und Sport des Landes Brandenburg, das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Schleswig-Holsteinund das Sächsische Staatsministerium für Soziales, Gesundheit und Familie.

3 Über Struktur und Verlauf des Projekts sind mehrere Beiträge in der Kitadebatte erschienen. Vgl. dazu KitaDebatte, 1/2002, 1/2003und 1/2004.

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ge den konkreten Arbeitsschritten bei der Einführungdes Konzepts als Grundlage für die pädagogische Ar-beit einer Einrichtung. Dies gilt zumindest soweit, alsdas überhaupt möglich ist, da viele der hier ange-sprochenen Prozesse zirkulär sind und andere sichdurchaus gleichzeitig zur Durchführung anbieten.

Die Praxiserfahrungen der am »10-Stufen-Projekt Bil-dung« beteiligten Kindertagesstätten wurden imengen Kontakt mit Praxisberaterinnen des LandesBrandenburg ausgewertet. Grundlage waren die regel-mäßigen Arbeitstreffen mit den Beraterinnen undderen Protokolle aus den regionalen Arbeitskreisender Projektkindertagesstätten. Nach etwa einem JahrLaufzeit wurden der Stand der Arbeit in drei jeweilszweitägigen Workshops mit den Leiterinnen und jeeiner Erzieherin aus den 30 Einrichtungen diskutiertund einige Portfolios aus jeder Einrichtung ausge-wertet. Gegen Ende des zweiten Jahres sind alleregionalen Arbeitskreise von Beate Andres bzw.Hans-Joachim Laewen besucht und die Aufzeichnun-gen ausgewertet worden. Einige der beteiligten Ein-richtungen standen über das Internet mit infans inVerbindung und übermittelten Dokumentationen,die sich sowohl auf die Portfolios als auch auf Foto-dokumentationen für Eltern bezogen. Schließlichhielt infans über die Zeit des Projektes Kontakt zuder so genannten Kerneinrichtung in Brandenburg,der Kindertagesstätte »Haus der kleinen Strolche«in Woltersdorf. Unter der Leitung von Andrea Nöskehatte dieses Team bereits vor Beginn der Erprobungam Bundesmodellprojekt »Zum Bildungsauftrag vonKindertageseinrichtungen« teilgenommen und aufder Grundlage dieser Kenntnisse ein eigenes Praxis-konzept entwickelt, das beste Voraussetzungen fürdie Erprobung der neuen Konzeption geschaffenhatte (vgl. Nöske 2000 und 2001).

Wie erwähnt, bezog sich die Untersuchung darauf,ob das auf die Ergebnisse des Bundesmodellpro-jekts gestützte frühpädagogische Konzept zunächsteinmal unter den gegebenen Bedingungen von Kin-dertageseinrichtungen umgesetzt werden konnte. Esist deshalb zum Verständnis der nachfolgenden Aus-führungen nicht nur sinnvoll, sondern dringendgeboten, zumindest die in dem Band »Forscher,Künstler, Konstrukteure« (Laewen, Andres 2002b)erörterten Inhalte präsent zu haben. Der Bandwurde allen Brandenburgischen Kindertageseinrich-tungen im Frühjahr 2002 vom Ministerium für Bil-dung, Jugend und Sport des Landes zur Verfügunggestellt und sollte dort vorliegen.

Welche Aussagen sich aus den Erfahrungen des 10-Stufen-Projekts-Bildung begründen lassen

Alle Mitarbeiterinnen in den Kindertageseinrichtun-gen haben die Arbeit im Projekt als eine sehr großeHerausforderung ihrer Kräfte und Kenntnisse erlebt,die manchmal überwältigend schien, oft aber einenneuen Zugang zum Beruf eröffnete, gelegentlich bei-des zugleich. Es liegen uns keine Informationen vor,dass Einrichtungen das Konzept als untauglich beur-teilt hätten. In einigen Fällen (etwa 10 Prozent)wurde die Arbeit im Projekt zumindest de facto ein-gestellt, fast immer wegen fehlender Unterstützungdurch den Träger.

Dort, wo die Arbeit über die anfänglichen Schwierig-keiten der Umstellung im Denken und der Reorgani-sation der täglichen Arbeitsverteilung hinaus gingist das Urteil der Fachkräfte überwiegend positivausgefallen. Aber auch in diesen Einrichtungen gibtes eine relevante Minderheit von Erzieherinnen, diesich nicht von der Vorstellung lösen konnte undwollte, den Kindern etwas beibringen zu müssen. Eine der brandenburgischen Projekteinrichtungenwurde von der OECD-Kommission besucht, die denBericht zur Lage der Kindertagesbetreuung in derBundesrepublik erarbeitet hat. Die Kommission unterder Leitung von Peter Moss zeigte sich nach Aussa-ge der Leiterin von der Qualität der Arbeit dort be-eindruckt. Der Bericht der Kommission über dieBrandenburger Verhältnisse fiel deutlich positiv aus.

Schließlich liegen von sechs Kindergartengruppenaus vier am Projekt beteiligten Einrichtungen Mes-sungen mit der »Kindergarten Skala« (KES-R) (Tietzeet al. 2001) vor, die von Mitarbeiterinnen unter derLeitung von Prof. Dr. Wolfgang Tietze durchgeführtworden sind. Die Ergebnisse liegen in den BereichenErzieher-Kind-Interaktion und Kind-Kind-Interaktiondurchschnittlich bei 6.8 und 6.0 (höchstmöglicherWert: 7), in den aus unserer Sicht pädagogisch be-deutsamen Bereichen im Durchschnitt bei 5.5. Teil-weise sehr niedrig fiel die Bewertung in einigenanderen Bereichen aus, deren Kategorien zu 70 Pro-zent in den Bereichen Sicherheit, Hygiene, Beauf-sichtigung und Mobiliar lagen. Hier macht sich be-merkbar, dass die Skala nicht zwischen pädagogischabsichtsvollen und begründbaren Arrangements undVernachlässigung unterscheidet.

Die zur Zeit mögliche Beurteilung stützt sich den-noch weit gehend auf die Zustimmung der Kinderta-geseinrichtungen und teilweise ihrer Träger zu demKonzept, wobei die Eltern nach anfänglichen Vorbe-halten weit überwiegend positiv beeindruckt sind.

Einleitung

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Einige kommunale Träger an verschiedenen Projekt-standorten haben sich bereits entschieden, das Kon-zept in allen ihren Einrichtungen einzuführen. Fürdie Zukunft wird von uns angestrebt, das Konzeptsowohl hinsichtlich seiner Implementierung als auchunter Fragestellungen, die seine Wirkungen auf dieKinder betreffen, systematisch zu evaluieren.

Wie dieser Text aufgebaut ist und gelesenwerden kann

Die dem Projekt »Bildungsstätte Kindertageseinrich-tung« zu Grunde liegende Struktur der Module hatsich verändert. Die Logik der ursprünglichen beschrei-benden Darstellung des Konzepts ist von uns durcheine Logik des schrittweisen Vorgehens bei seinerkonkreten Umgestaltung einer Kindertagesstätte zurBildungseinrichtung ersetzt worden. Dabei fließeneinige der unter analytischen Gesichtspunkten sinn-voll zu trennenden Stufen ineinander, so dass sichdie Anzahl der Module unter Handlungsgesichts-punkten verringert hat.

Im Laufe der Erprobungsarbeit wurde klar, dass dieLogik dieser Aufgabenstruktur eher einem analyti-schen Interesse folgte, als dass sie den Anforderun-gen der praktischen Arbeit angemessen wäre. Die inder »10-Stufen-Darstellung« gut zu trennenden Ar-beitsthemen verschränkten sich in ihrer praktischenBearbeitung, so dass schließlich von uns einer Neu-gruppierung der Vorzug gegeben wurde. Sie ist inder Grafik auf der folgenden Seite dargestellt.

Entlang dieser neuen Struktur werden auch dieThemen in dieser Handreichung behandelt. Sie ent-sprechen in ihrer Reihenfolge den konkreten Arbeits-schritten bei der Einführung des Konzepts als Grund-lage für die pädagogische Arbeit einer Kindertage-seinrichtung. Dies gilt zumindest soweit, als dasüberhaupt möglich ist, da viele der hier angespro-chenen Prozesse zirkulär sind und andere sich durch-aus gleichzeitig zur Durchführung anbieten.

Die neuen Module des infans-Konzepts

Darüber hinaus hat sich gezeigt, dass zwei inhaltlichwichtige Bereiche nicht als gesonderte Themen be-handelt werden können, sondern als Querschnitts-themen alle anderen Module berühren. Das betriffteinerseits die Kooperation der Kindertageseinrich-tung mit den Familien der Kinder, die im Falle desGelingens die beste Voraussetzung für eine erfolgrei-che pädagogische Arbeit bietet. Andererseits gehtes um den fachlichen Diskurs im Team einer Kinder-

tageseinrichtung, der nicht nur die Kita zu einer ler-nenden Organisation werden lässt, sondern aus un-serer Sicht insgesamt das zentrale Medium der Re-flexion und Weiterentwicklung der pädagogischenArbeit darstellt. Beide Themen werden also auf denverschiedenen Stufen der Konzeptpräsentation immerwieder im jeweiligen Kontext behandelt werden. DieZahl der ursprünglich zehn Module hat sich dadurchauf nunmehr fünf verringert. Sie bieten die Grund-lage für die Abschnitte dieses Textes, in denen dasdurch die Projektarbeit erweiterte Konzept unterHandlungsgesichtspunkten vorgestellt wird.

Diese Abschnitte beschreiben die neue modulareStruktur des Konzepts und die in Bezug daraufentwickelten Verfahrensweisen, die sich in den amProjekt »Bildungsstätte Kindertageseinrichtung«beteiligten Kitas als durchführbar und zur Umset-zung des Konzepts in alltägliche Praxis geeigneterwiesen haben.

Ihnen vorangestellt ist eine allgemeine Einführung,die das Konzept in die aktuellen Aktivitäten zur Re-form des Vorschulbereichs und ihrer Folgen für dieKindertageseinrichtungen einordnet. Daran anschlies-send werden die theoretischen und begrifflichenGrundlagen des Konzepts insoweit vorgestellt, alsdies zum Verständnis notwendig ist und soweit sieüber die bereits veröffentlichten Inhalte hinausge-hen, wobei zugleich ein inhaltlicher Überblick überdie Themen der Abschnitte gegeben wird.

Der erste dieser daran anschließenden Abschnitte(Modul 1) befasst sich mit der aller Pädagogik voranstehenden Aufgabe, Erziehungsziele zu klären undHandlungsziele daraus abzuleiten. Es werden nocheinmal die Notwendigkeit dieses Schritts begründetund Anleitungen zum Verfahren der Zielfindung an-geboten.

Der zweite Abschnitt (Modul 2) enthält eine ausführ-liche Übersicht und Anleitungen zum Handeln für dasgroße Thema Beobachtung und ihre Auswertung im

Einleitung

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Team. Struktur und Handhabung der einzelnen Beob-achtungsinstrumente im Alltag der pädagogischenArbeit werden vorgestellt und mit Hinweisen aus denErfahrungen im Erprobungsprojekt versehen. Im drit-ten Abschnitt (Modul 3) wird die Weiterentwicklungder Begrifflichkeit vorgestellt, die sich auf eine derzentralen pädagogischen Kategorien des Konzepts,die »Themen der Kinder« bezieht. Sowohl die »Be-antwortung der Themen der Kinder« als auch die»Zumutung von Themen« werden angesprochen,wobei schon an dieser Stelle darauf hingewiesenwerden soll, dass wesentliche Ausführungen dazubereits in den beiden Ergebnisbänden zu dem Pro-jekt »Zum Bildungsauftrag von Kindertageseinrich-tungen« enthalten sind, deren Stichhaltigkeit sich inder Praxiserprobung bestätigt hat. Die Kenntnis die-ser Texte bietet deshalb einen großen Vorteil beimVerstehen der Ausführungen dieser Handreichung.

Schließlich wird im vierten Abschnitt (Modul 4) aufdie verschiedenen Formen der Dokumentation derArbeit in der Kindertageseinrichtung ausführlich ein-gegangen. Dabei geht es einerseits um die soge-nannte Portfolio-Dokumentation, die im Wesentlichendie Beobachtungsergebnisse der Erzieherin betrifft,andererseits um die Darstellung der Arbeit nachaußen, sowohl für die Eltern der Kinder als auchdarüber hinaus für das Gemeinwesen und ggf. dieregionalen Medien. Die in diesem Abschnitt vorge-stellten Beispiele stammen ausschließlich aus denbadischen Kerneinrichtungen.

Ein fünfter Abschnitt (Modul 5), der sich auf die or-ganisatorischen Abläufe sowie das Zeit- und Quali-tätsmanagement als einer der Grundlagen für eineinnovative pädagogische Arbeit in Kindertagesein-richtungen bezieht, schließt die Vorstellung diesesneuen Konzepts der Frühpädagogik ab.

Was an dieser Stelle noch unbedingt gesagt werdenmuss

Beate Andres und Hans-Joachim Laewen haben die-sen Text verfasst und sind für alle seine Unzuläng-lichkeiten verantwortlich. Alles, was daran fruchtbarund weiterführend sein mag ist jedoch das Ergebnisder Arbeit von Vielen. Dazu gehören in erster Liniedie Mitarbeiterinnen in den dreißig BrandenburgerKindertageseinrichtungen, die sich auf die Erprobungdes Konzepts eingelassen haben und ohne derenKooperation hier nicht viel zu berichten wäre. Siehatten den schwierigsten Teil der Arbeit zu leisten,mussten mit unserer Beurteilung ihrer Arbeit lebenund sollten dennoch den Mut nicht verlieren. Fast

allen ist dies gelungen. Namen und Anschriften die-ser Kitas sind am Ende des Textes aufgeführt.

Genannt werden müssen in diesem Zusammenhangdie Praxisberaterinnen, die einerseits in sieben Regio-nalgruppen den fachlichen Kontakt zu den Projektein-richtungen gehalten haben und andererseits in Zu-sammenarbeit mit infans an der Weiterentwicklungder Konzeption beteiligt waren. Die zahlreichen Fach-tage, die der Diskussion des Entwicklungsstandes imProjekt und der weiteren Schritte dienten, warendurch eine dichte und intensive Arbeitsatmosphäregekennzeichnet, die einen offenen und fruchtbarenAustausch der Argumente ermöglichte.

Das Sozialpädagogische Fortbildungswerk in Blan-kensee, vertreten durch Carola Wildt und Dr. MonikaBekemeier, hat nicht nur Räume zur Verfügung ge-stellt, sondern sowohl im Rahmen von Fachtagungenals auch im regulären Fortbildungsprogramm für dieFachkräfte in Brandenburg zur Verbreitung der Kennt-nisse und ihrer Diskussion beigetragen, die im Zu-sammenhang des Erprobungsprojektes gewonnenworden waren. Die Zusammenarbeit mit beiden Kol-leginnen hat uns über das Fachliche hinaus von Zeitzu Zeit geholfen, aus den Konzeptualisierungswüstenund Theoriegebirgen an die Tische erfreulicher Gast-häuser zu entkommen.

Schließlich darf das Ministerium für Bildung, Jugendund Sport des Landes Brandenburg nicht unerwähntbleiben, denn ohne die Finanzierung der Konzept-ent-wicklung und des Brandenburger Teils seiner Erpro-bung wäre nichts von alledem Wirklichkeit geworden.Detlef Diskowski als dem zuständigen Referatsleitergebührt hohe Anerkennung für die Geduld, mit der erauf politikferne Argumente immer wieder Antwortenfand, die zur Fortführung des Gesprächs anregten.

Nicht unerwähnt bleiben darf, dass im Umfeld des»10-Stufen-Projekts-Bildung« etwas möglich wurde,was es noch nie gegeben hat. Die Rede ist von of-fener Kommunikation und Erfahrungsaustausch zwi-schen den Teams und Leitern noch anderer Projek-te. Mit Dr. Hans Rudolf Leu vom Deutschen Jugend-institut, der dort das Projekt zur Implementationdes Konzepts der »Lerngeschichten« (Carr 2001) aufden Weg gebracht hat, an dem sich eine Reihe vonBundesländern beteiligen und mit Prof. Dr. Gerd E.Schäfer von der Universität Köln, dessen Bildungs-konzept (Schäfer 2004) in Nordrhein-Westfalen er-probt wird, hat sich ein substanzieller fachlicher Aus-tausch entwickelt, der in dieser Form bislang einma-lig und aus unserer Sicht zukunftsweisend für derar-tige Vorhaben sein dürfte. Ihnen und ihren Teamssei an dieser Stelle für die Möglichkeiten zum fach-lichen Austausch gedankt.

Einleitung

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Anmerkungen zu den Randbedingungen einerErneuerung von Frühpädagogik

Wir glauben, dass die Pädagogik der frühen Jahre inunserer Kultur zu den anspruchsvollsten Herausfor-derungen zählt, der sich erwachsene Menschen stel-len können. Die Ergebnisse der Neurowissenschaf-ten haben in jüngerer Zeit klarer erkennen lassen,wie diffizil die Zusammenhänge, wie heikel alle Ver-suche der Einflussnahme auf die grundlegendenStrukturbildungen des Zentralnervensystems sind.Spätestens durch diese Arbeiten ist klar geworden,dass Frühpädagogik als an Zielen orientiertes Umge-hen mit Kindern keine einfachen Lösungen erwartendarf. Frühpädagogik ist ein Entwicklungsprojekt, daskeineswegs bei Null beginnen muss, aber ebenso

wenig ist ein Ende der Bemühungen um eine ange-messene inhaltliche und methodische Ausformungdes Gebiets abzusehen.

Bildung, Erziehung und Betreuung als die zentralenBegriffe der deutschsprachigen Pädagogik sind inden vergangenen Jahren mit neuem Leben erfülltund für den Bereich der frühen Jahre fruchtbar ge-macht worden. Darauf aufbauend haben sich Trägerund Kindertageseinrichtungen ebenso wie Landes-institutionen bis hin zu den zuständigen Ministerienauf einen Weg der Erneuerung begeben, über dendie pädagogische Arbeit in den Kindertageseinrich-tungen auf eine neue Grundlage gestellt werden soll.Die in allen Bundesländern zu beobachtende Auf-wertung frühpädagogischer Arbeit hat vieles in Bewe-

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Zur fachpolitischen Verortung und Klärung von Begriffen

Foto: Torsten Krey-Gerve

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gung gebracht, was unbeweglich schien. Sie bietetAnlass genug für die Hoffnung, dass die schwierigeAufgabe mit Kraft und Kompetenz angepackt wird.

Dass dies nötig ist, bezweifelt kaum noch jemand.In der Vergangenheit wurde in den BundesrepublikDeutschland in fast jeder Hinsicht zu wenig in dieserSache getan, vielleicht auch nicht recht verstanden,was davon abhängt. Der im November 2004 publi-zierte Bericht der OECD zur Kindertagesbetreuung inder Bundesrepublik spricht eine deutliche Sprache.Es fehlt insbesondere in den alten Bundesländernan Plätzen in den Einrichtungen für die Tagesbetreu-ung von Kindern vor allem für die unter Dreijährigen,es mangelt an Forschung zur Pädagogik der frühenJahre und es existieren kaum Strukturen, die Erzie-herinnen und Leiterinnen auf dem verfügbaren Standdes Wissens in ihrer Arbeit unterstützen. Solche sogenannten Transferstrukturen sind vom Forum Bildung2002 dringlich gefordert worden, um eine Reformder Tagesbetreuung von Kindern fördern zu können,ohne dass Politik bislang mit dem nötigen Nachdruckinitiativ geworden wäre. Selbst die Begriffe, mit de-nen im KJHG die Aufgaben für die Einrichtungen derKindertagesbetreuung beschrieben werden, bliebenüber lange Zeit unklar und ohne Anleitungsfunktionfür die alltägliche Arbeit. Bildung, Erziehung undBetreuung blieben Leerformeln, die je nach Orientie-rung des Trägers und Berufserfahrung des Fachper-sonals mit mehr oder weniger Leben gefüllt wurden.

All dies macht die Aufgabe für Pädagoginnen, diemit Kindern im Vorschulalter arbeiten, nicht ebenleichter. Allerdings, und darin liegt eine begründeteHoffnung auf zukünftig günstigere Bedingungen, hatdie Pädagogik der frühen Jahre öffentliche Aufmerk-samkeit gewonnen und dies in einem Umfang, dervor nicht allzu langer Zeit noch als schlechte Utopiegegolten hätte. Das deutsche Bildungssystem stehtin seiner Gesamtheit auf dem Prüfstand und es istdamit begonnen worden, die Kindertageseinrichtun-gen als einen grundlegenden Teil dieses Systems zubegreifen. Wie bereits erwähnt, werden in allenBundesländern zur Zeit Bildungs- und Erziehungs-pläne ausgearbeitet oder liegen bereits vor, die derpädagogischen Arbeit im Vorschulbereich Orientie-rung geben sollen. Bereits vor einigen Jahren sindModellprojekte wie das »Zum Bildungsauftrag vonKindertageseinrichtungen« durchgeführt worden unddie Ergebnisse der »Nationalen Qualitätsinitiative«bieten einen Leitfaden für die Beurteilung der Quali-tät von Kindertageseinrichtungen an (vgl. dazu fürKindergarten und Krippe u. a. Tietze et al 2002).

Wir schreiben diesen Text also in einer von (vorsich-tigem) Optimismus geprägten Situation der Neube-wertung von Prozessen der frühen Bildung, desUmbruchs von Strukturen, die sowohl die Fachlich-keit im Beruf der Erzieherin als auch seine gesell-schaftliche Bedeutung betreffen. Zwar richtet sichder Scheinwerfer der öffentlichen Aufmerksamkeit zueiner Zeit auf dieses Gebiet, zu der keineswegs alleMittel bereitliegen, um den Erwartungen, die nunmit Frühpädagogik und früher Bildung verknüpftwerden, rasch und in jeder Hinsicht gerecht werdenzu können. In seinem hellen Licht wird erkennbar,dass die Bundesrepublik Deutschland im vorschuli-schen Bereich vieles hat liegen lassen, was zumin-dest fast alle anderen westeuropäischen Länderlängst in Angriff genommen haben. Dazu gehört dieVerlagerung der Ausbildung für Erzieherinnen an dieUniversitäten und Fachhochschulen ebenso wie einevergleichsweise intensive frühpädagogische For-schung und die Entwicklung exzellenter Praxisein-richtungen.

An dieser Stelle mag es auch 15 Jahre nach der Ver-einigung der alten und neuen Bundesländer zurneuen Bundesrepublik sinnvoll sein, ein Wort zurFrühpädagogik der damaligen DDR anzufügen. DieGrundsätze und Methoden der beiden Programmefür Krippen und Kindergärten sind keineswegs ver-schwunden, sondern prägen auch heute noch einenTeil der vorschulischen Praxis auch in Brandenburg.Im Neunten Jugendbericht der Bundesregierung istauf diese Thematik ausführlich eingegangen worden.Die vor zehn Jahren geäußerte Hoffnung, dass über-arbeitete Bestandteile der beiden Programme ihrenPlatz in einer gesamtdeutschen Frühpädagogik findenwürden, hat sich nicht erfüllt.

Aus unserer Sicht befinden sich Ost- und West-deutschland insofern in einer vergleichbaren Lage,als in beiden Teilen der Republik eine Neuformulie-rung frühpädagogischer Konzeptionen als Aufgabeansteht. Das den beiden Bildungs- und Erziehungs-programmen der DDR zu Grunde liegende Bildungs-verständnis geht von einem Kind aus, das für seineBildungs- und Entwicklungsprozesse der striktenAnleitung durch eine fachlich qualifizierte Erzieherinbedarf. Autonom gedachte Bildungsprozesse derKinder finden darin keinen Platz, so dass folgerich-tig der Erziehung die Gesamtverantwortung für dasErreichen von definierten Zielen aufgetragen ist.Eine so begründete Pädagogik ist durch den Standdes Wissens in ihrer Substanz überholt und in ihrenZielen nicht mehr legitimierbar und zukunftsfähig.

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Es ist deshalb aus unserer Sicht davon auszugehen,dass sowohl in Ost- wie in Westdeutschland Frühpä-dagogik neu definiert und in neue Praxiskonzepteumgegossen werden muss, wobei in Ostdeutschlanddie Lage gelegentlich noch durch eine wilhelminischanmutende Methodik gekennzeichnet ist, im Westen(mit Ausnahmen) durch pädagogische Beliebigkeit,in beiden Teilen durch einen Mangel an frühpädago-gischen Konzepten, die den internationalen Spitzen-positionen vergleichbar wären.

Die Arbeit an den Herausforderungen einer Frühpä-dagogik, die den Anforderungen und den Möglich-keiten unserer Zeit gerecht werden kann, ist dabeifür Erzieherinnen in Ost und West weniger aus Grün-den schwierig, die sie selbst zu vertreten hätten, son-dern in erster Linie wegen der Versäumnisse, dieauf einer gesellschaftlichen Ebene zu verantwortensind und die den Rahmen ihrer Arbeit noch in man-cher Hinsicht so unzulänglich erscheinen lassen. Eswird deshalb noch viele Jahre dauern, bis in derBundesrepublik Deutschland ein Stand erreicht wor-den ist, der international anschlussfähig wäre odergar als innovativ gelten könnte. Dies gilt zumindest,wenn die Breite der Kindertageseinrichtungen inBetracht gezogen wird.

Im Einzelfall oder besser auf einer zahlenmäßignoch sehr kleinen Basis finden sich jedoch schonheute Einrichtungen in Ost und West, die mit denbesten Kindertagesstätten Europas und der Weltmithalten können. Dies ist ein Beleg dafür, dassauch unter den gegebenen Bedingungen durch Ver-änderungen an den Grundlagen der pädagogischenArbeit gewaltige Fortschritte erreicht werden kön-nen, von denen sich auch europäische Fachleutebeeindruckt zeigten. Allerdings muss von der Admi-nistration verstanden werden, dass die Rahmenbe-dingungen trotz der auch heute schon möglichenFortschritte nicht auf dem Niveau bleiben können,auf dem sie sich heute befinden, um das Fachper-sonal nicht auf längere Sicht zu überfordern unddann mit den entsprechenden Folgeerscheinungenumgehen zu müssen.

Was an den Arbeitsbedingungen im Einzelnen derVeränderung bedarf, kann von Region zu Regionund von Träger zu Träger unterschiedlich aussehen.In Brandenburg scheint uns in erster Linie die Zeitzur Reflexion der Arbeit, für die Entwürfe individua-lisierter Bildungsangebote, für die notwendigenBeobachtungen und ihre Auswertung und für Fortbil-dungen zu fehlen. In Baden-Württemberg stehen u.a. für derartige Aufgaben dagegen in der Regel 7,5Stunden in der Woche für eine Vollzeitkraft zur Ver-

fügung, eine Zeitspanne, die als ausreichend ange-sehen werden kann. Wir erwarten, dass Träger aufmittlere Sicht nachbessern müssen, um die Vorteileneuer Konzepte für die Qualität der Bildung in Kin-dertageseinrichtungen den Familien ihrer Regionauch anbieten zu können.

Kompetenzen und Frühpädagogik

Bevor wir auf die inhaltlichen und methodischenAspekte der infans-Pädagogik genauer eingehen,sollen noch einige Klärungen versucht werden, diedas Verhältnis des hier vorgelegten Handlungskon-zepts und den von allen Bundesländern erarbeitetenBildungs- und Erziehungsplänen einerseits und derRolle von Kompetenzen der Kinder darin anderer-seits beinhalten.

Wenn die gegenwärtig zu beobachtenden Anstren-gungen, das Bildungssystem der Bundesrepublik anseinen Wurzeln zu reformieren – also unter Betonungdes vorschulischen Bereichs, wie dies das ForumBildung bereits vor zwei Jahren gefordert hat – dannmüssen die Prozesse, die Bildung schließlich aus-machen, ins Zentrum der Arbeit rücken, ohne dassErgebniserwartungen aufzugeben wären. Wir solltendabei zwei Fehler der Vergangenheit nicht wiederho-len. Der erste Fehler war der Versuch, die frühe Bil-dung direkt mit dem Erwerb von Kompetenzen zuverknüpfen, was dann in den 1970er Jahren in denalten Bundesländern zu den Frühleselernprogrammenund zu dem Training mit den logischen Blöcken führ-te. Dieser Ansatz verhalf damals auch den Bildungs-und Erziehungsprogrammen der DDR zu einigemAnsehen auch in der damaligen Bundesrepublik, dadiese ohnehin ausdrücklich auf die Kompetenzver-mittlung ausgerichtet waren. Diese Ansätze entspre-chen nicht mehr den Kenntnissen, die wir heuteüber die Nachhaltigkeit von Lernprozessen und ihreBedingungen haben. In mehreren Untersuchungenhat sich gezeigt, dass die Trainingsprogramme, alsodie ausschließliche Zumutung von Themen ohneeine Berücksichtigung der Interessen der Kinder,zwar unmittelbare Effekte zeigen, die sich jedochschon mittelfristig wieder verlieren. Das heißt, sol-che durch Druck von außen erzielte »Lernerfolge«sind nicht von Dauer. Kompetenzen, die auf Grundvon eigenen Interessen der Kinder und intrinsischmotivierter Aktivität angeeignet wurden, zeigen die-ses Fading nicht. Sie bleiben erhalten (vgl. u.a.Stamm 2003, Schmidt 1990).

Der zweite Fehler bestand in der Vorstellung, dassman Modelle aus anderen Ländern – zum Beispiel

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aus Reggio – direkt übernehmen könne, indem dasäußere Erscheinungsbild der kommunalen Einrich-tungen in dieser Region imitiert werde. Beide Vorge-hensweisen haben zu Fehlschlägen geführt, aberwährend das Reggionachahmungsfieber inzwischenabgeklungen ist, droht die unmittelbare Verknüpfungvon Bildung und Kompetenzerwerb fröhliche Urständzu feiern. Insbesondere der Bayerische Bildungs-und Erziehungsplan verkennt in seinem Anwendungs-teil, dass die Forderung, das Kind müsse Subjektseiner Bildungsprozesse sein und bleiben, keines-falls als pädagogische Lyrik missverstanden werdendarf, sondern eine Voraussetzung dafür ist, dass Bil-dungsprozesse im wirklichen Leben gelingen undschließlich auch zum Auf- und Ausbau von Kompe-tenzen führen können. Wenn im Praxisteil des Baye-rischen Plans diese Bedingung auch besonderskrass verletzt wird, so stehen alle bislang vorgeleg-ten Bildungs- und Erziehungspläne der Bundesländermehr oder weniger in dieser Gefahr, im Kompetenz-denken gefangen zu bleiben und aus diesem Grunddie Bildungsrealität zu verfehlen. Worum geht esdabei?

Bildungsprozesse sind primär keine Prozesse desKompetenzerwerbs, sondern Aneignungsprozesse,die zwar mit dem Erwerb von Kompetenzen verbun-den sind, aber nicht darin aufgehen. Während sichdas Kind im Laufe seiner Welt- und Selbstkonstruk-tionen in Bezug zur Welt setzt, versucht es zugleich,hinsichtlich von Interessen und Bedürfnissen hand-lungsfähig gegenüber der Welt – und auch gegen-über sich selbst – zu werden. Im Rahmen diesesStrebens nach Handlungsfähigkeit bildet das KindKompetenzen aus, die jedoch ihre Nähe zu denInteressen und Bedürfnissen zumindest in den ers-ten Jahren beibehalten. Frühpädagogik, die dasKonstruktionspotenzial der Kinder ausschöpfen will,muss diesen Zusammenhang berücksichtigen. In derPraxis bedeutet dies, wie weiter unten ausgeführtwerden wird, dass an den Interessen der Kinderangesetzt werden muss statt an ihren Kompetenzen,die allenfalls als Ausdruck ihrer Interessen gewertetwerden können.

Was staatliche Bildungs- und Erziehungspläneallein ausdrücklich nicht vermögen

Sowohl die Erfahrungen mit den Konzeptionen imSchulbereich, die in den Ländern gemacht wurden,die in dem PISA-Vergleich sehr gut abgeschnittenhaben, als auch die neueren Aussagen aus der Hirn-forschung verweisen darauf, dass die zukunftsfähi-gen pädagogischen Konzeptionen eines gemeinsam

haben: Sie stützen sich auf individualisierte Curricu-la, die jedem Kind seinen eigenen Weg des Lernenseröffnen, es darin unterstützen und immer wiederneue Herausforderungen für individuelle Bildungs-prozesse an das Kind herantragen. Der Hinweis aufdiese Zusammenhänge allein stiftet jedoch in die-sem Sinne noch keine Erneuerung der Pädagogik.Individualisierte Bildungs- und Erziehungspläne kön-nen nur von dazu motivierten und kompetentenErzieherinnen entworfen werden, die ihre Kinder gutkennen und deren Themen wahrnehmen und deutenkönnen. Damit dies gelingen kann, bedarf es mehr,als Bildungs- und Erziehungspläne liefern können,so wie ein Verkehrswegeplan nicht die Pfeiler einerBrücke allein durch seinen Text errichten kann. Brü-cken werden von Ingenieuren und Technikern errich-tet, auch wenn Verkehrswegepläne die administrati-ven Voraussetzungen für ihre Arbeit schaffen. Ebensokönnen die Ziele von Bildungs- und Erziehungsplänennicht durch die Pläne selbst, sondern nur durch dieFachkräfte im Feld realisiert werden. Diese benötigenfür diesen Zweck ebenfalls die Kooperation von»Ingenieuren« und Praktikern, um geeignete Konzep-te entwickeln zu können, an denen sich ihre Arbeitvor Ort orientieren kann wie die der Techniker an denBauzeichnungen und den statischen Berechnungen.

Der Sinn der staatlichen Vorgaben liegt also dort,wo sie zu erreichende Ziele, zu fördernde Bildungs-bereiche und methodische Hinweise beschreibenund bis zu einem gewissen Grad auch verpflichtendmachen. In dieser Hinsicht werden legitime gesell-schaftliche Interessen formuliert und Hinweise aufden Stand der Kenntnisse bzgl. der Zielbereiche ge-geben. Ihre Grenzen sind dort erreicht, wo der indi-viduelle Zugang zu jedem einzelnen Kind gesuchtund – die Ziele vor Augen – die Themen, an denenKinder zu verschiedenen Zeiten in durchaus unter-schiedlicher Weise arbeiten, beantwortet und ihreAusgestaltung ermöglicht, unterstützt und herausge-fordert werden müssen. Die Brandenburgischen»Grundsätze elementarer Bildung« vermeiden diesesProblem zumindest weit gehend, indem sie von vornherein Bildungsbereiche bezeichnen, in Bezug aufdie sich pädagogische Arbeit bewähren muss. DiesenBeschreibungen wurden Beispiele für beste Praxishinzugefügt, die allerdings nicht als Ersatz für eineigenes pädagogisches Arbeitskonzept gesehen wer-den sollten. Sonst droht die Gefahr, dass die gutgemeinte Absicht in ihr Gegenteil umschlägt, unddie Erzieherin zu glauben beginnt, sie würde Bil-dungsprozesse befördern, wenn sie die Beispiele alsInstruktionen versteht und sie abarbeitet.

Eine solche Haltung wäre aber unvereinbar mit der

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Vorstellung einer eigenaktiven und durch ein Inte-resse an Themen gesteuerte Aneignung von Weltdurch das Kind, die den Bildungsvorstellungen inden meisten Bundesländern und auch in Branden-burg zu Grunde liegt. Damit würden die eigentlichenBildungsprozesse der Kinder ignoriert, die gerade zuermöglichen, zu unterstützen und in Bezug auf defi-nierte Ziele herauszufordern wären. Ohne diesegrundlegenden Bildungsprozesse gibt es keinen»Kompetenzerwerb«.

Individualisierte Frühpädagogik

Der Tübinger Erziehungswissenschaftler Ludwig Lie-gle zitiert den Direktor des Max-Planck-Instituts fürHirnforschung, Wolf Singer, mit Blick auf das Vor-schulalter wie folgt: »Da Menschenkinder unglaub-lich unterschiedlich geboren werden und mit ihrenFragen und Interessen einen enormen Raum über-spannen, muss es individualisierte Bildungsprogrammegeben. Singers Vorstellung lässt sich etwa so um-schreiben: Ganz gleich, wie sich das Rahmenkonzeptnennt: Situationsansatz, Reggio-Pädagogik, entwick-lungsorientierter Ansatz, oder anders, für die 100Kinder einer viergruppigen Kindertagesstätte sollte eseigentlich 100 Bildungsprogramme geben.« (Liegle2002, S. 61).

Singer selbst schreibt dazu: »Das Beste, was manfür ein Kind tun kann, ist, sorgfältig darauf zu ach-ten, welche Fragen es stellt, und sie möglichsterschöpfend und eindeutig zu beantworten. ...Wenn so ein kleiner Kopf sich für Malen oder Musikoder auch für körperliche Aktivität interessiert undraffinierte Bewegungsmuster lernen möchte undwenn er entsprechende Fragen stellt, dann sollteman ihm so viel als möglich nachgeben, weil dasoffenbar auf individuelle Ressourcen hinweist, diezu erschließen sind. Das Gehirn weiß offenbar, woes Ressourcen hat, und es versucht, diese Struktu-ren optimal auszufüllen.« (Singer 2003, S. 112). Unter einem solchen Verstehen früher Bildungspro-zesse ist es erforderlich, dass die Erzieherin sich aufdie Welt- und Selbstentwürfe der Kinder einlassenkann, die zunächst durch die subjektiven Deutun-gen und Sinngebungen des Kindes vor dem Hinter-grund seiner bis dahin gemachten Erfahrungen cha-rakterisiert sind. Erst im Dialog mit der Erzieherin –und anderen Kindern – erfahren diese dem Kindeigenen Sinngebungen eine Objektivierung in derWeise, dass sie unter Nutzung der Sprachen, die in

der Kultur4 bereitstehen, mitgeteilt und damit mit-teilbar gemacht werden. Objektivierte Sinndeutun-gen der Kinder sind in diesem Verstehen also solche,die im kommunikativen Austausch mit anderen mit-teilbar gemacht wurden. Es mag sein, dass dieserProzess der Objektivierung subjektiver Sinndeutungenimmer einen Rest zurücklässt, der nicht mitteilbarist, sei es, dass die Sprache fehlt, sie zu formulieren,sei es, dass ihre Mitteilung nicht erwünscht ist unddeshalb entweder aktiv sanktioniert oder ignoriertwird. Ein solcher Sachverhalt könnte durchauspädagogische Relevanz besitzen, insofern nicht zurKommunikation zugelassene oder aus anderenGründen nicht sprachfähige subjektive Erfahrungendes Kindes aus der weiteren Entwicklung, aus derweiteren Bearbeitung im Rahmen von Bildungspro-zessen ausgeschlossen bleiben.

Der Sinn und der Wert von Bildungs- und Erziehungs-plänen liegen aus unserer Sicht darin, Ziele derErziehung zu formulieren, die in der Gesellschaft fürbedeutsam gehalten werden. Dies ist Aufgabe desGemeinwesens (und nicht von Teilsystemen wie demder Wissenschaft), als deren Sprecher die zuständi-gen Ministerien und die Vertreter der Verbände legi-timiert sind. Die Beantwortung der Frage, wie dieseZiele sinnvoll angestrebt werden können, fällt in dieZuständigkeit der Pädagogen und anderer einschlä-giger Fachkräfte und sollte, bei allen legitimen Inte-ressen an einer Erfolgskontrolle, auch dort bleiben.Die Pläne mögen die Nutzung einer fachlich ausge-wiesenen Konzeption empfehlen, sollten aber denGebrauch, den Kindertageseinrichtungen davonmachen, nicht vorschreiben. Denn ein zweites Mussist zu beachten, das mit elementaren Zielstellungenzusammenhängt, die in allen Bildungs- und Erzie-hungsplänen enthalten sind. Pädagogik, auch undvielleicht besonders die der ersten Jahre, soll dieKinder auch auf demokratische Formen der Teilhabeam Gemeinwesen und ein aktives Interesse an sei-nen Belangen vorbereiten. Ziel ist der an demokrati-schen Grundwerten orientierte Mensch, der verant-wortlich urteilen und handeln und für sein Handelnauch einstehen kann. Eine Erzieherin, die im Rah-men von mehr oder weniger detaillierten Hand-lungsempfehlungen mit verbindlichen Charakterpädagogisch tätig sein soll, läuft Gefahr, frühe Bil-dungsprozesse von Kindern, die sich um autonomesHandeln bemühen, eher zu behindern als zu fördern.

Damit ist nicht der Unverbindlichkeit von Zielen dasWort geredet, das Argument soll vielmehr eine Plau-

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4 Wir verweisen hier auf das 100-Sprachen-Konzept aus Reggio, um deutlich zu machen, dass es sich keineswegs nur um diegesprochene Sprache handelt.

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sibilität begründen helfen, die dafür spricht, denpädagogischen Prozess in der Hand und Verantwort-lichkeit der Erzieherinnen zu belassen. Wohl könnenund sollten Ergebnisse solchen Handelns in ange-messener Weise und in Abhängigkeit von den ge-setzten Zielen überprüfbar sein. Die Freiheit derErzieherin, im pädagogischen Prozess und orientiertan Zielen, die ihr selbst als bedeutsam erscheinen,selbst verantwortliche Entscheidungen zu treffen,darf nicht durch Verordnungen eingeschränkt werden.

Eine solche Forderung hat Konsequenzen für dasVorgehen bei der Festlegung von Zielen, die für dieArbeit in einer Kindertageseinrichtung verbindlichsein sollen. Denn der Prozess der Zielbestimmungmuss unter dieser Perspektive bei der Erzieherinbeginnen, in weiteren Schritten die Vorstellungender Eltern einschließen, die des Trägers und schließ-lich im Abgleich die auf gesellschaftlicher Ebene for-mulierten Ziele, wie sie unter anderem in den Bil-dungs- und Erziehungsplänen enthalten sind.

Die Grundbegriffe der infans-Pädagogik: Betreuung, Bildung, Erziehung

Die infans-Pädagogik geht von einem Verständnisder drei Grundbegriffe der deutschsprachigen Päda-gogik aus, wie sie im Modellprojekt »Zum Bildungs-auftrag von Kindertageseinrichtungen« erarbeitetund gemeinsam mit zwölf Praxiseinrichtungen ineine erste praxisfähige Form gebracht wurden. DieErgebnisse des Projekts sind ausführlich in den bei-den Publikationen dargestellt und können dortnachgelesen werden. An dieser Stelle werden dieBegriffe und einige Schlussfolgerungen lediglich inder zum Verständnis des nachfolgenden Textes not-wendigen Form und ergänzt um einige Klärungen,die in der Zwischenzeit möglich waren, vorgestellt.

Betreuung

Betreuung mag unter den drei Begriffen die am ein-fachsten und vielleicht auch am beständigsten inter-pretierbare Kategorie sein: Wärme, Nahrung, Schutzvor Gefahren, kurz all das, was Menschenkinder zurBefriedigung ihrer leiblichen Bedürfnisse benötigen,muss in der Kindertageseinrichtung verfügbar sein.Allerdings würde eine so verstandene Betreuungallein nicht ausreichen, um Aufwachsen und Wohler-gehen von Kindern zu gewährleisten. Die in den1940er Jahren durchgeführten Untersuchungen desSchweizer Psychologen René Spitz belegen, dassjunge Kinder schweren Schaden nehmen können,

wenn die Beziehung zwischen Kindern und Erwach-senen sich auf bloße Versorgung beschränkt (vgl.Spitz 1945, 1967). Etwas muss hinzutreten, damitein Aufwachsen möglich ist und gelingen kann: ver-lässliche Zuwendung durch Erwachsene, Anregung,und was sonst noch den Kindern einen Zugang zurder Welt und sich selbst eröffnen mag. Betreuungschließt also auch die Bereitschaft von Erwachsenenein, sich auf die Kinder im Rahmen von Beziehun-gen wechselseitiger Anerkennung einzulassen, ihnenals »sichere Basis« für ihre Bildungsprozesse zurVerfügung zu stehen. Betreuung heißt also auch,Bindungen zuzulassen, zu ermutigen und zu pflegen(vgl. dazu u.a. Laewen 2002b, S. 69ff ).

Bildung

Wilhelm von Humboldt, so können wir bei Hartmutvon Hentig nachlesen, verstand Bildung »als dieAnregung aller Kräfte eines Menschen, damit diesesich über die Aneignung der Welt in wechselseitigerVer- und Beschränkung harmonisch-proportionierlichentfalten ...« (v. Hentig 1996, S.40). Da wäre alsovon einem Menschen die Rede, dessen Kräfte sichüber die Aneignung der Welt entfalten, und dieseAneignung muss wohl von diesem Menschen selbstgeleistet werden. Niemand kann ihm dies von außentun, da errichtet die Grammatik Schranken. DieAnregung seiner Kräfte aber, die sich da entfaltensollen über die Aneignung der Welt, diese Anregungkann, ja muss wohl von außen geschehen, durchandere Menschen. Und schon wird eine Verteilungvon Rollen sichtbar: Jene, deren Part es ist, sichWelt anzueignen und die dem Individuum selbstzufällt, und jene, deren Aufgabe darin besteht, dieKräfte des Individuums anzuregen, damit über dieAneignung der Welt ihre Entfaltung geschehen kann.Ein Wechselspiel wird erkennbar von Anregung undEntfaltung, verteilt auf die Aktivitäten (mindestens)zweier Menschen, von denen einer die Kräfte desanderen stärkt, damit Weltaneignung für ihn mög-lich wird. In dem von Laewen und Andres herausge-gebenen Band »Bildung und Erziehung in der frühenKindheit« (2002b) ist herausgearbeitet und begrün-det worden, wie und warum wir in der Aneignungvon Welt die Konkretisierung des Bildungsbegriffssehen, mit der Anregung aller Kräfte eines MenschenErziehung neu fassen und damit für die ersten Le-bensjahre beide Begriffe in Bezug setzen, sie hand-habbar und bedeutungsvoll machen. Zugleich trennenwir in Gedanken Bildungsprozesse von ihren Ergeb-nissen, das sich bildende Kind also vom gebildetenMenschen.

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Was ist das, ein gebildeter Mensch? Oder anders ge-fragt: Woran würde jemand erkennen können, dasser es mit einem gebildeten Menschen zu tun hat?Ein gebildeter Mensch – so haben uns zum BeispielErzieherinnen in unseren Workshops geantwortet –verfügt über nicht nur oberflächliche Kenntnisse ausKunst, Kultur und Wissenschaft, aus Politik und Ge-sellschaft, blickt über seine engeren Lebensumständehinaus, ist interessiert, in mancher Hinsicht geradezuneugierig, weiß sich in verschiedenen Umgebungenzu benehmen, ist höflich und spricht und verstehtandere europäische Sprachen. Für Mitglieder desPhilologenverbandes gehört vermutlich auch eineintime Kenntnis der Klassiker zum Bild des Gebilde-ten, Kenntnisse in Naturwissenschaften werden dorteher selten verlangt. Dass letzteres heute zunehmendals ein Mangel empfunden wird, kann einerseitsetwa dem Buch von Ernst Peter Fischer: »Die andereBildung« (2003) entnommen werden, andererseitsder Argumentation der Wirtschaft, deren Bildungs-vorstellungen naturwissenschaftliches Denkendurchaus einschließen.

Das Bild erfährt allerdings eine gewisse Verkürzung,je stärker die Erwartungen der Wirtschaft betontwerden. Dort wird Bildung im engen Zusammenhangmit so genannten Schlüsselkompetenzen gesehen,wobei zwar auch hier eine Verbindung zu Fremd-sprachen, der Neugierde in Gestalt einer Bereitschaftzu lebenslangem Lernen und Weltoffenheit als Flexi-bilität im Denken und als berufliche Mobilität ange-sprochen sind. Deutlich erkennbar aber werden eineZuspitzung von Bildungserwartungen, die sich inden Schlüsselkompetenzen konkretisieren und dieaktuellen Bestimmungsgründe wirtschaftlichen Den-kens widerspiegeln.

Das Problem dabei ist, wie weiter oben bereits an-gesprochen, dass der auf Kompetenzerwerb fixierteBlick häufig nicht erkennen kann oder mag, dassdie so dringlich gewünschten Schlüsselkompetenzendas Ergebnis grundlegender Prozesse sind, in derenVerlauf sich Subjekte erst konstituieren, die dannschließlich ggf. auch über Kompetenzen der beschrie-benen Art verfügen.

Bildungsprozesse, so haben wir das oben bereitsausgeführt, wie wir sie heute im Lichte der For-schungsresultate verschiedener wissenschaftlicherDisziplinen verstehen und wie sie seit ComeniusZeiten bis hin zu Humboldt und in modernerer Zeitvon Montessori oder in Reggio immer wieder zumin-dest auch verstanden worden sind, Bildungsprozessesind Aneignungsprozesse, die sich auf die Wahrneh-mung des Kindes von sich selbst und seiner Um-

welt – der dinglichen und der personalen – stützenund zur Konstruktion einer inneren Welt führen,eines mitlaufenden Weltmodells, wie das in denNeurowissenschaften gelegentlich bezeichnet wird.Dieses Modell von der Welt und sich selbst dientdem Kind zur Deutung seiner Erfahrungen und zu-gleich als Ort, in den seine Erfahrungen integriertund wo sie aufbewahrt werden. Aneignung heißt indiesem Kontext also nicht abbilden, etwas schonFertiges in Besitz nehmen, sondern Neukonstruktionauf der Grundlage der dem Kind zugänglichen Erfah-rungen.

Zu diesen Konstruktionen des Kindes gehört auchder Aufbau eines intimen Systems wechselseitigerEinflussnahme und Verständigung zu seinen Elternund ggf. zu einigen wenigen anderen Erwachsenenseiner engsten Umgebung, das einen wesentlichenAspekt dessen ausmacht, was wir die frühen Bin-dungen nennen. Wenn das Kind Glück hat, lassenseine Eltern und seine Erzieherinnen diese Bemü-hungen des Kindes zu und helfen ihm, das Systemauszubauen und zu differenzieren. Wir sprechendann von einer sicheren Bindung und sehen darineine stabile Voraussetzung für das Gelingen derkindlichen Bildungsprozesse, deren wichtigstes Zielaus der Sicht des Kindes nicht abstrakte Welter-kenntnis, sondern Handlungsfähigkeit hinsichtlichseiner Bedürfnisse und Interessen ist. Abgesehendavon, dass spätestens an dieser Stelle Bildungund Betreuung miteinander in Wechselwirkung tre-ten, kommt es in der Folge dieses Bemühens umHandlungsfähigkeit – das erscheint uns die wahr-scheinlichste Interpretation – zum Aufbau von Hand-lungskompetenzen, die zunächst eng an den Zielendes Kindes ausgerichtet sind, aber die Erfolgsbedin-gungen, die zum Beispiel von den Eltern und Erzie-herinnen des Kindes gesetzt werden, als Randbe-dingung seines Handelns berücksichtigen.

Uns scheint es also das Streben nach Handlungsfä-higkeit zu sein, in dessen Umfeld Kinder Kompeten-zen entwickeln, die zwischen den eigenen Bedürf-nissen und Interessen und der Umwelt vermitteln.Damit verbunden ist ein Wollen des Kindes, sich dieWelt anzueignen und sich wahrnehmend und kon-struierend, das heißt Sinn stiftend, mit ihr ausei-nander zu setzen.

Der ausgestreckte Arm des Kindes, der auf etwaszeigt oder eine Verhaltenserwartung gegenüber denEltern ausdrückt, kurze Zeit später begleitet vonersten Wörtern – zum Beispiel »Haben« – machtden aktiven Zugang, den das Kind zur umgebendenWelt und ihren Dingen und Personen sucht, unzwei-

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deutig klar. In diesem »Haben« formuliert das Kindein Wollen, das in dieser frühen Zeit in sehr konkre-ter Weise auf Aneignung zielt, aber wir glauben,dass darin eine der zentralen Grundlagen auch fürkomplexere Prozesse der Weltaneignung enthaltensind, die später folgen. Dieses Wollen des Kindeswäre dann das kostbarste Gut der Pädagogik, indiesem Wollen käme das Kind dem Pädagogen ent-gegen und öffnete eine Tür zu seinen Konstruktio-nen, in deren Errichtung wir den Kern der frühenBildungsprozesse erkennen. Pädagogik darf diesesAneignen-Wollen der Kinder nicht beschädigen, wirwürden sonst auf die stärkste Kraft verzichten, diedas Kind auf die Welt zutreibt.

Erziehung

Vor diesem Hintergrund muss nun Erziehung rekon-struiert werden, der vermutlich am stärksten belas-tete Begriff in der deutschsprachigen Pädagogik.Damit verbunden sind Vorstellungen vom konse-quenten Anpassen der nachwachsenden Generationan das Vorgefundene bis hin zu den Methoden derschwarzen Pädagogik. Trotz dieser Anklänge bleibtErziehung jedoch als Weitergabe des erreichtenStandes gesellschaftlicher Entwicklung an die jünge-re Generation legitime Aufgabe jeder Kultur. Wennwir jedoch das Wollen des Kindes, sich die Weltanzueignen und sich darin zu verorten, respektieren,verändert sich auch die Perspektive auf Erziehung.Ihre Aufgabe besteht dann darin, diesem WollenZiele anzubieten, die über das ursprüngliche Haben-Wollen hinausreichen und Aneignungsformen wiedas Wissen-Wollen oder das Können-Wollen heraus-fordern.

Dazu müssen zunächst Entscheidungen getroffenwerden, welche Sachverhalte und Haltungen, welcheWertorientierungen und Wissensbestände, welcheKompetenzen und welche Formen wechselseitigerAnerkennung wir für wichtig genug, darüber hinausfür legitimierbar und zukunftsfähig halten, dass wirsie dem Streben der Kinder anbieten wollen. Kurz,Pädagogen müssen sich über die Ziele klar werden,die sie mit ihrer Arbeit erreichen wollen. DieserSchritt steht am Anfang von Erziehung, zumindestsoweit sie in öffentlicher Verantwortung stattfindet.Erst dann wird es zum Beispiel möglich, zwischenGelingen oder Misslingen von Erziehung zu unter-scheiden.

Wenn wir in diesem Zusammenhang über das An-streben von Zielen sprechen und unsere Vorstellun-gen von den frühen Bildungsprozessen der Kindernicht wieder aufgeben wollen, dann kann das nurheißen, dass durch pädagogische InterventionenKonstellationen geschaffen werden müssen, die sol-che Konstruktionsprozesse der Kinder wahrschein-lich machen, die mit unseren Zielen kompatibelsind. Anders ausgedrückt, wir können pädagogischeZiele nicht unmittelbar erreichen, sondern nur überdie Konstruktionen der Kinder, auf die wir jedochkeinen direkten Zugriff haben. Daraus folgt, dasswir in der Pädagogik die Kooperation der Kinderbrauchen, um Zielen, die wir für bedeutsam halten,zumindest nahe kommen zu können. Dabei müssenwir über Erziehung und ihre Möglichkeiten nachden-ken, wenn Bildung nicht dem zufälligen Auftretenvon günstigen oder ungünstigen Bedingungen über-lassen bleiben soll.

Erziehung kann dabei, so haben wir das in den schonerwähnten Veröffentlichungen ausgeführt und be-gründet, unter den beschriebenen Bedingungen nurnoch zwei Formen annehmen: Die Gestaltung derUmwelt des Kindes und die Gestaltung der Interakti-on mit ihm. In beiden Fällen kommt es einerseitsdarauf an, dem Wollen der Kinder Themen zuzumu-ten, die als relevant für unsere Kultur erachtet wer-den, andererseits müssen die Themen, mit denendas Kind umgeht, wahrgenommen und beantwortetwerden. Das ist, wie alle, die im Projektverbund»Bildung in der Kindertageseinrichtung«5 arbeiten,wahrhaftig keine leichte Aufgabe und verlangt ein-schneidende Veränderungen (nicht nur) im Tagesab-lauf und im pädagogischen Konzept einer Kinderta-geseinrichtung. Der pädagogische Prozess kannunter dieser Perspektive nur gelingen, wenn Erzie-herinnen einerseits über Kenntnisse zu typisch zuerwartenden »Themen der Kinder« verfügen – diekönnten in der Aus- und Weiterbildung erworbenwerden –, andererseits geht es aber darum, jedesKind in seinen eigenartigen und unverwechselbarenZugängen zur Welt wahr- und ernst zu nehmen, einWissen, das nur in der Interaktion zwischen Erziehe-rin und Kind entstehen kann.

Dazu bedarf es genauer Beobachtungen, durch diedie Wahrnehmung des Kindes durch die Erwachse-nen geschärft und bereichert wird sowie, das darfnicht vergessen werden, der Dokumentation undAuswertung eben dieser Beobachtungen. Dazubenötigt jede Erzieherin Zugang zu den Ressourcen

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5 Insgesamt 68 Kitas in Brandenburg und Baden-Württemberg.

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ihres Teams, zur Berufs- und Lebenserfahrung ihrerKolleginnen, ohne deren Kooperation kaum guteErgebnisse zu erwarten sind. Dieser Zugang istumso notwendiger, als wissenschaftlich begründbareKonzepte zur Interpretation der Bedeutung des Ver-haltens von Kindern, das über die Beobachtungenerfasst und dokumentiert wird, nicht in ausreichen-dem Umfang vorliegen (können). Um »Themen derKinder« erkennen und beantworten zu können,müssen ihre Handlungen auf ihren subjektiven Sinn-gehalt hin analysiert werden, und dafür schlagenwir die Nutzung von Verfahren vor, die sich anMethoden der kollegialen Beratung und der objekti-ven Hermeneutik, wie sie zur Interpretation von Tex-ten angewandt werden, orientieren.

Erziehung, die auf Bildung zielt und sich auf Betreu-ung stützt, muss über Kenntnisse verfügen, die inder Wissenschaft und in bester Praxis erarbeitetworden sind und zugleich den eigenartigen Wegender Konstruktion eines Welt- und Selbstmodellsjedes einzelnen Kindes folgen. Dazu gehört es zumBeispiel, dass Erzieherinnen darum wissen, dassKinder sich typischerweise im dritten, spätestens imvierten Lebensjahr für symbolische Darstellungen zuinteressieren beginnen. Sie werden deshalb Sprach-symbole im weitesten Sinne, also einschließlichmusikalischer, mathematischer, architektonischer

etc. Zeichen dem Kind zur Verfügung stellen undseine Reaktionen darauf in ihre pädagogische Arbeiteinbeziehen. Sie werden darauf achten, welche Zei-chensysteme das einzelne Kind bevorzugt, um ihmüber die Brücke seines Interesses zu folgen und dieAusdifferenzierung seines Handelns herauszufordern.Unter solchen Bedingungen entfalten Kinder ihreRessourcen in erstaunlicher Weise. Es entstehenkünstlerisch anspruchsvolle Arbeiten, wie wir sieaus Reggio kennen, Wartelisten für Mathematikpro-jekte und lebhafter Schriftverkehr unter den Kin-dern. Die soziale Atmosphäre in den Einrichtungenkann ungemein gewinnen bei zunehmendem Inte-resse der Eltern der Kinder und das auch und gera-de in Gebieten mit einem hohem Anteil an Migran-tenfamilien. Es entwickeln sich Kindertageseinrich-tungen, die jeden Vergleich mit Spitzeneinrichtun-gen auf europäischem Niveau aushalten.

Erziehung bleibt ein unverzichtbarer Teil pädagogi-schen Handelns, kann in heutiger Perspektive abernur im Kontext von Betreuung und Bildung ange-messen verstanden werden. Wir werden uns mit derZeit von der Vorstellung befreien müssen, dassErziehung nur Teil eines Zwangssystems zur Domes-tizierung von Kindern sein könne, das den NamenPädagogik nicht verdient.

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Wege in die Praxis

Wir haben weiter oben davon gesprochen, dassauch unter den gegebenen Bedingungen der Wegzu einer neuen Art von Kindertageseinrichtung offensteht, wenn einige Voraussetzungen gegeben sind.Dazu gehört es, dass alle Mitarbeiterinnen einerEinrichtung die Aufgabe als persönliche und wichti-ge Herausforderung begreifen, die darin besteht,eine Betreuungseinrichtung mit Bildungsauftrag zueiner Bildungseinrichtung mit Betreuungsauftragumzugestalten. Dieser Weg ist in keiner Karte ver-zeichnet und das Voranschreiten darauf ähnelt ehereiner Forschungsreise als einem Wandern auf be-kannten Pfaden. Im Projektverbund »Bildung in derKindertageseinrichtung« haben wir in der Auftaktver-

anstaltung des Stuttgarter Teilprojekts den Beginnder Arbeit mit einer Entdeckungsreise verglichen.Die Einrichtungen erschienen uns dabei wie Segel-schiffe, die auf ein unbekanntes Meer jenseits derHorizontlinie zusteuern und dabei auch die Hoff-nung hinter sich lassen, die alten vertrauten undvermeintlich sicheren Gewässer je wieder erreichenzu können. Dazu kommt, dass auf einer solchenReise wenig Hilfe möglich ist, wenn Schiffe zurück-bleiben oder gar in Not geraten. Die Geschichte derWeltumsegelung durch Magellan wurde erzählt, derzwar erfolgreich war, von dessen vier Schiffenjedoch nur eins zurück kehrte und nur wenige Mit-glieder der Besatzungen – Magellan selbst einge-schlossen – sahen die Küsten Portugals je wieder.We sail for parts, unknown to men ...

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Zum Vorgehen – eine Übersicht

Foto: Torsten Krey-Gerve

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In der Tat sind im Projekt nach zwei Jahren nochfast alle Schiffe unterwegs, manche haben ihreMannschaften ausgetauscht und manche leiden anSchwächen in der Konstruktion ihrer Schiffe. Hierhängt sehr viel davon ab, welche Unterstützungs-systeme der Träger für die Kitas bereitstellen kann,die sich auf den schwierigen Prozess der Transfor-mation ihrer Einrichtung eingelassen haben. Dabeigeht es ebenso um Beratungs- und Supervisionsres-sourcen wie um die Möglichkeit, für Mitarbeiterin-nen zerbrechender Teams, die die Kita verlassenwollen, Weiterbeschäftigungsangebote in anderenEinrichtungen bereit zu halten.

Die Ursache dafür, dass eine solche Unternehmungso viel Wagemut erfordert, soviel Vertrauen in dieeigenen Kräfte und mit soviel Ungewissheit verbun-den ist, ist einerseits der unzulänglichen Wissensba-sis geschuldet, auf die wir uns dabei stützen kön-nen, andererseits alten Vorstellungen einer Pädago-gik, die ihre Aufgabe im »Beibringen« von richtigenVerhaltensweisen und elementaren Kenntnissen sah.Aus dieser Tradition heraus haben sich Erwartungenherausgebildet, was in Kindertageseinrichtungen zugeschehen habe und Vorstellungen über die Rollevon Erzieherinnen, die wenig mit Bildung und vielmit Betreuung zu tun haben. Im Rahmen der aktuel-len Bildungsdiskussion, deren fachliche Vorläuferetwa mit der Vorlage des Bildungsplans für dieSchule in Nordrhein-Westfalen im Jahr 1995 zu ver-orten ist, sind Zweifel entstanden, ob diese Vorstel-lungen noch zeitgemäß sind und ob nicht Bildungtiefere Wurzeln habe, als es der Schulbeginn mitsechs Jahren anzeigt.

Hinsichtlich unserer Wissensbasis leiden wir unterdem bereits erwähnten Desinteresse des Wissen-schaftssystems an frühpädagogischen Fragestellun-gen in der Bundesrepublik – es gibt an deutschenUniversitäten auch heute noch nur fünf Professuren,die mehr oder weniger mit dieser Thematik befasstsind –, aber auch daran, dass selbst im internatio-nalen Umfeld nur sehr wenige Langzeituntersuchun-gen existieren. Aber erst durch solche Untersuchun-gen, in denen Kinder unter kontrollierten Bedingun-gen Kindertagesstätten besuchen würden und aus-reichende Informationen über die sonstigen Lebens-bedingungen in ihren Familien vorhanden wärenund schließlich diese Kinder über zwei oder dreiJahrzehnte weiter beobachtet würden, könnten wir

einigermaßen zuverlässige Aussagen darüber machen,welche pädagogischen Verfahrensweisen zu welchenErgebnissen hinsichtlich der Lebenshaltung und denKompetenzen der nunmehr erwachsenen Kinder bei-tragen.

Derartige Studien liegen bislang nur in einem sehrbeschränkten Umfang, mit begrenzter Aussagekraftvor und wir können uns nur in sehr geringem Um-fang auf wissenschaftliche Kenntnisse stützen, wennwir uns nach den Langzeiteffekten unserer Arbeitfragen.6 Da Wissenschaft hier wenig Rat anbietet,bleibt entweder nur der Rekurs auf Herkommen undGewohnheit oder aber, wenn dieses in Zweifel steht,ein Rückgriff auf das, was wir als erwachsene, alserzogene und gebildete Menschen selbst darüberwissen. Es geht dabei um die Erinnerung daran,was uns selbst beim Lernen und Leben als Kind gutgetan hat, was eher hinderlich war oder Lernen garverleidet hat. Und damit wir in all der Ungewissheitein höchst mögliches Maß an Sicherheit gewinnen,sollten wir uns nicht nur auf die eigenen erinnertenErfahrungen verlassen, sondern auch auf die ande-rer Erwachsener, zum Beispiel unserer Kolleginnen,zurückgreifen können.

Anders ausgedrückt, wir benötigen die Lebens- undBerufserfahrung der anderen Erzieherinnen und derLeiterin, die im eigenen Haus arbeiten und – woimmer möglich – darüber hinaus den Rat von andersausgebildeten Menschen mit anderen Perspektiven– Beraterinnen, Wissenschaftlerinnen, Künstler ...Über Wege, wie die in einem Team vorhandenenRessourcen genutzt werden können, wird in denpraktischen Teilen des Textes noch die Rede sein.Und überall dort, wo wissenschaftlich fundierteKenntnisse vorhanden sind, müssen sie selbstver-ständlich berücksichtigt werden.

Frühpädagogik als kooperative Aufgabe

Erziehungsziele formulieren

Die erste große Kooperationsaufgabe, zu deren Lö-sung das ganze Team aufgerufen ist, besteht indem Zusammentragen und dem Begründen vonErziehungszielen, von Kulturbeständen, die in derKindertageseinrichtung von denen, die dort arbeitenund Verantwortung tragen, für so wichtig erachtet

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Zum Vorgehen – eine Übersicht

6 Über eine der wichtigsten Studien der Vergangenheit wurde in Laewen & Andres 2002b, S. 36ff berichtet. Inzwischen ist in Groß-britannien die Finanzierung für die so genannte EPPE-Study auf weitere fünf Jahre gesichert, so dass dort rund 3000 Kinder überinsgesamt zehn Jahre beobachtet werden können. Die bisherigen Zwischenergebnisse der Studie stützen das in diesem Text vorge-schlagene Vorgehen. Infos (in englischer Sprache) zu dieser Studie über http://k1.ioe.ac.uk/schools/ecpe/eppe/

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werden, dass sie an die nächste Generation heran-getragen werden sollen. Und sind die Ziele erst for-muliert und mit denen der anderen Beteiligten, derEltern und Träger und schließlich den normativenVorgaben abgeglichen, dann muss die zweite Heraus-forderung bestanden werden. Die besteht in derKlärung einer Vielfalt von Fragen, die alle damit zutun haben, was die formulierten Ziele konkret be-deuten und welche Bedingungen geschaffen werdenmüssen, damit sie erreicht werden können. EineVerfahrensweise zur Lösung dieser Aufgabe, die sichin der Praxis bewährt hat, ist in einem späteren Ab-schnitt enthalten

Bildungsprozesse verstehen

Damit aber nicht genug. Bildung, so hatten wir ge-sagt, sei der Eigenanteil des Kindes an seiner Ent-wicklung. Dieser Anteil des Kindes besteht in seinenKonstruktionsleistungen, die ein Welt- und Selbst-bild entstehen lassen, dessen Inhalt und Strukturmehr oder weniger differenziert und umfassend seinkönnen, was wiederum davon abhängt, welcheMöglichkeiten dem Kind von den Erwachsenen seinerUmgebung verfügbar gemacht werden. Anders aus-gedrückt, hängt die Qualität der Bildungsprozesseeines Kindes und damit auch ihr Ergebnis davon ab,auf welche Weise seine Konstruktionen ermöglicht,unterstützt und herausgefordert werden, also wieErziehung auf die Bildungsbewegung der Kinderantwortet und sie herausfordert. Darin besteht ausunserer Sicht die »Anregung aller Kräfte eines Men-schen«, wie sie Humboldt im Sinn hatte.

Zwischen den besten erzieherischen Absichten, undseien sie auch noch so perfekt in Szene gesetzt,und dem, was schließlich in die Bildungsprozessedes Kindes und ihre Ergebnisse eingeht, stehenimmer Konstruktionsprozesse des Kindes. Durch siewird das, was an das Kind herangetragen wird, mitdem verbunden, was schon in seinem »mitlaufen-den Weltmodell« vorliegt, womit Prozesse der Sinn-gebung und Einordnung verbunden sind. Es liegt imdringlichen Interesse von Pädagogen, Auskunft überdiese innere Welt des Kindes zu erlangen. Ohne zuwissen, oder zumindest zu ahnen, wie das Kind dieWelt und sich selbst darin sieht, wird es nur schwermöglich sein, pädagogische Interventionen so zugestalten, dass sie dem Kind nicht zu fremd sind –weil es sonst keine Möglichkeit des Einordnens indas schon Vorhandene findet –, aber auch nicht zuvertraut, weil dann das Interesse des Kindes daransofort erlischt. Wir haben schon darauf hingewie-sen, dass es die Interessen der Kinder sind, die uns

als Anhalt dienen können, mit welchen Themen sieaktuell befasst sind. Wir müssen sozusagen auf die»Fragen« achten, die der Hirnforscher Singer meinte.

Um aber die »Fragen« der Kinder deuten zu können,bedürfen wir wieder einer möglichst breiten Vielfaltder Perspektiven, die wir im Alltag nur über denZugriff auf die Fähigkeiten, die Erfahrungen und diePhantasie der Kolleginnen gewinnen können. Mansieht also, dass dem Team der Kindertageseinrich-tungen eine zentrale Rolle zufällt, wenn Frühpäda-gogik auf hohem Niveau gelingen soll, weshalbkeine ungelösten Konflikte und unvereinbaren Inte-ressen das Team seiner Kraft berauben dürfen. Spä-testens an dieser Stelle wird aber auch deutlich,dass der fachliche Austausch im Team Zeit benötigt,die durch eine sorgfältige Planung und Umstruktu-rierung bisheriger Arbeitsabläufe erst gewonnenwerden muss. Auch hierzu werden Verfahrensweisenim Modul 5 vorgestellt werden.

Beobachtung und Dokumentation als grundlegendeMethoden in der Frühpädagogik

Die Deutung der »Themen der Kinder« setzt voraus,dass wahrgenommen wird, was die Kinder tun, wo-mit sie sich befassen und welcher subjektive Sinnfür die Kinder darin liegt. Da diese Fragen für jedeseinzelne Kind in der Kindertageseinrichtung beant-wortet werden müssen, liegt es nahe, diese Infor-mationen, auf denen die pädagogische Arbeit auf-bauen soll, nicht den Zufällen des alltäglichen Lebensin der Kita zu überlassen, sondern sie systematischzusammenzutragen und aufzubewahren. Wir sprechenin diesem Zusammenhang von systematischer Beob-achtung jedes Kindes und der Dokumentation derErgebnisse.

Der Aufbau eines Beobachtungs- und Dokumentati-onssystems in der Kindertageseinrichtung steht des-halb im Zentrum der Umgestaltung einer Kinderta-geseinrichtung, wobei nicht nur organisatorischesTalent und eine gründliche Analysen der Zeitabläufegefordert sind, sondern insbesondere Geduld undÜbung bei der Beobachtung von Kindern und ihrerAuswertung. Dazu wird weiter unten ausführlichStellung genommen, wobei schon an dieser Stelleangemerkt sei, dass gerade dieser Schritt, der zeit-lich aufwendig ist und tief greifende Veränderungenin der alltäglichen Arbeit mit sich bringt, in keinemFall umgangen werden kann. Beobachtung undDokumentation gehören zum Handwerkszeug jederfortgeschrittenen Pädagogik der frühen Jahre. BeideVerfahren sind in der einen oder anderen Form in

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Zum Vorgehen – eine Übersicht

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allen europäischen und außereuropäischen Ländernmit entsprechenden Standards zu finden. Alle Bil-dungs- und Erziehungspläne in der Bundesrepublikenthalten entsprechende Bestimmungen und auchdie zur Zeit hierzulande in der Erprobung befindli-chen Pädagogikmodelle7 kommen ohne differenzier-te Beobachtungs- und Dokumentationsverfahrennicht aus.

Die Beobachtung der Kinder verlangt einige Anlei-tung und Übung, insbesondere die Beachtung ver-schiedener Perspektiven, die dabei eine Rolle spie-len. Sie werden in den unterschiedlichen Instrumen-ten sichtbar, die in unserem Konzept für Beobach-tungen eingesetzt werden und die jeweils andereBlickwinkel auf kindliche Bildungsprozesse repräsen-tieren. Schließlich berücksichtigen auch zwei unter-schiedliche Formen der Dokumentation von einan-der zu unterscheidende Interessen: die der pädago-gischen Fachkräfte, deren Arbeitsgrundlage die eineder beiden Dokumentationsform darstellt, (Portfolio-Dokumentation) und die der Eltern und andererinteressierter Personen, zu denen auch Vertreter desGemeinwesens oder in vielen der gut arbeitendenEinrichtungen inzwischen auch die Medien gehören(Dokumentation von Arbeitsweisen und -ergebnis-sen, in der Regel als kommentierte und laufendergänzte Fotoausstellung). Beide Formen der Doku-mentation haben ihre jeweils eigene Bedeutung,wobei die Repräsentation der Vorgehensweise imRahmen der neuen frühpädagogischen Konzepteund insbesondere auch die kommentierte Darstel-lung von Bildungsgeschichten der Kinder Teil des-sen sind, was früher etwas herablassend »Elternar-beit« hieß und nunmehr die Grundlage für eine sub-stanzielle Kooperation zwischen Familien und Kin-dertageseinrichtungen bietet.

Themen beantworten und Themen zumuten

Schließlich bleibt an dieser Stelle noch das Zentrumder pädagogischen Arbeit in der Kindertageseinrich-tung zu beschreiben, wobei die ausführliche Darle-gung – wie bei den anderen hier angesprochenenThemen auch – in dieser Handreichung zu findenist. Erziehung, so haben wir ausgeführt, kann nurnoch zwei Formen annehmen, wenn sie die Eigenartder frühkindlichen Bildungsprozesse berücksichtigenwill.

1. Erziehung kann die materielle Umwelt des Kindesso gestalten, dass wesentliche, für unsere Kulturcharakteristische Erfahrungen den Kindern zu-gänglich werden.

2. Erziehung kann über die bewusste Gestaltung derInteraktion mit den Kindern wirksam werden.Dabei geht es einerseits darum, auf die »Themender Kinder« zu achten und darauf zu antworten,andererseits darum, aus den jeweiligen Erziehungs-zielen abgeleitete Themen den Kindern zuzumuten.

Es ist diese Auffassung von Erziehung, die zugleichdie Begründung für die Einführung eines differen-zierten Beobachtungs- und Dokumentationssystemliefert, denn um »Themen der Kinder« erkennen zukönnen, bedarf es einer bewussten Anstrengung,und um aus dieser Wahrnehmung gemeinsam mitden Kolleginnen Schlüsse ziehen zu können, dieGrundlage für das weitere Vorgehen sind, bedarf esder Aufzeichnung der Beobachtungen, der Doku-mentation. Erst durch diese Begründung werden ausBeobachtung und Dokumentation sinnvolle pädago-gische Handlungen, ohne eine solche Begründungwären sie sinnlos. Beobachtung und Dokumentationfür sich genommen sind deshalb noch keine Quali-tätsmerkmale. Erst durch die Einbindung in ein früh-pädagogisches Konzept, dessen Ziele ohne beidesnicht zu erreichen sind, gewinnen sie ihre Bedeutung.

Die Orientierung des pädagogischen Handelns anden »Themen der Kinder« einerseits und an denZielen der Kindertageseinrichtung andererseits, ausdenen sich wiederum die den Kindern zuzumuten-den Themen begründen lassen, führt zunächst ein-mal weg von der Fixierung auf Kompetenzgesichts-punkte, ohne sie aus den Augen zu verlieren. Aber– wie bereits ausgeführt – die Versuche, Kompeten-zen von Kindern direkt zu fördern, ohne den ver-meintlichen Umweg über ihre Interessen zu nehmen,führt geradezu zwangsläufig in die Nähe von Trai-ningsmethoden, die sich allein aus den Zielvorstel-lungen der Erwachsenen begründen und die Kon-struktionsleistungen und -interessen der Kinderaußer Acht lassen.

Es liegen – auch darauf wurde schon hingewiesen –eine Reihe von wissenschaftlichen Belegen dafürvor, dass Trainingsmethoden zwar zunächst zu Vor-teilen im Kompetenzbereich der Kinder führen, sich

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Zum Vorgehen – eine Übersicht

7 Neben dem infans-Konzept werden zur Zeit das von Margaret Carr in Neuseeland entwickelte Konzept der Lerngeschichten durcheine Arbeitsgruppe des Deutschen Jugendinstituts (DJI) erprobt. In Nordrhein-Westfalen befindet sich das von Gerd E. Schäfer erar-beite Bildungskonzept in der Praxiserprobung (vgl. Schäfer 2004) und seit einiger Zeit wird in einer Kita des Pestalozzi-Fröbel-Hauses in Berlin das Konzept der Early Excellence Centres aus Großbritannien auf seine Übertragbarkeit überprüft.

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aber schon mittelfristig wieder verlieren. Wird dage-gen die »Aneignung von Welt« durch Interessen derKinder getragen, bleiben die dabei erworbenenKompetenzen langfristig erhalten (vgl. Stamm 2003;Schmidt 1990). Frühpädagogik sollte deshalb ehermit den Interessen der Kinder arbeiten, als ihreKompetenzen ins Zentrum der Arbeit zu stellen. DerErwerb von Kompetenzen durch die Kinder kannund sollte der Überprüfung der eigenen Arbeit die-nen, weniger ihrer Förderung. Kompetenzförderungin diesem Sinne taugt allenfalls dazu, Alltagsrouti-nen zu entwickeln, die später automatisiert ablau-fen sollen, wie zum Beispiel das Binden vonSchnürsenkeln. Für anspruchsvollere Tätigkeitenscheint diese Methode wenig geeignet zu sein.

Allerdings orientiert sich die pädagogische Arbeitkeineswegs nur daran, welche Interessen die Kinderaus sich heraus entwickeln. Die andere Seite derpädagogischen Polarität bilden die Themen, die vonden Erzieherinnen aus reflektierten Gründen denKindern zugemutet, an sie herangetragen werden.Dies kann und sollte ohne jede Bedenklichkeit ge-schehen, allerdings muss dabei ein Gesichtspunktunbedingt Beachtung finden:

Die Antwort des Kindes auf die Zumutung musssorgfältig beachtet werden und Eingang in die wei-tere Entwicklung des Themas finden. Es geht alsonicht darum, die Kinder in Zwangslagen zu bringen,damit sie sich mit Themen auseinander setzen, dieals wichtig erachtet werden, sondern es geht darum,den Kindern Zugänge zu solchen Themen zu ermög-lichen, sie zu unterstützen und immer wieder zuAneignungsleistungen auf höherem Niveau heraus-zufordern. Dazu gehören selbstverständlich Themenwie Sprechen und Schreiben lernen, Bewegungsko-ordination ebenso wie musikalische und mathemati-sche Strukturen, wie überhaupt alle Formen dersymbolischen Darstellung in unserer Kultur zu denbedeutsamen Themen gehören, die wohl in jederZielbeschreibung einer Kindertageseinrichtung zufinden sein werden.

Transparenz der Arbeit und Öffnung nach außen

Insgesamt stellt die infans-Pädagogik eine hoheHerausforderung für die Bereitschaft und die Fähig-keit von Kitateams dar, sich mit einem an aktuellenKenntnissen orientierten Bild vom Kind auseinanderzu setzen, alte Arbeitsgewohnheiten und Denkwei-sen – und seien sie noch so ehrwürdig und traditi-onsreich – aufzugeben und sich intensiv an derWeiterentwicklung der heute möglichen frühpädago-

gischen Konzepte zu beteiligen. Dazu gehört, wieuns die Erfahrung auch zeigt, die Bereitschaft, dieEinrichtung für Kolleginnen aus der Region – undvon weiter her – zu öffnen und sich bei der Arbeitzusehen zu lassen, ihre Grundlagen zu erläuternund Fragen zu beantworten. Frühpädagogik in Kin-dertageseinrichtungen wird zu einer öffentlichenAngelegenheit, an der – nicht nur – die regionalenMedien Interesse zeigen, sondern auch in einem bisdahin selten erlebten Maß die Eltern der Kinder. Sieerleben die Transparenz, die durch die Offenlegungder Dokumentationen für sie (beschränkt natürlichauf ihr eigenes Kind) und die informationsreichenGespräche über ihr Kind, die auf der Basis der inden Portfolios gesammelten Aufzeichnungen derErzieherinnen möglich werden, als Bereicherung undfühlen sich selbst, da sie an der Entwicklung der Er-ziehungsziele der Einrichtung ernsthaft beteiligt wer-den, der Arbeit der Erzieherinnen stärker verbunden.

Auf der anderen Seite der Rechnung steht fast immereine neue Zufriedenheit mit der Arbeit, eine verän-derte Perspektive auf das, was tatsächlich erreichtwerden kann und ein reicheres Bild von Kindernund ihren Möglichkeiten. Die neue Art pädagogischerArbeit und die mit ihr verbundenen Erfahrungsmög-lichkeiten schaffen die Grundlage für eine tiefe Zu-friedenheit mit der eigenen Tätigkeit, die sich auchauf ein Verstehen gründet, wie bedeutsam und fol-genreich sie für die Kinder sein kann. Zu den zen-tralen Aussagen aus der Reggio-Pädagogik gehörtder Hinweis, dass die neue Pädagogik, die dort ent-wickelt wurde und seit vielen Jahren praktiziert wird,kein nachahmungsfähiges Modell sei, »sondern einneues Denken über Kinder«. Ein solches neues Den-ken über Kinder beeinflusst zugleich auch das Denkenüber die Beziehungen, die zwischen Erwachsenenund Kindern möglich sind.

Rahmenbedingungen und Organisation

Es dürfte spätestens jetzt sehr klar geworden sein,dass die Ansprüche an die Leistungsfähigkeit derTeams in den Kindertageseinrichtungen in mehrfacherHinsicht sehr hoch sind, wenn Anschluss gefundenwerden soll an die am weitesten entwickelten For-men europäischer Frühpädagogik. Natürlich stehenim Zentrum der Aufgabe die Arbeit mit den Kindernund die damit unmittelbar zusammenhängendenHandlungsoptionen. Aber über diese im engerenSinne pädagogische Arbeit hinaus sind andere Be-standteile unverzichtbar, die mit der Reflexion derArbeit, ihrer Dokumentation und der Weiterentwick-lung der Konzepte zu tun haben. Dazu kommt eine

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Zum Vorgehen – eine Übersicht

Page 27: Elementare Bildung

gehörige Portion an organisatorischen Aufgaben, dieohne Kenntnisse von Methoden der Organisations-entwicklung kaum gelöst werden können.

Der Träger der Einrichtung muss dafür sorgen, dassdie notwendigen Ressourcen zur Verfügung stehenund die Leserinnen und Leser werden im weiterenVerlauf des Textes lesen, dass dazu nicht nur Mög-lichkeiten zum Kopieren der Instrumente, die techni-schen Möglichkeiten der Bild- und Tonaufzeichnungen,eine Anbindung der Kita an die unterstützendenStrukturen und ihre Vernetzung untereinander überEmail und Internet u.a.m gehören, sondern insbe-sondere auch eine ausreichende Freistellung desFachpersonals für die eigene Weiterbildung und fürdie fachlichen Aufgaben im Team, verbunden mitunbedingter fachlicher Diskussion der Beobachtungs-ergebnisse und ihrer Auswertung. In Baden-Württem-berg stehen für Arbeiten außerhalb des unmittelbarenKontaktes mit den Kindern in aller Regel etwa 7,5Stunden pro Woche und Vollzeitkraft zur Verfügung.Diese Zeit kann als ausreichend gelten, wenngleichsie gegenüber den außerhalb des Unterrichts ver-fügbaren Zeiten einer Grundschullehrerin eher knappbemessen sind. In Brandenburg existiert eine solcheRegelung nicht und entsprechend schwerer ist eshier, die notwendige Zeit zu gewinnen.

Dabei hat es sich als außerordentlich hilfreich er-wiesen, mit Modellen der flexiblen Jahresarbeitszeitzu arbeiten, wie sie etwa in dem von Cramer (2003)publizierten Band »Arbeitszeitmodelle und Dienst-plangestaltung« beschrieben ist. Das bedarf derZustimmung des Trägers, ohne die jedoch kaumHoffnung besteht, den Weg von der Betreuungsein-richtung mit Bildungsauftrag zu einer Bildungsein-richtung mit Betreuungsauftrag zu bewältigen. Ein-richtungen, die ohne eine solche Unterstützung durchihren Träger auskommen müssen, sind (fast) aus-nahmslos dazu verurteilt, allenfalls eine Pädagogikder mittleren Qualität erreichen zu können, die deut-lich hinter dem zurückbleibt, was heute möglich wäre.

Personell fällt der Leiterin der Einrichtung eine außer-ordentlich wichtige Rolle zu. Sie achtet darauf, dassim Team die notwendigen Entscheidungen fallenund übernimmt die Funktion eines Gedächtnisses,das heißt, sie erinnert an die einmal gefasstenBeschlüsse und Vorhaben und sorgt dafür, dass sienicht unter den alltäglichen Problemen verlorengehen. Sie achtet darauf, dass Controllingverfahrenentwickelt und durchgehalten werden, prüft konti-nuierlich den Stand der Arbeit und fragt ggf. nach,wenn Irritationen auftreten, sorgt für Unterstützung,wo diese notwendig ist oder gewünscht wird undversucht, den Überblick über den Gesamtprozess zubehalten.

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Zum Vorgehen – eine Übersicht

Page 28: Elementare Bildung

Pädagogischer Rahmen: Handlungsschritte und

Verfahrensweisen

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Page 29: Elementare Bildung

Einführung

»Wenn das Leben keine Vision hat, nach der mansich sehnt, die man verwirklichen möchte, dann gibtes auch kein Motiv sich anzustrengen.« Diese Aus-sage von Erich Fromm trifft sehr gut, worum es indiesem Modul geht.

Zu klären ist, welche Erziehungsziele die pädagogi-sche Arbeit in einer Kindertagesstätte leiten sollen,das heißt, mit welchen kulturell bedeutsamen Inhaltenund Themen die Erzieherinnen die Jungen und Mäd-chen in Berührung bringen und in welchen Bildungs-bereichen sie die Kinder herausfordern wollen. Umdiese Frage beantworten zu können, bedarf es einesintensiven Klärungsprozesses im Team, in dem die

persönlichen Ziele jeder Erzieherin, die von der Ge-sellschaft formulierten Anliegen und die gesetzlichenVorgaben diskutiert und reflektiert werden. Auch dieEltern werden eingeladen, ihre Vorstellungen undihre Erwartungen an die Kindertagesstätte in diesenKlärungsprozess einzubringen.

Wenn Bildung als eigenaktive Aneignung und Kon-struktion des Kindes verstanden wird, die in denAustausch mit anderen, Erwachsenen und Kindern,eingebunden ist, dann hat das Folgen für die Ver-antwortung der Erwachsenen. Es ist ihre Aufgabe, indie Interaktion mit einzelnen Kindern und Kinder-gruppen die Bildungsinhalte einzubringen, die so-wohl im persönlichen Urteil von Erzieherinnen undEltern als auch aus gesellschaftlicher Perspektive für

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Modul 1

Erziehungsziele und Handlungsziele formulierenund reflektieren

Foto: Torsten Krey-Gerve

Page 30: Elementare Bildung

die nachwachsende Generation als bedeutsam er-achtet und damit dem legitimen kulturellen Anliegender Gesellschaft gerecht werden (ausführlicher inLaewen/Andres 2002b, S. 109ff ).

Auch wenn wir uns im Klaren sind, dass wir als Er-wachsene die Kinder nicht nach unserem Bild formenkönnen und auch die Erfahrungen, die den Kindernin der Kindertagesstätte ermöglicht werden, nur ein– wenn auch bedeutsamer – Beitrag zur Persönlich-keit des Kindes und zu seinen Fähigkeiten sind, istes wichtig, sich Klarheit über die Ziele und Inhaltedieses Beitrags zu verschaffen. Ohne eine solcheZielbestimmung bleibt die pädagogische Arbeit ori-entierungslos und kann Erfolg nicht von Misserfolgunterschieden werden.

Es ist deshalb eine der wichtigsten Aufgaben vonprofessionellen Fachkräften, sich über die Erzie-hungsziele, die in unserer Gesellschaft als legitimier-bar und zukunftsfähig gelten, zu verständigen undeinen Konsens mit allen Beteiligten, das heißt zu-mindest mit den Kolleginnen im Team, mit denEltern und dem Träger zu erzielen, was als hand-lungsleitende Grundlage für ihr erzieherisches Handelnverbindlich sein soll.

Erziehung in Kindertagesstätten schließt immer dieFormulierung von Zielen ein. Sie unterscheidet sichin dieser Hinsicht von der Erziehung in der Familie,in der oft unausgesprochene und unreflektierte Zieleeine Rolle spielen, die in der Tradition der eigenenHerkunft der Eltern und im sozialen Umfeld ihreWurzeln haben. Dagegen ist nichts einzuwenden,jedoch befindet sich eine Kindertageseinrichtung alsgesetzlich auf das Kindeswohl verpflichtete Instituti-on in einer anderen Situation als die Familien derKinder. Die Kita muss ihre Ziele offen legen und dazugehört es, dass sie diese zunächst einmal ausdrück-lich formuliert.

Die in Brandenburg vorliegenden »Grundsätze ele-mentarer Bildung« werden in diesen Prozess derZielfindung eingebunden. Sie bieten eine wichtigeOrientierung für Erzieherinnen in Kindertagesstättendes Landes und sollen sicherstellen, dass alle sechsder dort aufgeführten Bildungsbereiche für die Kin-der der einzelnen Kindertageseinrichtungen zugäng-lich sind. Sie können jedoch nicht die persönlicheReflexion der Erzieherinnen und Teams und den Dia-log mit den Eltern über Erziehungsziele ersetzen.

Fassen wir zusammen:Pädagogisches Handeln braucht Orientierung. Erzie-herinnen1 in Kindertagesstätten müssen sich aufvereinbarte Ziele stützen können, die zusammen mitden Interessen und »Themen der Kinder« ihre päda-gogische Planung und ihr Handeln leiten. Ohneklare Ziele der Fachkräfte bleiben die Bildungsmög-lichkeiten der Kinder in den Kindertagesstätten eherzufälligen Konstellationen überlassen und könnenkaum auf ihre Qualität hin beurteilt werden.

Zum konkreten Vorgehen – Arbeitsschritte beim Formulieren und Reflektieren von Erziehungs- undHandlungszielen

Das Formulieren der Erziehungsziele ist keine einfa-che Aufgabe. Der mehrstufige Prozess fordert vielEngagement und das Thema wird über einen länge-ren Zeitraum den Diskurs in einem Team begleiten.Je nach Größe der Kindertagesstätte und des Teamssollten zwischen einen halben und einem Jahr fürdiesen Arbeitsschritt eingeplant werden.Zuerst wird dabei geklärt, wwaass erreicht werden soll(Erziehungsziele).

Dann gilt es zu beschreiben, wwiiee die in den Zielenenthaltenen Bildungsbereiche im pädagogischenProzess für die Kinder erfahrbar gemacht werdensollen (Handlungsziele).

Am Ende des Klärungsprozesses stehen Erziehungs-und Handlungsziele, die für einen festgelegten Zeit-raum (nach dem sie überprüft und ggf. modifiziertwerden) verbindliche Grundlage für die pädagogi-sche Arbeit in der Kindertagesstätte sein sollenund das spezifische Profil des Erziehungsangebotskennzeichnen.

1. SchrittJede Erzieherin formuliert ihre persönlichen Erziehungsziele im Team.

Jede Erzieherin bringt in ihre Arbeit Inhalte ein, dieihr wichtig sind. Für sie bedeutsame Annahmen,Kenntnisse und Vorlieben werden in ihren Gesprächenmit den Kindern, den Eltern und ihren Kolleginneneine Rolle spielen. Sich dieser häufig verborgenenAbsichten und Ziele bewusst zu werden, sie als per-sönliche Erziehungsziele zu formulieren und sie

Modul 1 – Erziehungsziele und Handlungsziele formulieren und reflektieren

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1 Da in den Brandenburger Kindertagesstätten nahezu ausschließlich Frauen beschäftigt sind und zugunsten besserer Lesbarkeit desTextes haben wir uns für die weibliche Form entschieden. Männliche Fachkräfte sind als Adressaten jedoch ausdrücklich mitge-meint.

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damit der Reflexion zugänglich zu machen, ist derEinstieg in diese Arbeitseinheit.

Wir schlagen vor, dass zunächst jede Erzieherin desTeams für sich allein überlegt, was ihr selbst in derpädagogischen Arbeit wichtig ist, was sie erreichenwill und welche Eigenschaften und Kompetenzen siebei den Mitgliedern unserer Gesellschaft für wün-schenswert hält.

Dabei sollten keine Fachbücher zu Rate gezogenwerden, dies bleibt einem späteren Schritt vorbehal-ten. Vielmehr sollte der Blick zunächst ausschließlichauf die eigene Geschichte und die persönlichenErfahrungen gerichtet sein. Sich selbst ernst nehmen,als Gestalt sichtbar in der eigenen Arbeit werden,authentisch im Handeln gegenüber Kindern, Elternund Kolleginnen sein – nicht zuletzt darum geht esin diesem Arbeitsschritt.

Die Erfahrungen zeigen, dass diese Arbeitseinheiteine besondere Herausforderung für Erzieherinnendarstellt und einige Zeit in Anspruch nimmt. Es istnicht einfach, sich seinen eigenen verborgenenÜberzeugungen zu stellen und sie später im Teamzu vertreten.

Leitfragen in diesem Prozess der individuellen Ziel-formulierung sind: • Was ist mir in meiner pädagogischen Arbeit per-

sönlich ganz besonders wichtig? • Was will ich in meiner Arbeit erreichen? • Über welche Fähigkeiten und Kompetenzen soll-

ten die Kinder unserer Kindertagesstätte aus mei-ner Sicht verfügen, wenn sie erwachsen sind?

• Welche Haltungen sollten sie einnehmen? • Wodurch sollten sie sich als Erwachsenen aus-

zeichnen?

Ganz bewusst nehmen diese Leitfragen zum Formu-lieren von Zielen den erwachsenen Menschen in denBlick und richten sich nicht an mittelfristig bedeut-samen Lebensereignissen aus, wie zum Beispieldem Schuleintritt. Auch wenn im Kindertagesstätten-gesetz des Landes Brandenburg die Vorbereitungauf die Grundschule als Teil des eigenständigen Bil-dungs- und Erziehungsauftrags der Kindertagesein-richtungen benannt wird, so reichen die Aufgabeneiner Kindertageseinrichtung doch weit über dieseAnforderung hinaus und sollten die gesamte aktuel-le und zukünftige Lebenswelt des Kindes umfassen.

Es hat sich bewährt, dass jede Erzieherin »ihre«Erziehungsziele bereits im Vorfeld der Diskussionenim Team reflektiert. Das »In-Sich-Hineinhorchen« undNachdenken über die eigenen pädagogischen Ab-sichten und biographischen Wurzeln der eigenenErziehungsziele braucht eine Atmosphäre des Sich-Einlassen-Könnens und Bei-Sich-Seins. Hilfreich kannaber auch das Gespräch mit einer Freundin, einemFreund über die eigenen Bildungserfahrungen sein.Welche Erfahrungen habe ich in den verschiedenenbiographischen Situationen (Kindergarten, Familie,Schule etc.) gesammelt? Welche dieser Erfahrungenhaben Einfluss auf meine Erziehungsziele? (vgl. hier-zu auch Musiol 2002).

In Vorbereitung auf die Teamsitzung notiert jedeErzieherin des Teams ihre Erziehungsziele auf Mode-rationskarten. Um das spätere Sortieren zu erleich-tern, sollte auf jeder Moderationskarte nur ein Erzie-hungsziel festgehalten werden. Insbesondere in gro-ßen Teams empfiehlt es sich, die Anzahl der mögli-chen Nennungen auf ca. fünf zu begrenzen. JedeErzieherin schreibt also nur die ihr wichtigstenErziehungsziele auf.

Zu jedem genannten Erziehungsziel sollten kurzeGeschichten, Gedanken, Erläuterungen notiert wer-den, so dass die persönliche Bedeutung des jeweili-gen Ziels im Austausch mit den Kolleginnen leben-dig werden kann.

ExkursWas ist unter Erziehungszielen und Handlungszielenzu verstehen?Die Erfahrungen im Projektverbund »Bildung in derKindertageseinrichtung«, an dem das Land Branden-burg mit dem »10-Stufen-Projekt-Bildung« beteiligtwar, zeigen, dass es für Erzieherinnen eine besondereHerausforderung darstellt, Erziehungsziele zu formu-lieren und sie von ihrem konkreten Handeln (alsoden Handlungszielen) zu unterscheiden. Sich vonder Handlungsebene zu lösen und das, wwaass erreichtwerden soll, klar, konkret und verständlich zu be-nennen, ohne das WWiiee damit zu vermischen, ist miteinigen Schwierigkeiten verbunden und brauchtÜbung.Halten wir fest:»Erziehungsziele beschreiben kein erzieherischesHandeln, sondern drücken Vorstellungen von be-stimmten Zuständen, Fähigkeiten und Dispositionenaus, zu deren Verwirklichung erzieherisches Handelnbeitragen soll. (in Anlehnung an Tarnai, C.)2

Modul 1 – Erziehungsziele und Handlungsziele formulieren und reflektieren

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2 Tarnai, Ch.: Erziehungsziele. In: Rost D. H. (Hrsg.): Handwörterbuch Pädagogische Psychologie. S. 146-152

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Ein Beispiel soll verdeutlichen, wodurch sich Erzie-hungsziele und Handlungsziele unterscheiden. In einer Kindertageseinrichtung wurde in einem ers-ten Versuch das folgende »Erziehungsziel« formuliert:

»Wir nutzen die verschiedenen Möglichkeiten (Elternaus verschiedenen Ländern und Kulturen), um KindernAkzeptanz und Verständnis für die Verschiedenheitvon Menschen, die in der Kindertagesstätte zusam-menleben, erfahrbar zu machen.«

In dieser Formulierung wird einerseits bereits dieEbene des pädagogischen Handelns in der Kinder-tagesstätte beschrieben. Die Art und Weise, wwiiee ver-sucht werden soll, das Erziehungsziel zu erreichen,wird mit dem Ziel selbst vermischt. Es sind alsosowohl Erziehungsziel als auch Handlungsziel ineiner Formulierung enthalten. Darüber hinaus wirddas zu erreichende Ziel nicht in Bezug auf denErwachsenen definiert, der aus dem Kind einmalwerden soll, sondern die Zielbeschreibung bleibt auf der Ebene des Kindes.

Beide Ungenauigkeiten in der Formulierung könnenzu erheblichen Schwierigkeiten führen, wenn es da-rum geht, die Zielvorstellungen zu konkretisieren undauf die Ebene des alltäglichen Handelns zu bringen.Um derartige Probleme zu vermeiden, ist einerseitseine genaue Trennung zwischen Weg und Ziel sinn-voll, andererseits die Zielprojektion auf den späterenErwachsenen notwendig. Ersteres vermeidet ein andieser Stelle unnötiges Festlegen auf einen bestimm-ten Weg, der zum Ziel führen soll: hier die Begeg-nung mit Eltern aus anderen Kulturen. Letzteres öff-net den Zugang zu eigenen Überlegungen, also ausErwachsenensicht, was man ggf. selbst benötigenwürde, um die gewünschte Haltung zeigen zu können.

Trennt man also das Erziehungsziel zunächst vonder Handlungsebene und formuliert es in Bezug aufden späteren erwachsenen Menschen, dann könntedie Formulierung etwa folgendermaßen lauten: »Wir wollen, dass der Erwachsene, der das Kindeinmal sein wird, die Verschiedenheit von Menschenakzeptiert und Verständnis für unterschiedliche Kul-turen entwickelt.«

Das darauf bezogene Handlungsziel könnte dannlauten: »Wir ermöglichen dem Kind die Begegnung mit Elternaus verschiedenen Ländern und Kulturen, die inunserer Kita vertreten sind, um ihm Verschiedenheiterfahrbar zu machen und damit Akzeptanz und Ver-ständnis zu fördern.«

Diese genauere Formulierung lässt sofort erkennen,dass auf dieser Stufe des Formulierens davon aus-gegangen wird, dass sich das Ziel allein schon ausder Möglichkeit der Begegnung mit den Eltern ausanderen Ländern und Kulturen erreichen ließe undwirft zum Beispiel die Frage auf, ob nicht auch andie Gestaltung dieser Begegnungen gedacht werdenmüsste. Ferner legt diese Formulierung nahe, auchandere Möglichkeiten (Bücher, Filme, Puppen etc.)in Betracht zu ziehen. Von einem möglichst genau-en Formulieren dessen, was erreicht werden sollund – vor allen Dingen – von einem sorgfältigenUnterscheiden zwischen dem Ziel und den Wegen,es zu erreichen, hängt viel für den (weiteren) Erfolgder Arbeit an den Zielen ab.

2. SchrittDas Team verständigt sich auf Erziehungsziele, dievon allen Erzieherinnen gemeinsam getragen werdenkönnen.

Nach der individuellen Reflexion über die eigenenErziehungsziele geht es im nächsten Schritt darum,sich im Team gemeinsam über die Ziele zu verstän-digen, die von den einzelnen Erzieherinnen einge-bracht werden. Zunächst stellt jede Erzieherin ihrepersönlichen Erziehungsziele vor und erzählt zu jedemZiel eine kurze Geschichte, die erklärt, warum es fürsie persönlich bedeutsam ist.

Im Mittelpunkt steht dabei insbesondere die Ver-ständigung darüber, was die jeweilige Kollegin unterden eingebrachten Zielen versteht. So können zumBeispiel hinter dem in einem Team mehrfach genann-ten Erziehungsziel »Selbständigkeit« sehr unter-schiedliche Vorstellungen der einzelnen Erzieherinnenstehen, was unter Selbständigkeit verstanden werdensoll. Es geht also darum, zu klären, welches Anliegendie Einzelnen mit diesem Ziel zum Ausdruck bringenwollen.

Wichtig dabei ist, dass diese Erläuterungen und ganzpersönlichen Kommentierungen von den anderenTeammitgliedern nicht kritisiert werden und jedeKollegin ihr im Erziehungsziel enthaltenes pädagogi-sches Anliegen in Ruhe vorstellen kann. Erst danachkönnen Verständnisfragen gestellt werden. Die per-sönlichen Bilder und Geschichten zu den einzelnenErziehungszielen stellen dabei eine ganz individuel-le Perspektive dar, die auf biographischen Erfahrun-gen der jeweiligen Erzieherin beruhen. In diesemSinn sind sie auch nicht als »richtig« oder »falsch«zu bewerten.

Modul 1 – Erziehungsziele und Handlungsziele formulieren und reflektieren

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Page 33: Elementare Bildung

Sind der Inhalt und die individuelle Bedeutung desjeweiligen Erziehungsziels geklärt, wird der gemein-same Diskurs darüber eröffnet und geprüft, ob diegenannten Erziehungsziele der einzelnen Erzieherin-nen vom Gesamtteam akzeptiert und mitgetragenwerden können. Gefragt wird, wie es den anderenmit diesem Ziel geht. Können sie das genannte Zielmit tragen? Finden sie sich darin wieder? Aber auch:Gibt es etwas, das ihres Erachtens gegen diesesZiel spricht? Und nicht zuletzt: Sind die formuliertenErziehungsziele zukunftsfähig und legitimierbar? Esist also zu fragen, ob die genannten Ziele mit einemgesellschaftlichen Konsens über anzustrebende Kom-petenzen und ein wünschenswertes Zusammenlebenübereinstimmen und davon ausgegangen werdenkann, dass sie auch in der Gesellschaft der Zukunftvon Bedeutung sein werden. Dabei können Visionenvon einer besseren Gesellschaft ebenso eingebrachtwerden wie ethische Fragen oder die kritische Refle-xion vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte.Am Ende dieser Verständigung im Team stehendann die Erziehungsziele, die von allen gemeinsamgetragen, zumindest toleriert werden können.

Im Zentrum dieses Handlungsschritts steht der Dis-kurs über die mentalen Modelle, die hinter denErziehungszielen der einzelnen Erzieherinnen stehen.Bleiben innere Bilder und Annahmen der Pädagogin-nen, die den im Team vereinbarten Erziehungszielenwidersprechen, unausgesprochen und unreflektiert,kann dies die Umsetzung der Erziehungsziele gefähr-den. Um die Vereinbarungen über Erziehungsziele,die für das zukünftige pädagogische Handeln ver-bindlich sein sollen, nicht scheitern zu lassen, ist esdeshalb notwendig, die individuellen »inneren Bildervom Wesen der Dinge an die Oberfläche zu holen«(Senge, 1996, S.213).

Es empfiehlt sich auch hier, wie für jeden fachlichenDiskurs im Team, eine Person zu bestimmen, die dieModeration übernimmt und darauf achtet, das sichdas Fachgespräch am Thema entlang bewegt undalle Teilnehmerinnen bei der Sache bleiben.

Zugleich sind Offenheit und eine vertrauensvolleAtmosphäre wesentliche Voraussetzungen für dasGelingen dieses Prozesses. Teams, die sich der Auf-gabe gestellt haben, berichten von einer verbesser-ten Zusammenarbeit. Die einzelnen Erzieherinnenlernen sich während des Zieldiskurses besser kennen,unvermutete individuelle Kompetenzen und Interessentreten zutage, die wechselseitige Akzeptanz wächstund in der Folge zeichnet sich die Kooperation imTeam dadurch aus, dass jede einzelne Erzieherinihre fachlichen und persönlichen Kompetenzen in

den Diskurs einbringt und Konkurrenzen in den Hin-tergrund treten.

Nach der inhaltlichen Klärung bietet es sich an, dieeinzelnen Moderationskärtchen mit den Erziehungs-zielen auf Stellwänden oder Wandzeitungen zu sor-tieren. In der Folge lassen sich so leicht Erweiterun-gen vornehmen oder Kärtchen mit Doppelnennungenentfernen. Das Sortieren selbst sollte in Orientierungan der Einteilung der »Grundsätze elementarer Bil-dung« in sechs Bildungsbereiche erfolgen. Aber auchder gemeinsame Rahmen der Jugendministerkonfe-renz kann hilfreich sein. Er enthält Erweiterungender Bildungsbereiche um folgende Inhalte: (Informa-tions-) Technik, Umgang mit Medien, Werteentwick-lung und/oder religiöse Bildung (siehe Überblick derJMK über die Bildungsbereiche in den Materialien,Band 1).

In einem großen Team können zunächst durchausüber 100 Erziehungsziele zusammenkommen, die imVerlauf des Prozesses auf eine handhabbare Größereduziert werden müssen. Dies geschieht zunächstdadurch, dass neben der beschriebenen individuel-len Unterschiedlichkeit in der Definition von Erzie-hungszielen auch viele Gleichheiten auftreten werden.Es gilt also Doppelnennungen zusammenzuführen,bzw. auszuschließen. So gelingt in der Regel eineerste wesentliche Reduktion der Zahl der Erziehungs-ziele.

Weiterhin wird geprüft, ob auf den Moderationskar-ten ausschließlich Erziehungsziele formuliert sindoder bereits Handlungsziele beschrieben wurden.Gegebenenfalls werden dann die Erziehungsziele vonden Handlungszielen getrennt und geprüft, ob dieErziehungsziele, die hinter den jeweils beschriebenenHandlungen stehen, bereits genannt wurden. Fallsnicht, werden die Erziehungsziele entsprechend er-gänzt und das Handlungszielkärtchen beiseite gelegt.

Ein kritischer Blick auf die Formulierung der Erzie-hungsziele schließt den ersten Arbeitsschritt ab.Sind alle aufgelisteten Ziele zukunftsfähig und legi-timierbar?

Sind die Ziele klar und verständlich formuliert, sodass alle Erzieherinnen des Teams und ggf. auchneue Kolleginnen gut damit weiterarbeiten können? Dieses erste Ergebnis sollte dokumentiert werden,um es auch nach einigen Monaten noch für alle imTeam nachvollziehbar zu machen und eine guteBasis für den späteren Schritt des Formulierens vonHandlungszielen zu haben. Wir schlagen vor, nebender Liste der persönlichen Erziehungsziele auch die

Modul 1 – Erziehungsziele und Handlungsziele formulieren und reflektieren

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Page 34: Elementare Bildung

Erläuterungen und Geschichten der einzelnen Erzie-herinnen zu ihren Zielen schriftlich festzuhalten undsie – soweit die Kolleginnen damit einverstandensind – zum Beispiel in einem eigenen Erziehungs-ziel-Ordner für die interne Dokumentation zusam-menzufassen.

3. SchrittEltern und Erzieherinnen verständigen sich darüber,was in der Kindertageseinrichtung erreicht werdensoll.

Eltern, die ihre Kinder in die Kindertagesstätte brin-gen, haben natürlich ebenfalls Vorstellungen davon,was diese Jungen und Mädchen dort lernen undwelche Erfahrungen sie machen sollten. Das wech-selseitige Informieren und Verständigen über solcheErwartungen, Wünsche und Vorstellungen ist Teileiner guten Zusammenarbeit zwischen Eltern undKindertagesstätte, die auch die Bildungschancen derKinder erhöht.

Wird das Formulieren von Erziehungszielen als einegemeinsame Aufgabe von Erzieherinnen und Elterndefiniert, fühlen sich die Eltern ernst genommenund als Erziehungspartner anerkannt. Väter undMütter schätzen es, dass ihre Erziehungsanliegenfür die Kindertagesstätte handlungsleitend sein wer-den und den Erzieherinnen bietet dieser Handlungs-schritt die Chance, »ihre« Eltern besser kennen zulernen und individuelle Bildungs- und Erziehungs-partnerschaften einzugehen.

Nachdem im Team mit dem Formulieren von Erzie-hungszielen ausreichende Erfahrungen gesammeltwurden, werden die Eltern eingeladen, ihre Vorstel-lungen und Wünsche einzubringen und sich am Pro-zess der Verständigung über die Erziehungsziele,die das pädagogische Handeln in »ihrer« Kinderta-gesstätte leiten sollen, zu beteiligen.

Dies kann in Form von Elternabenden geschehen, inArbeitskreisen oder Eltern-Werkstätten, an denen alleinteressierten Mütter und Väter teilnehmen können.Es sollte in jedem Fall ein Vorgehen gewählt werden,das den persönlichen Dialog zwischen Erzieherinnenund Eltern ermöglicht. Eine schriftliche Befragung istin diesem Zusammenhang wenig sinnvoll und bliebehinter den Möglichkeiten zurück, die in der persön-lichen Begegnung angelegt sind. Denn es geht beidieser Beteiligung der Mütter und Väter nicht umeine Abfrage der Elternwünsche, sondern um eineVerständigung über Erziehungsfragen. Wenn Elternerfahren, dass die Erzieherinnen sie in ihren Anlie-

gen und ihrer Sorge um die Zukunft ihrer Kinderernst nehmen, sind sie – auch das zeigen Erfahrungenaus dem Projektverbund »Bildung in der Kindertages-einrichtung«- in der Folge interessierter an den Be-langen der Kindertageseinrichtung. Auf diese Weisekann eine wichtige Basis für die weitere Kooperationgelegt werden.

Bei der Planung und Vorbereitung der Gesprächs-runden mit den Eltern gibt das Vorgehen im TeamOrientierung. Zugleich muss der Ablauf nicht so strikterfolgen, wie im fachlichen Diskurs der Erzieherinnen.Geht es doch in erster Linie darum, sich mit denEltern darüber zu verständigen, was in der Kinderta-gesstätte erreicht werden soll. Die Eltern sollten alsonicht mit Anweisungen zum formalen Ablauf entmu-tigt werden, sich einzubringen. Es ist auch nichtnotwendig, dass die Väter und Mütter bei ihrenschriftlichen Formulierungen immer exakt zwischenErziehungs- und Handlungszielen unterscheiden.Diese Unterscheidungen zu treffen, wäre die Aufgabeder Erzieherinnen in der Auswertung und Nachberei-tung der Elternabende.

In den Gesprächsrunden ist es wichtig, für die Vor-stellungen der Eltern offen zu sein, so dass imErgebnis eine von Eltern und Kindertagesstätten-Team gemeinsam getragene Basis für das Erziehungs-handeln in der Kindertagesstätte erreicht wird. Dasgelingt besser, wenn die Erzieherinnen ihre eigenenZiele zunächst nicht einbringen und auch keineinhaltlichen Vorgaben machen. Es kann auch günstigsein, wenn sich die Eltern – nach einer kurzen Ein-führung – zunächst einmal untereinander in kleinenGruppen austauschen und der Diskurs zwischenErzieherinnen und Eltern erst anschließend aufge-nommen wird.

Geht ein Team den umgekehrten Weg und stellt zuBeginn des Austauschs mit den Eltern seine (bisdahin erarbeiteten) eigenen Erziehungsziele in denMittelpunkt, dann werden damit Vorgaben gesetztund eine Orientierung daran nahe gelegt. Das Nach-denken der Väter und Mütter über ihre eigenen Vor-stellungen und Wünsche wird so von vornhereineingeengt oder Eltern möglicherweise entmutigt,eigene Interessen einzubringen.

Die Erziehungsziele des Teams sollen den Elternselbstverständlich nicht vorenthalten werden. Siewerden zu einem späteren Zeitpunkt in einem Zwi-schenergebnis (wenn der Prozess in einem großenTeam über einen längeren Zeitraum andauert) oderin der abschließenden Übersicht vorgestellt. Es wirddabei nicht zuletzt auch darum gehen, die Erzie-

Modul 1 – Erziehungsziele und Handlungsziele formulieren und reflektieren

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Page 35: Elementare Bildung

hungsziele der Erzieherinnen mit denen der Elternzu vergleichen. Meist unterscheiden sich die Vorstel-lungen der Eltern nicht allzu sehr von denen desKita-Teams, zumindest wenn die Väter und Mütteraus demselben Kulturkreis kommen wie die Erzie-herinnen, was in der Mehrzahl der BrandenburgerKindertageseinrichtungen der Fall ist. Wurden vonMüttern oder Vätern Erziehungsziele genannt, dieeinen neuen Aspekt hinzufügen, der bislang vonden Erzieherinnen nicht formuliert wurde, werdendiese – vorausgesetzt sie sind legitimierbar undzukunftsfähig – den bereits bestehenden hinzuge-fügt.

Für den Erziehungszieldiskurs mit den Vätern undMüttern sollten mehrere Treffen eingeplant werden.Beispiele zeigen, dass sich aus der Anfangsfragenach den Wünschen der Eltern für ihre Kinder einintensiver Dialog entwickeln kann. Kindheit gesternund heute, ggf. Kindheit in verschiedenen Kulturen,Erziehungsfragen und -methoden und die Zukunfts-fähigkeit und Legitimierbarkeit von eingebrachtenErziehungszielen und gewünschtem Erziehungshandelnkönnen Themen dieses Dialogs sein. Ein solcherProzess kann über mehrere Monate andauern undsollte auch jederzeit offen sein für neugierig gewor-dene Mütter und Väter, die sich erst später beteili-gen wollen3.

Am Ende dieses Arbeitsschrittes stehen Erziehungs-ziele, die von Eltern und Erzieherinnen gemeinsamgetragen werden und so eine gute Basis für dieweitere Bildungspartnerschaft bieten.

4. SchrittAlle bisher zusammengetragenen Erziehungszielewerden mit dem gesellschaftlichen Bedarf abgeglichen.

Die bis zu diesem Punkt erarbeiteten Erziehungszie-le basieren (weitestgehend) auf den persönlichenVorstellungen und Erwartungen der Erzieherinnenund Eltern. Ein verantwortlich arbeitendes Kita-Teamkann sich in seinem Handeln jedoch nicht ausschließ-lich auf persönliche Zielvorstellungen stützen. Es hatdarüber hinaus die Aufgabe, die gesellschaftlicheAuseinandersetzung über Bildungs- und Erziehungs-fragen im Blick zu behalten, den öffentlichen Diskurskritisch zu reflektieren und die von Eltern und Erzie-herinnen zusammengetragenen Erziehungsziele ggf.

um gesellschaftlich als bedeutsam erachtete Inhaltezu ergänzen.

Dabei werden auch Fragen einer allgemeineren Per-spektive eine Rolle spielen: Welche Kompetenzenbrauchen Menschen, um sich in die heutige und diezukünftige Gesellschaft mitgestaltend einbringen zukönnen und ihr persönliches Leben erfolgreich undbefriedigend zu führen? Welchen sozialen und kog-nitiven Fähigkeiten bieten gute Voraussetzungen,um auf zunehmend komplexer werdende Lebens-verhältnisse vorbereitet zu sein und ihnen nicht ausdem Weg zu gehen? Welche Bildungsinhalte undWissensfelder sichern die Zukunftsfähigkeit unsererGesellschaft?

Angesichts der Umbruchsituation, in der wir unsheute befinden sind dies keine einfachen und ab-schließend zu beantwortenden Fragen. Die Reflexionder gesellschaftlichen Debatte kann deshalb keineeinmalige Aufgabe sein, sondern sollte immer wie-der kritisch aufgegriffen werden.

Im Zentrum dieses Arbeitsschritts steht die Frage,ob in den bisherigen Überlegungen von Erzieherinnenund Eltern alle gesellschaftlich bedeutsamen Kom-petenzen und Wissensfelder berücksichtigt wurden.Die Aufgabe besteht also darin, die bis dahin zu-sammengetragenen Erziehungsziele mit dem gesell-schaftlich formulierten Bedarf abzugleichen.

Welche Kompetenzen werden von Mitgliedern unse-rer Gesellschaft erwartet?

Über welche Fähigkeiten und Fertigkeiten sollen dieeinzelnen Bürger verfügen?

Über welche Ziele gibt es gesellschaftlichen Konsens?

Die gesellschaftlich diskutierten Ziele sollten dabeidurchaus kritisch reflektiert werden. Insbesonderekann es nicht das Ziel des Bildungs- und Erziehungs-auftrags von Kindertageseinrichtungen sein, sicheinseitig an den von der Wirtschaft formuliertenQualifikationserfordernissen auszurichten. Vielmehrsollte ebenso die befriedigende Lebensorientierungdes Individuums Berücksichtigung finden. Dazu ge-hören unter anderem seine Fähigkeit, Krisensituatio-nen zu begreifen, Zusammenhänge zu verstehen undsich in einer Welt der Umbrüche zurechtzufinden(vgl. hierzu Negt 2003).

Modul 1 – Erziehungsziele und Handlungsziele formulieren und reflektieren

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3 Im Rahmen des Projektverbundes »Bildung in der Kindertageseinrichtung« wurden insbesondere in Baden-Württemberg vielfältigeErfahrungen mit der Gestaltung von Elternabenden und Werkstätten zu Erziehungsfragen gesammelt. Diese Beispiele sollen ineiner späteren Veröffentlichung vorgestellt werden.

Page 36: Elementare Bildung

Für diesen Arbeitsschritt können aktuelle Veröffent-lichungen in (Fach-)Zeitschriften und Fachbüchernebenso herangezogen werden wie Expertisen, Befra-gungen oder Verlautbarungen von Gremien undInteressenverbänden. Alle Erzieherinnen des Teamssind eingeladen, Materialien zu diesem Arbeitsschrittbeizusteuern. Die Texte werden gesammelt und dasTeam entscheidet gemeinsam, welche für die weite-re Recherche genutzt werden sollen. Vorschläge fürgeeignete Texte finden sich im Anhang dieser Hand-reichung.

Zu zweit oder dritt, in kleinen Gruppen auch in Ein-zelarbeit, werden dann die Texte durchgearbeitetund die darin enthaltenen Erziehungsziele herausge-filtert. Auch hier erleichtert es den weiteren Diskurs,wenn die Ergebnisse dieser Arbeit schriftlich festge-halten werden und die gefundenen Erziehungszielezunächst auf einem Flipchart – Bogen notiert werden.

Die Ergebnisse werden später im Plenum vorgestelltund unter der Fragestellung kritisch reflektiert, wel-che der als gesellschaftlich diskutierten Erziehungs-ziele Relevanz für die Pädagogik der Kindertages-stätte haben sollen. So weit solche Ziele im bisheri-gen Prozess noch nicht berücksichtigt wurden, werdensie auf Moderationskarten notiert und in die Erzie-hungsziele der Kindertagsstätte integriert.

5. SchrittDie im Team und mit den Eltern zusammengetragenenpersönlichen und gesellschaftlichen Erwartungenwerden auf der Folie der normativen Vorgabengegen den Strich gebürstet und ggf. ergänzt.

Nicht zuletzt sind die Erzieherinnen in ihrer Tätigkeitauch den gesetzlichen Vorgaben und der Rahmen-konzeption des Trägers verpflichtet. Entsprechendmüssen sich die in KJHG, TAG4, Landesgesetz undTrägerkonzeption benannten Erziehungsziele unterdenen einer Kindertagestätte wieder finden und impädagogischen Handeln berücksichtigt werden. Esgeht in diesem Arbeitsschritt also darum, die imTeam und mit den Eltern zusammengetragenen per-sönlichen und gesellschaftlichen Erwartungen aufder Folie der normativen Vorgaben gegen den Strichzu bürsten und ggf. zu ergänzen. Im Rahmen diesesArbeitsschrittes wird auch sichergestellt, dass alle inden »Grundsätzen elementarer Bildung« genanntenZiele und Bildungsbereiche in den Erziehungszielender Kindertagesstätte zu finden sind.

Das Vorgehen ist dem in Schritt 4 vergleichbar.Zunächst werden alle zu berücksichtigenden Geset-zestexte des Bundes und des Landes, Rahmenkon-zeptionen, Bildungspläne und die »Grundsätze ele-mentarer Bildung« zusammengetragen und festge-legt, wer aus dem Team für die weitere Rechercheverantwortlich ist. Die in den normativen Vorgabenenthaltenen Erziehungsziele werden dann wieder imGesamtteam mit dem bisher vorliegenden Zwischen-ergebnis abgeglichen, bislang unberücksichtigteErziehungsziele werden in die vorliegende Sammlungeingefügt.

Mit diesem Schritt ist der Prozess des Formulierensvon Erziehungszielen abgeschlossen. Es sollte nuneine Sammlung von Erziehungszielen vorliegen, dievon allen Erzieherinnen reflektiert wurden und authen-tisch vertreten werden kann, an deren Zustande-kommen die Eltern beteiligt waren und die somitvon der Zustimmung der Väter und Mütter mitgetra-gen wird.

Diese Erziehungsziele sind verbindlich für die päda-gogische Arbeit in der Kindertageseinrichtung undbehalten für einen festgelegten Zeitraum, nach demsie überprüft und ggf. verändert werden sollten,ihre Gültigkeit.

Kommen neue Kolleginnen in das Team, solltenauch sie zu Beginn ihrer Tätigkeit in der Kinderta-gesstätte reflektieren, welche Vorstellungen undErwartungen ihr pädagogisches Handeln leiten undihre persönlichen Erziehungsziele notieren (sieheSchritt 1). Auch wenn die Wahrscheinlichkeit großist, dass die Ziele einer neuen Kollegin in der vor-liegenden Erziehungsziel-Sammlung bereits berück-sichtigt sind, ist dieser Schritt bedeutsam. Macht erdoch deutlich, dass für die erfolgreiche Umsetzungdes Bildungs- und Erziehungsauftrags in der Kinder-tagesstätte die Ressourcen aller Erzieherinnen desTeams gebraucht werden und die Mitgestaltung durchdas neue Teammitglied ausdrücklich gewünscht wird.

In der ersten gemeinsamen Teamsitzung kann derneuen Kollegin die Gelegenheit gegeben werden,ihre Erziehungsziele vorzustellen, und sie sollte ein-geladen werden, ihre persönlichen Erläuterungenund Geschichten in den Erziehungsziel-Ordner einzu-fügen.

Ebenso sollte auch mit neuen Eltern – in der Regelzu Beginn des Kindergartenjahres – ein Elternabend

Modul 1 – Erziehungsziele und Handlungsziele formulieren und reflektieren

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4 Gesetz zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder (Tagesbetreuungsausbaugesetz) vom27.12.2004

Page 37: Elementare Bildung

zum Thema Erziehungsziele durchgeführt und ihreErwartungen und Vorstellungen dokumentiert wer-den. Finden noch Arbeitsgruppen oder Werkstättenzu angrenzenden Themen statt, sollten auch dieneuen Mütter und Väter eingeladen werden, sichdaran zu beteiligen.

Die Aufgabe ist nun, von den eher abstrakt formu-lierten Erziehungszielen zur Ebene des konkretenpädagogischen Handelns zu kommen.

6. SchrittDie Erziehungsziele werden auf die Handlungsebene»übersetzt«.Im Mittelpunkt steht die Frage: Wie können die Erziehungsziele Eingang in diepädagogische Arbeit finden?

Dabei sollte berücksichtigt werden, dass Erziehungals konkrete Tätigkeit, und darum geht es beim For-mulieren von Handlungszielen, daran zu messen ist,ob und in welchem Umfang jedes Kind in der Kin-dertagesstätte vielfältige und komplexe Erfahrungenüber die Welt und ihre Beschaffenheit sammeln kann,im Umgang mit Dingen ebenso wie im Umgang mitMenschen. Zu fragen ist bei der »Übersetzung« derErziehungsziele auf die Handlungsebene deshalbimmer auch, welche komplexen Herausforderungendie Kindertagesstätte für die einzelnen Kinder unddie Kindergruppe in den einzelnen Bildungsbereichenbereitstellen sollte.

Was müssen wir tun, um es jedem Kind zu ermögli-chen, sich bestimmte Kompetenzen und Haltungenzu erarbeiten?

Welche Erfahrungen sollten wir den Kindern ermög-lichen?

Wie können wir kulturelle Wissensbestände zumBeispiel aus dem Bereich der Physik, der Musik, derMathematik, der Sprache so präsentieren, dass siedie Kinder einladen zu interpretieren, nachzuden-ken, mit anderen auszuhandeln, was das allesbedeutet?

Und nicht zuletzt: Wie können die Jungen und Mäd-chen von den Erwachsenen ermutigt und unterstütztwerden, die komplexen Anregungen anzunehmen(vgl. hierzu Andres, 2002, S.341ff )?

Neben diesen, im engeren Sinn pädagogischen Fra-gestellungen werden ebenso wie beim Erarbeitenvon Erziehungszielen auch bei diesem Handlungs-

schritt die Lebenserfahrungen der einzelnen Team-mitglieder genutzt.

Das nachfolgend beschriebene Vorgehen beziehtsowohl die Fachkompetenz der Erzieherinnen einesTeams als auch ihre persönlichen biographischenErfahrungen mit ein. Wir haben dazu Fragen formu-liert, die einen systematischen Zugang zu den Res-sourcen des Teams ermöglichen und einen Weg zurHandlungsebene öffnen können. Wenn als Erziehungs-ziel zum Beispiel »Selbstständigkeit« bearbeitetwerden soll, das von nahezu allen Kita-Teams desProjektverbundes genannt wurde, so lauten dieZugangsfragen entsprechend wie folgt:• Woran würde iicchh merken, dass ein erwachsener

Mensch selbständig ist?• Was müsste an äußeren Bedingungen gegeben

sein, damit iicchh sseellbbsstt die (zuvor aufgelisteten)einzelnen Merkmale eines selbständigen Menschenzeigen bzw. (weiter)entwickeln kann?

Der Prozess des Konkretisierens des Ziels »Selbst-ständigkeit« vollzieht sich zunächst in der Arbeit andiesen beiden Fragen. Bei ihrer Beantwortung ist eswichtig, sich (noch) nicht auf die Ebene der Kinderzu begeben, sondern die gesamte berufliche undprivate Erfahrung, die eine Erzieherin in ihrem bis-herigen Leben bezogen auf ihre eigene Selbständig-keit gesammelt hat, zu nutzen. Es soll also geradenicht unter dem (manchmal eingeschränkten undeinschränkenden) pädagogischen Blick geantwortetwerden, sondern Erwachsene tragen in einem erstenSchritt zusammen, an welchen Merkmalen eineserwachsenen Menschen sie Selbstständigkeit erken-nen würden.

Wenn ein gesamtes Team oder zumindest ein grö-ßeres Teilteam sich dieser Aufgabe widmet, gelingtes relativ schnell, vielfältige Facetten von Selbst-ständigkeit aufzuzeigen und damit zu einer genaue-ren Definition dieser Kompetenz zu gelangen. Allediese Merkmale werden so, wie sie genannt wur-den, auf einem Flipchart aufgeschrieben und dabeiinsbesondere nicht bewertet oder auf ihre Sinnhaf-tigkeit hin diskutiert.

Im nächsten Schritt werden dann in der Beantwor-tung der zweiten Zugangsfrage (Was müsste anäußeren Bedingungen gegeben sein, damit iicchhsseellbbsstt die einzelnen Merkmale eines selbständigenMenschen zeigen kann?) die Bedingungen zusammengetragen, die für den Erwerb oder das Zeigen vonSelbständigkeit aus der Sicht der Teammitgliederbedeutsam sind. Dabei kommt es sehr darauf an,die unterschiedlichen Nennungen der Kolleginnen

Modul 1 – Erziehungsziele und Handlungsziele formulieren und reflektieren

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Page 38: Elementare Bildung

im Team zu akzeptieren und nebeneinander stehenzu lassen. Unter dem Gesichtspunkt lebensgeschicht-licher Erfahrungen gibt es auch hier, ebenso wiebeim Formulieren persönlicher Erziehungsziele,keine »richtige« oder »falsche« Sichtweise. Nachdiesem Schritt existieren auf mehreren Flipchart-Bögen zu jedem der genannten Merkmale (Woranwürde ich merken, ...) eine Reihe von Bedingungen,die als notwendig oder hilfreich erachtet werden,dass die Erzieherinnen des Teams die Eigenschaft(in diesem Fall Selbstständigkeit) zeigen oder entwi-ckeln können.

Das Ergebnis des Arbeitsschrittes bildet dann dieBasis für die weitere Operationalisierung des jewei-ligen Erziehungsziels. Auf der Grundlage der vonden Erwachsenen für wichtig gehaltenen äußerenBedingungen, unter denen sie (in diesem Fall)Selbstständigkeit zeigen oder entwickeln können,wird die dritte Zugangsfrage beantwortet:• Was müssten wir als Erzieherinnen tun, damit die

Kinder in der Kindertagesstätte die Bedingungenvorfinden, die wir selbst für wichtig halten, umSelbstständigkeit zeigen bzw. entwickeln können?

Hilfreich kann es sein, diese dritte Frage exempla-risch für bestimmte Situationen im Tagesablauf zubeantworten, die dann aber für die Bearbeitung desjeweiligen Ziels geeignet sein müssen. Punkt fürPunkt werden nun die unter der 2. Frage aufgeführ-ten eigenen Erfahrungen der verschiedenen Team-kolleginnen konsequent in den Blick genommenund gefragt: Was müssten wir in der Kindertages-stätte tun, um diese Bedingungen, die in unseremeigenen Leben bedeutsam waren und sind, für dieKinder herzustellen? Dabei werden die Handlungs-ziele in ihre (vorläufig) endgültige Form gebracht. Weitere Konkretisierungen gelten dann der Frage:Wie können wir dabei den jeweiligen Bedürfnissenund Kompetenzen von jüngeren und älteren Kinderngerecht werden? In diesem Kontext kommen dieentwicklungspsychologischen Kenntnisse der Erzie-herinnen zum Tragen. Es versteht sich von selbst,dass beim Übertragen von der Erwachsenen- auf dieKinderebene darauf geachtet werden muss, die denErwachsenen vorbehaltenen Handlungsmöglichkei-ten auszusortieren. Das gilt zum Beispiel für folgen-de Antworten, die in einem Arbeitskreis anhand derFrage »Was müsste für mich an äußeren Bedingun-gen gegeben sein, damit ich mich entspannenkann?« gegeben wurden: ein Glas guten Cognacs;ein Wald, in dem ich joggen kann.

Beim Formulieren der Handlungsziele ist von allenBeteiligten eine hohe Genauigkeit gefordert. Auf

präzise Beschreibungen der Handlungsvorschläge zuachten und die Kolleginnen gegebenenfalls um einedetaillierte Beschreibung zu bitten, ist wieder Aufga-be einer Moderatorin, die auch für diese Teamsit-zungen bestimmt werden sollte. Die Erfahrung ausdem Projektverbund »Bildung in der Kindertagesein-richtung« zeigt, dass unpräzise Aufzeichnungen, diesich zum Beispiel auf Stichpunkte oder Spiegelstrich-listen beschränken, die Weiterarbeit stark behindernkönnen. Wir schlagen deshalb vor, bei jeder Formu-lierung zu prüfen, ob auf dieser Basis Zielvereinba-rungen getroffen werden können, also nach einemvereinbarten Zeitraum an bestimmten Merkmalen zuerkennen wäre, ob das aufgestellte Handlungszielerreicht wurde (vgl. hierzu ausführlich: Ziesche/Ge-bauer-Jorzick: Qualitätswerkstatt Kita. Bildungspro-zesse in Kindertagesstätten. 2002).

Die notwendige Überprüfbarkeit der Handlungszielemacht deutlich, dass das Erarbeiten von Vereinba-rungen über das zukünftige Handeln an die Grund-sätze der eigenen Pädagogik rühren. Es gilt, indivi-duell bedeutsame Erfahrungen ernst zu nehmenund in geeigneter Weise auf den Umgang mit denKindern zu übertragen – auch dann, wenn zunächststrukturelle Gegebenheiten oder fachliche Grenzender Umsetzung im Weg zu stehen scheinen. Die ein-zelnen Erzieherinnen müssen Stellung beziehen undfür die Umsetzung ihrer Ziele Verantwortung über-nehmen.

Das Erarbeiten der Erziehungs- und Handlungszielestellt einen bedeutsamen Einstieg in die verantwort-liche Umsetzung des Bildungs- und Erziehungsauf-trags dar. Die Einrichtungen können damit ein indi-viduelles Profil entwickeln, das von allen mitgetragenwird und an dem sich das pädagogische Handelnjeder Erzieherin im Team orientiert. Indem jede Kol-legin in diesem Prozess mit ihren eigenen und durch-aus persönlichen Zielvorstellungen sichtbar wird undsie als Ressource für die pädagogische Arbeit zurVerfügung steht, gewinnen die Erziehungsziele anVerbindlichkeit und Gewicht für die pädagogischeArbeit.

ExkursStolpersteine beim Formulieren von Erziehungs- undHandlungszielenInsbesondere das Erarbeiten der Handlungsschrittefällt nicht immer leicht. Nicht selten wird zunächstin den Handlungszielen wiederholt, was in der Kitabereits gängige Praxis ist. Es gelingt dann nicht,Ziele zu formulieren, die (möglicherweise) von derbisherigen Pädagogik weit entfernt sind. Zwar fühlen

Modul 1 – Erziehungsziele und Handlungsziele formulieren und reflektieren

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Page 39: Elementare Bildung

sich Kita-Teams dann zunächst sehr bestätigt undanerkannt in ihrem bisherigen Tun, aber die Erfah-rung der beiden Erprobungsjahre zeigt, dass imfortschreitenden Prozess häufig Unzufriedenheitoder gar Langeweile aufkommen.

Offensichtlich ist es ungewohnt, begründbare Visio-nen zu entwickeln und über das, was ist, hinauszu-blicken. Auch erwartete Schwierigkeiten, die eineUmsetzung unmöglich erscheinen lassen, könnenbereits beim Aufscheinen einer Idee das Aussprechenverhindern. Unsicherheiten werden regelmäßig aus-gelöst, wenn ein Team sich auf neue Vorgehens-weisen verständigt. Auch die Sorge, ein in der Ver-gangenheit erarbeitetes und erfolgreiches Konzeptzugunsten neuer Ziele und eines neuen Vorgehensaufgeben zu müssen und damit einen Teil der

beruflichen Identität, kann das Nachdenken überErziehungs- und Handlungsziele behindern. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, sich im Teamzu vergewissern, was in einem vorhandenen Konzeptund in der bisherigen Praxis – bezogen auf dieaktuellen Erziehungs- und Handlungsziele – bereitstragfähig ist. Keine Erzieherin und kein Team fangenbeim Punkt Null an. Deshalb sollte deutlich sichtbargemacht und einbezogen werden, was sich als guteBasis für das Lernen und die Bildung der Kinderbereits bewährt hat und worauf aufgebaut werdenkann. Diese Verortung des Neuen in einer bereitstragfähigen Praxis ist als eigener Schritt eingeplantund erfolgt in der Ist-Analyse, die als Teil der Quali-tätsentwicklung und des Controllings in einer späte-ren Veröffentlichung beschrieben wird.

Modul 1 – Erziehungsziele und Handlungsziele formulieren und reflektieren

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Page 40: Elementare Bildung

Verfahrensschema zum Formulieren von Zielen – eine Übersicht

11.. SScchhrriittttJede Erzieherin formuliert für sich Ziele, die sie persönlich für bedeutsam hält.

22.. SScchhrriittttAlle diese Ziele werden im Team einer Kita zusammengetragen, durch Geschichten oder Anekdoten, die sichdamit verbinden, konkretisiert und unter den Gesichtspunkten »Zukunftsfähigkeit« und »Legitimierbarkeit«diskutiert. Alle Ziele zusammen machen nach einer redaktionellen Überarbeitung den Kernbestand persönli-cher Erziehungsziele der Einrichtung aus.

33.. SScchhrriittttIm nächsten Schritt werden die Eltern der Kinder in das Formulieren von Erziehungszielen einbezogen.Auch die Ziele der Eltern werden unter den Gesichtspunkten der Legitimierbarkeit und Zukunftsfähigkeitdiskutiert. So weit die Ziele der Eltern über die des Teams hinausreichen, findet eine erste Erweiterung desZielkatalogs der Erzieherinnen statt.

44.. uunndd 55.. SScchhrriittttIn weiteren (ggf. auch parallelen) Schritten werden die Ziele des Trägers, gesetzliche Vorgaben und Themenaus der öffentlichen Diskussion (Wissensdelphi, Forum Bildung, Fachliteratur, Bildungs- und Erziehungspläneetc.) herangezogen und, falls noch nicht berücksichtigt, eingefügt.

Die Ziele werden nach Prioritäten geordnet, unter den folgenden Fragestellungen analysiert und für dieHandlungsebene vorbereitet:

• Woran würde ich merken, dass ein Mensch über die Zielkompetenz X verfügt? Alle Antworten werden aufgelistet.

• Was müsste an äußeren Bedingungen gegeben sein, damit ich (als Erwachsener) diese in den vorange-gangenen Antworten genannten Merkmale zeigen oder entwickeln kann? Wieder werden alle Antworten aufgelistet.

• Wie muss die Umgebung des Kindes und die pädagogische Interaktion mit ihm gestaltet werden, um fürdas Kind entwicklungsgemäß vergleichbare Bedingungen, wie die Erwachsenen sie benötigen, zu schaffen?Liegen Fachkenntnisse vor, die Hinweise auf eine Förderung der Zielkompetenz enthalten?

Die verschiedenen Antworten, die in einem Team zu diesen Fragen gegeben werden, bleiben nebeneinan-der stehen und machen die für gewöhnlich vorhandenen verschiedenen Aspekte der Ziele deutlich undkonkretisieren die Vorstellungen, wie ein Ziel durch Gestaltung der Umwelt und der Interaktion mit denKindern möglicherweise erreicht werden kann. Das Verfahren nutzt die Berufs- und Lebenserfahrung derTeammitglieder, wobei ggf. vorliegende entwicklungspsychologisch begründete Kenntnisse berücksichtigtwerden. Vor diesem Hintergrund wäre die Anwesenheit einer entsprechend ausgebildeten Erzieherin injedem Team mehr als wünschenswert.

Modul 1 – Erziehungsziele und Handlungsziele formulieren und reflektieren

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Einführung

In der Kindertagestätte ist es Aufgabe der Erziehe-rinnen, die Jungen und Mädchen als Gegenüber insozialen Aushandlungsprozessen ernst zu nehmen,ihren Fragestellungen mit Offenheit zu begegnen,sie in ihrem Lernen zu unterstützen und sie heraus-zufordern, ihr Bild von der Welt zu erweitern. Dazuunabdingbar gehört, die je eigenwilligen Bildungs-wege jedes Kindes zu reflektieren und auf dieserBasis subjektiv akzentuierte Lernprozesse zu unter-stützen. In dieser Zielsetzung liegt der erste undwichtigste Grund für die Notwendigkeit der Beob-achtung im pädagogischen Prozess. Entsprechendsind auch in erfolgreichen frühpädagogischen Kon-zepten und Vorgehensweisen anderer Länder die

Beobachtung und Dokumentation von Aktivitäten,Bildungsprozessen und bzw. oder Entwicklungsfort-schritten der Kinder zentrale Handlungsschritte.

So hat in Neuseeland Margaret Carr ein Verfahrenentwickelt, in dem die Lerngeschichten der einzelnenKinder beschrieben, diskutiert und dokumentiert wer-den. Auf dieser Basis sind die Erzieherinnen aufge-fordert zu entscheiden, was das Kind als nächstesbraucht und welche Angebote sie ihm machen soll-ten (Carr, 2001, Leu, 2002). Bekannter sind hierzu-lande bislang die englischen Early Excellence Centres.Auch in diesen Einrichtungen haben die Beobachtungund Dokumentation einen zentralen Stellenwert. Dieintensive Kooperation von pädagogischem Fachper-sonal und Eltern wäre ohne die dort praktizierte

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Modul 2

Kindverhalten beobachtenund fachlich reflektieren

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Dokumentation nicht denkbar (Whalley, 2001, Kater,2003, Pesch, 2003). Nicht zuletzt gelten den Päda-gogen und Pädagoginnen in den städtischen Kinder-gärten und Krippen in Reggio Emilia die Beobachtungder Kinder und die Dokumentation von Projektenals Grundlage für ihren Erkenntnisgewinn und dieWeiterentwicklung ihrer Pädagogik.

In der Bundesrepublik Deutschland beziehen sichWissenschaft und Praxis auf diese Erfahrungen undKonzepte anderer Länder. So erprobt derzeit dasDeutsche Jugendinstitut im Projekt »Bildung- undLerngeschichten« in bundesdeutschen Kindergärtenund Kindertageseinrichtungen das NeuseeländischeVerfahren (Leu, 2002). Und in Orientierung an demenglischen Modell führt das Pestalozzi-Fröbel-Hausin Berlin ein Projekt durch (Hebenstreit-Müller/ Küh-nel 2004). Im »10-Stufen-Projekt-Bildung« hat infansbereits 2001 damit begonnen, das hier vorgestellteKonzept pädagogischen Handelns zu entwickeln undzu erproben, in dem unter Einbeziehung internatio-naler Erfahrungen der Beobachtung und Dokumen-tation ebenfalls ein zentraler Stellenwert zukommt.

Über diese Projekte hinaus wird in der Bundesrepu-blik auch in den vorliegenden Bildungs- und Erzie-hungsplänen der einzelnen Bundesländer nahezuausnahmslos auf die Notwendigkeit systematischerBeobachtung hingewiesen. Von den Erzieherinnenwird also erwartet, sich mit Beobachtungsmethodenauseinander zu setzen und Beobachtung zukünftigin ihr pädagogisches Handeln zu integrieren. Auchin den »Grundsätzen elementarer Bildung« des Lan-des Brandenburg wird die Bedeutung der Beobach-tung in der Pädagogik der Kindertagesstätten injedem der sechs Bildungsbereiche betont. Es wirdfestgehalten, dass Beobachtung und Dokumentation»Ansatzpunkte für unterstützende und förderndeAngebote liefern« und für die Zusammenarbeit mitden Eltern genutzt werden sollen.

Um diesen Anforderungen gerecht werden zu können,ist es zunächst einmal sinnvoll, sich damit zu befas-sen, welche Bedeutung Beobachtung im Handlungs-feld der Frühpädagogik hat, was mit den unterschied-lichen Formen der Beobachtung erreicht werden kannoder aber verhindert wird. Nicht zuletzt ist zu klären,mit welchem Ziel die systematische Beobachtung imhier vorgelegten pädagogischen Handlungskonzeptangewandt werden soll.

Was wir unter Beobachtung verstehen

Beobachtung und Dokumentation in der Bedeutung,wie wir sie hier verhandeln wollen, sind zielgerich-tete, auf einen definierten Kontext bezogene Tätig-keiten bzw. Verfahrensweisen im pädagogischenHandlungsfeld. Sie sind nicht Selbstzweck und ohnerelativ genaue Vorstellungen darüber, welche Zieledamit erreicht werden sollen, eigentlich sinnlos.Anders ausgedrückt, sind beide nur als integrierterTeil pädagogischer Konzepte sinnvoll, wobei »inte-griert« heißen soll, dass zentrale Ziele der pädago-gischen Konzeption ohne Beobachtung und Doku-mentation nicht erreicht werden können. Eigentlichsollte das schon aus Gründen der Arbeitszeitökono-mie klar sein, denn beide Verfahrensweisen erforderneinen erheblichen Zeitaufwand, der anders als durcheinen zentralen und durch seine Bedeutung für diepädagogischen Absichten ausgewiesenen Stellenwertnicht zu rechtfertigen wäre. Beobachtung und Doku-mentation für sich genommen sind also noch keineQualitätsmerkmale zur Beurteilung der pädagogischenArbeit in einer Kindertageseinrichtung, sie gewinnenihre Bedeutung erst durch den Stellenwert, den siein einer pädagogischen Konzeption einnehmen.

In Hinblick auf die Beobachtung haben wir es dabeigrundsätzlich mit zwei sehr verschiedenen Formenzu tun, die sich aus zwei unterschiedlichen Zielset-zungen ergeben: Zum einen die Beobachtung alsMessinstrument, das heißt über in aller Regel vor-formulierte Fragen wird das beobachtbare Verhaltenvon Kindern auf Übereinstimmung mit Normvorstel-lungen überprüft. Im Projektverbund »Bildung in derKindertageseinrichtung« benutzen wir das Instrument»Grenzsteine« auf diese Weise.

Zum anderen kann Beobachtung der nicht-normativenBeschreibung von Verhalten dienen. Dazu gehörendie Verfahren, die zum Beispiel in der ethologischenForschung benutzt werden oder auch in explorativenForschungsvorhaben in den Sozialwissenschaften –bzw. genauer – und das ist für uns jetzt von Inte-resse – dem Zusammentragen und Festhalten vonInformationen, die eine nachträgliche reflektierteDeutung des beobachteten Verhaltens ermöglichen.Dazu kann einerseits die Alltagssprache benutztwerden, andererseits können auch fachlich definierteBegriffe oder sogar quantifizierende Elemente Ver-wendung finden, so lange das Verfahren nicht aufeine bloße Klassifizierung mit normierten Hand-lungsfolgen zielt (wie etwa eine ärztliche Diagnose),sondern auf ein Verstehen der Handlungen oder –allgemeiner – des Verhaltens desjenigen, der beob-achtet wird.

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

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Das Verstehen, von dem hier dem Rede ist, ist je-doch ein besonderes: Es geht nicht um ein selbst-genügsames Verstehen, das es dem Beobachterermöglicht, ganz für sich sein Bild vom Beobachtetenzu vervollständigen. Es geht um ein diskursives Ver-stehen, das erstens nicht allein gewonnen werdenkann und zweitens als während der Arbeitszeit inder Kindertagesstätte ko-konstruierter Sachverhaltauch nicht Privatsache des Beobachters bleibenkann, sondern als Grundlage für pädagogischesHandeln – genauer für die pädagogisch inspirierteInteraktion zwischen Erzieherin und Kind – dienenkann und soll. Darin liegen zumindest die Bedeu-tung und die Legitimation sowohl für die Beobach-tung selbst als auch für ihre kollegiale Interpretation.

Halten wir fest: Der Kontext, auf den wir uns hierbeziehen und der Beobachtung und DokumentationBedeutung und Legitimation verleiht, schließt dieNotwendigkeit einer Verständigung zwischen Erwach-senen und Kindern ein, die – so behaupten wir –vorerst ohne diese beiden Verfahren nicht erreichtwerden kann. Damit sind nicht alle Gründe genannt,die für Beobachtung und Dokumentation sprechen,aber der vielleicht wichtigste. Dazu jedoch spätermehr.

Was meint Verständigung in diesem Zusammenhangund weshalb müssen so distanzierte Formen dessozialen Umgangs wie die Beobachtung dazu ver-wendet werden? Wenn wir uns als Erwachsene ver-ständigen wollen, würde ein solches Vorgehen geradezu kontraproduktiv sein. Wenn wir uns alsErwachsene verständigen wollen, reden wir miteinan-der, wählen vielleicht eine geeignete Situation dafüraus, aber wir beobachten uns für gewöhnlich nicht.

Als Erwachsene steht uns dabei eine Vielfalt vonOptionen zur Verfügung, wie wir andere Erwachsene»verstehen« können. Das gilt zumindest dann, wennwir die gleiche Sprache sprechen und über ein ge-meinsames Referenzsystem kultureller Bedeutungenverfügen, das es uns ermöglicht, Gesten, Körperhal-tungen, Kleidung, Sprachmelodie, Stimmmodulation,Blickkontaktverhalten, Situation, Gesprächsstruktur,Wortwahl etc. bei der Interpretation dessen, was derAndere sagt, zu verwenden. Kinder beherrschen die-ses komplexe Signalsystem nicht in vollem Umfang,was auf Seiten der Kinder zu Verständigungsproble-men führen kann. Worum es aber hier geht sind dieSchwierigkeiten, die für den EErrwwaacchhsseenneenn darausresultieren, dass Kinder – zumindest im Vorschulal-ter – das, was sie meinen, eben nicht über dieseskommentierende Signalsystem verdeutlichen kön-nen. Und wenn sie sehr jung sind, steht ihnen nicht

einmal eine differenzierte Sprache zur Verfügung.Darüber hinaus – schwerwiegender noch – müssenwir damit rechnen, dass die Kinder, je jünger siesind, um so mehr – die Welt und sich selbst erheb-lich anders wwaahhrrnneehhmmeenn und in Folge dessenbbeesscchhrreeiibbeenn, als wir Erwachsene das tun. Ihr Refe-renzsystem ist noch stark subjektiv strukturiert,hängt von ihren eigenen Erfahrungen und den Mög-lichkeiten der Verarbeitung ab, die sie bislang hat-ten. Sie interpretieren die Welt und sich selbst aufder Grundlage eines »mitlaufenden Weltmodells«,dessen Inhalt und Struktur zunehmend komplexerwird, sich aber doch erheblich von dem WeltmodellErwachsener unterscheiden kann.

Nun hat das, was wir über die Konstruktion dieses»mitlaufenden Weltmodells« wissen, sehr viel mitden Zielen zu tun, die Pädagogik sich als Aufgabegestellt hat: Die Welt, in die ein Kind hineingeborenwird, ist immer eine kulturell gedeutete und es gehtganz sicher darum, dem Kind das System kulturellerWeltdeutungen verfügbar zu machen. Dies geschiehteinerseits dadurch, dass sich das Kind selbst mitseiner umgebenden Welt aktiv auseinander setzt,seine Erfahrungen mit ihr macht und diese in dieKonstruktion seines Weltmodells einfügt. Darausresultiert die Notwendigkeit einer bewussten undbegründbaren Gestaltung dieser Umwelt. Anderer-seits konstruiert es in der Interaktion mit anderenKindern und mit Erwachsenen Welt- und Selbstddeeuu--ttuunnggeenn, die wir in unserer Konzeption unter demBegriff: »Themen der Kinder« zusammengefassthaben.

Wenn diese Konstruktionen jedoch Aktivitäten desKindes sind, und wir ferner davon ausgehen, dassder Erwachsene seine bereits vorhandenen Weltdeu-tungen nicht in das Kind wie Wasser in ein Fasshineinfüllen kann, dann enthält die Aufgabe vonPädagogik, den Kindern die kulturell gedeutete Weltfür ihre Konstruktionen verfügbar zu machen, einVerständigungsproblem. Nicht nur muss das Kinddie Kommunikation des Erwachsenen verstehen, dasheißt mit Hilfe seines Weltmodells interpretieren kön-nen, sondern auch der Erwachsene muss verstehen,was der subjektiv gemeinte Sinn des kindlichen Bei-trags sein könnte, welches Thema es anspricht, umdarauf sinnvoll antworten zu können.

Darin liegt zumindest im Vorschulbereich ein ernst-haftes Problem, – das die Schule so nicht kennt, dadas Sprachvermögen der Kinder zu dieser Zeit bereitssehr weit entwickelt ist oder sein sollte: Die Ver-ständigung, die zwischen Erwachsenen – bei allenmöglichen Missverständnissen, die es auch dort

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

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noch gibt – fast automatisch funktioniert, gerät imGespräch mit Kindern zum Forschungsprojekt. Diedamit verbundenen Schwierigkeiten haben vielleichtdazu beigetragen, dass Kindern überhaupt die Kom-petenz zur sinnvollen Kommunikation abgesprochenwurde, womit auch Pädagogen das Recht zu habenglaubten, ohne Verletzung fachlicher Regeln gegen-über Kindern Monologe halten zu dürfen, die vonvorn herein nicht auf eigene Antworten der Kinderangelegt waren. Allenfalls – das soll es heute nochgeben – waren »richtige« das heißt erwachsenenge-rechte Antworten zulässig, die dem Monolog desErwachsenen entnommen waren und das auch seinsollten.

Nicht zuletzt wegen dieser Tradition in der Pädago-gik, die für den heutigen Bedarf unzureichendeErgebnisse hervorbringt, muss es als vordringlicheAufgabe angesehen werden, die Rolle der Kinder alsernst zunehmende Partner im pädagogischen Prozesszu akzentuieren. Das nicht nur durch den Ausdruckguten Willens, sondern darüber hinaus dadurch,dass die Forschungsfragen: Mit welchen Themensind die Kinder befasst und wie werden sie vonihnen formuliert? im wirklichen Leben und in Kinder-tageseinrichtungen beantwortet werden. Das gehtnicht ohne Forschungsarbeit und das heißt nichtohne Beobachtung, nicht ohne Interpretation undnicht ohne Dokumentation. Der Beobachtung, derInterpretation des Beobachteten und seiner Doku-mentation fiele damit die Aufgabe zu, »Themen derKinder« zu identifizieren, den subjektiven Sinn die-ser Themen zu entschlüsseln und darauf sinnvollepädagogische Interaktionen zu gründen.

Es sei vorangeschickt, dass allein schon dieser Drei-Schritt: Beobachtung, Interpretation, Dokumentationeine massive Umstrukturierung der Arbeitsabläufe inallen Einrichtungen, die mit diesem Konzept arbeiten,notwendig gemacht hat. Damit sind große Schwie-rigkeiten verbunden, die gleichwohl in einer großenZahl von Fällen gemeistert wurden und dass trotzder enormen Zumutungen an die Flexibilität, dieKreativität und die Nervenstärke der Kolleginnen inden Kitas die Arbeit mit dieser neuen Form derPädagogik außerordentlich positive Resultate her-vorgebracht hat. Worum geht es also konkret, wennwir von Beobachtung und Dokumentation sprechen?

Beobachtung im Projektverbund »Bildung inder Kindertageseinrichtung«

Wir unterscheiden in unserem Konzept pädagogischenHandelns die beiden Seiten des pädagogischen

Spannungsbogens. Auf der einen Seite die Erziehungals die Aktivität der Erwachsenen. Dazu gehört, wiebereits im Modul 1 beschrieben, als erster Schrittdie Formulierung und Reflexion von Erziehungszielenund auf diesen Zielen aufbauend, die Gestaltung derUmwelt des Kindes und die Gestaltung der Interakti-on mit dem Kind. Auf der anderen Seite des Span-nungsbogens steht die Bildung als Leistung desKindes, ist doch der Wissens- und Kompetenzerwerbimmer eine Aktivität des Kindes. Wollen die Erwach-senen mit ihren Angeboten nicht Gefahr laufen, anden Kindern gleichsam »vorbei zu reden«, müssensie mit jedem Kind ins Gespräch kommen. Das gehtam besten, indem sie die Themen, die dem einzel-nen Jungen, dem einzelnen Mädchen wichtig sind,aufgreifen und sich auf seine je eigenwillige Gedan-kenwelt einlassen (vgl. Laewen, Andres 2002a; Lae-wen, Andres 2002b).

Voraussetzung ist dafür eine Haltung der grundsätz-lichen Anerkennung, dass jedes Kind Erfahrungenund Anstöße, die ihm seine soziale Umgebung bie-tet, eigensinnig interpretiert und verarbeitet. Darausfolgt notwendigerweise, dass wir als Erwachsenenie genau wissen können, mit welchen subjektivenWeltmodellen und Deutungen ein Kind umgeht.Erzieherinnen sollten sich also als Forschende ver-stehen. Forschende Erzieherinnen gehen nie davonaus, dass sie bereits alles über ein Kind wissen.Vielmehr wird ihr Handeln von einer offenen Haltungjedem Jungen und jedem Mädchen gegenüber getra-gen. Sie sind an dem jeweils Besonderen jedes ein-zelnen Jungen und Mädchens interessiert, daranwelche Vorlieben, Interessen und Stärken ein Kindhat. Sie suchen mit Ernsthaftigkeit seine Hypothesenüber die Welt und deren Beschaffenheit zu verstehen.Sie sind also bereit, sich auf die jeweiligen ganzindividuellen Ausdrucksformen und Bildungswegeeinzulassen.

Ein zentraler Handlungsschritt in der hier vorgestelltenPädagogik ist entsprechend die Beobachtung derKinder. Um jedem Kind gerecht werden zu können,müssen die Erzieherinnen zunächst die Bildungsthe-men der einzelnen Kinder, ihre Zugangswege zu Welt,ihre Interessen und Stärken erkennen. Die Beobach-tung jedes Kindes muss also zum festen Bestandteilder pädagogischen Arbeit jeder forschenden Erzieherinwerden. Die unterschiedlichen Talente und Potenzialejedes Kindes sollen frühzeitig erkannt und auf einemhohen Niveau weiterentwickelt werden. Kein Jungeund kein Mädchen sollen hinter den Grenzen ihrerindividuellen Möglichkeiten zurückbleiben, unab-hängig von ihren sozialen, kulturellen, familiärenVoraussetzungen und körperlichen oder geistigen

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

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Einschränkungen. Der Einübung in verschiedeneBeobachtungsverfahren, die eine Identifizierung früherBildungsprozesse und ihrer Themen ermöglichen,wird deshalb eine hohe Bedeutung beigemessen.

Jede Erzieherin ist aufgefordert, systematisch zu do-kumentieren, was die Kinder tun und sagen, welcheVorlieben und besonderen Interessen sie haben, wieengagiert sie sich in ihren Aktivitäten zeigen. Auchwer ihre Freunde und Freundinnen sind und wie sieinsgesamt eingebunden in die Kindergruppe sind,ist Gegenstand der Beobachtung. Denn neben denErwachsenen kommt den anderen Kindern einebesondere Bedeutung zu. Insbesondere die Möglich-keit, sich mit anderen, die sich auf einer vergleich-baren Ebene des Weltverstehens befinden, verstän-digen, mit ihnen gemeinsam Sinn konstruieren zukönnen, ist für die Bildungsmöglichkeiten jedes Kin-des wichtig (vgl. Völkel 2002).

Bildungsprozesse eines Kindes oder einzelne Bil-dungsgeschichten können schriftlich dokumentiertwerden, anhand von Fotos, kommentierter, vomKind selbst gestalteter Bilder und über Video- oderTonaufzeichnungen.

Die Beobachtungen zum Verhalten einzelner Kinderstellen dann die Basis für den fachlichen Diskursim Team dar, in dem die Ressourcen (möglichst)aller Erzieherinnen genutzt werden, um daraus rich-tungweisende Schlüsse für die weitere Arbeit zu zie-hen. Durch eine genaue Beobachtung jedes einzelnenKindes sollen die Bildungsthemen, an denen dieKinder aktuell »arbeiten«, von den Erzieherinnenerkannt und auf eine Weise »beantwortet« werden,die den Kindern eine Weiterführung ihrer Themenerlaubt und sie zugleich über die Grenzen ihresjeweiligen Erfahrungshorizontes hinausführt (vgl.Modul 3). Zugleich wird systematisch darauf geach-tet, dass ein besonderer Förderbedarf bei einzelnenKindern ggf. frühzeitig erkannt wird1.

Fassen wir zusammen:Die im Portfolio dokumentierten fachlich reflektiertenBeobachtungen dienen der nie abgeschlossenenWeiterqualifizierung der Erzieherinnen. Eine verstän-digungsorientierte und von Respekt gegenüber demKind getragene Pädagogik braucht regelmäßigeDokumentation. Sie schützt davor, sich in Gewissheitzu wiegen und in pädagogische Routinen zu verfallen.

Zugleich können die Erzieherinnen anhand der Do-kumentation individueller Bildungsprozesse so etwassein wie das »Gedächtnis der Kinder«, wie die Päda-goginnen in Reggio nell’ Emilia sagen. Die Doku-mentation ermöglicht es den Erwachsenen, den Kin-dern ihre Ideen »zurückzuwerfen« (Loris Malaguzzinach Edwards 1995, S.53). Indem die Erzieherinnenim Gespräch mit dem Kind an den Dokumentationenanknüpfen, unterstützen sie es dabei, eigene Themenweiterzuentwickeln oder Verbindungen zwischenThemen herzustellen. Dabei binden die Erwachsenenin ihrer »Antwort« die »Themen der Kinder« in kultu-rell verfügbare Deutungen und Kontexte ein. Siefügen den Ideen und Weltdeutungen des Kindesetwas hinzu (vgl. Modul 3).

Beobachtung und Dokumentation sind in diesemSinn zentraler Teil eines spiralförmigen Bildungspro-zesses, in den Erwachsenen und Kinder gleicherma-ßen eingebunden sind.

Darüber hinaus bietet die Dokumentation die Grund-lage für den Austausch mit den Müttern und Väternüber ihr Kind. Sie sind den Eltern im Portfolio, aberauch über Fotodokumentationen, die in der Kinder-tagesstätte für alle zugänglich präsentiert werden,zugänglich (vgl. Modul 4). Die bei der Entwicklungvon Erziehungszielen begonnene Bildungs- undErziehungspartnerschaft zwischen Erzieherinnen undEltern wird so fortgeführt.

Die Erfahrungen im Projektverbund »Bildung in derKindertageseinrichtung« mit den verschiedenenBeobachtungsinstrumenten zeigen: Die Erzieherin-nen lernen die Kinder durch die Beobachtungenbesser kennen, sie nehmen die Kompetenzen undStärken der einzelnen Jungen und Mädchen, dieihnen zuvor nicht aufgefallen waren, besser wahr.Daraus resultiert insgesamt ein anderer Blick auf dieKinder. Aber auch eigene Vorurteile über die Kinderwerden durch das Instrument sichtbar und damit fürdie Erzieherinnen zum Ausgangspunkt für eigeneReflexionen. Bereits nach kurzer Zeit werden dieErzieherinnen auch außerhalb der Beobachtungszei-ten aufmerksamer gegenüber den Kindern und ent-wickeln eine geschärfte Wahrnehmung.

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

1 Hierfür wird im Handlungskonzept von infans das Instrument »Grenzsteine der Entwicklung« von Michaelis und Haas (1994) genutzt.Da es sich bei den »Grenzsteinen der Entwicklung« nicht um ein in engeren Sinn pädagogisches Instrument handelt, wird seineHandhabung im weiteren Verlauf dieses Textes nicht weiter ausgeführt. Eine genauere Darstellung ist in einem dritten Ordner die-ser Veröffentlichung geplant. Literaturangaben dazu finden sich auch in der Literaturliste.

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Die Beobachtungsinstrumente im Überblick

BBeeoobbaacchhttuunnggeenn zzuu ddeenn BBiilldduunnggsspprroozzeesssseenn ddeess KKiinnddeess1. Bildungsthemen (infans)2. Zugangsformen/bevorzugte Bildungsbereiche

(nach Howard Gardner) 3. bevorzugte Tätigkeiten (in Anlehnung an Gronlund

& Engel)4. Bildungsgeschichten des Kindes aus seiner Familie

(in Anlehnung an Gronlund & Engel)5. Notizen

Beobachtungen der sozialen Beziehungen desKindes in der Kindertagesstätte

6. Soziogramm7. Freunde und sonstige Beziehungen (in Anlehnung

an Gronlund & Engel)

Zum konkreten Vorgehen beim Beobachten

OrganisationZunächst einmal sind eine Reihe organisatorischerVorkehrungen zu treffen, die gewährleisten, dassdie Arbeit zwischen den Kolleginnen angemessenaufgeteilt wird und alle Kinder der Kindertagesstättein das System der Beobachtungen einbezogen sindund bleiben. Das Team legt fest, welche Kollegin fürdie Führung der Portfolios welcher Kinder verant-wortlich ist. Es ist zu organisieren, wann jede Erzie-herin welches Kind beobachtet und welche Erzieherinwährend der Beobachtungszeit Ansprechpartnerinfür die Kinder sein kann. Es müssen also Beobach-tungspläne entwickelt werden, die von der Kinderta-gesstätte entsprechend ihrer Bedürfnisse gestaltetwerden. Auch für den fachlichen Austausch im Teamoder einem Teilteam müssen Zeitfenster eingerichtetwerden. Darüber hinaus müssen Orte der Aufbewah-rung gefunden werden, die eine Kontrolle desZugangs zu den Portfolios ermöglichen, in denendie Aufzeichnungen über die Kinder zusammengeführtwerden. Im Einzelnen wird auf diese organisatori-schen Vorarbeiten im Modul 5 eingegangen.

MaterialFür jedes Kind in der Kindertagesstätte sollte einbreiter Aktenordner (Rückenbreite 75 mm) beschafftund mit dem Namen des Kindes beschriftet werden.In diesem Ordner werden die einzelnen Beobach-tungsaufzeichnungen und die Auswertungen zusam-mengeführt. Mehr dazu im Abschnitt »Dokumentationim Portfolio«.

Die Eltern der KinderBevor in einer Kindertagesstätte mit der Dokumen-tation individueller Bildungsprozesse begonnen wird,sollten die Eltern Gelegenheit haben, sich mit denErzieherinnen über die Bedeutung der Beobachtungvon Kindverhalten zu verständigen. Die Mütter undVäter sollten auch auf mögliche Veränderungen imTagesablauf der Kindertagesstätte vorbereitet werden.Sorgen der Eltern, ihren Kindern könnte durch denZeitaufwand, den die Beobachtung verlangt, zukünf-tig zu wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht wer-den, müssen ernst genommen werden. Hier wird essehr darauf ankommen, ob es gelingt, die Philoso-phie des neuen Vorgehens zu verdeutlichen, dienicht nur die Beobachtung und Dokumentation,sondern die gesamte Pädagogik umfasst. Die Ver-ständigung betrifft das »Kindbild«, das die Erziehe-rinnen in ihrem Handeln leitet. Im Zentrum des Ge-sprächs mit den Müttern und Vätern steht dabei dieFrage, wie Kinder lernen und sich bilden und wiedie Erwachsenen durch komplexe und angemesseneBildungsmöglichkeiten die Mädchen und Jungendabei unterstützen können, ihre Fähigkeiten undRessourcen zu nutzen und in tätiger Auseinander-setzung mit ihrer Umgebung die Welt verstehen zulernen und sich Kompetenzen anzueignen.

Waren die Eltern an der Entwicklung der Erziehungs-ziele – wie in Modul 1 beschrieben – beteiligt undwurden in diesem Zusammenhang bereits grundle-gende Fragen der Erziehung erörtert, können dieErzieherinnen im Gespräch über die Bedeutung derBeobachtung und Dokumentation in der Regel gutauf dieser Verständigungsbasis aufbauen.

In der Vorbereitung von Elternabenden oder Ge-sprächsrunden zum Thema empfiehlt es sich, zurAnsicht einen Ordner mit allen Instrumenten vorzu-bereiten, die für die Dokumentation in der Kinder-tagesstätte genutzt werden sollen. Ein solcher An-sichtsordner kann auch später für die Informationneuer Eltern eingesetzt werden. Wenn die technischenMöglichkeiten der Kindertagesstätte es erlauben,bieten sich für die Elternabende auch Overhead-Präsentationen der Blanko-Formulare an. So könnendie einzelnen Instrumente mit allen anwesendenMüttern und Vätern detailliert besprochen werden.Zentral ist für viele Eltern dabei die Frage, wasdokumentiert wird. Wie die Erfahrung im Projektver-bund »Bildung in der Kindertageseinrichtung« zeigt,sorgen sich nicht wenige Eltern darum, dass Ent-wicklungsdefizite oder »nicht erwünschtes« Verhaltenihres Kindes festgeschrieben wird und Kinder mitei-nander verglichen werden sollen. Der Verlauf einessolchen Gesprächs wird sehr von der Beziehung

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

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zwischen Eltern und Erzieherinnen abhängen. Davon,ob sie eher von wechselseitiger Anerkennung undOffenheit gekennzeichnet ist oder von Misstrauen.Wenn die Erzieherinnen authentisch und glaubhaftdarlegen können, dass sie beobachten wollen, umdie Kinder besser zu verstehen und dabei besondersan den Stärken der einzelnen Kinder, ihren Ideenund Weltdeutungen interessiert sind, gelingt esnicht selten über ein Einverständnis hinaus, dieNeugierde der Mütter und Väter zu wecken.

Häufig sind es dennoch erst die positiven Erfahrun-gen, die Eltern überzeugen. Deshalb sollte das Er-zieherinnenteam bemüht sein, den Eltern möglichstzeitnah, fachlich kommentierte Fotodokumentationenoder auch Videosequenzen zugänglich zu machen.So wird für die Eltern nachvollziehbar, welche Er-kenntnisse über die reflektierte Beobachtung gewon-nen werden können. Halten die Eltern nach einigerZeit das Portfolio ihres Kindes in Händen, in demLern- und Bildungsprozesse für sie nachvollziehbarwerden und erleben sie in Gesprächen mit derErzieherin, wie gut diese über die Interessen, Kom-petenzen und sozialen Beziehungen ihres KindesBescheid weiß, so möchten die meisten auf dieseForm der Erziehungs- und Bildungspartnerschaftnicht mehr verzichten.

Den Kindern achtsam begegnenDie Beobachtungen sollten nie »heimlich« vorge-nommen werden. Erfolgen die Aufzeichnungen wäh-rend der Beobachtung und nicht aus der Erinnerungist dies auch schwer möglich. Dennoch findet sichmancherorts die Auffassung, es sei besser, wenn dieKinder nicht wüssten, dass sie beobachtet werden,sie würden sich dann »natürlicher« verhalten. Einesolche Haltung beschädigt nicht nur das Vertrauender Kinder, sondern verhindert auch eine Verständi-gung der Erwachsenen mit den Kindern über dieBeobachtungen und Portfolio-Dokumentation.

Wir empfehlen deshalb, die Kinder bewusst einzu-beziehen, ihnen zu sagen, dass sie beobachtet wer-den und das eigene Interesse am Tun und an denGesprächen der Kinder offen anzusprechen. In derRegel genießen die Kinder die Aufmerksamkeit undAnerkennung, die ihnen entgegengebracht wird,auch wenn manche ein wenig Zeit brauchen, umsich an die ungewohnte Beobachtungssituation zugewöhnen. Nicht selten sind insbesondere ältereKinder daran interessiert, zu erfahren, was die Er-zieherin aufgeschrieben hat und manchmal wollensie noch etwas für sie wichtiges ergänzen. Andereholen sich selbst einen Stift und ein Blatt Papierund beginnen damit, die Erzieherin zu beobachten

und »Notizen zu machen«. Die Beobachtung wirdalso zum gemeinsamen Thema von Kindern undErwachsenen in der Kindertagesstätte.

Wenn einzelne Jungen oder Mädchen in bestimmtenSituationen nicht beobachtet werden wollen, müssenErzieherinnen selbstverständlich darauf Rücksichtnehmen und ggf. auf die geplante Beobachtung ver-zichten. Hält die Ablehnung eines Kindes über einenlängeren Zeitraum an, ist es sinnvoll, nachzuforschenund gemeinsam im Team darüber nachzudenken,woran es liegen könnte, dass das Kind nicht beob-achtet werden möchte. Im Projektverbund »Bildungin der Kindertageseinrichtung« kam es eher seltenzu solch länger anhaltender Verweigerung. Im Aus-tausch mit den Erzieherinnen stießen wir in diesenFällen meist auf die Angst eines Kindes vor Beurtei-lung und Bewertung und die Sorge, alles »richtig«zu machen. Es war zu überlegen, woher diese Ängs-te kommen könnten und welche Möglichkeiten dieErzieherinnen haben, die Sorgen des Kindes zu min-dern. Vielleicht verweist eine solche Reaktion auchdarauf, dass etwas in der Beziehung zwischen Erzie-herin und Kind nicht stimmt und die Vertrauensbasishergestellt oder verbessert werden muss. Auch einenicht gelungene Beobachtung kann also wichtigeHinweise geben und dazu beitragen, ein Kind besserkennen zulernen, vorausgesetzt die Erzieherinnengehen achtsam mit den Kindern um (vgl. hierzuauch Kazemi-Veisari, 2004).

Sobald Fotodokumentationen öffentlich zugänglichsind, zeigen die Mädchen und Jungen vor allemdaran ein hohes Interesse. Gemeinsam mit denEltern aber auch mit Besuchern werden die Doku-mentationen betrachtet und von den Kindern kom-mentiert. Aber auch das Portfolio selbst kann Aus-gangspunkt und Inhalt eines regen Gesprächs zwi-schen Eltern und Kind sein, wie die Erfahrungen ausdem Projektverbund zeigen.

Die einzelne Erzieherin und das TeamEine gelungene Kooperation im Team einer Kinder-tagesstätte ist eine grundlegende Bedingung für dieerfolgreiche Umsetzung des hier vorgestellten Vorge-hens. Eine Erzieherin allein wäre mit dieser Aufgabenotwendigerweise überfordert. Geht es doch darum,eine Atmosphäre lebendigen Lernens zu schaffenund zu erhalten, in der die Erwachsenen ihre eige-nen Perspektiven, Gedanken und Handlungen eben-so reflektieren wie die der Kinder.

Die kontinuierliche Dokumentation individueller Bil-dungsgeschichten erfordert aber auch aus organisa-torischer Sicht die Aufmerksamkeit und das Engage-

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

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ment aller Erzieherinnen der Kindertagesstätte. Nurwenn alle zum Gelingen der gemeinsamen Sachebeitragen, können für jede einzelne Kollegin Zeit-fenster für Beobachtung und Dokumentation gefun-den werden. Auch über einige Wochen mit einemKind gemeinsam bei seinen Themen zu bleiben, mitihm zusammen Fragen nachzugehen, gelingt nur,wenn alle im Team ihre Kenntnisse und Beobach-tungen zur Verfügung stellen, auch dann wenn sieselbst nicht für das Portfolio dieses Kindes verant-wortlich sind.

Das Verhalten der BeobachterinFür die Zeit der Beobachtung sollte sichergestelltwerden, dass eine andere Kollegin als Ansprechpart-nerin für die Kinder zur Verfügung steht. Die beob-achtende Erzieherin kann sich dann voll und ganzauf das Geschehen und »ihr« Beobachtungskindkonzentrieren. Ältere Kinder stellen sich recht schnellauf diese Situation ein und wenden sich mit ihrenFragen oder Bedürfnissen an andere Kolleginnen.Voraussetzung ist, dass sie über die BeobachtungenBescheid wissen, aber dazu später mehr.

In manchen Kindertageseinrichtungen haben Erzie-herinnen sich entschieden, durch ein Band, das siesich um den Arm binden oder durch ein anderesvereinbartes äußeres Signal für Eltern und Kinderdeutlich zu machen, dass sie im Moment beobachten.

In Gruppen mit jüngeren Kindern ist darauf zu achten,dass die Jungen und Mädchen zu dieser zweitenErzieherin eine vertrauensvolle Beziehung aufgebauthaben. Eine den Kindern fremde Kollegin wird vonihnen meist nicht akzeptiert und sie wenden sichentsprechend dann doch an »ihre« beobachtendeErzieherin. Selbstverständlich sind solche Signaleder Kinder ernst zu nehmen. Manchmal reicht einNicken, ein Lächeln oder eine kurze Antwort bereitsaus und das Kind wendet sich zufrieden wieder sei-ner Tätigkeit zu. Braucht es aber eine längere undintensivere Zuwendung oder sucht Trost im Körper-kontakt, wird die Beobachtung unterbrochen undmit einem entsprechenden Vermerk versehen späterweitergeführt.

In Kindertagesstätten, die nicht nach einem offenenoder halb offenen Konzept arbeiten, ist es für Erzie-herinnen oft nicht zu realisieren, sich aus der direktenInteraktion herauszuziehen und das Geschehen vomRand zu beobachten. In diesen Kindertagesstättenist es sehr viel schwieriger zu beobachten und das

Handlungskonzept insgesamt Realität werden zulassen. Die Erzieherinnen müssen in der Beobach-tungssituation ihre Aufmerksamkeit teilen und an-sprechbar für die Kinder bleiben. Manche wörtlicheRede oder Detailbeschreibung kann erst nach einerUnterbrechung aufgeschrieben werden und bleibtdann häufig hinter dem Gesehenen zurück oder istinzwischen vergessen.

Beobachtungsinstrumente zu den Bildungs-prozessen und sozialen Beziehungen des Kindes

1. Beobachtung und Dokumentation zu den Themendes Kindes

Der Beobachtungsbogen zu den Themen des Kindeszielt darauf ab, den Beobachtungsblick nicht einzu-engen und auf bestimmte Verhaltensweisen oderFertigkeiten der Kinder festzulegen. Das Instrumentermöglicht also ein entdeckendes Beobachten (vgl.hierzu auch Schäfer 2005) und unterstützt die Erzie-herin in einer interessierten offenen und respektie-renden Haltung gegenüber dem Kind. Vorausgesetztwird dabei, dass das Tun des Kindes in jeder Situa-tion einem Sinn folgt. Wobei ein subjektiv gemeinterSinn sich dem Betrachter nicht immer unmittelbarerschließt. Hier nicht vorschnell der eigenen, odervermeintlich objektiven Deutung zu folgen, ist einebesondere Herausforderung für jeden Erwachsenen,der sich auf Kinder einlassen und sich mit ihnenverständigen will. Mit der Gliederung des hier vor-gestellten Themenbogens wollen wir die Beobachte-rin darin unterstützen, zwischen ihren eigenen Sinn-deutungen und den möglichen Themen des Kindeszu unterscheiden. Dazu gehört die Reflexion dereigenen Gefühle und biographisch bestimmter Bilderund Gedanken ebenso wie das empathische Einfüh-len in die Situation des Kindes und seine Empfin-dungen.

Im Einzelnen gliedert sich das Instrument zur Beob-achtung und Dokumentation der »Themen der Kin-der« wie folgt2:

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

2 Eine Kopiervorlage des Beobachtungsbogens ist in Teil 4 dieser Handreichung zu finden.

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

WWaass ggeesscchhiieehhtt??WWaass ttuutt,, ssaaggtt ddaass KKiinndd aalllleeiinn uunndd mmiitt aannddeerreenn??

Möglichst genaue Beschreibung und Mitschrift der wörtlichen Rede

WWaass mmaacchhtt ddiiee SSiittuuaattiioonn mmiitt mmiirr??

Welche Reaktionen (körperlich, emotional, zum Beispiel Anspannung, Freude, Ärger, Vermeidung, Lan-geweile, Angst) werden bei mir wachgerufen?

Was berührt mich, ruft Bilder, Erinnerungen wach, löst Gedanken, Ideen aus? Worauf »springe ich an?«

PPeerrssppeekkttiivveennüübbeerrnnaahhmmee

Wie fühlt sich das Kind aus meiner Sicht?

DDiiee EEnnggaaggiieerrtthheeiitt ddeess KKiinnddeess

Wie engagiert ist das Kind bei der Sache?

FFaacchhlliicchhee RReefflleexxiioonn iimm TTeeaamm

Was assoziieren wir mit der beobachteten Handlung?Welche fachlich begründeten Schlüsse ziehen wir aus der Beobachtung?

Was macht das, was das Kind tut, zu einer sinnvollen Handlung?Mit welchen Themen geht das Kind aus unserer Sicht um?

Welche Schlüsse ziehe ich/ ziehen wir daraus für mein/ unser pädagogisches Handeln?

Welche weiteren Fragen ergeben sich für uns aus der Beobachtung?

Worauf wollen wir in der nächsten Beobachtung achten?

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In welcher Situation beobachtet werden sollteDiese Frage lässt sich nicht allgemein gültig beant-worten. Richtet sich doch das, was als geeigneteSituation gelten kann, danach, was mit der Beob-achtung erreicht werden soll.

Die Dokumentation von Bildungsprozessen mit demInstrument »Themen des Kindes« ist in einen Prozesseingebunden, in dem die beobachtenden Erzieherin-nen wechselnde Ziele verfolgen. Geht es zunächstdarum, dem Kind und seinem Tun mit größtmögli-cher Offenheit zu begegnen, um besser zu erkennen,womit sich das Kind in einem bestimmten Zeitraumbevorzugt beschäftigt, so können sich im weiterenVerlauf, wenn das Team im fachlichen Diskurs davonausgeht, aktuelle Themen des Kindes erkannt zuhaben, für die nachfolgenden Beobachtungen spezi-fische Aufmerksamkeitsrichtungen herausbilden. Sol-chen Phasen, die eher von Leitfragen bestimmt wer-den, folgen dann wieder Beobachtungen, die wenigervon spezifischen Fragestellungen bestimmt sind.Das kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn einKind das erste Mal in einem Bildungsbereich beob-achtet wird, für den es bisher wenig Interesse zeigte.

Entsprechend schlagen wir vor, zu Beginn ausschließ-lich Situationen auszuwählen, in denen das beob-achtete Kind selbst entscheiden kann, was es alleinoder mit anderen Kindern tut. Damit ist auch dieFreiheit des Kindes, »seine« Themen einzubringenoder zu bearbeiten und seinen Leidenschaften zufolgen, größer als in Situationen, die (stark) vonErwachsenen gelenkt werden. Angebotsphasen imTagesverlauf scheiden also zunächst ebenso alsungeeignet für die Beobachtung aus wie klar struk-turierte Essens- oder Pflegesituationen und Bringe-situationen.

Soll jedoch anhand der Beobachtung bestimmtenFragen nachgegangen werden, die während der Aus-wertung im Team entstanden sind, ist die Auswahlder Situation nicht beliebig. Vielleicht bietet sichdann gerade das gemeinsame Essen oder das Zäh-neputzen im Waschraum zur Beobachtung an. AuchFragen, die in enger Verbindung mit einzelnen Bil-dungsbereichen stehen, sind nur zu beantworten,wenn das Kind bei einer entsprechenden Tätigkeitbeobachtet wird. Die Erzieherin muss in diesen Fäl-len also flexibel reagieren und dann zu Papier undStift greifen, wenn sie das Kind gerade in einergeeigneten Situation wahrnimmt, sie kann nichteinem festgelegten Zeitplan folgen.

Wann und wie häufig mit dem Bogen »Themen desKindes« beobachtet wirdEs sind verschiedene Vorgehensweisen denkbar undin der Praxis erprobt. Die meisten Erzieherinnen beob-achten die Kinder nacheinander, so dass jeden Tagein anderes Kind im Fokus der Wahrnehmung steht.Es gibt aber auch Teams, die sich bewusst dafürentschieden haben, ein Kind über mehrere Tage hin-weg zu beobachten, um viele Informationen überdas Kind in kürzerer Zeit zu sammeln und an demThema des Kindes »dran zu bleiben«. In jedem Fallwird täglich von jeder Erzieherin ein Kind mit diesemBogen beobachtet.

In der Regel beobachtet eeiinnee Erzieherin ein Kind. InKindertagesstätten, die nicht nach einem offenenKonzept arbeiten und eine Erzieherin in einem Grup-penraum mit »ihrer« Kindergruppe allein ist, ist diesauch gar nicht anders möglich. Bei halb offen oderoffen strukturierten Einrichtungen bietet es sich an– zumindest ab und an – zu zweit parallel ein Kindzu beobachten und direkt im Anschluss in den fach-lichen Austausch zu gehen. Den einzelnen Erziehe-rinnen ermöglichen solche Parallelbeobachtungendie Überprüfung ihrer eigenen Wahrnehmung. Undsolche Erfahrungen gemeinsamer Beobachtungerleichtern die Verständigung im Team, vergleichbarder gemeinsamen Auswertung einer Videosequenz.

Die vorgeschlagene Beobachtungszeit mit dem offenenBeobachtungsbogen zu den Bildungsthemen desKindes liegt bei täglich fünf Minuten, wobei einigeErzieherinnen die Beobachtungsdauer abhängig vonder gegebenen Situation verlängern und entscheiden,einen Handlungsbogen oder eine begonnene Aktivi-tät bis zu ihrem Abschluss zu dokumentieren. Zusam-men mit der Reflexion zu den eigenen Erinnerungenund Gefühlen, zu den Empfindungen und der Enga-giertheit des Kindes müssen realistischerweise ca.20-30 Minuten veranschlagt werden.

Was auf dem Beobachtungsbogen festgehalten wirdZu Beginn wird auf dem Beobachtungsbogen notiert:• wwaannnn beobachtet wird (Tag, Beginn und Ende –

dies ist wichtig, damit im Rückblick die Bildungs-prozesse der einzelnen Kinder nachvollzogen wer-den können),

• wweerr beobachtet,• wweellcchheess Kind im Fokus der Beobachtung steht,

welche anderen Kinder an der Situation beteiligtsind,

• wweellcchhee Situation dokumentiert wird,• ob die Erzieherin mit FFrraaggeenn ooddeerr HHyyppootthheesseenn aus

dem fachlichen Diskurs mit den Kolleginnen indie Beobachtung geht und anknüpft an vorange-

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

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gangene Beobachtungen oder ob Informationenund Fragen aus den Gesprächen mit der Mutter,dem Vater des Kindes eine Aufmerksamkeitsrich-tung vorgeben. Solche Fragestellungen müssenaber keineswegs zwingend gegeben sein. Insbe-sondere, wenn eine Erzieherin damit beginnt, ihreAufmerksamkeit in der Beobachtung auf ein be-stimmtes Kind zu richten, sollten noch keine ge-zielten Fragestellungen die Wahrnehmung leiten.Vielmehr sollte sie zunächst ihren Blick nicht ein-schränken, sondern für alles, was das Kind in derBeobachtungssituation tut, möglichst interessiertund offen sein.

In fünf Schritten beobachten und reflektierenDas Instrument »Bildungsthemen des Kindes« gibteine Schrittfolge vor, die ein reflektiertes Nachdenkender einzelnen Erzieherin und des Teams über das,was das Kind allein und mit anderen tut, unterstützt.Nachdem aufgeschrieben wurde, was die Kinder inder Situation gesagt oder getan haben, versucht diebeobachtende Erzieherin für sich aufzuspüren, wo-durch ihre Wahrnehmung möglicherweise gelenktwurde (Was macht die Situation mit mir?). Im nächs-ten Schritt geht es dann darum, sich empathisch aufdie Seite des Kindes zu begeben und zu überlegen,wie sich das Kind wohl in der beobachteten Situationgefühlt haben könnte (Perspektivenübernahme).Danach soll eingeschätzt werden, ob die beobachte-te Aktivität für die Bildungs- und Lernprozesse desKindes bedeutsam war (Engagiertheit des Kindes).

Abschließend werden die Kompetenzen jeder Erzie-herin im Team genutzt. Es wird gemeinsam über dieBedeutung des Beobachteten nachgedacht. ErsteSchlüsse werden für das weitere Vorgehen gezogenund offene Fragen formuliert.

1. SchrittWas geschieht? Was tut und sagt das Kind alleinund mit anderen?Zunächst wird auf dem Bogen zu den Bildungsthemender Kinder so genau wie möglich dokumentiert, wasdie Kinder in der Beobachtungssituation sagen undtun. Auch Details, die auf den ersten Blick nichtwichtig erscheinen, sind hier bedeutsam. WelchenSinn das Zielkind mit seinem Tun verbindet, lässtsich in der späteren Auswertung häufig nur dannverstehen, wenn Handlungsabläufe oder Dialoge derKinder für alle im Team nachvollziehbar sind, dasheißt möglichst detailliert schriftlich festgehaltenwurden.

Für das erste Einüben in die Beobachtung mit die-sem Instrument schlagen wir vor, den Fokus der

Beobachtung auf ein Zielkind zu richten. Das Tunder anderen Kinder, die mit dem Beobachtungskindspielen, sprechen, Dinge verhandeln, ganz allgemeinetwas tun, wird zunächst also nicht so detailliertfestgehalten. Dies gilt jedoch nur für die Zeit desÜbens.

Wenn Fortschritte zu verzeichnen sind und es derErzieherin gut gelingt, ihre Beobachtungen genauerzu notieren, werden mehr und mehr auch die Hand-lungen der anderen Kinder – soweit sie in direkterInteraktion mit dem Zielkind stehen – detaillierter indie schriftliche Aufzeichnung aufgenommen. Denngerade, wenn es um Ko-Konstruktionen der Kindermiteinander geht, also um die gemeinsame Verstän-digung über bestimmte Sachverhalte oder Vorstel-lungen, gibt möglicherweise das, was die anderenJungen und Mädchen beitragen, wichtige Hinweiseauf die Themen des Zielkindes.

Zugleich sollte sich jede Beobachterin von der Vor-stellung frei halten, aalllleess was geschieht, notieren zukönnen. Jeder Mensch wird in seiner Wahrnehmungvon dem geleitet, was ihm bedeutungsvoll erscheint(vgl. Schäfer 2004). Er wird also – trotz besterAbsichten – einen Teil des Geschehens gar nicht»sehen«. Beobachtungen sind immer subjektiv. Dieeigene Biographie hat ebenso Einfluss auf die Wahr-nehmung der Beobachterin in der aktuellen Situationwie ihre bisherige Beziehung zum Kind. Urteile, diesie bereits über das Kind getroffen hat, können dazuführen, dass sie ihre Aufmerksamkeit verstärkt aufVerhaltensweisen richtet, die sie stören oder aufvermeintliche Defizite. Hier gilt es sich bewusst zumachen, warum beobachtet wird. Ziel ist es, dasKind besser verstehen zu lernen, eine Basis für dieVerständigung mit ihm zu haben, an seine Themenanknüpfen zu können. Im Mittelpunkt stehen daherdie Leidenschaften und Stärken jedes Kindes unddie feste Überzeugung, dass in dem, was das Kindtut, ein subjektiver Sinn enthalten ist, auch wenn ersich nicht sofort erschließt und wir nie genau wissenkönnen, was das Kind denkt und wie es sich dieWelt erklärt.

Zugleich ist es nicht einfach, Bewegungsabläufe, dasManipulieren mit Gegenständen, den Entstehungs-prozess eines Bildes – um nur ein paar Beispiele zunennen – genau zu beschreiben. Einige Erzieherinnenim Projektverbund haben sich, wenn ihnen die Wortefehlten, damit geholfen, dass sie kleine Skizzen inden Text einfügten oder mit dem Fotoapparat dasGeschehen ergänzend festhielten. Dennoch bleibt esnicht aus, dass während des gemeinsamen Nachden-kens im Team Fragen entstehen, die unbeantwortet

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

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bleiben müssen. Wenn Erzieherinnen gerade mitdieser Art der Beobachtung begonnen haben, wirddas öfter vorkommen. Nach einigen Monaten desÜbens werden die Aufzeichnungen erfahrungsgemäßimmer inhaltsreicher, die Wahrnehmung wird vonvorangegangenen Beobachtungen und wachsendemVerstehen geleitet sein und es gelingt den Teamsdann auch eher, Hypothesen über mögliche Themendes Kindes zu entwickeln.

Wichtig ist, in diesem ersten Teil des Instrumentsnicht zu interpretieren, was die Kinder tun. Auchdas fällt zunächst nicht leicht, sind wir doch inunserem Alltagshandeln und in der Interaktion mitanderen Menschen darauf angewiesen, das Verhal-ten unseres Gegenübers unmittelbar im Geschehenzu deuten, um entsprechend »richtig« reagieren zukönnen. Auch im Instrument »Themen des Kindes«wird die Interpretation nicht ausgeklammert. Es solljedoch der Versuch unternommen werden, dieseDeutungen als eigene Schritte vorzunehmen undsich ihrer damit bewusst zu werden.

2. SchrittWas macht die Situation mit mir?Die beobachteten Szenen können bei der ErzieherinGefühle, Gedanken und Erinnerungen wachrufen.Auch wenn vermeintlich gar nichts empfunden undnur Leere und Langeweile wahrgenommen wird, hatdas Auswirkungen auf die subjektive Beurteilungder Situation. Deshalb werden alle diese Empfindun-gen und spontanen Ideen aufgeschrieben. Sie helfen,sich der eigenen Handlungsmuster und (Vor)Urteilebewusst zu werden.

Ein Beispiel mag verdeutlichen worum es geht: Eine Gruppe von vierjährigen Jungen ist dabei, ausHolzbauklötzen und Brettern eine Rampe zu bauen,über die sie Kugeln rollen und fliegen lassen. Ver-schiedene Beobachterinnen könnten bei dieser Szeneje unterschiedliche Empfindungen haben. Die einemag selbst ganz engagiert bei der Sache sein undgetragen vom eigenen Interesse, gerne bereit sein,mit den Jungen gemeinsam zu erforschen, wie dieFlugbahn der Kugeln von der selbst gebauten Rampeverläuft und durch welche Veränderungen sie zuverkürzen oder zu verlängern ist. Eine andere zeigtvielleicht weniger Interesse an der Aktion der Jungenund ist eher gelangweilt. Wenn sie diese ihre Lange-weile wahrnimmt, hat sie die Chance nachzuspüren,ob ihre Empfindungen dazu führen, dass sie beidieser oder einer vergleichbaren Aktion der Jungendazu neigt, die Möglichkeiten der Kinder, sich ver-tiefend mit der Sache zu befassen, einzuschränken.Eine dritte Kollegin hat möglicherweise eher Angst,

die Dinge könnten »aus dem Ruder laufen« oder eskönnte etwas kaputt gehen und würde am liebsteneingreifen.

Erst, wenn solche Hintergründe bewusst werden,können eigene Handlungsmuster verändert oder ggf.gemeinsam mit den Teamkolleginnen Lösungsmög-lichkeiten gefunden werden. Selbstbeobachtung undbiographische Spurensuche (vgl. Musiol 2002) gehö-ren zur beruflichen Qualifizierung einer Erzieherin, dasie dem Kind immer als ganze Person gegenüber tritt.Das Bewusstsein über die eigenen Kompetenzen,aber auch die Schwierigkeiten, die man mit bestimm-ten Situationen und Kindern hat, sind die Vorausset-zung für Veränderungen und die Suche nach Lösun-gen und somit für die Weiterentwicklung des eigenenberuflichen Handelns.

Aber nicht nur sich selbst lernt man damit besserverstehen. Die eigenen Gefühle und (Kindheits-)Erin-nerungen können auch helfen, sich in die Kinderhineinzuversetzen, einen Zugang zu ihrem Tun zubekommen und Hypothesen über ihre Vorstellungenzu entwickeln.

3. SchrittWie fühlt sich das Kind aus meiner Sicht?Zugleich ist es wichtig, in der individuellen Reflexionder Beobachtungsszene zwischen den Empfindungenzu unterscheiden, die man als Beobachterin bei sichselbst wahrnimmt und den Gefühlen, die man imVerhalten der Kinder, ihrer Gestik und Mimik zu er-kennen glaubt. Die beobachtende Erzieherin wirddeshalb im dritten Schritt aufgefordert, in Distanzzu ihren eigenen Erinnerungen und Gefühlen zugehen und die Perspektive des Kindes zu überneh-men, also zu versuchen, sich in das Kind hineinzu-versetzen. Sie soll sich bewusst machen, dass ihreeigenen Gefühle nicht notwendigerweise denen desKindes entsprechen.

Aufgeschrieben werden die Empfindungen, die manaufgrund der Verhaltensweisen des Kindes bei ihmzu erkennen glaubt. Auch wenn die Beobachterin inihrer Deutung (notwendigerweise) subjektiv bleibt,wird doch erwartet, dass durch diesen Analyseschrittdie unreflektierte Übertragung der eigenen Empfin-dungen auf die beobachteten Kinder erschwert wirdund entsprechend seltener erfolgt.

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

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4. SchrittWie engagiert zeigt sich das Kind in der Situation?3

Im vierten Schritt des Instruments »Themen desKindes« geht es darum, das Engagement des Kindesin der beobachteten Situation einzuschätzen. Wirhaben uns dabei auf das international anerkannteKonzept der Engagiertheit gestützt, das an der Uni-versität Leuven in Belgien maßgeblich von FerreLaevers entwickelt wurde (Laevers, 1997).

Der Ausgangspunkt dieses Konzepts ist die Annahme,dass Aktivitäten, die durch ein hohes Maß vonEngagiertheit charakterisiert sind, entwicklungsför-dernd wirken. »Dies wird garantiert durch die Cha-rakteristiken von Engagiertheit: eine engagierte Person nutzt das gesamte Potenzial ihrer Möglich-keiten und ist hoch motiviert. Veränderungen, die insolchen Momenten geschehen, sind von fundamen-taler Art.« (Laevers, 1997, S.7). Nach Laevers ist dieso genannte intrinsische Motivation die bedeu-tendste Charakteristik für Engagiertheit. Das meint,dass das Kind in seiner Aktivität seinen Forschungs-drang zu befriedigen versucht und nicht mittels sei-nes Tuns nach Anerkennung oder materiellem Erfolgstrebt. Bei der intrinsisch motivierten Engagiertheitwird deutlich, dass das Kind fasziniert und begeis-tert von seinen Aktivitäten ist, sich selbst hineingibt und gefangen genommen wird, unabhängigvom möglichen Nutzen oder Ergebnis. »Ein allge-mein bekanntes Signal dieses Zustandes ist die ver-änderte, verzerrte Zeitwahrnehmung: die Zeit fliegtvorbei« (ebd., S. 7).

WWaass uunntteerr EEnnggaaggiieerrtthheeiitt vveerrssttaannddeenn wwiirrddEngagiertheit meint die Intensität des Erfahrungs-prozesses und wird von Laevers wie folgt definiert:»Aufgabenbezogenes Engagement ist eine besondereQualität der menschlichen Aktivität, die an Konzen-tration erkannt werden kann. Sie ist gekennzeichnetdurch Motivation, Interesse und Faszination, durchOffenheit für Reize und Erfahrungsintensität sowohlim Sinnes- als auch im kognitiven Bereich sowiedurch tiefe Befriedigung und einen starken Energie-fluss auf körperlicher und geistiger Ebene«. (Laevers,S 239).

Bei der Einschätzung der Engagiertheit ist die Beob-achterin aufgefordert, sich in die Perspektive desKindes zu versetzen und aus dieser heraus die Be-deutung, die die Aktivität für das Kind hat, einzu-schätzen. Es geht dabei nicht um die Bewertung

dessen, was das Kind kann, oder noch nicht kann,sondern darum, wwiiee das Kind sich mit einer bestimm-ten Aufgabe oder Herausforderung auseinander setzt.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass einhoher Grad an Engagiertheit mit der ein Kind seineTätigkeit verfolgt, es also engagiert »bei der Sache«ist und an die Grenzen seiner bisherigen Fähigkeitenstößt, darauf hinweist, dass das Kind ein zentralesBildungsthema verhandelt und für die Erzieherinnenhier ein Anknüpfungspunkt für ihre weiteren Überle-gungen zum pädagogischen Handeln liegt.

FFrraaggeenn zzuurr EEnnggaaggiieerrtthheeiitt iimm IInnssttrruummeenntt »»TThheemmeennddeess KKiinnddeess«« Im Rahmen des Instruments »Themen des Kindes«wird der Grad der Engagiertheit, mit dem ein Kindsein Tun verfolgt eingeschätzt, um damit auf dieBedeutung der Aktivität für die Bildungsprozessedes Kindes schließen zu können. Im Anschluss andas Konzept der Engagiertheit von Laevers gehenwir davon aus, dass Situationen, in denen ein Kindengagiert ist, bedeutsam für sein Lernen sind undes in seinem Weltverstehen voranbringen. Die Ein-schätzung der Engagiertheit gibt den Erzieherinnenalso einen Hinweis darauf, ob die von ihnen beob-achtete Sequenz als für das Kind bildungsrelevantzu bewerten ist oder ob das Kind mit wenig Müheund Energie eher routinemäßig eine Sache erledigt.

Für diesen Zweck wurde der offene Beobachtungs-bogen »Bildungsthemen der Kinder« um Fragen er-weitert, die auf der Engagiertheitsskala von Laeversbasieren. Damit soll es den Erzieherinnen erleichtertwerden, sich ein differenziertes Bild von dem Gradder Engagiertheit, mit dem ein Kind seine Tätigkeitverfolgt, zu bilden.

Was bedeutet das nun konkret? Wenn eine Kolleginim Team eine Beobachtung zu einem Kind vorstellt,um im Diskurs mit den Kolleginnen gemeinsamDeutungen zu erarbeiten, so schlagen wir vor, eineoder mehrere Beobachtung(en) aus dem Portfoliodes Kindes zu wählen, bei der oder denen es enga-giert »bei der Sache« war. Beobachtungen, bei denenweniger als sieben Fragen mit »ja« beantwortet sind,eignen sich in der Regel weniger für die Themenfin-dung. Allerdings müssen in diesem Zusammenhangnoch weitere Erfahrungen gesammelt werden.

Auf der Basis solcher Beobachtungen scheint dieFormulierung eines für das Kind aktuell bedeutsamen

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

3 Der Text zum 4. Schritt »Die Engagiertheit des Kindes« basiert in weiten Teilen auf einem Papier von Julia Koch, die als wiss. Mit-arbeiterin im Projektverbund »Bildung in der Kindertageseinrichtung« tätig war.

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Themas eher möglich, da das Kind sich über einelängere Zeit intensiv und konzentriert mit etwasbeschäftigt, eine Tätigkeit verfolgt, die für es vonhöchstem Interesse ist, worin es viel Mühe undAnstrengung investiert. Wir gehen also davon aus,dass ein Kind, das sich in einer Situation engagiertin seine Tätigkeit vertieft zeigt, mit seinen aktuellenFragen an die Welt umgeht und wichtige Erfahrungensammelt, die es in seinen individuellen Bildungspro-zessen weiterbringen.

Bei Beobachtungen hingegen, bei denen das Kindsich weniger engagiert zeigt, liegt der Schluss nahe,dass das Kind zum Zeitpunkt der Beobachtung etwastut, was für seine Bildungsprozesse und für seinLernen weniger oder keine Bedeutung hat. Das machtsolche Beobachtungen nicht wertlos. Auch sie helfendabei, das Kind besser kennen zu lernen. Eine Ana-lyse der Beobachtung mit Blick auf seine wichtigenThemen wäre jedoch vielleicht weniger aussichtsreich.

Wenn von einem Kind ausschließlich Beobachtun-gen vorliegen, bei denen sich keine oder nur weni-ge Anzeichen von Engagiertheit gezeigt haben, istes sinnvoll und hilfreich, das Kind einmal übereinen ganzen Tag hinweg beobachtend zu begleiten.Ist doch davon auszugehen, dass jedes Kind aktuellInteressen hat oder mit ihm wichtigen Themen be-schäftigt ist, auch wenn diese auf den ersten Blickmanchmal nicht zu erkennen sind. Es gilt also neu-gierig zu bleiben und auf die Potenziale des Kindeszu vertrauen.

Falls diese »Suche« ohne Hinweise bleibt, ist es dieVerantwortung des Teams, gemeinsam zu überlegen,ob sie allen Kindern in der Kindertageseinrichtungausreichende Erfahrungsmöglichkeiten und Heraus-forderungen in den verschiedenen Bildungsbereichenbieten (vgl. hierzu auch die Ausführungen zu demInstrument »Zugangsformen/bevorzugte Bildungsbe-reiche«). Möglicherweise fehlen einem Kind, dassich über einen längeren Zeitraum wenig oder nichtengagiert zeigt, Materialien, die es in seinem Themaweiter bringen, ein Freund mit dem es seine Fragenbesprechen und verhandeln kann oder eine Erziehe-rin, die sich für seine »Leidenschaften« interessiert.Von einer anerkennenden und empathischen Haltunggegenüber dem Kind getragen, sollten die Erziehe-rinnen nach Möglichkeiten und Alternativen suchen,die das Verhaltern des Kindes erklären könnten undauf dieser Basis darüber nachdenken, wie sie dasKind im sozialen Miteinander, durch das Materialan-gebot oder die Raumgestaltung unterstützen undherausfordern könnten.

Fassen wir zusammen: Die Einschätzung der Engagiertheit eines Kindes beieiner Tätigkeit hilft, darüber zu entscheiden, welcheBeobachtungen sich als Grundlage für eine intensiveReflexion im Team über die aktuellen Weltkonstruk-tionen des Kindes und seine Themen eignen. Siegibt zugleich – zusammen mit dem Bogen »Zugangs-formen/bevorzugte Bildungsbereiche« – Hinweisedarauf, ob in der Kindertagesstätte alle zentralenBildungsbereiche, wie sie zum Beispiel in den»Grundsätzen elementarer Bildung« benannt sind,für die Kinder zugänglich, also entsprechende Mate-rialien bereitgestellt sind oder ob die Erwachsenenin der Gestaltung der Umgebung und der Interakti-on an den aktuellen Interessen und Fragen einigerKinder vorbeigehen.

EExxkkuurrss DDiiee EEnnggaaggiieerrtthheeiittsssskkaallaa vvoonn LLaaeevveerrssLaevers hat zur Einschätzung der Engagiertheit eine5-Punkte Skala entwickelt, die die gesamte Reichwei-te, angefangen von keinerlei Intensität bis zu einemMaximum höchster geistiger Energie beschreibt (vgl.Laevers, 1997). Auf der Basis von Beobachtungenwird der Grad der Engagiertheit des Kindes durcheinen Wert zwischen eins und fünf eingeschätzt.

Die fünf Stufen sind wie folgt charakterisiert: Die ersten drei Stufen beschreiben die Qualität derAktivität eines Kindes, bei denen noch keine Anzei-chen von Engagiertheit beobachtbar sind:

DDiiee eerrssttee SSttuuffee beschreibt Momente, in denen dasKind nicht aktiv ist. Wenn es zum Beispiel teilnahms-los und abwesend in einer Ecke sitzt, mit nichtsbeschäftigt ist und auch innerlich nicht konzentriertist oder nur scheinbar aktiv ist, zum Beispiel stereo-type Wiederholungen von sehr einfachen Bewegungenausführt ohne dies wirklich bewusst zu tun.

AAuuff ddeerr zzwweeiitteenn Stufe werden Momente von Aktivi-tät beschrieben, die das Kind jedoch immer wiederdurch träumen, trödeln oder ins Leere starren unter-bricht.

DDiiee ddrriittttee SSttuuffee ist gekennzeichnet durch eine mehroder weniger kontinuierliche Aktivität. Aber auchhier ist das Kind nicht mit Engagement bei derSache. Das Kind scheint eher interesselos, gleich-gültig und legt kaum Eifer in sein Tun. Typisch fürdiese Stufe ist, dass es seine Tätigkeit beendet,sobald ein interessanter Reiz auftritt und es zumBeispiel die Tätigkeit anderer Kinder verfolgt.

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

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EErrsstt aauuff ddeerr vviieerrtteenn SSttuuffee, bei der das Kind mehroder weniger kontinuierlich bei seiner Beschäftigungbleibt, zeigen sich Elemente von Engagiertheit: Fürden Beobachter wird ersichtlich, dass die Aktivitätfür das Kind Bedeutung hat und das Kind zeigtiinntteennssiivvee MMoommeennttee von Konzentration, Ausdauer,Energie und Zufriedenheit. Der Drang, mit dem eige-nen Tun fortzufahren, ist deutlich spürbar und dasKind kehrt immer wieder zu seiner Tätigkeit zurück.

BBeeii ddeerr SSttuuffee ffüünnff ist dann eine größtmöglicheEngagiertheit bei dem Kind sichtbar: Die bereitsgenannten Elemente von Engagiertheit sind nunanhaltend intensiv beobachtbar. Die Unterscheidungzur Stufe vier liegt dabei zum einen darin, dass dasKind ununterbrochen seine Augen auf die Aktionoder das Material richtet und umgebende Reize eskaum oder gar nicht erreichen. Zum anderen führtdas Kind seine Aktivität mit einer inneren Spannungaus, es setzt seine ganze Energie und Mühe einund gibt sich völlig in seine Tätigkeit hinein (ebd.).Laevers bezeichnet dieses Hineingeben als Komple-xität, das als wesentliches Kennzeichen der Stufe 5,also der größtmöglichen Engagiertheit, gilt. DasKind stößt an die Grenzen seiner eigenen persönli-chen Möglichkeiten und gerät in den besonderenZustand des »state of flow«, wie Czicszentmihaylidies nennt (zitiert nach Laevers 1997, S. 6). » ›Flow‹ist eine spezifische Art subjektiver und unmittelba-rer Erfahrung im Zusammenhang mit einer Aktivität,nämlich ›das freudige reflexionsfreie Aufgehen ineiner glatt laufenden Tätigkeit, die man trotz hoherBeanspruchung noch unter Kontrolle hat‹ (Mayr,Ulich, 2003, S. 172)

EEnnggaaggiieerrtthheeiitt aallss IInnssttrruummeenntt ddeerr QQuuaalliittäättsseennttwwiicckklluunngg Während im vorigen Abschnitt auf die Engagiertheitals Indikator für die Bearbeitung zentraler Themendes Kindes eingegangen wurde, soll im Folgendenbeleuchtet werden, dass der Grad der Engagiertheitauch eine Rückmeldung für die Interpretation unddas Handeln der Erzieherinnen sein kann. Die Fragelautet: Woran können die Erzieherinnen erkennen,dass sie die Themen des Kindes in einer Weiseinterpretiert und beantwortet haben, die das Kindzu einer weiterführenden Auseinandersetzung mitseinem Thema herausgefordert hat?

Die Erzieherinnen verständigen sich auf der Grundla-ge ihrer Beobachtungen mit den Kolleginnen ineinen fachlichen Diskurs darüber, mit welchen The-men der Junge, das Mädchen umgeht und ziehendaraus Schlüsse für ihr pädagogisches Handeln hin-sichtlich der sozialen Erfahrungen und des räumlichen

und materiellen Angebots (Genauer ausgeführt wirddieser fachliche Diskurs im Team im nachfolgendenfünften Schritt.)

Ob sie mit ihrer Antwort »richtig« liegen, sie demKind also eine Weiterführung seines Themas erlaubtund es zugleich über die Grenzen seines Erfahrungs-horizontes hinausführt, hängt davon ab, ob dieErzieherinnen das »Thema des Kindes« zutreffenderkannt haben und ihre Antwort darauf so gestaltethaben, dass sich das Kind mit seinem Thema wahr-genommen und angesprochen fühlt. Erkennbar wirddies an der Art und Weise, wie sich das Kind mitdem Angebot der Erwachsenen auseinander setzt.Ist das Kind motiviert, konzentriert, ist es ausdau-ernd, freudig und mit Energie bei der Sache? Kurz-um: Ist das Kind engagiert?

Das Konzept der Engagiertheit beinhaltet das Prinzipder individuell angemessenen Herausforderung. Soschreibt Laevers, dass Engagiertheit nicht eintritt,wenn die Aktivität zu einfach ist oder wenn dieAnforderungen zu hoch sind. »Engagiertheit findetstatt an der Grenze der eigenen persönlichen Mög-lichkeiten oder im ‚Bereich der nächstfolgendenoder möglichen Entwicklung« (Laevers 1997, S. 7).Die Erzieherinnen können also auf dem Beobach-tungsbogen »Bildungsthemen der Kinder« vermerken,ob sie ihre Beobachtung vor dem Hintergrund eineszugemuteten Themas durch die Erwachsenen anstellenund die Fragen zur Einschätzung der Engagiertheitals Rückmeldung des Kindes auf die Herausforderungdurch die Erzieherin interpretieren.

Gewinnt die Erzieherin aufgrund der Beantwortungder Fragen zur Engagiertheit den Eindruck, dass dasKind sich mit dem zugemuteten Thema des Erwach-senen nicht engagiert auseinander setzt, so könntedies darin begründet liegen, dass das Kind sich inder Formulierung oder Gestaltung der Antwort derErzieherinnen nicht in seinen aktuellen Fragen andie Welt angesprochen und herausgefordert fühltoder aber die Erzieherinnen mit ihren Hypothesenzu den Themen des Kindes nicht richtig lagen.

Im kollegialen Austausch muss das Team dann ent-weder noch einmal grundsätzlich über möglicheThemen des Kindes nachdenken oder ihre Schluss-folgerungen für das pädagogische Handeln überden-ken. Setzt das Kind sich hingegen engagiert mit denModifizierungen der Erwachsenen auseinander, soist davon auszugehen, dass die Antwort der Erwach-senen so gestaltet war, dass sie dem Kind eine Wei-terführung seines Themas erlaubt und es in seinerweiteren und vertieften Auseinandersetzung mit demThema unterstützt.

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

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Engagiertheit ist demnach auch ein Indikator dafür,ob das Kind in seinen Bildungsprozessen durch dieAntwort des Erwachsenen zu einem nächsten Ent-wicklungsschritt herausgefordert wurde und erlaubtes den Erzieherinnen, ihre Deutungen und ihre päda-gogischen Antworten auf ihre Richtigkeit und Ange-messenheit zu prüfen. Da sich im Rahmen des Pro-jekts die Qualität einer Einrichtung als einer Bildungs-einrichtung wesentlich auszeichnet durch das Erken-nen der Bildungsthemen jedes Jungen und Mäd-chens und die Kompetenz der Erzieherinnen, aufdiese Bildungsbewegungen unterstützend undherausfordernd zu antworten, ist die beschriebeneFeedbackschleife für die Erzieherinnen zugleich einInstrument der internen Qualitätsentwicklung, beider die pädagogischen Prozesse zeitnah evaluiertwerden können. Die pädagogische Arbeit wird indieser Weise von den Erzieherinnen selbst beurteilt,wobei »ein kindzentriertes Kriterium in den Mittel-punkt der Diskussion über die Qualität von Lern-und Bildungsprozessen rückt« (Mayr, Ulich, S.170).

5. Schritt Von der individuellen Beobachtung zur fachlichenReflexion mit den Kolleginnen Der fünfte Dokumentationsschritt zu den »Themendes Kindes« zielt darauf ab, besser zu verstehen,worauf das Kind seine Aufmerksamkeit und seineBildungsinteressen richtet, also mögliche Themen zuerkennen, mit denen das Kind in der beobachtetenSituation befasst ist.

Für die Reflexion gilt immer, dass viele Erzieherinnenmehr »sehen« als eine allein. Wenn grundsätzlichauch jede Erzieherin in der Kindertageseinrichtungdie Auswertung einer Beobachtungssequenz alleinvornehmen kann, so sind damit die Möglichkeiteneiner facettenreichen und damit auch realistischerenInterpretation der aufgeschriebenen Handlungsse-quenzen doch deutlich eingeschränkt. Die Deutun-gen einer einzelnen Erzieherin sind auch in diesemfünften Schritt von ihrer individuellen Biographiebestimmt, von ihren subjektiven Erfahrungen, ihrenVorlieben und Abneigungen. Ihre Annahmen überdas Kind und den Hintergrund seines Tuns werdennotwendigerweise Teilansichten sein. Deshalb solltedie Kompetenz möglichst vieler Fachkräfte genutztwerden. Die Themen eines Kindes liegen nur seltenoffen auf der Hand. Die unterschiedlichen Perspekti-ven und Interessenschwerpunkte, mit denen die ein-zelnen Kolleginnen auf die beobachtete Szene blicken,ermöglichen eine vielfältigere Annäherung an dieBildungsthemen der einzelnen Jungen und Mädchen.

Zudem behandeln die Kinder in einer Beobachtungs-

sequenz nahezu immer mehrere Themen parallel.Begibt sich ein Team gemeinsam in den Verstehens-prozess, wächst die Chance, diese verschiedenenThemen auch wahrzunehmen, da die einzelnen Kol-leginnen mit ihren je fachlichen Schwerpunktenunterschiedliche Zugänge zu dem Geschehen habenund entsprechend verschiedene Aspekte betonen.Es sollte also versucht werden, möglichst häufiggemeinsam mit dem Gesamtteam in den fachlichenAustausch zu gehen und die dokumentierten Szenenzu reflektieren.

Ein wöchentlicher Diskurs im Gesamtteam hat sichbewährt. Dann gelingt es den Teams, den Fadennicht zu verlieren. In großen Häusern können Teil-teams wöchentlich zusammenkommen, während imGesamtteam mindestens einmal im Monat eineZusammenkunft gewährleistet sein sollte, in derausschließlich Dokumentationen zu den Bildungs-prozessen der Kinder besprochen werden. Aber auchin kleinen Häusern sollte jeder Erzieherin der regel-mäßige fachliche Austausch mit mindestens eeiinneerrweiteren Kollegin ermöglicht werden. Nur so kannsie ihre eigenen Deutungen und fachlichen Einschät-zungen überprüfen und läuft nicht Gefahr, ihrenBlick auf die Kinder immer weiter zu verengen.

Wichtig ist, dass alle am Diskurs Beteiligten ihreMeinungen, Überlegungen, Schlüsse offen darlegenkönnen und nicht vorschnell bewertet wird, was dieanderen einbringen. Es geht also nicht darum, dieeigene Meinung gegen die anderen durchzusetzen,sondern die Deutungen aller im Team anzuerkennenund nebeneinander stehen zu lassen. In diesemPunkt sollte der Diskurs einem dialogischen Vorge-hen folgen.

EExxkkuurrssWWaass eeiinneenn DDiiaalloogg kkeennnnzzeeiicchhnneettIm Dialog wird der eigene Blick der Beteiligten gewei-tet. Der Zweck des Dialogs besteht darin »über dieGrenzen des individuellen Verstehens hinwegzukom-men« (Senge, 1999, S.293).

Die Sichten der Sprechenden stehen nebeneinander,nicht gegeneinander. »Am Ende steht nicht unbe-dingt das Ergebnis, die unzweideutige oder richtigeAntwort, sondern die Erkenntnis, dass man, um vor-wärts zu kommen, immer wieder von vorn anfangenmuss...« (Thürmer-Rohr 1997, S.3).

Der Dialog ist eine Diskursform, die von wechselsei-tiger Anerkennung bestimmt wird. EmpathischesZuhören ermöglicht dem Gegenüber, seine eigenenErfahrungen, Beobachtungen und Einschätzungen

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

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offen zu äußern und auch emotionale Reaktionennicht zu verschweigen.

Zugleich wird im regelmäßig geführten Dialog auchdie Verantwortlichkeit der einzelnen Erzieherinnenherausgefordert. Alle im Team denken im Dialoggemeinsam nach und wirken so an der Konstruktioneines gemeinsamen Sinns mit.

Ob dieses Nachdenken über ein Thema im Ergebnisvon allen mitgetragen werden kann, ist nicht zuletztabhängig davon, ob alle Beteiligten sich im dialogi-schen Prozess eigene Urteile bilden, eigene Stand-punkte erarbeiten und ihre jeweiligen Sichtweiseneinbringen. Es geht darum, mögliche eigene Vorbe-halte zu benennen und sich nicht vorschnell derMeinung des Gegenübers anzuschließen. Gefordertist das Selberdenken und Selberurteilen.

Der Dialog wird getragen von • der Bereitschaft, eigene Positionen in Frage zu

stellen, nicht als Wissende aufzutreten, sonderneine fragende, forschende, von interessierter Neu-gier geprägte Haltung einzunehmen,

• der Anerkennung der Verschiedenheit der Men-schen und der Pluralität von Welt,

• der Offenheit gegenüber anderen Sichtweisenund anderem Erleben.

(Ausführlich in Andres, 2002)

Grundsätzlich gilt für jjeeddeenn fachlichen Diskurs imTeam, der im Portfolio eines Kindes dokumentiertist – gleich ob er nur eine Beobachtungssequenzzum Gegenstand hat oder sich auf einen längerenZeitraum bezieht:

• Die Verständigung über die »Themen der Kinder«und ihre Bildungsprozesse ist nie abgeschlossen.In einem Teamgespräch gefundene Deutungenund Antworten sind immer vorläufig.

• Der fachliche Diskurs im Team zu den »Themendes Kindes« ist Teil eines spiralförmigen Prozesses,in dem die Erzieherinnen forschend interessiertbeobachten und ihre Wahrnehmungen reflektieren.Es wird gemeinsam überlegt, wie dem Kind aufseine Themen angemessen geantwortet werdenkönnte, welche Unterstützung oder Herausforde-rung es braucht und in welchen Interessen undKompetenzen es bestärkt werden sollte.

• Die Annahmen der Erzieherinnen werden dann imGespräch und gemeinsamen Handeln mit denJungen und Mädchen überprüft.

• Die neu gesammelten Beobachtungen werdenwieder zum Gegenstand des fachlichen Austauschsmit den Kolleginnen und es wird auf einer neuen

Ebene des Verstehens gemeinsam weitergedacht. • Es gilt also, sich eine kritische Haltung gegen-

über den eigenen Hypothesen zu bewahren undsich als Forschende und nicht als Wissende zuverstehen. Die Erzieherinnen sollten sich bewusstsein, dass ihrem gemeinsamen Nachdenken Gren-zen gesetzt sind und jeder Erkenntnisgewinn vor-läufig ist.

ZZuumm kkoonnkkrreetteenn VVoorrggeehheenn bbeeiimm ffaacchhlliicchheenn DDiisskkuurrssVVoorrbbeerreeiittuunngg Jeder fachliche Diskurs im Team muss vorbereitetwerden. Festgelegt wird der zeitliche Rahmen undwelche Beobachtungen Gegenstand des Fachge-sprächs sein sollen. Organisatorischen Fragen werdenzu einem anderen Termin geklärt. Geht man von 90Minuten für eine Teamsitzung aus, können zwei bisvier Beobachtungen reflektiert werden. Allerdingszeigt die Erfahrung, dass jedes Team zunächst einenlängeren Zeitraum benötigt, den gemeinsamen Dis-kurs zu üben und für sich die geeignete Form undden richtigen Rahmen zu finden.

Unbedingt sollte der Diskurs im Gesamtteam zu Zei-ten stattfinden, die möglichst frei von äußeren Stö-rungen sind. Am besten geeignet sind die Stunden,nachdem die Kinder bereits abgeholt wurden.

In der vorangehenden Sitzung sollte verabredetwerden, wer im nächsten Teamgespräch eine Beob-achtung einbringt. Dann ist zu klären, ob einzelneBeobachtungen mit dem Instrument »Themen desKindes« im Mittelpunkt stehen sollen oder übermehrere Aufzeichnungen aus dem Portfolio einesKindes nachgedacht werden soll, also ein komplexe-rer Verlauf in den Blick genommen wird. Danachrichtet sich, wie viele Beispiele reflektiert werdenkönnen.

Welche Kolleginnen ein Beispiel einbringen, hängtnicht zuletzt davon ab, welche von ihnen aktuelleFragen hat und mindestens ein zeitnahes Beobach-tungsbeispiel vorstellen kann.

Jede Erzieherin, die ein Beispiel einbringt, bereitetihre »Präsentation« so vor, dass sich alle gut in diejeweilige Beobachtung einfinden können. Steht nureine Beobachtung im Mittelpunkt, ist dies nicht allzuschwierig. Die Aufzeichnungen können einfach vor-gelesen werden.

Später werden im Verlauf des Prozesses zunehmendverschiedene Informationen aus dem Portfolio einesKindes die Grundlage eines Diskurses sein. Dann sindgenauere Vorüberlegungen notwendig. Die Erzieherin

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

Page 58: Elementare Bildung

muss entscheiden, welche Details zu den Aktivitätendes Kindes, seinen Freunden, Vorlieben und bevor-zugten Zugangsbereichen im Zusammenhang miteinem Bildungsverlauf wichtig sein könnten. Siemuss diese vor der Teamsitzung zusammenstellen.Keinesfalls sollte erst während der Zusammenkunftmit den Kolleginnen im Portfolio nach geeignetemMaterial gesucht werden. Umso mehr als die Zeit fürden gemeinsamen Diskurs im Team nahezu in allenKindertagesstätten eher zu knapp ist.

Zu Beginn des gemeinsamen Fachdialogs wird be-stimmt, wer die Moderation des Gesprächs über-nimmt, Zwischenergebnisse schriftlich festhält undauf die Zeit achtet. Weitere Hinweise zu Fragen derOrganisation finden sich im Modul 5, Organisatori-sche Vorarbeiten.

ZZuurr SSttrruukkttuurr ddeess DDiisskkuurrsseess Es hat sich bewährt, beim fachlichen Diskurs einerklaren zeitlichen und inhaltlichen Struktur zu folgen.Diese Struktur wird zum einen bestimmt von denFragen zur Reflexion und zum weiteren Vorgehen imInstrument »Themen des Kindes«. Zum anderenkann die Orientierung an einer Systematik der kolle-gialen Beratung hilfreich sein. Eine solche Vorge-hensweise unterstützt ein Wechselspiel zwischender Erzieherin, die ein Beispiel einbringt und ihren»mitdenkenden« Kolleginnen und hilft, das Themaim Blick zu behalten.

EEiinn BBeeiissppiieell Zunächst stellt eine Kollegin ihr Beispiel vor. EineRegel lautet dabei, dass sie dabei nicht von denZuhörenden unterbrochen wird.

Sie kann eine ihrer Beobachtungsaufzeichnungenvorlesen oder – wie oben beschrieben – verschiedeneausgewählte Dokumentationen aus dem Portfolioeines Kindes vorstellen. Auch ihre Einschätzung, wiesich das Kind in der ausgewählten Beobachtungssi-tuation gefühlt hat, trägt sie vor. Gehen die Erziehe-rinnen des Teams achtsam miteinander um undbesteht eine vertrauensvolle Atmosphäre, wird sieauch ihre eigenen Empfindungen oder biographischenErinnerungen, die sie während des Beobachtenshatte, einbringen. Keineswegs aber sollte sie eigeneerste Überlegungen zu möglichen Themen des Kindesbereits einbringen. Würde so doch das gemeinsameNachdenken bereits auf bestimmte Aufmerksamkeits-richtungen festgelegt werden.

NNaacchhffrraaggeenn zzuumm bbeesssseerreenn VVeerrssttäännddnniissDanach folgt eine kurze Nachfragerunde. Hierbei gehtes um fachliche Verständnisfragen der zuhörendenKolleginnen.

Welche Informationen brauche ich noch, um mir dieSituationen vorstellen zu können?

Hier wird es darauf ankommen, dass sich die be-treffende Erzieherin im Vorfeld der Teamsitzung gutauf den gemeinsamen Diskurs eingestimmt und sichdie im Portfolio gesammelten Ausschnitte zu denBildungsprozessen des Kindes noch einmal verge-genwärtigt hat.

EErrssttee AAssssoozziiaattiioonneenn Nun assoziieren, mit Ausnahme der Erzieherin, dieein Beispiel eingebracht, alle, was die geschilderteSituation bei ihnen auslöst. Hier geht es noch nichtum eine fachliche Deutung, sondern um Empfindun-gen, Bilder, Erinnerungen. Die Kolleginnen tun nunalso das, was die Beobachterin bereits unmittelbarnach ihrer Beobachtung getan hat. Sie fragen sich:Was macht die Situation mit mir?

Wie in einem gelungenen Dialog bleiben die ver-schiedenen Assoziationen und Ideen nebeneinanderstehen. Die Erzieherin, die ein Beispiel eingebrachthat, hört in dieser Phase ausschließlich zu.

FFaacchhlliicchh bbeeggrrüünnddeettee SScchhllüüssssee zzuu ddeenn TThheemmeenn ddeessKKiinnddeess Danach geht es darum, fachlich begründete Schlüssezu ziehen. Die Fragen lauten:• Wie deuten wir das, was das Kind allein und mit

anderen tut?• Was macht das, was das Kind tut, zu einer sinn-

vollen Handlung?

Es gibt zwei Zugänge zu diesen Fragen, die beidevon Bedeutung sind.

Zum einen sollten alle Beteiligten versuchen, sich inden Jungen oder das Mädchen hineinzuversetzen undsein Tun nachzuvollziehen. Was könnte das, wasdas Kind tut, für das Kind selbst bedeuten? Manch-mal hilft es dabei, sich vom bloßen Nachdenken zulösen und eine Hand- oder Körperbewegung nach-zuahmen und so nachzuempfinden. Auch eigeneKindheitserinnerungen können helfen, dem nachzu-spüren, was das Kind meint.

Voraussetzung ist mit Empathie und anerkennendauf das Kind zu blicken. Es also beispielsweisenicht vorschnell auf ein störendes Verhalten festzu-legen, vermeintliche Defizite bestätigt zu fühlenoder seine Rolle als »Opfer« und damit bereits(lange) bestehende Bilder, die man von diesemKind hat, anhand der beobachteten Situation fest-

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

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zuschreiben. Wenn alle oder viele Beteiligte dasKind kennen, kann das helfen, einen offenen undneugierigen Blick zu behalten, da die Einzelnen eineje eigene Beziehung zu dem Kind haben und esunterschiedlich wahrnehmen. Es ist manchmal über-raschend, wie aus dem Team heraus eine Erzieherineine völlig neue Sichtweise einbringt, die dem bis-her Gesagten sogar zu widersprechen scheint. Damitist das bisher Gesagte keineswegs nichtig. Aber dieneue Perspektive macht die verschiedenen Seitendieses Kindes deutlich und ermöglicht einen neuenZugang, während des Nachdenkens ebenso wiebeim zukünftigen Handeln.

EExxkkuurrss VVoorrssiicchhtt SSttoollppeerrsstteeiinnee ooddeerr ddiiee TThheemmeenn hhiinntteerr ddeennTThheemmeennDer regelmäßige Diskurs zu den Themen des Kindeshat zum Ziel, die Verständigung mit den einzelnenMädchen und Jungen weiterzuentwickeln. EinenMenschen besser zu verstehen, schließt immer auchein, nicht vorschnell zu urteilen. Dies gilt auch fürdie Hypothesen zu den Themen des Kindes.

Es kommt vor, dass der erste Blick auf die Aktivitäteines Kindes uns auf ein sscchheeiinnbbaarr offensichtlichesThema verweist. Bei genauerem Hinsehen wird aberdeutlich, dass das Eigentliche hinter dem Offensicht-lichen verborgen ist. Auch wenn es manchmal ange-sichts knapper Zeit verführerisch scheint, ein Themaschnell festzuschreiben, ist hier die forschende Auf-merksamkeit aller am Diskurs Beteiligten gefragt.

Lautet das Thema eines Jungen, der häufig von Rit-tern erzählt, gemeinsam mit dem Praktikanten undseinem Vater interessiert Bücher betrachtet, die vonRittern handeln und vielleicht auch Rollenspiele mitRitterkämpfen mitgestaltet, tatsächlich »Ritter«?Wenn allerlei Angebote geplant und durchgeführtwerden, die die Welt der Ritter zum Gegenstandhaben, der Junge aber nur eher lustlos mittut, wirdklar, dass hier die Entscheidung für ein Thema wohlzu voreilig fiel. Vorausgesetzt die Erzieherinnen blei-ben dem Kind gegenüber aufmerksam und nehmenseine Antwort auf ihr Angebot ernst. Beziehen dieErzieherinnen das, was sie sonst noch über denJungen wissen in ihre Überlegungen mit ein, kom-men sie dem Tatsächlichen vielleicht näher (vgl.Modul 3).

In diesem Beispiel aus einer Stuttgarter Projektkinder-tagesstätte hat der kontinuierliche Diskurs allerErzieherinnen und ihr ernsthaftes Bemühen, denJungen zu verstehen zu dem Erkennen geführt, dassdieser Junge sich wohl mit seiner Jungenrolle sehr

intensiv auseinander setzt. Plötzlich erschien dieTatsache, dass er die Ritterbücher immer nur mitMännern angesehen hat und ansehen wollte ineinem neuen Licht und wurde bedeutsam.Ein weiterer Stolperstein kann in den Vorlieben dereinzelnen Kinder für bestimmte Ausdrucksformenliegen. Kinder bearbeiten ihre Themen in verschie-denen »Sprachen«. Sie zeigen zum Beispiel im Tanz,beim Malen oder Basteln oder im Rollenspiel, wasihre aktuellen Themen sind, womit sie sich geradeintensiv befassen. Diese Sprachen bringen bestimm-te Vorlieben und Zugänge des Kindes zum Aus-druck. Hier lohnt es sich fast immer, zwischen demThema und der Sprache, in der es formuliert wird,zu unterscheiden.

Neben dem, was das Kind selbst möglicherweisemit seiner Handlung, seinen Worten beabsichtigt,meint oder herausfinden will, enthält die beobachteteSituation jedoch immer auch eine Bedeutung, dieihr von außen zugeschrieben wird. Sie hat eine ob-jektive Struktur. Es kommt ihr eine kulturell bestimm-te Bedeutung zu. Es gibt in jeder Gesellschaft eineÜbereinstimmung darüber, was bestimmte Verhaltens-weisen bedeuten. In diesem Sinn tun die Erzieherin-nen also so, als ob das Kind erwachsen wäre.Damit fügen sie dem vom Kind subjektiv gemeintenSinn ein »objektives« gesellschaftliches Bedeutungs-spektrum hinzu, das vom Kind selbst so (noch)nicht gemeint ist. Mitglieder einer Gesellschaft sindgrundsätzlich kompetent, diese Bedeutungen zuerkennen und zusammenzutragen.

Wenn Erzieherinnen also Themen benennen, dienach ihrer Meinung aus der Aktivität eines Kindeszu erkennen sind, so sind diese Themen immer vomKind und den Erwachsenen gemeinsam konstruiert.Wir gehen davon aus, dass diese kulturelle Bedeu-tung auch immer in die Antwort, die die Erwachse-nen dem Kind auf seine Themen geben, einfließt.Die »zugemuteten Themen«, die der Erwachsene inden Dialog mit dem Kind einbringt, weisen über dasaktuelle subjektive Weltbild des Kindes hinaus.

Deshalb schlagen wir vor, sich während des Dialogsbewusst auch von der Perspektive des Kindes zulösen. Die Analysefrage lautet dann: • Welche Situation können wir uns vorstellen, in

der das, was das Kind tut, einen Sinn machenwürde?

Die Moderatorin hält aallllee genannten Themen aufeiner Wandzeitung oder einem Flipchart schriftlichfest, so dass sie für alle Beteiligten während derProzesse sichtbar sind.

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

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Abgeschlossen ist diese Phase, wenn alle Hypothe-sen, die den Beteiligten zu den »Themen des Kindes«einfallen, genannt sind. Diese Themen sind immerKonstruktionen. Sie enthalten den subjektiv gemein-ten Sinn, den die Erwachsenen dem Kind zuschreibenebenso wie das kulturelle Bedeutungsspektrum (vgl.auch Modul 3, Was sind Themen?).

Es kann hilfreich sein, wenn sich ein Team daraufverständigt, dass die Erzieherin, die eine Beobach-tung eingebracht hat, in einer ersten Phase des Nach-denkens über die Themen des Kindes ausschließlichzuhört, was die anderen sagen. Sie bringt sich dannabschließend ein, gibt Rückmeldung, mit welchenHypothesen sie etwas anfangen, mit welchen Ideensie mitgehen kann, mit welchen eher nicht. Am an-schließenden Klärungsprozess sind in jedem Fallwieder alle Erzieherinnen beteiligt.

Entscheidungen darüber, welche Themen weiter ver-folgt werden sollen, welche logisch scheinen odersich möglicherweise widersprechen, werden erstgetroffen, wenn der Dialog abgeschlossen ist. Indiesem Klärungsprozess müssen das Alter des Kindes,der Stand seiner Entwicklung, allgemein seines Welt-verstehens mitberücksichtig werden. Ein wesentlicherHinweis darauf, ob es sich bei dem ausgewähltenBeispiel um eine für das jeweilige Kind bildungsre-levante Situation handelt, ist bereits in den Fragenzur Engagiertheit enthalten. Daneben bieten ent-wicklungspsychologische Kenntnisse eine Folie, diemit darüber entscheidet, ob ein genanntes Thematatsächlich wesentlich für die aktuellen Bildungspro-zesse des jeweiligen Kindes sein könnte.

Unabhängig davon, ob in einer Kindertagesstättenach einem offenen Konzept gearbeitet wird oderjede Erzieherin größtenteils allein in einem Grup-penraum für eine Kindergruppe verantwortlich ist,wird die Entscheidung darüber, welche Themen wei-ter verfolgt werden sollen, gemeinsam getroffen.

SScchhllüüssssee ffüürr ddaass ppääddaaggooggiisscchhee HHaannddeellnnAuf der Basis der ausgewählten Themen des Kindeswerden dann Schlüsse für das weitere pädagogischeHandeln gezogen. Was sollte im Materialangebot, inder Raumgestaltung, in der Interaktion mit demKind verändert werden? Braucht dieses Kind mehrUnterstützung, neue Herausforderungen oder ein-fach Zeit und Raum, um sich allein oder mit ande-ren Kindern seinen Themen zu widmen? Auch andiesen Überlegungen beteiligen sich wieder alle.

In Häusern, die nach einem offenen Konzept arbei-ten und in denen es so genannte »Funktionsräume«

gibt, gelingt eine angemessene Antwort der Erwach-senen auf die Themen des Kindes nur, wenn ver-schiedene Erzieherinnen ihre Kompetenzen einbringenund sich verantwortlich fühlen. Die gelingende Koope-ration im Team ist also auch in diesem Punkt einenicht zu vernachlässigende Bedingung für die erfolg-reiche Umsetzung der hier vorgestellten Pädagogik.

Andererseits hat ein solches offenes Konzept denVorteil, dass die Antwort, die Kinder auf ihre Themenvon den Erwachsenen bekommen, in der Regelkomplexer sein werden, als wenn eine Erzieherinallein Ansprechpartnerin für die Jungen und Mäd-chen ist. Sind doch die Gestaltungsmöglichkeiten ineinem einzigen Gruppenraum eingeschränkt undverfügt eine Erzieherin allein nicht über die Kompe-tenzen, die alle Erzieherinnen eines Teams einbringenkönnen.

OOffffeennee FFrraaggeennIn jedem Diskurs über die Themen oder im weiterenSinn die Bildungsprozesse der Kinder bleiben Fragenoffen und Dinge ungeklärt. Dies ist ganz im Sinnedes hier vorgestellten Konzepts. Das gemeinsameNachdenken über die Kinder, die Hypothesen derErwachsenen, müssen für Korrekturen offen bleiben.Nur so sind neue Erfahrungen auf Seiten der Kinderund der Erwachsenen möglich. Wenn Erwachseneglauben, alles über das Kind und sein Weltverstehenzu wissen, »droht die Bildsamkeit des Kindes zuerlöschen« (Mollenhauer, 1983). Eine fragende Hal-tung der Erzieherinnen kann davor schützen, inpädagogische Routinen zu verfallen.

Der spiralförmige Prozess, der die hier vorgestelltePädagogik kennzeichnet, wird getragen von diesem»immer-weiter-Fragen«. Die Beobachtung ruft Fragenbei der Beobachterin hervor. Sie trägt diese Fragenins Team. Dort werden erste Hypothesen entwickelt,entstehen aber auch weitere Fragen. Mit diesem»Zwischenergebnis« wenden sich die Erwachsenenwieder an das Kind. Das, was sie in die Interaktionmit dem Kind einbringen oder ihre Veränderungenin den Räumen, enthalten die implizite Frage »Kannstdu mit dem, was wir uns überlegt haben, etwasanfangen? Haben wir verstanden, was du meinst,womit du dich beschäftigst?« Die Antwort des Kindesin diesem Verständigungsprozess bildet dann wiederdie Basis für das Weiterforschen im Team.

Deshalb ist es wichtig, abschließend schriftlichauch die offenen Fragen festzuhalten.

ZZiieellvveerreeiinnbbaarruunnggeenn ttrreeffffeennZum Abschluss dieser Phase wird ganz konkret ver-abredet:

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

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• Welche Erzieherinnen sind verantwortlich für dieeinzelnen Handlungsschritte?

• Bis wann soll die Umsetzung der geplantenSchritte abgeschlossen sein?

• Wer notiert, wie das Kind mit den Antworten derErwachsenen umgeht?

• Wann geben wir uns wechselseitig Rückmeldungüber diese Prozesse?

2. Bildungsbereiche und Zugangsformen des Kindes

Die Beobachtungen zu den so genannten Zugangs-formen oder Bildungsbereichen der Kinder sollender Erzieherin helfen, sich ein genaueres Bild davonzu machen, ob und wenn ja, welche der möglichenWege ein Kind bevorzugt, um sein »Bild von derWelt« zu konstruieren. Sie sollten im Abstand vonungefähr sechs Monaten wiederholt werden, um ggf.auf einen Wechsel in den Bereichen aufmerksam zuwerden.

Das Vorgehen benutzt Gedanken aus einem Konzept,das von Howard Gardner unter dem Begriff der mul-tiplen Intelligenzen ausgearbeitet worden ist. Dazuexistieren verschiedene Veröffentlichungen, die überden Kontext und die Details dieser Konzeption dermenschlichen Intelligenz Aufschluss geben. Die Grun-didee Gardners war es, dass Menschen über mehrals eine Möglichkeit verfügen, sich intelligent zuverhalten und dass jeder seiner individuellen Zugän-ge und bevorzugten Bildungsbereiche ernst genom-men werden sollte, anstatt alle zusammen auf eineeinzige Dimension zu reduzieren, die dann in Formeines so genannten Intelligenzquotienten darstellbarist.

Diese Überlegungen sind in einer Reihe von For-schungsprojekten und Untersuchungen mit demKonzept der von David Feldman entwickelten »Be-reiche des Wissens« zusammengeführt und in einepädagogische Konzeption integriert worden, die aufdie Feststellung und Förderung von »Stärken derKinder« zielte . Dabei sollten ggf. vorhandene»Schwächen« bei den Kindern erst dann in geeigne-ter Weise in fördernde Aktivitäten einbezogen werden,wenn die Stärken oder Kompetenzen der Kinderidentifiziert und gefestigt erscheinen. Als Methodewurde in dieser Hinsicht das so genannte »bridging«benutzt, also das Herstellen einer Verbindung vonBereichen der »Stärke« zu solchen der »Schwäche«über geeignete Aktivitäten, in denen beide Bereichezugleich angesprochen waren.

In diesem Zusammenhang wurden sowohl »learning

centers« entwickelt, entsprechend mit Material undEinrichtungen versehene Ecken oder Bereiche ineinem größeren Raum, in denen die Kinder nachihren Vorlieben und Interessen Kenntnisse undFähigkeiten erwerben konnten. Die Idee der »learningcenters« bot die Grundlage für das Konzept der »Bil-dungsinseln«, wie es im infans-Konzept benutzt wird.

Die Strukturierung der Räume wurde im »ProjectSpectrum«, unter welchem Namen die amerikanischenUntersuchungen zusammengefasst sind, ergänzt durchSkalen, auf denen Kinder hinsichtlich ihrer Kompe-tenzen beurteilt werden konnten. Diese Skalen sindweit überwiegend bei vier- und fünfjährigen Kinderneingesetzt worden und haben sich auch für den Über-gangsbereich zur Schule und in den ersten Schul-klassen als brauchbar erwiesen. Sie sind die Basisfür die Beobachtungsskalen, die hier bei infans Ver-wendung finden. Sie sind jedoch von uns in zweier-lei Hinsicht verändert worden. Zum einen wurdeneinige der Fragen, die in den Skalen enthalten sind,so verändert, dass sie auch für dreijährige Kindernoch sinnvoll eingesetzt werden können. AndereFragen wurden heraus genommen, weil sie uns fürKindergartenkinder zu hoch gegriffen schienen undwir darüber hinaus den Umfang der mit der Beob-achtung verbundenen Arbeit begrenzt halten wollten.

Die zweite, wichtigere Veränderung, die wir vorge-nommen haben, hat etwas mit der Skalendefinitionund damit der Bedeutung der Beobachtungen zutun. Wir benutzen die Skalen nicht, um Kompetenz-profile der Kinder zu erhalten, sondern um die Inte-ressen der Kinder genauer zu fassen. Es geht unsbezogen auf die sieben verschiedenen Bildungsbe-reiche darum, herauszufinden, ob ein Kind besonde-re Interessen in einem oder mehreren dieser Bereichezeigt. Nach unserem Verstehen sind es die Interessender Kinder, die den Zugang zu den Bildungsprozessender Kinder für die Pädagogik öffnen. Sie erlaubenes, »Themen der Kinder« zu erkennen und bieteneine Orientierung für die Erzieherin, welchen Zugangdas Kind seinerseits zur Welt sucht und benutzt.

Neben diesen, auf das einzelne Kind bezogenenInformationen, die zum Aufbau individualisierterThemen-Angebote beitragen können, erlaubt dieAuswertung der Beobachtung es auch, Gruppen vonKindern mit ähnlichen Interessen zu identifizieren,für die dann gemeinsame Aktivitäten geplant werdenkönnen. So wurde zum Beispiel die Einführung einesZahlenprojektes in der Projekteinrichtung in Freiburgdadurch erleichtert, dass ein erstes Angebot sicheben an die Kinder richtete, deren Interesse für denmathematischen Zugang auf diese Weise festgestellt

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

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worden war. Damit kann sicher gestellt werden, dassdie von den Erzieherinnen auf Grund ihrer Erziehungs-ziele ausgewählten Themen, die den Kindern zuzu-muten sind, sich zunächst einmal an diejenigenrichten, bei denen ein Interesse dafür vermutet wer-den kann. Dadurch können die Erzieherinnen Erfah-rungen mit ihrem Themenangebot machen und esmit Hilfe der motivierten Kinder auch weiter entwi-ckeln. Innerhalb der Einrichtung hat sich die Freudeder Kinder am »Zahlenland« (Preiß, 2004) herumge-sprochen, so dass es zwischenzeitlich Wartelistender interessierten Jungen und Mädchen gibt.

Zum konkreten Vorgehen bei Beobachtungen zuden Bildungsbereichen des KindesFür jedes Kind wird im Abstand von etwa sechsMonaten der Bogen Bildungsbereiche/Zugänge aus-gefüllt. Wenn in der Kindertageseinrichtung eineForm der offenen Arbeit praktiziert wird, müssen inder Regel mehrere Kolleginnen zusammenwirken,um alle Fragen bezogen auf ein Kind beantwortenzu können. Grundsätzlich können alle Erzieherinnen,die das Kind aus ihrer täglichen Arbeit kennen, ander Beantwortung der Fragen beteiligt werden.

Es ist unbedingt darauf zu achten, dass sich dieFragen auf die aktuelle Situation beziehen unddarauf, ob das Kind die nachgefragten Aktivitätenzur Zeit praktiziert. Es geht also nicht darum, obdas Kind etwas kann, sondern ob es das, worum esin der Frage geht, aktuell tut. Die Beobachtungensollen ein Profil der aktuellen Interessen des Kindesergeben, kein Kompetenzprofil. Beispielsweise kannes sein, dass ein Kind noch vor einem halben Jahrsehr gern und geschickt mit Puzzles gespielt hat(Frage 3 im Bildungsbereich Logik und Mathematik),es aber aktuell nicht mehr tut. Dann darf die Fragekkeeiinn Kreuz erhalten, weil das Kind das Spiel mitPuzzles zwar beherrscht, wie die Vergangenheitgezeigt hat, aber zur Zeit keinen Gebrauch von die-sem Können macht. Auf diesen Sachverhalt müssenauch die Eltern des Kindes hingewiesen werden,wenn sie in das Portfolio Einblick nehmen oder derBeobachtungsbogen im Elterngespräch besprochenwird. Es geht nicht darum, ob das Kind etwas kann,sondern darum, ob es etwas aktuell tut.

Für jeden der sieben Zugangsbereiche werden alleFragen beantwortet. Wenn eine Frage mit »ja«beantwortet werden kann, wird das Kästchen hinterder Frage mit einem Kreuz gekennzeichnet. Sindalle Fragen in dem jeweiligen Zugangsbereichbeantwortet, werden die Kreuze in den Kästchenhinter den Fragen zusammengezählt und ihre Anzahlin das Kästchen »Anzahl der angekreuzten Fragen

(Rohwert)« eingetragen. Nachdem dies für alle sieben Zugangsbereichegeschehen ist, wird in der »Umrechungstabelle vonRohwerten in Profilwerte« in der 1. Zeile der Rohwertdes ersten Bildungsbereichs (Sprache) aufgesuchtund in der entsprechenden Spalte darunter der Pro-filwert gesucht. Dieser Profilwert wird dann sowohlin das Kästchen »Profilwert nach Umrechnungstabel-le« des entsprechenden Bildungsbereichs als auchin die »Ergebnistabelle Bildungsbereiche/Zugänge«eingetragen. In dieser Tabelle wird dann die ent-sprechende Zahl in der Zeile des Bildungsbereichsangekreuzt. Ebenso wird mit den anderen Bereichenverfahren. Die Kreuze in allen Bildungsbereichenkönnen in der Ergebnistabelle mit Linien verbundenwerden, so dass ein Profil für das Kind entsteht,dessen am weitesten nach rechts weisende Spitzendie aktuell bevorzugten Zugänge des Kindes zurUmwelt bezeichnen.

Ein Beispiel Im Bildungsbereich »Bewegung« werden sieben Fra-gen mit »ja« beantwortet. Dementsprechend wird indas Kästchen »Anzahl der angekreuzten Fragen (Roh-werte)« die Zahl »7« eingetragen. In der »Umrech-nungstabelle von Rohwerten in Profilwerte« wird inder ersten Zeile »Rohwerte« die Zahl »7« aufgesuchtund in dieser Spalte nach unten bis in die Zeile»Bildungsbereich Bewegung« gegangen. Dort findetman die Zahl »6«. Sie ist der Profilwert des Kindesfür den Bildungsbereich Bewegung und wird in die»Ergebnistabelle Bildungsbereiche/Zugänge« in derSpalte »Profilwerte« und in der Zeile »BildungsbereichBewegung« eingetragen. Danach wird in derselbenZeile die Zahl »6« angekreuzt.

Bevor der Bogen dem Portfolio des Kindes hinzuge-fügt wird, sollte die Erzieherin, die für die Führungdes Portfolios verantwortlich ist, das Profil und dieeinzelnen Fragen, auf denen es beruht, sorgfältiganalysieren. Die Auswertung der Antworten auf dieeinzelnen Fragen kann Hinweise auf Themen erge-ben, für die sich das Kind aktuell interessiert unddie deshalb auch für Themenzumutungen geeignetsein können.

Wenn darüber hinaus beispielsweise in der Kinder-tageseinrichtung kontinuierliche Herausforderungenfür den Sprachgebrauch einen besonders hohenStellenwert haben, können die mit »ja« beantworte-ten Fragen (im Bogen also die angekreuzten Fragen)die Möglichkeit bieten, Aktivitäten, an denen dasKind Interesse zeigt, mit dem Gebrauch von Sprachezu verbinden.

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

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Nicht selten kommt es vor, dass einzelne Fragennicht beantwortet werden können, weil die entspre-chenden Materialien in der Kindertagesstätte nichtvorhanden sind oder Gelegenheiten fehlen, in denendie Kinder das nachgefragte Verhalten zeigen könn-ten. Das Instrument »Bildungsbereiche und Zugangs-formen« kann einem Team also auch wichtige Hin-weise zur Überprüfung der gestalteten Umgebungund der gestalteten Interaktion mit den Kinderngeben.

Die Einbeziehung der Eltern Familien sind an Informationen darüber, was ihrKind den Tag über tut, hoch interessiert. Sie fragenhäufig danach, was ihr Kind gerade am liebsten tut.Das kann zu Hause und in der Kindertagesstätteunterschiedlich, manchmal aber auch sehr ähnlichsein.

In diesem Zusammenhang können Eltern – wenn siemögen – selbst den Bogen zu den Bildungsbereichenihres Kindes ausfüllen. Gefragt ist hier, was das Kindzu Hause an Zugangsformen zeigt.

In einem Gespräch können Eltern und Erzieherin dieAufzeichnungen aus der Kindertagesstätte und die derEltern vergleichen und sich zusammen auf die Stärkenund die aktuellen Interessen des Kindes konzentrie-ren. Nicht nur für die Eltern auch für Erzieherinnenkann dieser Austausch wichtige Informationen ent-halten. So wurde in der Rastätter Kindertagesstättedes Projektverbundes in einem solchen Gesprächdeutlich, dass ein Junge, der in der Einrichtung kei-nerlei Interesse am gut ausgestatteten Musikzimmerzeigte und auch entsprechende Angebote eher mied,sein intensives musikalisches Interesse offensichtlichzu Hause auslebte und in der Kita entsprechendandere Herausforderungen suchte und fand.

Der von den Eltern ausgefüllte Bogen kommt dannzusammen mit den Dokumentationen der Erzieherin-nen in das Portfolio des Kindes.

3. Dokumentationen zu den bevorzugten Tätigkeitenund Interessen der Kinder

Zusammenstellungen zu den bevorzugten Interessenund Tätigkeiten eines Kindes eröffnen einen wichtigenZugang zu den individuellen Interessen, einzigartigenTalenten und Leidenschaften eines Kindes. Was einKind wieder und wieder tut, erlaubt Einsichten inseine sich entwickelnden Fertigkeiten und Kompe-tenzen. Diese Wahlentscheidungen des Kindes zu

dokumentieren, trägt zu einem individualisiertenErziehungsentwurf bei, weil die Erzieherin sich beiihren Angeboten (Stichwort: Zumutung von Themen)auf die Interessen des Kindes stützen kann.

Erzieherinnen können die Informationen, die sie durchdie Beobachtung von vom Kind bevorzugten Aktivi-täten gewinnen, nutzen, um Ideen zu entwickeln,wie sie ein Kind am besten unterstützen und seineBildungsprozesse herausfordern können. MancheErzieherinnen sind besorgt, wenn ein Kind Tag fürTag dieselben Aktivitäten wählt. Wir schlagen vor,dass die Erzieherin ihre Beobachtungen zu den wie-derholten Wahlen des Kindes zunächst in das Form-blatt einträgt, um auf dieser Basis zunächst zureflektieren, was sie gesehen hat und daraus schließ-lich Schlüsse zu ziehen, ob sie eingreifen soll undwenn ja, wie. Zugleich ermöglicht die Dokumentationder Beobachtung, sie als Grundlage für eine Bera-tung mit Kolleginnen zu nutzen.

Es könnte zum Beispiel sein, dass ein Kind wieder-holt eine Aktivität wählt, die an der oberen Grenzeseiner Fähigkeiten liegt und die Wiederholungen dazunutzt, sich zu vervollkommnen. Wenn sich ein Kindzum Beispiel mit dem Sortieren von Gegenständenbefasst und immer wieder das selbe Material dazuhaben will, kann es sich aus Sicht des Kindes umeine nicht leicht zu lösende Klassifizierungsaufgabenach mehreren Gesichtspunkten handeln. Wenn dieErzieherin das erkennt, kann sie abwarten, bis dasKind die verschiedenen Möglichkeiten sicher be-herrscht, bevor sie seine (selbst gewählte) Aufgabedurch ein Hinzufügen geeigneter Elemente zu einerkomplexeren Herausforderung ausweitet. Durch dieBeobachtung der Lieblingstätigkeit eines Kindeskönnen solche pädagogischen Entscheidungen über-haupt erst ermöglicht oder erleichtert werden.

Auf diese Weise können aber auch längerfristigeInteressen der Kinder identifiziert werden, die sieschließlich zu Experten für bestimmte Themen wer-den lassen. In der Woltersdorfer Konsultationskitahat ein Junge sich zu einem Experten für Reptilienentwickelt, was von den Erzieherinnen zum Beispieldurch die Beschaffung geeigneter Fach- und Bilder-bücher zu dieser Thematik beantwortet wurde. Einsolcher Interessenschwerpunkt kann leicht dazugenutzt werden, auch andere Themen anzusprechen,wenn sie sich mit dem bevorzugten »Thema desKindes« vereinbaren lassen. Kinder sind in allerRegel hoch motiviert, sich auf Aktivitäten einzulas-sen, die mit solchen von ihnen bevorzugten Themenzu tun haben und sich dabei stark zu engagieren.Solche Themen können im Übrigen auch körperliche

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

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Fertigkeiten betreffen, die von den Kindern immerwieder geübt und zu fast artistischer Kompetenzentwickelt werden können.

Die systematische Beobachtung und Dokumentationsolcher besonderen Interessen und von den Kindernbevorzugten Aktivitäten stellt neben den anderenAufzeichnungen zu den Bildungsprozessen des Kin-des eine wichtige Basis für den fachlichen Diskursund die pädagogische Planung dar.

4. Bildungsgeschichten des Kindes aus seiner Familie

Die Kooperation mit den Eltern hat im pädagogischenHandlungskonzept von infans einen hohen Stellen-wert. Das Portfolio stellt dabei nicht nur eine Grund-lage für die fundierte Information der Eltern über dieAktivitäten ihres Kindes in der Kindertagesstätte,seine Freunde und Freundinnen, besondere Interessenund Kompetenzen dar. Vielmehr ist das Portfolio einzentrales Ausdrucksmittel der Bildungs- und Erzie-hungspartnerschaft zwischen Eltern und Erzieherinnen.Aus diesem Grund werden die Eltern ausdrücklicheingeladen, sich an der Dokumentation über die Bil-dungsprozesse ihres Kindes zu beteiligen und selbstkleine Bildungsgeschichten aus der Familie beizutra-gen. Für die Erzieherinnen sind Informationen überdas Leben des Kindes zu Hause, die Interessen, diees dort zeigt, die Themen, mit denen es sich dortbefasst und die Beziehungen, die es im weiterenKreis seiner Familie eingeht und pflegt, von großerBedeutung. Dabei sind Mütter und Väter der Kinder,aber auch Oma und Opa und wer immer sich dortsonst dem Kind zuwendet, Expertinnen für die Inter-pretation dessen, was das Kind tut und welche The-men es aktuell bearbeitet.

Dieser Teil der Dokumentation kann dabei verschie-dene Bereiche umfassen: Zum einen können Eltern Fotos, versehen mit kleinenKommentaren, aus der häuslichen Umwelt des Kin-des, von Familienfeiern, Ausflügen oder aus demUrlaub in das Portfolio einfügen, Berichte von Erleb-nissen des Kindes zu Hause und Hinweise auf be-sondere Interessen und Bedürfnisse des Kindes.

Zum anderen können Eltern sich auf Bildungsge-schichten aber auch auf Kontakte zwischen Familieund Kindertagesstätte beziehen. Sie können bei-spielsweise die Teilnahme an Festen, oder anderengemeinsamen Aktivitäten (Ausflüge, Renovierungen,die Aufstellung von Spielgeräten etc.), die erstenTage in der Kindertagesstätte durch Fotos und kurze

Anekdoten dokumentieren.5. Das Soziogramm

In der Kindertageseinrichtung trifft ein Kind in allerRegel zum ersten Mal auf eine große Anzahl vonKindern unterschiedlichen Alters, verschiedener Her-kunft und vielleicht ungewohnter Verhaltensweisen.Diese anderen Kinder stellen immer eine großeHerausforderung dar, da durch sie sowohl die Not-wendigkeit als auch die Chance entsteht, Strategiendes Aushandelns zu entwickeln, die sich von den imUmgang mit Erwachsenen gelernten wesentlich unter-scheiden. Dies insbesondere dadurch, dass Kinderuntereinander, ungeachtet aller Unterschiede, dieauch zwischen ihnen bestehen können, auf derEbene von Gleichen interagieren. Das Macht- undKompetenzgefälle, das in Bezug auf die Erwachsenenimmer präsent ist, fehlt in der Kindergesellschaftund öffnet damit die Möglichkeit zum Aushandelnvon Perspektiven und Verhaltensweisen. Darin wirdvon Wissenschaftlern eine wesentliche Voraussetzungfür die Konstruktion von Gerechtigkeitsmodellen undmoralischen Strukturen insgesamt gesehen, die vonden Kindern selbst verantwortet werden und damitaus dem Bereich einer von außen geleiteten (undggf. kontrollierten) Moral herausführen.

Im Stufenmodell der Moralentwicklung, das der Psy-chologe Kohlberg entworfen hat, ist dies eine derVoraussetzungen dafür, dass höhere Stufen der mora-lischen Entwicklung – die durch intrinsisch gestützte,also auf inneren Überzeugungen beruhende Vorstel-lungen von moralischen Verhalten charakterisiertsind – überhaupt erreicht werden können. Aber nichtnur die Moralentwicklung wird durch die Interaktionenin der Kindergruppe beeinflusst, sondern man kannallgemein davon ausgehen, dass Kinder untereinan-der auf ihre jeweiligen Konstruktions- oder Bildungs-prozesse reagieren und auf dieser Ebene wichtigeObjektivierungen der subjektiven Welt- und Selbst-konstruktionen stattfinden. Die Kinder ko-konstruie-ren auf ihrer Ebene, wie das der Psychologe JamesYouniss ausgedrückt hat.

Jedes Kind lernt schließlich in seinen Beziehungenzu den anderen Kindern, wie Beziehungen aufge-nommen und aufrechterhalten werden können. Eslernt auch, wie Beziehungen für kurze oder längereZeiten abgebrochen werden können und wie mandas verhindern kann, wenn man an dieser Beziehungbesonders interessiert ist. Kurz, innerhalb der Kinder-gemeinschaft erfährt ein Kind alle grundlegendenVarianten der sozialen Beziehungen, die auch in sei-nem späteren Leben eine Rolle spielen werden. Sieunterscheiden sich von den Bindungsbeziehungen,

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die das Kind zu den ihm vertrauten Erwachsenenaufgebaut hat, durch ihre höhere Irritierbarkeit undder prinzipiellen Abhängigkeit ihrer Existenz vomeigenen Verhalten.

Eine besondere Bedeutung kommt dabei den Freund-schaftsbeziehungen zu, nicht nur, weil diese Bezie-hungsform auch später sehr wichtig sein wird, sondernweil sie das Kind vor besondere Herausforderungenstellt. Freundschaften sind ernsthafte Prüfsteine füreigene Wünsche und Erwartungen, für Verhand-lungsgeschick und Kompromissfähigkeit. LotharKrappmann hat zusammen mit Hans Oswald solcheFreundschaftsbeziehungen unter Grundschülernuntersucht und wer will, kann dort viel über dieBedeutung dieser Beziehung für die Kinder lernen(Krappmann und Oswald 1995).

Viele dieser Erfahrungen kann ein Kind natürlich nurdann machen, wenn es ihm gelungen ist, Beziehungenzu anderen Kindern aufzubauen. Das heißt konkret,wenn es selbst auf andere Kinder zugegangen istund sie für sich interessieren konnte. Schon wegender beschriebenen Bedeutung solcher Beziehungenzu anderen Kindern gehört es zu den grundlegendenAufgaben jeder Erzieherin, sich von Zeit zu Zeit einBild von dem Beziehungsgeflecht zu machen, dasdie Kinder in ihrem Verantwortungsbereich unterei-nander aufgebaut haben. Wegen der Möglichkeit,dass einzelne Kinder an dieser Aufgabe ganz oderteilweise scheitern, also mehr oder weniger isoliertvon anderen Kindern ihre Zeit in der Einrichtungverbringen, sollte sie sich diesen Überblick ingewissen Abständen systematisch und regelmäßigverschaffen. Dazu dient das Soziogramm, ein altehr-würdiges Verfahren, das in vielfältigen Variationensowohl in den Sozialwissenschaften als auch in derAusbildung an Erzieherfachschulen Verwendung fin-det. Erstaunlicherweise wird es in der Praxis häufignicht mehr eingesetzt, was als ein ernsthafter Man-gel in der Qualität der pädagogischen Arbeit ange-sehen werden muss.

Etwa zweimal im Jahr, wenn neue Kinder aufgenom-men werden ggf. auch öfter, sollte ein Soziogrammerstellt werden, das zumindest die Existenz vonBeziehungen zwischen den Kindern untersucht, womöglich auch etwas über ihre Qualität aussagt.Dazu muss durch Beobachtung, ergänzt durch erin-nertes Verhalten der Kinder, herausgefunden werden,welche anderen Kinder von einem Kind angesprochen– gewählt – werden und von welchen Kindern dasKind selbst angesprochen – gewählt – wird.

Zur konkreten Anwendung des SoziogrammsDieses Ansprechen kann in unterschiedlicher Formund mit verschiedenen Absichten geschehen. Esmag sein, dass ein Kind von einem oder mehrerenanderen Kindern zur Beteiligung an einem gemein-samen Spiel eingeladen wird, dass ein Kind auf demPlatz neben ihm am Tisch sitzen möchte, dass ihmDinge angeboten werden – Spielzeug, etwas zumEssen oder Trinken, irgendwelche Gegenstände –,dass es um seine Meinung zu einem Sachverhaltgefragt oder einfach auch Körperkontakt gesuchtwird. Alle diese Hinweise würden unter dem Begriff»Wahlen« zusammengefasst werden, in diesem Fallunter den so genannten »passiven Wahlen«, weildas Zielkind von den anderen angesprochen odergewählt wird.

Unter »aktiven Wahlen« versteht man dann die glei-chen Verhaltensweisen, wenn sie vom Zielkind selbstan andere Kinder gerichtet werden. Die Zahl der»aktiven Wahlen« gibt Auskunft darüber, wie aktivdas Kind selbst bei der Kontaktaufnahme zu anderenKindern ist, die Zahl der »passiven Wahlen« sagtder Erzieherin, wie stark das Kind in die sozialenBeziehungen der anderen Kinder eingebunden ist.

Es kommt häufig vor, dass bei Kindern, die neu dazugekommen sind, in der ersten Zeit viele »aktiveWahlen« zu beobachten sind und relativ dazu wenige,manchmal auch überhaupt keine »passiven Wahlen«.Das bedeutet, dass das Kind sich um Kontakte zuden anderen bemüht, was ein gutes Zeichen ist,aber noch nicht so erfolgreich dabei war. Das ist zuBeginn nicht weiter schlimm, muss aber im Augebehalten werden, um den längerfristigen Erfolg derBemühungen des neuen Kindes beurteilen zu können.Wenn ein Kind »passive Wahlen« nur von zweianderen Kindern erhält, sollte auch dies Beachtungfinden, da die soziale Basis diese Kindes in derGruppe gefährdet sein könnte, wenn die beidenanderen wegen Urlaub, Krankheit oder aus anderenGründen einige Zeit fehlen.

Wenn möglich, sollte auch festgehalten werden, wiedie Wahlen erfolgen, d. h. zum Beispiel, ob sie eherhilflos bzw. aggressiv oder aber kompetent bzw.phantasievoll wirken. Eine solche Beurteilung kanndurch verschiedene Farben bei der Eintragung indas soziografische Schema oder auf eine anderegeeignete Weise festgehalten werden. Dieses Schemakann bei eher geschlossenen Kindergruppen aufeinem DIN A4 Blatt nach dem im Anhang befindlichenMuster gestaltet werden. Bei offener Arbeit, alsowenn sich die Kinder im ganzen Haus bewegen und

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ihre Beziehungen knüpfen können, kann das Schemaauf ein handgemaltes Gitter auf ein größeres StückPackpapier übertragen werden, das dann alle Kinderim Haus umfasst. Im Projektverbund sind schonSoziogramme zu den Beziehungen von bis zu 100Kindern erstellt worden, wobei es sich als nützlicherwiesen hat, durch eine geeignete grafische Gestal-tung die Übersichtlichkeit zu verbessern.

6. Freunde und Beziehungen zu anderen Kindern

Erzieherinnen können und sollten darauf achten,wie die Jungen und Mädchen beim Spielen und beianderen Tätigkeiten Kontakt zu anderen Kindernaufnehmen, auf ihre Fähigkeiten, Freundschaften zubegründen und zu erhalten.

Um die Beziehungen der Kinder untereinander, ins-besondere Freundschaften, respektieren zu können– und das sollten sie unbedingt –, müssen die Er-zieherinnen sie zunächst einmal wahrnehmen. DieDokumentation des Beziehungsgeflechts, das ausFreunden und aus Kindern besteht, die leicht Zugangzu einander finden, ist dabei nicht nur eine wichtigeGrundlage für den fachlichen Diskurs im Team unddie Reflexion über das Vorgehen von Kindern, diemit Freundschaftsbeziehungen Schwierigkeiten haben,sondern ist auch für die Eltern der Kinder ein Gegen-stand von hohem Interesse.

Die Beschreibungen bieten die Grundlage für einegenauere Einschätzung der sozialen Kompetenzender Kinder. Denn das Gruppensoziogramm bietetzwar wichtige, dennoch eher allgemeine Informatio-nen darüber, in welchem Maß ein Kind in die Grup-pe eingebunden ist.

Die Dokumentation dieser Freundschaftsbeziehungenbesteht aus Kurzberichten, kleinen Geschichten und

Anekdoten, die zum Thema: Freundschaft und Be-ziehungen zu anderen Kindern zusammengetragenwurden. Sie sollten um Fotos und Beschreibungender Aktivitäten und Interessen, die ein Kind mit sei-nen Freunden teilt, ergänzt werden. Ergänzende Fra-gen können sein: • Was tun die Kinder miteinander? • Wie drücken sie ihre Gefühle füreinander aus? • Wie tragen sie ihre Konflikte aus? Worum ging es

dabei? etc.

7. Ergänzende Kurznotizen

Neben den Beobachtungsinstrumenten und denFormblättern, auf denen Anekdoten zu den Freund-schaften des Kindes und aus der häuslichen Umge-bung festgehalten werden können, werden im Verlaufder Dokumentation individueller Bildungsprozesseauch kurze Notizen in das Portfolio aufgenommen, indenen festgehalten wird, was außerhalb der festge-legten Beobachtungszeiten die Aufmerksamkeit dereinzelnen Beobachterinnen weckt. Mit zunehmenderErfahrung mit der Beobachtung und der geschärftenWahrnehmung der Erzieherinnen lassen sich solcheNotizen ohne allzu großen Aufwand anfertigen.Damit kann auch der Verlauf von Bildungsprozessenüber mehrere hintereinander liegende Tage festge-halten werden

Insbesondere, wenn es darum geht, zu dokumentie-ren, wie Kinder auf das reagieren, was die Erziehe-rinnen ihnen als Antwort auf ihre Themen anbieten,sind solche Kurznotizen wichtig. Grundsätzlich könnensolche kurzen Episoden von allen Erzieherinnen desTeams für die Ordner der einzelnen Kinder notiertwerden und in der offenen Arbeit ist eine solcheVerlaufsdokumentation ohne das Engagement unddas Mittun aller Erzieherinnen der Kindertagesstätteauch gar nicht möglich.

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

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8. Kommentierte Fotos und Werke des Kindes

Ein Portfolio wäre unvollständig, enthielte es nichtauch Fotos, die das Kind, die Hauptperson der Do-kumentation, zeigten sowie Werke des Kindes, wiezum Beispiel Zeichnungen und erste Schreibübungen.Diese Fotos und Werke des Kindes sollten jedochimmer im Zusammenhang mit Bildungs- und Lern-schritten stehen und entsprechend von der Erziehe-rin fachlich kommentiert sein.

Auch die Kinder selbst beteiligen sich gern an ihremPortfolio. Insbesondere, wenn sie schon Erfahrungenmit den Dokumentationen sammeln konnten, sichmit den Eltern oder mit der Erzieherin darüber aus-getauscht haben und Gelegenheit hatten, Aufzeich-nungen und Fotos zu kommentieren. Die Kinderschlagen der Erzieherin dann von sich aus vor, be-stimmte Zeichnungen oder Aufgeschriebenes in ihrPortfolio zu übernehmen. So wird die Bildungsdoku-mentation selbst Gegenstand des Dialogs zwischenErzieherin und Kind.

9. Das individuelle Curriculum

Für jedes Kind der Kindertagesstätte werden regel-mäßig individuelle Curricula entwickelt. Die auf deneinzelnen Jungen und das einzelne Mädchen fokus-sierte pädagogische Planung bündelt für einen be-stimmten Zeitraum die im Portfolio zunächst unver-bunden nebeneinander stehenden Einzel-Beobach-tungen mit den dazu gehörenden fachlichen Überle-gungen der Pädagoginnen und dokumentiert dendavon ausgehenden Dialog zwischen Erzieherinnenund Kind1.

In dieser Form der individualisierten Pädagogik sinddie Interessen des Kindes, die Bildungsbereiche, diees persönlich bevorzugt, und seine aktuellen ThemenAusgangspunkt der Planung. Wir gehen dabei davonaus, dass die besonderen Interessen und Leiden-schaften eines Kindes der Motor für sein Lernen undseine Bildungsanstrengungen sind. Wir schlagen des-halb vor, bei der Planung der nächsten pädagogi-schen Schritte die persönliche Motivation jedes Jun-gen und jedes Mädchens ernst zu nehmen und mitdieser Kraft des Kindes bewusst zu arbeiten.

Die Grundlagen des individuellen Curriculums

1. Die Bildungsdokumentationen im Portfolio des Kindes

Nach einigen Wochen und Monaten sind im Portfo-lio jedes Kindes viele verschiedene Beobachtungenzu seinen Bildungsthemen, Freunden, bevorzugtenZugangsbereichen und Interessen gesammelt. DieStruktur der einzelnen Instrumente folgt dabei ana-lytischen Gesichtspunkten und soll helfen, sich aufbestimmte Aspekte der Bildungswege des jeweiligenJungen oder Mädchens zu konzentrieren und dieseangemessen in den Blick zu nehmen. Ein solchesVorgehen kann die Wahrnehmung der pädagogi-schen Fachkraft schärfen und so einem besserenVerstehen dienen.

Zugleich ist auf Seiten des Kindes Bildung und Ler-nen ein ganzheitlicher Prozess. Die bevorzugtenZugangsformen und Interessen eines Kindes, seinesozialen Beziehungen zu anderen Jungen und Mäd-chen und zu den Erzieherinnen, seine Erlebnisse inder eigenen Familie sind eng miteinander verwoben.Die verschiedenen sozialen Erfahrungen, die dasKind in seiner Lebensumwelt sammelt, seine Erfolgeoder Misserfolge in den verschiedenen Bildungsbe-reichen gehen ein in die Themen, die für einenbestimmten Zeitraum im Zentrum seiner Aufmerk-samkeit stehen.

Im fachlichen Diskurs mit den Kolleginnen gilt esnun, die Bildungsprozesse eines Kindes, soweit siedokumentiert sind, in dieser Ganzheitlichkeit in denBlick zu nehmen. Das, was in den verschiedenenBeobachtungen analytisch getrennt wurde, wird alsowieder zusammengeführt und alle Informationen,die im Portfolio über einen bestimmten Zeitraum zuden Bildungsprozessen eines Kindes zusammenge-tragen wurden, werden als Ausgangspunkt für dieindividualisierte pädagogische Planung genutzt.

Die verschiedenen Dokumentationen geben Aus-kunft über die aktuellen Interessen eines Kindes,darüber, wovon dieses Kind derzeit fasziniert ist,aber vielleicht auch, wovor es sich zurzeit ängstigtund was ihm Sorgen bereitet. Die Gesamtsicht die-ser Aufzeichnungen und deren fachliche Deutungermöglichen es den Erzieherinnen, die Bildungspro-zesse jedes Kindes in einer ihm angemessenen Weiseherauszufordern, ihm Themen zuzumuten, die seineindividuellen Zugänge zur Welt aufgreifen und seine

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

1 Das Instrument »Individuelles Curriculum« wurde vor dem Hintergrund intensiver fachlicher Diskurse mit dem Team des Kinderhau-ses »Paradies« zur Arbeit mit dem Portfolio konzipiert. Zur Weiterentwicklung haben viele Fachkräfte in den Teilprojekten Baden,Württemberg und Brandenburg beigetragen.

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Motivation, sich mit bestimmten Inhalten und Men-schen auseinanderzusetzen, berücksichtigen.

2. Die Erziehungsziele und Handlungsziele derErwachsenen

Jedes individuelle Curriculum basiert neben den In-teressen und Themen des Kindes auch auf ausge-wählten Erziehungszielen und den davon abgeleitetenHandlungszielen der Erwachsenen. In die individua-lisierte pädagogische Planung geht also immer auchein, was den Erzieherinnen, den Eltern und der Ge-sellschaft insgesamt wichtig ist.

Bei der Planung der nächsten Schritte wird danngeprüft, mit welchen der Erziehungsziele, die in derKindertageseinrichtung erarbeitet wurden (siehe Mo-dul 1), gerade dieser Junge oder dieses Mädchensunterstützt und herausgefordert werden könnte,nächste Bildungsschritte zu gehen. Ausgangspunktder Überlegungen sind dabei immer die aktuellenThemen des Kindes, seine Interessen und Zugangs-formen.

Diese Verknüpfung der verschiedenen Beobachtun-gen zum Verhalten des Kindes und ihrer fachlichenReflexion mit den Erziehungszielen der Erwachsenenund den daraus abgeleiteten »zugemuteten Themen«wird im individuellen Curriculum dokumentiert.

Das konkrete Vorgehen bei der Erarbeitungeines individuellen Curriculums

Jedes individuelle Curriculum wird zumindest vonmehreren Erzieherinnen der Kindertagesstätte ge-meinsam, besser aber vom Gesamtteam erarbeitet.Insbesondere in Häusern, die nach einem offenenKonzept arbeiten, ist dies unerlässlich, bietet aberauch besondere Möglichkeiten. Dort braucht underhält jede Erzieherin die Unterstützung und Mitver-antwortung ihrer Kolleginnen und so kann die Brei-te der Bildungsmöglichkeiten, die sich einem Kindin den verschiedenen Funktionsräumen oder Fach-bereichen und mit den einzelnen Erzieherinnen bie-ten, in die fachliche Deutung der Beobachtungenund die pädagogische Planung einbezogen werden.

Das erste individuelle Curriculum

Ein Kind sollte bereits über mehrere Monate dieKindertagesstätte besuchen, wenn ein Team daserste individuelle Curriculum erstellt. Entsprechend,über die Notizen zur Eingewöhnung des Kindeshinaus, sollten Beobachtungen mit den verschiede-

nen Instrumenten des Konzepts in seinem Portfoliogesammelt sein. Ein individuelles Curriculum solltealso nie auf nur ein oder zwei Beobachtungen ge-stützt sein.

Konkret heißt das: • mindestens einmal wurden die Fragen im Bogen

»Bildungsbereiche/Zugangsformen« beantwortet,• es liegen mehrere ausgewertete Beobachtungen

zu den »Themen des Kindes« vor,• Beobachtungen zu den Interessen des Kindes

wurden dokumentiert,• die Einbindung des Kindes in die Gruppe wurde

anhand eines Soziogramms reflektiert,• Aufzeichnungen zu Freundschaftsbeziehungen lie-

gen vor.

Vorhandene Notizen und Aufzeichnungen von ver-schiedenen Erzieherinnen der Kindertagesstätte, diedie Einbeziehung unterschiedlicher Wahrnehmungenin die fachliche Reflexion ermöglichen, solltenBerücksichtigung finden.

Die nachfolgenden Curricula des Kindes

Beim fachlichen Diskurs zu allen nachfolgenden Cur-ricula für dieses Kind gilt: Grundsätzlich behaltenalle Bildungsdokumentationen für die Bildungsbio-grafie des jeweiligen Jungen oder Mädchens in derKindertageseinrichtung ihre Gültigkeit und könnenals Hintergrund für aktuelle pädagogische Überle-gungen einbezogen werden. Zugleich liegt der Fokusbei der pädagogischen Planung der Erzieherinnenaber auf den seit dem vorangegangenen individuel-len Curriculum neu hinzugekommenen Beobachtun-gen und Aufzeichnungen.

Die Erfahrung in den Kindertagesstätten des Pro-jektverbundes zeigt, dass es bei regelmäßiger Arbeitmit dem individuellen Curriculum sinnvoll sein kann,die verschiedenen Bildungsdokumentationen denjeweiligen Curricula zuzuordnen. Daraus folgt: DieGliederung des Portfolios nach Instrumenten wirdaufgelöst zugunsten einer chronologischen undinhaltlichen Zuordnung, die zugleich der Ganzheit-lichkeit der kindlichen Bildungsprozesse Rechnungträgt und zeitliche Abfolgen und Entwicklungenleichter nachvollziehbar macht. Im Portfolio wird soein »roter Faden« sichtbar. Häufig lesen sich dieDokumentationen rund um ein solches individuellesCurriculum wie die Geschichte einer Bildungsphase,in deren Mittelpunkt ein Bildungsthema steht, mitdem sich das Kind intensiv und über einen längerenZeitraum beschäftigt hat.

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

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Eltern können solche Darstellungen beim Betrachtendes Portfolios ihres Kindes einen leichteren Zugangermöglichen. Erzieherinnen wiederum berichten, dasssie sich mit einer solchen Einteilung besser im Port-folio zurechtfinden.

Das Formblatt »Individuelles Curriculum«2

Das Formblatt »Individuelles Curriculum« ist nichtfür ausführliche Kommentare gedacht. Es soll viel-mehr einen schnellen Überblick über die wesentli-chen Grundlagen der Planung und die Antwort desKindes auf die Angebote der Erzieherinnen ermögli-chen. Erläuternde Notizen und Beobachtungstexteergänzen das Formblatt ggf. in einem Anhang.

Die einzelnen Reflexionsschritte im fachlichenDiskurs

Die pädagogische Planung und Entwicklung einesindividuellen Curriculums im Team wird von der fürdas jeweilige Portfolio zuständigen Erzieherin vorbe-reitet. Sie geht die Dokumentationen noch einmaldurch und fasst in Stichpunkten zusammen, was dieErzieherinnen in den verschiedenen Beobachtungenwahrgenommen und im Portfolio zusammengetragenhaben. Dieser Überblick kann nach den verschiede-nen Instrumenten gegliedert werden (siehe dazu denAbschnitt »Das Instrumentarium im Überblick« indiesem 2. Modul). Zur Verdeutlichung können auchbesonders prägnante Passagen aus einzelnen Auf-zeichnungen ausgewählt und später in der Teambe-sprechung vorgelesen werden.

Nicht selten deuten sich schon bei dieser erstenGesamtsicht Zusammenhänge an, es »springt insAuge«, was derzeit im Zentrum der Aufmerksamkeitdes Kindes steht, womit es sich vor allem anderenbeschäftigt, was sein zentrales Thema ist. Ihre ers-ten Überlegungen bringt die Erzieherin dann zuBeginn der Teambesprechung ein.

Auch in den Teamgesprächen zu den individuellenCurricula gelten die Regeln des Dialogs (siehe Ex-kurs: »Was kennzeichnet einen Dialog?« in diesemText zum 2. Modul). Das heißt, der erste Überblick,den die verantwortliche Portfolio-Erzieherin einbringt,stellt den Einstieg in die Planung dar. Andere Deu-tungen können daneben gestellt werden. Sie ergän-zen den ersten Überblick, können der Planung aber

auch eine andere Richtung geben. Die Überlegungenzum individuellen Curriculum zielen darauf ab, fach-lich begründete Handlungsmöglichkeiten zusammen-zutragen. Es sind jedoch selten die einzig denkba-ren Antworten, die Erwachsene dem Kind auf seineThemen geben können. Es handelt sich auch hierimmer um Hypothesen. Ob es ein »richtiger« Wegist, das Kind bei der Erweiterung seines Weltwissenszu unterstützen oder ob andere Bildungsanlässehätten geschaffen werden sollen, wird sich erst imweiteren Verlauf zeigen.

Der fachliche Diskurs im Team zum individuellenCurriculum orientiert sich an der Einteilung desFormblatts. Zunächst wird bei der pädagogischenPlanung den folgenden fünf Fragen (siehe die ers-ten fünf Spalten des Formblatts) nachgegangen:

• Welche Zugänge zur Welt bevorzugt der Junge/das Mädchen zurzeit?

• Welche aktuellen Interessen haben wir bei demJungen/dem Mädchen wahrgenommen?

• Welche Hypothesen haben wir zu den aktuellenThemen des Jungen/des Mädchens?

• Welche unserer Erziehungsziele wollen wir alsGrundlage für zuzumutende Themen heranziehen?Welche Ziele scheinen uns geeignet, bei diesemKind nächste Bildungs- und Entwicklungsschritteherauszufordern?

• Mit welchen, von den ausgewählten Erziehungs-zielen abgeleiteten Handlungszielen, können wirgut anknüpfen an den Interessen, Zugangsberei-chen und/oder Themen des Kindes? Welche dieserHandlungsziele wollen wir als zugemutete Themenin den Dialog mit diesem Kind einbringen?

Fassen wir zusammen:Was sollte bei den einzelnen Reflexionsschrittenbeachtet werden?

Aktuelle Bildungsbereiche und ZugangsformenDie dem jeweiligen Curriculum zugrunde gelegteErhebung zu den Zugangsbereichen des Kindes soll-te nicht länger als ein halbes Jahr zurückliegen.Möglichst jedoch sollten die Fragen zu den einzel-nen Bildungsbereichen zeitnäher beantwortet wor-den sein, um sicher zu gehen, dass das Kind diejeweiligen Zugangsformen derzeit noch bevorzugt.Nur dann sind sie als Basis für die individualisiertepädagogische Planung tauglich.

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

2 Auch das Formblatt »Individuelles Curriculum« finden Sie im Anhang dieses Handlungskonzepts.

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Bevorzugte Tätigkeiten und Interessen Um sich einen Überblick über die aktuellen Interes-sen des Kindes zu verschaffen, werden neben denDokumentationen auf dem entsprechenden Formblattalle Beobachtungsnotizen genutzt, die im Portfolioin einem bestimmten Zeitraum von verschiedenenKolleginnen gesammelt wurden. An den Überlegun-gen zum individuellen Curriculum sollten sich dieseErzieherinnen dann auch beteiligen und ihre Notizendann bei Bedarf auch erläutern. Fehldeutungen kön-nen so eher vermieden werden.

Bildungsthemen des KindesIm Diskurs zu einem individuellen Curriculum nutztdas Team alle zur Verfügung stehenden Dokumenta-tionen als Basis für die Planung. Es werden also nichtnur die Beobachtungsbögen zu den Bildungsthemendes Kindes herangezogen, sondern eine deutlichbreitere Informationsbasis genutzt. Das ist ein ent-scheidender Vorteil gegenüber der Reflexion einereinzelnen Beobachtung, da viele »Themen hinterden Themen« erst in der Gesamtsicht aufscheinen(siehe hierzu »Vorsicht Stolpersteine oder die The-men hinter den Themen« im Text zu diesem 2. Mo-dul). Wesentlich sind hier auch Beobachtungen ausverschiedenen Funktionsräumen oder Bildungsberei-chen, denn während der Erprobung des Konzeptszeigte sich, dass Kinder ihre Themen häufig »mit-nehmen« in die verschiedenen Räume des Hausesund auf unterschiedliche Art und Weise bearbeiten.

In jedem individuellen Curriculum stehen die Bil-dungsthemen des Kindes im Zentrum. Immer istmindestens eines dieser Bildungsthemen Ausgangs-punkt der pädagogischen Planung und Inhalt derInteraktion mit dem Kind.

ErziehungszieleAusgangspunkt sind in diesem Schritt zunächst ein-mal alle Erziehungsziele, die in der Kindertagesein-richtung erarbeitet wurden und die insgesamt dieBasis für die Pädagogik des Hauses darstellen. Nunkommen für ein individuelles Curriculum nicht alleErziehungsziele in Frage. Die Ziele, mit denen wei-tergearbeitet wird, müssen reduziert werden. Hierhilft das Profil »Bildungsbereiche/Zugangsformen«weiter. Welche Bildungsbereiche bevorzugt das Kindderzeit? Welche deutlichen Spitzen zeigt das Profil,das in der Auswertung erstellt wurde? Aber auch:Für welche Bildungsbereiche zeigt das Kind keineoder wenige Interessen? In welchen Bereichen liegendie niedrigsten Profilwerte? Für die Weiterarbeit amindividuellen Curriculum werden nun nur die Erzie-hungsziele herangezogen, die für diese jeweiligenBildungsbereiche formuliert wurden. Wenn Ziele

nach den Bildungsbereichen sortiert wurden, die vonder Jugend- und Kultusministerkonferenz (2004,abgedruckt im Ordner 1) verabschiedet wurden,dürfte dieser Schritt nicht allzu viel Zeit in Anspruchnehmen (siehe auch Modul 1).

Beim Nachdenken darüber, welche Erziehungszieleaus den ausgewählten Bildungsbereichen beimjeweiligen individuellen Curriculum leitend sein sol-len, ist dann zu fragen:• Welche unserer Ziele sind geeignet, um das Kind

bei der weiterführenden Auseinandersetzung mitseinen Themen zu unterstützen, ihm zu ermögli-chen, seine Kenntnisse und Fähigkeiten in einembestimmten Bereich zu vertiefen und weitere Kom-petenzen in einem Bildungsbereich zu erwerben?Diese Frage betrifft die deutlichen Spitzen desProfils »Bildungsbereiche/Zugangsformen«.

• Wollen wir dem Kind Inhalte aus Bildungsberei-chen, zu denen es bislang noch keinen Zuganggefunden hat, die wir selbst aber für wesentlichhalten, nahe bringen? Mit dieser Frage kommendie niedrigsten Profilwerte in den Blick.

Die Erzieherinnen müssen in diesem Kontext ent-scheiden, wie sie mit dem Kind über »sein« Themains Gespräch kommen wollen. Konzentrieren sie sichdabei zunächst ausschließlich auf die bevorzugtenBildungsbereiche des Kindes und seine Interessenund unterstützen sie das Kind dabei, in diesen Be-reichen noch »besser« zu werden oder beziehen sieauch einen Bildungsbereich ein, in dem das Kindsich bislang noch nicht oder kaum beschäftigt hat.Je nachdem, wie sie sich entscheiden, werden ihreAntworten auf die Themen des Kindes ausfallen.

Wenn sie das Kind dabei unterstützen wollen,»Experte« auf einem Gebiet zu werden, seine Kennt-nisse zu vertiefen und Kompetenzen zu erweitern,werden die Erzieherinnen in der Interaktion mit demKind ausschließlich seine bevorzugten Zugangsformenund seine Interessen aufgreifen. Sie werden demKind in diesen Bereichen neue Herausforderungenstellen.

Wenn sie erreichen wollen, dass sich das Kind aucheinmal mit Inhalten auseinandersetzt, die es bislangablehnte, werden sie versuchen, in ihren individuel-len Angeboten beides einzubeziehen, die Dinge, diedas Kind von sich aus gerne tut, und die, die esbislang eher vermeidet. Sie werden versuchen, demKind eine Brücke zu bauen, die von dem einen zudem anderen Bereich führt. Die Amerikaner nennenein solches Vorgehen »bridging«.

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

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In Auszügen ein Beispiel für ein individuelles Curri-culum aus der badischen Kerneinrichtung »Riesel-feld« in Freiburg, aufgezeichnet von ManuelaSchopp und Claudia Frey:

Nick interessiert sich sehr für mathematischeZusammenhänge. Im Instrument »Bildungsbereiche/Zugangsformen« konnten acht von neun Fragen mit»Ja« beantwortet werden. Daneben liegen mehrere»Themenbögen«, Kurznotizen und Fotos vor, die zei-gen, dass er sich derzeit besonders für Zahlen inte-ressiert. Er beschäftigt sich mit Zahlenbüchern,schreibt Zahlen, füllt ganze Blätter mit Rechnungen.

Nick verfügt auch über viele Fähigkeiten, die es ihmerleichtern, Kontakte zu anderen Kindern aufzuneh-men und Beziehungen zu pflegen. So konnten auchim sozialen Bereich nahezu alle Fragen mit »Ja« be-antwortet werden. Die Spitzen seines Profils liegenentsprechend in den beiden Bereichen »Logik undMathematik« und »Soziale Bezüge«.

Deutlich weniger Interessen zeigt er in den Berei-chen »Musik«, »Bewegung« und »Mechanik undKonstruktion«. Hier finden sich die niedrigsten Pro-filwerte.

Als Themen des Kindes haben die Erzieherinnen imindividuellen Curriculum folgende benannt:• Strategien in Regelspielen entwickeln• Sortieren nach Farben und Zahlen• Ordnungssysteme erkennen und erstellen3

Die Erzieherinnen haben sich entschieden, das Zah-leninteresse von Nick weiter zu unterstützen. Zugleichwollen sie aber auch versuchen, ihm Zugänge zumBildungsbereich »Bewegung« zu ermöglichen. Siewollen dafür das Bridging-Verfahren nutzen. Für dieEntscheidung nicht unerheblich war dabei sicherauch der gut ausgestattete große Bewegungsraumder Kita. In der Vergangenheit hat Nick geäußert, essei ihm im Turnraum zu laut und zu wild.

Die Erzieherinnen planen verschiedene Handlungs-schritte:

Im Bewegungsbereich:• Wettspiele, Geschicklichkeitsspiele, Kreisspiele,

die Strategien verlangen und Zählen beinhalten.Den Zugang erleichtern soll eine bevorzugte Er-zieherin von Nick. Sie betreut den Turnraum wäh-

rend dieser Zeit. Es wird davon ausgegangen, dassihre Anwesenheit dort für Nick Aufforderungscha-rakter hat.

Im Bereich Logik und Mathematik:• Nick aufmerksam machen auf ihm noch unbe-

kannte Zahlensysteme: römische Zahlen kennenlernen, ihn einladen, Dominik (pädagogischeFachkraft) beim Bekleben der Treppe mit diesenZahlen zu helfen, ihn ermuntern, die römischenZahlen abzuschreiben.

• Kunstbuch »Magie der Zahl« mit ihm gemeinsamanschauen

• Nick wertschätzend daran erinnern, dass er mitseinen Rechenblättern zur Gestaltung von Post-karten, die von der Kita verkauft werden, beige-tragen hat.

Der weitere Verlauf des Geschehens zeigt den Erzie-herinnen, dass sie Nick recht gut verstanden habenund an seinen persönlichen Bildungs- und Lernwegenanknüpfen konnten. Als Antwort des Kindes wurdeim individuellen Curriculum notiert:

Im Bewegungsbereich• Er hat die Herausforderung angenommen und ist

zunächst mit der Erzieherin in den Bewegungs-raum gegangen.

• Nach einiger Zeit geht er sogar gern dorthin. Ergeht mit Paul und Daniele, seinen beiden Freun-den (Feb. 05).

Es wird deutlich, dass es die funktionierendensozialen Beziehungen zu der Erzieherin und zu denFreunden sind, die es Nick erleichtern, die Heraus-forderung anzunehmen, sich auch einmal in denBewegungsraum zu wagen.

Im Bereich Logik und Mathematik• Nick sammelt Papierschnipsel mit römischen Zah-

len, die bei der Neugestaltung der Treppe abfal-len (13.4.05).

• Er setzt sich auf die Treppe, schreibt die römi-schen Zahlen ab: alles wird schön geordnet. Erbeginnt von unten nach oben. Als er oben ange-kommen ist, schreibt er von oben nach unten diearabischen Zahlen dazu! Sie werden mit einemPfeil versehen (13.4.05).

• Nick schaut sehr interessiert mit der Erzieherindas Kunstbuch an. Er bleibt an einem Zahlenqua-drat hängen. Wir kopieren es ihm. Nick beginnt,

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

3 Es handelt sich bei diesen Themen u. E. um einen Grenzfall zwischen Interessen und Themen des Kindes. Möglicherweise ist dasübergeordnete Thema die »Ordnung verschiedener Systeme«.

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eigene magische Zahlenquadrate zu entwerfen(26.4.05). Das Buch steht in der Gruppe. Nickholt es sich immer wieder.

• Nick geht inzwischen selbstbewusst in das Bürovon Jeanette, um sich eine Postkarte machen zulassen, wenn er seine Rechenblätter interessantfindet (10. u. 17. 3.05).

Veränderungen beim Kind (Ausschnitte), die von derErzieherin notiert wurden: • Die Erzieherin als Begleiterin in den Turnraum

wurde von Freunden abgelöst. Er traut sich sogarallein dorthin und braucht die angeleitete Situati-on nicht mehr.

• Nick geht mit Besuchern in den Dialog. Er zeigtstolz seine Postkarten und setzt sich mit unse-rem Fachberater über ein mathematisches Pro-blem auseinander. Er fragt sich »Was gibt eigent-lich 1?«.

• Nick ist selbstständiger und selbstbewusster ge-worden. Er schaut zufrieden seine Werke an, dieals Dokumentation an der Wand hängen. Sehrgern betrachtet er sein Portfolio.

• Er fühlt sich als »Zahlenexperte« und beginnt,farbige Zahlenmuster zu entwickeln. Bisher spiel-ten die Farben bei seinen Zahlenexkursionen keinegroße Rolle. Ihn fasziniert, dass Kunst und Zahlenzusammengehören können. Ich finde, das passtfür ihn ganz gut, weil er selbst gerne malt undzeichnet. So haben sich zwei Disziplinen, dieKunst und die Mathematik, für ihn verbunden.

Mit Blick auf die Zukunft überlegt die Erzieherin:Vielleicht könnte jetzt noch die Musik und der Rhyth-mus dazu kommen. Bislang war dies auch eher einBereich, für den Nick wenig Interesse aufbrachte.(Nick war mit der Schulanfängergruppe in der Musik-werkstatt)

Hier könnte nun das nächste individuelle Curriculumvon Nick anschließen.

Antwort der Erzieherinnen auf die Themen desKindesDer nächste Arbeitsschritt stellt das »Herzstück« je-des individuellen Curriculums dar. Nun wird im Teamüberlegt, wie dem Kind konkret auf seine Themengeantwortet und welche neuen Inhalte und Themenihm ggf. zugemutet werden sollen. Wie könnten dieErzieherinnen im gemeinsamen Tun oder im Gesprächmit dem Kind seine Themen aufgreifen und beant-worten und welche Materialien könnten dem Kindbei der Auseinandersetzung mit seinen Themen wei-terhelfen? Wie könnte es darin unterstützt werden,

an seinen Themen dran zu bleiben oder auch heraus-gefordert werden, seinen Aktionsrahmen um neueThemen und Bildungsbereichen zu erweitern?

In diesen Handlungsschritt fließen sowohl die aktu-ellen Interessen des Kindes ein als auch die in denErziehungszielen formulierten Anliegen der Erwach-senen. Auch hierbei greifen die Erzieherinnen aufbereits vorliegende Arbeiten zurück. Sie nutzen dieausformulierten Handlungsziele der Kita (sieheModul 1) als Ausgangspunkt ihrer pädagogischenPlanung. Voraussetzung dafür ist selbstverständlich,dass die Handlungsziele gut dokumentiert wurden.

Ausgehend von den bereits ausgewählten Erzie-hungszielen, die in dieses individuelle Curriculumeinbezogen werden sollen, werden nun die dazuentwickelten Handlungsziele mit Blick auf denjeweiligen Jungen, das jeweilige Mädchen gesichtetund gefragt, mit welchem Vorgehen es am Bestengelingen könnte, an den Interessen und Themendes Kindes anzuknüpfen und in welchen Handlungs-zielen am ehesten zum Ausdruck kommt, was dieErwachsenen bei diesem Kind erreichen wollen. Zuklären ist aber auch, ob ein bestimmtes Vorgehenfür dieses Kind passend ist oder ggf. so modifiziertwerden kann, dass es gut mit der Persönlichkeitdes Kindes korrespondiert.

Zielvereinbarungen treffenAuch beim individuellen Curriculum werden ebensowie bei der Reflexion zu den »Themen des Kindes«Zielvereinbarungen getroffen:• Welche Erzieherinnen sind verantwortlich für die

einzelnen Handlungsschritte?• In welchem Zeitraum sollen dem Kind die ver-

schiedenen Angebote gemacht werden?• Wer dokumentiert die Reaktionen/Antworten des

Kindes?• Wann geben wir uns wechselseitig Rückmeldung?

Reaktion/Antwort des KindesDie Dokumentation der Reaktion des Kindes auf dieindividualisierten Angebote und zugemuteten Themender Erzieherinnen ist ganz wesentlich für den weite-ren Verlauf des pädagogischen Dialogs. Dies kannin Form von kurzen Notizen geschehen. Es kann aberauch der Themenbogen genutzt und ausführlicherbeobachtet werden. In jedem Fall sind die Fragenzur Engagiertheit des Kindes mit zu beantworten.Wenn ein Kind nicht engagiert reagiert, müssen dieErzieherinnen überlegen, woran dies liegen könnte.Haben sie die eigentlichen Themen des Kindes nichterkannt? Haben sie das Kind mit ihrer Herausforde-rung unter- oder überfordert? Bei geringem Engage-

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

Page 73: Elementare Bildung

ment des Kindes gehen die Erzieherinnen immereinen Schritt zurück, reflektieren und planen neu. Imindividuellen Curriculum ist also eine interne Schlei-fe eingebaut. In der Spalte »Reaktion/Antwort desKindes« informiert dann ein entsprechender Vermerk,dass ein zweites Formblatt die neuen Überlegungen,Planungsschritte und den weiteren Verlauf enthält.

Veränderungen beim KindIn dieser Spalte des Formblatts wird alles notiert,was den Erzieherinnen an Veränderungen beim Kindauffällt.

Fassen wir zusammen:Das zirkuläre und dialogische Vorgehen, das dasgesamte Handlungskonzept von infans kennzeich-net, charakterisiert auch die Arbeit mit dem indivi-duellen Curriculum:

Das Kind zeigt in seinem Verhalten, in dem was estut, womit es aktuell umgeht, was seine Bildungs-themen sind.

Die Erzieherinnen lenken ihre Aufmerksamkeit aufdas Verhalten des Kindes. Sie nehmen wahr, was

das Kind tut, dokumentieren dies und werten ihreBeobachtungen fachlich aus.

Auf der Basis dieser fachlich reflektierten Beobach-tungen planen die Erzieherinnen ihr pädagogischesHandeln. Sie lassen sich dabei von den besonderenInteressen und Themen des Kindes leiten.

In der direkten Interaktion mit dem Kind, über dieBereitstellung von Material oder die Umgestaltungvon Räumen bringen die Erzieherinnen ihre Überle-gungen in den Dialog mit dem Kind ein.

Mit seiner Reaktion auf die »zugemuteten Themen«der Erzieherinnen bringt das Kind sich in diesenDialog ein und zeigt, ob die Schlüsse, die die Er-wachsenen aus ihren Beobachtungen gezogen habeneine angemessene Antwort auf seine aktuellen Bil-dungsinteressen sind und insofern »richtig«. Wenndas Kind mit nur geringem oder keinem Engage-ment auf die von den Erwachsenen eingebrachtenThemen reagiert, sind die Erzieherinnen aufgefordert,ihre fachliche Deutung und Planung erneut zu über-denken.

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Modul 2 – Kindverhalten beobachten und fachlich reflektieren

Page 74: Elementare Bildung

Was wir unter »Thema des Kindes« verstehen

Wir haben ausgeführt, dass wir Bildungsprozesseals Aneignungsprozesse verstehen, in deren VerlaufKinder ein inneres Bild von der Welt und sich selbstkonstruieren. Es geht dabei nicht um die Aneignungvon etwas fertig Vorhandenem, das nur auf das Kindübertragen werden müsste, sondern im Sinne desWortes um eine Neukonstruktion dessen, was in denErfahrungshorizont des Kindes gerät. Wir sind dabeidavon ausgegangen, dass diese Konstruktionen derKinder nicht abstrakt sind, sondern immer im Zusam-menhang mit konkreten Themen, auf die sich dasInteresse des Kindes aktuell richtet, stattfinden. Inder Kindertageseinrichtung müssen die Erzieherinnendeshalb wissen, mit welchen Themen ein Kind sichgerade auseinander setzt, um darauf aus einer päda-gogischen Perspektive reagieren zu können. »Die

Themen des Kindes beantworten«, so haben wirdas genannt.

Nehmen wir ein einfaches Beispiel, das in einemVideofilm dokumentiert ist und von uns in unserenWorkshops vorgestellt worden ist. Ein acht Monatealtes Mädchen kniet vor einer Kommode mit mehre-ren übereinander angeordneten Schubfächern undeiner seitlichen Tür. Das Kind zieht die untersteSchublade ein Stück heraus, stützt sich dann darauf,um die runden Griffe der oberen Laden zu erreichen.Dies gelingt ihr auch, wobei sie sich auf ihren Knienweiter aufrichtet, jedoch am Knauf der oberstenLade mit der greifenden Hand abrutscht. Im Zurück-pendeln ihres Körpers wird spätestens deutlich,dass sie ihre ganze Körperbeherrschung einsetzenmuss, um in dieser Situation das Gleichgewicht zuhalten. Kaum ist ihr das gelungen, greift sie nach

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Modul 3

Themen zumuten undbeantworten

Foto: Torsten Krey-Gerve

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rechts aus und versucht, den Knauf der Tür rechtsvon ihr zu erreichen. Die Zeitlupe zeigt, dass sie aufdem Weg dahin ihre zunehmende Schräglage dreimalstabilisiert, indem sie kurz innehält und dann einStück weiter seitlich ausgreift. Nachdem ihr auchdiese Aktion gelungen ist, gelangt sie mit aufrechtemOberkörper und auf ihren Unterschenkeln sitzendwieder in eine stabile Gleichgewichtslage.

Das »Thema des Kindes« in dieser Situation – bes-ser das zentrale Thema, denn es können noch eineReihe von anderen thematischen Aspekten im Ver-halten des Kindes gefunden werden – drängt sichgeradezu auf, wenn die konzentrierten und erfolg-reichen Versuche des Kindes betrachtet werden, seinen Oberkörper mitsamt dem vergleichsweiseschweren Kopf in schwierigen Lagen im Gleichge-wicht zu halten. Berücksichtigt man, dass viele Kin-der kurze Zeit später mit ihren ersten Laufversuchenbeginnen und bedenkt ferner die Aussage von Ent-wicklungsneurologen, dass eine grundlegendeVoraussetzung für das Laufen Lernen die Fähigkeitzur Kontrolle der Muskulatur des Oberkörpers ist(vgl. dazu Michaelis et al. 1994), dann könnte alsein »Thema des Kindes« die Vorbereitung des auf-rechten Ganges angesehen werden. Als eine mögli-che pädagogische Reaktion darauf könnte die Erzie-herin darauf achten, dass für die »Gleichgewichts-übungen« des Kindes hinreichend anregende Ein-richtungsgegenstände (schiefe Ebenen, Podeste,Sprossenwände etc.) vorhanden sind und dem KindZeit und Gelegenheit gelassen wird, auf seine Weisedamit umzugehen.

Nun sind diese Interpretationen gewiss nicht in glei-cher Weise dem Kind selbst bewusst, weder die Fra-gen des Gleichgewichts noch des Laufen Lernens, sodass bereits an diesem einfachen Beispiel erkennbarwird, dass es mit dem Begriff des Themas, an demein Kind arbeitet, schwieriger ist, als auf den erstenBlick erkennbar. Auch bei älteren Kindern kann nichtdavon ausgegangen werden, dass ein Kind sein The-ma in der gleichen Weise formulieren würde, wie dieErzieherin das vermag. Das, was wir ein Thema derKinder nennen, ist also offenbar etwas Doppeltes:• einerseits ein (innerer) Gegenstand im weitesten

Sinne dieses Wortes, auf den ein Kind nicht nurbeiläufig sein Interesse konzentriert und der einesubjektive Konstruktion des Kindes ist,

• andererseits eine Konstruktion der Erwachsenen,in der Kindertageseinrichtung also der Erzieherin-nen, die versuchen, sich auf der Grundlage des-sen, was sie als Verhalten des Kindes wahrneh-men, ein Bild davon zu machen, womit das Kindumgeht.

Die Auseinandersetzung des Kindes mit einem solchen(inneren) Gegenstand, der als Teil seines »mitlaufen-den Weltmodells« äußerlich unsichtbar ist, macht aufder Handlungsebene, also im Verhalten des Kindes,für andere erst erkennbar, worum es gehen könnte.Aufgabe von Pädagogen ist es dann, aus den sicht-baren Handlungen des Kindes auf den inneren Gegen-stand zu schließen, dessen Bearbeitung sein Themaausmacht.

»Themen des Kindes« wahrnehmen und beantworten

Das Verhalten des Kindes wird von der Erzieherinalso einerseits daraufhin untersucht werden, welchensubjektiven Sinn das Kind damit verbindet. Anderer-seits fügt sie in ihrer Reaktion auf das Kind etwashinzu, was das Kind aus seiner subjektiven Sichtnicht gemeint hat, was aber den kulturellen Kontextausmacht, der der Handlung des Kindes bzw. dem,was gemeint war, erst eine kulturelle Bedeutungverleiht. Die Reaktion des Erwachsenen auf die Hand-lung des Kindes enthält deshalb immer etwas mehr,als das Kind sich selbst hätte antworten können,insofern kulturelle Wissens- und Deutungsmuster inder Reaktion des Erwachsenen präsent sind.

Wir haben es in diesen Prozessen mit einer Art »ob-jektivierender Hermeneutik« zu tun (vgl. die Textevon Oevermann und anderen zur »objektiven Her-meneutik«). Objektivierend ist der Dialog zwischenKind und Erzieherin insofern, als die Handlung desKindes in kulturelle Kontexte gestellt wird, die ihreVerstehbarkeit erhöhen (»Ah, du lernst laufen!«)und damit über ihren subjektiven Deutungsrahmenhinausführen. Die Beantwortung der »Themen derKinder« durch die Erzieherin fügt diesen Themen –genauer: fügt der Formulierung dieser Themen durchdas Kind – einen aus unserer Kultur entlehntenDeutungsüberschuss hinzu. Sie ergänzt damit dieFormulierungen des Kindes um Sinnkonstruktionen,die kulturell passend sind, dem Kind aber im Zu-sammenhang seiner Themenformulierung noch nichtverfügbar waren.

Unter dem »Thema eines Kindes« verstehen wiralso zunächst einmal Konstruktions- oder Bildungs-prozesse des Kindes, die sich auf einen (inneren)Sachverhalt beziehen, der ebenso wie die Bildungs-prozesse selbst von außen nicht direkt erkennbarist. Seine Bedeutung ist zunächst subjektiver Naturund nur dem Kind selbst zugänglich. Dieser indivi-duelle, nur dem Kind zugehörige und zugänglichethematische Konstruktions- oder Bildungsprozess

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Modul 3 – Themen zumuten und beantworten

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strukturiert die Handlungen des Kindes. Er gewinntauf diese Weise eine äußere, eine soziale Dimension,die von der Erzieherin wahrgenommen und gedeutetwerden kann. Ihre Deutung des Verhaltens des Kin-des kann sich dabei zunächst nur auf eine Interpre-tation stützen, die mit den kulturell verfügbarenSinnkonstruktionen vereinbar ist. Sie benutzt alsoein Repertoire von Deutungen, die dem Verhaltendes Kindes einen (kulturellen) Sinn zuordnen undes damit aus einer kulturellen Perspektive zu einersinnvollen Handlung macht.1

Es ist an dieser Stelle jedoch sehr wichtig, die durchkulturelle Sinnstrukturen beeinflussten Deutungender Erzieherin in ihrem Zusammenhang mit der Per-spektive des Kindes zu sehen. Es geht gerade nichtdarum, die kulturell geprägten Deutungen der Erzie-herin an die Stelle der subjektiven Deutungen desKindes zu setzen (wie immer dies ggf. möglich wäre!),sondern darum, unter Beibehaltung der Perspektivedes Kindes seine Deutungen um kulturverträglicheAnteile zu ergänzen und zu erweitern.

Je mehr Personen an dem Deutungsversuch beteiligtsind, umso vielfältiger werden dabei die (kulturellvordefinierten) Aspekte sein, die in die Deutung desVerhaltens des Kindes Eingang finden können. Densubjektiven Bedeutungen, die das Kind seinen Er-fahrungen zuordnet, stellt die Erzieherin also ein vonkulturellen Deutungsmustern bestimmtes Interpreta-tionsmodell gegenüber, das dem Kind sagt, was seineHandlungen in der Kultur bedeuten, in der es auf-wächst.2

Halten wir an dieser Stelle fest: Themenorientierte Handlungen der Kinder verweisenstets auf Konstruktionsprozesse und insofern aufBildungsprozesse im eigentlichen Sinn. Erziehungstellt sich diesen Prozessen deutend gegenüber undfügt ihnen Sinnkonstruktionen hinzu, die dem Kindnicht verfügbar waren.

Aber sehen wir weiter: Wenn sich die Konstruktionsprozesse des Kindes inseinen themenorientierten Handlungen widerspie-geln, dann könnte man sagen, dass sich diesesHandeln, in dem seine Bildungsprozesse einensichtbaren Ausdruck finden, als eine Formulierungseiner Themen und seiner damit verbundenen Kon-struktionen verstehen lassen. Diese Formulierungendes Kindes bieten dann einen Ansatz für die päda-gogische Arbeit, die zunächst darin besteht, seineFormulierung – wie vorläufig auch immer – zu deutenund darauf zu antworten. Durch die Antwort derErzieherin auf das »Thema des Kindes« wird von ihrdie Eröffnung eines Dialoges angeboten, in dessenVerlauf das Kind selbst seine Formulierung dessen,was sein Thema ist, ergänzt. Die Bearbeitung desThemas im Dialog mit der Erzieherin ist unter dieserPerspektive zugleich eine Entfaltung der Themendes Kindes und seiner Kompetenzen, sie zu formu-lieren. Die Art und Weise, wie das Kind mit den Antworten der Erzieherin auf sein Thema umgeht,inwieweit sie vom Kind aufgegriffen, verändert undergänzt werden, enthält wichtige Hinweise darauf,ob die Erzieherin mit ihrer Deutung des Themas aufeinem richtigen Weg ist.

Die Antwort der Erzieherin, soweit sie das »Themades Kindes« ausreichend genau erfasst hat, kon-frontiert das Kind mit einer durch die kulturellenSymbolsysteme angereicherten Version seiner eige-nen Formulierung und wir gehen davon aus, dassdem Kind ihre Integration in sein eigenes Deutungs-und Kompetenzgefüge möglich ist.3 Seine dadurcherweiterte Deutungs- und Formulierungskompetenzerlaubt es ihm zugleich, sein Thema auf einemhöheren Niveau zu formulieren, als es ihm ohne dieAntwort der Erzieherin möglich gewesen wäre. Aufdiese Weise ist das Kind in der Lage, sich die kultu-rell verfügbaren Symbolisierungssysteme anzueig-nen, ohne dass es eines gesonderten Trainingsbedarf.4

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Modul 3 – Themen zumuten und beantworten

1 Die Frage: Wie könnte eine Situation beschaffen sein, in der die Handlungen des Kindes sinnvoll erscheinen? spielt in der prakti-schen Arbeit tatsächlich eine wichtige Rolle.

2 Hier bietet sich möglicherweise ein Praxisbeispiel für eine auf die Arbeit von G. H. Mead bezogene Aussage Krappmanns an. DemIndividuum sagen »die Reaktionen der Anderen, was seine Gebärde bedeutet.« (Krappmann 1985, S. 171). Allerdings wäre der prakti-sche Vorgang als eine Art Aushandlungsprozess zu fassen, denn das Kind versteht wiederum nur einen Teil dessen, was der Erwach-sene hinzugefügt hat und interpretiert ihn vor dem Hintergrund seiner subjektiv gegebenen Möglichkeiten. Sein durch diese Interakti-on erweitertes mitlaufendes Weltmodell bietet dann die Grundlage für eine neue Themenbestimmung seitens des Kindes und eineerneuerte Reaktion des Erwachsenen. Das »Thema eines Kindes« wäre dann eine Ko-Konstruktion zwischen Erwachsenen und Kind.

3 Hier bietet sich noch einmal ein Hinweis auf die bereits zitierte Stelle im Text von L. Krappmann an. Dort heißt es: »Weder folgt dasIndividuum den Sinngebungen der Anderen, noch tut es das selbe wie sie, wenn es auf sich selbst im Handlungszusammenhang auf-merksam wird. Vielmehr sagen ihm die Reaktionen der Anderen, was seine Gebärde bedeutet. Dieser Bedeutung wird es selbst gewahr.Daraus folgt die Möglichkeit, verstehbare Beiträge zum gemeinsamen Handlungsprozess zu leisten.« (Krappmann 1985, S. 171)

4 Auf diesem Verstehen des pädagogischen Dialogs als der Schnittstelle zwischen den Formulierungskompetenzen des Kindes und demkulturell verfügbaren Reichtum an Ausdrucksmöglichkeiten wird sich auch das zukünftige Vorgehen hinsichtlich der »Förderung« vonSprachkompetenzen, von naturwissenschaftlichem und mathematischem Denken etc.. im Rahmen des infans-Konzepts stützen.

Page 77: Elementare Bildung

Kenntnisse aus der Entwicklungspsychologieanwenden

Was das Kind meint, kann es möglicherweise wegenseiner unausgebildeten Formulierungskompetenzennicht vollständig formulieren und das, was die Erzie-herin versteht, folgt der kulturellen Normierung vonBedeutungen und verfehlt bis zu einem gewissenGrade das vom Kind aus seiner subjektiven PositionGemeinte. Diese Differenz zwischen dem vom KindGemeinten und dem, was die Erzieherin verstehenkann, muss Ausgangspunkt eines Dialoges zwischenErzieherin und Kind werden, um dem Kind die Aneig-nung der kulturellen Symbolsysteme zur Formulierungdes Gemeinten zu ermöglichen und damit zugleich,insofern es von anderen zunehmend verstandenwerden kann, seine Objektivierung.

In diesem Dialog kann es für die Erzieherin hilfreichsein, zur Interpretation des Verhaltens von Kindernallgemeine Kenntnisse über typische Bildungsverläu-fe heranzuziehen. Die Selbstkonstruktion des Kindesals »Bewegungswesen« wie in unserem Videobei-spiel gehört zu diesen typischerweise zu beobach-tenden Verläufen. Um Themen von Kindern erkennenzu können, die prinzipiell alle Kinder innerhalb einerKultur irgendwann beschäftigen, also in diesem Falldie Vorbereitungen des Laufenlernens, kann aufKenntnisse zurückgegriffen werden, die in Lehrbü-chern der Entwicklungspsychologie oder vergleich-baren Werken anderer Disziplinen enthalten sind.Diese Art von Wissen kann während der Ausbildungoder in Fortbildungen erlernt werden.

Aus dieser Perspektive lassen sich vermutlich Anre-gungen für die Gestaltung der Ausbildung von Früh-pädagoginnen gewinnen, wobei jedoch das Wissenüber typische Entwicklungs- oder Bildungsverläufenicht so vollständig ist, wie es zu wünschen wäre.Damit wäre auch gesagt, dass Forschungsanstren-gungen notwendig sind, um auf diesem Gebiet eindem Industriestandort BRD angemessenes Niveauzu erreichen.

Typische Bildungsverläufe und »Themen derKinder« individuell ausformen

Daneben aber wird schnell deutlich, dass die typi-schen Bildungsverläufe nur einen Teil dessen ab-decken, was uns in der Frühpädagogik begegnet.Selbst im Falle so allgemein zu erwartender Kon-struktionen wie dem aufrechten Gang sind die Wegeder Kinder dorthin sowohl zeitlich als auch ihrerForm nach recht unterschiedlich. Das heißt, auch

bei typischerweise zu erwartenden Bildungsverläufensind individuelle Zugänge die Regel. Darüber hinausgelangen wir bei näherer Betrachtung schnell inBereiche, die durch die sehr subjektiven Sinndeu-tungen eines bestimmten Kindes existieren, dieeben nicht typisch sind, sondern nur für diesesKind in seiner konkreten (Lebens-)Situation Geltunghaben. Beispiele für solche Themen finden sich indem immer noch lesenswerten Aufsatz von G. Schä-fer »Universen des Bastelns – Gebastelte Universen«(1993).

Dort berichtet der Autor u.a. von einer aus mehrerenkugelähnlichen Gebilden zusammengefügten Knetfi-gur eines dreijährigen Mädchens, die von dem Kindselbst als Auto bezeichnet wird, obwohl die Formkeine erkennbaren Ähnlichkeiten zu einem Auto auf-weist. Weitere Gespräche erhellen den Sachverhaltsoweit, dass die Kugelformen die Eltern des Kindesrepräsentieren, die unter einer Art Decke aus Kneteliegen, während das Kind sich selbst in einiger Ent-fernung dazu platziert hat. Mit dieser Plastik, derenAusgestaltung in etwa den Fähigkeiten eines dreijäh-rigen Kindes entspricht, formuliert das kleine Mäd-chen Erfahrungen, die es im Urlaub gemacht hatund die es immer noch bewegen.

Jenseits aller typischen Bildungsprozesse enthaltendiese subjektiv formulierten Erfahrungen Einzelheiten,die nicht aus Allgemeinwissen, sondern nur aus derInteraktion mit diesem Kind erfahren werden können.Erst eine an den subjektiven Sinndeutungen desKindes orientierte Kommunikation erschließt einenZugang zu den Themen des Kindes, der eine an-spruchsvolle pädagogische Reaktion darauf ermög-licht. Ohne sie würde der Versuch des Kindes, mitHilfe seiner noch unentwickelten Fähigkeiten zurGestaltung von Plastiken seinem Thema einen Aus-druck zu verleihen, womöglich mit dem Hinweis auffehlende Ähnlichkeiten mit dem bezeichneten Objektenden, vielleicht gefolgt von aufgedrängten Versu-chen, ein »richtiges« Auto zu kneten. Das Bemühendes Kindes, seiner Beziehung zu den unter einerDecke steckenden Eltern eine Ausdrucksform zugeben, in dieser Hinsicht also ein Thema zu formu-lieren, wäre auf diese Weise katastrophal unterlau-fen worden.

Zugleich weist diese kleine Geschichte über denRahmen hinaus, in dem wir die Frage des Formulie-rens und Deutens von »Themen der Kinder« bisherbehandelt haben. Die Knetfigur stellt den Versuchdes Kindes dar, sich selbst in Beziehung zur Welt zusetzen und die Wirklichkeit, wie sie ihm subjektiverscheint, symbolisch darzustellen, zu formulieren.

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Modul 3 – Themen zumuten und beantworten

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Aus der auf den ersten Blick erkennbaren Gestaltdieser Formulierung und aus der Bezeichnung desWerkes durch das Kind geht die subjektive Bedeu-tung des Arrangements für das kleine Mädchennicht hervor. Erst der Dialog zwischen Erwachsenemund Kind lässt die ursprüngliche Formulierung desKindes für andere nachvollziehbar werden. Das Deu-tungsproblem verlagert sich, so hatten wir das wei-ter oben formuliert, zumindest teilweise auf denDialog zwischen Kind und Erzieherin. Die subjektiveFormulierung als Knetfigur ist durch das Gesprächobjektiviert, das heißt, die darin enthaltene Erfah-rung des Kindes ist auf eine kulturell verträglicheWeise mitteilbar gemacht worden.

»Themen der Kinder« und ihre Formulierung

Zunächst scheint die Vermutung plausibel, dass die»Themen der Kinder« immer etwas mit einem For-mulierungsproblem zu tun haben. Wenn ein Kind aneinem Thema »arbeitet«, dann erweitert bzw. ver-vollkommnet es einen Teil des bereits konstruierten»mitlaufenden Weltmodells«. Dies kann auf eineEinübung in Bewegungsroutinen hinauslaufen, dieauf automatisierte Abläufe und interne Koordinati-onsprozesse abzielt wie in unserem Videobeispiel.Dann objektiviert das Kind die Erweiterung seines»mitlaufenden Weltmodells« zunächst dadurch, dasses Bewegungsmuster einsetzt, um Absichten umset-zen zu können und beurteilt die Eignung dieserMuster an ihrer Funktionalität hinsichtlich des ge-setzten Zwecks. Diese Übungen können unterhalbder Ebene von Symbolisierung stattfinden und wer-den dann zu nicht reflektierten (und möglicherweisenicht reflexionsfähigen) Routinen, die bei Bedarfabgerufen werden können. Daraus schließen wir,dass nicht alle Formulierungsversuche des Kindesauf einer symbolischen Ebene stattfinden.

Diese Form der Bildungsprozesse mündet unmittel-bar in Kompetenzen ein, zum Beispiel des Laufensauf zwei Beinen. Pädagogik hat hier allgemein dieAufgabe, die Ausgestaltung dieser Prozesse zu er-möglichen, zu unterstützen und herauszufordern, sodass auch beispielsweise in der Bewegung – etwabeim Laufen – ein hohes Maß an Kompetenz erreichtwerden kann, hinsichtlich der Eleganz der Bewegungebenso wie ihrer sicheren Ausführung. Auch dasBinden von Schnürsenkeln fällt in diesen Bereich,die Nutzung von Kamm und Haarbürste oder vonMesser und Gabel, wenngleich all diese Kompetenzennicht nur ihre technische Seite haben, sondern ingesellschaftliche Konventionen eingebettet sind, dieihren Gebrauch regulieren. Aber auch die Konventionen

würden sich vielleicht auf diese oder eine vergleich-bare Weise lernen lassen, also ohne die Verhaltens-weisen und ihre Kontexte mit Hilfe eines kulturellverfügbaren Symbolisierungssystems zu formulieren.Damit würden sich die Bildungsaufgaben in der Kindertageseinrichtung auf eine mehr oder wenigerdifferenzierte Rekonstruktion von Normverhaltenbeschränken, das sich selbst Symbol genug ist undkeiner Reflexion bedarf.

Das wäre so, wenn nicht die inzwischen formulier-ten gesellschaftlichen Erwartungen an die Ergebnis-se von Bildungsprozessen – möglicherweise unterdem Diktat wirtschaftlicher Überlebensstrategien –weit über diese Art von kompetenten Verhaltenhinausreichen würden. Wenn Innovation – und seies nur solche in vermarktungsfähigen Bereichen –zur treibenden Kraft eines globalen Wettbewerbsum wirtschaftliche Vorteile geworden ist, dann greiftdie Einübung nicht-reflexiver Routinen zu kurz, danntreten andere Qualifikationen in den Vordergrund,die so nicht mehr erreichbar sind.

Wir haben es dann mit einer anderen Seite der For-mulierungsthematik zu tun, nicht mehr nur mit ihrereinübenden Funktion, sondern immer stärker mitihrer kommunikativen Seite. Im Zentrum dieser Per-spektive steht der Gebrauch von Sprache in weites-tem Sinne: Als Kommunikation (nach außen) mitanderen und als Kommunikation nach innen, zumBeispiel beim Denken über schwierige Probleme.Voraussetzung dafür ist die Symbolisierung, d. h.die Formulierung des Gemeinten mit Hilfe eines derkulturellen Symbolsysteme (das muss nicht diegesprochene Sprache sein), um Reflexions- und Dis-kursfähigkeit zu erreichen.

Symbolisierungsprozesse finden jedoch nur im Zu-sammenhang mit Themen statt, über die unter Ein-beziehung symbolischer Darstellungen kommuniziertwird und die – um bei dem Videobeispiel zu bleiben– über die Konstruktion bloßer Routinen hinausge-hen. Dazu würden in diesem Zusammenhang etwader Tanz oder eine gestische Darstellung einer Mit-teilung gehören. Das Mädchen unseres Beispielsdagegen bringt mit Hilfe ihrer Kneteskulptur dasFormulierungsproblem von Beginn an auf eine expli-zit symbolische Ebene. Allerdings bedarf es desGesprächs mit dem Erwachsenen, um über diesprachliche Ebene zu einer objektivierten, das heißtim kulturellen Kontext mitteilbaren und verstehba-ren Formulierung zu finden, die eine differenziertereDarstellung des Themas erlaubt. Die Knetkugelnund ihre Anordnung erfahren eine Deutung, die zu-mindest einige Aspekte des Themas differenzierter

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Modul 3 – Themen zumuten und beantworten

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fasst, als dies dem Kind mit der Knetfigur möglichwar.

Der Erwachsene fügt aus dem kulturell verfügbarenDeutungsrepertoire sowohl Differenzierung als aucheine Übersetzung von der Ebene der Skulptur aufdie Sprachebene hinzu. Pädagogik nimmt dadurchdie Gestalt der symbolisch vermittelten Interaktionzwischen Kind und Erwachsenen in Bezug auf ein»Thema des Kindes« an und ermöglicht in diesemRahmen die sich erweiternde Teilhabe des Kindesan den Deutungssystemen seiner Kultur. Erst dieseTeilhabe erlaubt es dem Kind mit der Zeit, den vol-len Rahmen kulturell verfügbarer Formulierungenseiner Themen auszuschöpfen, sie auf der Höhekultureller Möglichkeiten zu formulieren und damitzugleich ihre weitere Bearbeitung auf höchst mögli-chem Niveau zu sichern.

Kehren wir also noch einmal zu den »Themen derKinder« zurück. Unter pädagogischen Gesichtspunk-ten ist das Thema eines Kindes, als Formulierungverstanden, immer ein »unfertiges«, ein vorläufigformuliertes und bedarf der Antwort eines Erwach-senen, um es in seiner Vorläufigkeit weiterentwickelnzu können. Um das Thema in direkter Interaktionverhandeln zu können, muss es in Bezug auf einSymbolsystem formuliert werden, sei es als Spra-che, Grafik oder ausdrucksvolle Gestik (Pantomime).Dabei geht es auch, aber keineswegs nur um Annä-herung an kulturell bereits vorliegende Deutungen,sondern wesentlich um die Erweiterung und Ausdif-ferenzierung der Formulierung des Themas, die erstmöglich wird, wenn das Thema in einer symbolisier-ten Form dargestellt wurde.

Wichtig für unser Verstehen von Frühpädagogik istuns dabei die gleichgewichtige Betonung sowohl der»Übersetzung« der »Themen des Kinder« in einesder kulturell verfügbaren Symbolisierungssysteme(Sprache, Tanz, Pantomime, Grafik, Malerei, Musiketc.), bzw. ihre Ausdifferenzierung durch Hinzufügenvon dem Kind noch nicht bekannten »Formulierungs-techniken«, als auch die Bindung dieser Interaktionenan die »Themen der Kinder«, seien diese vom Kindselbst eingebracht oder durch die Erzieherin ange-regt und vom Kind aufgegriffen worden.

Es muss vor diesem Hintergrund als eine der zentra-len Aufgaben von Erziehung angesehen werden, mitBezug auf die »Themen der Kinder« zu Symbolisie-

rungsprozessen anzuregen. Da auch der so genannteSpracherwerb einen solchen Prozess zunehmenderSymbolisierung bzw. der Aneignung, das heißt derKonstruktion eines Symbolsystems durch das Kind,darstellt, tut sich an dieser Stelle ein weites Gebietder Einbettung einzelner Symbolsysteme – hierSprache – in die Gesamtheit aller in einer Kulturlebendigen Zeichensysteme und Sinnstrukturen auf.Ein Gebiet, das von uns im weiteren Verlauf derAuseinandersetzung mit der Neubestimmung vonFrühpädagogik bearbeitet werden wird.

Thema und Kontext

Das Interesse eines Kindes an einem Gegenstand inder allgemeinsten Bedeutung dieses Begriffs ist einezentrale Voraussetzung dafür, dass es Themen fürsich entdeckt und sie zunächst in seinen Handlungenspontan formulieren kann. Der beobachtbare Teildieser Interaktion des Kindes mit dem Gegenstandkann von der Erzieherin wahrgenommen, (ggf. zu-sammen mit anderen Kolleginnen) gedeutet undbeantwortet werden. Das »Thema des Kindes« ge-winnt dann seine weiterführende Qualität aus derReaktion der Erzieherin. Wenn sie (oder andere)nicht auf die subjektive Formulierung des Themasreagieren, bleibt das Thema unentwickelt.5

Wenn der Entwicklung von Interessen eine so hoheBedeutung zukommt, dann muss die Kindertages-einrichtung den Kindern ganz allgemein einen Kon-text anbieten, der Interessen von Kindern hervorruftund ihre thematische Bearbeitung ermöglicht, unter-stützt und herausfordert. Kinder müssen erleben,dass sie mit ihren Themenformulierungen in derKindertageseinrichtung beachtet und geschätzt werden.Die Bedeutung, die der Formulierung von Themenmit Hilfe von Symbolsystemen wie oben beschriebenzukommt, verlangt jedoch darüber hinaus zwingend,dass auch in der materiellen Ausstattung der Ein-richtung die kulturellen Symbolsysteme präsent undfür die Kinder erfahrbar sind. Das bedeutet, dassdie Räume in der Einrichtung, ihre Gestaltung undAusstattung Aufforderungen zu Sinnkonstruktionenund zugleich Sinnangebote enthalten, die eine For-mulierung eines zunächst »sprachlosen« Interessesermöglicht, erleichtert oder herausfordert.

Dazu gehören vielfältiges Material und thematischstrukturierte Bereiche, die wir in unserem Konzept

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Modul 3 – Themen zumuten und beantworten

5 In der Sprache G. H. Meads würde dieser Rahmen durch das soziale Objekt definiert, auf das hin Erzieherin und Kind kooperieren.Dieses soziale Objekt als Gegenstand der Kooperation von Erzieherin und Kind könnte das zu generierende und weiter zu entwi-ckelnde Thema sein.

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Bildungsinseln nennen. Dazu gehört auch, dass inallen Räumen »Formulierungsmaterialien« vorhandensind, also Farbstifte und Papier, Knete und Bausteine,Buchstaben und Wörter, Zahlen und mathematischeAusdrücke, Musikinstrumente und Noten, Spiegel fürTanz und Pantomime, Materialien zum Bau von Skul-pturen und Installationen etc. Nicht alles in allenRäumen zugleich, aber in jedem Raum zumindestetwas davon.6 (vgl. dazu auch Andres 2002a)

Das Kind kann Themen nur dann unter Einbezugvon Symbolsystemen formulieren, wenn es mit For-mulierungsmaterial in einer mit Sinn aufgeladenenSituation agiert, ein Interesse gefasst hat und etwasmitteilbar machen will. Die Reaktion, die es mit sei-nem Mitteilungsversuch in der Erzieherin auslöst, sagtihm, was seine Formulierung im kulturellen Kontextbedeutet. In welchem Maß das Kind seine Formulie-rungskompetenz entwickeln kann, hängt dabei davonab, wie kompetent der Erwachsene auf seine sub-jektive Formulierung reagiert: Ob er sie nur als exis-tierend quittiert, sie auf gleichem Niveau wiederholtoder in seiner Antwort erweitert und ausdifferenziert,sie bereichert.

Die »Themen der Kinder« können sich also erst dannim Rahmen von Bildungsprozessen entfalten, wennes dem Kind gelingt, eine vorläufige und subjektiveFormulierung zu finden, die dann von einem Erwach-senen in dem Sinne beantwortet wird, dass im Dia-log eine Weiterführung bzw. Konsolidierung der For-mulierung auf einem kulturell elaborierten Niveaustattfinden kann. Wenn wir davon ausgehen, danngeht es in der Frühpädagogik zum einen darum,solche initialen Formulierungen von Kindern wahr-und ernst zu nehmen, ihr Entstehen zu ermöglichen,zu unterstützen und herauszufordern, zum anderendarum, sie im pädagogischen Diskurs aufzugreifenund auf ein kulturell anspruchsvolles Niveau zuheben.

Halten wir fest:Erzieherinnen müssen auf solche Symbolisierungs-prozesse achten und dabei • zwischen dem Inhalt (Was soll aus der Perspektive

des Kindes ausgedrückt bzw. formuliert werden?), • der Verständlichkeit der Darstellung (Werden all-

gemein verständliche Symbole und Symbolkombi-nationen gebraucht?) und

• ihrer technischen Qualität (Sind die gemeintenSymbole erkennbar?) unterscheiden.

Unter dieser Perspektive kann Frühpädagogik in der

Kindertageseinrichtung als ein viel schichtiger erzie-herischer Dialog zwischen den Erzieherinnen und denKindern beschrieben werden, der einerseits von denErwachsenen absichtsvoll geführt und von den Kin-dern mit eigenartigen Konstruktionen beantwortetwird. Andererseits bemühen sich die Kinder in einergut gestalteten Umgebung darum, ihre Interessen zuThemen zu formulieren und darüber mit den Erzie-herinnen ins Gespräch zu gehen. Rollenspiele nehmendabei einen besonderen Rang in der Auseinander-setzung von Kindern mit ihren Themen ein. In ihnenkonstruieren die Kinder Zusammenhänge zwischensich und der umgebenden Welt, die gut beobachtbarsind, aber keinesfalls als Übungsfeld für außenge-steuertes »richtiges« Verhalten missverstanden wer-den sollten. Rollenspiele sind Konstruktionsspiele,in denen Kinder Themen in ihr mitlaufendes Welt-und Selbstmodell integrieren. Sie sollten deshalbunter einem besonderen Schutz vor Eingriffen vonaußen stehen.

Aber wie gelangt eine Erzieherin auf die Ebeneeiner Fachlichkeit, die derartige pädagogische Klä-rungen von Kinderfragen und ihrer Ausdrucksformenermöglicht? Einen wichtigen Teil der Antwort auf dieseFrage enthält der Abschnitt über die Beobachtung.Dabei geht es vor dem Hintergrund der beschriebe-nen Problematik für die Erzieherin darum, ihre kon-zentrierte Aufmerksamkeit auf die Handlungen derKinder zu richten und sie zu deuten. Eine ausführli-che Anleitung für diese Art von Beobachtung undihre Auswertung im Team ist in diesem Text enthaltenund soll helfen, die ersten wichtigen Schritte aufdiesem Gebiet zu tun. Es wird dabei in den erstenMonaten wesentlich darum gehen, einerseits Sicher-heit im Umgang mit einem neuen Denken über Kin-der zu gewinnen, die ihre innere Welt und sich selbstkonstruieren und zu deren Themen die PädagoginnenStellung nehmen. Andererseits geht es darum, dasBeobachten und Auswerten zunächst einmal einfachzu üben und Erfahrungen damit zu sammeln.

Handlungsbilder und Bildungshandeln

Fassen wir noch einmal in Thesenform zusammen,was aus unserer Sicht dazu zu sagen ist. • Kinder hhaabbeenn aus dieser Perspektive keine The-

men, sondern zunächst einmal Interessen aneinem Gegenstand, wobei der Begriff »Gegen-stand« in seiner Bedeutung sehr weit gefasst ist.Es kann sich dabei sowohl um Dinge als auch um

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Modul 3 – Themen zumuten und beantworten

6 Einige Einrichtungen, die mit uns das Konzept erprobt haben, sind dazu übergegangen, in jedem Raum Papier und Stifte auf einerSchreibunterlage bereit zu halten.

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Menschen oder um Beziehungen in der äußerenWelt, aber auch um Bestandteile des innerenSelbst- und Weltmodells des Kindes handeln. DasInteresse an einem solchen Gegenstand stellt eineVerbindung zwischen diesem und dem (inneren)Welt- und Selbstmodell des Kindes her.

• Das Interesse am Gegenstand kann zu einemThema führen, wenn das Kind versucht, denBezug zwischen seinem mitlaufenden Weltmodellund dem Gegenstand zu formulieren. Das kannbei einem älteren Kind zu einem Gespräch überFreundschaft führen, wenn zum Beispiel in einerkonkreten Beziehung gegen seine Erwartungenverstoßen wird. Es kann aber auch wie im Bei-spiel des dreijährigen Mädchens sein, das seineSituation gegenüber den Eltern aus der Erinnerungheraus mit Hilfe der Skulptur aus Knete formuliert.In diesem Fall bearbeitet das Kind seinen Bezugzu einem Gegenstand, der Teil seines innerenWeltmodells ist. Diese ersten Formulierungsversu-che geschehen nicht notwendigerweise mit Hilfeeines Symbolisierungssystems aus dem Vorratder Kultur, sondern oft als »bloßes« Handeln imUmgang mit dem Gegenstand. Insofern diesesHandeln Formulierungsversuche des Kindes ent-hält, ist es Teil seiner Bildungsprozesse.

• Seine Formulierung durch das Kind bringt dasThema auf die Ebene der Wahrnehmbarkeit undder Interpretierbarkeit durch andere. Die Handlun-gen des Kindes werden durch die Interpretationder Erzieherin zu bedeutungsvollen Bildern, diesie in ihrer Antwort der Formulierung des Kindesgegenüber stellt. Diese erste Antwort auf die For-mulierung des Kindes enthält bereits beteilteBedeutungen, über deren weitere Bestimmung imDialog verhandelt wird. Die Erzieherin hilft demKind auf diese Weise, seine Formulierung desThemas (und damit das Thema selbst) entlangder kulturell verfügbaren Möglichkeiten zu diffe-renzieren. Das Kind würde im Verlauf des sichentspinnenden Dialogs in die Lage kommen, seinThema auf einer »höheren« Ebene zu reformulie-ren, insgesamt gesehen ein spiralförmiger Prozess.Das »Thema des Kindes« gewinnt so eine Gestalt,die idealerweise dem Stand der kulturellen Ent-wicklung entspricht. Wieweit das gelingen kann,hängt u. a. davon ab, in welchem Umfang derErzieherin selbst dieser Stand der Entwicklungzugänglich ist.

• Schließlich muss dabei darauf geachtet werden,dass die Antwort der Erzieherin die Formulierungdes Kindes nicht ersetzt, sondern sie lediglichergänzt oder erweitert, damit das Interesse desKindes am Gegenstand, zu dem es sich durchseine Formulierung ins Verhältnis setzen wollte,

nicht düpiert wird. Wenn, um auf das Beispielder Freundschaft zurückzukommen, das Kind seinUnbehagen an der Diskrepanz zwischen seinenErwartungen und dem tatsächlichen Verhaltenseines Freundes ausdrückt (formuliert), wäre eineAntwort, dies sei alles nicht so schlimm und mor-gen schiene wieder die Sonne, nicht hilfreich.

Themen der Erwachsenen dem Kind zumuten

Nun hatten wir schon in der Definition von Erziehungdarauf hingewiesen, dass Erziehung nur sinnvoll inBezug auf Ziele möglich ist, die zuvor geklärt werdenmüssen (vgl. Modul 1). Auf dieser Grundlage könnendann Handlungsziele formuliert werden, die an denErziehungszielen orientierte thematische Zumutungenfür die Kinder enthalten. Es ist dies jedoch eigent-lich nur die andere Seite der selben Medaille, die wirbisher unter der Perspektive des »Themen Beant-wortens« diskutiert haben, nur dass in diesem Falldas Thema, um das es geht, nicht vom Kind in denDialog eingebracht wird, sondern von der Erzieherin.Von zentraler Bedeutung ist, dass die Antwort derKinder auf ein zugemutetes Thema beachtet wirdund in der weiteren Behandlung des Themas Berück-sichtigung findet.

Der Begriff der Zumutung ist während unserer Arbeitan der Praxiserprobung des Konzepts gelegentlichkritisiert worden, weil darin ein Aspekt des Aufdrän-gens oder der Zudringlichkeit mitschwingen würde.Wir können das nachvollziehen, bleiben aber den-noch bei diesem Begriff, weil zwei Aspekte, die unswichtig scheinen, ebenfalls darin enthalten sind. Dereine betrifft die in der Pädagogik nicht vermeidbareAufgabe, die Kinder auf ausgreifende Weise und aufhohem Niveau mit den Inhalten und Strukturenunserer Kultur zu konfrontieren, um ihnen angemes-sene Konstruktionen überhaupt zu ermöglichen. Essteht nicht im Belieben von Pädagogen, dies zu tunoder zu lassen. Der andere Aspekt, der mit Zumutunggemeint ist, betrifft die Notwendigkeit der begrün-deten Auswahl dessen, was zugemutet werden soll.Nicht alles und jedes darf Kindern zugemutet werden.

Die Themen, die Pädagogik ins Spiel bringt, müssenzumindest den Kriterien der Zukunftsfähigkeit undder Legitimierbarkeit genügen, wie Mollenhauer(1983) das formuliert hat. Eben weil die Kinder indieser Sache keine Wahl haben, als sich mit zuge-muteten Themen auseinander zu setzen, bedarf jededieser Zumutungen einer Begründung, die zumindestdie beiden genannten Kriterien einschließt. Diezuzumutenden Themen unterliegen nicht der Willkür

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Modul 3 – Themen zumuten und beantworten

Page 82: Elementare Bildung

des Pädagogen, sondern werden in verantwortlicherAuswahl und von allen am Prozess Beteiligten for-muliert und in der Kindertageseinrichtung öffentlichgemacht. So werden sie kritisierbar und revidierbar. In den »Grundsätzen elementarer Bildung« sind indiesem Zusammenhang Themenbereiche beschrieben,in Bezug auf die Bildungsprozesse bei den Kindernermöglicht, unterstützt und herausgefordert werdensollen. Die dort genannten Bereiche zeichnen sichdadurch aus, dass ihre Zukunftsfähigkeit und Legiti-mierbarkeit in der Fachwelt weit gehend unbestrittensind. Die Aufgabe, Wege zu finden und zu gehen,die zu Themen aus diesen Bereichen führen, bleibtjedoch in der Verantwortung der Pädagoginnen undihrem fachlichen Können überlassen.

Themen zumuten durch die Gestaltung der Umweltin der Kita

Die Auswahl zuzumutender Themen hängt eng mitdem Festlegen von Erziehungszielen zusammen. Da-mit werden zugleich auch die Grundlagen der Raum-gestaltung definiert, die so beschaffen sein muss,dass sie den Erziehungszielen gerecht wird. Wennzum Beispiel Bewegungskompetenz als Ziel formuliertworden ist, dann muss die Gestaltung der Räumedie Selbstkonstruktion der Kinder als Bewegungs-wesen auf vielfältige Weise ermöglichen, unterstützenund herausfordern. Dazu gehören sicher schiefeEbenen, Podeste mit Treppenstufungen, Kletter- undSprungmöglichkeiten, Balancierbalken und engeKlettergänge, kurz alles, was es Kindern ermöglicht,sich in schwierige Gleichgewichtslagen zu bringenund darin ihre Körperkontrolle heraus zu bilden.

In allen Zielkonzeptionen, die in Kindertageseinrich-tungen entworfen werden, gehört Sprachkompetenzzu den hervorgehobenen Zielen. Dazu kommen injüngerer Zeit auch mathematische und naturwissen-schaftliche Konzepte des Denkens und seiner An-wendungen. In der Tat sind damit die vielleichtwichtigsten Symbolisierungssysteme in unserer Kul-tur angesprochen und es kann kein Zweifel bestehen,dass der erwachsene Mensch, zu dem die Kindersich entwickeln werden, über Kompetenzen in diesenSystemen verfügen sollte. Das bedeutet zum Beispielfür die Raumgestaltung, dass diese Symbole für dieKinder verfügbar sein müssen, wenn sie sich dafürzu interessieren beginnen. Und das geschieht hin-sichtlich der Zeichen der verschiedenen Systemespätestens im dritten Lebensjahr.

Buchstaben und Zahlen, mathematische Operations-zeichen und Notenschlüssel, grafische Darstellungen

von Mengen-, Größen- und Häufigkeitsverhältnissen,Gewichte und Waagen, komplexe Gleichungen ausder Quantenmechanik oder Auszüge aus Partiturenvon Komponisten gehören deshalb in die Räume,in denen sich die Kinder aufhalten. Dabei geht esnicht darum, dass die Kinder frühzeitig Differenzial-gleichungen zu lösen beginnen, sondern dass dieExistenz solcher Beschreibungen tiefer physikalischer»Geheimnisse« für sie erfahrbar wird und eine Grund-lage für ein später sich entwickelndes Interesse amVerstehen dieser mathematischen Sprache entstehenkann. Viele Einrichtungen haben im Laufe der Pro-jektarbeit damit begonnen, nicht nur die Kleiderha-ken und Fächer der Kinder mit deren Namen zu ver-sehen, sondern die Bezeichnung von zahlreichenGegenständen des Alltags, vom Stuhl bis zur Tür-klinke, von der Schranktür bis zum Werkzeug, durchAufschriften kenntlich zu machen. Wenn von denKindern verschiedene Sprachen gesprochen werden,sollten solche Benennungen mit Schriftzeichen auchin den jeweiligen Sprachen der Kinder angebrachtwerden. Immer aber sollte die deutsche Bezeich-nung erkennbar präsent sein.

Themen zumuten durch die Gestaltung derInteraktion und von Situationen

Vermutlich gehören in vielen Kindertageseinrichtun-gen auch Vorstellungen von »gutem Benehmen« zuden Zielen, die ein junger Erwachsener erreicht habensollte. Nun hat diese Form sozialer Kompetenznichts mit mechanischem Verhalten zu tun, sondernverlangt, dass in Abhängigkeit vom sozialen Kontextflexible Formen gefunden werden, die sich mit dieserVorstellung verbinden. Es geht deshalb – wie in fastallen Fragen der Konstruktion von Verhaltensregeln– um die Gestaltung unterschiedlicher Kontexte,die ein jeweils spezifisches Verhaltensrepertoire alsangemessen erscheinen lassen.

Am Beispiel von Tischsitten lässt sich leicht verdeut-lichen, dass der Kontext den Charakter der Mahlzei-ten und damit die für die jeweilige Situation zutref-fenden Regeln bestimmt. Sie unterscheiden sich, jenachdem, ob es sich um ein gewöhnliches Mittages-sen, eine festliche Mahlzeit, einen Besuch im Res-taurant oder einen Stehimbiss auf einer Cocktailpartyhandelt. Auch unterscheiden sich die Rituale derMahlzeiten zwischen den verschiedenen Kulturen,wobei im Zeitalter globalisierter Wirtschaftskontaktees durchaus hilfreich sein kann, verschiedene Formender Tischsitten bereits im Kindergarten erfahren zuhaben. Wie in fast allen sozial definierten Situationengeht es nicht um eine mechanische Anwendung ein-

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Modul 3 – Themen zumuten und beantworten

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facher Verhaltensregeln, sondern um fein dosierteVarianten innerhalb von Regelsystemen. Der Gestal-tung derartiger Situationen in der Kita sind kaumGrenzen gesetzt und die Kinder haben die Möglich-keit, solche Kontexte in ihren Rollenspielen zu vari-ieren und für sich individuell zu konfigurieren.

Auf Seiten der Kinder geht es um ein durchaus spie-lerisches Erproben solcher Muster in verschiedenenKontexten, wobei Abweichungen von den Regeln –auf die vom Erwachsenen hingewiesen werden kann– als notwendig angesehen werden sollten, da nurein Überschreiten von Grenzen ein Empfinden zuentwickeln erlaubt, was die Grenze eigentlich aus-macht.7 Ausgenommen davon sind die Regeln, dieLeben und Gesundheit der Kinder sichern müssen,also das Verbot, blindlings in den Verkehr zu laufenoder in einer Steckdose herumzustochern. DieseRegeln lassen keinen Raum für Grenz-Experimente,ihre Einhaltung muss notfalls durchgesetzt werden.Das gilt, wiederum aber eben nur für solche Regeln,die Leben und Gesundheit der Kinder schützen. Alleanderen Regeln sind Verhandlungssache, was aberauch heißt, dass ein Verhandlungsergebnis bindendist.

Insgesamt ist die Zumutung von Themen in jederKindertageseinrichtung aus den vereinbarten Erzie-hungszielen zu begründen, wobei nicht jede Ideeund jedes Thema, das von der Erzieherin an dieKinder herangetragen wird, zuvor im strengen Sinneaus den Zielen abgeleitet werden muss. Ohne Spon-taneität im Umgang miteinander würde Pädagogikzu einem freudlosen Geschäft ohne Witz und Vergnü-gen geraten, was auf jeden Fall vermieden werdensollte.

So bleibt es eine ständige Aufgabe der Reflexion imTeam einer Kindertageseinrichtung, die Präsenz dervereinbarten Ziele in der alltäglichen Arbeit lebendigzu halten, ohne in dogmatisches Handeln abzuglei-ten. Auch Verhaltensregeln, die im Umgang vonMenschen miteinander nützlich und hilfreich sind,erschließen sich den Kindern vermutlich am besten,wenn sie im Leben der Erwachsenen von ihnen beob-achtbar und im Umgang zwischen Erzieherinnen undKindern von den Erwachsenen selbst befolgt werden.

Themen zumuten durch Gestaltung der Interaktionmit den Kindern heißt auch, sich in einer Weise denKindern gegenüber zu verhalten, wie man es sichvon den Kindern wünscht. Wer Kindern zum Beispieldie Erfahrung höflichen Verhaltens zugänglich machenmöchte, möge sich in höflichen Umgangsformengegenüber den Kindern üben, wer sie für Musikoder Naturwissenschaften interessieren möchte,möge eigene Interessen hinsichtlich dieser beidenGebiete für die Kinder sichtbar und erfahrbar wer-den lassen und so fort.

Unser Gehirn ist darauf ausgelegt, so kann bei Spit-zer (2002) nachgelesen werden, Regelhaftigkeitenund Muster zu erkennen und daraus Schlüsse fürunser Verhalten zu ziehen, wenn sie nur häufiggenug beobachtbar sind. Diese Aussage gilt insbe-sondere auch für das Erlernen einer Sprache. Unterder Voraussetzung, dass Kinder diese Sprache häufighören und sie auf sich bezogen erleben, bereitet derSpracherwerb in der Regel keine Probleme. Auch zudieser wichtigen Thematik werden wir zu einemspäteren Zeitpunkt Vorschläge publizieren, die mitden Grundlagen der hier in diesem Text von unsvertretenen Pädagogik vereinbar sind.

Vorerst mag alles helfen, was mit häufigem Sprechenzu und mit den Kindern unter Nutzung der Vielfaltder Ausdrucksmöglichkeiten unserer Sprache zusam-menhängt, Kindern die Konstruktion von Sprache zuermöglichen und sie zugleich dazu herauszufordern.Wer Freude an der Sprache hat, sollte aus Spracheein Spielangebot machen, zum Beispiel mit Präposi-tionen, durch welche die relative Lage von Personenund Dingen zu einander bezeichnet wird. Ein Tischreicht aus, um mit einer kleineren Gruppe von Kin-dern das »Vor«, »Unter«, »Neben«, »Auf dem Tisch«und so weiter sinnlich erfahrbar zu machen.

In den Projektkitas sind eine Fülle von Beispielensowohl für das Beantworten von »Themen des Kin-der« als auch von Themenzumutungen auf den ver-schiedenen Ebenen entwickelt worden, von denenausgewählte Beispiele zu einem späteren Zeitpunktin Ergänzungsbänden veröffentlicht werden sollen.Der hier vorgelegte Text beschreibt das prinzipielleVorgehen.

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Modul 3 – Themen zumuten und beantworten

7 Wir werden in späteren Veröffentlichungen und in Form von Ergänzungsbänden ausführlich auf die Möglichkeiten eingehen, die fürein Erreichen von Erziehungszielen, also ggf. auch solchen, die mit dem guten Benehmen zusammenhängen, aus unserer Sicht vonBedeutung sein können.

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Einführung

Die Portfolio-Dokumentation nimmt in der hier vor-gestellten Pädagogik eine zentrale Position ein. Sieist zunächst einmal Arbeitsinstrument der pädagogi-schen Fachkräfte. Die verschiedenen Instrumente, mitdenen dokumentiert wird, erleichtern es Erzieherin-nen und regen sie dazu an, jedes einzelne Kind ge-nauer und unter verschiedenen Perspektiven wahr-zunehmen und die Ergebnisse ihrer Wahrnehmungenfestzuhalten. Die im Portfolio gesammelten Instru-mente enthalten Hinweise, worauf geachtet werdensollte, fokussieren dadurch die Aufmerksamkeit derErzieherinnen auf bildungsrelevante Aspekte derkindlichen Aktivitäten und stellen in dieser Hinsichtauch ein Qualifizierungsinstrument für die pädagogi-schen Fachkräfte dar.

Zugleich aber ist das Portfolio auch Medium derErziehungspartnerschaft von Eltern und Erzieherinnenund bietet eine fundierte Basis für den Austauschzwischen Elternhaus und Kindertagesstätte. Darüber hinaus stellen die Portfolios der Kinder dasMaterial für wechselnde »Ausstellungen« und ande-re öffentliche Formen der Darstellung bereit, in derdie Kindertagesstätte ihre Arbeit sowohl den Elterneiner Gruppe als auch interessierten Vertretern desGemeinwesens durchsichtig machen kann.

Was wir unter der Portfolio-Dokumentationverstehen

Im Portfolio werden Beobachtungen und Geschichtenzu Bildungsprozessen eines Kindes zusammenge-fasst, Ergebnisse der pädagogischen Planung und

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Modul 4 – Bildungsprozesse dokumentieren

Im Portfolio dokumentierenFo

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der Verlauf pädagogischer Dialoge zwischen Erziehe-rinnen und Kind zu Themen, mit denen das Kindüber einen bestimmten Zeitraum intensiv umgeht.Im Portfolio stehen also nicht einzelne Beobachtun-gen unverbunden nebeneinander. Vielmehr zielt inunserem Vorgehen diese Art der Dokumentation da-rauf ab, Ausschnitte individueller Bildungsprozesseüber einen längeren Zeitraum zu dokumentieren unddabei die im fachlichen Diskurs mit Kolleginnen ge-wonnenen Erkenntnisse über die soziale Einbindungdes Kindes in die Kindergruppe, die je eigenen Zu-gangsformen und seine besonderen Interessen fürbestimmte Bildungsbereiche in Bezug zueinander zusetzen.

Mit dieser Form der Dokumentation orientieren wiruns am Konzept des »Portfolios«, das in den USAund verschiedenen europäischen Ländern, darunterauch Schweden, längst zum Standard vorschulpäda-gogischer Arbeit gehört. Portfolio meint, dass dieDokumente in einer für jedes Kind anzulegendenMappe gesammelt und geordnet werden. DieseMappe – in unserem Fall handelt es sich um einenOrdner – enthält für jedes Kind eine Auswahl derProdukte seiner Tätigkeiten in der Kindertagesstätte– also Bilder und Zeichnungen, die ersten Schreib-versuche und -dokumente, Fotos von Bauwerkenoder Spielsituationen, Berichte und Anekdoten, diekindliche Bildungsprozesse dokumentieren etc. Da-rüber hinaus enthalten die Portfolios die Bögen derverschiedenen Instrumente, in denen die Beobach-tungen der Erzieherin festgehalten sind. In den USAstehen dabei meist die »Meilensteine der Entwick-lung eines Kindes«, wie sie in der Entwicklungspsy-chologie festgelegt sind und die darauf ausgerichtetepädagogische Planung im Mittelpunkt der Portfolio-Dokumentation.

Auch in unserem Vorgehen stehen die Beobachtun-gen der Erzieherinnen und die Ergebnisse ihrer fach-lichen Reflexion zum beobachteten Verhalten undTun des Kindes im Vordergrund. Allerdings zielt diePortfolio-Dokumentation der Erzieherinnen nicht inerster Linie auf die Entwicklungsschritte des Kindes,sondern auf seine Themen und seine bevorzugtenZugangsformen insgesamt und seine je eigensinnigeArt, sich ein Bild von der Welt zu machen. Dass jederJunge und jedes Mädchen auf seinen individuellenBildungswegen auch Kompetenzen erwirbt, daraufsei an dieser Stelle nur hingewiesen. Auch für diesevon uns bevorzugte Art der Dokumentation ist ent-wicklungspsychologisches Wissen der Erzieherinnen

durchaus nützlich. Wie im Modul 3 gezeigt, könnensolches Fachkenntnisse helfen, im fachlichen Diskursim Team Themen zu erkennen, die unmittelbar mitder Entwicklung des Kindes in Verbindung stehen.Solches Wissen hilft also bei der fachlichen Deutungder beobachteten Szenen. In der Beobachtung selbstaber ist die Erzieherin, die ihr Handeln am Konzeptdes »10-Stufen-Projekts-Bildung« ausrichtet, aufge-fordert, ihren Blick nicht von vorn herein einzu-schränken, sondern neugierig zu sein und offen fürdie individuelle Vielfalt zu bleiben, die sich im Tunder verschiedenen Kinder zeigt. Gerd E. Schäfermacht in seinen Ausführungen zum Beobachten undDokumentieren (2005) deutlich worum es geht:

»Die ggeerriicchhtteettee BBeeoobbaacchhttuunngg zielt auf Verhaltenswei-sen und Verhaltensbereiche, die bereits bekanntoder theoretisch abgesichert sind. Ihr entsprechendie meisten Fragebögen oder Einschätzskalen. Mitihrer Durchführung soll die Qualität dieser Verhal-tensweisen eingeschätzt und beurteilt werden. Sierichtet sich daher auf etwas, was man von Kindernweiß, oder besser, zu wissen glaubt. ...

Zum Erfassen kindlicher Bildungsprozesse hingegenwird ein uunnggeerriicchhtteetteess BBeeoobbaacchhtteenn benötigt. DieserBegriff enthält zwei Gedanken: Zum einen den der Vielperspektivität: Der Beob-achter will nichts Bestimmtes wissen, sondern er istbereit, möglichst vieles wahrzunehmen, was Kinderindirekt oder direkt über sich, ihre Erlebnisse undGedanken mitteilen. ...

Zum anderen meint der Begriff eine Aufmerksamkeitfür das Unerwartete. Ungerichtetes Beobachten ver-sucht alles zu erfassen, was die Aufmerksamkeitdes Wahrnehmenden erregt. Es ist für Überraschun-gen offen. ...« (Schäfer, 2005, S. 164-165).

Welche Dokumente in das Portfolio kommen

Im Portfolio werden dokumentiert1:Auf entsprechenden Formblättern Notizen undGeschichten zu den folgenden drei Bereichen:• bevorzugte Tätigkeiten/Interessen des Kinder,• Freunde und Beziehungen zu anderen Kindern,• Bildungsgeschichten des Kindes aus seiner Familie.

Anhand spezifischer Instrumente Beobachtungen zuBildungsprozessen der Kinder und deren fachlicheDeutung und Reflexion:

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Modul 4 – Bildungsprozesse dokumentieren

1 Die Bedeutung und Handhabung des nachfolgend aufgelisteten Instrumentariums wurde im Modul 2 im Detail erläutert.

Page 86: Elementare Bildung

• »Themen der Kinder« und Planung der pädago-gisch angemessenen individualisierten Antworten,

• bevorzugte Bildungsbereiche und Zugangsformendes Kindes,

• Position der Kinder in der Gruppe (Soziogramm).

Anhand von Notizen:• der Verlauf von längerfristigen Prozessen der

Interaktion zwischen Erzieherinnen und Kind(Themen beantworten, Themen zumuten, Antwortdes Kindes auf zugemutete Themen etc.) sowie

Dokumente zur Illustration der Tätigkeit des Kindesund ausgewählte Ergebnisse seiner Aktivitäten:• Fotos, • Bilder, Zeichnungen, Schreibdokumente etc.

In der Basisausgabe dieser Losenblattsammlung nochnicht enthalten ist ein Instrument zur Dokumentationso genannter individueller Curricula, das sich aberbereits in der Erprobung befindet und das zukünftig,über die oben genannten Instrumente hinaus, eben-falls in das Portfolio aufgenommen werden soll. Imindividuellen Curriculum eines Kindes werden dieverschiedenen Beobachtungen und Erkenntnisse zuden Bildungsprozessen eines Jungen oder einesMädchens zueinander in Verbindung gesetzt. Imfachlichen Diskurs, in dem ein solches individuali-siertes Vorgehen geplant wird, steht also nicht nureine Beobachtung oder ein Instrument im Mittel-punkt. Vielmehr werden alle vorliegenden Informa-tionen und Erkenntnisse als Basis für das gemeinsa-me Nachdenken im Team und für die pädagogischePlanung genutzt.

Was bei der Auswahl von Fotos und Dokumentendes Kindes selbst zu beachten ist

Die Tätigkeit des Kindes, die Ergebnisse seiner Aus-einandersetzungen und Problemlösungen in verschie-denen Bildungsbereichen und Dokumente zu vonihm bevorzugten Ausdrucksformen haben einenwichtigen Platz im Portfolio. Jedoch ist bei der Aus-wahl solcher Dokumentationen einiges zu beachten. Fotos, die die sozialen Beziehungen des Kindes,seine Freundschaften und seine Aktivitäten oderErgebnisse seiner Arbeit an einem Thema illustrie-ren, ergänzen die schriftlichen Aufzeichnungen undhaben insofern keinen Wert an sich. Sie solltenimmer in Zusammenhang mit den Bildungsthemendes Kindes stehen, seinen je eigenen Zugangsformenoder bevorzugten Bildungsbereichen. Das heißt, jedesFoto sollte in den Augen der Erzieherinnen eine fürdie Bildung des Kindes bedeutsame Situation zeigen.Entsprechend sind solche Fotos in der Regel den

einzelnen schriftlichen Aufzeichnungen zu den »The-men des Kindes«, den Freunden oder besonderenInteressen zugeordnet oder zumindest mit einerkurzen Notiz versehen, bzw. fachlich kommentiert.

Diese vielleicht etwas rigide anmutende Festlegungdes Portfolio-Inhalts basiert auf dem Verständnis,dass es sich dabei in erster Linie um ein Arbeitsin-strument der Erzieherinnen handelt. Das Portfoliosoll den Erzieherinnen dabei helfen, die Kinder bes-ser zu verstehen und die Bildungswege, die sie inder Kindertagesstätte gehen, über die Jahre ange-messen unterstützen und herausfordern zu können.Unkommentierte nette Kinderbilder, die von denErzieherinnen selbst nach einiger Zeit nicht mehreingeordnet werden können, bringen die Verständi-gung zwischen Kind und Erzieherinnen in der Regeleher weniger voran.

Dasselbe gilt für Zeichnungen, Schreibversuche, Col-lagen etc., die das Kind hergestellt hat. Auch hierist zu fragen: Was bedeuten diese Ergebnisse kind-lichen Tuns für das Kind selbst? Wie deuten wirErwachsene diese Produkte? Sind diese Dinge Aus-druck eines wichtigen Schrittes, den das Kind inseinem Weltverstehen oder in der Aneignung kultu-rell bedeutsamer Bildungsinhalte gegangen ist? Jenachdem wie die Antworten ausfallen, wird eineZeichnung dann entweder in das Portfolio aufge-nommen oder in anderer Form gesammelt, wenndas Kind sie nicht mit nach Hause nehmen will, waswohl am häufigsten vorkommt.

Fotos und Dokumentationen der Kinder selbst, dienicht in das Portfolio aufgenommen werden, könnenin eigenen Büchlein oder Heften gesammelt werden,die dann in den Räumen der Kinder, für alle Jungenund Mädchen frei zugänglich, ihren Ort finden.Diese Form der Dokumentation, die nicht oder nurspärlich kommentiert ist, findet man unter anderemin den städtischen Kindertageseinrichtungen in Reg-gio Emilia, aber auch im Early Excellence Centre inBerlin wird diese Form der Dokumentation für dieKinder gepflegt.

Die Einbeziehung der Kinder

Wenn die Erzieherin ein Bild oder ähnliches gerne indas Portfolio des Kindes aufnehmen möchte, ver-steht es sich von selbst, dass sie das Kind um seineZustimmung bittet. In der Regel werden die Kindernichts dagegen haben. Manchmal kommt es aller-dings auch vor, dass ein Kind das Bild gerne fürsich oder die Eltern behalten möchte. Dann bleibt

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Modul 4 – Bildungsprozesse dokumentieren

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immer noch die Möglichkeit, das Bild ab zu fotogra-fieren und in dieser Form zu dokumentieren.

Nicht selten gewinnt das Portfolio über solche Anfra-gen auch für die Jungen und Mädchen an Bedeutungund sie beginnen selbst damit, den Erzieherinneneinzelne ihre Bilder für ihr Portfolio anzubieten.Grundsätzlich sollte ebenso wie bei den Beobach-tungen kein Geheimnis um das Portfolio gemachtwerden, sondern die Kinder offen in die Dokumen-tation einbezogen werden.

Das Portfolio im Kontext der Erziehungspartner-schaft zwischen Eltern und Erzieherinnen

Grundsätzlich gilt, dass das Portfolio eine einzigartigeGrundlage für den regelmäßigen Austausch zwischenErzieherinnen und Eltern über das Kind bietet. Esenthält charakteristische Antworten auf die Fragen,was das Kind den Tag über in der Einrichtung tut,ob es sich wohl fühlt, wie es von den anderen Kin-dern akzeptiert wird, mit welchen Themen es aktuellbefasst ist und zunehmend auch, welche Kompeten-zen es im Verlauf seiner Bildungsaktivitäten erwirbt.Zugleich bieten das Instrumentarium und die Erfah-rungen, die von der Erzieherin in seinem Gebrauchgesammelt werden, die Möglichkeit, auch Eltern indie Beobachtungen einzubeziehen, sie auf bildungs-relevante Aktivitäten des Kindes hinzuweisen unddamit möglicherweise einen »Pen-Green-Effekt« zuerzielen, der bei weniger systematischen Vorgehens-weisen kaum zu erreichen ist.

Die Anlage des Portfolios für jedes Kind eröffnet alsodie Chance, die gesamte Kooperation mit den Elternauf eine neue Basis zu stellen:

Den Interessen der Eltern an sachhaltiger Informationkann entsprochen werden, weniger interessierte Elternkönnen motiviert, besorgte Eltern beruhigt werden,dass ihrem Kind in der Kindertagesstätte die Auf-merksamkeit entgegengebracht wird und es dieUnterstützung erfährt, die es braucht, um in seinerBildung und in seinem Lernen Fortschritte zu machen.Die Beziehung zwischen der Einrichtung und denFamilien der Kinder kann auf diese Weise auf eineBasis sachlicher Kooperation gestellt werden, dieemphatische Beziehungen nicht ausschließt, abersie nicht als einzige Form des Kontaktes erscheinenlässt.

Ebenso wie die Kinder werden aber möglicherweiseauch die Eltern erst nach und nach und über dieGespräche mit der Erzieherin Interesse am Portfolio

ihres Kindes und an der Mitgestaltung gewinnen.Zunächst ist für die meisten Eltern noch recht unklar,was sie von dem Portfolio erwarten dürfen, auchwenn die Erzieherinnen einen Elternabend zu diesemThema angeboten haben, was sie unbedingt tunsollten, bevor sie mit der Dokumentation beginnen.Deshalb sollten Kindertagesstätten auch nicht allzulange damit warten, den Müttern und Vätern dasPortfolio ihres Kindes in die Hand zu geben. Da dieOrdner aus Gründen des Datenschutzes nicht fürjedermann zugänglich aufbewahrt werden, ist esnotwendig, Gelegenheiten zu schaffen, bei denen dieEltern im Portfolio ihres Kindes blättern und Beob-achtungstexte lesen können.

Wünschenswert ist es aus unserer Sicht, dass dieMütter und Väter, wenn nicht jederzeit so dochmöglichst häufig, Gelegenheit haben sollten, in dasPortfolio ihres Kindes zu schauen. Da die Portfoliosaber aus genanntem Grund nicht offen zugänglichsein können, müssen für einen solchen flexiblenUmgang mit den Dokumentationen von Erzieherinnenund Eltern gemeinsam Regeln erarbeitet werden. DieAntworten, die Kindertagesstätten darauf gefundenhaben, sind unterschiedlich, grundsätzlich aber be-steht in diesem Punkt noch Entwicklungsbedarf.

Eine Möglichkeit, die von allen genutzt wird, bietendie regelmäßigen »Bildungsgespräche«, die mindes-tens zweimal jährlich, besser öfter, stattfinden soll-ten. Aber auch mit zusätzlichen Portfolio-Abendenfür alle Eltern der Kindertagesstätte oder der Gruppe,an denen auch die Erzieherinnen als Ansprechpart-nerinnen zur Verfügung stehen, wurden gute Erfah-rungen gesammelt.

Von einer Ausnahme abgesehen sollten alle Beob-achtungen und sonstigen Dokumente, die im Portfo-lio zusammengefasst sind, den Eltern zugänglichsein. Diese Ausnahme bezieht sich auf eine Seitedes Instruments »Themen des Kindes«, auf der dieganz persönlichen Gefühle und Erinnerungen derBeobachterin und ihre Einschätzung der Perspektivedes Kindes festgehalten werden. Wir schlagen vor,diese Seite in eine gesonderte persönliche Reflexi-onsmappe der einzelnen Erzieherinnen aufzubewahren.

Zur Strukturierung des Portfolios

Im Portfolio werden die Bildungsprozesse der Kinderin der Regel über einen langen Zeitraum dokumen-tiert. Um die Übersicht zu behalten und die einzel-nen Aufzeichnungen und Dokumente bei Bedarfmöglichst schnell zu finden, hat es sich deshalb

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Modul 4 – Bildungsprozesse dokumentieren

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bewährt, jedes Portfolio klar und übersichtlich zustrukturieren. Die einzelnen Kindertageseinrichtun-gen und Erzieherinnen haben dafür unterschiedliche,für sie gute praktikable Lösungen gefunden. Grund-sätzlich gilt: • Das Portfolio sollte gegliedert sein, entweder

nach Instrumenten oder – und diese Lösung wirdinzwischen von vielen Erzieherinnen bevorzugt –in zeitliche Abschnitte. Diese zeitliche Gliederungkann entweder dem Kalenderhalbjahr bzw. -jahrfolgen oder der Logik der Bildungsprozesse. Dasheißt, wenn ein »Themendialog« zwischen Erzie-herinnen und Kind abgeschlossen ist, wird dieskenntlich gemacht.

• Jedem Portfolio sollte ein Blatt mit einem Fotodes Kindes und besonderen Daten vorangestelltsein: Geburtsdatum, Datum des ersten Eingewöh-nungstages in der Kindertagesstätte, ggf. Angabenzu Geschwistern, die ebenfalls diese Kindertages-tätte besuchen etc.

• Am Ende des Portfolios sollte eine Übersicht derdurchgeführten und geplanten Beobachtungen desJahres eingeheftet sein, das der verantwortlichenErzieherin das Controlling erleichtert.

Wer zuständig ist

Bevor eine Kindertagesstätte damit beginnt, Beob-achtungen zu den Bildungsprozessen der Kinder zudokumentieren, müssen die Zuständigkeiten für dieeinzelnen Portfolios festgelegt werden. Im Modul 5wird darauf im Detail eingegangen. An dieser Stelleso viel:

Jede Erzieherin in der Kindertagesstätte ist für einefestgelegte Anzahl von Portfolios zuständig. Sie istverantwortlich, dass alle ihr, in diesem Sinn, anver-trauten Kinder regelmäßig beobachtet werden. Esist ihre Verantwortung, darauf zu achten, dass dabeidie verschiedenen Aspekte zu den Bildungsprozes-sen der Kinder, die mit den einzelnen Instrumentendokumentiert werden sollen, im Blick bleiben. AlleInstrumente sollen also in den dafür vorgesehenenZeiträumen zum Einsatz kommen, der Bogen zu denBildungsbereichen und Zugangsformen also bei-spielsweise zweimal jährlich.

Die Zuständigkeit für ein Portfolio bedeutet aberwiederum nicht, dass alle Beobachtungen zu die-sem Kind ausschließlich von der verantwortlichenErzieherin durchgeführt werden können oder sollten.Wir haben an anderer Stelle bereits darauf hinge-wiesen, dass insbesondere in Häusern, in denennach einem offenen Konzept gearbeitet wird, esnotwendig ist, dass sich alle Erzieherinnen für dieDokumentationen aller Kinder verantwortlich fühlen. Was ist damit gemeint? Wenn das Team einer »offe-nen« Kindertagesstätte Hypothesen zu den »The-men eines Kindes« entwickelt, seine »Antworten«auf diese Themen geplant hat und in den Dialogmit dem Kind einbringt, dann ist in der Folge fest-zuhalten, wie das Kind mit dieser Antwort der Er-wachsenen umgeht. In einem offenen Haus ist dieWahrscheinlichkeit groß, dass Beobachtungen dazunicht in dem Raum aufgezeichnet werden können,in dem sich die zuständige Portfolio-Erzieherin größ-tenteils aufhält. Hier müssen also Vereinbarungenmit Kolleginnen getroffen werden, entsprechendeBeobachtungen zu notieren und für das Portfoliozur Verfügung zu stellen.

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Modul 4 – Bildungsprozesse dokumentieren

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Einführung

Wir haben schon darauf hingewiesen, dass das Port-folio eine doppelte Funktion erfüllt. Zum einen istes ein Arbeitsinstrument der Erzieherin, in demwichtige Informationen zu den Bildungsprozessender Kinder zusammengeführt werden. Zum anderenist es die »Datengrundlage« für die Gespräche derErzieherin mit den Eltern des Kindes über das, wasihr Kind in der Einrichtung tut, welche Interessen esaktuell verfolgt, wer seine Freunde sind, seine be-vorzugten Tätigkeiten etc. Darüber hinaus haben dieEltern die Möglichkeit, selbst in das Portfolio ihresKindes hineinzusehen und sich an Hand der dortzusammengetragenen Beschreibungen über Tätig-keiten, Interessen und soziale Beziehungen ihresKindes selbst ein Bild zu machen. Die Dokumentationdieser Aussagen über das Kind in der Kindertages-

einrichtung repräsentiert also zumindest auch dieArbeit in der Kindertageseinrichtung, allerdings ein-geschränkt auf Informationen hinsichtlich eines ein-zelnen Kindes und ausschließlich für seine Eltern.

Nun findet die Arbeit in Kindertageseinrichtungen injüngerer Zeit auch öffentliche Beachtung, sei es ausdem Gemeinwesen von Mitgliedern der politischenAdministration, durch den Träger oder über die Me-dien. Auch sind Eltern zwar in erster Linie an ihremeigenen Kind interessiert, können aber diese Infor-mationen besser einordnen und verstehen, wennsie über ihr Kind hinaus Beispiele für die Arbeit inder Einrichtung ansehen können. Ihnen allen kannder Zugang zu den Portfolios wegen der Datenschutz-bestimmungen nicht gewährt werden, wodurch einerweiterter Bedarf an Dokumentation zur Pädagogikder Kindertagesstätte, der von der Einrichtung auch

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Modul 4 – Bildungsprozesse dokumentieren

Für Eltern und Besucherder Kita dokumentieren

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durchaus befriedigt werden sollte. Es geht dabei imGrunde darum, die Arbeit in der Einrichtung trans-parent zu machen, so dass auch Außenstehendeeinen Eindruck davon gewinnen können.

Was Inhalt der Dokumentation nach außen sein kann

Im Laufe des Erprobungsprojektes haben die Erziehe-rinnen der beteiligten Kindertagesstätten Verfahrens-weisen entwickelt, die wesentlich auf Fotos von ge-eigneten Situationen und begleitende Texte gestütztsind. Darüber hinaus können Arbeiten der Kinder,die im Laufe von Projekten entstanden sind, in klei-nen Ausstellungen in den Fluren oder anderen geeig-neten Räumen der Kita zugänglich gemacht werden.Dabei kann es sich um Malarbeiten der Kinder han-deln, um Plastiken oder auch um erste kurze, selbstgeschriebene Texte von Kindern, Zahlendarstellungenoder Heftseiten mit linearen Kritzeleien, die beispiels-weise während einer Beobachtung entstanden, wäh-rend der sich ein Kind neben die Erzieherin gesetztund ebenfalls »geschrieben« hat.

Diese Art von Dokumentationen der Arbeit nachaußen unterscheidet sich wesentlich von solchenFotogalerien, die es auch früher schon in Kitas ge-geben hat. Dort wurden zum Beispiel die bestenFotos, die auf einem Fest oder bei einem Ausflugentstanden waren, an die Wand gepint und mitkurzen launigen Texten versehen, die den Kindernals Worte in den Mund gelegt wurden. »Oh, ist dasschwer!« beispielsweise, wenn auf dem Foto ein Kindzu sehen war, das einen kleinen Eimer mit Wasseranhebt, oder »Ich kann einfach nicht widerstehen!«,wenn ein Kind zu sehen war, das nach einem StückKuchen greift.

Die Dokumentation, um die es in den anspruchsvol-leren frühpädagogischen Konzepten geht und die imZusammenhang mit den Ausstellungen der Reggio-Pädagogik viele Erwachsene in aller Welt begeisterthat, ist von völlig anderer Art. Hier geht es darum,dem Betrachter der Fotos oder der Arbeiten der Kin-der einen Zugang zu der Bedeutung dessen, wasdargestellt wurde, zu ermöglichen, das heißt, dieTexte zu den Bildern oder Werkstücken sind fachlicheTexte. Sie beschreiben die Geschichte, die zu demBild gehört, aus einer fachlichen Perspektive undstellen das, was zu sehen ist, in den Zusammenhangkindlicher Weltkonstruktion, versuchen also, die Bil-dungsprozesse der Kinder, die den auf den Fotosgezeigten Tätigkeiten zu Grunde liegen, nachvollzieh-bar zu machen. Häufig sind die erwachsenen Be-

trachter solcher Darstellungen zutiefst beeindrucktvon den Leistungen der Kinder, insbesondere, wennetwa bei Malarbeiten oder Grafiken die Qualität derArbeiten für sich selbst spricht.

In der Projekteinrichtung »Haus der kleinen Strolche«in Woltersdorf können solche künstlerischen Arbeitenvon fünf und sechsjährigen Kindern, die Werken ausder klassischen Moderne nachempfunden sind, be-sichtigt werden und dabei den Verdacht bestärken,dass wir Kinder häufig, fast könnte man meinenregelmäßig, unterschätzen, wenn es um die Komple-xität ihrer Welt- und Selbstkonstruktionen geht.

Andere Darstellungsinhalte können sich auf themati-sche Auseinandersetzungen der Kinder im Rahmenvon Projekten beziehen, ihre Aktivitäten und Pro-blemlösungen in den verschiedenen Bildungsberei-chen, auf Aushandlungsprozesse zwischen Kindernund auf die Gestaltung von Freundschaftsbeziehun-gen. Auch Zeichnungen und Malarbeiten, mit denendie Kinder ihre Erfahrungen, die sie im Verlauf vonExkursionen gemacht haben, zum Ausdruck bringen,können Gegenstand einer solchen Dokumentationsein. Ebenso können Bewegungskonstruktionen derKinder, wie sie etwa beim Springen von unter-schiedlich hohen Standorten zu beobachten sind,anhand von Fotos festgehalten und kommentiertwerden. Also zum Beispiel wie die Jungen und Mäd-chen in Bewegungsbaustellen mit selbst gebauten(standsicheren!) Konstruktionen aus Leitern undBrettern Sprungerfahrungen sammeln und Kompe-tenzen entwickeln oder notfalls anhand von Tischenunterschiedlicher Höhe, wenn keine anderen Mate-rialien zur Verfügung stehen.

Eine Anmerkung, die nicht nur die Dokumentation nach außen betrifft

Bei allen Dokumentationen stehen die Kinder mitihren Weltdeutungen und Weltkonstruktionen imMittelpunkt. Es ist der Versuch, den Betrachter undLeser, im weitesten Sinn die Besucher der Kinderta-gesstätte, besser verstehen zu lassen, mit welchenFragen Kinder beschäftigt sind, über welche Aus-drucksformen oder »Sprachen« sie verfügen, wie siein der tätigen Auseinandersetzung mit der sozialenund materiellen Welt Kompetenzen erwerben undwas pädagogische Fachkräfte in der Kindertages-stätte zum Weltverstehen und Weltgestalten der Jun-gen und Mädchen beitragen können.

Diese Art der Dokumentation nach außen kann nurgelingen, wenn die Erwachsenen jedes einzelne Kind

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Modul 4 – Bildungsprozesse dokumentieren

Page 92: Elementare Bildung

ernst nehmen und seine je eigenen Bildungswegeanerkennen. Eine solche Haltung schließt aus, dassden Kindern – vielleicht gedacht als Erheiterung derBetrachter – Worte in den Mund gelegt werden oderihnen Dinge unterstellt werden, die sich aus derBeobachtung selbst nicht ableiten lassen (vgl. hier-zu auch Kazemi-Veisari, 2004, S. 30f ). Es sollte sichauch von selbst verstehen, dass kein Kind in einerDokumentation bloß gestellt wird und last but notleast gibt es intime Situationen, die nicht zum Ge-genstand einer Foto-Dokumentation werden sollten.Dass all dies auch für die Portfolio-Dokumentationengilt, sei hier noch einmal ausdrücklich vermerkt.

Formen der Dokumentation nach außen

Neben der Möglichkeit, Bilder und Texte an der Wand– in der Regel auf farblich passenden Bögen ausfestem Papier – zu befestigen, haben sich auch sogenannte Tisch-Flipcharts bewährt, in deren Kunst-stoffhüllen die Werke im DIN A3 Format eingelegtund durch Umschlagen der Seiten gut betrachtetwerden können. Auf diese Weise lassen sich auchüber längere Zeiträume entstandene Dokumentatio-nen für interessierte Besucher zugänglich aufbewah-ren. Und wir haben erlebt, dass auch die Kinderselbst es sehr genießen, wenn sie ihre weit zurück-liegenden Bildungsgeschichten mit ihren aktuellenAktivitäten und Ideen vergleichen können und sichdamit ihrer selbst und ihrer »Fortschritte« verge-wissern.

Die technische Ausstattung der Kindertages-stätte als Voraussetzung für eine gelungeneDokumentation

Für das Herstellen der Fotos sollte in der Einrichtungmindestens eine Digitalkamera jederzeit einsetzbarsein, so dass nicht erst lange gesucht werden muss,wenn sich eine interessante Situation, die für eineDokumentation geeignet wäre, unvorhergesehen er-gibt. Ebenso sollte ein PC mit entsprechender Soft-ware zur Verfügung stehen, um die digitalen Bilderbearbeiten zu können.

Neben den Fotografien haben sich in den meisten,am Projekt beteiligten Einrichtungen Videokamerasals geeignete technische Mittel erwiesen, um sowohlGruppen von Eltern als auch Außenstehenden einenEindruck von Einzelheiten der täglichen Arbeit zuermöglichen. In Stuttgart ist unter Nutzung solcherAufnahmen ein Videofilm hergestellt worden, derdas Konzept und seine praktische Umsetzung inEinrichtungen der Stadt sehr gut demonstriert undvom Jugendamt der Stadt für seine Öffentlichkeitsar-beit eingesetzt werden wird.

Dokumentation und Datenschutz

Voraussetzung für alle öffentlichen Darstellungenist, das darf keineswegs aus dem Auge verlorenwerden, das Einverständnis der Eltern der auf denFotos gezeigten Kinder. Auch für Videoaufzeichnun-gen ist die Zustimmung der Eltern erforderlich.

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Modul 4 – Bildungsprozesse dokumentieren

Page 93: Elementare Bildung

Beispiele von Dokumentationen aus BrandenburgerProjektkindertagesstätten

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Modul 4 – Bildungsprozesse dokumentieren

Page 94: Elementare Bildung

Organisatorischer Rahmen: Strukturelle Grundlagen

und Qualitätsmanagement

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Page 95: Elementare Bildung

Einführung

Die ersten vier Module des infans-Konzepts beschrei-ben das konkrete Vorgehen, die Inhalte und Metho-den, die der pädagogischen Arbeit in der Kinderta-gesstätte ihre neue Qualität verleihen. Im Zentrumdes fünften Moduls steht die Beantwortung der Frage,welche Bedingungen die gelingende Umsetzung desKonzepts in der Praxis fördern und unterstützen.Dazu gehören äußere Rahmenbedingungen, die vomTräger der Einrichtungen und von den politischenEntscheidungsträgern bestimmt werden, wie zumBeispiel der Umfang von Vor- und Nachbereitungs-zeiten, der Betreuerin-Kind-Schlüssel, die Freistel-lung der Leitung und die Bereitstellung von Praxis-unterstützungssystemen ebenso wie Bedingungen,

die vom pädagogischen Fachpersonal in der Kinder-tagesstätte selbst geschaffen werden müssen. Indiesen Bereich fallen Fragen wie die Kooperation imTeam, die Unterstützung durch die Leitung und dieWeiterqualifizierung des Fachpersonals. Dem Trägerund der Kindertagesstätte gemeinsam obliegt dasQualitätsmanagement, auf das in diesem fünften Mo-dul ebenfalls Bezug genommen werden soll.

Den Abschluss des fünften Moduls bildet ein Thema,das über die Grenzen der Kindertagestätte hinaus-weist: die Kooperation im Gemeinwesen, also dieVerknüpfung der Kindertageseinrichtung mit ande-ren Bildungsinstitutionen, wie zum Beispiel Biblio-theken und Museen, aber auch mit Frühförder- undBeratungsstellen und Grundschulen.

1

Modul 5

Ressourcen nutzen undentwickeln

Page 96: Elementare Bildung

Leitfaden zur Umstellung der pädagogischenArbeit auf das infans-Konzept

Der Leitfaden stellt eine Übersicht über die erstenorganisatorischen Schritte dar, die das Team einerKindertageseinrichtung gehen muss, um für sich dieinternen Rahmenbedingungen für eine neue Grund-legung ihrer pädagogischen Arbeit zu schaffen. Auchdiese Zusammenstellung von »Ersten Schritten« bie-tet Raum für vielfältige Variationen, die zusammenmit den inhaltlichen Schwerpunktsetzungen undVorgehensweisen schließlich das Profil einer Einrich-tung ausmachen werden. Wir erwarten, dass sichdie Einrichtungen, die auf der Grundlage der infans-Konzeption arbeiten, in ihrem Profil auf vielfältigeWeise unterscheiden werden, je nach dem, wie dasEinzugsgebiet der Kita beschaffen ist, wo die Mitar-beiterinnen ihre Ressourcen sehen und welche Inte-ressen sie in unterschiedlichen Formen der Gemein-samkeit zusammen mit den Eltern und mit dem Trä-ger verfolgen. Allerdings müssen bei aller möglichenVariabilität die Kernelemente des Konzepts erkenn-bar bleiben.

Vorbereitende ArbeitenInformation über das infans-Konzept; Diskussionvon Leitung und Team; Absprache mit dem Träger;Diskussion mit interessierten Eltern; Einschätzungder eigenen Ressourcen (ggfs. Durchführung der Ist-Analyse)

Entscheidung• Beschluss des Teams der Kindertageseinrichtung,

das infans-Konzept zur Grundlage seiner Arbeit zumachen (von zehn Kolleginnen sollten nicht mehrals zwei dagegen sein)

• Zustimmung des Trägers• Information der Eltern

Arbeitsbeginn• Ist-Analyse (falls noch nicht durchgeführt)• Ergänzung der Ausstattung (technisch, räumlich,

materiell)• Beschaffung der notwendigen Materialien zum Auf-

bau des Portfolio-Systems (siehe Erläuterungen)• Information aller Eltern über die geplanten Verän-

derungen• Beginn der Erarbeitung von Erziehungszielen

(siehe Modul 1)• Aufteilung der Verantwortlichkeiten (Wer führt

welche Portfolios? ...)• Entwurf zu einem Controlling-System (siehe Kapi-

tel »Erreichtes prüfen – Qualitätsmessung undQualitätsentwicklung)

• Überprüfung des Gruppensystems der Einrichtung(Offene Arbeit? Wenn ja, welche Form ist geeignet?)

• Umgestaltung der Räume, insbesondere Zahlen,Texte, Buchstaben, Architektur, Kunst, grafischeDarstellungen etc. verfügbar machen

Erprobungsphase• Tägliche Beobachtung eines Kindes durch jede

Erzieherin und Auswertung der Beobachtung mitKolleginnen

• Ausfüllen und Auswerten des Bogens Bildungsbe-reiche/Zugangsformen für jedes Kind

• Soziogramm für jedes Kind• Beurteilung und schriftliche Aufzeichnung auf

dem gleichnamigen Bogen zu den der bevorzug-ten Tätigkeiten jedes Kindes, ggf. ergänzt umFotos

• Aufzeichnungen zu den Freunden jedes Kindesauf dem entsprechenden Bogen

• Ausfüllen des Grenzstein-Instruments für alle Kin-der, die eine der vorgesehenen Altersstufen errei-chen

• Wöchentliche Teamsitzungen zur Auswertung vonBeobachtungen nach dem Modell der kollegialenBeratung (siehe Modul 2)

• Inanspruchnahme von Beratung und Qualifizie-rungsveranstaltungen oder Besuch einer Konsul-tationseinrichtung zur Klärung offener Fragen

• Einrichtung von Bildungsinseln in Orientierung andem Instrument Bildungsbereiche/ Zugangsformen

Arbeitsphase• Arbeit nach dem Modell und Weiterentwicklung

seiner Inhalte• Kontinuierliche Weiterbildung der Mitarbeiterin-

nen auf dem Stand des Wissens• Anleitung neuer Kolleginnen• Öffnung nach außen für Mitarbeiterinnen anderer

Einrichtungen• Kontinuierlicher fachlicher Diskurs auf allen Ebe-

nen und Einladung von Rückmeldungen zur eige-nen Arbeit von außen

Erläuterungen zum Leitfaden

Vorbereitende Arbeiten und EntscheidungDie wichtigste und umfassendste Quelle ist natür-lich diese Handreichung für Erzieherinnen selbst.Zum infans-Konzept liegen darüber hinaus eineReihe von Texten vor, die einen Überblick über dieInhalte und zu den Bedeutungen der zentralenBegriffe ermöglichen. Dazu gehört der Praxisbandmit dem Titel »Forscher, Künstler, Konstrukteure«,

Modul 5 – Ressourcen nutzen und entwickeln

2

Page 97: Elementare Bildung

herausgegeben von Laewen und Andres1. Darin wer-den die wichtigsten Argumente vorgestellt, die füreine neue Sicht auf die Bildungsprozesse der frühenJahre sprechen und auf eine Erziehung verweisen,die diesem Bildungsverständnis angemessen ist.

Über den Verlauf des Erprobungsprojekts und seineZwischenergebnisse sind Beiträge veröffentlicht wor-den, die den Kern des Konzepts und seine Entwick-lung illustrieren. Dazu gehören u. a. die Kita-Debat-te in Brandenburg, die Projektpost I und II des LWVBaden, die beiden Broschüren des LWV Württem-berg-Hohenzollern, das Heft »500 Tage Einstein inder Kita« des Jugendamtes Stuttgart sowie verschie-dene Beiträge in Fachzeitschriften, zum Beispiel.KiTa aktuell vom März 2003 und Juli/August 2004.Darüber hinaus werden auf der Website zum infans-Konzept regelmäßige Informationen über die weitereEntwicklung zu finden sein (www.infans.net).

Die Diskussion im Team sollte sehr ernsthaft ge-führt werden, denn die Umstellung der Arbeit aufdas infans-Konzept ist mit einschneidenden Verän-derungen in den Arbeitsabläufen verbunden, setztinsbesondere aber ein »neues Denken über Kinder«voraus, wie die Kolleginnen in Reggio/Emilia (Ita-lien) das auf den Punkt gebracht haben. Selbstver-ständlich muss der Träger in den Diskussionsprozesseinbezogen werden und spätestens dann, wenn esernst zu werden beginnt, auch die Eltern. Besser istes, wenn zumindest die Elternvertretung in der Kitavon Beginn an mit einbezogen wird.

Alle Mitarbeiterinnen im Team sollten idealerweiseeiner Entscheidung für das infans-Konzept zustim-men können, denn es hängt fast alles davon ab, obes gelingt, die Kompetenzen und den Ideenreichtumdes gesamten Teams so zu bündeln, dass die ver-schiedenen und durchweg eher schwierigen Aufga-ben während der Umstellungszeit mit Aussicht aufErfolg angegangen werden können. Die Erfahrungenim Erprobungsprojekt lassen den Schluss zu, dassmindestens acht von zehn Fachkräften im Teamzustimmen sollten.

Einschätzung der eigenen RessourcenAls Ressourcen kommen u. a. in Frage:technisch: PC, Internetanschluss, e-Mail, Digitalfoto-kamera(s), digitale Videokamera(s), Tonaufnahme-und Abspielgerät(e), Kopiermöglichkeiten (zum Bei-spiel für die Instrumente), etc.

räumlich: Raumausstattung: Regale/Schränke undStellflächen für die Portfolios, mögliche Zahl der Bil-dungsinseln, Bewegungsräume und -materialien,(abhängig von der Zahl der Räume), etc. materiell: Ausstattung mit bzw. Beschaffung vonMaterial wie Waagen, Lupen, Mikroskope, Maßstä-be, Kunstdrucke, Musik-CDs (Klassik bis POP), Sym-bolmaterial (Buchstaben und Texte, Zahlen und Zah-lengrafik, Noten und Partituren, Bau- und Konstruk-tionszeichnungen, etc.)

ArbeitsbeginnIst-Analyse Die so genannte Ist-Analyse soll helfen, den Standder Ausstattung der Einrichtung zu beurteilen undggf. Lücken darin schließen zu können. Eine Kopier-vorlage für den Erhebungsbogen befindet sich beiden Instrumenten. Das Analysekonzept wird voninfans ausdifferenziert und erweitert werden undschließlich die Grundlage für ein konzeptspezifi-sches Evaluationssystem bieten.

Beschaffen der notwendigen Materialien zum Auf-bau des Portfolio-Systems• Beschaffen von DIN A4-Ordnern (zum Beispiel

große Leitz-Ordner) für jedes Kind• Beschriften der Ordner und Einfügen eines Regis-

ters, zumindest aber von Trennblättern• Bereitstellen von Regalen oder anderen Stellflä-

chen für die Ordner in geschützten Räumen• Kopieren der Beobachtungsbögen

• Bildungsthemen der Kinder (mehrfach für jedesKind; tägliche Nutzung)

• Bildungsbereiche/Zugangsformen der Kinder(zunächst einmal für jedes Kind; halbjährlicheNutzung)

• Bevorzugte Tätigkeiten/Interessen des Kindes(zunächst einmal für jedes Kind; Nutzung nachBedarf )

• Freunde des Kindes (zunächst einmal für jedesKind; Nutzung nach Bedarf )

• Die Familie des Kindes (zunächst einmal fürjedes Kind; Nutzung nach Bedarf )

• Grenzsteine (einmal für jedes Kind; vom drittenLebensjahr an einmal jährlich zu erheben)

• Soziogramm – Soziografische Beobachtung(zunächst einmal für jede Gruppe bzw. alserweiterte Form für die Kita, halbjährlich)

Informieren und Einbeziehen der Eltern• Informieren der Eltern über die Arbeit mit dem

neuen Konzept

Modul 5 – Ressourcen nutzen und entwickeln

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1 Der Band enthält die Ergebnisse des Bundesmodellprojekts »Zum Bildungsauftrag von Kindertageseinrichtungen«, das von infanszwischen 1997 und 2000 durchgeführt wurde und ist beim Beltz Verlag erschienen.

Page 98: Elementare Bildung

• Einholen der Zustimmung der Eltern zum Fil-men, Fotografieren ihrer Kinder und die Nut-zung des Materials für Dokumentationen

• Einbeziehen der Eltern in die Entwicklung derErziehungsziele

• Einladen der Eltern, Beiträge, Geschichten oderFotos aus dem Familienleben ihres Kindes fürdas Portfolio zu sammeln (siehe »Portfolio-Dokumentation: Die Familie des Kindes«)

Verteilen der Verantwortlichkeiten/Organisation• Festlegen von Zuständigkeiten: Wer ist verant-

wortlich für die Führung welcher Portfolios? • Festlegen (mindestens) eines regelmäßigen

Termins von etwa zweistündiger Dauer für dieAnalyse von Beobachtungen im Team (mindes-tens einmal wöchentlich)

• Für den Anfang: Festlegen der Kooperation vonzwei, besser drei Kolleginnen für die Diskussi-on von Beobachtungsergebnissen zwischen denTeamsitzungen

• Einrichten eines Controllingsystems (zum Bei-spiel nach Freiburger Muster, siehe Beitrag vonM. Wagner in dieser Handreichung) bzw. Rück-griff auf ein bereits bestehendes QM-Verfahren.

Überprüfen des GruppensystemsDie Überprüfung des Gruppensystems ist insofernvon Bedeutung, als die Erfahrungen gezeigt haben,dass ein System geschlossener Gruppen es schwie-rig macht, mit dem infans-Konzept zu arbeiten. Essollte geprüft werden, welche Formen der offenenArbeit für die Einrichtung geeignet sein könnten.Dabei muss (und sollte) nicht jede Gruppenstrukturaufgegeben werden, aber allein die Einrichtung vonBildungsinseln verlangt die gemeinsame Nutzungvon Ressourcen, wenn der Aufwand nicht zu großwerden soll.

Umgestalten der Räume Der Umgestaltung der Räume sollte von Beginn angroße Aufmerksamkeit gewidmet werden, da die Aus-stattung der Räume mit darüber entscheidet, welcheErfahrungen den Kindern für ihre Konstruktionspro-zesse überhaupt zugänglich sind. Dabei sollten ins-besondere die für unsere Kultur wichtigen Symbol-systeme (Buchstaben, Zahlen, Texte, grafische Dar-stellungen wie Konstruktionszeichnungen, Architek-turpläne, Ausschnitte von Partituren komplexer Werkeder Musik, etc.) in allen Räumen präsent sein.

Daneben sollten Bereiche eingerichtet sein, in de-nen sich die Kinder mit spezifischen Inhalten undMethoden (Forschung, Musik, Bewegung, Spracheetc.) auseinandersetzen können. Anhaltspunkte kön-nen dem Instrument »Bildungsberei-

che/Zugangsformen« entnommen werden, die aufinhaltlich strukturierte Bereiche verweisen, die iminfans-Konzept als »Bildungsinseln« bezeichnet wer-den. Auch die Ist-Analyse und der ihr zugrunde lie-gende Beitrag von Andres (2002) geben Hinweiseund Hintergrundinformation zur Umgestaltung derKita-Räume.

ErprobungsphaseWie bereits mehrfach erwähnt bedeutet die Umstel-lung der pädagogischen Arbeit auf das infans-Kon-zept für jede Einrichtung eine sehr große Herausfor-derung. Es sollten deshalb keine übertriebenen Er-wartungen an die Geschwindigkeit gestellt werden,mit der ein solcher Prozess vorangetrieben werdenkann. Die Erfahrungen zeigen, dass sechs bis zehnMonate benötigt werden, bis die neuen Verfahrens-weisen soweit beherrscht werden und in eine neueAblaufstruktur integriert sind, dass so etwas wieeine neue Normalität entstehen kann. Es werdeninsgesamt eineinhalb bis zwei Jahre vergehen, biseine Einrichtung das hohe Niveau erreicht hat, dasbei einiger Übung und gelingenden Weiterentwick-lungen der eigenen Praxis schließlich möglich seinwird und das den hohen Erwartungen an die Quali-tät der Arbeit weitgehend entspricht. Es handeltsich eben nicht um das Abarbeiten einer Rezept-sammlung bzw. die Integration einiger neuer Verfah-rensweisen in ein bestehendes System, sondern umden Neuaufbau eines grundsätzlich anderen päda-gogischen Gebäudes.

Die ersten Monate werden deshalb für die Erzieherin-nen Übungszeit sein, in der sie allmählich Sicherheitim Gebrauch der Instrumente, im Deuten der Hand-lungen der Kinder und im Auswerten ihrer Beobach-tungen gewinnen werden. Das Team muss eigeneLösungen für die Umsetzung des Konzepts finden, diezu den Personen, zum Haus und den sonstigen Rand-bedingungen der täglichen Arbeit passen. Das infans-Konzept kann nur teilweise »abgearbeitet« werden,seine Kernbereiche müssen angeeignet werden, ganzim Sinne der Bildungsprozesse, die auch die Kinderprinzipiell nutzen, um sich »die Welt anzueignen«.

Die Reaktion der Kinder auf die neuen Verhältnisseerfolgt sehr viel schneller. Sie verstehen rasch, dasssich ihre Position in der Kindertageseinrichtung ver-ändert hat, dass ihnen als Person sehr viel mehrAufmerksamkeit gewidmet wird und dass das, wassie tun, eine neue Bedeutung für die Erzieherinnengewinnt. Aus unserer Erfahrung mit den Kinderta-geseinrichtungen im Erprobungsprojekt wissen wir,dass sich die Atmosphäre im Haus innerhalb weni-ger Wochen sehr positiv verändern kann, auch

Modul 5 – Ressourcen nutzen und entwickeln

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Page 99: Elementare Bildung

wenn die neuen Formen der Pädagogik von denErzieherinnen noch nicht perfekt beherrscht werden.Also: Zeit lassen, nicht trödeln, aber sich die Zeitnehmen, die notwendig ist und nicht zusätzlichenStress durch zu hohe Erwartungen erzeugen.

ArbeitsphaseNach Abschluss der Erprobungsphase kann davonausgegangen werden, dass im Team Sicherheit imUmgang mit dem Konzept gewonnen wurde undeine hinreichend hohe Kompetenz in der Anwendungseiner Elemente vorhanden ist. Die Zeit- und Orga-nisationsfragen, die am Anfang so drängend waren,sollten nun gelöst sein und Raum lassen für eigen-ständige Weiterentwicklungen des Konzepts. Voraus-setzung ist die kontinuierliche Weiterbildung der Er-zieherinnen, um mit den sich entwickelnden Fach-kenntnissen mithalten zu können. Dazu gehört auchder kontinuierliche Austausch mit anderen Einrich-tungen und externen Fachleuten.

Die Personalfluktuation verringert sich nach interna-tionaler Erfahrung in Einrichtungen, die auf hohemNiveau arbeiten, dennoch wird es immer einmalwieder notwendig sein, neue Kolleginnen in dasKonzept einzuführen und sie in der ersten Zeit zuunterstützen. Der Aufwand dafür wird sich in demMaße verringern, wie das Konzept Verbreitung fin-det und in der Ausbildung von Fachkräften der Früh-pädagogik berücksichtigt wird. Allerdings zeigt dieErfahrung, dass die erfolgreichen Kindertageseinrich-tungen eine wichtige Funktion haben, die sie schnellzu einer Art Wallfahrtsort für pädagogisch Interes-sierte werden lässt, ganz ähnlich, wie dies in Reg-gio geschehen ist. Mit dieser Funktion als »Konsul-tationseinrichtung«, wie das Konzept in Brandenburgin Anlehnung an frühere Traditionen in den neuenBundesländern genannt wird, sind ebenfalls eineReihe von organisatorischen Fragen verbunden, aufdie dann auch Antworten gefunden werden müssen.Die Einführung eines »Besuchs-Managaments« istauf jeden Fall notwendig.

Das infans-Konzept ist, wie schon mehrfach betont,keine Sammlung von abzuarbeitenden Handlungsan-leitungen, sondern sollte eine lebendige Grundlagefür die frühpädagogische Arbeit in Kindertagesein-richtungen bieten. Sie bedarf der Weiterentwicklungdurch diejenigen, die damit in ihrer täglichen Arbeitumgehen, und das ist nur möglich, wenn die Erfah-rungen damit in einem andauernden Prozess inner-halb der Einrichtung und mit externen Fachkräftenebenso wie mit Eltern und dem Träger reflektiertwerden. In vielen Fällen wird es auch notwendigsein, auf sich artikulierende Interessen im Gemein-

wesen und seitens der Medien sinnvolle Antwortenzu geben. In der Zeit der Erprobung des infans-Kon-zepts auf seine Praxisfähigkeit konnte ein erheblicherTeil dieser Diskurse zwischen den Einrichtungen undinfans geführt werden, sehr zum Vorteil für beideSeiten. Wir streben deshalb an, diese Option auchzukünftig offen zu halten.

Zusammenarbeit der Kindertagesstätte mit denEltern

• Dokumentationen der pädagogischen Arbeitmit fachlich kommentierten Fotos für die Elternder Kinder gestalten

• Elterngespräche mindestens zweimal jährlichauf der Grundlage der Informationen aus demPortfolio des Kindes durchführen

Das Zeitmanagement – eine Voraussetzung fürdie gelingende Umsetzung des infans-Konzepts

Das infans-Konzept stellt alle Kindertageseinrichtun-gen, die ihre Arbeit darauf umstellen wollen, voreine sehr große Herausforderung: Es scheint auf denersten Blick unmöglich, die Zeit für die Vielfalt dernotwendigen Aktivitäten zu finden. Das reicht vonder Arbeit an den über die täglichen Beobachtungenund ihre Auswertung bis hin zu den Dokumentationenund der Hinwendung zum Gemeinwesen, um nureinige der Anforderungen herauszugreifen. Und inder Tat: Wenn eine Einrichtung versuchen würde, dasinfans-Konzept umzusetzen und zugleich alles, wasbislang zur täglichen Arbeit gehörte, im selben Um-fang weiter zu führen, müsste mit einem grandiosenScheitern des Vorhabens gerechnet werden.

Es geht also in einem ersten Schritt vor allem da-rum, die eigene bisherige Praxis zu analysieren unddie täglichen Routinen einerseits und das jahreszeit-liche Programm mit seinen zahlreichen Gelegenhei-ten zur Vorbereitung von Festen und Feiern auf ihrenpädagogischen Sinn bzw. ihre Notwendigkeit zuüberprüfen. In diesem Zusammenhang kann es hel-fen, sich selbst ein einigermaßen systematischesVorgehen zu verordnen und für jeden Arbeitsplatzeine (interne) Zeitbudgetstudie anzufertigen. Dazugehört es, dass jede Mitarbeiterin für zumindesteinen, besser für mehrere Tage detailliert aufschreibt,was sie wann getan hat. Für diesen Zweck gibt esZeiterfassungsbögen, von denen eine Variante imAnhang dieser Handreichung beigefügt ist (»Indivi-duelle Analyse der Erzieherinnen-Arbeitszeit«).

Darüber hinaus sollte intern auf die unterschiedlichenAnwesenheitszeiten der Kinder reagiert werden.

Modul 5 – Ressourcen nutzen und entwickeln

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Page 100: Elementare Bildung

Wenn zum Beispiel wegen einer Grippewelle nur we-nige Kinder tatsächlich in der Einrichtung anwesendsind, werden auch nicht alle Erzieherinnen benötigt –sofern sie nicht selbst erkrankt sind. Hier können –das Einverständnis des Trägers vorausgesetzt – mitHilfe von Zeitkonten monatlich oder auch über dasganze Jahr abzurechnende Zeitguthaben erzielt wer-den, die dann in personal-kritischen Zeiten und zurErledigung der im infans-Konzept beschriebenen Auf-gaben abgerechnet werden können. Auch für einensolchen internen Überblick über die Anwesenheits-zeiten der Kinder ist ein Erfassungsbogen im Anhangzu finden (»Tatsächliche Anwesenheit der Kinder...«).

Ein Vorgehen, das sich an einem Jahresarbeitszeit-modell orientiert, wie es zum Beispiel von Cramer(2003) beschrieben wird, bietet sich vor allem dortan, wo keine gesetzlichen oder trägerinternen Rege-lungen zu Vorbereitungs- bzw. Verfügungszeiten vor-liegen. Dies gilt u. a. für das Land Brandenburg,während in Baden-Württemberg im Allgemeinen 7,5Stunden pro Vollzeitkraft wöchentlich zur Verfügungstehen. Für Teilzeitkräfte gelten dort entsprechendverminderte Zeitanteile.

Die Zeiterfassungsbögen werden ausgewertet undbilden die Grundlage für eine gemeinsame Bewer-tung der verschiedenen Tätigkeiten nach den Krite-rien des pädagogischen Nutzens und ihrer Notwen-digkeit. Auch sollte in die Überlegungen eingehen,wie oft zum Beispiel Feste und andere soziale Ereig-nisse von den Mitarbeiterinnen der Kita vorbereitetwerden, wie viele Kolleginnen ggf. dafür notwendigsind und in welchem Maß nicht auch die Eltern derKinder bereit wären, sich an solchen Aufgaben zubeteiligen. In jedem Fall sollte geprüft werden, obnicht das Konzept des Vorjahres auch in diesem Jahrnoch brauchbar ist und ob die Dekorationen in jedemJahr neu angefertigt werden sollten. Die Erfahrungenin den Kindertagesstätten der Erprobungsphase wei-sen darauf hin, dass zum Beispiel die beliebte jah-reszeitliche Umgestaltung und Ausschmückung einerKita übers Jahr gesehen beträchtliche Arbeitszeitenbinden kann, die dann für ernsthafte pädagogischeAufgaben fehlen.

Eine solches grundlegendes Überprüfen der bisheri-gen Arbeitsroutinen führt im Allgemeinen zum Auf-decken beträchtlicher Zeitressourcen, die für den be-sonders in den Anfangsmonaten erheblichen Zeit-aufwand für die Umstellung auf die Arbeit nach deminfans-Konzept genutzt werden können und sollten.Die Schritte, die sich für den Anfang als sinnvollerwiesen haben, sind weiter oben bereits behandeltworden. Der Beginn der Arbeit mit dem infans-Kon-

zept ist dabei zeitlich insbesondere durch das not-wendige Umstrukturieren in der Einrichtung, das Um-gestalten der Räume, das Einrichten von Bildungsin-seln, das Beschaffen der Ordner für jedes Kind, ggf.der Schränke für die Ordner, und die notwendigenAbsprachen im Team beansprucht. Sind die Dingeerst einmal geregelt, wird vieles leichter und gehtselbstverständlich auch schneller. Darüber hinausbeansprucht im ersten Jahr die gemeinsame Arbeit anden Erziehungszielen eine nicht unbeträchtliche Zeit,wobei dieser Aufwand insofern zukünftige Arbeit ent-lastet, als die von den Erziehungszielen abgeleitetenHandlungsziele für die Arbeit mit dem individuellenCurriculum auf lange Sicht zur Verfügung stehen. Ins-gesamt erfordert die Arbeit mit dem infans-Konzeptab dem zweiten Jahr nicht wesentlich mehr Zeit alsunter den alten Bedingungen, allerdings wird dieArbeitszeit auf andere Dinge verwendet als zuvor.

Es kann also darauf vertraut werden, dass der an-fangs notwendige Zeitaufwand im Laufe des erstenJahres und danach deutlich abnimmt. Es hat sich inallen Einrichtungen in der Erprobungsphase gezeigt,dass die wachsende Vertrautheit mit dem Konzeptnach der Einarbeitungs- oder Erprobungsphase zueiner deutlichen Verringerung des ursprünglichenZeitaufwandes führt, und u.a. in Teambesprechungenvon 90 Minuten Beobachtungen von vier Kindernfachlich reflektiert werden können. Zu Beginn wirdman froh sein, wenn in eineinhalb Stunden wenigs-tens die Unterlagen eines Kindes einigermaßen voll-ständig und mit Konsequenzen für die praktischeArbeit bearbeitet werden konnten. Auch das Durch-führen der täglichen Beobachtungen und das Führender Portfolios geht mit der Zeit sehr viel schnellervon der Hand, als dies am Anfang möglich zu seinscheint.

Zu einem effizienten Zeitmanagement kann auch eingeeignetes Controlling-System durchaus beitragen,weil auf diese Weise ein aktueller Überblick über denStand der Arbeit für jede Erzieherin und für jedesKind zur Verfügung steht und auf Irritationen in denArbeitsabläufen zeitnah reagiert werden kann. Keine»lernende Organisation« – und jede Kindertagesein-richtung sollte es anstreben, diesen Stand der Qua-litätsentwicklung zu erreichen – kann ohne ein sol-ches Instrument auskommen. Die ursprünglicheWortbedeutung kommt aus dem Französischen –»contre rouler« – und meint dort »gegensteuern«und nicht Kontrolle, wie es die vereinfachte deut-sche Übersetzung nahe legt.

Es gibt jedoch vermutlich kein System, das für alleEinrichtungen in gleicher Weise geeignet ist. Ähnlich

Modul 5 – Ressourcen nutzen und entwickeln

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Page 101: Elementare Bildung

wie das infans-Konzept selbst sollten auch die Hilfs-instrumente und -methoden, die für eine angemes-sene Organisation der Arbeitsabläufe in einer Kinder-tageseinrichtung notwendig sind, den Bedingungendort angepasst werden. Das kann durchaus dazuführen, dass zum Beispiel einige Erzieherinnen nachfesten Zeitplänen ihre Beobachtungen durchführen,während andere besser arbeiten können, wenn siedie Beobachtungszeiten variabel handhaben. Wichtigist, dass die Beobachtungen durchgeführt und aus-gewertet werden, das »Wie« der Planung und Orga-nisation kann flexibel gehandhabt werden. In diesemSinne sollten auch die methodischen Anregungendieses fünften Moduls verstanden werden, die aufdie notwendige Schaffung von angemessenen Rah-menbedingungen für die pädagogische Arbeit hin-weisen und für ihre Realisierung Vorschläge enthal-ten. Darüber hinaus wurden in die Texte Literatur-hinweise aufgenommen, in denen zu den angespro-chenen Themen weiterführende Informationen nach-gelesen werden können.

Die Kooperation im Team

Eine wesentliche Bedingung für die gelingende Um-setzung des infans-Konzepts ist die Kooperation imTeam. Idealerweise fühlen sich alle Mitarbeiterinnender Kindertagesstätte gemeinsam mit der Leitung fürdie erfolgreiche Umsetzung der anstehenden Aufgabenverantwortlich. Jede trägt ihren Kompetenzen und Fä-higkeiten entsprechend dazu bei, dass die gemeinsa-me Sache gelingt und die Umsetzung des Erziehungs-und Bildungskonzepts lebendig bleibt und nicht zurPflichtübung verkommt. Eine solche gemeinsame Ver-antwortung findet nicht zuletzt darin ihren Ausdruck,dass sich die einzelnen Kolleginnen in den täglichenAufgaben wechselseitig unterstützen und sich an ge-meinsam getroffene Verabredungen halten.

Offenheit und eine vertrauensvolle Atmosphäre sinddabei wesentliche Voraussetzungen für das Gelin-gen. Dies gilt insbesondere für den fachlichen Dis-kurs im Team. So werden die Erziehungsziele derKindertagesstätte mit hoher Wahrscheinlichkeit nurdann authentisch von den einzelnen Mitarbeiterinnenim pädagogischen Handeln mitgetragen werden,wenn in der Phase der Formulierung und Reflexiondieser Ziele jede Mitarbeiterin ihre eigenen Anliegenund Erfahrungen einbringen kann und damit ernstgenommen wird. Auch in jedem Diskurs zu Beobach-tungen oder bei der Entwicklung von individuellenCurricula trägt diese Form der wechselseitigen Aner-kennung wesentlich zum Erfolg bei. Das heißt jedoch ausdrücklich nicht, dass alle ein-

gebrachten Erziehungsziele, Erfahrungen und Inter-pretationen unkritisch übernommen werden sollen.Die Reflexion der eingebrachten Ziele sollte aberimmer sachlich sein und sich an fachlichen Kriterienorientieren. Eine vertrauensvolle Zusammenarbeitzeichnet sich also ausdrücklich nicht durch eine har-monisierende Atmosphäre aus. Vielmehr müssenKonflikte angesprochen und ausgetragen werden.Die Mitarbeiterinnen müssen Entscheidungen kritischhinterfragen und Veränderungen durch Diskurs her-beiführen können. So wie jedes Kind in der Einrich-tung Wertschätzung erfährt, so sollten auch die Kol-leginnen respektvoll und anerkennend miteinanderumgehen.

Konkreten Ausdruck findet diese Haltung darin, dasswährend der Teambesprechungen jede Kollegin zuWort kommen kann und ihre Äußerungen zunächsteinmal so stehen bleiben, wie sie gesagt wordensind. Es hieße geradezu auf den Reichtum der un-terschiedlichen Perspektiven, die im Team möglichsind, zu verzichten, wenn sogleich der Kampf umdie eigene Meinung einsetzen würde. Erst die Be-rücksichtigung der verschiedenen Interpretationen,die zum Beispiel zu einer Beobachtung eines Kindeseingebracht werden, lässt das Bedeutungsspektrumerkennen, dass für das Kind eine Rolle gespielt habenkönnte. Erst wenn die Breite der aus dem Team her-aus vorgetragenen Positionen für alle erkennbar ist,kann darüber eine Diskussion beginnen, die schließ-lich auch zu (fachlichen) Bewertungen der Argumen-te und Ansichten führen kann.

Für die Qualität der pädagogischen Arbeit im Rahmendes Konzepts hängt also sehr viel davon ab, ob jedeErzieherin auf die Berufs- und Lebenserfahrung ihrerKolleginnen, auf ihren Einfallsreichtum und Fach-kenntnisse zugreifen kann und ob es ihr ein Klimader Offenheit und des Vertrauens im Team erlaubt,sich ohne Furcht vor einem Irrtum jederzeit an Kol-leginnen – oder die Leitung – wenden zu können.Das sind hohe Ansprüche an die sozialen und fach-lichen Kompetenzen in einem Team, die mehr erfor-dern als bloße Höflichkeit im Umgang mit einander.Dabei kommt es auch weniger darauf an, ob die Be-ziehungen im Team von Sympathie getragen werden(obwohl das helfen kann) oder ob man sich häufigzu privaten Gelegenheiten trifft. Im Zentrum der An-forderung steht etwas anderes.

Es geht weder um Sympathie noch um Freundschaftzwischen den Kolleginnen, sondern um die Einsicht,dass die Pädagogik in den ersten Lebensjahren einebesondere Herausforderung für die Fähigkeit von Er-wachsenen einschließt, die Bildungsprozesse jedes

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einzelnen Kindes wahrnehmen, interpretieren undmit sinnvollen pädagogischen Interventionen daraufantworten zu können. Darüber hinaus müssen Ent-scheidungen getroffen und begründet werden, wel-che Aspekte der gesellschaftlichen Realität an dieKinder in diesen ersten Jahren herangetragen wer-den sollten, wenn sie auf ein Leben in einer zukünf-tigen und anspruchsvollen Gesellschaft vorbereitetwerden sollen und nicht nur auf die nächste Stufedes Bildungssystems, die Grundschule.

Diese Art von Arbeit kann auf hohem Niveau nurvon einem Team von Fachkräften geleistet werden,von denen jede Einzelne einerseits über hohe fach-liche Qualifikationen verfügt und andererseits wil-lens und in der Lage ist, ihre fachliche Qualifikationund darüber hinaus ihre Lebenserfahrung und ihrenWitz in eine gemeinschaftliche Anstrengung einzu-bringen, die mit der Lösung einer so anspruchsvol-len Aufgabe zwangsläufig verbunden ist. Frühpäda-gogik in Kindertageseinrichtungen ist keine Arbeitfür einzelne Fachkräfte, sondern kann nur in koope-rativer Anstrengung bewältigt werden.2 Kooperationbedeutet vor diesem Hintergrund in einem sehrpraktischen Sinn, dass alle Kolleginnen bereit sind,ihr Wissen, ihre Erfahrungen und ihre Kompetenzenden anderen Mitgliedern des Teams zum Beispiel imRahmen kollegialer Beratung zur Verfügung zu stel-len und selbst daran mitzuwirken, dass die Kommu-nikation im Team in Takt bleibt.

Wenn in diesem Sinn jede einzelne Erzieherin ihrefachlichen und persönlichen Kompetenzen in denDiskurs einbringt und Konkurrenzen in den Hinter-grund treten, dann berichten Teams von wachsen-der »Leidenschaft« und verstärktem Interesse undForschergeist. Solche Einrichtungen sind lernendeOrganisationen, die im Prozess eigene Fragen entwi-ckeln, nicht auf Zielvorgaben von außen warten,sondern selbst an der Weiterentwicklung ihrer Arbeitund des Konzept interessiert sind und in regemfachlichen Austausch stehen.

Nun kann eine solche vertrauensvolle Atmosphärenicht in jeder Kindertagesstätte, die sich entschlos-sen hat, mit dem infans-Konzept zu arbeiten voraus-gesetzt werden. Hier ist – wie an vielen anderenPunkten – Geduld angesagt und die Bereitschaft,sich auf einen manchmal beschwerlichen Prozesseinzulassen. Auch wenn sich die Einzelnen der eige-nen Verantwortung für den Gesamtprozess bewusstsind, bedarf es der Übung, sich selbst und die eige-

nen Vorstellungen in stattfindende Entscheidungs-prozesse einzubringen. Zugleich aber wächst mit je-dem erfolgreich eingebrachten Beitrag das Selbst-vertrauen und der Mut auch zukünftig mitzugestalten.

Die Leitung kann mit einem demokratischen unddialogischen Führungsstil die Kooperation im Teamunterstützen und befördern. Entscheidungen solltenalso im Team gemeinsam diskutiert und getroffenund nicht von oben vorgegeben werden, d.h. auch,dass die Leitung bei kontroversen Diskussionen ihreeigenen Ansichten nicht mit Hilfe ihrer Amtsautoritätdurchzusetzen versucht und selbst kritik- und kon-fliktfähig ist.

Damit in den Diskursen jeder auf demselben Wis-sensstand steht, sollten alle relevanten Informatio-nen für alle Mitarbeiterinnen frei zugänglich undproblemlos erreichbar sein. In aller Regel wird esnotwendig sein, Verfahren zu entwickeln, die denInformationsaustausch im Team auch außerhalb derTeambesprechungen und kollegialen Beratungen er-möglichen, sei es durch die Einrichtung eines festenPlatzes, an dem Beobachtungsnotizen oder andereMitteilungen abgelegt und von den anderen Kolle-ginnen eingesehen werden können oder durch kurzeTermine (zum Beispiel vor Dienstbeginn), an denendie wichtigsten Informationen ausgetauscht werdenkönnen.

Vor allem in größeren Einrichtungen bedarf es einesInfo-Systems, das den Fluss der Informationen undden Austausch des Wissens sichert, damit die Ab-stimmung der täglichen Arbeit gelingt. Zugleich soll-ten die Mitarbeiterinnen der Kindertagesstätte fürdie Reflexion und Planung der eigenen Arbeit aufeine gut sortierte Fachbibliothek zugreifen können,die von allen Mitarbeiterinnen jederzeit genutzt wer-den kann.

Im Zentrum der Kooperation im Team, wie sie hiergemeint ist, steht also die (Heraus-) Forderung, dieRessourcen, die jede einzelne Kollegin einzubringenvermag, wahrzunehmen,

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2 Es ist zu hoffen, dass auch die Lehrerinnen und Lehrer an den Grundschulen erkennen, dass die gleiche Aussage auch für ihreTätigkeit gilt.

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Die Qualifizierung des Personals

In der Arbeitswelt aller modernen Wissensgesell-schaften wird vorausgesetzt, dass die Arbeitnehmerund Arbeitnehmerinnen die Bereitschaft zur eigenenWeiterbildung und zu lebenslangem Lernen mitbrin-gen. Diesen gesellschaftlichen Erwartungen müssensich grundsätzlich auch Mitarbeiterinnen von Kinder-tagesstätten stellen. Qualifikationen besitzen einenur begrenzte »Haltbarkeit« und müssen deshalbständig erneuert und aktualisiert werden. Aus die-sem Grund ist eine regelmäßige Weiterbildung einMuss, nur so kann das erforderliche Qualifikations-niveau erreicht und jede Kollegin den gegenwärti-gen und zukünftigen Anforderungen ihres Berufesgerecht werden. Dazu ist in der einschlägigen Fach-literatur das Notwendige gesagt worden (vgl. u.a.Colberg-Schrader/Krug 2000; Irskens 2004).

Dies gilt insbesondere für pädagogische Fachkräfte,die in einem Haus arbeiten, das sich als Bildungs-einrichtung versteht. Entscheiden sich die Teamsdieser Kindertagesstätten dafür, ihren Bildungsauf-trag, der ihnen nicht zuletzt auch über die Bildungsund Erziehungspläne der Bundesländer erteilt wird,mit dem infans-Konzept umzusetzen, so geht mitdieser Entscheidung immer auch die Herausforde-rung einher, die Kompetenzen, die im Team vorhan-den sind zu prüfen, notwendige Weiterqualifizierun-gen zu benennen und entsprechende Fortbildungenzu belegen. Mit anderen Worten, eine so grundle-gende Veränderung der täglichen Praxis stellt hoheAnforderungen an die Bereitschaft der Fachkräfte,sich weiterzuqualifizieren.

Bei aller Notwendigkeit einer Weiterqualifizierung,verfügen die Mitarbeiterinnen jeder Kindertagesstät-te natürlich bereits über Ressourcen und Kompeten-zen. Sie bilden das Fundament der pädagogischenArbeit einer Kindertageseinrichtung und stellen denAusgangspunkt der Qualitätsentwicklung dar. Vor-handene Kompetenzen brach liegen zu lassen undnicht sinnvoll zu nutzen wäre deshalb eine Veschwen-dung von Potenzialen. Was im infans-Konzept dieFörderung der Bildungsprozesse der Kinderbestimmt, gilt auch für die Erzieherinnen. Die spe-ziellen Interessen, Leidenschaften und Kompetenzensollten erkannt und bei entstehenden Anforderungengenutzt werden. Zugleich bilden diese individuellenStärken aber auch den Ausgangspunkt für die Wei-terqualifizierung aller Teammitglieder.

Die Themen der Fortbildung dürfen dabei aber eben-so wenig allein durch die persönlichen Interessenund Vorlieben der Mitarbeiterinnen bestimmt wer-

den, wie sie durch die Leitung von oben vorgege-ben werden sollten. Im Sinne der oben beschriebe-nen Kooperation im Team müssen alle Mitarbeiterin-nen an den Entscheidungsprozessen über weiterfüh-rende Fortbildungsthemen und -veranstaltungenbeteiligt werden.

Ein solcher Prozess zur systematisch und kontinu-ierlich geplanten Weiterqualifizierung des Teams undder einzelnen Mitarbeiterinnen könnte durch folgen-de Fragen strukturiert werden: • Was können wir schon gut? Welche Kompetenzen

sind in unserem Team derzeit vorhanden? WelcheBedeutung haben diese Qualifikationen für diegelingende Umsetzung des infans-Konzepts?

• Welche Kenntnisse und Fertigkeiten fehlen unsnoch, um die Bildungsprozesse der Jungen undMädchen herausfordern und gut unterstützen zukönnen? Welche Qualifikationen brauchen wir nochin unserem Team, um den Kindern in den ver-schiedenen Bildungsbereichen ein kompetentesGegenüber sein zu können?

• Könnten uns Moderationstechniken und Metho-den helfen, unsere fachlichen Teamdiskurse, dieOrganisation unseres Alltags und unsere Planungeffektiver zu gestalten? Verfügen wir im Team überausreichende Kenntnisse im Qualitätsmanagement?

Erst wenn solche Fragen geklärt sind, sollte syste-matisch nach Fort- und Weiterbildungsangebotengesucht werden.

Ziel der Maßnahme insgesamt sollte es sein, dieQualifizierung der Mitarbeiterinnen unter Beachtungihrer Interessen zu fördern, ohne die Qualitätsent-wicklung der Kindertagesstätte aus dem Auge zuverlieren. Fortbildung kann dann als erfolgreich an-gesehen werden, wenn sie die Interessen der Kinder-tageseinrichtung mit den Chancen der persönlichenWeiterbildung der Mitarbeiterinnen verknüpft. Sieerhöht so die Motivation, Zufriedenheit und Kompe-tenzen der Mitarbeiterinnen und ist zugleich aucheine längerfristig bedarfs- und zukunftsorientierteMaßnahme für die Weiterentwicklung der Einrich-tung (Klebingat 2000; Schlummer 2000; Schwann-ecke 1999), vorausgesetzt eine hohe Personalfluk-tuation macht das Erreichte nicht wieder zunichte.

Wenn zum Beispiel bei der Klärung der Erziehungs-ziele deutlich wird, welche Wissenslücken bestehen(zum Beispiel im naturwissenschaftlich-mathemati-schen Bereich) und welche Kenntnisse benötigt wer-den, um die angestrebten Ziele zu erreichen, dannmüssen Fortbildungen entsprechend ausgewähltwerden. Dies erfordert eine Koordination, die von

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der Leitung in Zusammenarbeit mit den Kolleginnengeleistet werden muss. Im Team wird entschieden,welche Weiterbildung sinnvoll ist und von wem siezum Beispiel im Fall eines Inhouse-Seminars durch-geführt werden sollte, um die Entwicklung der Ein-richtung zu unterstützen. Eine solche, gemeinsamgetragene Entscheidung hat auch den Vorteil, dassder Transfer des neuen Wissens in das Team bessergelingt, da jeder von den Gründen und der Notwen-digkeit der Weiterbildung überzeugt und an den Er-gebnissen interessiert ist.

Damit die Weiterbildung nutzbringend in die täglicheArbeit einfließt, muss das neu erworbene Wissenumgesetzt und den anderen Teammitgliedern zurVerfügung gestellt werden. Das Erlernte muss vomgesamten Team aufgegriffen und in die alltäglicheArbeit integriert werden, nur dies führt zu dauerhaf-ten und innovativen Veränderungen. Erst dadurchwird es möglich, dass eine Einrichtung in Zukunftdie notwendigen Lernprozesse selbstständig undselbst organisiert leisten kann (Irskens 2004).

Ebenso wie die Kooperation im Team braucht auchdie systematische Planung der Weiterqualifizierungeine Atmosphäre der Offenheit und des Vertrauens.In einer Umgebung, in der sich alle der gelingendenUmsetzung des Bildungsauftrags verpflichtet fühlenund die Mitarbeiterinnen gelernt haben, anerkennendund sachlich kritisch zugleich miteinander umzuge-hen, einer Umgebung, in der Fehler und eigene Bil-dungswege erlaubt sind, wird – so ist zu erwarten –die Bereitschaft sich weiterzuqualifizieren nicht alsEingeständnis von Schwächen verstanden werden,sondern als eine bedeutsame personale Kompetenz. Die Leitung hat in diesem Zusammenhang eine be-sondere Rolle. Als wesentlicher Teil der Personalent-wicklung gehört die Verbesserung der Qualifikationender Mitarbeiterinnen und des Gesamtteams zu ihrenzentralen Aufgabenbereichen. Bezogen auf die Um-setzung des infans-Konzepts hält sie die inhaltlichenKernaussagen des Konzepts präsent und fungiertals »Gedächtnis des Teams«. Zugleich obliegt es ihrdie Mitarbeiterinnen mit Erwartungen an die Qualitätihrer Arbeit zu konfrontieren und in Gesprächen mitden einzelnen Fachkräften Unterstützungsbedarf und-möglichkeiten zu klären (siehe hierzu auch den Ex-kurs von Wasmuth »Zur Rolle der Leitung im Lichtmoderner Management-Konzepte« in dieser Handrei-chung)

Selbstverständlich wird die Qualifikation der päda-gogischen Fachkräfte in den Kindertagesstätten nichtnur durch die Teilnahme an Fortbildungen oder auchlängerfristigen Weiterbildungen unterstützt, auch

wenn sich dieser Abschnitt auf diesen Aspekt derQualifizierung konzentriert. Ebenso wichtig sindFachberatungen, Coaching oder Supervision für dieWeiterqualifikation der Mitarbeiterinnen und Teamsvon Kindertagesstätten oder Angebote von Transfer-instituten. Im Kapitel zu den äußeren Rahmenbedin-gungen wird darauf noch einmal Bezug genommenwerden.

Erreichtes prüfen – Qualitätsmessung undQualitätsentwicklung

Die Kernelemente des infans – Konzepts

Die im fünften Modul beschriebenen Rahmenbedin-gungen, die organisatorischen Voraussetzungen unddie Vernetzung im Gemeinwesen zielen ebenso wiedie in den vorangegangenen Modulen beschriebenenHandlungsschritte darauf ab, in Kindertageseinrich-tungen eine neue und dem Stand der gesellschaftli-chen Entwicklung angemessene Pädagogik der frü-hen Jahre zu gestalten. Dieser Kontext sollte alsoimmer im Auge behalten werden.

In diesem Zusammenhang ist es vielleicht eine derwichtigsten Herausforderungen, einerseits den Über-blick in der Handlungsvielfalt des Konzepts zu be-halten, andererseits die Voraussetzungen für eineÜberprüfbarkeit des Vorgehens zu schaffen, eineOrientierung, die es erlaubt, zu jeder Zeit festzustel-len, ob der aktuelle Weg noch übereinstimmt mitder Landkarte, auf der er beschrieben war. Für diesenZweck stehen am Beginn dieses Moduls eine Be-schreibung von Kernelementen des infans-Konzepts,die in Zukunft zu einem Instrument der (zunächstinternen) Evaluation ausgebaut werden sollen, undein Leitfaden zur Umstellung der pädagogischenArbeit auf das infans-Konzept.

Mit Hilfe der in den Kernelementen zusammenge-fassten Aussagen kann in einer Kindertageseinrich-tung in regelmäßigen Abständen überprüft werden,ob der einmal eingeschlagene Kurs noch stimmtund ob die besonderen Lösungen, die in jeder Ein-richtung für die verschiedenen Aufgaben gefundenwerden, mit dem Konzept vereinbar sind. Dabeigehen wir von vornherein davon aus, dass jede Kin-dertageseinrichtung sich das Konzept »anverwandeln«muss, also etwas Eigenes auf der Grundlage desKonzepts konstruieren muss, um den lebendigenGeist, der jeder Pädagogik zu Grunde liegen sollte,nicht in einem Käfig aus starren Regeln verelendenzu lassen. Die Kernelemente sollen insofern eher alsLeuchtfeuer dienen, an denen sich der Kurs einer

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Kindertagesstätte orientieren sollte, aber nicht alseine Sammlung von Rezepten, die abgearbeitet wer-den müsste.

Idealerweise stehen die Kernelemente des infans-Konzepts dabei nicht neben bereits vorhandenenQualitätsmanagementsystemen, die von Trägern undKindertagesstätten für die Qualitätssicherung und –entwicklung genutzt werden. Vielmehr sollten sie indie in den Qualitätshandbüchern formulierten Quali-tätsmerkmale integriert werden.

Fassen wir zusammen:Was sind die Kernelemente des infans – Konzepts?

1. In der Kindertageseinrichtung sind die BegriffeBildung, Erziehung und Betreuung dem infans-Konzept entsprechend klar definiert und alsGrundlage für die pädagogische Arbeit verfügbar.

2. Die pädagogische Arbeit in der Kindertagesein-richtung ist erkennbar am Wohlergehen jedeseinzelnen Kindes orientiert.

3. In der Kindertageseinrichtung sind Erziehungszie-le formuliert, begründet und für die pädagogischeArbeit als Handlungsziele konkretisiert worden.Dabei wurden die Ziele der Erzieherinnen, derEltern, des Trägers, des Gemeinwesens und derBildungs- und Erziehungspläne systematischberücksichtigt.

4. Die pädagogische Arbeit in der Kindertagesein-richtung ermöglicht und unterstützt die Bildungs-prozesse jedes einzelnen Kindes und fordert sieauf höchstmöglichem Niveau heraus.

5. Die pädagogische Arbeit orientiert sich inhaltlichan den Erziehungszielen der Kindertageseinrich-tung und geht dabei von den Themen und Inte-ressen der einzelnen Kinder aus, ohne sie zuinstrumentalisieren.

6. Von den pädagogischen Fachkräften werden inOrientierung an den Interessen und Themen jedesKindes auf die Erziehungsziele bezogene Zumu-tungen von Themen formuliert und an die Kinderin geeigneter Weise herangetragen.

7. Themen und Interessen jedes Kindes werdendeshalb in der täglichen Arbeit wahrgenommen,dokumentiert, interpretiert und als zentraler Teil des pädagogischen Handelns aufgegriffen. UmInteressen und Themen der Kinder erkennen zukönnen, werden mindestens die von infansangebotenen Beobachtungs-, Dokumentations-und Auswertungsverfahren benutzt.

8. Für jedes Kind existiert ein Portfolio, in dem dieInformationen zu seinen Bildungsprozessen kon-tinuierlich zusammengeführt werden. Dazu gehö-ren die Aufzeichnungen zu den Beobachtungen,

ihre Auswertung und fachlich kommentierte Fotosund Werke der Kinder. Das Portfolio dient auchals Grundlage für Elterngespräche und ist für dieEltern eines Kindes jederzeit einsehbar.

9. In regelmäßigen Abständen werden die im Port-folio eines Kindes zusammengeführten Unterla-gen aus einem größeren zusammenhängendenZeitraum zusammenfassend ausgewertet und fürdie Erstellung individueller Curricula genutzt.

10. Die pädagogische Arbeit in der Kita wird für ihreAußendarstellung vielfältig dokumentiert und fürEltern und Gemeinwesen transparent gemacht.

11. Der Gestaltung der Räume im weitesten Sinnwird eine erhebliche Bedeutung beigemessen,die durch eine an den Bildungsbereichen desinfans-Instruments und den Erziehungszielen derKita orientierte Strukturierung der Einrichtungkonkretisiert wird.

12. Das Team der Kita hat »etwas Eigenes« aus demfrühpädagogischen Konzept gemacht, hat es sichanverwandelt, ohne die Kernelemente des infans-Konzepts zu verwässern. Die fachlichen und per-sönlichen Ressourcen des Teams werden aus-schöpfend genutzt.

13. In der Kita ist ein verbindliches organisatorischesKonzept geschaffen worden, das über ein Res-sourcen- und Zeitmanagement die administrati-ven Voraussetzungen für die pädagogische Arbeitsichert.

14. Der Träger unterstützt die Arbeit der Kita unterAusschöpfung seiner Ressourcen.

15. Die Arbeit nach dem infans-Konzept wird – nachseiner Fertigstellung unter Verwendung der aktu-ellen Version des von infans angebotenen Eva-luationsinstruments – intern evaluiert und in einfachlich ausgewiesenes QE- und QS-System inte-griert.

Die Ist-Analyse

Am Beginn jeder Qualitätsentwicklung steht die Ein-schätzung der eigenen Arbeit (Tietze, Viernickel 2002).Auch ein Kita-Team, das seine Arbeit zukünftig aminfans-Konzept ausrichten will, sollte in einem erstenSchritt prüfen, von wo aus es startet. Während desErprobungsprojekts stand den Projektkindertages-einrichtungen dafür ein Instrument zur Analyse desräumlichen und materiellen Angebots der Kinderta-gesstätte zur Verfügung. Damit wurde zunächst derbesonderen Bedeutung Rechnung getragen, die dem»Raum als drittem Erzieher« analog zur Reggio-Päda-gogik auch im infans-Konzept zukommt. Es wird zu-künftigen Schritten überlassen bleiben, diese erstenFragen zur Einschätzung der Ausgangssituation um

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weitere zentrale Bereiche zu ergänzen. Das Instru-ment zur Ist-Analyse ist als Kopiervorlage imAnhang dieser Handreichung beigefügt.

Controlling in der Kindertagesstätte

Das Controlling3 bezieht sich auf die Visionen undZiele einer Einrichtung, es erwächst aus dengemeinsamen Aufgaben, die zum Beispiel im Leit-bild oder in den Erziehungszielen formuliert wurden.Das Controlling dient der Überprüfung, inwieweitdiese gesetzten Ziele tatsächlich erreicht wurdenund dabei können zugleich gegebenenfalls notwen-dige Alternativen in der täglichen Arbeit diskutiertwerden. Gemeinsam wird die Diskrepanz zwischenden Zielen und der tatsächlichem Arbeit betrachtetund darauf basierend sollten ggf. Veränderungenvollzogen werden. Es muss jeder Erzieherin klarwerden, warum neue Aufgaben und Tätigkeiten auf-grund der Ziele wichtiger sind und alte abgelöstwerden müssen. Dieser Prozess muss gemeinsamgetragen werden, Veränderungen können nur erfolg-reich verlaufen, wenn die Einsicht des möglichstgesamten Teams erreicht wird. Dabei sollte immerauf vorhandene Ressourcen der Mitarbeiterinnenund der Einrichtung geachtet werden, durch derenNutzung die aufgetretenen Probleme behoben wer-den können.

Methoden des Controllings helfen so bei der not-wendigen Neugestaltung der Einrichtung, es dientder Koordination und Strukturierung der täglichenAbläufe. Ziel des Controlling ist es letzten Endes,jeder Erzieherin zu helfen, ihre eigene Tätigkeitselbstständig reflektieren und notfalls auch verän-dern zu können. Controlling ist somit ein Prozess,der vom gesamten Team getragen werden muss.

Dies bedeutet, dass die Mitarbeiterinnen jederzeitZugang zur Leitungstätigkeit haben müssen. Die Lei-tung übernimmt Aufgaben für das Team und deshalbist es im Sinne der Einrichtung, wenn auch ihre Tä-tigkeit überprüft wird. Das gesamte Team achtet sodarauf, ob die Leitung ihre Aufgabe erfüllt und kannzusammen über gegebenenfalls notwendige Verän-derungen nachdenken.

Innerhalb des infans-Konzepts könnte zum Beispielgemeinsam überprüft werden, inwieweit die verein-barten Erziehungsziele tatsächlich umgesetzt oderob die Portfolios wie vereinbart geführt werden. Bei

auftretenden Problemen steht die Leitung beratendzur Seite, weist auf Missverständnisse hin und zeigtmögliche Verbesserungsvorschläge auf. In einemsolchen Prozess spielen die Erfahrungen der Erzie-herinnen eine wichtige Rolle und müssen besondereBerücksichtigung finden. Nur aufgrund ihrer prakti-schen Erfahrungen können Probleme erkannt undHandlungsalternativen entwickelt werden. Gemein-sam kann überlegt werden, welche Veränderungensinnvoll sind, damit zum Beispiel die Beobachtungder Bildungsprozesse der Kinder leichter gelingt.Auch hier gilt: Wie eine solche Unterstützung undHilfe gestaltet wird, hängt von der Situation der je-weiligen Einrichtung ab, gemeinsam und vor Ortmüssen Mittel und Methoden eines Controllings ver-einbart werden. Siehe hierzu auch das Controlling-Beispiel zu Beobachtung und Reflexion aus einerBadischen Kerneinrichtung von Michael Wagner (imAnschluss an das folgende Kapitel).

Erste Erfahrungen mit Controlling-Modellen währendder Erprobung des infans-Konzepts

In allen Kindertageseinrichtungen des Projektver-bundes stellte sich nach den ersten Monaten desEinübens in die Handhabung der einzelnen Beob-achtungsinstrumente die Frage, wie die kontinuierli-che Beobachtung aller Kinder und der regelmäßigefachliche Diskurs im Team zu den Bildungsthemender Kinder sicher gestellt werden kann.

In einem ersten Schritt wurden in vielen Einrichtun-gen Monatslisten entwickelt und in den Gruppen-oder Funktionsräumen aufgehängt mit den Namender Kinder der jeweiligen Gruppe. Auf diesen Listenwurde markiert, wann welche Kinder mit demInstrument »Themen des Kindes« beobachtet wur-den. So konnte sich jede Erzieherin jederzeit einenÜberblick über ihre Beobachtungen verschaffen. EinBlick genügte, um zu erkennen, wenn ein Kind übereinen Monat nicht ein einziges Mal beobachtet wor-den war und es konnte geklärt werden, was dieGründe dafür waren.

Modul 5 – Ressourcen nutzen und entwickeln

123 Methoden und Mittel des Controlling finden sich in Stübinger/Apfelbacher/Reiners-Kröncke 2000, S. 109-130; Schmitz/Lamberti 2000

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In einigen Häusern waren – wie im obigen Beispiel– diese Listen zugleich als Beobachtungspläne aus-gearbeitet, d.h. es wurde im Vorfeld festgelegt, wel-ches Kind an welchem Tag beobachtet werden soll-te. Am jeweiligen Tag gab es dann eine Markierungin der Tabelle. War die Beobachtung durchgeführt,wurde das entsprechende Kästchen farbig ausgefüllt.Auch hier war für die einzelnen Erzieherinnen einÜberblick jederzeit möglich. Wie solche Übersichts-pläne als Grundlage für ein Controllingsystem derGesamteinrichtung genutzt werden können zeigt dasBeispiel aus der Kindertagesstätte Rieselfeld in die-sem Kapitel.

Neben diesen Plänen wurden Controllingblätter fürdie Portfolios entwickelt, auf denen die einzelnenInstrumente aufgeführt waren ggf. mit den jeweiligenAngaben, wann (so beim Bogen »Grenzsteine derEntwicklung«) oder wie häufig im Jahr (Bogen zu denBildungsbereichen und Zugangsformen) es ausge-

füllt werden soll. Auch solche Übersichtsblätter er-leichtern den jeweiligen Erzieherinnen die Kontrolleüber ihre Beobachtungen und Dokumentationen zuden einzelnen Kindern.

Kontinuität entsteht durch Transparenz –das Controllingsystem der KindertagestätteRieselfeld

Ein Beispiel aus der Praxis von Michael WagnerDas Ziel des Controllingsystems ist es, eine laufen-de Übersicht über die Zahl der Beobachtungen mitdem Instrument »Bildungsthemen der Kinder« zuerhalten, das im Rahmen des infans-Konzepts täg-lich eingesetzt wird. Das System hilft zugleichdabei, die Kinder der jeweils zuständigen Erzieherinzuzuordnen und die Aufgabe des Beobachtens alseinen Arbeitsvorgang mit hoher Verbindlichkeit dar-zustellen.

Modul 5 – Ressourcen nutzen und entwickeln

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Kind 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. Grund, falls Beo. nicht stattfand

Sandra X

Lisa X

Luis X Luis nicht in der Kita

Memet X

Kevin X

Sarah X

Paul X Erzieherin krank

Charlos X Erzieherin krank

Laya X

Jale X

Kind 16. 17. 18. 19. 20 21. 22 23 24 25 26 27 28 29

Sandra X

Lisa X

Luis X

Memet X

Kevin X Kindergeburtstag

Sarah X

Paul X

Charlos X

Laya X

Jale X

BeispielFebruar 2004/Erzieherin: Monat

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Basis des Systems sind zwei Formulare, die von denErzieherinnen zeitnah ausgefüllt und gesammeltwerden. Sie sind der Leitung und den Teammitglie-dern jederzeit zugänglich.

Mit dem »Kontrollbogen« (Seite 23 im Fach »Instru-mente) wird die Kontinuität der Beobachtung mitdem zentralen Beobachtungsinstrument »Bildungs-themen der Kinder« für das einzelne Kind innerhalbder Zeitspanne eines Monats festgehalten. Für denlaufenden Monat wird auf dem Formular ein Soll-wert vorgegeben, der der Zahl der Arbeitstage in demjeweiligen Monat abzüglich besonderer Anlässe wieFeste etc. entspricht. Der Arbeitsauftrag für die Er-zieherinnen lautet, an jedem dieser Tage jeweils einKind zu beobachten. Teilzeitkräfte erhalten eine ihrerjeweiligen Arbeitszeit angepasste Sollzahl.

Die Erzieherin trägt ihren Namen und den der Stamm-gruppe auf diesem Kontrollbogen ein. Die Kinder,für die die Erzieherin zuständig ist und die es zubeobachten gilt, werden in der Spalte »Namen« ein-getragen. Der so entstandenen Reihenfolge entspre-chend wird täglich ein Kind beobachtet. Sollte dasKind an dem für ihn bestimmten Tag nicht anwesendsein, wird dies in der Spalte »Bemerkungen« notiertund das in der folgenden Zeile aufgeführte Kind be-obachtet. Dementsprechend variiert die Reihenfolge,in der die Erzieherin die Kinder beobachtet. Fehltdie Erzieherin selbst zum Beispiel wegen Urlaub,Krankheit oder Fortbildung, wird dies ebenfalls miteinem entsprechenden Eintrag in dieser Spalte ver-merkt. Durch die Addition der Tage, an denen beob-achtet wurde, ergibt sich im Feld »Summe« dieSumme der Beobachtungen, die möglichst wenigvom Sollwert abweichen sollte.

Bildungsgeschichten für die externe Dokumentation,die mit Text und Fotos ein Bildungsthema eines Kin-des dokumentieren, werden mit einem »F« (fürFotodokumentation) unter der Rubrik »Bildungsthe-men der Kinder« festgehalten.

Ist das letzte Kind der Liste beobachtet, beginntman wieder mit dem ersten Kind der Reihe. Da einKind meistens mehrfach pro Monat beobachtetwird, gibt es unter den jeweiligen Rubriken auchmehrere Kästchen, die angekreuzt werden können. Des Weiteren wird in der Spalte »individuelle Refle-xion« festgehalten, ob die Erzieherin über die jewei-lige Beobachtung bereits erste eigene fachlicheÜberlegungen angestellt hat. Damit diese Reflexio-nen später in dem Formular »Auswertung« gezähltwerden können, ist auch diese Zeile in fünf Käst-chen unterteilt.

In der Spalte »Fachliche Reflexion mit Kolleginnen«wird vermerkt, wie häufig der fachliche Austauschmit Kolleginnen durchgeführt wurde. Der Termin fürdiese Zusammenkunft der Kolleginnen sollte imDienstplan festgelegt sein. Wird durch die Auswer-tung des jeweiligen Monats erkennbar, dass für einKind keine Reflexion stattgefunden hat oder dies inzu geringem Umfang geschehen ist, sollte das Port-folio dieses Kindes bevorzugt berücksichtigt werden.Gegenstand des fachlichen Austausches sind dieletzten zwei bis drei Beobachtungen. Die Themen,die sich aus den Reflexionen ergebenen haben, wer-den in der mittleren Spalte dokumentiert.

Am Ende des Monats werden die Daten des Kon-trollbogens in den Auswertungsbogen übernommen.

Der Auswertungsbogen (Seite 24 im Fach »Instrumen-te), basiert auf einer Tabelle des Excel-Programmsund ermöglicht einen quantitativen Gesamtüberblickder Beobachtungen. Eine statistische Auswertungermöglicht Vergleiche zwischen Beobachterinnen undverhindert, dass einzelne Kinder übersehen werden.Das wesentliche Ziel des Controllingsystems unsererEinrichtung ist der Nachweis, dass alle Kinder regel-mäßig beobachtet werden und das daran anschlie-ßend über die sich ergebenden Bildungsthemen derKinder reflektiert wird.

Um möglichst kein Kind zu vergessen, bedarf eseines Gesamtüberblicks und einer statistischen Aus-wertung. Die Entscheidung, die Beobachtungen zueinem bestimmten Kind im Team zu besprechen,kann aus den unterschiedlichsten Gründen erfolgen.Es ist jedoch wichtig und im Sinne einer Pädagogik,die eines ihrer zentralen Ziele im Aufspüren indivi-dueller Bildungsthemen sieht, eine gleichmäßigeVerteilung der Beobachtungsvorgänge und der Re-flexionen auf alle Kinder zu gewährleisten. Da jedesKind über den gesamten Zeitraum, die es unsereEinrichtung besucht, immer wieder beobachtet wird,werden auch alle Daten über den gesamten Zeitraumhin gesammelt und verarbeitet. Insbesondere dieSummen der Beobachtungen und Reflexionen wer-den über die gesamte Zeit hin erhalten.

Durchschnittswerte geben Aufschluss über die po-tenziellen Möglichkeiten der einzelnen Erzieherinnen,die Beobachtungen im vorgegebenen Rahmen durch-zuführen und zu reflektieren. Die jeweiligen, demeinzelnen Kind zugeordneten Werte zeigen, wie sichdieses Potenzial der Erzieherinnen auf die einzelnenKinder verteilt hat. Nach der Analyse der Auswer-tungsbögen ist es möglich, hier steuernd einzugrei-fen und so jedem einzelnen Kind gerecht zu werden.

Modul 5 – Ressourcen nutzen und entwickeln

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Page 109: Elementare Bildung

1. Schritt: Daten aus dem Kontrollbogen in den Aus-wertungsbogen vorbereiten und übertragenIn unserer Einrichtung ist eine Person damit beauf-tragt, für alle Beobachterinnen am Anfang eines je-den Monats die Daten aus den Kontrollbögen in dieAuswertungsbögen zu übertragen und zu bearbeiten.Für dieses Vorgehen haben wir uns aus arbeitszeit-technischen Überlegungen entschlossen. Nach eini-ger Zeit stellt sich eine gewisse Routine in der Sa-che ein und die Bearbeitung wird effizienter.

Die Felder und Spalten des Auswertungsbogens sindfarblich gestaltet, um die Handhabung zu vereinfa-chen. In die weißen Felder werden die Daten ausdem Kontrollbogen eingetragen. Alle hellgrauen Fel-der berechnet der Computer (sofern der Bogen alsExcel-Datei vorliegt und verwendet wird).

Im Feld »Auswertung von«: wird der Name der Beob-achterin eingetragen. Jede Beobachterin erhält eineneigenen Auswertungsbogen. Es liegt in ihrer Verant-wortung, die vereinbarten Beobachtungen durchzu-führen.

Jeden »Monat«: ändert sich auch die Anzahl der»Arbeitstage«, die – abzgl. der o. g. Korrekturen –mit dem Sollwert vom Kontrollbogen identisch ist.

Die Anzahl der Kinder wird im Feld »Anzahl der Kin-der« eingetragen. Dieser Wert ist für die spätereBerechnung wesentlich. Die Anzahl der zu beobach-tenden Kinder sollte für alle Beobachterinnen mög-lichst gleich sein. Bei Teilzeitkräften wird die Anzahlden zeitlichen Möglichkeiten angepasst. Die Namen der Kinder werden in der Spalte »Namedes Kindes« aus der Liste des Kontrollbogen über-nommen.

Bevor nun die Zahlen in der weißen Spalte »Beob-achtungssituationen« für jedes einzelne Kind einge-geben werden, müssen die vorhandenen Zahlen derletzten Auswertung gelöscht werden, indem man injedes Feld eine Null einträgt.

Das gleiche gilt für die weiße Spalte »Reflexion mitKolleginnen«. Auch diese Felder werden erst einmalauf Null gesetzt.

Nun beginnt der Übertrag der gezählten Beobach-tungen (»Bildungsthema des Kindes«) für jedesKind aus dem Kontrollbogen in die Felder der wei-ßen Spalte »Beobachtungssituationen«.

Danach wird für jedes Kind die Summe aus denSpalten »Fachliche Reflexion mit Kolleginnen« und

»individuelle Reflexion« aus dem Kontrollbogen indie weißen Felder der Spalte »Reflexion mit Kollegin-nen + individuell« im Auswertungsbogen übertragen.

2. Schritt: Summen für die Beobachtungen undReflexionen berechnenDie dunkelgrauen Felder der Spalte »Summe derBeobachtungen« werden nun bearbeitet, indem dievorhandene Zahl des dunkelgrauen Feldes mit derlinks von ihr stehenden Zahl (weißes Feld) derBeobachtungssituationen im Kopf addiert wird.

Erfahrungsgemäß handelt es sich bei den Beobach-tungssituationen um recht kleine Zahlen. Diese sindsomit ohne großes Fehlerrisiko leicht zu addieren.

Genauso wird es mit den dunkelgrauen Feldern derSpalte »Summe der Reflexionen« gemacht. Hiermüssen die Zahlen aus den links stehenden, wei-ßen Feldern der Spalte »Reflexion mit Kolleginnen«,mit der vorhandenen »Summe der Reflexionen«addiert werden.

3. Schritt: Handlungsempfehlung durch denComputer ermittelnDer Computer ermittelt aus der jeweiligen »Summeder Reflexion« einen Durchschnittswert der, vergli-chen mit der Summe der Reflexionen für das einzel-ne Kind, zwei alternative Handlungsempfehlungenaufzeigt. Je nach Differenz zur »durchschnittlichenAnzahl der Reflexionen pro Kind«, erscheint unterdem Feld »Handlungsempfehlung« der Hinweis »The-men« oder »Reflexion«.

Der Hinweis »Themen« soll daran erinnern, dass dieAnzahl der Reflexionen über dem Durchschnittswertliegt und ein Thema gefunden sein sollte.

Der Hinweis »Reflexion« bedeutet, dass die Anzahlder Reflexionen unterdurchschnittlich ist. Die Hand-lungsempfehlung »Themen« bzw. »Reflexion« istdemnach kein fester Wert, sondern ergibt sich ausder Relation von »Summe der Reflexion« und»durchschnittliche Anzahl der Reflexion pro Kind«.Der Erzieherin ermöglicht diese Information u. a.einen Überblick darüber, ob sie, gemessen an ihrerinvestierten Zeit für Reflexionen, ein Kind unter-durchschnittlich berücksichtigt hat. Das Portfoliodieses Kindes sollte entsprechend, wie bereits er-wähnt, bei den folgenden Reflexionen vorrangigberücksichtigt werden.

Nach dem monatlichen Ausdruck des Auswertungs-bogens soll in das weiße Feld (»Themen«) derHandlungsempfehlung die »Bildungsthemen« des

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Kindes eingetragen werden. Die Handlungsempfeh-lung »Reflexion« erfordert keinen Eintrag.

4. Schritt: Gesamtüberblick durch die laufende Aus-wertung verschaffenDer hellgraue Teil des Auswertungsbogens enthältdie laufende, sich monatlich ändernde Auswertungund wird vom Computer errechnet.

Das oben liegende Feld »Summe der Beobachtungen«zeigt die absolute Zahl der im vorliegenden Monatgemachten Beobachtungen. Diese sollte nicht vonder Sollzahl (Arbeitstage) abweichen. Die Zahlen derFelder im unteren Bereich des Formulars ergeben dielaufende Auswertung.

Der Wert »durchschnittliche Beobachtung pro Tag«sollte 1,0 betragen.

Alle Werte unter 1,0 bedeuten, dass nicht an jedenTag, an dem das möglich gewesen wäre, beobachtetwurde.

Die »durchschnittliche Anzahl der Reflexionen proKind« ist ein Wert, der darüber Aufschluss gibt, wieoft ein Kind im Durchschnitt Gegenstand einer Re-flexion war. Dieser Wert wird mit den tatsächlichausgeführten Reflexionen eines jeden Kindes aufder Liste verglichen und in der Spalte Handlungs-empfehlung vom Computer weiterverarbeitet (s.o.).

Die Zahl »Anzahl der Reflexionen im Monat« summiertdie Reflexionen der Beobachterin. Ein Ansteigen dermonatlichen Werte könnte ein Hinweis darauf sein,das sich der Blick für Bildungsthemen geschärft hat.Auch ließe sich eine wachsende Zahl so interpretie-ren, dass die Reflexion mit Kolleginnen mittlerweileroutinierter abläuft. »Anzahl der Reflexionen Gesamt«zeigt, wie viele Reflexionen die Erzieherin seit Be-ginn der täglichen Beobachtungen durchgeführt hat,denn die Werte werden jeden Monat aufsummiert.

Äußere Rahmenbedingungen

Stolpersteine und Bedingungen des Gelingens

Wenngleich in der Welt der Pädagogik die gebündel-ten Anstrengungen und fachlichen Kompetenzeneines hoch motivierten Teams Berge versetzen kön-nen, muss zugegeben werden, dass die äußeren Rah-menbedingungen ihres Handelns den Erfolg mehroder weniger wahrscheinlich machen. Alle Merkmalespielen hier eine Rolle, die im Zusammenhang mitder Strukturqualität von Kindertageseinrichtungen in

der Literatur genannt werden (vgl. dazu u. a. Tietzeet al 1998). An dieser Stelle sollen auf der Grundla-ge der Erfahrungen aus der Praxiserprobung desinfans-Konzepts auf eine Reihe von Bedingungenhingewiesen werden, die sich in diesem Zusammen-hang als besonders auffällig erwiesen haben.

Dazu gehören u.a. der Personalschlüssel, das Vor-handensein einer angemessenen Verfügungszeit unddas Ausmaß der Personalfluktuation. Aber auch dieGröße der Einrichtung, die Zahl der Teilzeitkräfteoder das Raumangebot können die Arbeit mit deminfans-Konzept erleichtern oder erschweren. In (fast)allen diesen Punkten kann der Träger der EinrichtungEinfluss auf die Bedingungen nehmen, so dass ihmin dieser Beziehung eine zentrale Rolle zufällt. DieFrage, ob und wie weitgehend der Träger die Arbeitder pädagogischen Fachkräfte unterstützt, gewinntdamit eine entscheidende Bedeutung.

Im Folgenden soll auf einige der Bedingungen ge-nauer eingegangen werden, wobei kein Anspruchauf Vollständigkeit erhoben wird. Dabei soll inknapper Form eine Gesprächsgrundlage angebotenwerden, die ggf. für ein Aushandeln von möglichenVeränderungen in den Bedingungen zwischen Trägerund Kindertageseinrichtung hilfreich sein kann.

Freistellung der Leitung

Sehr deutlich zeichnet sich ab, dass der Leitung beider Umsetzung des infans-Konzepts in einer Kinder-tagesstätte eine Schlüsselfunktion zukommt. In derKonzept-Erprobung ließen sich deutliche Zusammen-hänge erkennen zwischen dem Stundenanteil, dereiner Leitung für die Planung, die Begleitung, dasControlling des Prozesses und die Personalentwick-lung zur Verfügung steht und der Qualität des Pro-zessverlaufs in der jeweiligen Kindertagesstätte. Lei-tungspersonen benötigen neben ihrer organisatori-schen Tätigkeit einen erheblichen Zeitanteil für dieUnterstützung eines veränderten pädagogischenHandelns in ihrer Kindertageseinrichtung. Um dieserzentralen Aufgabe gerecht werden zu können, müs-sen sie freigestellt werden vom Gruppendienst undvon unmittelbaren Aufgaben der Erziehung und Be-treuung in der Kindergruppe (siehe auch den Beitragvon Helge Wasmuth »Zur Rolle der Leitung im Lichtmoderner Management-Konzepte« in dieser Handrei-chung).

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Der Erzieherin-Kind-Schlüssel in Ganztagsbetreuungund Einrichtungen mit veränderter Öffnungszeit (VÖ)

Hohe Anforderungen stellt das Konzept an das Zeit-management der einzelnen Erzieherinnen und desgesamten Teams. Grundsätzlich bietet hier die Vor-und Nachbereitungszeit, die Erzieherinnen in Baden-Württemberg für die neu hinzugekommenen Arbeitennutzen können, eine günstige Voraussetzung. ImVergleich zwischen den verschiedenen Betriebsformenzeigen sich jedoch deutliche Unterschiede.

Wenn auch nicht ohne Anstrengung, so gelingt es inden Kitas mit Ganztagsbetreuung doch deutlich bes-ser als in den Einrichtungen mit veränderter Öff-nungszeit die Zeit für die systematischen Beobach-tungen, das Führen der Portfolios und den regelmä-ßigen fachlichen Diskurs im Team zu finden. Dieserklärt sich unmittelbar aus dem unterschiedlichenPersonalschlüssel in den beiden Betriebsformen, derzur Folge hat, dass eine Erzieherin mit Vollzeitbe-schäftigung in Ganztagseinrichtungen in der Regelfür ca. 8 Portfolios zuständig ist. In VÖ-Einrichtungenerhöht sich die Anzahl der Portfolios für eine Voll-zeitkraft auf 13 und mehr. Da mit der Anzahl vonPortfolios auch der Umfang der Elterngespräche undder Foto-Dokumentationen steigt, zeichnet sich ab,dass Erzieherinnen und Teams nicht nur bezogenauf die Quantität der Beobachtungen und Auswer-tungen an ihre Grenzen stoßen.

Personalfluktuation

In einigen der Projektkindertagesstätten führte diePersonalfluktuation zu Integrationsproblemen für dieneuen Mitarbeiterinnen, da inzwischen der Kenntnis-stand und die daraus resultierenden professionellenKompetenzen der Kolleginnen, die von Beginn desProjektes an einbezogen waren, einen Stand erreichthatten, der nicht in kurzer Zeit einzuholen war. Auchwenn Fortbildungsveranstaltungen für neue Mitarbei-terinnen der Kindertagesstätten angeboten werden,lassen sich damit die daraus folgenden Verzögerun-gen in der Weiterentwicklung und Implementierungdes Konzepts nicht völlig verhindern. Hier liegt eingrundsätzliches Problem für jede weitreichende underfolgreiche Qualifizierung des pädagogischen Per-sonals, wenn die Aus- und Weiterbildungsinstitutio-nen nicht auf gleichem Niveau mitziehen. Hier müs-sen zumindest für eine Übergangszeit Wege gefun-den werden, diese Irritationen durch intelligenteNutzung vorhandener Ressourcen zu minimieren.

Ein hoffnungsvoller Aspekt in diesem Zusammen-hang wurde aus den in Böblingen arbeitenden Pro-

jekteinrichtungen berichtet, wo der Personalwechselebenso wie der Krankenstand seit Projektbeginnzurückgegangen sind. Ursächlich dafür könnte dieengere Kommunikation des Teams sein, die durchdie Arbeit mit der neuen pädagogischen Methodikerforderlich wird. Derselbe Grund kann jedoch zu-nächst auch dazu führen, dass bislang durch diegeringeren Anforderungen verdeckte Kommunikati-onsprobleme in den Teams aufbrechen und zu Hei-lungsversuchen durch Weggang einiger Mitarbeite-rinnen in andere Einrichtungen und im Gegenzugdurch die Einstellung neuer, besser zum Team pas-sender Mitarbeiterinnen behoben werden.

Teilzeitkräfte

Kindertagesstätten sind ein typisches Frauenarbeits-feld. Das führt nicht nur zu einer relativ hohen Fluk-tuation aufgrund der Entscheidung vieler Frauen,nach der Geburt ihrer Kinder eine längere Familien-phase einzulegen, sondern auch zu einem hohenBedarf der Mütter an Teilzeitarbeitsplätzen. Am Bei-spiel der Erprobung des infans-Konzepts zeigt sichnun, dass es zu erheblichen Problemen in einemTeam führen kann, die Kriterien einer guten pädago-gischen Arbeit zu erfüllen, wie zum Beispiel den re-gelmäßigen fachlichen Diskurs im Gesamtteam zugewährleisten, wenn die Mehrzahl der Mitarbeiterin-nen halbtags arbeitet.

Im Rahmen des Erprobungsprojekts war zu beob-achten, dass die unter sozialen Gesichtspunktensinnvolle Erhöhung der Zahl der Teilzeitstellen inmöglichst vielen Berufs- und Tätigkeitsfeldern auchim Bereich der Frühpädagogik in dem Maße zumProblem werden kann, wie sich die Qualität derArbeitsanforderungen anderen hoch qualifiziertenArbeitsfeldern annähert. Insbesondere die notwendi-ge Kommunikation im Team führt zu überproportio-nalen Zeitanteilen, wenn die Mitarbeiterinnen insge-samt nur halbtags arbeiten oder gar noch geringereWochenarbeitszeiten vorliegen. Auch der Zusammen-hang der Bildungsprozesse der Kinder kann nurschwer im Blick behalten werden, wenn Erzieherin-nen lediglich den halben Tag zur Verfügung haben.Das geht in der Regel besser, wenn die Einrichtungselbst nur halbtägig geöffnet ist, in Ganztagseinrich-tungen können halbtags tätige Erzieherinnen denerhöhten Anforderungen an die Qualität ihrer Arbeitaber nur schwer gerecht werden.

Sind Erzieherinnen gar nur an einem Tag oder anzwei Tagen in der Kindertagsstätte, ist es nichtmöglich, sie in die systematische Beobachtung und

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Dokumentation von Bildungsprozessen einzelnerKinder einzubinden. Auch die Mitarbeiterinnen selbstberichten, dass ihnen »etwas fehlt«, wenn sie nachdrei Tagen und einem Wochenende wieder in dieKindergruppe kommen: Sie haben den Anschlussverloren. Wir empfehlen deshalb, diese Fachkräfteeher für besondere Aktivitäten und Angebote einzu-setzen. Selbstverständlich können sie dennoch etwaszu den Portfolio-Dokumentationen beitragen, indemsie ihre Beobachtungen notieren und den verant-wortlichen Kolleginnen zu Verfügung stellen. Es istjedoch leicht zu erkennen, dass auch ein größeresTeam nur eine geringe Zahl solcher Stellen sinnvollintegrieren kann.

Im Rahmen des Erprobungsprojekts konnten keinewirklich zufrieden stellenden Lösungen für die bei-den konkurrierenden und in gleicher Weise wichti-gen Perspektiven auf die Teilzeitarbeit gefundenwerden.

Unterstützung durch den Träger

Eine unabdingbare Voraussetzung für die gelingen-de Umsetzung des infans-Konzepts in einer Kinder-tageseinrichtung ist das Einverständnis des Trägersund die Übereinstimmung seiner Ziele mit den Bil-dungs- und Erziehungsvorstellungen des Konzepts.Am Träger vorbei kann kein Kita-Team mit dem indieser Handreichung vorgestellten Konzept erfolg-reich arbeiten. Umgekehrt zeigt die Erfahrung ausder Erprobungsphase des Konzepts, dass es denKindertagesstätten insbesondere in schwierigen Phaseder Aneignung neuen Wissens und der Umstruktu-rierung hilft, wenn der Träger der frühen Bildungeinen hohen Stellenwert beimißt, interessiert an derWeiterentwicklung seiner Kindertageseinrichtungenund vom Bildungs- und Erziehungsverständnis desinfans-Konzepts überzeugt ist. Allen interessiertenFachkräften und Teams ist also dringend anzuraten,die grundsätzliche Kompatibilität der Träger-Leitzielemit dem infans-Konzept abzuklären.

Neben dieser grundsätzlichen Voraussetzung hat dieHaltung, die ein Träger seinen Mitarbeiterinnen undMitarbeitern entgegen bringt, eine nicht unwesent-liche Auswirkung auf den Einsatz den Leitung undMitarbeiterinnen. Weiß ein Träger das Engagementseiner Fachkräfte zu schätzen, bringt er ihnen Ver-trauen und Anerkennung entgegen, so gehen damitmeist erweiterte Handlungsspielräume der pädago-gischen Fachkräfte einher und können Lösungengefunden werden, die in einem strikten Top-Down-System nur schwer oder gar nicht möglich sind. Als

Beispiel seien hier flexible Arbeitszeitmodelle ge-nannt und die Verwaltung eines Teils des Budgetsdurch die Einrichtung selbst.

Selbstverständlich sind es nicht nur solche ideellenund kostenneutralen Formen der Unterstützung, mitdenen Träger die Bildungs- und Erziehungsqualitätin ihren Kindertageseinrichtungen befördern könnenund sollten. Auch wenn maßgeblich die pädagogi-schen Fachkräfte in den Kindertagesstätten für dieQualität der Pädagogik stehen, so zeigen die Erfah-rungen aus der Erprobungsphase doch deutlich, dassdie Bereitstellung von Ressourcen durch den Trägerdie Weiterentwicklung wesentlich unterstützt.

Wie das Projekt zur »Trägerqualität« im Rahmen der»Nationalen Qualitätsinitiative im System der Tages-einrichtungen für Kinder« aufzeigt, ist die Qualitäteines Trägers u.a. daran zu messen, welche Unter-stützung er für seine Kindertagesstätten in den Auf-gabendimensionen Konzeptionsentwicklung, Perso-nalmanagement, Vernetzung und Kooperation undder Bau- und Sachausstattung bereit stellt (Fthena-kis, Hanssen, Oberhuemer, Schreyer 2003). In denProjekten zur Erprobung des infans-Konzepts inBaden-Württemberg und Brandenburg zeigte sich,dass schon die Entscheidung des Trägers für odergegen vergleichsweise geringe Investitionen die Im-plementierung des Konzepts in einer Kindertages-stätte befördern oder stark behindern kann. Wenndas Team einer Kindertagesstätte sich beispielswei-se – wie in Einzelfällen berichtet – darum sorgenmuss, ob eine ausreichende Anzahl von Beobach-tungsinstrumenten kopiert oder gedruckt werdenkann, also schon für das grundlegend notwendigeMaterial zu wenig Mittel zu Verfügung gestellt wer-den, hat das Auswirkungen auf den Prozess derUmsetzung des neuen Konzepts.

Neben den Formblättern zur Beobachtung bedarf eseiner, den neuen fachlichen Aufgaben einer Erziehe-rin angemessenen, technischen Ausstattung der Kin-dertagesstätte. Dazu gehören mindestens je einedigitale Foto- und Videokamera, ein nicht nur fürdie Leitung zugänglicher PC; besser wäre ein zu-sätzlicher zweiter Computer, der ausschließlich denMitarbeiterinnen zum Beispiel für die Dokumentatio-nen zur Verfügung steht und ein Internetanschlusszur fachlichen Kommunikation und Vernetzung imGemeinwesen und darüber hinaus.

Ebenso sollten Träger Ressourcen für die Beschaf-fung von relevanter Fachliteratur und Fachzeitschrif-ten zur Verfügung stellen, die es den Teams ermög-lichen, den Bildungs- und Erziehungsauftrag auf

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hohem Niveau umzusetzen. Für die Qualifizierungder Mitarbeiterinnen und im Kontext der Reflexionder Beobachtungen und der Entwicklung von »Indi-viduellen Curricula« ist der Zugriff auf eine gut aus-gestattete Fachbibliothek unabdingbar notwendig.

Im Bereich der Bau- und Sachausstattung wurde imProjektverlauf ein Mangel sehr deutlich. In nur weni-gen Häusern stehen Personalräume zur Verfügungund nicht selten bieten die vorhandenen Räumenicht ausreichend Platz für das gesamte Team. Somuss häufig der fachliche Diskurs nach Schließungder Kita in den Gruppenräumen stattfinden. Wennnicht zumindest ein kleiner Arbeitsraum für die Er-zieherinnen zur Verfügung steht, erschwert dies auchdie Arbeit der Fachkräfte an den Portfolios oder anden Fotodokumentationen und eine flexible Nutzungzeitlicher Freiräume – wie an anderen Stellen dieserHandreichung beschrieben – ist kaum möglich.

Braucht es doch manchmal Platz und Ruhe, die um-fangreichen Aufzeichnungen Notizen, Materialienund Fotos zu sichten, zu ordnen, um zum Beispieleine Auswahl für eine Foto-Dokumentation oder dieBeschreibung einer längeren Bildungsgeschichte zutreffen. Mit den veränderten Aufgaben von Erziehe-rinnen gehen also neue Anforderungen an die bauli-che Konzeption von Kindertagesstätten einher. Wer-den Häuser neu geplant, sollten dieser Bedarfe derFachkräfte mitbedacht werden. In bereits bestehen-den Häusern wäre es wünschenswert, bei längerfris-tig geringerer Kinderzahl oder Umstrukturierung derKindertagesstätte ggf. frei werdende Räume für die-sen Zweck zur Verfügung zu stellen.

Eine besondere Verantwortung hat der Träger für dieQualifizierung seiner Mitarbeiter, es gehört zu seinenAufgaben, Fortbildungs- und Beratungsressourcen fürdie Erzieherinnen zur Verfügung zu stellen. WollenKita-Teams das infans-Konzepts auf hohem fachlichenNiveau umsetzen, sind Qualifikationen im Bereichdes Qualitätsmanagements und der Organisations-entwicklung ebenso gefragt wie fachspezifischeKenntnisse, zum Beispiel zum Spracherwerbs vonKindern oder dem mathematisch-naturwissenschaft-lichen Denkens, der Bewegungskultur oder der mu-sikalischen Welt.

Dass der fachlichen Weiterentwicklung dabei nichtnur externe Fortbildungsangebote dienen, zeigt dieErfahrung aus dem Erprobungsprojekt sehr deutlich.Hatten Teams die Möglichkeit, nicht nur einzelneErzieherinnen an Fortbildungen teilnehmen zu las-sen, sondern darüber hinaus jährliche Inhouse-Fort-bildungen oder Konzepttage, orientiert am aktuellen

fachlichen Bedarf, zu gestalten, so wurde dies vonden am Erprobungsprojekt teilnehmenden Teams alsgewinnbringend und weiterführend erlebt. Fehlensolche Möglichkeiten und bleiben für die fachlicheVerständigung ausschließlich abendliche Stundennach der Schließung der Einrichtung, haben es Kita-Teams weitaus schwerer bestimmte Handlungsschrit-te des Konzepts, wie zum Beispiel die Formulierungund Reflexion von Erziehungszielen, zu realisieren.

Neben der Fortbildung kommt der Beratung und Su-pervision als unterstützende Maßnahme eine beson-dere Bedeutung zu. Wenn sich eine Kindertagesein-richtung auf neue Wege begibt, sich großen Heraus-forderungen stellt und die Kraft des gesamten Teamsfür das Gelingen des Vorhabens benötigt, könnenzum Beispiel Kontroversen im Team auftreten oderunbearbeitete Konflikte den Erfolg stark behindern.Wenn auch Beratung und Supervision nicht nur aufsolche Fälle beschränkt sein sollten, so sind sie indiesem Zusammenhang doch häufig dringend not-wendig, um die Basis für die eigentliche inhaltlicheArbeit zu schaffen. Die Trägerqualität wird sich alsounmittelbar auch daran messen lassen, ob er solcheUnterstützung zur Verfügung stellt oder ermöglicht.

Vernetzung der Kindertagesstätte und Kooperationim Gemeinwesen

Verknüpfung der Arbeit nach außenKindertageseinrichtungen sind – wie jeder weiß –keine Inseln im Ozean der Glückseligkeit, sonderndurch vielfältige Beziehungen mit der Welt des wirk-lichen Lebens verbunden. Über das unvermeidlicheMaß an Einbindung in das regionale Umfeld, dassallein durch bloße Existenz einer Kindertageseinrich-tung gegeben ist, sollten diese Beziehungen jedochaktiv ausgebaut, erweitert und in die Arbeit integriertsein. Einen Teil dieser Bezüge hat die Einrichtungselbst in der Hand, ein anderer Teil bedarf der Mit-wirkung des Trägers oder externer Unterstützungs-systeme.

Die Einrichtungen selbst können und müssen fürdie Einbindung der Eltern der Kinder in die Aktivitä-ten der Einrichtung Sorge tragen. Das infans-Kon-zept enthält für diese Aufgabe zwei grundsätzlicheVorgehensweisen. Dazu gehört als erster Schritt dieEinbeziehung der Eltern in die Formulierung derErziehungsziele, die für die pädagogische Arbeit derKindertagesstätte verbindlich sind. Die Beteiligungder Eltern an diesem Prozess ist eine große Chance,die Beziehung zwischen der Kita und den Familiender Kinder auf eine tragfähige Grundlage zu stellen.

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Später sind es dann die Dokumentationen, die einer-seits als fachlich kommentierte Fotodokumentationendie pädagogische Arbeit in der Kita und ihre Wirkun-gen für die Eltern transparent machen und die Port-folios der Kinder, in denen die Eltern jederzeit Infor-mationen über die Interessen ihres Kindes, über sei-ne sozialen Beziehungen, seine bevorzugten Tätig-keiten, seine Zugangsbereiche zur Welt und über dieBemühungen der Einrichtung finden können, die Bil-dungsprozesse des Kindes zu ermöglichen, zu unter-stützen und herauszufordern.

Beide Beteiligungsangebote der Einrichtung an dieEltern führen in aller Regel zu weiteren Veränderun-gen im Umgang miteinander. Die Klärung der Zieleder pädagogischen Arbeit in der Kindertageseinrich-tung und die kontinuierliche Information über dasVorgehen in dieser Sache erleichtert es den Eltern,Veränderungen im Tagesablauf und in den Beteili-gungsmöglichkeiten zu akzeptieren. Dazu gehört eszum Beispiel auch, dass Eltern die Organisation undVorbereitung von Festen und Gemeinschaftsunter-nehmungen übernehmen, um den Erzieherinnen dieZeit für ihre Arbeit mit den Kindern zu lassen oderdass sie ihre besonderen beruflichen Kompetenzenzur Verfügung stellen, um entweder den KindernAngebote aus ihrer fachlichen Disziplin zu machen(zum Beispiel Chemie) oder den Kindern Zugang zuden Orten ihrer beruflichen Tätigkeit ermöglichen(Klinikum, Werkstatt, Bibliothek). Es eröffnet sichinsgesamt ein weites Feld des Bezugs zum Gemein-wesen, der über die Eltern hergestellt und in dieBildungsarbeit der Kindertageseinrichtung integriertwerden kann. Ein erster bedeutsamer Schritt ausder engeren Umgebung der Kita hinaus kann alsoüber die Eltern der Kinder vermittelt werden, wenndiese über die Arbeit der Einrichtung informiert sindund den eigenen Beitrag dazu gut einschätzen kön-nen. Das Verständnis der Bedeutung des eigenenBeteiligtseins an der Bildungsarbeit der Einrichtungmacht vielleicht einen der Unterschiede zu schonbisher gängigen Praktiken in den Kindertagesein-richtungen aus, wen diese ihren Zugang zum regio-nalen Umfeld organisiert haben. Es spricht über-haupt nichts dagegen, auf solche bereits vorliegen-den Erfahrungen zurück zu greifen und sie weiter zupflegen, wobei aus unserer Sicht der Fokus daraufgelegt werden sollte, diese Aktivitäten in Prozesseeinzubinden, die innerhalb der Kita im Rahmen vonzugemuteten Themen und auf der Grundlage vonInteressen der Kinder Gegenstand der alltäglichenArbeit sind.

Jenseits der Kontakte, die Eltern organisieren könnenund wollen, hat die Einrichtung selbstverständlicheigene Möglichkeiten des Zugriffs auf die bildungs-relevanten Ressourcen ihres Umfelds. Dazu gehörendie Bibliotheken und Museen, die Theater und his-torischen Gebäude, aber auch die Schulen und Hoch-schulen, das Rathaus und die Verkehrs- und Versor-gungseinrichtungen, die Büros und Werkstätten derUmgebung. Wenn einige Kinder ein besonderes In-teresse an Malerei zeigen, dann kann eine Exkursionin die Gemäldegalerie für sie eine bereichernde Er-fahrung sein. Interessieren sich Kinder für Autos,dann mag der Besuch einer Produktionsstätte ihnenhelfen, ihre Vorstellungen und Entwürfe zu diesemThema auszudifferenzieren und schließlich mit Hilfegrafischer Darstellungen zu formulieren. Ist das Teameiner Einrichtung zu dem Schluss gekommen, dassdie Hauptkirche der Stadt den Kindern als Themazugemutet werden sollte, dann kann der Weg zurTurmspitze, die Wasserspeier an der Außenfassadeoder die bildlichen und figürlichen Darstellungenvon Engeln die Kinder zu eigenen Konstruktioneninspirieren, die dann Grundlage für erweiterte Orts-kenntnisse und eine Ausstellung von Bildern zu denverschiedenen Erlebnissen mit dieser neuen Erfah-rung werden.

Man könnte sagen, dass die Arbeit nach dem in-fans-Konzept solche Bezüge zum regionalen Umfelderforderlich macht, um die Ressourcen der Kinderauf höchstmöglichem Niveau entfalten helfen zukönnen. Neben den Eltern und der Kita selbst kannhier natürlich der Träger helfen, Kontakte herzustel-len und sie systematisch auszubauen. Damit diesgelingen kann, sollte die Einrichtung auch ihren Trä-ger über die Inhalte ihrer Arbeit auf dem Laufendenhalten und ggf. seine räumlichen Kapazitäten nutzen,um dort Ausstellungen mit Fotodokumentationen zuinitiieren, wofür auch schon die Eingangsbereichevon Rathäusern und Banken genutzt wurden. Insge-samt fällt dem Träger auch im Bereich der Verknüp-fung der Aktivitäten seiner Kindertageseinrichtungenmit dem Gemeinwesen eine wichtige Rolle zu.

Trägerübergreifend bedarf es darüber hinaus gutausgebauter Praxisunterstützungssysteme, auf dieEinrichtungen zurückgreifen können, um die Grund-lagen ihrer Arbeit und ihre Methodik weiter entwik-keln zu können. Insbesondere muss der Anschlusszur Forschungsebene hergestellt und aufrechterhal-ten werden. Es darf nicht länger unterhalb des in-ternationalen Wissensstandes und daran vorbei ge-arbeitet werden. Bereits Anfang des Jahres 2002 hatder damalige Bundespräsident Rau den Ab-schluss-bericht des »Forum Bildung« vorgestellt, in dem die

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Einrichtung von Transferstrukturen dringend empfoh-len wird. Sie sollen dafür sorgen, dass die Arbeits-ergebnisse der einschlägigen europäischen und aus-sereuropäischen Forschung in Ausbildung und Praxiszur Verfügung stehen. Über diese Strukturen könntedann auch der Weiterbildungsbedarf der Einrichtun-gen zum Beispiel auf dem Gebiet der Naturwissen-schaften, der Mathematik oder der Nutzung moder-ner Mediensysteme zumindest teilweise und auf ho-hem Niveau abgedeckt werden. Es sind zur Zeit anden Universitäten Entwicklungen zu beobachten, diesich mit der Aufbereitung wissenschaftlichen Wis-sens für praktische Zwecke auch im pädagogischenBereich befassen und wenn nicht den Kindern, sodoch den Erzieherinnen einen (oft verschütteten)Zugang etwa zur Mathematik eröffnen können.

Als ein Optimum der Möglichkeiten erscheint unsdie Verknüpfung solcher kooperativen und an Trans-ferstrukturen angebundene Vorhaben mit der Arbeitvon Fortbildungssystemen, die – wie etwa in Stutt-gart oder in Brandenburg auf Landesebene gesche-hen – den prozessorientierten Bedarf bei den Kin-dertageseinrichtungen abfragen und entsprechendgeeignete Angebote bereithalten.

Die Verknüpfung mit dem Gemeinwesen, allgemeingesprochen die Verknüpfung nach außen hängt alsonicht allein von den Möglichkeiten ab, die eine Kitaaus eigener Kraft aktivieren kann, sondern auch vonder Unterstützung, die sie durch den Träger erfährtoder eben durch Systeme, die solche Funktionenübernehmen. Es wäre sehr sinnvoll, wenn sich Kon-takte, die hergestellt wurden, auch dauerhaft nutzenließen, denn erst dann könnte von echten Netzwer-ken zu gesprochen werden. In dieser Hinsicht konn-ten wir im Verlauf der Erprobungsphase des Konzeptskeine systematischen Erfahrungen sammeln, so dassdieses Thema einer späteren Bearbeitung vorbehal-ten bleiben wird, die sich dann auch auf konkreteNetzwerke und ihre Funktionen beziehen müsste.

Der Übergang in die GrundschuleEine systematische Beziehung sollten Kindertages-stätten zu der nachfolgenden Bildungseinrichtungunterhalten, der Grundschule. Bei der Annäherungvon diesen zwei bisher sowohl in der Ausbildungals auch im Selbstverständnis strikt getrennten In-stitutionen gilt es eine Reihe von Hindernissen zuüberwinden. Dazu gehört das Statusgefälle zwischenErzieherinnen und Lehrerinnen, das manchmal, aberglücklicherweise nicht immer und überall, eine Kon-taktaufnahme behindert. Auch muss von der Grund-schule verstanden werden, dass die Bildungsarbeitder Kindertageseinrichtung nicht nur als Vorbereitung

auf den eigentlichen Beginn von Bildung in der Schu-le verstanden werden kann, sondern eigenständigeAufgaben in den vorschulischen Lebensjahren derKinder zu erfüllen hat. Das schließt bedeutend kom-plexere Bildungs- und Entwicklungsprozesse ein, alssie durch die Fähigkeit zum Stillsitzen oder zumBinden der Schnürsenkel repräsentiert werden.

Nicht selten jedoch zeigten sich im Verlauf des Er-probungsprojekts Grundschullehrerinnen beeindrucktvon der Arbeitsweise der Projekteinrichtungen undverstanden diese für sie neue oder zumindest unge-wohnte Herangehensweise als bereichernd. Man darfhoffen, dass die weitere Entwicklung in dem Maßezu einer Annäherung führen wird, als die Kinderta-geseinrichtungen in ihrer Arbeit erfolgreich sind undihrerseits die Grundschulen vor Herausforderungenstellen, die diese nur im Zuge von Reformen ihrereigenen pädagogischen Arbeit bestehen können, dieohnehin auf der Agenda der Anpassung des Bildungs-systems der Bundesrepublik an europäische Stan-dards steht.

Zum Übergang von der Kindertageseinrichtung indie Grundschule enthält das infans-Konzept keineVerfahrensvorschläge, wenngleich einer Zusammen-arbeit beider Institutionen in dieser Frage eine hoheBedeutung beigemessen wird. Wir gehen jedoch da-von aus, dass eine fachlich begründete Konzeptiondes Übergangs von beiden Seiten ausgearbeitet undgetragen werden muss und nicht nur Aufgabe derKindertageseinrichtung sein kann. Voraussetzungwäre also ein kooperatives Vorgehen, in dessen Ver-lauf beide Seiten ihr Bildungsverständnis offen legenund soweit angleichen, dass für die Kinder (undihre Familien) der Schritt in die neue Bildungsumge-bung unterstützt eher als belastet wird.

Aus unserer Sicht scheint uns ein solches Konzeptgrundlegende Prozesse der Angleichung von Bil-dungskonzepten vorauszusetzen, die im Kern vonden beteiligten Institutionen in eigener Regie geleis-tet werden müssen. Dabei sollte in jedem Fall Be-rücksichtigung finden, dass die Bildungsprozesseder Kinder, die sie in der Kindertageseinrichtungdurchlaufen haben und die zum Zeitpunkt des Über-gangs in die Grundschule andauern, in der neuenUmgebung ohne wirkliche Unterbrechungen ihreangemessene Fortsetzung finden können. Macht dieGrundschule keinen Gebrauch von den Leistungen,die bereits in den Familien und Kindertageseinrich-tungen zuvor erbracht wurden, wird sie allenfallsein hohes Anforderungsniveau, schwerlich aber einvergleichbares Leistungsniveau vorweisen können.Es läge also auch im Interesse der Schule, die be-

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reits vorhandenen Kompetenzen der Kinder aktivaufzugreifen und mit ihrem Lehrangebot an ihrenaktuellen Interessen anzusetzen. In der neueren Dis-kussion der Schulbildung wird dabei die Bedeutungeiner Interessenorientierung des Lehrangebots aus-drücklich hervorgehoben. In jedem Fall sollte vermie-den werden, Druck auf die Kindertageseinrichtungenauszuüben, sich auf die Normen einer in ihren Stan-dards hinter der aktuellen Fachdiskussion zurückge-bliebenen Grundschule auszurichten.

Hier können sicher durch administrative Vorgabengünstige Bedingungen geschaffen werden, die einensolchen Prozess zu unterstützen und auch zu be-schleunigen vermögen, was in den letzten Jahren inBaden-Württemberg bereits in Angriff genommenwurde. Dafür stehen unter anderem die Empfehlun-gen »Kooperation zwischen Tageseinrichtungen fürKinder und Grundschulen« des Ministeriums für Kul-tus, Jugend und Sport. Der Orientierungsplan bietetin dieser Hinsicht wichtige Hinweise an, wo Schulesich um eine Reformulierung ihres Bildungsverste-hens zu bemühen hätte. In der Praxis aber dürfteder Weg hin zu einer nicht nur formalen Kooperationzwischen Kindertageseinrichtungen und Grundschu-len nicht immer leicht sein und einige Zeit in An-spruch nehmen. Die Erfahrungen aus der Erprobungs-phase zeigen, dass die Grundschulen unterschied-lich auf die »neuen« Kinder reagieren. In einer Be-fragung im Auftrag des Jugendamtes Stuttgart, wodie Erprobung des infans-Konzepts im Rahmen desProzesses »Einstein in der Kita« durchgeführt wurde,kann man lesen:

»Besonders gut kämen sie (die Kinder aus den Er-probungseinrichtungen, H.L.) dagegen mit Hausauf-gaben und anderen selbstständig zu erledigendenAufträgen klar, vor allem solchen, die eigene Recher-che, Materialsuche und kreative Antworten erfordern.Dies bestätigen die Lehrerinnen: ›UnterschiedlicheWissensquellen können sich Einsteinkinder selbst-ständiger erschließen Außerdem widmen sie sichihren Aufgaben mit größerer Ausdauer‹. Sie seienäußerst neugierig und motiviert, im Unterricht be-sonders ideenreich und aktiv. Ihre Auffassungsgabesei hoch, sie hinterfragten viel und suchten in allenAufgaben den Alltagsbezug. Außerdem akzeptiertensie Regeln gut, seien einsichtig und besonders team-fähig. Gruppenarbeit führe bei ihnen zu besten Er-gebnissen. Müssen sie dagegen einzeln und still anihrem Platz arbeiten, seien sie unruhiger als andereKinder.

Eltern, Lehrerinnen und Hortleiter bewerten das Ein-steinprojekt als gute Schulvorbereitung. Es kommeden neuen Bildungsplänen und der angestrebtenÖffnung für neue Unterrichtsformen entgegen. Wün-schenswert sei es, dass alle Kinder eine solche Bil-dungseinrichtung durchlaufen und die Schule mitähnlichen Erfahrungen beginnen.« (Jugendamt Stutt-gart 2005)

Von den an der Erprobung beteiligten Einrichtungensind jedoch auch andere Reaktionen von Grund-schullehrerinnen berichtet worden. Dabei wurdeninsbesondere eine fehlende Bereitschaft der Kinderbeklagt, sich rigide gehandhabten Ordnungsvorstel-lungen zu unterwerfen (Stillsitzen, Stillschweigen,Ordnung des Materials, etc.) und tradierte Lehrfor-men wie Frontalunterricht und Übungen ohne All-tagsbezug und Gestaltungsmöglichkeiten zu akzep-tieren.

Sehr viel wird wohl auch zukünftig davon abhängen,wie im Einzelfall das Fachpersonal beider Seiten mit-einander ins Gespräch kommt und zu Verständigun-gen über Bildungs- und Erziehungsauftrag und Ver-fahrensweisen gelangen kann. Für die Möglichkeitdes Gelingens solcher Vorhaben haben sich im Laufedes Erprobungsprojekts zum infans-Konzept attrakti-ve und weiterführende Beispiele ergeben. Die tief-greifenden Veränderungen, die eine Arbeit mit deminfans-Konzept in der Kindergartenpraxis mit sichbringt, sind von einer Reihe von Grundschulen mitAnerkennung registriert worden, so dass sich einewechselseitig respektvolle Zusammenarbeit entwik-keln konnte. Das in den Kindertageseinrichtungenin den Portfolios dokumentierte Material zu den Bil-dungsprozessen der Kinder wurde in diesen Fällenvon den Grundschulen durchweg als wertvoll erach-tet. Ein sinnvoller Gebrauch setzt dabei jedoch einBildungsverstehen voraus, wie es im Orientierungs-plan gefordert und wie es Grundlage des infans-Konzepts ist.

An dieser Schnittstelle sollte es mit zunehmenderErfahrung mit kooperativen Strategien zwischen bei-den Seiten zu Erweiterungen der Konzeption kom-men, die dann, so wie wir das für den Vorschulbe-reich in Anspruch nehmen, empirisch gesichert undmit nachhaltiger Wirkung als mögliche Verfahrens-weisen sowohl den Kindertageseinrichtungen als auchden Grundschulen vorgeschlagen werden können.

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Exkurs

Die Rolle der Leitung im Licht moderner Management-Konzepte und ihre Bedeutung für das infans-Konzept4

EinleitungDie Umstellung der pädagogischen Arbeit in einerKindertageseinrichtung auf das infans-Konzept be-trifft die Kindertageseinrichtung in ihrer Gesamtheit.Die Veränderungen beziehen sich nicht nur auf ein-zelne Bereiche der Einrichtung, sondern wirken sichauch auf Aspekte aus, die vielleicht nicht auf denersten Blick in einem Zusammenhang damit zu ste-hen scheinen. Die folgenden Überlegungen beziehensich auf ein verändertes Rollen- und Aufgabenver-ständnis der Leitung von Kindertageseinrichtungen.Denn der Leitung kommt bei der Bewältigung dermit der Umsetzung des infans-Konzepts einherge-henden Herausforderungen eine entscheidende Be-deutung zu. Aus dem veränderten Leitungsverständ-nis wiederum ergeben sich Konsequenzen für dieTeams und jede einzelne Erzieherin in der Kinderta-geseinrichtung, auch diese werden im folgendenKapitel angesprochen.

Worin ist die besondere Rolle der Leitung von Kin-dertageseinrichtungen begründet?Die Sonderolle der Leitung liegt schon in ihrer Posi-tion begründet. Auf der einen Seite muss sie denErwartungen des Trägers entsprechen, der sie in derRegel bewusst eingesetzt und mit besonderen Be-fugnissen ausgestattet hat. Zum anderen ist sie aberauch den Kolleginnen bzw. den Kindern und Elternverpflichtet, die möglicherweise mit vollkommen ge-gensätzlichen Erwartungen an sie herantreten. Inihrer sozusagen klassischen Rolle vertritt sie dieEinrichtung gegenüber dem Träger und übernimmtAufgaben für das Team. Die Leitung erfährt somitDruck von oben und unten, sie befindet sich in einer»Sandwich-Position«, die besonders konfliktträchtigist und ein hohes Maß an persönlicher Frustrations-toleranz verlangt (Puch/Westermeyer 1999).

Der folgende Text konzentriert sich auf das Verhält-nis zwischen Leitung und Mitarbeiterinnen. Dennochwird davon ausgegangen, dass ein Träger, der sei-ner Einrichtung bei der Entwicklung zur Bildungsein-richtung im Sinne des infans-Konzepts hilfreich zurSeite stehen will, die folgenden Überlegungenunterstützen sollte.

Die Leitung von sozialen Einrichtungen wird oft alsproblematisch und heikel empfunden. Rollen wieChefin oder Kontrolleurin sind nicht gefragt, da siesich mit dem heutigen Selbstverständnis von sozia-ler Arbeit nicht vereinbaren lassen. Dies gilt auchfür den Bereich der frühkindlichem Erziehung, unddeshalb wird in vielen Kindertageseinrichtungen Lei-tung oftmals nicht explizit und direkt ausgeführt(vgl. Jakubeit 2004). Unbestreitbar bleibt aber, dassdie Leitung eine besondere Stellung einnimmt. Sieist eben nicht Gleiche unter Gleichen, auch wenndies vielleicht oft so postuliert und gewünscht wird.Es gilt, traditionelle Vorstellungen von Leitung zuhinterfragen und über ein modernes Leitungsver-ständnis nachzudenken, das nicht nur zeitgemäßerscheint, sondern auch mit den im infans-Konzeptvertretenen Standpunkten in Einklang steht. Mögli-cherweise benötigen die sich als Bildungseinrich-tung verstehenden Kindertageseinrichtungen einegrundlegende Änderung der Leitungsstruktur, derLeitungskultur und des Leitungsverhaltens.

Welches sind die wesentlichen Modelle der Leitungvon Kindertageseinrichtungen?Bei der Entwicklung eines neuen Leitungsverständ-nisses ist es hilfreich, sich der Begriffe »Führung«und »Leitung« bewusst zu werden und sich ver-schiedener Modellvorstellungen von Leitung vorAugen zu halten. Auch wenn solche idealtypischenFormen in der Praxis kaum zu finden sein dürften,können die daraus entstehenden Überlegungendennoch fruchtbare Prozesse anstoßen.

Was bedeuten die Begriffe»Führung« und »Leitung«?In der wissenschaftlichen Literatur wird prinzipiellzwischen »Führen« und »Leiten« einer Einrichtungunterschieden (vgl. Neubauer 1996). Dabei gibt eseine Vielzahl von Definitionen von »Führung«, die jenach gewähltem Standpunkt unterschiedlich ausfal-len, im Kern aber als ähnlich angesehen werdenkönnen (vgl. Puch/Westermeyer 1999). Unter Füh-rung wird demnach die zielorientierte Beeinflussungdes Verhaltens von Mitarbeiterinnen zur Erfüllunggemeinsamer Aufgaben in einer strukturierten Ar-beitssituation verstanden ( Neubauer 1996).

Dabei müssen die folgenden Führungsziele berück-sichtigt werden: Die Effizienz und Qualität der er-brachten Leistung, die Arbeitsmotivation und –zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und der Erhaltder Einrichtung (Puch/Westermeyer 1999). Zum Errei-

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4 Dieser Beitrag enthält die überarbeitete Fassung einer Auftragsarbeit für infans, die Helge Wasmuth im Rahmen seines Praktikumsam Institut verfasst hat.

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chen dieser Ziele sind verschiedene Führungsverhal-ten denkbar, auf die hier nicht näher eingegangenwerden soll5, es kann aber davon ausgegangenwerden, dass ein Führungsstil nicht durchgängigbeibehalten wird, sondern über verschiedene Situa-tionen hinweg variabel ist.

Eine Führungsrolle kann übernommen werden, indemeine Person diese Position von anderen Menschenzugeteilt bekommt. Geschieht dies ohne Mandat bzw.formale Regelungen, spricht man von einem »infor-mellen Führer« (Neubauer 1996, Puch/Westermeyer1999). In sozialen Organisationen kommt es aller-dings häufig vor, dass bei der Besetzung von Füh-rungspersonen aus einer Reihe von Bewerbern aus-gewählt wird, ohne dass die Mitarbeiterinnen einendirekten Einfluss auf diese Wahl ausüben können.Die Führungsperson wird den unterstellten Kollegin-nen »vorgesetzt« und dabei handelt es sich um einenformellen Akt. Ein solcher »formeller Führer« wirdals Vorgesetzter oder Leiter bezeichnet, der Begriff»Leiten« beinhaltet demnach zunächst einfach nurdas formelle Führen einer Einrichtung.

Die Aufgaben, Rechte und Pflichten der Leitung sinddabei durch zum Teil äußerst komplexe Hierarchien,Regelungen und Verpflichtungen festgelegt; zur Durch-setzung ihres Führungsanspruchs ist sie mit formalenund personalen Machtressourcen ausgestattet (»Amts-autorität« und »personale Autorität«). Zwar kann sichdie Leitung auf beide Möglichkeiten zur Einflussmaß-nahme stützen, es hat sich aber erwiesen, dass einhäufiger Gebrauch von formaler Macht wenig sinn-voll ist, da diese sich schnell abnutzt, unflexibel inder Anwendung ist und außerdem die Gefahr be-steht, dass zu immer stärkeren Maßnahmen gegrif-fen werden muss.

Worin unterscheidet sich das patriarchalischeModell vom Teammodell?Die Begriffe Leitung und Führung sagen somiteigentlich noch nichts über den praktizierten Lei-tungsstil einer Einrichtung aus. Grundsätzlich sindmehrere Modelle unterschiedlicher Ausprägungdenkbar, die zum Teil völlig gegensätzliche Leitungs-vorstellungen vertreten6.

Einrichtungen können nach einem hierarchischenoder patriarchalischen Organisationsstrukturmodellaufgebaut sein (Bader 1999). In einer solchen Kin-dertageseinrichtung würde ausschließlich die Spitzeder Einrichtung, also im klassischen Sinn »Leitung«über die Entscheidungs- und Kontrollbefugnis verfü-gen. Innerhalb der eigenen Kindertageseinrichtungwäre sie gegenüber niemandem verantwortlich, siemüsste nur dem Träger Rechenschaft ablegen. DieKommunikation würde überwiegend in eine Richtungerfolgen, die Informationswege wären lang und derCharakter der Kommunikation wäre der eines »An-weisens von oben«. Dementsprechend müsste mansich auch die Rolle der Mitarbeiterinnen vorstellen:Sie wären Ausführende und könnten nur wenigselbst entscheiden, ihre Arbeitsabläufe wären genaufestgelegt und ihre Zuständigkeiten klar definiert.Die Kreativität und die besonderen Kompetenzen derErzieherinnen wären in einer solchen Einrichtung nurwenig gefragt, Selbstverantwortung kaum vorhandenund die Identifikation mit der Arbeit nur sehr gering.Eine solche Einrichtung besäße zwar eine großeStabilität, aber auch eine ebenso große Inflexibilitätund könnte sich deshalb nur schwer an veränderteBedingungen anpassen (ebd.).

Ein Kontrast zu diesem auf Amtsautorität7 beruhen-den Organisationsstrukturmodell bildet das so ge-nannte Teammodell (Bader 1999). Eine solche Ein-richtung würde sich durch flache Hierarchien aus-zeichnen und auf formale Strukturen würde nur wenigWert gelegt werden. Die Funktion der Leitung be-stände eher darin, Sprecher aller Kolleginnen zusein, und ihre Aufgabe wäre es, zu moderieren undzu koordinieren. Bei diesem Modell wird die Wich-tigkeit des gegenseitigen Respekts und der gegen-seitigen Achtung betont, Selbstbestimmung undSelbstorganisation besitzen einen hohen Stellenwertund Entscheidungen werden im gemeinsamen Dis-kussionsprozess getroffen. Identifikation und Moti-vation auf Seiten der Mitarbeiterinnen wären sehrgroß und dies würde sich positiv auf die Arbeitsleis-tung auswirken. Die speziellen Kompetenzen undInteressen der einzelnen Erzieherinnen kämen stär-ker zum Tragen, Kreativität und Innovation würdedadurch gefördert. Durch den kontinuierlichen Dis-kussionsprozess ließe sich Expertenwissen verallge-

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5 Vereinfacht lassen sich ein »autoritärer« und »demokratischer« Führungsstil sowie ein »aufgaben- und leistungsorientiertes« undein »persönlichkeitsorientiertes« Führungsverhalten unterscheiden (vgl. Neubauer 1996, S. 76/77).

6 Die Beschreibung der beiden folgenden Modelle sind sicherlich einseitige Zuspitzungen, die sich in reiner Form so in der Praxisnicht finden lassen. Bader stellt diesen beiden noch ein drittes Organisationsmodell gegenüber, das entwicklungsorientierte Orga-nisationsstrukturmodell, das sich ihrer Ansicht nach in zahlreichen sozialen Einrichtungen finden lässt (vgl. 1999, S. 48ff.). Hier sol-len aber nur die ersten beiden Organisationsmodelle vorgestellt werden, da sich an ihnen die unterschiedlichen Vorstellungen vonFührung verdeutlichen lassen.

7 Eine Leitung kann im patriarchalischen Modell natürlich auch über fachliche und personale Autorität verfügen, sie muss dies abernicht.

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meinern und es könnten Synergieeffekte erreichtwerden. Einer solchen Einrichtung fiele es leichter,schneller und innovativer auf neue Anforderungender Umgebung zu reagieren.

Ein solches Modell enthält jedoch ebenfalls schwer-wiegende Probleme. So ist zum Beispiel ein relativhoher Zeitaufwand notwendig, um zu einer Entschei-dungsfindung zu gelangen. Trotz des unterschiedli-chen Kenntnisstandes und unterschiedlicher Kompe-tenzen redet und entscheidet jeder bei allem mit,was zu fachlich unzureichenden Kompromissen undLösungen führen kann. Aufgrund der eher unklarenFührungsstrukturen sind die getroffenen Entschei-dungen nicht sehr verlässlich, und es kann langedauern, bis sie auch tatsächlich umgesetzt werden.Zusätzlich ist eine große Bereitschaft aller Mitarbei-terinnen zur Übernahme von Verantwortung undeine gut funktionierende Kommunikationsstrukturnotwendig.

Wie sollten Einrichtung der Zukunft geführt werden?Es dürfte klar sein, dass weder das patriarchalischeModell noch das Teammodell sich in der beschrie-benen einseitig ausgeprägten Form in der heutigenPraxis finden lässt und auch nicht als Ziel angestrebtwerden sollte. Dennoch können diese ideal-typischenÜberlegungen bei der Frage helfen, wie eine Kinder-tageseinrichtung geleitet werden muss, die den ge-sellschaftlichen Erwartungen und den Anforderungendes infans-Konzepts gerecht werden will.

Ein Bildungs- und Erziehungsverständnis, das dieSelbstbildung der Kinder betont, sie in ihrer Indivi-dualität ernst nimmt und ihre aktive Teilhabe an dentäglichen Entscheidungs- und Gestaltungsprozessenfordert, muss sich auf die gesamte Kultur einer Ein-richtung auswirken. In einer sich als Gesamtsystembegreifenden Kindertageseinrichtung müssen solcheVorstellungen zu einer Veränderung in allen Teilender Einrichtung und nicht nur im Erzieherinnen-Kind-Verhältnis führen. Dabei stellt sich die Frage, ob einFührungs- und Leitungsbegriff, der sich im traditio-nellen Sinn als gezielte Beeinflussung des Verhaltensder Kolleginnen versteht, überhaupt noch zeitgemäßbzw. mit dem infans-Konzept vereinbar ist.

Eher geeignet erscheint ein innovatives und flexiblesLeitungsmodell, das die Mitverantwortung aller Be-teiligten sichert. Die Leitung von Kindertageseinrich-tungen der Zukunft erfordert Kenntnisse und Fähig-keiten, die nicht von einer Person allein geleistetwerden kann, Teamarbeit ist dringend notwendig(vgl. Jakubeit 2004). Die vom patriarchalischen Mo-dell vertretene Vorstellung, dass auf der einen Seite

eine alles regelnde und entscheidende Leitung undauf der anderen Seite Mitarbeiterinnen im Sinne vonUntergebenen stehen, hat sich wohl eher überlebtund ist gerade in sozialen Einrichtungen vermutlichungeeignet. Das gesamte Team einer Einrichtungmuss sich bewusst sein, was es und wie es seineZiele erreichen will. Verantwortung für eine solchegemeinsame Sache wird aber nur übernehmen, werauch an der Führung teilhaben darf. Die Gewinnungder Mitarbeiterinnen in eine Führungsgemeinschaftwird so zu einer zentralen Aufgabe, die ein neuesFührungsparadigma erfordert.

Nun müssen deshalb bestehende Leitungsstrukturennicht gleich vollständig abgeschafft und eine demTeammodell entsprechende Einrichtungsstruktur ein-geführt werden. Gerade hochkomplexe und hochdifferenzierte Aufgaben und Tätigkeiten, wie sie dietägliche Arbeit in Kindertageseinrichtungen darstel-len, brauchen eine klare Strukturierung und Aufga-benzuteilung. Ein komplexes und demokratischesSystem gewinnt seine hohe Leistungsfähigkeit nur,indem die verschiedenen Potenziale der Menschengenutzt werden. Für das notwendige Miteinanderbraucht es aber weiterhin Absprachen und Koordi-nation. Hierin dürfte in Zukunft in zunehmendemMaße der Aufgabenbereich der Leitung liegen. Sieist also keineswegs überflüssig, sondern nach wievor unverzichtbar und muss deshalb jede nur mögli-che Unterstützung und Wertschätzung bekommen.

Was zeichnet ein neues Aufgabenverständnis vonLeitung aus?Die Aufgaben der Leitung scheinen sich also zu ver-ändern und werden zukünftig eher als Koordinationund nicht als klassische Führung verstanden werden.Die Leitung trägt aber unverändert zur erfolgreichenGestaltung der täglichen Arbeit bei, indem durch ihreTätigkeit die notwendigen Freiräume geschaffen wer-den, in denen die Mitarbeiterinnen eigenverantwort-lich handeln können. Sie wird so zumindest auch zueinem Berater und Unterstützer und versteht sicheher als »Dienstleistung für Mitarbeiter«(Puch/Westermeyer 1999, S. 210).

Dies setzt ein dementsprechendes Menschenbild aufSeiten der Leitung voraus. Eine Leitung, die ihre Mit-arbeiterinnen als verantwortungsscheu, wenig ehr-geizig und lernunwillig ansieht, würde wohl eherKontrollen und strenge Vorschriften einführen, daihrer Ansicht nach nur so erfolgreiche Arbeitsleistun-gen erzielt werden können. Oftmals zeigen dann dieErzieherinnen aufgrund des restriktiven Verhaltensder Leitung nun tatsächlich weniger Engagementund Verantwortungsbewusstsein und dies bestätigt

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wiederum die Meinung der Leitung. Werden die Kol-leginnen dagegen zumindest bis zum Erweis desGegenteils als verantwortungsbereite und engagierteMenschen angesehen, dann wird ihnen mehr Hand-lungsspielraum und Selbstkontrolle zugestanden. Sieverhalten sich dementsprechend und somit ist einpositiver Kreislauf in Gang gesetzt.

Pointiert gesagt bedeutet dies, dass im Rahmen desinfans-Konzepts die Leitung nicht die Aufgabe hat,Mitarbeiterinnen zu motivieren und ihnen Verantwor-tung zu geben. Vielmehr tut sie alles dafür, dass dieals vorhanden unterstellte Selbstverantwortung aufSeiten der Kolleginnen wahrgenommen und entfaltetwerden kann (vgl. Puch/Westermeyer 1999). Es wärealso Aufgabe der Leitung, die Erzieherinnen in ihremeigenverantwortlichen und selbstständigen Handelnzu unterstützen und sie dazu herauszufordern.

Was bedeutet das neue Aufgabenverständnis vonLeitung für die Praxis?Werden solche Überlegungen in die Praxis umgesetzt,kann dies zu einschneidenden Veränderungen füh-ren. Die Leitung ist dann für die Strukturierung, Ko-ordination und Optimierung von Prozessen und Ver-fahren verantwortlich, nicht aber für eine Führung imSinn von zielorientierter Beeinflussung des Verhal-tens der Mitarbeiterinnen. Konsequent gedacht be-deutet dies, dass die Leitungskräfte nicht mehr diealleinige Verantwortung tragen müssen. Stattdessenmuss jede Erzieherin in der Lage sein, den immerkomplexer werdenden Anforderungen zu genügenund entsprechend ihren Kompetenzen Verantwor-tung an der gemeinsamen Gestaltung der täglichenArbeit zu übernehmen.

Dies begründet sich auch aus der Aufgabe der Kin-dertageseinrichtung, die Kinder in ihren Bildungs-prozessen zu unterstützen. Die täglichen Interaktio-nen mit den Kindern müssen von jeder Erzieherinselbstständig und selbstverantwortlich gestaltet wer-den, die Handlungen und Gespräche lassen sich imDetail nicht im Voraus planen und festlegen. Eine Er-zieherin, die nur auf Anweisung von oben und ohneEigenverantwortung handelt, würde diese Prozessenicht geeignet gestalten können, vorhandenes Poten-zial ginge so verloren. Auch aus diesem Grund soll-ten die Mitarbeiterinnen in der Wahrnehmung undAusübung selbstständigen Handelns unterstütztwerden.

Leitung als formelle Führung einer Kindertagesein-richtung kann sich somit nicht länger als zielorien-tierte Beeinflussung des Verhaltens von Mitarbeite-

rinnen verstehen. Sie sieht ihre Aufgabe vielmehrdarin, die Mitwirkung sämtlicher Teammitglieder ent-sprechend ihren Fähigkeiten und Kenntnissen an derEntwicklung einer Kindertageseinrichtung zu ermög-lichen.

Wie kann die Leitung Verantwortung und Aufgabendelegieren?Die Leitung einer Einrichtung muss also bereit sein,Verantwortung zu teilen. Die Verantwortung für dieEinrichtung muss gemeinsam getragen werden.

Die Delegation von Verantwortung und Aufgaben soll-te von Seiten der Leitung nicht als Beschneidung vonKompetenzen betrachtet werden, sie fördert vielmehrdas Erreichen der angestrebten Ziele. Dies erfordertklare Absprachen über die Zuteilung und Abgrenzungder einzelnen Aufgaben, Befugnisse und Verantwort-lichkeiten der Erzieherinnen, aber auch der Leitung.Jede Mitarbeiterin erhält so einen klar umgrenztenTätigkeitsbereich mit entsprechenden Kompetenzen,innerhalb dessen sie verpflichtet ist, selbstständigzu handeln und zu entscheiden. Diese Absprachenzu koordinieren ist Aufgabe der Leitung.

In der Praxis haben sich Mitarbeitergespräche be-währt, in denen die Leitung gemeinsam mit denErzieherinnen Zielvereinbarungen trifft. In solchenGesprächen findet ein Dialog über die angestrebtenZiele statt. Es wird konsequent auf Zielvereinbarungund nicht auf Zielvorgabe gesetzt, die Ziele werdengemeinsam ermittelt und vereinbart. Die Leitunggibt somit nicht vor, welche Ziele wie erreicht wer-den sollen, sondern unterstützt einen Prozess, indem gemeinsam über erreichbare Ziele nachgedachtund dann dementsprechend gehandelt wird. Die Mit-arbeiterin ist im Rahmen der vereinbarten Ziele in derWahl ihrer Mittel relativ frei. Sie trägt somit die Hand-lungsverantwortung und in den von ihr zu verant-wortenden Aufgabenbereich sollte die Leitung prin-zipiell nicht eingreifen (vgl. Puch/Westermeyer 1999).

Auf der anderen Seite bedeutet dies aber auch, dassdie Kolleginnen wirklich die Verantwortung für ihreTätigkeit übernehmen, die gegebenen Freiräumenutzen und eigenständig ausfüllen müssen (vgl. Phi-lipps 1999). Es bringt nichts, wenn die Leitung bereitist, Verantwortung abzugeben, aber auf der anderenSeite niemand da ist, der sie übernimmt. Deshalbmuss die Leitung darauf achten, wie viel sie ihremTeam zumuten kann, was andere Mitarbeiterinnenübernehmen können und was sie auch weiterhinselbst erledigen muss. Die Kolleginnen sollten wederunter- noch überfordert werden und dazu bedarf eseiner zutreffenden Einschätzung der Kompetenzen

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jeder Mitarbeiterin, die nur erlangt wird, wenn auchweiterhin der enge Kontakt und die Interaktion ge-sucht werden. Eine Leitung lässt deshalb auch nachder Delegation die Kolleginnen nicht mit ihren neuenAufgaben allein, sondern steht unterstützend undberatend zur Seite. Sie ist das Gedächtnis des Teamsin Hinblick auf getroffene Vereinbarungen.

Wie stark diese Form der Hilfe ausfällt, hängt vonder jeweils speziellen Situation in der Einrichtungab, und eine Verständigung darüber muss jederzeitvor Ort und innerhalb des Teams stattfinden können.In einigen Kindertageseinrichtungen wird es möglichsein, mehr Verantwortung und Aufgaben zu delegie-ren, während in anderen Einrichtungen die Mitarbei-terinnen noch klarere Vorgaben brauchen. Die Leitungmuss erkennen, wie weit ihr Team schon ist und sichdementsprechend verhalten, sie muss ein Gespür fürdie Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen entwickeln. Woeigenverantwortliches Verhalten deutlich wird, solltesich die Leitung zurücknehmen, während sie bei Un-sicherheit oder Überforderung helfen muss (Hatlap-pa-Eichstädt 1999; Lill 1998).

Worin bestehen die Aufgaben der Leitung beim Zeit-management in der Kindertagesstätte? Die Leitung sollte zunächst einmal darauf achten,dass sie selbst die nötige Zeit zur Verfügung hat,vor allem wenn sie nicht freigestellt und selbst füreine Anzahl von Portfolios verantwortlich ist. Dieskann durch verschiedene Mittel zur Selbstentlastunggelingen. Möglichkeiten sind zum Beispiel eine kon-sequente Übertragung von Verantwortung und Auf-gaben, Techniken der Rationalisierung und Struktu-rierung (zum Beispiel bei der Bearbeitung von Infor-mationen, Einteilung von Arbeitsphasen oder beiSitzungen), sowie die Vermeidung oder Minimierungvon Störquellen. Neben dem flexiblen Jahresarbeits-zeitmodell (Cramer 2003) mit den dazugehörendenInstrumenten helfen sie dabei, die notwendige Zeitzu organisieren.

Aufgabe der Leitung ist es zusätzlich, darauf zu ach-ten, dass den Mitarbeiterinnen genügend Zeit fürdie Erarbeitung der Erziehungsziele und für die Beob-achtung, Diskussion, Auswertung und Dokumentati-on zur Verfügung steht. Dies muss bei der Dienst-plangestaltung – die im Sinne der Aufgabendelega-tion nicht zwingend Aufgabe der Leitung ist sondernauch von den Miarbeiter/inn/en selbst übernommenwerden kann – berücksichtigt werden, indem genü-gend Zeit dafür in den Dienstplänen ausgewiesenwird. Die Erziehungsziele und die Beobachtung undDokumentation der Bildungsprozesse sind wichtigeElemente des infans-Konzepts und eine verbale

Wertschätzung allein reicht nicht aus. Sie muss inder Bereitstellung der nötigen Zeitressourcen ihrenNiederschlag finden.

Zeit kann des Weiteren gewonnen werden, wenn aufeine zügige und strukturierte Durchführung der Dis-kussion der Beobachtungen geachtet wird. Damitdies möglich wird, müssen festgelegte Zeiten undAbläufe eingehalten und dürfen Diskussionen nichtendlos geführt werden. Dies kann durch eine Mode-ration der Besprechungen erreicht werden, die nichtunbedingt von der Leitung, sondern auch von einerKollegin übernommen werden kann. Wichtig ist da-bei, dass getroffene Vereinbarungen eingehaltenwerden und einmal Beschlossenes auch tatsächlichumgesetzt wird. Dafür Sorge zu tragen ist Aufgabeder Leitung.

Damit die knappen Ressourcen und zeitlichen Spiel-räume sinnvoll genutzt werden, muss also eine Kon-zentration auf die spezifischen und bedeutsamenLeistungen der Einrichtung stattfinden (Bullinger1996). Dies bedeutet, dass sowohl von der Leitungals auch von den Mitarbeiterinnen Prioritäten ge-setzt werden müssen (vgl. Stübinger/Apfelbacher/Reiners-Kröncke 2000). Jeder Mitarbeiterin sollteklar sein, welche Leistungen aufgrund der Ziele unddes Auftrags der Kindertageseinrichtung als Bil-dungseinrichtung wirklich wichtig sind. Alle Tätig-keits- und Zeitstrukturen müssen deshalb auf ihreKompatibilität mit dem infans-Konzept überprüftund gegebenenfalls verändert werden, denn dadurchlassen sich Zeitressourcen gewinnen. Gerade dieLeitung muss immer wieder darauf hinweisen, wel-che Ziele man sich gesteckt hat (nämlich die Unter-stützung der Bildungsprozesse der Kinder) und wa-rum es aus diesem Grund sinnvoll und notwendigist, dass es zu einer Umstrukturierung der Zeitab-läufe und zur Aufgabe von vielleicht lieb gewonnenTraditionen kommt.

Hier spielen auch die erarbeiteten Erziehungszieleeine wichtige Rolle. Die Leitung fungiert als »Gedächt-nis der Erzieherinnen«, das immer wieder die Wich-tigkeit der neuen Aufgaben deutlich macht und da-ran erinnert, dass alte Verhaltensweisen ja nicht er-satzlos abgeschafft, sondern durch neue, wichtigereTätigkeiten ersetzt wurden. Sie liefert so gute Argu-mente und wirkt dadurch unterstützend, vor allemwenn die Mitarbeiterinnen mit Unsicherheiten undZweifeln, zum Beispiel von Seiten der Eltern, kon-frontiert werden.

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Worin bestehen die Aufgaben der Leitung beim Con-trolling?Die Unterstützung der Kolleginnen durch die Leitungsteht in einem engen Zusammenhang zu einem The-ma, das in vielen Bereichen der sozialen Arbeit undauch in Kindertageseinrichtungen negativ besetzt istund oft falsch verstanden wird, nichts-destotrotzaber wichtig für das Gelingen der Arbeit ist: demControlling. Controlling wird häufig mit restriktiverKontrolle gleichgesetzt und oftmals herrschen Miss-trauen bis Angst gegenüber jeglicher Form von Kon-trolle. Gerade dies beruht aber auf einem Missver-ständnis (Fischer 2001; Stübin-ger/Apfelbacher/Reiners-Kröncke 2000). Methodendes Controlling führen nicht zwangsläufig zu einempatriarchalischen Organisationsstrukturmodell undsetzen auch keineswegs ein negatives Menschenbildvoraus.

Controlling definiert sich vielmehr als Planung, Mes-sung, Bewertung und gegebenenfalls Korrektur dertäglichen Handlungen (Fischer 2001; Schmitz/Lamberti2000). Controlling beruht deshalb gerade nicht aufmangelndem Vertrauen. Durch Controllingmaßnahmensoll nicht die Arbeit der Erzieherinnen durch die ihnenvorgesetzte Leitung »überwacht« und gemaßregeltwerden, vielmehr dient es der Unterstützung ihrerArbeit und als Hilfe. Dabei bedarf es eines gewissenFingerspitzengefühls. Damit es nicht zu Irritationenoder Ängsten kommt, muss auf einige Verhaltens-weisen geachtet werden, die eigentlich grundsätzlichin der täglichen Arbeit, im Fall des Controlling aberganz besonders berücksichtigt werden müssen: Of-fenheit, Sachlichkeit, Beschränkung auf das Wesent-liche, Klarheit in den Vorgaben und ein taktvollerUmgang spielen hier eine wesentliche Rolle.

Welche Qualifizierung benötigt die Leitung?Auch die Leitung einer Kindertageseinrichtung benö-tigt ständig neue und aktualisierte Kenntnisse undFähigkeiten. Neben pädagogisch-fachlichen sind auchin einem immer stärker werdenden Maße betriebs-wirtschaftlich-ökonomische Kompetenzen gefordert.Verschiedene Autoren zählen eine Vielzahl von Schlüs-selqualifikationen bzw. -kompetenzen8 auf, über dieeine Einrichtungsleitung heute verfügen muss unddie sich verkürzt wie folgt zusammenfassen lassen:Fachkompetenz, Managementkompetenz, sozialeKompetenz und personale Kompetenz(Puch/Westermeyer 1999).

Damit die Leitung ihre unterschiedlichen Verantwor-

tungen erfolgreich wahrnehmen kann, bedarf esdeshalb neben einer qualifizierten Ausbildung (zumBeispiel als Diplomsozialpädagogin) auch einer sys-tematischen Fort- und Weiterbildung (Knauer 1999;Wehrmann 2004). Durch Nachqualifizierungen wirdnicht nur das fachliche Wissen ergänzt, es werdenauch Methoden und Mittel des Managements erlernt,mit denen sich die Leitung auf ihre Tätigkeit vorbe-reiten oder die Ausübung verbessern kann.

FazitEs wurde eingangs betont, dass die Umstellung derArbeit einer Kindertageseinrichtung auf das infans-Konzept nicht nur einzelne Aspekte der pädagogi-schen Arbeit, sondern die Einrichtung in ihrer Ge-samtheit betrifft. Dies wird zu Umstrukturierungenund nachhaltigen Veränderungen in der alltäglichenArbeit und der institutionellen Struktur der Kinderta-geseinrichtungen führen müssen. Es ist davon aus-zugehen, dass es die optimale Struktur in Zukunftnicht mehr geben wird, da die Kindertageseinrich-tungen wohl weiterhin mit sich wandelnden Erwar-tungen und erweitertem Fachwissen konfrontiertwerden dürften. Aus diesem Grund ist eine perma-nente Wandlungsfähigkeit notwendig, damit flexibelund innovativ auf Veränderungen reagiert werdenkann.

Diese Herausforderung wird nur zu bewältigen sein,wenn sie vom gesamten Team einer Einrichtung ge-meinsam getragen wird. Der Versuch, die zukünftigenWege und Ziele durch das Handeln einer einzigenPerson zu bestimmen und zu lenken, wird vermut-lich scheitern. Das ganze Team mit all seinen Res-sourcen muss an diesem Prozess mitwirken, nur dannkann der Weg zu einer Bildungseinrichtung erfolg-reich beschritten werden. Dies zu ermöglichen undzu koordinieren stellt eine zentrale Aufgabe der Lei-tungstätigkeit dar.

In Zukunft werden sich die Kindertageseinrichtungenund deren Leitung in einem zunehmend stärkerenMaße mit den widersprüchlichen Anforderungen vonStabilität und Flexibilität auseinandersetzen müssen.Auf der einen Seite müssen vor dem beschriebenenHintergrund sich wandelnder Erwartungen notwendi-ge Veränderungen in der Einrichtung bewältigt, aufder anderen Seite muss aber auch für eine Stabilitätder angebotenen Leistung und des eigenen Profilsgesorgt werden. In einem solchen Wandlungsprozessgehört der Umgang mit Unsicherheiten und Uner-wartetem zur Normalität. Veränderungen führen zu

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8 Schlüsselqualifikationen finden sich bei KiTa spezial 3/1999, S. 11, 12 u. 34; Lill 1998, S. 202/203; Schreiber 2001, S. 296

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einem Verlust von Sicherheit auf Seiten der Mitar-beiterinnen, aber auch der Leitung und dies ver-langsamt ggf. auch die notwendigen Umstrukturie-rungen (Jakubeit 2004). Dies zu akzeptieren, mussvon allen Beteiligten gelernt werden.

Die Leitung sieht sich dabei mit einer schwierigenAufgabe konfrontiert: Sie muss die grundsätzlichwidersprüchlichen Prozesse zu koordinieren versu-chen und dabei die Balance zwischen notwendigerDisziplin und erforderlicher Autonomie, zwischenfestgelegten Regeln und spontaner Reaktion, zwi-schen Kontrolle und Chaos finden.

Dieses Spannungsverhältnis produktiv zu nutzen istnicht einfach und braucht Absprachen und Struktu-ren, in die alle Mitarbeiterinnen ihre Fähigkeiten undKenntnisse einbringen können. Dies stellt sicherlicheine große Herausforderung, aber auch eine Chancefür die Kindertageseinrichtungen und deren Leitungdar.

Es sei an dieser Stelle nur kurz darauf verwiesen,dass Leitung diesen Anforderungen besser gerechtwerden kann, wenn vom Träger ein angemessenerStundenanteil für die Leitungsaufgaben zur Verfügunggestellt wird, wie die Erfahrungen aus dem Erpro-bungsprojekt sehr deutlich zeigen. Im Abschnitt »Äus-sere Bedingungen des Gelingens« wird dazu nochmehr zu sagen sein.

Fassen wir zusammen:Was sind aus Leitungssicht die Aufgaben, die beider Umsetzung des infans-Konzepts der Leitung zu-kommen? Welche Bedingungen für das Gelingenkönnen Leitungen schaffen?

Im Rahmen des Badischen Teilprojekts »Bildungs-stätte Kindertageseinrichtung« haben wir zu dieserFrage ein Interview mit der Leiterin und dem stell-vertretenden Leiter der Kindertagesstätte Rieselfeldin Freiburg geführt, Frau Claudia Frey und HerrnMichael Wagner.

Hier ihre zentralen Aussagen:

Die Leitung der Kindertageseinrichtung:

• muss selbst vom Bildungs- und Erziehungskon-zept überzeugt sein,

• schafft den organisatorischen Rahmen für dieUmsetzung der einzelnen Handlungsschritte,

• achtet darauf, dass das Bildungsthema im Fokusbleibt,

• ist das »Gedächtnis« des Teams,• erkennt die »Stärken« der Mitarbeiter/innen und

nutzt dies für die Personalentwicklung,• konfrontiert das Team mit Erwartungen und klärt

Unterstützungsbedarf,• stellt Erfolg in Aussicht (Anerkennung im Gemein-

wesen als Bildungseinrichtung), • lässt sich auf einen längeren Prozess ein und hat

Geduld,• verknüpft das Bildungs- und Erziehungskonzept

ggf. mit dem Qualitätsmanagementsystem,• Leiter/in und Stellvertreter/in sind selbst ein Team

und lassen sich nebeneinander bestehen.

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ich

Spra

che

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Bild

ungs

bere

ich

Logi

k un

d M

athe

mat

ik

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Bild

ungs

bere

ich

Bew

egun

g

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Bild

ungs

bere

ich

Mus

ik

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Bild

ungs

bere

ich

Sozi

ale

Bezü

ge

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Bild

ungs

bere

ich

Mec

hani

k un

d Ko

nstru

ktio

n

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Bild

ungs

bere

ich

Wis

sens

chaf

t

0

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

Bild

un

gs

be

reic

h S

pra

ch

e (

bitte

ank

reuz

en, w

as z

utrif

ft)

1.

Zeig

t das

Kin

d be

im G

esch

icht

ener

zähl

en P

hant

asie

und

O

rigin

alitä

t?

2.

Spric

ht e

s hä

ufig

und

in fa

st in

jede

r Situ

atio

n?

3.

Spric

ht e

s üb

er lä

nger

e D

auer

in e

inig

en S

ituat

ione

n?

4.

Erzä

hlt e

s ge

rn G

esch

icht

en ü

ber e

igen

e Ab

ente

uer o

der

selb

st e

rfund

ene

Ges

talte

n?

5.

Hör

t da

s Ki

nd g

ern

zu,

wen

n G

esch

icht

en e

rzäh

lt od

er

vorg

eles

en w

erde

n?

6.

Benu

tzt e

s m

anch

mal

übe

rras

chen

de S

prac

hbild

er (

z. B

. kö

nnte

es

eing

esch

lafe

ne F

üße

mit

Sp

rude

lwas

ser v

er-

glei

chen

)?

7.

Ist d

ie S

prac

he d

es K

inde

s au

sdru

cksv

oll?

Hat

sie

ein

en

ange

nehm

en R

hyth

mus

?

8.

Vers

ucht

das

Kin

d, s

eine

Abs

icht

en u

nd W

ünsc

he v

or-

zugs

wei

se s

prac

hlic

h da

rzus

telle

n? A

rgum

entie

rt es

da-

bei

und

vers

ucht

es,

and

ere

von

der

Ric

htig

keit

sein

er

Aktio

nen

zu ü

berz

euge

n?

9.

Zeig

t da

s Ki

nd

ein

gute

s G

edäc

htni

s fü

r Ei

ndrü

cke,

Er

fahr

unge

n un

d S

timm

unge

n?

10.

Vers

teht

das

Kin

d Sp

rach

äuße

rung

en v

on E

rwac

hsen

en

leic

ht?

11.

Fällt

es

dem

Kin

d le

icht

, ei

ne L

iste

sei

ner

Besi

tztü

mer

au

fzuz

ähle

n od

er e

ine

Weg

besc

hrei

bung

wie

derz

uge-

ben?

An

za

hl d

er

an

ge

kre

uzte

n F

rag

en

(R

oh

we

rt)

Pro

filw

ert

nac

h U

mre

chnu

ngst

abel

le

Wa

s f

ällt

Ihn

en

im

sp

rac

hli

ch

en

Be

reic

h n

oc

h p

os

itiv

au

f?

12.

13.

1

Page 126: Elementare Bildung

2

Bil

du

ng

sb

ere

ich

e/Z

ug

an

gsfo

rm

en

r K

ind

er a

b d

re

i J

ah

re

infans

Bild

un

gs

be

reic

h L

og

ik u

nd

Ma

the

ma

tik

(b

itte

ankr

euze

n, w

as z

utrif

ft)

1.

Zeig

t das

Kin

d In

tere

sse

an Z

ahle

n?

2.

Sorti

ert

das

Kind

ger

n O

bjek

te n

ach

ihre

n M

erkm

alen

(z.

B.

nach

For

m,

Farb

e, G

röße

, G

ewic

ht,

Zuge

hörig

keit

zu e

iner

G

esch

icht

e, e

tc.)?

3.

Spie

lt da

s Ki

nd g

ern

mit

Puzz

les?

Ist

es

darin

ges

chic

kt

und/

oder

aus

daue

rnd?

4.

Frag

t das

Kin

d hä

ufig

, wie

Din

ge fu

nktio

nier

en?

5.

Äuße

rt es

si

ch

gern

zu

G

röße

nver

hältn

isse

n (z

.B.

"Das

Fe

nste

r ist

grö

ßer a

ls d

as B

ild" o

der "

Der

Bau

m is

t wei

ter e

nt-

fern

t als

der

San

dkas

ten"

ode

r "D

ie L

atte

n im

Zau

n si

nd a

lle

glei

ch w

eit v

on e

inan

der e

ntfe

rnt",

etc

.)?

6.

Besc

hrei

bt d

as K

ind

gern

und

lei

cht

eine

Rei

henf

olge

von

Sc

hritt

en, d

ie z

ur V

orbe

reitu

ng e

iner

Akt

ivitä

t geh

ören

(z.

B.

wen

n Au

sflü

ge g

epla

nt s

ind

oder

wen

n da

s Ki

nd m

alen

ode

r ba

uen

möc

hte)

7.

Entw

icke

lt un

d be

nutz

t da

s Ki

nd S

trate

gien

, w

enn

es W

ett-

bew

erbs

spie

le m

it an

dere

n Ki

nder

n sp

ielt?

8.

Benu

tzt d

as K

ind

häuf

ig u

nd g

ern

quan

tifiz

iere

nde

Besc

hrei

-bu

ngen

(z.

B. "

Das

ist

ein

e la

nge

Ges

chic

hte"

ode

r "D

as i

st

eine

sch

wer

e Au

fgab

e" o

der

"Ges

tern

sin

d w

ir m

it de

m A

uto

sehr

sch

nell

gefa

hren

", et

c.)

9.

Benu

tzt

das

Kind

log

isch

e S

chlü

sse

(z.

B.

"Wen

n di

r da

s Bu

ch g

ehör

t, w

eil

dein

Nam

e da

rauf

ges

chrie

ben

ist,

und

wen

n ic

h m

eine

n N

amen

auc

h da

rauf

sch

reib

e, d

ann

gehö

rt m

ir da

s Bu

ch a

uch!

")?

An

za

hl d

er

an

ge

kre

uzte

n F

rag

en

(R

oh

we

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Pro

filw

ert

nac

h U

mre

chnu

ngst

abel

le

Wa

s fä

llt

Ihn

en

im

m

ath

em

ati

sc

h-l

og

isc

he

n B

ere

ich

n

oc

h

po

sit

iv a

uf?

10.

11.

Bild

un

gs

be

reic

h B

ew

eg

un

g (b

itte

ankr

euze

n, w

as z

utrif

ft)

1.

Imiti

ert

das

Kind

ger

n un

d le

icht

Bew

egun

gen

von

ande

ren

Per-

sone

n?

2.

Bew

egt s

ich

das

Kind

leic

ht u

nd fl

üssi

g?

3.

Bew

egt d

as K

ind

gern

und

leic

ht v

ersc

hied

ene

Körp

erte

ile e

inze

ln

für s

ich

(z.B

. Arm

e, B

eine

, Kop

f, R

umpf

, etc

.)?

4.

Bew

egt s

ich

das

Kind

ger

n un

d le

icht

im E

inkl

ang

mit

einf

ache

n od

er w

echs

elnd

en R

hyth

men

, ins

beso

nder

e be

i Mus

ik?

5.

Erpr

obt

das

Kind

sel

bst

Rhy

thm

en i

n se

iner

Bew

egun

g (z

.B.

Tanz

schr

itte,

vor

getä

usch

tes

Hin

ken,

Spr

inge

n, D

rehu

ngen

, etc

.) ?

6.

Lieb

t das

Kin

d Be

weg

ungs

spie

le?

7.

Bew

egt s

ich

das

Kind

leic

ht u

m H

inde

rnis

se h

erum

und

ver

mei

det

müh

elos

Zus

amm

enst

öße

mit

ande

ren

Kind

ern?

8.

Rea

gier

t da

s Ki

nd b

ei e

inem

Wec

hsel

in d

er A

rt de

r M

usik

(z.

B.

von

sanf

ter,

schw

eben

der

Mus

ik z

u R

ock-

Mus

ik)

mit

eine

r ad

ä-qu

aten

Ver

ände

rung

sei

ner B

eweg

unge

n?

9.

Benu

tzt

das

Kind

ger

n un

d le

icht

dra

mat

isch

e Kö

rper

gest

en z

ur

Dar

stel

lung

von

Stim

mun

gen,

Abs

icht

en o

der

zur

Illus

tratio

n vo

n G

esch

icht

en?

10.

Betä

tigt s

ich

das

Kin

d ge

rn u

nd g

esch

ickt

fein

mot

oris

ch?

11.

Sprin

gt d

as K

ind

gern

und

ges

chic

kt v

on e

rhöh

ten

Stan

dorte

n he

runt

er?

12.

Bala

ncie

rt da

s Ki

nd g

ern

auf

Balk

en,

Ste

gen

oder

kle

inen

Mau

-er

n?

An

za

hl d

er

an

ge

kre

uzte

n F

rag

en

(R

oh

we

rt)

Pro

filw

ert

nac

h U

mre

chnu

ngst

abel

le

Wa

s f

ällt

Ihn

en

im

Be

we

gu

ng

sb

ere

ich

no

ch

po

sit

iv a

uf?

13.

14.

Bild

un

gs

be

reic

h M

us

ik (

bitte

ank

reuz

en, w

as z

utrif

ft)

1.

Vers

ucht

das

Kin

d ge

rn,

neue

Mel

odie

n od

er R

hyth

men

wie

-de

rzug

eben

?

2.

Sing

t od

er s

umm

t das

Kin

d ge

rn M

elod

ien,

wen

n es

sic

h m

it an

dere

n D

inge

n be

schä

ftigt

?

3.

Hör

t das

Kin

d ge

rn M

usik

?

4.

Bevo

rzug

t da

s Ki

nd b

estim

mte

Stil

richt

unge

n in

der

Mus

ik

(Lie

der,

klas

sisc

he M

usik

, Pop

- ode

r Roc

kmus

ic, e

tc.)

5.

Lern

t das

Kin

d le

icht

und

ger

n ne

ue L

iede

r und

sin

gt g

ern

mit?

6.

Rea

gier

t das

Kin

d au

f Wec

hsel

im R

hyth

mus

ode

r im

Tem

po

von

Mus

ikst

ücke

n od

er a

uf W

echs

el d

er L

auts

tärk

e?

7.

Vers

ucht

das

Kin

d, e

inen

Rhy

thm

us o

der

ein

Tem

po h

alte

n (z

.B. d

urch

Klo

pfen

, Sta

mpf

en o

der V

okal

isat

ione

n)?

8.

Hat

das

Kin

d Sp

aß d

aran

, de

m W

echs

el v

on T

onhö

hen

zu

folg

en o

der s

ie n

achz

uahm

en?

9.

Hat

das

Kin

d Sp

aß d

aran

, den

Kla

ng e

inze

lner

Inst

rum

ente

zu

unte

rsch

eide

n un

d si

e (b

ei ä

ltere

n Ki

nder

n) a

uch

zu b

enen

-ne

n?

10.

Zeig

t das

Kin

d In

tere

sse

an d

en K

läng

en, d

ie m

it ve

rsch

iede

-ne

n G

egen

stän

den

erze

ugt w

erde

n kö

nnen

?

11.

Expe

rimen

tiert

das

Kind

ger

n se

lbst

mit

Klän

gen?

An

za

hl d

er

an

ge

kre

uzte

n F

rag

en

(R

oh

we

rt)

Pro

filw

ert

nac

h U

mre

chnu

ngst

abel

le

Wa

s f

ällt

Ihn

en

im

Be

reic

h d

er

mu

sik

alis

ch

en

Ko

mp

ete

nze

n

de

s K

ind

es

no

ch

po

sit

iv a

uf?

12.

13.

Page 127: Elementare Bildung

3

Bil

du

ng

sb

ere

ich

e/Z

ug

an

gsfo

rm

en

r K

ind

er a

b d

re

i J

ah

re

infans

Bild

un

gs

be

reic

h S

ozia

le B

ezü

ge

(bi

tte a

nkre

u-ze

n, w

as z

utrif

ft)1.

Is

t das

Kin

d ge

rn m

it an

dere

n Ki

nder

n zu

sam

men

und

sp

ielt

es g

ern

mit

ihne

n?

2.

Such

en a

nder

e Ki

nder

ger

n di

e G

esel

lsch

aft o

der d

ie

Näh

e de

s Ki

ndes

?

3.

Hilf

t das

Kin

d ge

rn u

nd k

ompe

tent

bei

Kon

flikt

en z

wi-

sche

n an

dere

n Ki

nder

n?

4.

Hilf

t das

Kin

d an

dere

n Ki

nder

n, w

enn

dies

e un

glüc

klic

h si

nd o

der A

ufm

erks

amke

it be

nötig

en?

5.

Hat

das

Kin

d Fr

eund

e?

6.

Vers

teht

es

dere

n Vo

rlieb

en b

zw. A

bnei

gung

en?

7.

Hör

t das

Kin

d hä

ufig

auf

mer

ksam

zu?

8.

Leite

t das

Kin

d hä

ufig

und

ger

n da

s Sp

iel a

nder

er K

inde

r an

?

9.

Verte

ilt e

s R

olle

n un

d w

erde

n di

ese

akze

ptie

rt?

10.

Zeig

t das

Kin

d Ve

rstä

ndni

s fü

r die

Gef

ühle

, Ged

anke

n un

d Fä

higk

eite

n an

dere

r Kin

der?

11.

Zeig

t das

Kin

d, d

ass

es s

eine

eig

enen

Fäh

igke

iten,

In

tere

ssen

und

Sch

wie

rigke

iten

kenn

t?

12.

Drü

ckt d

as K

ind

durc

h Sp

rach

e (o

der M

alen

ode

r Bas

teln

od

er a

usdr

ucks

volle

Ges

tik u

nd M

imik

, etc

.) se

ine

eige

-ne

n G

efüh

le u

nd E

rwar

tung

en le

icht

und

für a

nder

e na

chvo

llzie

hbar

aus

?

13.

Zeig

t das

Kin

d Se

lbst

vertr

auen

?

14.

Hat

das

Kin

d ei

nen

Sinn

für H

umor

?

15.

Ris

kier

t das

Kin

d M

isse

rfolg

e un

d ni

mm

t sie

ggf

. in

gute

r H

altu

ng h

in?

An

za

hl d

er

an

ge

kre

uzte

n F

rag

en

(R

oh

we

rt)

Pro

filw

ert

nac

h U

mre

chnu

ngst

abel

le

Wa

s f

ällt

Ihn

en

im

Be

reic

h d

er

so

zia

len

Ko

mp

ete

nze

n

de

s K

ind

es

no

ch

po

sit

iv a

uf?

16.

17.

Bild

un

gs

be

reic

h M

ec

ha

nik

un

d K

on

str

uk

tio

n

(bitt

e an

kreu

zen,

was

zut

rifft)

1.

Nim

mt d

as K

ind

gern

Din

ge a

usei

nand

er?

2.

Se

tzt d

as K

ind

dies

e G

egen

stän

de g

ern

und

gesc

hick

t wie

der

zusa

mm

en?

3.

Kons

truie

rt da

s Ki

nd g

ern

Bauw

erke

ode

r ein

fach

e M

asch

inen

(z

.B. m

it en

tspr

eche

nden

Bau

käst

en)?

4.

Zeig

t das

Kin

d ei

n Ve

rstä

ndni

s fü

r die

räum

liche

Ano

rdnu

ng v

on

Din

gen

oder

von

Tei

len

eine

s so

lche

n Ba

uwer

ks re

lativ

zue

in-

ande

r?

5.

Man

ipul

iert

das

Kind

ger

n un

d ge

schi

ckt k

lein

e Te

ile o

der

Obj

ekte

?

6.

Zeig

t das

Kin

d ei

ne g

ute

Auge

-Han

d-K

oord

inat

ion

(z.B

. bei

G

ebra

uch

eine

s H

amm

ers)

7.

Vers

teht

das

Kin

d di

e Be

zieh

ung

zwis

chen

den

Tei

len

eine

s G

anze

n un

d de

r Ges

amtk

onst

rukt

ion

(z.B

. ein

er e

infa

chen

Ma-

schi

ne, e

ines

Bau

kran

s od

er e

ines

Sch

aufe

lbag

gers

) und

wel

-ch

es d

ie F

unkt

ion

der T

eile

ist?

8.

Zieh

t das

Kin

d Sc

hlüs

se h

insi

chtli

ch s

olch

er B

ezie

hung

en v

on

Teile

n zu

eina

nder

aus

sei

nen

Beob

acht

unge

n?

9.

Benu

tzt d

as K

ind

die

Met

hode

von

Ver

such

und

Irrtu

m u

nd le

rnt

es d

adur

ch?

10.

Benu

tzt d

as K

ind

ein

syst

emat

isch

es V

orge

hen

beim

Lös

en

mec

hani

sche

r Pro

blem

e (z

.B. w

enn

Sch

raub

en n

icht

gre

ifen

oder

Tei

le n

icht

pas

sen)

?

An

za

hl d

er

an

ge

kre

uzte

n F

rag

en

(R

oh

we

rt)

Pro

filw

ert

nac

h U

mre

chnu

ngst

abel

le

Wa

s f

ällt

Ihn

en

im

Be

reic

h d

er

pra

kti

sc

h-m

ec

ha

nis

ch

en

Ko

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pe

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Page 135: Elementare Bildung

Soziografische Beobachtung

Erzieherin: Datum:

infans

Kind sucht Kontakt

Namen der Kinder

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Anzahl der passiven Wahlen

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Page 136: Elementare Bildung

Freunde und Beziehungen zu anderen Kindern

infans

Name des Kindes Geburtsdatum

Erzieherin Tagesdatum

Tragen Sie bitte aus dem Gruppensoziogramm die Anzahl der Kinder, von denen dieses Kind

gewählt wurde (Anzahl der passiven Wahlen) und die Anzahl der Kinder, die von diesem Kind

gewählt wurden (Anzahl der aktiven Wahlen) in die beiden Kästchen zusammen mit dem Datum

ein, an dem das Gruppensoziogramm erhoben wurde.

Datum des Gruppensoziogramms

Anzahl der passiven Wahlen

Anzahl der aktiven Wahlen

Notieren Sie nun auf der Grundlage Ihrer Beobachtungen, welches die Freunde/ Freundinnen des

Kindes sind. Was tun sie zusammen? Wie drückt das Kind seine Gefühle gegenüber seinen

Freunden/ Freundinnen aus?

Bitte fügen Sie ein Foto ein, das diese Freundschaft ausdrückt und schreiben Sie eine kleine

bezeichnende Anekdote auf.

12

Page 137: Elementare Bildung

Bildungsgeschichten des Kindes aus seiner Familie infans

Name des Kindes Geburtsdatum

Erzieherin Tagesdatum

Bitte nutzen Sie diesen Bogen, um Ihre Beobachtungen zu besonderen Interessen und

Erlebnissen Ihres Kindes festzuhalten. Was tut Ihr Kind zu Hause besonders gern und häufig? Mit welchen Materialien geht es bevorzugt um? Mit wem aus der Familie ist Ihr Kind besonders

gern zusammen? Was tut es mit seinen Freunden? Mit welchen Themen beschäftigt sich Ihr Kind derzeit zu Hause?

Sie können Ihre Beobachtungen in Form einer kurzen Anekdote aufschreiben und gegebenenfalls durch ein Foto ergänzen.

Auch Geschichten, die Sie mit Ihrem Kind bei direkten Kontakt zwischen Kindertagesstätte und Familie erlebt haben, zum Beispiel während der Eingewöhnung, bei gemeinsamen Ausflüge etc.

können Sie hier notieren.

13

Page 138: Elementare Bildung

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Page 139: Elementare Bildung

Erreichtes Prüfen – Qualitätsmessung und Qualitätsentwicklung

Die Ist-AnalyseAm Beginn jeder Qualitätsentwicklung steht die Einschätzung der eigenen Arbeit (Tietze, Viernickel 2002).Auch ein Kita-Team, das seine Arbeit zukünftig am infans-Konzept ausrichten will, sollte in einem erstenSchritt prüfen, von wo aus es startet. Während des Erprobungsprojekts stand den Projektkindertagesein-richtungen dafür ein Instrument zur Analyse des räumlichen und materiellen Angebots der Kindertagesstättezur Verfügung. Damit wurde zunächst der besonderen Bedeutung Rechnung getragen, die dem »Raum alsdrittem Erzieher« analog zur Reggio-Pädagogik auch im infans-Konzept zukommt. Es wird zukünftigen Schrittenüberlassen bleiben, diese ersten Fragen zur Einschätzung der Ausgangssituation um weitere zentrale Berei-che zu ergänzen.

Instrument zur Ist-Analyse

Name und Adresse der Kindertageseinrichtung: ____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

Datum der Erhebung: _________________________________________________

Raumaufteilung nach Bildungsinseln und Ausstattung dieser Bereiche

• Durch die Raumaufteilung und die Anordnung des Mobiliars in klar abgegrenzte Bereiche wird Kindernermöglicht, in kleinen Gruppen binnendifferenziert an ihren jeweiligen Themen zu arbeiten.Ja � Nein �

• Es gibt mindestens einen Bereich, der besonders zum forschenden Umgang mit Sachen auffordert (beob-achten, messen, experimentieren). Dieser Bereich ist in sich nach bestimmten Schwerpunkten untergliedert.Ausgerichtet an den Themen der Kinder werden diese Forschungsschwerpunkte über die Zeit geändert.Ja � Nein �

Es gibt Materialien und Einrichtungsgegenstände, an denen die Kinder einfache Naturgesetzmäßigkeitenerfahren, technische Funktionen ausprobieren und die Geographie unserer Erde selbst entdecken könnenund die sie zum Beobachten, Messen und Experimentieren herausfordern.

Waagen und Gewichte Ja � Nein �Hebel Ja � Nein �Flaschenzug Ja � Nein �Lupen Ja � Nein �Mikroskop Ja � Nein �Globus Ja � Nein �Spiegel Ja � Nein �Wassertablett (Montessori) Ja � Nein �Feuertablett (Montessori) Ja � Nein �

Welche sonstigen Materialien/Gegenstände befinden sich in den Forschungsecken der Kindertageseinrich-tung? Bitte benennen Sie diese Gegenstände:

____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

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Page 140: Elementare Bildung

Künstlerisch, kreativer Umgang mit Sachen

• Es gibt ein Atelier Ja � Nein �

• und ein Musikzimmer,Ja � Nein �

Falls Sie diese Fragen mit Ja beantworten konnten, schreiben Sie nun bitte auf, wie/womit dieses Atelierausgestattet ist:___________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

und wie/womit das Musikzimmer ausgestattet ist:

___________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

Praktischer Umgang mit Sachen

• Es gibt eine Werkstatt oder zumindest eine Werkbank mit Werkzeug (Scheren, Hammer, Säge etc.), diedie älteren Kinder selbständig auch außerhalb von Angeboten nutzen können. Ja � Nein �

Plätze für großräumige und differenzierte Bewegungen • Es ist mindestens ein eigens vorbereiteter Bewegungsraum/-bereich vorhanden.

Ja � Nein �

Falls Sie diese Fragen mit Ja beantworten konnten: Welche Erfahrungen können die Kinder in diesem Raumund in der Kindertageseinrichtung insgesamt machen, welche Dinge zur Entwicklung und Ausdifferenzierungihrer grobmotorischen Fähigkeiten stehen ihnen zur Verfügung?

Bälle verschiedener Größe und unterschiedlichem Gewicht Ja � Nein �Pedalos Ja � Nein �Sprungseile Ja � Nein �Schrägen Ja � Nein �Treppen Ja � Nein �Verschieden hohe Ebenen Ja � Nein �Schaukeln/Hängematten Ja � Nein �Bänke und Balken zum Balancieren Ja � Nein �Matratzen für Sprungübungen Ja � Nein �Sprossen- und/oder Kletterwände Ja � Nein �Schwungtücher Ja � Nein �

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Page 141: Elementare Bildung

Ggf. sonstige Ausstattungen des Bewegungsraums auflisten: _______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

• Falls Sie in der Kindertagesstätte nicht über einen Bewegungsraum verfügen, den die Kinder jederzeitnutzen können, sollten Sie sich die Gruppenräume bezogen auf die Bewegungsmöglichkeiten, die siebieten, besonders ansehen: Gibt es breite Flächen, auf denen keine Möbelstücke stehen? Sind die Räume und Flure nicht eng möb-liert? Können sich die Kinder auch im Gruppenraum einmal schnell und ausgelassen bewegen?

Ja � Nein �

• Es steht ein Raum mit einer Musikanlage zur Verfügung, der die Kinder einlädt, sich zu Musik zu bewegen.

Musikkassetten und CD’s liegen bereitmit klassischer Musik Ja � Nein �mit experimenteller und zeitgenössischer Musik Ja � Nein �mit Musik aus anderen Kulturen Ja � Nein �Dance floor music Ja � Nein �Utensilien wie bunte Tücher, Röcke, die die Lust derKinder an tänzerischen Bewegungen unterstützen Ja � Nein �

Gibt es Sonstiges, womit dieser Raum zum Tanzen ausgestattet ist, bitte benennen:_______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

Das Freigelände

• Das Freigelände ermöglicht den Kindern vielfältige und großräumige Bewegungen, es gibt dort nebenKlettergerüsten, Schaukeln, Rutschen auch größere und kleinere Schrägen, verschiedene Treppen, Hänge-brücken, einen freien Platz für Ballspiele, Möglichkeiten zum Balancieren etc. Ja � Nein �

• Für die Nutzung im Außengelände stehen den Kindern folgende Dinge zur VerfügungRoller Ja � Nein �Fahrräder Ja � Nein �Rollschuhe Ja � Nein �Skatbords zur Verfügung Ja � Nein �Bälle Ja � Nein �Pedalos Ja � Nein �Sprungseile Ja � Nein �Ggf. Sonstiges benennen:_______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

• Auch im Außenbereich der Kindertageseinrichtung gibt es Bereiche, in denen die Kinder ungestört ihrenjeweiligen Interessen nachgehen können, so zum Beispiel ein Platz ausschließlich zum Ballspielen, Tische,an denen gegessen, aber auch anderen Aktivitäten nachgegangen werden kann, Plätze mit Sand, aufdenen keine Klettergerüste, Schaukeln oder Rutschen stehen. Ja � Nein �

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Page 142: Elementare Bildung

Die Welt der Zeichen

• Es gibt mindestens einen Ort, an dem sich die Kinder mit Gesprochenem, Geschriebenem, mit der Weltder Zeichen und mit Bilderbüchern auseinandersetzen können. Ja � Nein �

Falls Sie diese Frage mit Ja beantworten konnten, schreiben Sie nun bitte auf, wie/womit dieser Ort der Sprache und des Lesens ausgestattet ist:Die Kinder haben die Möglichkeit, sich spielerisch mit den Buchstaben des Alphabets zu befassen.

Es gibt Buchstaben zum Drucken, zum Legen Ja � Nein �

Die Bedeutung der Buchstaben wird für die Kinder erfahrbar gemacht, zum Beispiel indem den Fotos der Kinder die Namenszüge in

Druckbuchstaben zugefügt werden Ja � Nein �Es gibt Tonkassetten mit Geschichten, Märchen und Gedichten. Ja � Nein �Es gibt darüber hinaus Lexika, illustrierte Fachbücher, Atlanten,die nicht speziell für Kinder hergestellt wurden, die die Kinderin ihrem Forschungsinteresse unterstützen und sie zur Ausein-andersetzung mit bestimmten Themen herausfordern. Ja � Nein �

• Es gibt eine gut sortierte Bibliothek mit Bilderbüchern zu den verschiedensten Themen Natur Ja � Nein �Geographie Ja � Nein �Straßenverkehr Ja � Nein �Technik Ja � Nein �soziale Beziehungen (Freundschaft, Konflikte) Ja � Nein �kritische Lebensereignisse (Krankenhaus, Geburt und Tod, Trennung der Eltern Ja � Nein �andere Kulturen (Schriftzeichen, Menschenmit unterschiedlichen Hautfarben, Kunst und Architektur, Religionen, Feste und Regeln anderer Kulturen) Ja � Nein �Es gibt eine funktionstüchtige Schreibmaschine Ja � Nein �und einen funktionstüchtigen Computer Ja � Nein �

• Neben Buchstaben finden die Kinder an diesem oder einem anderen Ort der Kindertagesstätte auchandere Zeichen und Symbole, so zum Beispiel

Musiknoten, Notenschlüssel Ja � Nein �Zahlen und andere mathematische Symbole Ja � Nein �

• Abgegrenzte Bereiche für darstellendes Spiel und Rollenspiele stehen zur Verfügung.Ja � Nein �

Es gibt vielfältige Utensilien zum Verkleiden.Ja � Nein �

Es gibt eine Puppenecke/einen Kaufmannsladen mit Gegenständen aus der Erwachsenenwelt. Ja � Nein �

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Page 143: Elementare Bildung

Falls Sie diese Fragen mit Ja beantworten konnten, schreiben Sie ggf. bitte auf, wie/womit diese Rollenspiel- und Theaterinseln sonst noch ausgestattet sind:____________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

Orte der Ruhe und der ungestörten Tätigkeit • Es gibt Flächen/Orte in den Gruppenräumen oder außerhalb, an denen Kinder bauen, gestalten oder

anderen Interessen und Aktivitäten in Ruhe und ungestört nachgehen können. Ja � Nein �

• Es gibt Orte der Stille zum Träumen, Entspannen und Nachsinnen (zum Beispiel einen eigenen Raum,Höhlen und Kuschelecken mit Vorhang versehen). Ja � Nein �

Zur Art der Präsentationen in den Räumen• An den Wänden, in Augenhöhe der Kinder, in Regalen, auf Konsolen werden zum Beispiel moderne

Kunst, Konstruktionszeichnungen, Landkarten, aber auch Schriftzeichen, Notenblätter, Architekturfotos,Exponante aus anderen Kulturen präsentiert.Ja � Nein �

• Materialien, Werkzeug, Spielzeug werden gut sichtbar in offenen Regalen in Schalen, offenen Körben,Schachteln, Setzkästen, Gläsern etc. angeboten. Ja � Nein �

• Die Materialien, Spielsachen und Bücher sind übersichtlich geordnet und sortiert, so dass die Kinder zurUmsetzung ihrer Ideen und Pläne leicht die geeigneten Dinge finden können. Ja � Nein �

Materialien und Spielmittel bieten jedem Kind komplexe vielsinnliche Erfahrungen

Abschließend geht es darum, die gesamte Ausstattung der Kindertagesstätte noch einmal in den Blick zunehmen und der Frage nachzugehen, welche komplexen und vielsinnlichen Erfahrungen die Kinder hiermachen können.

• Die Materialien und Dinge bieten dem Kind die Möglichkeit, komplexe Erfahrungen zu sammeln undBeschaffenheit und Zusammenhänge zu erkunden.Ja � Nein �

• Es gibt sogenanntes "wertloses" Recyclingmaterial (Papprollen, Korken, Kisten etc.) und Naturmateria-lien. Dinge also, deren Handhabung und Nutzung nicht einseitig festgelegt ist, die die Kinder in ver-schiedenster Weise nutzen können. Ja � Nein �

• Es gibt unstrukturierte formlose Spielmaterialien, die den Gestaltungswillen herausfordern und jederzeitgenutzt werden können (zum Beispiel Sand und Wasser, Knete, Ton).Ja � Nein �

• Es gibt Bausteine aus Holz und Plastik in den verschiedenen geometrischen Formen (Würfel, Zylinder,Pyramide, Kugel).Ja � Nein �

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Page 144: Elementare Bildung

• Die Kinder haben die Möglichkeit, Grunderfahrungen mit Naturelementen (Sand, Wasser, Luft, Feuer) zumachen. (Matsch- und Wasserbecken in den Räumen der Kindertageseinrichtung, frei zugängliche Was-serquelle).Ja � Nein �

• Es gibt verschiedene Materialien und Angebote, anhand derer die Kinder verschiedene Sinneserfahrun-gen machen können, im Bereich des

• taktilen Systems (Tasten/Fühlen, Oberflächensensibilität, Fähigkeit zur Gegenstandserkennung und zumSpüren von Körperzuständen): Gegenstände, die rund, andere, die spitz und/oder kantig sind, derenOberflächen glatt, rauh, stachlig sind, die sich kalt oder warm, weich oder hart anfühlen etc. Ja � Nein �Bitte unterstreichen Sie die für Ihre Einrichtung zutreffenden Erfahrungsangebote.

• olfaktorischen Systems: Möglichkeit, verschiedene Gerüche und Düfte wahrzunehmen, unter anderemGewürze, Kräutersäckchen, Duftgläser, Blumen, vielleicht Küchengerüche aus der hauseigenen Küche, einKräutergärtchen und duftende Blumen und Sträucher im Außengelände der Einrichtung etc.Ja � Nein �Bitte unterstreichen Sie die für Ihre Einrichtung zutreffenden Erfahrungsangebote.

• akustischen Systems: Es werden Klangerfahrungen und komplexe Hörerfahrungen ermöglicht. Es gibt dieMöglichkeit, zum Beispiel verschiedene Musikinstrumente selbst zu »spielen«, Glöckchen zum Klingen zubringen, mit dem mächtigen Klang eines Gongs zu schwingen oder in einem klassischen Orchesterstückverschiedene Klangfolgen wahrzunehmen. Musikkassetten nicht nur mit Kinderliedern, sondern auch mitklassischer Musik, mit den Werken zeitgenössischer Komponisten, mit Synthesizerklängen und mit Natur-geräuschen stehen zur Verfügung. Auch Hörerfahrungen außerhalb der Kita werden bewusst ermöglicht.Die Erzieherinnen nutzen zum Beispiel Gelegenheiten, mit den Kindern Konzerte zu besuchen (Orgelkon-zert in der Dorfkirche, Aufführungen für Kinder im Konzertsaal). Ja � Nein �Bitte unterstreichen Sie die für Ihre Einrichtung zutreffenden Erfahrungsangebote.

• visuellen Systems: Farbskalen, -kreise, -plättchen, Kunstpostkarten, Kunstbände, 3D Brillen, eine Digi-tal-kamera, ein Overheadprojektor, ein Lichttisch, Schattenrisse, Möglichkeiten für Schattenspiele, Röntgen-bilder, Computertomographien, Fotos mit den dazugehörenden Negativen, spiegelverkehrte Bilder etc. Ja � Nein �Bitte unterstreichen Sie die für Ihre Einrichtung zutreffenden Erfahrungsangebote.

• Das Angebot an Material und Spielmitteln wird variiert und/oder erweitert, in Orientierung an den aktu-ellen Spielideen der Kinder.Ja � Nein �

Zugänglichkeit und Verfügbarkeit• Die genannten räumlichen und materiellen Angebote sind für die Kinder frei zugänglich und verfügbar.

Falls es Ausnahmen von dieser Regel gibt, listen Sie diese bitte auf:______________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________________

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Page 145: Elementare Bildung

Individuelle Analyse der Erzieherinnen-Arbeitszeit

Einrichtung: .....................................................................

Name: .............................................................................. Datum:....................................................................

Autor: Martin Cramer

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Tätigkeitwas, mit wem, wie viele

KategorieArbeit mit Kinder, Arbeit

mit Erw., Afz

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Page 146: Elementare Bildung

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Page 147: Elementare Bildung

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Page 148: Elementare Bildung

24

Auswertung von: entwickelt in der Kita

Monat: Rieselfeld/ Freiburg i. Br.

Arbeitstage: 22 Autor: Michael Wagner

Anzahl Kinder: 12

Summe der Beobachtungen: 0

Name des Kindes Beo

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10 0 0 0 0 Themen:

11 0 0 0 0 Themen:

12 0 0 0 0 Themen:

Summen bitte vor Beginn der Monatsauswertung bilden

laufende Auswertung:

durchschnittliche Beobachtung pro Tag 0,0

durchschnittliche Anzahl der Reflex. pro Kind 0,0

Anzahl der Reflexionen im Monat 0

Anzahl der Reflexionen Gesamt 0

Page 149: Elementare Bildung

Bildungs- und Lerngeschichten

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Page 150: Elementare Bildung

Mit den »Bildungs- und Lerngeschichten« liegt nun-mehr neben dem infans-Konzept der Frühpädagogikdie ausgearbeitete Fassung einer zweiten Konzeptionvor, die als eine neue Grundlage für die pädagogischeArbeit in Kindertageseinrichtungen dienen kann. Unterder Leitung von Hans Rudolf Leu hat eine Arbeits-gruppe des Deutschen Jugendinstituts in Kooperationmit 25 Kindertageseinrichtungen das in Neuseelandvon Margaret Carr entwickelte Konzept der »LearningStories« für den Bereich der Kindertagesbetreuungin Deutschland aufgearbeitet und sowohl um Mate-rialien als auch um verschiedene inhaltliche Aspektebereichert. Das Ministerium für Bildung, Jugend undSport des Landes Brandenburg hat sich entschlos-sen, die »Bildungs- und Lerngeschichten« ebenso

wie das infans-Konzept in seine Reihe »ElementareBildung« aufzunehmen und damit insbesondere fürdas pädagogische Fachpersonal in BrandenburgerKindertageseinrichtungen zugänglich zu machen.

Von Seiten des Ministeriums wurde auch der Wunschan uns herangetragen, einen kurzen Text zur Einfüh-rung der »Bildungs- und Lerngeschichten« beizutra-gen, obwohl das im Deutschen Jugendinstitut erar-beitete Programm mit dem infans-Konzept in Bezugauf die gleiche Zielgruppe um Beachtung und ggfs.auch um Marktanteile konkurriert. Dieses auf denersten Blick sehr ungewöhnliche Anliegen verliert anBefremdlichkeit, wenn man weiß, dass infans mit derProjektgruppe des DJI von Beginn ihrer Arbeit an ver-

3

Vorwort zu den Bildungs-und LerngeschichtenHans-Joachim Laewen und Beate Andres

Page 151: Elementare Bildung

gleichsweise enge Arbeitskontakte unterhielt und dieeigenen Erfahrungen und Instrumente zur Verfügungstellte. Hintergrund dafür war (und ist) unsere Über-zeugung, dass die Frühpädagogik – insbesondere inihren Anwendungsaspekten – ein hochkomplexes Ge-biet darstellt, dessen Chancen unter einer Arbeits-perspektive allein kaum ausgeschöpft werden könnenund dessen Irrtumsrisiken ein isoliertes Vorgehenaus unserer Sicht von vorn herein verbieten. Wirbegrüßen deshalb die Existenz eines zweitenZugangs zu dieser Thematik ausdrücklich und gratu-lieren Hans Rudolf Leu und seinen Mitarbeiterinnenzu dem auch optisch gelungenen Band, der nunvorliegt. Das fällt uns umso leichter, als die grundle-gende Auffassung von Bildungsprozessen in beidenAnsätzen weitgehend identisch ist.

Natürlich interessieren uns aber auch Fragen danach,was die Kolleginnen anders gemacht haben, welchemöglicherweise unterschiedlichen Perspektiven aufKinder und ihre Bildungsprozesse aus ihrer Sicht alsbedeutsam gelten sollen und welche Schlüsse siedaraus für die Gestaltung der pädagogischen Arbeitin Kindertageseinrichtungen ziehen. Nun ist dies nichtder Ort für eine umfassende vergleichende Analyseder beiden Konzepte, aber erste Eindrücke zu Ähn-lichkeiten und Unterschieden sollen hier festgehaltenwerden. Vielleicht sind sie hilfreich für Leserinnen,wenn es um eine Entscheidung zugunsten des einenoder anderen Vorgehens geht.

Zunächst einmal: Beide Konzepte konfrontieren diepädagogische Praxis mit sehr großen Herausforde-rungen. Der schöne Titel der »Bildungs- und Lernge-schichten« sollte nicht darüber hinweg täuschen,dass es nicht um das Aufschreiben erbaulicher Ge-schichten aus dem Alltag einer Kindertageseinrich-tung geht. »Ziel ist es«, so schreiben die Autorinnen,»die Bildungs- und Lernwege der Kinder zu verste-hen, Kinder zu unterstützen und ihnen schrittweiseeine immer differenziertere Partizipation zu ermögli-chen.« (S. 48) Ebenso wie im infans-Konzept derFrühpädagogik werden dazu systematische Beob-achtungen erforderlich, ihre Dokumentation, ihreAuswertung im kollegialen Diskurs und eine daraufaufbauende pädagogische Planung. Die Arbeit zieltdarauf ab, »die Lerndispositionen (des Kindes, H.L.)zu unterstützen und dadurch seine Teilhabe im ge-sellschaftlichen Leben zu fördern.« (S. 48).

Diese Lerndispositionen sind ein spezifischer Bestand-teil des Konzepts und bilden den Kern der »Bildungs-und Lerngeschichten«. Sie spielen bei der Analysevon Beobachtungen eine zentrale Rolle und unter-scheiden das Vorgehen von dem des infans-Konzepts.

Zwar ist auch bei uns ein Teil der fünf Aspekte derLerndispositionen einbezogen, sie werden aber inandere Zusammenhänge gestellt. Das »Interessiertsein« und »Engagiert sein« eines Kindes in einerbeobachteten Situation wird zum Beispiel als Krite-rium für die weitere Bearbeitung der Beobachtunggenutzt und das »Sich ausdrücken und mitteilen«ist in der Erwartung des infans-Konzepts enthalten,dass Kinder dabei unterstützt und dazu herausge-fordert werden, ihre Themen und Interessen zu for-mulieren, also mitteilbar zu machen. Aber andersals im Konzept der »Bildungs- und Lerngeschichten«sind sie nicht zentrale Kategorien der Beobachtungs-analyse.

Darüber hinaus wird beim Lesen des Textes sehrschnell deutlich, dass die Einbindung des Kindes insoziale Zusammenhänge, wie sie sich im Neuseelän-dischen Curriculum widerspiegeln (Zugehörigkeit,Wohlbefinden, Exploration, Kommunikation, Partizi-pation) auch das grundlegende Thema der »Bildungs-und Lerngeschichten« ist. Während im infans-KonzeptBildung (des Kindes) und Erziehung (als Tätigkeitdes Erwachsenen) Individuen zugeordnet sind, dieihre Interaktionen aktiv, also ggfs. auch mit Anstren-gung, aufeinander beziehen, um einen authenti-schen, der Situation sozial angemessenen und sach-lich gehaltvollen Dialog führen zu können, scheintdieser Zusammenhang in den »Bildungs- und Lern-geschichten« schon vorausgesetzt. Kinder werdenvon Beginn an als Teil eines solchen (übergreifenden)Zusammenhangs gedacht, der durch die Erwachse-nen repräsentiert und strukturiert wird und zu demdas Kind partizipierenden und gestaltenden Zugangfindet. Der Zusammenhang selbst wird nicht in Fragegestellt. Möglicherweise folgerichtig erscheint ab-weichendes Verhalten – wie im Beispiel von Leon(S. 54f ) – dann eher als Gegenstand verhaltenskor-rigierender Maßnahmen und nicht als legitimer Aus-druck der Thematik eines Kindes, deren Sinn zu for-mulieren als Herausforderung an das Kind heranzu-tragen wäre.

In Neuseeland selbst wird eine Vorstellung einessolchen übergreifenden Zusammenhangs im natio-nalen Curriculum formuliert, dessen Inhalte undStrukturen das Projektteam jedoch mit Recht nichteinfach auf die hiesigen Verhältnisse übertragen hat.Eine vielleicht nicht vollständige Kompensation desdadurch notwendigerweise fehlenden Bezugs zu cur-ricularen Zielsetzungen wird inhaltlich durch denVerweis auf die Bildungs- und Erziehungspläne derBundesländer erreicht, methodisch u. a. mit Hinweisauf das Verfahren zur Zielbestimmung im infans-Konzept.

Vorwort zu den Bildungs- und Lerngeschichten

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Selbstverständlich glauben wir daran, dass unserefrühpädagogische Konzeption in der einen oder an-deren Hinsicht besser geeignet ist, die pädagogischeArbeit in Kindertageseinrichtungen auf ein höheresNiveau zu heben als wir dies den »Bildungs- undLerngeschichten« zutrauen. Aber jenseits eines sol-chen vermutlich nachvollziehbaren Stolzes auf dieErgebnisse der eigenen Arbeit erkennen wir an, dassdie Fokussierung von Beobachtung, Dokumentationund Interpretation auf die Lerndispositionen der Kin-der dem Repertoire fachlichen Handelns eine rele-vante Dimension hinzufügt, die Beachtung verdientund sich als ein weiterer Weg aus dem Dilemmaeiner unzureichenden Pädagogik der frühen Jahreerweisen kann.

In Kindertagesstätten, die mit dem infans- Konzeptarbeiten, haben die »Bildungs- und Lerngeschichten«bereits eine anregende Wirkung entfaltet. Erzieherin-nen haben begonnen, einzelne Aspekte und Darstel-lungsformen des anderen Konzepts in ihr eigenesVorgehen zu integrieren und die Portfolios der Kin-der um neue Elemente zu erweitern. So wurden bei-spielsweise vorliegende Beobachtungen und Indivi-duelle Curricula zusätzlich für das Kind und seineEltern als Lerngeschichten oder Briefe formuliert. Ne-ben den Bildungsprozessen des Kindes können indieser Form auch die ganz spezifische Beziehungder Erzieherin zu einem Kind und der emotionalenAnteil ihres gemeinsamen Tuns angesprochen werden.Die positiven Reaktionen und Rückmeldungen zeigen,dass diese Präsentationsform den Eltern den Zugang

zu den Bildungswegen ihres Kindes erleichtern unddie Fotodokumentationen um einen wichtigen Teilergänzen kann. Auch der Austausch mit dem Kindüber seine Lernschritte kann durch eine solche per-sönliche Darstellungsform bereichert werden.

Darüber hinaus zeigt sich, dass vorliegende Indivi-duelle Curricula von Erzieherinnen, die erfahren imUmgang mit dem infans-Konzept sind, durch eineEinschätzung der darin enthaltenen Lerndispositio-nen des Kindes sinnvoll ergänzt werden können.Inwieweit sich in diesem Punkt eine gewinnbringen-de Verknüpfungsmöglichkeit zwischen den beidenKonzepten bietet, werden weitere Erprobungen inder Praxis zeigen.

Darüber hinaus sollten nach einiger Zeit der Praxis-erfahrung sorgfältig konzipierte und durchgeführteEvaluationsstudien in der Lage sein, uns Auskunftüber mögliche, ggf. auch unterschiedliche Effekte derbeiden Konzepte auf die frühe Bildung von Kindernzu geben. Dann könnte eine Weiterentwicklung, viel-leicht auch eine Synthese beider Ansätze auf tragfä-higer Grundlage dazu beitragen, die aktuellen Defi-zite der öffentlich zu verantwortenden frühen Bildunggegenüber anderen europäischen Ländern vielleichtnicht nur auszugleichen. Mit diesem Ziel vor Augenwünschen wir dem Konzept der »Bildungs- und Lern-geschichten« die notwendige Beachtung im pädago-gischen Feld und hoffen auf einen relevanten Zuwachsan Erfahrung für die Profession.

Vorwort zu den Bildungs- und Lerngeschichten

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Anhang:Adressen und Materialien

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Konsultationseinrichtungen in Brandenburg

Märkisch-Oderland

Kita »Kinderland-Sonnenschein« Leiterin: Gitta Klemm Schwarzer Weg, 15324 Letschin Tel.: 033475/442

Oberspreewald-Lausitz

Kita »Rappelkiste« Leiterin: Heidrun Wetzk M. Gorki Str. 18, 03226 Vetschau Tel.: 035433/2331 Fax: 035433/55209 E-Mail: [email protected]

Oder-Spree

Kita »Haus der kleinen Strolche« Leiterin: Andrea Nöske Steinwinkel 1, 15569 Woltersdorf Tel.: 03362/79988-0 Fax: 03362/79988-22

DRK Kita »Biene Maja« Leiterin: Rosemarie Jurisch Rathenaustr. 3, 15848 Beeskow Tel.: 03366/20586 Fax: 03366/20586

Teltow-FlämingKita »Rappelkiste« Leiterin: Regina Handke Am Eiskutenberg 1, 15838 Wünsdorf Tel.: 033702/66505

Projektkitas in Brandenburg

Cottbus

»Freunde der Kita Freundschaft« e.V. Elfi Feurich Hufelandstr.10, 03050 Cottbus Tel.: 0355/421084 Fax: 0355/4854869

Montessori Kinderhaus Kerstin Schlegel Gerhard-Hauptmann Str. 8b, 03044 Cottbus Tel.: 0355/33424

Kita »Pfiffikus« Regina Bartsch Max-Grünebaum Str. 8, 03042 Cottbus Tel.: 0355/713520Fax: 0355/4938688

Familienkita Cottbus Elke Kaiser Sachsendorfer Wiesen 1-2, 03048 Cottbus Tel.: 0355/522254 Fax: 0355/522354 E-Mail: [email protected]

1

Adressen

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Potsdam

Kita Sternschnuppe Petra Martin Max-Born-Str. 19/21, 14480 Potsdam Tel.: 0331/623004 Fax: 0331/6001589 E-Mail: [email protected]

Kita Spatzenhaus Frau Thormeier Sonnentaustr. 2-4, 14478 Potsdam Tel.: 0331/870232

Kita »Hasenlaube« Elternvereinskita Heike Jurkutat Zeppelinstr. 121, 14471 Potsdam Tel.: 0331/973366 Fax: 0331/973366 E-Mail: [email protected]

Frankfurt/Oder

Kita »Spatzenhaus« Karin Muchajer Willichstr. 37/38, 15232 Frankfurt/ Oder Tel.: 0335/542181 Fax: 0335/5004924 E-Mail: [email protected]

Havelland

Kita »Knirpsenstadt« Ingrid Rösicke Werner Seelenbinder Str. 16, 14728 Rhinow Tel.: 033875/30479 Fax: 033875/30479

Haus »Regenbogen« Heike Krause Forstweg 8a, 14656 Brieselang Tel.: 033232/38853 Fax: 033232/38853

Märkisch-Oderland

Kita »Kinderland-Sonnenschein« Gitta Klemm Schwarzer Weg, 15324 Letschin Tel.: 033475/442

Kita Neuhardenberg Brunhilde Simke Mühlenweg 4, 15320 Neuhardenberg Tel.: 033476/301 Fax: 033476/301

Kinderhof-Reh-Kids Sylvia Kuchling Dorfstr. 7a, 15345 Werder Tel.: 033435/15395 E-Mail: [email protected]

Oberhavel

Kita »Mischka« Ute Köhler Gartenstr. 14, 16548 Glienicke Tel.: 033056/77609 Fax: 0331/6001589

Kita »Flax und Krümel« Annemarie Binkowski Rüdesheimer Straße 6-8, 16515 Oranienburg Tel.: 03301/3089

Oberspreewald-Lausitz

Kita »Rappelkiste« Heidrun Wetzk M. Gorki Str. 18, 03226 Vetschau Tel.: 035433/2331 Fax: 035433/55209 E-Mail: [email protected]

Oder-Spree

Kita »Anne Frank« Marion Sucker Splettstößer Str. 4, 15517 Fürstenwalde Tel.: 03361/2426 Fax: 03361/760664

Fürstenberger »Rasselbande« Anna Maria Abraham Herderstr. 1, 15890 Eisenhüttenstadt Tel.: 03364/72144 Fax: 0331/6001589

Adressen

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Page 156: Elementare Bildung

Kita »Haus der kleinen Strolche« Andrea Nöske Steinwinkel 1, 15569 Woltersdorf Tel.: 03362/79988-0 Fax: 03362/79988-22

DRK Kita »Biene Maja« Rosemarie Jurisch Rathenaustr. 3, 15848 Beeskow Tel.: 03366/20586 Fax: 03366/20586

Ostprignitz-Ruppin

Integrationskindertagesstätte Kyritz Ost Astrid Wittig Eichenweg 6, 16866 Kyritz Tel.: 033971/53422 Fax: 033971/30218 E-Mail: [email protected]

Potsdam-Mittelmark

Kita »Kükennest«Tamara Singer Kapuzinerweg 27, 14532 Kleinmachnow Tel.: 033203/22272

Teltow-Fläming

Kinderhaus »Blitz« Dagmar Wildgrube G.-Scholl-Str. 40, 14974 Ludwigsfelde Tel.: 03378/514272 Fax: 03378/200291 E-Mail: [email protected]

Kita »Rappelkiste« Regina Handke Am Eiskutenberg 1, 15838 Wünsdorf Tel.: 033702/66505

Kita »Gartenhäuschen« Monika Siemieniec Gartenstr. 16, 15834 Rangsdorf Tel.: 033708/20292 Fax: 033708/20292

Kita »Storchennest« Petra Wagner Lücke 1, 15806 Saalow Tel.: 03377/301060

Kita »Gänseblümchen« Regina Rauhut Treuenbrietzener Str. 60, 14913 Altes Lager Tel.: 03372/441844 oder 432626

Uckermark

Kita »Freundschaft« Marianne Hoffmann Friedhofstr. 19, 17291 Prenzlau Tel.: 03984/2666 Fax: 03984/75248 E-Mail: [email protected]

Kita »Uckis Spatzenhaus« Gisela Witze Friedrich-Wöhler-Str. 1a, 16303 Schwedt/ Oder Tel.: 03332/23002

Kita »Olga Benario« Dagmar Blasek Robert Koch Straße 5, 17268 Templin Tel.: 03987/3269

Adressen

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Page 157: Elementare Bildung

Im Projektverbund werden den beteiligten Kinderta-geseinrichtungen Leitlinien, Grundsätze und Verfah-rensweisen angeboten, die eine Neubegründungpädagogischen Handelns ermöglichen, unterstützenund herausfordern sollen. Insgesamt werden denKindertagesstätten zehn Bildungsmodule bereitge-stellt, die im Einzelnen wie folgt lauten:

Modul 1: Erziehungsziele klärenWas wollen wir tun und was ist unser Auftrag?Zusammentragen und Reflektieren der persönlichenZiele, der gesellschaftlichen Ziele und des gesetzli-chen Auftrags.

Modul 2: Themen zumutenWie können wir unsere Ziele in das pädagogischeGeschehen einbringen?Erziehung als Gestaltung der Umwelt und Zumutungvon Themen in der gestalteten Interaktion mit demKind:• Welche Erfahrungen (Raumgestaltung, Material,

Situationen, Ereignisse, zugemutete Themen)ermöglichen den einzelnen Kindern die Auseinan-dersetzung mit dem jeweiligen Erziehungsziel/Thema der Erwachsenen?

Modul 3: Erzieherinnen als ForscherinnenWas können wir tun, um jedes Kind besser kennenzu lernen?Sammeln von Informationen zu den Bildungsprozes-sen der Kinder:• Beobachten, gezielt wahrnehmen,• Sammeln von Aneignungs- – und Ausdrucksformen

der einzelnen Kinder.

Modul 4: Themen beantwortenWie können wir mit den Kindern über ihre Bildungs-themen »ins Gespräch kommen«?Aufgreifen der »Themen der Kinder« in der gestalte-ten Interaktion und durch Modifizierung des Raum –und Materialangebots: Die Kinder herausfordern,ihre Fähigkeiten und Kenntnisse zu nutzen und wei-ter auszudifferenzieren und den individuellen Erfah-rungen der Kinder einen kulturellen Sinn geben.

Modul 5: DokumentierenWie werden die Bildungswege der einzelnen Kinderund der pädagogische Prozess dokumentiert?Zusammenführen der Informationen zu den Bil-dungsprozessen der einzelnen Kinder in einem Port-folio:• die verschiedenen kontinuierlich durchgeführten

Beobachtungen, • Beiträge des Kindes ( zum Beispiel gemalte Bil-

der, Fotos von Bauwerken, Fotos).

Modul 6: Gemeinsam denken im TeamWie können wir die gesammelten Informationenauswerten und zum Bestandteil unserer pädagogi-schen Arbeit machen?Der regelmäßige fachliche Diskurs im Team:Was bedeutet das, was wir beobachtet haben? Welche Bildungsthemen verbergen sich hinter demTun der Kinder?Wie können wir das Kind zu einem nächsten Bil-dungsschritt herausfordern?Welche Unterstützung wäre gerade für dieses Kindangemessen?

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Das 10-Stufen-Projekt-Bildung

Page 158: Elementare Bildung

Modul 7: Der Dialog mit den ElternWie können wir mit den Eltern kooperieren, um dieBildungsprozesse der Kinder fundiert unterstützenzu können?Die Themen der Eltern wahrnehmen und beantwor-ten und die Eltern in die Bildungsarbeit der Kinder-tagesstätte einbeziehen:• durch wechselseitigen Austausch von Beobach-

tungen,• durch gemeinsame Interpretation von Beobach-

tungen,• über thematische und kindbezogene Ausstellungen.

Modul 8: Sich bilden oder die Qualifizierung desPersonalsWas brauche ich an Kenntnissen und Fähigkeitenfür meinen eigenen Bildungsprozess?Welche Kenntnisse brauchen wir als Team einer Kin-dertagesstätte für die Weiterentwicklung unserer Bil-dungsarbeit?Jede/r Erzieher/in nimmt mindestens einmal im Jahran einer externen mehrtägigen Fortbildung teil; dasThema wird im Team ausgewählt.Einmal jährlich finden Klausurtage in der Kinderta-gesstätte statt.Praxisberatung und andere Praxisunterstützungssys-teme werden genutzt etc.

Modul 9: Kooperation im Gemeinwesen aufbauenWer zieht mit uns an einem Strang?Kooperationen suchen, auf- und ausbauen:• mit den Grundschulen des Ortes, zu den Lehrerin-

nen und Lehrern der ersten Klassen,• mit Beratungs- und Frühförderstellen,• mit Tagesmüttern und Tagesvätern,• zu anderen Bildungsstätten im Ort.

Modul 10: Erreichtes prüfen – Qualitätsmessung undQualitätsentwicklungWas haben wir erreicht? Was müssen wir noch tun?Einmal pro Jahr wird geprüft,• ob die Erzieherinnen, die in den einzelnen Modu-

len beschriebenen Schritte umsetzen konnten,• was nicht erreicht werden konnte und als Aufgabe

für die Zukunft ansteht.

Das 10-Stufen-Projekt-Bildung

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Page 159: Elementare Bildung

Deutlich wird daran ein breiter Begriff von Allge-meinwissen, der auch Kompetenzen und Fähigkeitenmit einschließt, ganz im Sinne von Stehrs Definitionvon Wissen als der Voraussetzung zum sozialenHandeln. Alle genannten Gebiete sind wichtigeVoraussetzungen, um in der unmittelbaren sozialenUmgebung und in der Gesellschaft zurechtzukom-men. Zu einem so verstandenen Allgemeinwissen

gehören auch Anteile an implizitem Wissen, etwa imBereich der personalen Kompetenzen. Auch diesmarkiert einen qualitativen Unterschied gegenüberdem Spezialwissen, das im Wesentlichen aussemantisch explizierbarem Wissen besteht.

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prognosInfratest BurkeSozialforschung

Vier Felder des Allgemeinwissens

IInnssttrruummeenntteellllee KKoommppeetteennzzeenn AAllllggeemmeeiinnee GGrruunnddllaaggeenn uunndd KKuullttuurrtteecchhnniikkeenn:: Fremdsprachenkenntnisse,klassische Kulturtechniken, Logik, Kreativtechniken, Technikverständnis

UUmmggaanngg mmiitt IInnffoorrmmaattiioonnsstteecchhnniikkeenn:: Kenntnis moderner Medien, Beherr-schung von Programmen, gezieltes Suchen und Auswählen von Informa-tionen

PPeerrssoonnaallee KKoommppeetteennzzeenn PPeerrssöönnlliicchheess EErrffaahhrruunnggsswwiisssseenn:: Selbstbewusstsein. Identität, Handlungs-kompetenz, Selbstmanagement, Strukturierung, kulturelles Erleben, Umgangmit Gefühlen, Erfahrung von sozialer Zugehörigkeit, Umgang mit Tod,Ethik, Religion

PPeerrssöönnlliicchhee FFäähhiiggkkeeiitteenn zzuumm UUmmggaanngg mmiitt WWiisssseenn:: Neugier, Offenheit, kritische Auseinandersetzung, Reflexionsfähigkeit, Urteilsvermögen

SSoozziiaallee KKoommppeetteennzzeenn KKoommmmuunniikkaattiivvee KKoommppeetteennzzeenn:: Sprachliche Ausdrucksfähigkeit, Teamfähig-keit, Moderation, Selbstdarstellung, persönlicher Umgang innerhalb vonPartnerschaft und sozialen Beziehungen

SSoozziiaallee VVeerraannttwwoorrttuunngg:: Toleranz, Verantwortungsbereitschaft, Rücksicht,Solidarität, prosoziales Verhalten

IInnhhaallttlliicchheess BBaassiisswwiisssseenn IInnhhaallttlliicchheess WWiisssseenn üübbeerr aakkttuueellllee PPrroobblleemmee:: Bildung und Beruf, Ökologie,europäische Integration und weltweite Abhängigkeiten

IInnhhaallttlliicchhee GGrruunnddllaaggeenn:: Alltagswissen über Geld, Wirtschaft, Erziehung,Grundlagen aus Soziologie, Pädagogik, Geschichte, Religion, Literatur. Philosophie, Politik, Technik, Geographie, Biologie.

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