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ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU DES ZAHLENSYSTEMS von Rolf Waldi

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ELEMENTE

DER ZAHLENTHEORIE

UND

AUFBAU DES ZAHLENSYSTEMS

von

Rolf Waldi

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel I. Elementare Zahlentheorie§1 Grundlegende Regeln und Prinzipien 3 - 11§2 Teilbarkeit in Z 12 - 18§3 Primzahlen 19 - 24§4 Vollkommene Zahlen 25 - 30§5 Kongruenzrechnung 31 - 35§6 Lineare Kongruenzen 36 - 42§7 Der kleine Satz von Fermat 43 - 49§8 Summen von Quadraten 50 - 54§9 Pythagoras–Tripel 55 - 59

Kapitel II.Algebraische Grundbegriffe§1 Ringe und Korper 60 - 65§2 Restklassenringe und Polynomringe 66 - 73§3 Gruppen 74 - 79§4 Die prime Restklassengruppe modulo p 80 - 83

Kapitel III.Aufbau des Zahlensystems§1 Addition und Multiplikation naturlicher Zahlen 84 - 92§2 Der Ring der ganzen Zahlen 93 - 96§3 Die g–adische Darstellung naturlicher Zahlen 97 - 101§4 Die rationalen Zahlen 102 - 106§5 Die reellen Zahlen 107 - 113§6 Konvergente Folgen 114 - 120§7 Dezimalbruche 121 - 127§8 Die komplexen Zahlen 128 - 135

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Anhang A: Die Gleichung X3 + Y 3 = Z3

§1 Teilbarkeit in Integritatsbereichen 136 - 142§2 Euklidische Ringe 143 - 147§3 Imaginar – quadratische Zahlbereiche 148 - 152§4 Der Ring Z[−1

2+ i√

32

] 153 - 158§5 Die Gleichung X3 + Y3 = Z3 159 - 162

Anhang B: Quadratische Irrationalzahlen§1 Reel-quadratische Zahlkorper 163 - 168§2 Die Pell’sche Gleichung 169 - 175§3 Anwendungen der Pell’schen Gleichung 176 - 181§4 Kettenbruche 182 - 186§5 Periodische Kettenbruche u. quadr. Irrationalzahlen 187 - 191

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Kapitel I. Elementare Zahlentheorie

§1 Grundlegende Regeln und Prinzipien

Es wird vorausgesetzt, daß der Leser mit ganzen Zahlen rechnen kann undmit der Mengenschreibweise vertraut ist. Bis auf weiteres bedeuten kleineBuchstaben

a, b, c, . . . , x, y, z

ganze Zahlen, das heißt sie stehen fur

1, 2, 3, . . . (positive ganze Zahlen)0 (Null)−1,−2,−3, . . . (negative ganze Zahlen)

Die naturlichen Zahlen sind bei uns die Zahlen

0, 1, 2, 3, . . .

Ihre Gesamtheit wird mit N bezeichnet. Z steht fur die Gesamtheit allerganzen Zahlen

. . . ,−3,−2,−1, 0, 1, 2, 3, . . .

Wir werden von den folgenden Regeln fur das Rechnen mit ganzen ZahlenGebrauch machen:

Verknupfungsregeln der Addition(1) (a+ b) + c = a+ (b+ c) (Assoziativgesetz)(2) a+ b = b+ c (Kommutativgesetz)(3) a+ (−a) = 0 (−a ist inverses Element zu a bzgl. +)(4) 0 + a = a (0 ist neutrales Element bzgl. +)Daraus ergibt sich

(1.1) Satz. Jede Gleichung X + a = b mit a, b ∈ Z hat in Z eine Losung,und nur eine.Das soll heißen: Zu jedem Paar a, b ganzer Zahlen gibt es genau eine Zahlx ∈ Z, so daß x+ a = b.

Beweis.

Existenz: Setze x := b+ (−a). Dann ist (nach den Regeln (1) bis (4))

x+ a = (b+ (−a)) + a = b+ ((−a) + a) = b+ (a+ (−a)) = b+ 0 = 0 + b = b

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Eindeutigkeit: Sei y ∈ Z beliebig mit y + a = b. Dann ist

b+ (−a) = (y + a) + (−a) = y + (a+ (−a)) = y + 0 = y

Verknupfungsregeln der Multiplikation(5) (a · b) · c = a · (b · c) (Assoziativgestz)(6) a · b = b · a (Kommutativgesetz)(7) 1 · a = a (1 ist neutrales Element bzgl. ·)(8) a · b = 0 dann u. nur dann, wenn a = 0 oder b = 0

Distributivgesetz(9) a · (b+ c) = (a · b) + (a · c)Fur a+ (−b) schreibt man auch a− b. Dann gilt auch

a · (b− c) = (a · b)− (a · c)

Wir verwenden gelegentlich die Abkurzungen

”=⇒“ fur

”daraus folgt“,

”⇐⇒“ fur

”genau dann wenn“, und

”:= “ fur

”ist definitionsgemaß gleich“.

(1.2) Kurzungsregel. Aus a · b = a · c und a 6= 0 folgt b = c.

Beweis. a · b = a · c =⇒ (a · b)− (a · c) = (a · c)− (a · c) = 0 =⇒ a · (b− c) (9)=

(a ·b)−(a ·c) = 0(8)

=⇒ b−c = 0 =⇒ c = (b−c)+c = b+((−c)+c) = b+0 = b.Da fur Addition und Multiplikation das Assoziativgesetz gilt, kann man sichviele Klammern sparen: Schreibe:

a+ b+ c fur (a+ b) + c

a · b · c fur (a · b) · cDamit sind auch endliche Summen und Produkte ohne Klammern erklarbar:a1 + a2 + a3 + a4 := (a1 + a2 + a3) + a4...a1 + a2 + . . .+ an−1 + an := (a1 + . . .+ an−1) + an

a1 · a2 · a3 · a4 := (a1 · a2 · a3) · a4...a1 · a2 · . . . · an−1 · an := (a1 · . . . · an−1) · an

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Durch die Regelung”Punktrechnung geht vor Strichrechnung“ konnen wei-

tere Klammern eingespart werden:

a · b+ c · d steht fur (a · b) + (c · d)

Ferner wird der Malpunkt oft weggelassen und man verwendet die abkurzendeSchreibweisen

k∑n=1

an := a1 + . . .+ ak;k∏

n=1

an := a1a2 . . . an; an = a · . . . a︸ ︷︷ ︸n-mal

Wichtig ist die

Formel fur die endliche geometrische Reihe

(1 + x+ x2 + . . .+ xn−1)(1− x) = 1− xn

Beweis.(1 + x+ . . .+ xn−1)(1− x) =1 + x+ x2 + . . .+ xn−2 + xn−1

−(x+ x2 + . . .+ xn−2 + xn−1 + xn)= 1 − xn

Anordnung der ganzen Zahlen. Z ist in naturlicher Weise angeordnet:

. . .− 5,−4,−3,−2,−1, 0, 1, 2, 3, 4, 5, . . .

Definition. a heißt kleiner als b(”a < b“) wenn a in der obigen Reihung

links von b steht. Schreibe auch a > b (a großer als b) falls b < a. Damit giltoffensichtlich: a > 0 genau dann, wenn −a < 0.

Anordnungsregeln(1) Es gilt entweder a > b oder a = b oder a < b(2) Aus a > b und b > c folgt a > c(3) Aus a > b folgt a+ c > b+ c(4) Aus a > b und c > 0 folgt ac > bc

Schreibweisena ≥ b steht fur

”a > b oder a = b“.

a ≤ b steht fur”a < b oder a = b“.

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Definition. Fur a ∈ Z definiert man den Betrag |a| von a als

|a| :={

a, falls a ≥ 0

−a, falls a < 0

Betragsregeln(1) |a| ≥ 0; |a| = 0⇐⇒ a = 0(2) |ab| = |a| |b|(3) |a+ b| ≤ |a|+ |b|Minimum und Maximum. Seien a1, . . . , an ganze Zahlen. Die kleinste derZahlen a1, . . . , an heißt das Minimum und die großte das Maximum vona1, . . . , an. Schreibe dafur Min(a1, . . . , an) bzw. Max(a1, . . . , an)

Grundprinzipien. Wir wollen das folgende Prinzip anerkennen:

(P) Prinzip vom kleinsten Element. Jede nicht leere Menge A vonnaturlichen Zahlen besitzt ein kleinstes Element, d.h.:Es gibt ein Element a0 ∈ A, so daß x ≥ a0 fur alle x ∈ A. Schreibe danna0 = MinA. Aus diesem Prinzip lassen sich weitere Grundsatze ableiten:A(x) bezeichne eine Aussage, die fur eine naturliche Zahl x zutreffen kann,d.h.:Fur x ∈ N gilt entweder A(x) oder A(x) gilt nicht.

Beispiele

a) A(x) sei die Aussage

”x ist eine gerade Zahl“.

Die Aussagen A(1), A(3), A(5) sind falsch.Die Aussagen A(2), A(4), A(6) sind wahr (richtig).

b) A(x) sei die Aussage

1 + 2 + 3 + . . .+ x =x(x+ 1)

2fur x ≥ 1

A(x) ist fur alle x ≥ 1 richtig, also allgemein gultig.

(G) Prinzip vom kleinsten Gegenbeispiel. Sei A(x) eine Aussage ubernaturliche Zahlen x ≥ a0. Ist A(x) nicht allgemein gultig, so gibt es dafur einkleinstes Gegenbeispiel. Das soll heißen:Ist A(x) falsch fur wenigstens ein x ≥ a0, so gibt es eine Zahl a ≥ a0, so daß

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gilt:(1) A(a) ist falsch.(2) A(x) ist richtig fur alle x ∈ N mit a0 ≤ x < a.

(G) ergibt sich leicht aus dem Prinzip vom kleinsten Element:Sei N = {x|x ∈ N, x ≥ a0 und A(x) ist falsch}. Nach Voraussetzung ist Nnicht die leere Menge ∅. Nach (P) existiert daher das Minimum a = Min N .Zeige nun, daß a die Bedingungen (1) und (2) erfullt.Zu (1): Wegen a ∈ N ist A(a) falsch.Wegen a = MinN ist(∗) x ≥ a fur alle x ∈ N .Zu (2): Sei x ∈ N mit a0 ≤ x < a. Wegen (∗) ist dann x 6∈ N . Nach Definitionvon N bedeutet dies, daß A(x) richtig ist.Aus dem Prinzip vom kleinsten Gegenbeispiel ergibt sich leicht das wichtigerePrinzip der vollstandigen Induktion.

(V) Prinzip der vollstandigen Induktion. Sei A(x) eine Aussage ubernaturliche Zahlen x mit folgenden beiden Eigenschaften:(i) A(0) ist richtig.(ii) Fur alle n ∈ N folgt aus der Richtigkeit von A(n) schon die Richtigkeitvon A(n+ 1).Dann ist A eine allgemein gultige Aussage, d.h.

A(x) ist richtig fur alle x ∈ N.Das Induktionsprinzip (V) laßt sich aus (G) herleiten:Sei A(x) eine Aussage mit den Eigenschaften (i) und (ii). Angenommen Aware nicht allgemein gultig. Dann gibt es gemaß (G) zu A ein kleinstes Ge-genbeispiel a, d.h.: A(a) ist falsch und A(b) ist richtig fur alle b < a. Wegen(i) ist dann a > 0, also a− 1 ≥ 0 ist eine naturliche Zahl. Nach Wahl von aist ferner A(a − 1) richtig. Wende nun (ii) auf n = a − 1 an: Aus der Rich-tigkeit von A(a− 1) folgt die Richtigkeit der Aussage A((a− 1) + 1) = A(a),Widerspruch!Also ist die Ausnahme

”A ist nicht allgemein gultig“ falsch, d.h. A ist allge-

mein gultig. Die Gultigkeit des folgenden Beweisprinzips ergibt sich ebenfallsaus dem Prinzip vom kleinsten Gegenbeispiel:

Schema eines Beweises durch vollstandige Induktion. Sei A(x) eineAussage uber naturliche Zahlen x mit x ≥ a0. Es soll gezeigt werden, daßA(x) fur alle x ≥ a0 richtig ist. Dazu geht man folgermaßen vor:

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(a) Man zeigt, daß A(a0) richtig ist (Induktionsbeginn).

(b) Man nimmt an, daß A(x) gilt fur alle x ∈ N mit a0 ≤ x ≤ n (Induk-tionsannahme (Induktionsbehauptung)).

(c) Man schließt aus (a) und (b), daß auch A(n + 1) gilt (Induktions-schluß).

Beispiele von Beweisen durch vollstandige Induktion

(a) A(x) sei die Aussage: 1 + 2 + . . .+ x = x(x+1)2

(a0 = 1)

Induktionsbeginn: A(1) : 1 = 1+12

ist richtig.

Induktionsannahme: Fur alle x ∈ N mit 1 ≤ x ≤ n giltA(x) : 1 + 2 + . . .+ x = x(x+1)

2.

Induktionsschluß: Nach Induktionsannahme ist A(n) richtig, d.h.

1 + 2 + . . .+ n = n(n+1)2

Es folgt1+2+ . . .+n+(n+1) = n(n+1)

2+(n+1) = n(n+1)+2(n+1)

2= (n+2)(n+1)

2=

(n+1)((n+1)+1)2

, d.h. A(n+ 1) ist richtig.

(b) Der binomische Lehrsatz. Seien n und ν ∈ N.

Fakultaten: 0! := 1; n! := 1 · 2 · 3 · . . . · (n− 1)n fur n ≥ 1(1! = 1; 2! = 1 · 2 = 2; 3! = 1 · 2 · 3 = 6; 4! = 1 · 2 · 3 · 4 = 24, . . .)

Binomialkoeffizienten:

(n0

):= 1 und

(nν

):= n(n−1)·...·(n−ν+1)

ν!fur

ν ≥ 1

1.3 Regel.

(a)

(nn

)= 1,

(nν

)= 0 fur ν > n und

(nν

)= n!

ν!(n−ν)!fur 0 ≤ ν ≤ n

(b)

(nν

)=

(n

n− ν)

fur 0 ≤ ν ≤ n

(c)

(n

ν − 1

)+

(nν

)=

(n+ 1ν

)fur ν ≥ 1

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(d)

(nν

)∈ N.

Beweis.

(a)

(nn

)= n(n−1)·...·(n−n+1)

1·2·...·n = n·(n−1)·...·11·2·...·n = 1

ν > n =⇒ n+ 1 ≤ ν =⇒ n+ 1− ν ≤ 0 =⇒ n(n− 1) · . . . · (n− ν + 1)

enthalt 0 als Faktor =⇒(nν

)= 0

ν!= 0.

0 ≤ ν < n =⇒ n(n− 1) · . . . · (n− ν + 1) = n·(n−1)·...·(n−ν+1)·(n−ν)·...·2·1(n−ν)·...·2·1 =

n!(n−ν)!

=⇒(nν

)= n!

(n−ν)!ν!

(b) Nach (a) ist

(nν

)= n!

ν!(n−ν)!und

(n

n− ν)

= n!

(n−ν)! (n− (n− v))!︸ ︷︷ ︸ν

=

n!(n−ν)!ν!

=

(nν

)

(c)

(n

ν − 1

)+

(nν

)= n(n−1)·...·(n−(ν−1)+1)

(ν−1)!+ n(n−1)·...·(n−ν+1)

ν!=

n(n−1)·...·(n−(ν−1)+1)·(ν+n−ν+1)ν!

= n(n−1)·...·(n−ν+2)(n+1)ν!

= (n+1)n·...·((n+1)−ν+1)ν!

=

(n+ 1ν

)

(d) Beweise die folgende Aussage A(m) fur alle naturlichen m durch In-duktion nach m:A(m):

”Fur alle Paare n, ν naturlicher Zahlen mit n + ν = m ist(

)∈ N.“

Induktionsbeginn: m = 0 =⇒ n = ν = 0 =⇒(nν

)=

(00

)= 1 ∈ N

Induktionsannahme: A(x) ist richtig fur alle x ∈ N mit x ≤ m, d.h.:(nν

)∈ N fur alle Paare n, ν ∈ N mit n+ ν ≤ m.

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Induktionsschluß: Seien n, ν naturliche Zahlen mit n + ν = m + 1.

Es ist zu zeigen, daß

(nν

)∈ N.

Nach Definition ist

(n0

)= 1 ∈ N, und

(0ν

)= 0 fur alle ν ≥ 1

nach (a). Also kann man annehmen, daß n ≥ 1 und ν ≥ 1, insbes.m ≥ 1. Dann sind n − 1, ν − 1 und n − 1, ν Paare naturlicher Zahlenmit (n − 1) + (ν − 1) = m − 1 ≤ m und (n − 1) + ν = m ≤ m.

Nach Induktionsannahme sind daher

(n− 1ν − 1

)und

(n− 1ν

)aus N.

Aus Regel (c) folgt:

(nν

)=

(n− 1ν − 1

)+

(n− 1ν

)∈ N.

1.4 Der binomische Lehrsatz. Sei n ≥ 1 ganz. Dann gilt fur alle a, b ∈ Z

(a+b)n =n∑ν=0

(nν

)an−νbν = an+nan−1b+. . .+

(nν

)an−νbν+. . .+nabn−1+bn

Beweis. Durch Induktion nach n.

Induktionsbeginn: (a+ b)1 = a+ b =

(10

)a+

(11

)b

Induktionsannahme: 1.4 sei bewiesen fur alle Exponenten 1 ≤ x ≤ n:

(a+ b)x =x∑ν=0

(xν

)ax−νbν fur alle x ∈ N, x ≤ n

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Induktionsschluß: (von n auf n+ 1)

(a+ b)n+1 = (a+ b)(a+ b)n = (a+ b)n∑ν=0

(nν

)an−νbν =

= (an+1 +n∑ν=1

(nν

)aan−νbν) +

(n−1∑ν=0

(nν

)an−νbbν + bn+1

)

= an+1 +n∑ν=1

(nν

)an+1−νbν +

(n∑ν=1

(n

ν − 1

)an−(ν−1)bν + bn+1

)

= an+1 +n∑ν=1

[(nν

)+

(n

ν − 1

)]a(n+1)−νbν + bn+1

= an+1 +n∑ν=1

(n+ 1ν

)a(n+1)−νbν + bn+1

=n+1∑ν=0

(n+ 1ν

)a(n+1)−νbν

Dabei gilt die vorletzte Gleichung wegen 1.3c.

Anmerkung. Da die fur a und b verwendeten Rechenregeln (1) bis (9) auchfur reelle Zahlen a und b gelten, ist der binomische Lehrsatz auch fur a, b ∈ Rrichtig.

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§2 Teilbarkeit in Z

Bis auf weiteres stehen kleine Buchstaben fur ganze Zahlen.

Teilbarkeit. Sei a 6= 0. Eine Zahl b heißt durch a teilbar, wenn es ein qgibt mit b = qa. Wir sagen dann auch: a teilt b (ist ein Teiler von b) und bist ein Vielfaches von a.Wir schreiben dafur: a | b.Wenn a die Zahl b nicht teilt, schreiben wir: a - b.Ist a | b und b = qa, so ist q = b

aeindeutig durch das Paar a, b bestimmt.

Die trivialen Teiler von b sind ±b und ±1(b = 1 · b = b · 1 und b =(−1)(−b) = (−b)(−1)).

2.1 Regel

(a) Aus a | b folgt a | −b und −a | b und −a | −b und |a|∣∣ |b|.

(b) Aus a | b und b | c folgt a | c.(c) Aus a | b und c | d folgt ac | bd (insbes.: a | b =⇒ ac | bc).(d) Aus a | b und a | c folgt a | bx+ cy fur beliebige x, y.

(e) Aus ac | bc und c 6= 0 folgt a | b.

Beweis.

(a) b = qa =⇒ −b = (−q)a, b = (−q)(−a),−b = q(−a), |b| = |q| |a|(b) b = qa, c = rb =⇒ c = r(qa) = (rq)a =⇒ a | c(c) b = qa, d = rc =⇒ bd = (qa)(rc) = (qr)(ac) =⇒ ac|bd(d) b = qa, c = ra =⇒ bx+ cy = qax+ ray = (qx+ ry)a

(e) bc = q(ac), c 6= 01.2

=⇒ b = qa =⇒ a|bIst a 6= 0, so kann man b durch a immer mit Rest dividieren.

2.2 Division mit Rest. Sei a 6= 0 und b beliebig. Dann gibt es zu a, b genauein Zahlenpaar q, r mit

(∗) b = qa+ r und 0 ≤ r < |a|

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(a | b⇐⇒ r = 0).

Man nennt q den unvollstandigen Quotienten von b durch a, undr den Divisionsrest (Rest bei der Division von b durch a).

Beweis. 1. Existenz. Es genugt, dies fur a > 0 zu zeigen, denn: Wenna < 0, so ist −a > 0. Aus b = q(−a) + r mit 0 ≤ r < |a| = |− a| folgt:b = qa+ r, wobei q := −q.Fur u0 = −|b| ist b− u0a = b + |b|a ≥ 0. Also ist die Menge M := {b− ua |u ∈ Z und b − ua ≥ 0} ⊆ N nicht leer. Nach dem Prinzip vom kleinstenElement existiert somit eine kleinste naturliche Zahl r der Form

r = b− qa , q ∈ Z.

Wegen der Minimalitat von r ist r− a = b− (q+ 1)a < 0, also r < a. Damitist, wie gefordert

b = qa+ r und 0 ≤ r < a.

2. Eindeutigkeit. Sei b = qa+ r = q′a+ r′ mit 0 ≤ r < |a| und 0 ≤ r′ < a.Dann ist (q − q′)a = r′ − r und |r′ − r| < |a|. Es folgt q − q′ = 0, undr′ − r = 0 · a = 0, also r′ = r.

Der großte gemeinsame Teiler von zwei Zahlen.

2.3 Bemerkung. Ist a 6= 0 und b | a, so ist |b| ≤ |a|. Insbesondere kommenals Teiler von a nur die endlich vielen Zahlen ±1,±2, . . . ,±a in Frage.

Beweis. b | a =⇒ a = qb, q 6= 0, da a 6= 0 =⇒ |q| ≥ 1 =⇒ |a| = |q| |b| ≥ |b|.Nach dieser Bemerkung gibt es einen großten gemeinsamen Teiler von zweiZahlen a, b, welche nicht beide Null sind. Schreibe fur den großten gemeinsa-men Teiler (a, b) oder ggT (a, b). Mit anderen Worten:Der großte gemeinsame Teiler (a, b) von a und b ist die eindeutig be-stimmte naturliche Zahl d mit folgenden Eigenschaften:

(i) d | a und d | b(ii) Gilt t | a und t | b, so ist t ≤ d.

Ist (a, b) = 1 so heißen a und b teilerfremd. In der Tat sind dann +1 und−1 die einzigen gemeinsamen Teiler von a und b.

2.4 Satz. Seien a und b nicht beide 0 und d = (a, b). Dann gilt:

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(a) d ist die kleinste positive Zahl der Form ax+ by.

(b) Ist (a, b) = 1, so gibt es Zahlen x und y mit

ax+ by = 1

(c) Ist t gemeinsamer Teiler von a und b, so ist t ein Teiler von d.

Beweis. M+ = {ax + by | x, y ganz und ax + by > 0} ist nicht leer, daa2 + b2 ∈M+. Sei δ = MinM+. Zeige zunachst:

(1) δ | a und δ | b(2) t | a und t | b =⇒ t | δ

Sei δ = ax+ by

Zu (1) Dividiere a durch δ mit Rest: a = qδ+ r, 0 ≤ r < δ =⇒ r = a− qδ =a− q(ax+ by) = a(1− qx) + b(−qy) = ax′ + by′.

Es folgt r = 0, da δ = MinM+, und a = qδ, d.h. δ|a. Analog zeigt man, daßδ | b.Zu (2) t | a und t | b 2.1

=⇒ t | ax+ by = δ

Speziell gilt (2) fur t = d =⇒ d|δ =⇒ d ≤ δ. Nach (1) ist δ gemeinsamerTeiler von a und b, somit δ ≤ d. Es folgt d = δ, und (a) ist bewiesen.

(b) folgt aus (a).

Wegen (2) und δ = d gilt auch (c).

2.5 Korollar. M = {ax + by | x, y ∈ Z} ist die Menge der Vielfachen von(a, b).

Beweis. (a, b) = d | a und d | b 2.1=⇒ d | ax + by, d.h. ax + by ist Vielfaches

von d.

Nach 2.4 ist d von der Form d = ax0 + by0. Sei v = qd Vielfaches vond =⇒ v = a(qx0) + b(qy0) ∈M .

Das kleinste gemeinsame Vielfache von zwei Zahlen.

b heißt Vielfaches von a, wenn a | b.Definition. Seien a > 0 und b > 0. Eine Zahl m heißt kleinstes gemeinsa-mes Vielfaches von a und b, wenn m das kleinste unter den gemeinsamen

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positiven Vielfachen von a und b ist (es gibt solche Vielfache, etwa ab). Schrei-be dafur kgV (a, b).

2.6 Bemerkung. Seien a > 0 und b > 0. Dann gilt: Aus a|n und b|n folgtkgV (a, b) | n. In Worten: Jedes gemeinsame Vielfache von a und b ist einVielfaches von kgV (a, b).

Beweis. Sei m = kgV (a, b). Division mit Rest ergibt n = qm + r, 0 ≤ r <

m. =⇒ r = n− qm 2.1=⇒ a|r und b|r =⇒ r = 0 nach Definition von m.

2.7 Satz. Seien a > 0 und b > 0. Dann gilt

(a, b)kgV (a, b) = ab.

Beweis. Sei m = kgV (a, b). Aus a | ab und b | ab folgt nach 2.6: m | ab undg = ab

mist ganz. Es ist zu zeigen, daß g = (a, b).

a = g · mb, b = g · m

amit m

a, mb∈ Z, also gilt

(1) g | a und g | b.Aus t | a und t | b folgt b

t, at∈ Z und a | a b

t, b | ba

t

2.6=⇒ m | ab

t=⇒ t | ab

m= g

Also ist gezeigt:

(2) Aus t | a und t | b folgt t | g, insbesondere t ≤ g.

Aus (1) und (2) ergibt sich: g = (a, b).

Nach Satz 2.7 konnen wir den Begriff”kgV“ eigentlich wieder vergessen. Wir

notieren noch

2.8 Regeln fur den großten gemeinsamen Teiler. Sei a 6= 0.

(a) 1 ≤ (a, b) ≤ Min(|a|, |b|) falls auch b 6= 0 (folgt aus 2.3)

(b) (a, 1) = 1 (folgt aus a))

(c) (a, 0) = |a|, (−a, b) = (a, b) = (b, a) (klar)

(d) Fur c > 0 ist (ac, bc) = c · (a, b)(e) ( a

(a,b), b

(a,b)) = 1

(f) (a, b+ ax) = (a, b) fur alle x

(g) b | a =⇒ (a, b) = |b|

15

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(h) a | bc und (a, b) = 1 =⇒ a|c

Beweis.

d) d = (a, b) | a und d | b =⇒ dc | ac und dc | bc 2.4=⇒ dc | (ac, bc) =: δ

c | ac und c | bc 2.4=⇒ c | δ =⇒ δ

cist ganz. Es folgt: δ | ac =⇒ δ

c| a und

δ | bc =⇒ δc| b

δc| a und δ

c| b 2.4

=⇒ δc| d =⇒ δ | dc

dc | δ und δ | dc =⇒ dc = δ

e) (a, b) = ( a(a,b)· (a, b), b

(a,b)· (a, b)) d)

= (a, b)( a(a,b)

, b(a,b)

)Kurzen ergibt die Behauptung.

f) t | a und t | b 2.1=⇒ t | a und t | b+ax

2.1=⇒ t | a und t | (b+ax)−ax = b.

Also haben die Paare a, b und a, b+ax die gleichen gemeinsamen Teiler=⇒ (a, b) = (a, b+ ax)

g) a = bq =⇒ (a, b) = (bq, b · 1)d)=c)|b|(q, 1)

b)= |b|.

h) c = 0 =⇒ a | c. c 6= 0, a | ac, a | bc =⇒ a | (ac, bc) = |c|(a, b) = |c| =⇒a | c.

2.9 Der euklidische Algorithmus zur Bestimmung des großten ge-meinsamen Teilers von a und b.

Nach 2.8 konnen wir annehmen, daß a > b > 0. Man erhalt (a, b) nach demfolgenden Verfahren: Setze a0 := a und a1 := b.

1. Schritt. Dividiere a0 durch a1 mit Rest:

a0 = q0 · a1 + a2 mit 0 ≤ a2 < a1

Bleibt kein Rest, so ist a1 | a02.8

=⇒ (a, b) = (a0, a1) = a1 = b. Sonst gilt0 < a2 < a1 < a0.

2. Schritt. Dividiere a1 durch a2 mit Rest:

a1 = q1a2 + a3, 0 ≤ a3 < a2

Solange ein Rest bleibt fahrt man fort und kommt zum k–ten Schritt. Es ist0 < ak < ak−1 < . . . < a1 < a0.

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k–ter Schritt. Dividiere ak−1 durch ak mit Rest:

ak−1 = qk−1ak + ak+1, 0 ≤ ak+1 < ak

Wegen 0 ≤ ak+1 < ak < . . . < a1 < a0 = a muß das Verfahren abbrechen(und zwar nach hochstens a Schritten), d.h.: Es gibt eine Zahl n ≥ 1, so daß

(i) ak−1 = qk−1ak + ak+1, 0 < ak−1 < ak fur 1 ≤ k ≤ n− 1

(ii) an−1 = qn−1an (also an|an−1 und daher (an, an−1) = an).

Nach Regel f) gilt: (ak, ak−1) = (ak+1 + qk−1ak, ak) = (ak+1, ak) fur 1 ≤ k ≤n− 1. Also ist

(a, b) = (a1, a0) = (a2, a1) = . . . = (an, an−1) = an

Fazit.

(1) Ist b|a, so ist (a, b) = b.

(2) Ist b - a, so ist (a, b) der letzte Divisionsrest, der beim euklidischenAlgorithmus auftritt.

Rechenbeispiel. a = 531, b = 93 (siehe § 2)

531 = 5 · 93 + 66

93 = 1 · 66 + 27

66 = 2 · 27 + 12

27 = 2 · 12 + 3 letzter Divisionsrest

12 = 4 · 3

Also ist (531, 93) = 3.Sind a > 0 und b > 0 teilerfremd, so gibt es nach 2.4 b) Zahlen x und y, sodaß ax+ by = 1 ist. Mit Hilfe des euklidischen Algorithmus kann man solchex, y leicht berechnen.

Verfahren zur Losung der Gleichung aX + bY = 1, wenn (a,b) = 1ist.

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1. Schritt. Fuhre den euklidischen Algorithmus fur a, b durch (o.E. a > b).Erhalte Gleichungen (a0 = a, a1 = b).

a0 = q0a1 + a2

a1 = q1a2 + a3...

ak−2 = qk−2ak−1 + ak...

an−2 = qn−2an−1 + an an = (a, b)

an−1 = qn−1an

Im Falle (a, b) = 1 ist dabei an = 1, qn−1 = an−1.

2. Schritt. Bestimme rekursiv von unten nach oben fur k = n, n − 1, . . . z.Zahlen xk, yk, so daß

(∗) xkak−2 + ykak−1 = 1

Beginn der Rekursion. k = n : 1 · an−2 + (−qn−2)an−1 = 1. Im Fallk = n = 2 ist man fertig. Sei nun n ≥ k ≥ 3 und seien xk, yk mit derEigenschaft (∗) schon bestimmt. Setze die Gleichung aus dem EuklidischenAlgorithmus ak−1 = ak−3 − qk−3ak−2 in (∗) ein und erhalte

1 = xkak−2 + yk(ak−3 − qk−3ak−2)

= (xk − ykqk−3)ak−2 + ykak−3 = xk−1ak−3 + yk−1ak−2

Am Ende erhalt man fur k = 2

1 = x2a0 + y2a1 = x2a+ y2b

Rechenbeispiel. Zeige, daß (97, 44) = 1 und lose 97x+ 44y = 1

97 = 2 · 44 + 9

∣∣∣∣ 9 = 97− 2 · 44

44 = 4 · 9 + 8

∣∣∣∣ 8 = 44− 4 · 9

9 = 1 · 8 + 1

y 1 = 9− 1 · 8

Aus 1 = 9− 1 · 8 und 8 = 44− 4 · 9 folgt 1 = −44 + 5 · 9. Aus 1 = −44 + 5 · 9und 9 = 97− 2 · 44 folgt 1 = 5 · 97− 11 · 44.

Fazit: x = 5, y = −11 ist eine Losung der Gleichung 97x+ 44y = 1.

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§3 Primzahlen

Die Zahl 1 hat nur einen positiven Teiler, namlich 1. Jede Zahl a > 1 hatmindestens zwei positive Teiler: 1 und a.

Definition. Eine Primzahl ist eine Zahl a > 1, welche nur die Teiler 1 unda hat.

Beispiele. 2, 3, 5, 7, 11 sind Primzahlen.Im Folgenden ist der Buchstabe p den Primzahlen vorbehalten; ebenso be-deuten p1, p2, . . . oder p′, p′j, p

′′j , . . . stets Primzahlen.

3.1 Satz. Jedes a > 1 ist als Produkt von Primzahlen darstellbar (Primfak-torzerlegung von a):

a = p1 · p2 · . . . · pr =r∏

n=1

pn, r ≥ 1

Beweis. Fur a = p ist die Aussage offenbar wahr. Wir beweisen 3.1 durchvollstandige Induktion nach a.

Induktionsbeginn. a = 2 ist eine Primzahl.

Induktionsannahme. Sei a ≥ 3 und 3.1 bereits bewiesen fur alle b mit1 < b < a.

Induktionsschluß. Ist a Primzahl, so ist 3.1 richtig fur a. Sonst gibt es eineZerlegung a = a1a2 mit 1 < a1 < a und 1 < a2 < a.Nach Induktionsannahme haben a1 und a2 eine Primfaktorzerlegung; alsogilt dies auch fur a = a1a2.

Frage:”Wieviele“ Primzahlen gibt es?

3.2 Satz. (Euklid) Es gibt unendlich viele Primzahlen.

Beweis. Es ist zu zeigen: Zu jeder endlichen Menge von Primzahlen kannman eine weitere Primzahl finden. Seien also r ≥ 1 paarweise verschiedenePrimzahlen p1 . . . pr vorgegeben.Setze

a := 1 + p1 · . . . · prDann ist a > 1 und p1, . . . , pr sind keine Teiler von a (denn sonst ware etwapi ein Teiler von 1 = a− p1 · . . . · pr, Widerspruch.) Nach 3.1 ist aber a durch

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wenigstens eine Primzahl p teilbar. Diese kommt in der Menge {p1, . . . , pr}nicht vor.

3.3 Regel.

(a) Aus p - a folgt (p, a) = 1

(b) Aus p | ab folgt: p | a oder p | b.(c) Fur q > 1 gelte: Aus q | ab folgt q | a oder q | b. Dann ist q eine

Primzahl.

(d) Aus p |r∏

n=1

an folgt: p | an fur mindestens ein n.

(e) Aus p |r∏

n=1

pn folgt: p = pn fur mindestens ein n.

Beweis.

(a) p hat nur die positiven Teiler 1 und p und p - a. Es folgt (p, a) = 1.

(b) p - a (a)=⇒ (p, a) = 1

p | ab}

2.8=⇒ p | b.

(c) Ist q > 1 keine Primzahl, so schreibt sich q nach 3.1 in der Form q = p·r,p Primzahl, r ≥ 2. Also ist q | q = pr und q > p, q > r. Es folgt q - pund q - r.

(d) folgt aus (b) durch Induktion.

(e) p |r∏

n=1

pn(d)

=⇒ p | pn fur ein n =⇒ p = pn, da p 6= 1 und 1 und pn die

einzigen positiven Teiler von pn sind.

3.4 Bemerkung. Wegen Regel 3.3(b) und (c) hatte man”Primzahl“ auch

so definieren konnen: Eine Zahl p > 1 heißt Primzahl, wenn gilt:

Aus p | ab folgt: p | a oder p | b.

3.5 Satz. Die Zerlegung jeder Zahl a > 1 in ein Produkt von Primzahlen ist(bis auf die Reihenfolge der Faktoren) eindeutig.

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Beweis. Es genugt zu zeigen:

Aus a =r∏

n=1

pn =r′∏n=1

p′n mit p1 ≤ p2 ≤ . . . ≤ pr und p′1 ≤ p′2 ≤ . . . ≤p′r′ folgt:

r = r′ und pn = p′n fur alle n, 1 ≤ n ≤ r.

Beweis durch Induktion nach a.

Induktionsbeginn. Fur a = 2 muß offenbar r = r′ = 1 und p1 = p′1 = 2sein.

Induktionsannahme. Sei a > 2 und die Behauptung bereits bewiesen fur2, 3, . . . , a− 1.

Induktionsschluß. Ist a eine Primzahl, so ist r = r′ = 1 und p1 = p′1 = a,denn a hat keine echten Teiler (dies sind die von ±1 und ±a verschiedenenTeiler).Andernfalls sind r > 1 und r′ > 1 und

p′1

∣∣∣∣r∏

n=1

pn , p1

∣∣∣∣r′∏n=1

p′n.

Nach 3.3(e) gibt es dann n,m mit p′1 = pn und p1 = p′m. Wegen p1 ≤ pn =p′1 ≤ p′m = p1 folgt p1 = p′1. Wegen 1 < p1 < a folgt

1 <a

p1

=r∏

n=2

pn =r′∏n=2

p′n =: a′ < a, also 1 < a′ < a

Wende die Induktionsannahme an auf a′ und erhalte r = r′ und pn = p′n fur2 ≤ n ≤ r.p1 = p′1 wurde bereits gezeigt. Damit ist alles bewiesen.Man kann in der Primfaktorzerlegung noch gleiche Faktoren zusammenfassenund erhalt:

3.6 Korollar. Jede Zahl a > 1 besitzt genau eine Zerlegung

a = pm11 · pm2

2 · . . . · pmrr , p1 < p2 < . . . pr; mρ ≥ 1 fur ρ = 1, . . . , r.

(Wir sprechen auch von der kanonischen Zerlegung von a.)

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3.7 Bemerkung. Sei a =r∏

n=1

pmnn die kanonische Zerlegung von a > 1. Dann

sind die gesamten positiven Teiler von a die Zahlen

r∏n=1

plnn , wobei 0 ≤ ln ≤ mn fur 1 ≤ n ≤ r.

Insbesondere besitzt a genaur∏

n=1

(mn + 1) verschiedene positive Teiler.

Beweis. Offenbar sind die angegebenen Zahlen Teiler von a; sie sind nach 3.6paarweise verschieden; also stimmt die Anzahlaussage, falls a keine weiterenpositiven Teiler hat. Ist nun d | a, also a = dq, so gehen in d und in q nurPrimzahlen auf, die auch in a aufgehen. Also gilt

d =r∏

n=1

plnn , q =r∏

n=1

pknn =⇒r∏

n=1

pln+knn = dq = a =

r∏n=1

pmnn .

Wegen der Eindeutigkeit der Zerlegung folgt mn = ln + kn. Also ist

0 ≤ ln = mn − kn ≤ mn fur n = 1, . . . r.

Wenn die Primfaktorzerlegungen von a ≥ 1, b ≥ 1 schon vorliegen, so laßtsich (a, b) leicht bestimmen, ohne den euklidischen Algorithmus zu bemuhen.

3.8 Satz. Seien p1, . . . pr die verschiedenen Primteiler von ab, a > 1 undb > 1. Dann kommen auch in den Zerlegungen von a bzw. b hochstens diePrimzahlen p1, . . . , pr vor.

Schreibe:

a = pl11 · . . . · plrr , b = pm11 · . . . · pmrr , ln ≥ 0 , mn ≥ 0.

Dann gilt:

(a) (a, b) = pMin(l1,m1)1 · . . . · pMin(lr,mr)

r

(b) kgV (a, b) = pMax(l1,m1)1 · . . . · pMax(lr,mr)

r

Beweis.

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(a) Nach dem Beweis von 3.7 sind die positiven Teiler von a bzw. b dieZahlen

r∏n=1

pknn , 0 ≤ kn ≤ ln fur alle 1 ≤ n ≤ r, bzw.

r∏n=1

pknn , 0 ≤ kn ≤ mn fur alle 1 ≤ n ≤ r.

Die gemeinsamen positiven Teiler von a und b sind also die Zahlen

r∏n=1

pknn mit 0 ≤ kn ≤ Min(ln,mn) fur alle 1 ≤ n ≤ r

Die großte dieser Zahlen ist offenbarr∏

n=1

pMin(ln,mn)n .

(b) folgt aus (a) und der Formel kgV (a, b) · (a, b) = ab, denn Min(ln,mn) +Max(ln,mn) = ln +mn.

Der großte gemeinsame Teiler von mehr als zwei Zahlen.

Bezeichnung. Sind die Zahlen a1, . . . , ar(r ≥ 1) nicht alle 0, so wird ihrgroßter gemeinsamer Teiler mit (a1, . . . , an) bezeichnet. δ = (a1, . . . , ar) istalso die großte ganze Zahl mit δ | a1, . . . , δ | ar−1 und δ | ar.3.9 Satz. Seien a1 > 0, . . . , ar > 0, r ≥ 2. Dann gilt

(a) (a1, . . . , ar) = ((a1, . . . , ar−1), ar)

(b) Jeder gemeinsame Teiler von a1, . . . , ar teilt (a1, . . . ar).

Beweis. (Induktion nach r). Fur r = 2 ist (a) trivial und (b) gilt nach 2.4.

Induktionsannahme. Sei r ≥ 3, (a) und (b) bewiesen fur alle k mit 2 ≤k ≤ r − 1.

Induktionsschluß. Ist t gemeinsamer Teiler von a1, . . . , ar, so auch vona1, . . . , ar−1. Nach Induktionsannahme (b) ist daher t ein Teiler von(a1, . . . , ar−1) = a′. Ferner gilt t | ar. Nach (2.4) ist daher t | (a′, ar) =((a1, . . . , ar−1), ar). Setze δ := ((a1, . . . , ar−1), ar). Wegen t | δ ist t ≤ δ.Ferner gilt: δ | (a1, . . . , ar−1) und δ | ar und daher δ | a1, . . . , δ | ar−1 und

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δ | ar, d.h.: δ ist gemeinsamer Teiler von a1, . . . , ar.Damit ist gezeigt, daß δ der großte gemeinsame Teiler von a1, . . . , ar ist, und(a) ist bewiesen.Im Beweis haben wir gesehen, daß jeder gemeinsame Teiler t von a1, . . . , arauch δ teilt. Damit ist auch (b) bewiesen.

3.10 Korollar. Unter den Voraussetzungen von 3.9 ist (a1, . . . , ar) die klein-ste positive Zahl, welche sich in der Form schreibt

a1x1 + . . .+ arxr mit x1, . . . , xr ∈ Z.

Beweis. (Induktion nach r.) Fur r = 2 wurde dies in 2.4 gezeigt.

Nach Induktionsannahme ist δ′ := (a1, . . . , ar−1) die kleinste positive Zahlder Form δ′ = a1y1 + . . . + ar−1yr−1. Ferner ist nach Induktionsbeginn δ =(a1, . . . , ar) = ((a1, . . . , ar−1), ar) = (δ′, ar) von der Form δ = δ′x+ arxr.

Es folgt: δ = a1(y1x) + . . . + ar−1(yr−1x) + arxr ist von der gewunschtenGestalt.

Ist d = a1x1 + . . .+arxr > 0 mit x1, . . . , xr ∈ Z, so ist wegen δ | a1, . . . , δ | arauch δ | d , also δ ≤ d.

Mit Hilfe von 3.9 kann man auch (a1, . . . , ar) fur r ≥ 3 (iterativ) mit Hilfedes euklidischen Algorithmus bestimmen.

(a1, a2, a3) = ((a1, a2), a3)

(a1, a2, a3, a4) = (((a1, a2), a3), a4) usw.

Wir erwahnen noch ohne Beweis:

3.10 Korollar. Seien p1, . . . , ps die verschiedenen Primteiler des Produktsa1 · . . . · ar von positiven Zahlen a1, . . . , ar und

an = pl1,n1 · . . . · pls,ns , lm,n ≥ 0 fur 1 ≤ m ≤ s, 1 ≤ n ≤ r.

Setze lm := Min(lm,1, . . . , lm,r), 1 ≤ m ≤ s. Dann gilt

(a1, . . . , ar) = pl11 · . . . · plss .

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§4 Vollkommene Zahlen

Sei a > 0

T (a) bezeichnet die Anzahl der positiven Teiler von a.S(a) bezeichnet die Summe der positiven Teiler von a.Es ist also T (1) = S(1) = 1.Jede Zahl a > 1 hat eine eindeutige Darstellung

a =∏

p|aplp , wobei lp ≥ 1, falls p | a.

Im §3 haben wir gesehen: Die positiven Teiler von a sind die Zahlen der Form

(∗)∏

p|apmp , wobei 0 ≤ mp ≤ lp fur p | a.

Insbesondere gilt deshalb und wegen der Eindeutigkeit der Primfaktorzerle-gung fur a > 1

T (a) =∏

p|a(lp + 1).

Es folgt: T (ab) = T (a)T (b) falls a, b ≥ 1 und (a, b) = 1.

4.1 Satz.

S(a) =∏

p|a

plp+1 − 1

p− 1

Insbesondere: S(ab) = S(a)S(b), wenn (a, b) = 1.

Beweis. Nach der Formel fur eine endliche geometrische Reihe gilt (vgl. §1):

lp∑mp=0

pmp =plp+1 − 1

p− 1

Wegen (∗) folgt

p|a

plp+1 − 1

p− 1=∏

p|a

lp∑mp=0

pmp

=

0≤mp≤lpp|a

p|apmp

(∗)=∑

t|at>0

t = S(a)

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Dabei gilt das zweite Gleichheitszeichen nach dem Distributivgesetz.

Eine Zahl a heißt gerade, falls 2 | a und ungerade, falls 2 - a.

Definition. Eine Zahl a > 1 heißt vollkommen, wenn a mit der Summeseiner Teiler t 6= a ubereinstimmt, wenn also S(a) = 2a.

Beispiele. 6 = 1 + 2 + 3 und 28 = 1 + 2 + 4 + 7 + 14 sind vollkommen. Siesind die einzigen vollkommenen Zahlen ≤ 30. (Man prufe das nach.)

Frage 1. Wieviele vollkommene Zahlen gibt es?

Es ist 6 = 3·42

und 28 = 7·82

mit Primzahlen 3 = 22 − 1 und 7 = 23 − 1. Beidevollkommenen Zahlen ≤ 30 sind also gerade und von der Form

a =p(p+ 1)

2mit einer Primzahl p = 2n − 1, n ∈ N.

Wie der nachste Satz zeigt, ist dies kein Zufall.

4.2 Satz. Ist p = 2n−1, n ∈ N eine Primzahl, so ist p(p+1)2

eine vollkommenegerade Zahl. Sonst gibt es keine vollkommenen geraden Zahlen.

Beweis. a = p(p+1)2

= (2n−1)2n

2= 2n−1 · (2n − 1) = 2n−1 · p ist die kanonische

Zerlegung von a. Die verschiedenen Primteiler von a sind 2 und p. Nach 4.1ist daher

S(a) =2n − 1

2− 1· p

2 − 1

p− 1= (2n − 1)(p+ 1) = p(p+ 1) = 2a

Sei umgekehrt a gerade und vollkommen. Dann schreibt a in der Form a =2n−1 · u, wobei n > 1 und u ungerade ist. Nach 4.1 gilt

2nu = 2a = S(a) =2n − 1

2− 1· S(u) = (2n − 1)S(u)

Es folgt: S(u) = 2n·n2n−1

= u+ u2n−1

.

Insbesondere ist u2n−1

= S(u) − u ganz, also ist t0 = u2n−1

ein Teiler von u.Wegen n > 1 ist 2n − 1 > 1 und t0 ist ein von u verschiedener Teiler von u.

S(u) = u+ t0 =∑

t|ut = u+

t|ut6=u

t

Also hat u nur zwei Teiler, namlich u und t0.

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Es folgt: u ist eine Primzahl und t0 = 1. =⇒ u = 2n − 1, u ist eine Primzahlund a = 2n−1u = (u+1)

2u = (u+1)u

2.

Definition. Die Primzahlen der Form p = 2n − 1 heißen MersenneschePrimzahlen.Gabe es unendlich viele Mersennesche Primzahlen, so gabe es auch unendlichviele vollkommene Zahlen.

Frage 2: Gibt es unendlich viele Mersennesche Primzahlen?Diese Frage kann bis heute nicht beantwortet werden.

22 − 1 = 3 und 23 − 1 = 7 sind Primzahlen, 24 − 1 = 15 ist keine.25 − 1 = 31; 26 − 1 = 63 keine Primzahl, 27 − 1 = 127 Primzahl.

Man konnte vermuten: 2n − 1 ist Primzahl ⇐⇒ n ist Primzahl. Dies istfalsch: 211 − 1 = 2047 = 23 · 89 ist zusammengesetzt.

Beispiel einer sehr großen Mersenneschen Primzahl:

2132049 − 1 ist eine Primzahl mit 39751 Stellen.

Die eine Richtung der obigen Vermutung ist jedoch richtig:

4.3 Satz. Ist n keine Primzahl, so ist auch 2n − 1 keine Primzahl.

Beweis. Schreibe n = uv mit u > 1 und v > 1. Dann ist

2n − 1 = 2uv − 1 = (2u)v − 1

Nach der Formel fur die geometrische Reihe (x = 2u) gilt:

1 + 2u + (2u)2 + . . .+ (2u)v−1 =(2u)v − 1

2u − 1, also ist

2n − 1 = (2u − 1)(1 + 2u + (2u)2 + . . .+ (2u)v−1).

Wegen u > 1 und v > 1 ist 2u − 1 > 1 und 1 + 2u + . . . + (2u)v−1 > 1, und2n − 1 ist zusammengesetzt.

Anmerkung. Man kennt bis heute nur endlich viele Mersennesche Prim-zahlen, also auch nur endlich viele gerade vollkommene Zahlen. Ungeradevollkommene Zahlen sind uberhaupt keine bekannt. Man weiß auch nicht, obes welche gibt oder nicht.

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Multiplikative zahlentheoretische Funktionen

Definition. Sei f : N\{0} −→ C (eine”zahlentheoretische Funktion“.) Man

nennt f multiplikativ, wenn

f(ab) = f(a)f(b), falls (a, b) = 1

Beispiele.

(a) Die konstante Funktion f(n) = 1 ist offenbar multiplikativ.

(b) Die Identitat f(n) = n ist offenbar multiplikativ.

(c) Wie oben gezeigt wurde, sind S und T multiplikativ.

Die Aussage (c) folgt auch leicht aus dem folgenden allgemeinen Satz.

4.4 Satz. Ist f(n) eine multiplikative zahlentheoretische Funktion, so giltdies auch fur F (n) =

∑d|nd>0

f(d).

4.5 Korollar. S und T sind multiplikativ.

Beweis.

1. Fur T wende man 4.4 an auf f(n) = 1:F (n) =

∑d|n,d>0

f(d) = T (n) wegen f(n) ≡ 1. Aus f(n) multiplikativ

folgt F (n) multiplikativ.

2. Fur S wende man Satz 4.4 an auf f(n) = n:F (n) =

∑d|nd>0

f(d) =∑d|nd>0

d = S(n). Schließe wie in 1.

Beweis von Satz 4.4 Fur die Nullfunktion f(n) ≡ 0 ist nichts zu zeigen.Ist f 6= 0 und speziell n ∈ N mit f(n) 6= 0, so gilt

f(n) = f(n · 1) = f(n) · f(1).

Es folgt f(1) = 1 nach der Kurzungsregel.

Ist nun m = 1 oder n = 1, so ist F (n) = f(1) = 1 oder F (m) = f(1) = 1.In jedem Fall ist F (m · n) = F (m) · F (n). Sei also m > 1 und n > 1. Dannschreibt man im Fall (m,n) = 1

28

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n = pα11 · pα2

2 · . . . · pαrr ,m = pαr+1

r+1 · . . . · pαr+sr+s

mit paarweise verschiedenen Primzahlen p1, . . . , pr+s und αi ≥ 1 furi = 1, . . . , r + s.Die Teiler von n sind pβ1

1 · . . . · pβrr , 0 ≤ βi ≤ αi, i = 1, . . . , r.

Die Teiler von m sind pβr+1

r+1 · . . . · pβr+sr+s , 0 ≤ βi ≤ αi, i = r + 1, . . . , r + s.Durchlauft nun d1 die Teiler von n und d2 die Teiler von m, so durchlauftd1d2 die Zahlen

d = d1d2 = pβ1

1 . . . pβrr pβr+1

r+1 · . . . · pβr+sr+s , 0 ≤ βi ≤ αi, i = 1, . . . , r + s.

Dies sind gerade die Teiler von mn = pα−11 · . . . · pαr+sr+s .

Mit anderen Worten

d1|n,d2|md1>0,d2>0

f(d1d2) =∑

d|nmd>0

f(d) = F (nm)

Fur d1 | n und d2 | m gilt wegen (n,m) = 1 auch (d1, d2) = 1. Nach Voraus-setzung ist daher f(d1d2) = f(d1)f(d2) und

∑d1|n,d2|md1>0,d2>0

f(d1d2) =∑

d1|n,d2|md1>0,d2>0

f(d1)f(d2) =

d1|nd1>0

f(d1)

∑d2|md2>0

f(d2)

= F (n) · F (m). Damit ist F (nm) = F (n)F (m) gezeigt.

Anmerkung. Von ahnlicher Bauart wie die Mersenneschen Primzahlen sinddie Fermatschen Primzahlen: Eine Primzahl der Form p = 2s + 1 heißtFermatsche Primzahl.

Beispiele. 2 = 20 + 1, 3 = 21 + 1, 5 = 22 + 1, 17 = 24 + 1, 257 = 28 + 1sind Primzahlen, aber 9 = 23 + 1, 33 = 25 + 1, 65 = 26 + 1, 129 = 27 + 1sind keine.

Allgemein gilt

4.6 Satz. Ist s > 0 keine Potenz von 2, so ist 2s + 1 keine Primzahl.

Beweis. Schreibe s = 2t · v mit t ≥ 0, v > 1 ungerade und setze k := 2t.Die Formel fur die geometrische Reihe fur x = −2k ergibt

1− xv1− x = 1 + x+ x2 + . . .+ xv−1 = 1− 2k + 22k −+ . . .+ 2k(v−1) ∈ Z

29

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und

1− xv1− x =

1− (−2k)v

1− (−2k)=

1 + 2kv

1 + 2k=

1 + 2s

1 + 2k.

Also gilt 1 + 2k | 1 + 2s.Zeige noch, daß 1+2k 6= 1 und 1+2k 6= 1+2s. Dann ist 1+2s keine Primzahl.Aus v > 1, k ≥ 1 folgt 1 < 1 + 2k < 1 + (2k)v = 1 + 2kv = 1 + 2s.

Fazit. Als Fermatsche Primzahlen kommen nur die Zahlen 2(2t) + 1, t =0, 1, 2, . . . in Frage.

Stand der Wissenschaft: 3, 5, 17, 257, 216 + 1 = 65537 sind die einzigenbekannten Fermatschen Primzahlen. (232 + 1 ist zum Beispiel durch 641 teil-bar.)

Ein ungelostes Problem: Gibt es unendlich viele Fermatsche Primzahlen?

30

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§5 Kongruenzrechnung

Sei m > 0 fest vorgegeben. Nach §2 wissen wir: Jede Zahl a laßt sich aufeindeutige Weise durch m mit Rest dividieren, d.h.: Es gibt genau ein Zah-lenpaar q, r mit der Eigenschaft

(∗) a = qm+ r , 0 ≤ r < m

Definition. Zwei Zahlen heißen kongruent modulo m, wenn sie bei derDivision durch m den gleichen Rest lassen.Schreibe fur

”a ist kongruent zu b modulo m“ kurz

a ≡ b mod m.

Wenn klar ist, welches m gemeint ist auch: a ≡ b.a 6≡ b mod m bedeutet, daß a und b nicht kongruent modulo m (oder

”in-

kongruent modulo m“) sind.

Offenbar gilt

5.1 Bemerkung.”Kongruenz modulo m“ ist eine Aquivalenzrelation, d.h.

(a) a ≡ a mod m (Reflexivitat)

(b) a ≡ b mod m =⇒ b ≡ a mod m (Symmetrie)

(c) a ≡ b mod m und b ≡ c mod m =⇒ a ≡ c mod m (Transitivitat)

5.2 Bemerkung. Genau dann ist a ≡ b mod m, wenn m ein Teiler von a− bist.

Beweis. Sei a ≡ qm+ r, 0 ≤ r < m.a ≡ b mod m =⇒ b = q′m+ r =⇒ a− b = (q − q′)m =⇒ m | a− b.m | a− b =⇒ a− b = v ·m =⇒ b = a− vm = (q− v)m+ r =⇒ a ≡ b mod m.

Die moglichen Divisionsreste modulo m sind die m Zahlen 0, 1, . . . ,m − 1.Wir konnen also die ganzen Zahlen nach ihren Divisionsresten in m Klasseneinteilen:

Definition. Die Restklasse von a modulo m besteht aus allen Zahlen,welche modulo m den gleichen Divisionsrest haben wie a. Demnach gibt es

31

Page 33: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

genau m verschiedene Restklassen modulo m und verschiedene Klassen habenkeine Elemente gemeinsam.

Rest 0 haben : 0,±m,±2m,±3m, . . .Rest 1 haben : 1, 1±m, 1± 2m, 1± 3m, . . ....Rest r haben : r, r ±m, r ± 2m, r ± 3m, . . . (fur 0 ≤ r < m)...Rest m− 1 haben : m− 1,m− 1±m,m− 1± 2m,m− 1± 3m, . . .

Zahlenbeispiele. m = 2

Rest 0 mod 2 : 0,±2,±4, . . . haben die geraden ZahlenRest 1 mod 2 : 1, 1± 2, 1± 4, . . . haben die ungeraden Zahlen.

m = 7 : Identifiziere Z mit den Tagen”von Ewigkeit zu Ewigkeit“, genauer

von −∞ bis +∞, wobei 0 mit dem Tag der Geburt Christi gleichgesetzt wird.

n > 0 : n = n–ter Tag nach Christi Geburt.− n = n–ter Tag vor Christi Geburt.

Wir nehmen an: 0 war ein Sonntag (so genau weiß das niemand.)

Restklasse von 0 mod 7: Sonntage

−7, −14, −21, . . .0

+7, +14, +21, . . .

Restklasse von 1 mod 7: Montage

{1, 8, 15, 22, . . .−6, −13, −20, −27, . . .

...

Restklasse von 6 mod 7: Samstage

{6, 13, 20, . . .−1, −8, −15, . . .

Definitionsgemaß gehoren a und b zur gleichen Restklasse modulo m wenna ≡ b mod m.Man spricht daher auch von Kongruenzklassen modulo m anstelle vonRestklassen modulo m.Nach 5.2 gilt: a ≡ b mod m⇐⇒ m | a− b, d.h.Es gibt ein q ∈ Z mit b = a+ qm.Damit gilt

5.3 Bemerkung. Die Restklasse von a modulo m ist die Menge

{a+mq | q ∈ Z}

32

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Schreibe dafur auch a+mZ oder a+ (m).

Wir haben gesehen:

(1) Es gibt genau m verschiedene Restklassen modulo m.

(2) Jede Zahl gehort zu genau einer Restklasse modulo m.

Die Aussagen (1) und (2) zusammengenommen kann man auch so ausdrucken:Die Menge aller ganzen Zahlen ist die disjunkte Vereinigung der verschiede-nen Restklassen modulo m.

Definition. Eine Menge von Zahlen a1, . . . , am heißt vollstandiges Re-prasentantensystem (Restsystem) modulom, wenn a1+(m), a2+(m), . . . ,am + (m) gerade die m verschiedenen Restklassen modulo m sind, d.h. wenn

ai 6≡ aj mod m , falls i 6= j.

Beispiel. 0, 1, 2, . . . ,m−1 ist ein vollstandiges Reprasentantensystem modu-lo m. (Diese Zahlen sind selbst Divisionsreste und voneinander verschieden.)

5.4 Satz.

(a) Ist a1, . . . , am ein vollstandiges Restsystem modulo m, so gilt dies auchfur a1 + c, . . . , am + c(c ∈ Z). Insbesondere gilt nach dem Beispiel:Je m aufeinander folgende Zahlen bilden ein vollstandiges Restsystemmodulo m. Ein solches System mit – dem Betrag nach – moglichstkleinen Elementen ist die Menge der ganzen Zahlen großer als −m

2und

kleiner oder gleich +m2

.

Fur ungerades m sind dies die Zahlen

−m−12, −m−1

2+ 1, . . . ,−1, 0, 1, . . . , m−1

2

und fur gerades m die Zahlen

−m2

+ 1, −m2

+ 2, . . . , −1, 0, 1, . . . , m2

m = 7 : −3,−2,−1, 0, 1, 2, 3m = 8 : −3,−2,−1, 0, 1, 2, 3, 4

(b) Ist a1, . . . , am ein vollstandiges Restsystem modulo m und ist (k,m) =1, so ist auch a1k, a2k, . . . , amk ein vollstandiges Restsystem modulom.

33

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Beweis.

(a) Fur i 6= j ist ai 6≡ aj mod m, also m - (ai−aj) = (ai + c)− (aj + c)5.2

=⇒(ai + c) 6≡ (aj + c) mod m.

(b) aik ≡ ajk mod m =⇒ m | (aik − ajk) = (ai − aj)k, also m | (ai − aj)kund (m, k) = 1. Nach 2.8 h gilt daher m | (ai − aj) d.h. ai ≡ aj modm. Nach Voraussetzung ist dann i = j.

Im folgenden sei m > 0 fest vorgegeben, und”a ≡ b“ bedeute immer a ≡ b

mod m. Es soll gezeigt werden, daß man mit”≡“ wie mit einem Gleich-

heitszeichen umgehen darf.

5.5 Satz.

(a) a ≡ b =⇒ a± c ≡ b± c(b) a ≡ b =⇒ ac ≡ bc

(c) a ≡ b =⇒ an ≡ bn fur alle n ∈ N.

(d) Ist f(x) = c0 + c1x+ . . .+ cnxn eine Polynomfunktion in der Variablen

x, so folgt aus a ≡ b schon f(a) ≡ f(b).

Beweis.

(a) a ≡ b =⇒ m | (a− b) = (a+

(−) c)− (b+

(−) c) =⇒ a+

(−) c ≡ b+

(−) c

(b) a ≡ b =⇒ m | a− b =⇒ m | (a− b)c = ac− bc =⇒ ac ≡ bc

(c) (Induktion nach n) n = 0 : a0 = 1 ≡ 1 = b0

Induktionsannahme. Sei n ≥ 1 und an−1 ≡ bn−1 schon bewiesen.

Mit (b) folgt an = an−1a(b)≡ an−1b ≡ bn−1b = bn.

(d) Sei a ≡ b. Nach (b) und (c) gilt: cνaν ≡ cνb

ν , ν = 0, . . . , n

Induktion nach n. n = 0 : f(x) = c0 fur alle x =⇒ f(a) = c0 = f(b).Sei n ≥ 1 und c0 + c1a+ . . .+ cn−1a

n−1 ≡ c0 + c1b+ . . .+ cn−1bn−1 schon

gezeigt. Nach (a) gilt dann

f(a) = (c0 + c1a+ . . .+ cn−1an−1) + cna

n ≡ (c0 + c1b+ . . .+ cn−1bn−1)

+cnan ≡ (c0 + c1b+ . . .+ cn−1b

n−1) + cnbn = f(b)

34

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5.6 Satz. Sei c > 0 und a, b beliebig.

(a) ac ≡ bc mod m und (c,m) = 1 =⇒ a ≡ b mod m

(b) a ≡ b mod m⇐⇒ ac ≡ bc mod cm

(c) a ≡ b mod m,n | m und n > 0 =⇒ a ≡ b mod n

(d) a ≡ b mod m =⇒ (a,m) = (b,m)

Beweis.

(a) m | (ac− bc) = (a− b)c und (c,m) = 12.8

=⇒ m | a− b =⇒ a ≡ b mod m

(b) m | (a− b)⇐⇒ cm | c(a− b) = ac− bc⇐⇒ ac ≡ bc mod cm

(c) m | (a− b) und n | m =⇒ n | (a− b) =⇒ a ≡ b mod n

(d) b = a+mq2.8(f)=⇒ (b,m) = (a+mq,m) = (a,m).

Beispiel fur die Anwendung der Kongruenzrechnung.

Behauptung. 232 + 1 ist durch 641 teilbar und somit keine Primzahl.

Beweis. 641 = 640 + 1 = 5 · 27 + 1 =⇒ 5 · 27 ≡ −1 mod 641

=⇒ 54 · 228 = (5 · 27)4 ≡ (−1)4 = 1 mod 641641 = 625 + 16 = 54 + 24 =⇒ 54 ≡ −24 mod 641

}=⇒

−232 = (−24) · 228 ≡ 54 · 228 ≡ 1 mod 641 =⇒ 641 | 232 + 1

Fermat glaubte noch, daß alle Zahlen der Form Fn = 22n + 1 Primzahlensind. Dies ist auch fur n = 0, 1, 2, 3, 4 richtig:F0 = 21 + 1 = 3, F1 = 22 + 1 = 5, F2 = 24 + 1 = 17, F3 = 28 + 1 = 257,F4 = 216 + 1 = 65537, aber

641 | (232 + 1) = F5

Fermat hatte Unrecht. Bis heute sind keine weiteren Fermatschen Primzahlenbekannt.

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§6 Lineare Kongruenzen

Sei m > 0 und a, b beliebig. Wir wollen die Frage untersuchen, unter welchenBedingungen an a, b und m eine Zahl x0 existiert, so daß

ax0 ≡ b mod m.

Wenn ein solches x0 existiert, sagen wir: Die lineare Kongruenz

(∗) aX ≡ b mod m

in einer Unbestimmten X ist losbar (und zwar, indem man die Unbestimmtedurch die Zahl x0 ersetzt).

Ist x0 eine Losung der Kongruenz (∗), so ist auch jedes y aus der Restklassevon x0 modulo m eine Losung von (∗). (y ≡ x0 =⇒ ay ≡ ax0 ≡ b mod mnach 5.5 (b)).

Deshalb versteht man unter der Anzahl der Losungen von (∗) die Anzahlder verschiedenen Restklassen von Losungen. Dies ist auch die Anzahl derLosungen x0 mit 0 ≤ x0 < m.

Ferner gilt: Ist a0 ≡ a und b0 ≡ b, so hat a0X ≡ b0 mod m die gleicheLosungsmenge wie (∗). (Beweis: Ubungsaufgabe.)

6.1 Satz. Ist (a,m) = 1 so hat die lineare Kongruenz aX ≡ b mod m genaueine Losung. Also gibt es genau ein x0, 0 ≤ x0 < m mit ax0 ≡ b mod m.

Beweis. Nach 5.4(b) bilden a · 0, a · 1, . . . , a(m − 1) ein vollstandiges Rest-system modulo m. Also gibt es genau ein x0 mit 0 ≤ x0 < m, so daßax0 ≡ b mod m.

Beispiel. a = 10, b = 4,m = 7 : (a,m) = 1Betrachte die Kongruenz 10X ≡ 4 mod 7. Sie ist wegen 10 ≡ 3 mod 7aquivalent zur Kongruenz

3X ≡ 4 mod 7.

Berechne den Divisionsrest von 3x0 modulo 7 fur 0 ≤ x0 < 7.

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3 · 0 = 0 6= 43 · 1 = 3 6= 43 · 2 = 6 6= 43 · 3 = 9 ≡ 2 6= 43 · 4 = 12 ≡ 5 6= 43 · 5 = 15 ≡ 1 6= 43 · 6 = 18 ≡ 4 mod 7

Also ist x0 = 6 die einzige Zahl x0 mit 0 ≤ x0 < 7 und 3x0 ≡ 4 mod 7.Alle Losungen bilden die Restklasse von 6 modulo 7. Die Losungsmenge istalso

. . . ,−22,−8,−1, 6, 13, 20, 27, . . .

6.2 Satz. Die Kongruenz aX = b mod m ist genau dann losbar, (a,m) | b.Zusatz. Ist (a,m) | b, so bilden die Losungen von aX ≡ b mod m genau eineRestklasse modulo m

(a,m).

Zum Beweis von 6.2 zeigen wir zunachst

6.3 Lemma. Sei n ≥ 2 und a1, . . . , an nicht alle Null. Genau dann ist dielineare Gleichung

(∗∗) a1X1 + . . .+ anXn = c

in den Unbestimmten X1, . . . , Xn ganzzahlig losbar, wenn (a1, . . . , an) | c.Insbesondere gilt

• aX + bY = c losbar ⇐⇒ (a, b) | c• Ist (a, b) = 1, so ist aX + bY = c losbar fur alle c

Beweis von 6.3 Nach 3.10 besteht die Menge M = {a1x1 + . . . + anxn |x1, . . . , xn ∈ Z} gerade aus den Vielfachen von (a1, . . . , an). Also gilt:

(∗∗) ist losbar ⇐⇒ c ist Vielfaches von (a1, . . . an), d.h. (a1, . . . , an) | c.

Beweis des Satzes. aX ≡ b mod m ist losbar ⇐⇒ Es gibt ein x0 mitax0 ≡ b mod m⇐⇒. Es gibt ein x0 mit m | ax0 − b⇐⇒. Es gibt x0, y0 mit

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ax0 − b = my0 ⇐⇒. Es gibt x0, y0 mit ax0 + (−m)y0 = b. Letzteres ist nach6.3 damit aquivalent, daß (a,m) = (a,−m) | b.Beweis des Zusatzes. Sei (a,m) | b ; Wir setzen

a′ =a

(a,m), b′ =

b

(b,m)und m′ =

m

(a,m)

Dann gilt nach 5.6(b): ax0 ≡ b mod m⇐⇒ a′x0 ≡ b′ mod m′. Also stimmendie Losungsmengen von aX ≡ b mod m und von a′X ≡ b′ mod m′ uberein.Nun gilt aber nach 2.8(e) (a′,m′) = ( a

(a,m), m

(a,m)) = 1. Aus 6.1 folgt: Die

Losungsmenge von a′X ≡ b′ mod m′ besteht aus genau einer Restklassemodulo m′.

6.4 Korollar. Wir betrachten die lineare Gleichung

(L) aX + bY = c , a 6= 0 oder b 6= 0

(i) Ist d = (a, b) kein Teiler von c, so ist (L) nicht (ganzzahlig) losbar.

(ii) Ist d | c (etwa wenn (a, b) = 1), so ist (L) losbar.

(iii) Aus einem Losungspaar x0, y0 bekommt man wie folgt die Gesamtheitaller Losungen:

x = x0 + h · bd

, y = y0 − h · ad

durchlauft die Gesamtheit aller Losungen von (L), wenn h alle ganzenZahlen durchlauft.

Beweis von (iii). ax + by = ax0 + habd

+ by0 − habd = ax0 + by0 = c, somitsind die angegebenen Paare Losungen. Wir zeigen nun, daß jede Losung von(L) die angegebene Gestalt hat. Dazu konnen wir b 6= 0 annehmen.

Sei x, y ein Losungspaar von (L), also ax+ by = c = ax0 + by0 =⇒

ax ≡ c mod |b|ax0 ≡ c mod |b|

} 6.2=⇒

Zusatz x ≡ x0 mod |b|d

=⇒x = x0 + h b

dmit h ∈ Z =⇒ by = c− ax =

= c− a(x0 + h bd) = (c− ax0)− bha

d= by0 − bhad =

= b(y0 − had

) und b 6= 0 =⇒ y = y0 − had

.

38

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Spezialfall (a,b) = 1: Ist (a, b) = 1 und x0, y0 eine beliebige Losung vonaX + bY = c, so wird die Losungseinheit beschrieben durch die Formeln

x = x0 + hb, y = y0 − ha, h ∈ Z beliebig.

Der Chinesische Restsatz.

6.5 Lemma. Seien m1 > 0 und m2 > 0 teilerfremd. Dann haben die Kon-gruenzen

X ≡ a1 mod m1

X ≡ a2 mod m2

eine gemeinsame Losung.

Zusatz. Die Menge aller gemeinsamen Losungen besteht aus genau einerRestklasse modulo m1m2.

Beweis. Es sind z1, z2 zu finden, so daß a1 + z1m1 = a2 + z2m2. Dann istx = a1 +z1m1 = a2 +z2m2 eine gemeinsame Losung der obigen Kongruenzen.

Aquivalente Aufgabe: Finde z1, z2, so daß

a2 − a1 = z1m1 + z2(−m2).

Wegen (m1,−m2) = (m1,m2) = 1 gibt es nach 6.3 solche z1, z2.

Eindeutigkeit der Losung modulo m1m2: Wegen (m1,m2) = 1 gilt nach2.7: m1m2 = kgv(m1,m2).Sind x und y Losungen der beiden Kongruenzen, so ist x ≡ y ≡ a1 mod m1

und x ≡ y ≡ a2 mod m2, also m1 | (x − y) und m2 | (x − y). Nach 2.6 giltdaher m1m2 = kgV (m1,m2) | (x− y) =⇒ x ≡ y mod m1m2.Ist umgekehrt x gemeinsame Losung und y ≡ x mod m1m2, so gilt auchy ≡ x mod m1 und y ≡ x mod m2. Es folgt y ≡ x ≡ a1 mod m1, y ≡ x ≡ a2

mod m2, d.h. y ist ebenfalls gemeinsame Losung.

6.6 Der Chinesische Restsatz. Sei r ≥ 2 und seien m1, . . . ,mr positiv undpaarweise teilerfremd (d.h. (mi,mj) = 1 falls i 6= j). Dann hat das Systemvon Kongruenzen

(∗)

X ≡ a1 mod m1

X ≡ a2 mod m2...X ≡ an mod mn

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Page 41: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

eine gemeinsame Losung.

Zusatz. Die Menge der gemeinsamen Losungen besteht aus genau einer Rest-klasse modulo m = m1 · . . . ·mr.

Beweis. (Induktion nach r.) Fur r = 2 bewiesen in 6.5. Sei r > 2 und dieBehauptung sei fur r − 1 schon bewiesen.

Induktionsschluß: Es gibt nach Annahme eine Zahl a′, so daß die Losungs-menge von

(∗∗)

X ≡ a1 mod m1...

X ≡ ar−1 mod mr−1

aus allen Zahlen x mit x ≡ a′ mod (m1 · . . . ·mr−1) besteht.

M.a.W.: Die Losungsmenge von (∗∗) stimmt mit der Losungsmenge der Kon-gruenz X ≡ a′ mod (m1 · . . . ·mr−1) uberein.Daher stimmt die Losungsmenge von (∗) mit der Losungsmenge von

(∗ ∗ ∗){X ≡ a′ mod (m1 · . . . ·mr−1)X ≡ ar mod mr

uberein. Dabei ist auch (m1 · . . . · mr−1,mr) = 1, da (mi,mr) = 1 fur i =1, . . . , r− 1. Nach 6.5 ist daher (∗ ∗ ∗) losbar, und die Losungsmenge bestehtaus genau einer Restklasse modulo (m1 · . . . ·mr−1)mr = m.

Verfahren zur Losung einer simultanen linearen Kongruenz.Seien Kongruenzen X ≡ ai mod mi, i = 1, . . . , r vorgegeben mit paarweiseteilerfremden m1, . . . ,mr.

1. Schritt. Setze bi =∏j 6=i

mj fur i = 1, . . . , r

2. Schritt. Lose die Kongruenzen biXi ≡ ai mod mi. Dies ist nach 6.1moglich, denn (bi,mi) = 1.

3. Schritt. Berechne x := b1x1 + b2x2 + . . .+ brxr.

Behauptung: x lost das obige System von linearen Kongruenzen.

Beweis. mi|bj fur i 6= j =⇒ bjxj ≡ 0 mod mi fur i 6= j =⇒ x ≡ bixi ≡ aimod mi fur i = 1, . . . , r.

Beispiel. X ≡ 1 mod 2, X ≡ 2 mod 3, X ≡ 4 mod 5.

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1. m = 2 · 3 · 5 = 30, b1 = 15, b2 = 10, b3 = 6. Lose

2. (a) 15X1 ≡ 1 mod 2 : x1 = 1

(b) 10X2 ≡ 2 mod 3 : x2 = 2

(c) 6X3 ≡ 4 mod 5 : x3 = 4

3. x = b1x1 + b2x2 + b3x3 = 15 · 1 + 10 · 2 + 6 · 4 = 59x = 59 ist eine Losung. Die allgemeine Losung ist

59 + λ · 30, λ ∈ Z

Also sind z.B. auch 59− 30 = 29 und 59− 60 = −1 Losungen.

Anmerkung. Beim obigen Losungsverfahren waren im 2. Schritt Kongru-enzen der Form biX ≡ ai mod mi mit (bi,mi) = 1 aufgetreten. Bei großenZahlen hilft Probieren nicht viel:

Verfahren zur Losung einer Kongruenz cX ≡ d mod n mit (c,n) = 1.

1. Schritt. Finde (mit Hilfe des euklidischen Algorithmus) Zahlen y und z,so daß

cy + nz = 1

2. Schritt. Setze x := y · d. Dann ist cx ≡ d mod n. (Andert man x um einVielfaches von n ab (x′ = x+kn), so gilt ebenfalls: cx′ = cx+(ck)n ≡ cx ≡ dmod n.)

Beweis. cy + nz = 1 =⇒ cy ≡ 1 mod n =⇒ cx = (cy)d ≡ 1 · d = d mod n,also cx ≡ d mod n.

Beispiel. 44X ≡ 5 mod 97 : c = 44, d = 5, n = 97

1. Schritt. Zeige daß (44, 97) = 1 und lose 44Y + 97Z = 1 (vgl. §2)

97 = 2 · 44 + 944 = 4 · 9 + 8

9 = 1 · 8 + 1 =⇒ (44, 97) = 1

Liest man den Algorithmus von unten nach oben, so ergibt sich eine Losungvon 44Y + 97Z = 1 (vgl. §2)

41

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1 = 9− 1 · 88 = 44− 4 · 9

}1 = 9− 1(44− 4 · 9) = (−1) · 44 + 5 · 9

1 = (−1)44 + 5 · 99 = 97− 2 · 44

}1 = (−1) · 44 + 5(97− 2 · 44) = 44 · (−11) + 97 · 5

Es folgt y = −11.

2. Schritt. X = y · d = (−11) · 5 = −55Dann ist auch −55 + 97 = 42 eine Losung.

Fazit: 44 · 42 ≡ 5 mod 97

Probe: 44 · 42 = 18481848 : 97 = 19 Rest 5, d.h. 1848 ≡ 5 mod 97.

42

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§7 Der kleine Satz von Fermat

Polynomkongruenz modulo p. Sei p eine Primzahl, n ≥ 0 und c0, . . . , cn ∈Z. Wir betrachten die Kongruenz

(∗) c0 + c1X + . . .+ cn−1Xn−1 + cnX

n ≡ 0 mod p

d.h.: Wir suchen alle x ∈ Z mit der Eigenschaft

c0 + c1x+ . . .+ cn−1xn−1 + cnx

n ≡ 0 mod p

Diese Zahlen nennt man die Losungen von (∗). Nach 5.5 gilt:

(1) Die Losungsmenge andert sich nicht, wenn man in (∗) die Koeffizientenc0, . . . , cn ersetzt durch c′0, . . . , c

′n mit ci ≡ c′i mod p.

(2) Mit einer Losung x0 von (∗) ist auch jedes y mit y ≡ x0 mod p eineLosung von (∗). Also ist die Losungsmenge von (∗) die Vereinigung vonvollen Restklassen modulo p. Daher erklart man:

Definition. Die Anzahl der Losungen von (∗) ist die Anzahl der Restklassenmodulo p, deren Elemente (∗) losen. (Diese ist auch gleich der Anzahl derLosungen x0 mit 0 ≤ x0 < p.)

7.1 Satz. Ist p kein Teiler von cn, so hat (∗) hochstens n Losungen.

Beweis. Fur n = 0 ist dies klar.

Induktionsannahme. 7.1 ist richtig fur n− 1.

Schluß von n− 1 auf n. Angenommen (∗) habe n+ 1 paarweise inkongru-ente Losungen x0, x1, . . . , xn. Setze fur x ∈ Zf(x) := c0 + c1x+ . . .+ cnx

n. Es gilt dann (wie man nachrechnet)

f(x)− f(x0) = (x− x0)

(n∑i=1

ci(xi−1 + x0x

i−2 + . . .+ xi−20 x+ xi−1

0 )

)

= (x− x0)g(x),wobei g(X) ein Polynom der Form

g(X) = b0 + b1X + . . .+ bn−1Xn−1 ist mit bn−1 = cn, p - bn−1

Speziell gilt fur X = xk, k = 1, . . . , n:(xk − x0)g(xk) = f(xk) − f(x0) ≡ 0 − 0 ≡ 0 mod p, und nach Annahme ist

43

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(xk − x0) 6≡ 0 mod p. Also giltp|(xk − x0)g(xk), p - xk − x0 =⇒ p|g(xk), d.h. die Kongruenz

g(X) ≡ 0 mod p

hat die n paarweise inkongruenten Losungen x1, . . . , xn. Dies widersprichtder Induktionsannahme. Also ist die Annahme falsch, daß (∗) n+ 1 inkon-gruente Losungen hat.

Definition. Die zahlentheoretische Funktion

ϕ : N\{0} −→ N\{0}m 7−→ Anzahl der zu m teilerfremden Zahlen b mit 1 ≤ b ≤ m

heißt Eulersche ϕ–Funktion.

Beispiele. ϕ(1) = 1, ϕ(2) = 1, ϕ(3) = 2, ϕ(4) = 2, ϕ(5) = 4,ϕ(6) = 2, ϕ(7) = 6, ϕ(8) = 4, ϕ(9) = 6, ϕ(10) = 4, ϕ(11) = 10, ϕ(12) = 4, . . .

Ist b ≡ a mod m, so gilt nach 5.6: (a,m) = (b,m).

Insbesondere: Es gibt genau ϕ(m) Restklassen modulo m, welche samtlichaus zu m teilerfremden Zahlen bestehen. Sie heißen die primen Restklassenmodulo m. Die ubrigen Zahlen haben mit m einen Teiler t > 1 gemeinsam.

Definition. Ein reduziertes Restsystem modulo m ist ein System vonϕ(m) paarweise inkongruenten Zahlen mod m, welche zu m teilerfremd sind.Man erhalt es aus einem vollstandigen Restsystem modulo m, indem manalle Zahlen weglaßt, die mit m einen Teiler t > 1 gemeinsam haben.

Beispiele.

m = 6 : 1 2 3 4 5 6 ist ein vollstandiges Restsystem1 − − − 5 − ist ein reduziertes Restsystem

m = 7 : 0 1 2 3 4 5 6 ist ein vollstandiges Restsystem− 1 2 3 4 5 6 ist ein reduziertes Restsystem

Es soll nun gezeigt werden, daß ϕ multiplikativ ist.

7.2 Bemerkung. Ist a1, . . . , aϕ(m) ein reduziertes Restsystem mod m undist (a,m) = 1, so ist auch a1a, . . . , aϕ(m)a ein solches. Dies ergibt sich sofortaus 5.6.

44

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7.3 Lemma. Seien a > 0, b > 0 und (a, b) = 1. Durchlauft x ein vollstandigesRestsystem mod b und y ein vollstandiges Restsystem mod a, so durchlauftax+ by ein vollstandiges Restsystem mod ab.

Beweis. Zu zeigen: Die ab Zahlen ax+by sind paarweise inkongruent moduloab, wenn x und y vollstandige Restsysteme mod b bzw. mod a durchlaufen;M.a.W.: Aus ax1 + by1 ≡ ax2 + by2 mod ab folgt x1 ≡ x2 mod b und y1 ≡ y2

mod a.

Bew.: ax1 + by1 ≡ ax2 + by2 mod ab =⇒ a1x1 + by1 ≡ ax2 + by2 modb =⇒ ax1 ≡ ax2 mod b. Wegen (a, b) = 1 folgt nach 5.6: x1 ≡ x2 mod b.Analog zeigt man y1 ≡ y2 mod a.

7.4 Lemma. Das Lemma 7.3 bleibt richtig, wenn man darin”vollstandig“

durch”reduziert“ ersetzt.

Beweis. Nach dem Beweis von 7.3 ist noch zu zeigen:

(x, b) = (y, a) = 1⇐⇒ (ax+ by, ab) = 1

”⇐=“: Sei d := (x, b) > 1 : d | x und d | b =⇒ d | ax+ by

und d | ab =⇒ (ax+ by, ab) ≥ d > 1.

Analog folgt (ax+ by, ab) > 1 aus (y, a) > 1.

”=⇒“: Sei (x, b) = (y, a) = 1. Zu zeigen: (ax+ by, ab) = 1

Angenommen die Primzahl p teilt (ax + by, ab) =⇒ p | ab. Wir konnenannehmen, daß p | a.

Aus p | ax+ by und p | a folgt p | byWegen (a, b) = 1 und p | a folgt p - b

}=⇒ p | y

p | a und p | y widerspricht aber (y, a) = 1.Aus 7.3 und 7.4 ergibt sich

7.5 Korollar. Seien a > 0, b > 0 und (a, b) = 1. Dann ist

ϕ(ab) = ϕ(a)ϕ(b)

ϕ ist also eine multiplikative Funktion. Zur Berechnung von ϕ(a) mussen wiralso nur noch ϕ(pn), n ≥ 1, p Primzahl kennen.

7.6 Satz. Fur a = pn, n ≥ 1 ist

ϕ(pn) = pn(1− 1

p)

45

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Beweis. Fur k ∈ N = {1, 2, . . . , pn} gilt offenbar:

(k, pn) 6= 1⇐⇒ p | k ⇐⇒ k ∈ {1 · p, 2 · p, 3 · p, . . . , pn−1 · p} =: M

M hat pn−1 Elemente; also besteht N\M aus pn − pn−1 Elementen undN\M = {x | 1 ≤ x ≤ pn und (x, pn) = 1}, d.h. ϕ(pn) = Anzahl derElemente von N\M = pn − pn−1 = pn(1− 1

p).

7.7 Korollar. Sei a > 1 und a = pe11 · . . . · perr , r ≥ 1, eρ ≥ 1 die kanonischeZerlegung von a. Dann ist

ϕ(a) = a

r∏ρ=1

(1− 1

)

Beweis. Da die Zahlen pe11 , . . . , perr paarweise teilerfremd sind, ergibt sich

rekursiv aus 7.5

ϕ(a) = ϕ(pe11 ) · . . . · ϕ(perr )

Wegen 7.6 gilt daher

ϕ(a) = pe11

(1− 1

p1

)· . . . · perr

(1− 1

pr

)= a

r∏ρ=1

(1− 1

)

7.8 Der kleine Satz von Fermat. Sei m > 1. Dann gilt

(a,m) = 1⇐⇒ aϕ(m) ≡ 1 mod m

Beweis.”⇐=“: Sei aϕ(m) ≡ 1 mod m. Dann ist nach 5.6

1 = (1,m) = (aϕ(m),m), also auch (a,m) = 1.

”=⇒“: Sei (a,m) = 1 und a1, . . . , aϕ(m) ein reduziertes Restsystem mod m.

Dann ist nach 7.2 auch aa1, . . . , aaϕ(m) ein solches.

Nach 5.6 folgt:ϕ(m)∏n=1

(aan) ≡ϕ(m)∏n=1

an mod m, also

aϕ(m)ϕ(m)∏n=1

an ≡ 1 ·ϕ(m)∏n=1

an mod m. Kurzen ergibt aϕ(m) ≡ 1 mod m.

(Kurzen ist nach 5.6 wegen (a1 · . . . · aϕ(m),m) = 1 erlaubt.)

Mit ϕ(p) = p− 1 ergibt sich

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7.9 Korollar. Fur p - a ist ap−1 ≡ 1 mod p. Also gilt

ap ≡ a mod p fur jedes a ∈ Z.

7.10 Satz von Wilson. (p− 1)! ≡ −1 mod p.M.a.W.: (p− 1)! + 1 ist ein Vielfaches von p.

Beweis. Betrachte das Polynom

f(X) := Xp−1 − 1−p−1∏m=1

(X −m)

Es ist von der Form f(X) = c0 + c1X + . . .+ dp−2Xp−2.

Betrachte die Polynomkongruenz

(∗) c0 + c1X + . . .+ cp−2Xp−2 ≡ 0 mod p

Nach 7.9 gilt fur a ∈ {1, 2, . . . p− 1} : f(a) = ap−1 − 1 ≡ 0 mod p,d.h.: (∗) hat p− 1 Losungen.

Nach 7.1 kann das nur sein, wenn ci ≡ 0 mod p fur i = 0, 1, . . . , p− 2.

Nun gilt aber c0 = f(0) = −1−p−1∏m=1

(−m) = −1− (−1)p−1(p− 1)!

Also ist −1 ≡ (−1)p−1(p− 1)! mod p.

Fur p ≥ 3 ist p ungerade, also (−1)p−1 = 1 und daher

(−1) ≡ (p− 1)! mod p

Es gilt auch (2− 1)! ≡ −1 mod 2, da 1 ≡ −1 mod 2.

7.11 Satz. Sei d ein positiver Teiler von p − 1. Dann hat die KongruenzXd ≡ 1 mod p genau d Losungen.

Beweis. Sei e ∈ N mit de = p − 1. Nach der Formel fur die geometrischeReihe ist

Xp−1 − 1 =(Xd − 1

) (1 +Xd +

(Xd)2

+ . . .+(Xd)e−1

)=(Xd − 1

)g (X)

Wegen (Xd)e−1 = Xd(e−1) ist g(X) ein Polynom vom Grad d(e− 1). Es folgt

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(1) g(X) ≡ 0 mod p hat hochstens d(e− 1) Losungen (7.1)

(2) Xp−1 − 1 ≡ 0 mod p hat genau ϕ(p) = p− 1 Losungen (7.8)

a lost Xp−1−1 ≡ 0 mod p =⇒ p | ap−1−1 = (ad−1)g(a) =⇒ p | ad−1oder p | g(a) =⇒ a lost Xd − 1 ≡ 0 mod p oder a lost g(x) ≡ 0 mod p.Also gilt

(3) a ist Losung von Xp−1 − 1 ≡ 0 mod p =⇒ a ist Losung vong(X) ≡ 0 mod p oder von Xd − 1 ≡ 0 mod p.

Aus (1) bis (3) folgt: Xd−1 ≡ 0 mod p hat mindestens p−1−d(e−1)Losungen. Aber p− 1− d(e− 1) = d und nach 7.1 gilt auch

(4) Xd − 1 ≡ 0 mod p hat hochstens d Losungen.

7.12 Korollar. Sei p ≥ 3. Dann hat Xp−1

2 ≡ 1 mod p genau p−12

Losungen,

namlich die Restklassen von 12, 22, . . . , (p−12

)2.

Beweis. (a2)p−1

2 ≡ ap−1 ≡ 1 mod p fur a 6≡ 0 mod p nach 7.8.Nach 7.11 ist noch zu zeigen: 12, 22, . . . , (p−1

2)2 sind paarweise inkongruent

modulo p.

Angenommen es existieren a, b mit 1 ≤ a < b ≤ p−12

mit a2 ≡ b2 mod p.Dann ist (p − a)2 ≡ (−a)2 ≡ a2 mod p und die Kongruenz X2 ≡ a2 mod phat die drei Losungen a, b und p− a, wobei

p > p− a ≥ p− p− 1

2=p+ 1

2> b > a ≥ 1,

im Widerspruch zu 7.1.

7.13 Korollar. Sei p ≥ 3. Die Kongruenz X2 ≡ −1 mod p hat eine Losung(das ist ein x mit p | x2 + 1), wenn p ≡ 1 mod 4 und keine Losung, wennp ≡ 3 mod 4.

Beispiele.

3 ≡ 3 mod 4 : 3 - 12 + 1, 3 - 22 + 1 = 5,also gibt es kein x ∈ N mit x2 ≡ −1 mod 3

5 ≡ 1 mod 4 : 5 | 22 + 1 = 5 22 ≡ −1 mod 513 ≡ 1 mod 4 : 13 | 26 = 52 + 1 52 ≡ −1 mod 57 ≡ 3 mod 4 : Nach 7.13 gibt es kein x ∈ N mit

7 | x2 + 1, d.h. x2 ≡ 1 mod 7

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Beweis von 7.13 Ist a2 ≡ −1 mod p, so ist nach 7.8

(−1)p−1

2 ≡ ap−1 ≡ 1 mod p

Dann muß (−1)p−1

2 = 1 sein, da −1 6≡ 1 mod p fur p ≥ 3. Es folgt: p−12

istgerade, d.h. 4 | p − 1, d.h. p ≡ 1 mod 4. Ist umgekehrt p ≡ 1 mod 4, so ist

(−1)p−1

2 ≡ 1 mod p und daher −1 ≡ a2 mod p mit 1 ≤ a ≤ p−12

nach 7.12.

Wir haben also gesehen:

Zusatz. Ist p ≡ 1 mod 4, so gibt es ein a mit 1 ≤ a ≤ p−12

, so daß a2 ≡ −1mod p.

7.14 Teilersummenformel. Fur alle m ≥ 1 gilt

d|md≥1

ϕ(d) = m

Beweis. Nach 7.5 ist ϕ multiplikativ. Nach Satz 4.4 ist dann auch φ(m) =∑d|md≥1

ϕ(d) multiplikativ, ebenso wie χ(m) = m.

Es genugt daher, 7.14 fur Primzahlpotenzen pn, n ≥ 1 zu beweisen. Es istϕ(1) = 1 und ϕ(pk) = pk − pk−1 fur 1 ≤ k ≤ n. Daher ist

φ(pn) = ϕ(1) + ϕ(p) + . . .+ ϕ(pn−1) + ϕ(p)

= 1 + (p− 1) + . . .+ (pn−1 − pn−2) + (pn − pn−1) = pn

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§8 Summen von Quadraten

A. Summen von zwei Quadraten. Sei p eine Primzahl.

Beispiele. 2 = 12 + 12, 5 = 12 + 22, 13 = 22 + 32

Aber 3 und 7 sind nicht Summen von zwei Quadraten.

8.1 Satz. Genau dann ist p Summe von zwei Quadraten, wenn entwederp = 2 oder p ≡ 1 mod 4(p = 2, 5, 13, 17, 29, . . .).

Beweis. 2 = 12 + 12. Sei p ≥ 3. Dann ist p ≡ 1 mod 4 oder p ≡ 3 mod 4.

1. Sei p ≡ 3 mod 4z ≡ 1 mod 4 =⇒ z2 ≡ 1 mod 4z ≡ 2 mod 4 =⇒ z2 ≡ 0 mod 4z ≡ 3 mod 4 =⇒ z2 ≡ 9 ≡ 1 mod 4z ≡ 0 mod 4 =⇒ z2 ≡ 0 mod 4Also ist fur alle z ∈ Z : z2 ≡ 0 mod 4 oder z2 ≡ 1 mod 4.Es folgt: x2 + y2 ≡ 0, 1 oder 2 mod 4 fur alle x, y ∈ Z. Insbesondere istx2 + y2 6= p fur alle x, y ∈ Z.

2. Sei p ≡ 1 mod 4. Nach 7.13 gibt es ein x0 ∈ Z, 0 < x0 <p2

mit

x20 ≡ −1 mod p, d.h. x2

0 + 1 = k · p < p2

4+ 1 < p2.

Kurzen ergibt 1 ≤ k < p.Damit gibt es ein k, 1 ≤ k < p, so daß die Gleichung

(1) X2 + Y 2 = kp

eine Losung x0, y0 aus Z hat.Sei k die kleinste positive ganze Zahl, so daß (1) losbar ist.

Behauptung. k = 1, und somit existieren x0, y0 mit x20 + y2

0 = p.Beweis. Angenommen k ≥ 2. (Wir konstruieren ein l, 1 ≤ l < k, so daßX2 + Y 2 = lp eine Losung hat, im Widerspruch zur Minimalitat von k. Alsoist tatsachlich k = 1.)

Seien also x0, y0 ∈ N mit x20 + y2

0 = kp und 2 ≤ k < p. Angenommen k | x0

und k | y0. Dann ist k2 | kp, im Widerspruch zu 2 ≤ k < p. Wir konnenalso annehmen, daß k - x0. Nach 5.4 existiert ein vollstandiges Restsystemmodulo k aus Zahlen z mit |z| ≤ k

2. Wahle also x1 und y1 mit

x0 ≡ x1 mod k, y0 ≡ y1 mod k und |x1| ≤ k

2, |y1| ≤ k

2

50

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Dann gilt: x21 + y2

1 ≡ x20 + y2

0 ≡ 0 mod k, wobei x1 6= 0, da k - x0.

Es folgt: x21 + y2

1 = lk mit lk ≥ x21 ≥ 1 und lk = x2

1 + y21 ≤ 2(k

2)2 = k

2· k, also

l ≤ k2< k.

Verwende nun die folgende allgemeine Identitat fur Quadrupel z1, z2, z3, z4

von Zahlen (nachrechnen!)

(2) (z21 + z2

2)(z23 + z2

4) = (z1z3 + z2z4)2 + (z1z4 − z2z3)2

Wende (2) an auf das Quadrupel x0, y0, x1, y1. Erhalte

(3) kplk = (x20 + y2

0)(x21 + y2

1) = (x0x1 + y0y1)2 + (x0y1 − x1y0)2 = x22 + y2

2,

wobei

x2 = x0x1 + y0y1 ≡ x20 + y2

0 ≡ 0 mod ky2 = x0y1 − x1y0 ≡ x0y0 − x0y0 ≡ 0 mod kwegen x0 ≡ x1 und y0 ≡ y1 mod k.

Also ist x2 = kx2, y2 = ky2. Kurze in (3) durch k2, erhalte x22 + y2

2 = pl, 1 ≤l < k < p, im Widerspruch zur Minimalitat von k. Also ist die Annahmefalsch und k = 1.

Frage: Wann schreibt sich ein beliebiges m ∈ N (m kein Quadrat) als Summevon zwei Quadraten?8.2 Satz. Sei m > 1 kein Quadrat. Schreibe m in der Formm = 2edp1 · . . . · pr, d = n2 ≥ 1, 2 < p1 < · . . . · < pr Primzahlen, r ≥ 0, e ∈{0, 1}. Genau dann ist m die Summe von zwei Quadraten, wenn pi ≡ 1 mod4 fur alle i = 1, . . . , r.

Beweis.”⇐=“ Sei p1 ≡ p2 ≡ . . . ≡ pr ≡ 1 mod 4.

Nach 8.1 sind dann p1, . . . , pr Summen von zwei Quadraten, ebenso wie d =n2 + 02 und 2 = 12 + 12.

Aus (2) folgt durch Induktion nach r :

m = 2 · . . . · 2 · d · p1 · . . . · pr ist ebenfalls Summe von zwei Quadraten.

”=⇒“ Angenommen 8.2 ist falsch. Dann gibt es ein kleinstes Gegenbeispiel

zu 8.2, also eine kleinste Zahl m > 1 der Form m = 2edp1 · . . . · pr wie imSatz und ohne Einschrankung p1 = p ≡ 3 mod 4, so daß m Summe von zweiQuadraten ist. Schreibe m in der Form

(4) m = l · p2k+1, k ≥ 0, (l, p) = 1, p ≡ 3 mod 4

51

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Nach Annahme ist x2 + y2 = m, p | m.m ist kein Quadrat, also x 6= 0 und y 6= 0.Es folgt p - y, da sonst p | y, p | x und daher p2 | x2 + y2 = m und(xp)2+(y

p)2 = m

p2 = m′;m′ erfullt die Voraussetzungen von 8.2, im Widerspruch

zur Minimalitat von m. Also ist p - y. Aus 7.9 folgt: yp−1 ≡ 1 mod p.Wegen x2 ≡ −y2 mod p folgt

(xyp−2)2 ≡ x2(yp−2)2 ≡ −y2(yp−2)2 = −(yp−1)2 ≡ −1 mod p

Setze z := xyp−2. Dann ist z2 ≡ −1 mod p und p ≡ 3 mod 4. Dies ist einWiderspruch zu 7.13. Also gilt 8.2.

B. Summen von vier Quadraten.

8.3 Satz. Jede Zahl m ≥ 0 ist die Summe von vier Quadraten.

Beweis. Wir benutzen die folgende Identitat (nachrechnen!)

(5) (x21 + x2

2 + x23 + x2

4)(y21 + y2

2 + y23 + y2

4) = d21 + d2

2 + d23 + d2

4, wobei

d1 = x1y1 + x2y2 + x3y3 + x4y4

d2 = x1y2 − x2y1 + x3y4 − x4y3

d3 = x1y3 − x3y1 + x4y2 − x2y4

d4 = x1y4 − x4y1 + x2y3 − x3y2

Insbesondere folgt induktiv: Sind a1, . . . , an Summen von vier Quadraten, soist auch a1 · . . . · an Summe von vier Quadraten.Ferner ist 0 = 02 + 02 + 02 + 02, 1 = 12 + 02 + 02 + 02, 2 = 12 + 12 + 02 + 02.Wegen (5) genugt es also, die Behauptung fur Primzahlen p ≥ 3 zu beweisen.

I. Sei p ≥ 3 vorgegeben. Konstruiere ein k, 1 ≤ k < p, so daß X21 +X2

2 +X2

3 +X24 = kp losbar ist:

Nach 7.12 sind die Elemente von S = {02, 12, . . . (p−12

)2} paarweiseinkongruent modulo p. Dies gilt dann auch fur die Menge T = {−1−q |q ∈ S}. Offenbar sind S und T disjunktiv. Daher besteht S ∪ T ausp + 1 Elementen. Zwei davon mussen kongruent sein, und sie konnennicht beide zu S bzw. T gehoren. Also existieren s ∈ S und t ∈ T mits ≡ t mod p. Es folgt

s = x2, t = −1− y2, 0 ≤ x, y ≤ p−12

und x2 ≡ −1− y2 mod p, d.h.

x2 + y2 + 12 + 02 = kp, 0 ≤ x, y ≤ p−12, k ≥ 1

52

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Aus 0 ≤ x, y < p2

folgt 1 ≤ kp < 2p2

4+ 1 = p2

2+ 1 < p2, also 1 ≤ k < p.

Also gibt es ein k mit 1 ≤ k < p, so daß

(6) X21 +X2

2 +X23 +X2

4 = kp

eine Losung hat. Wahle k minimal mit diesen Eigenschaften.

II. Es ist noch zu zeigen, daß k = 1 ist.Wir nehmen an, daß k ≥ 2 ist und fuhren dies zum Widerspruch. Wahlex1, x2, x3, x4 aus N mit x2

1 + x22 + x2

3 + x24 = kp.

Teilt k alle xi, so teilt k2 auch kp, und k = p, Widerspruch. Also isto.E. k - x1.

1. Fall: k ist gerade. Wegen x21 + x2

2 + x23 + x2

4 = kp gerade konnen 3Falle auftreten:

(i) alle xi gerade

(ii) alle xi ungerade

(iii) x1, x2 gerade und x3, x4 ungerade (nach evtl. Umordnung)

In jedem Fall sind x1 + x2, x1 − x2, x3 + x4, x3 − x4 samtlich gerade.=⇒ y1 = x1+x2

2, y2 = x1−x2

2, y3 = x3+x4

2, y4 = x3−x4

4sind alle ganz, und

y21 + y2

2 + y23 + y2

4 = 12(x2

1 + x22 + x2

3 + x24) = k

2· p mit 1 ≤ k

2< k < p, im

Widerspruch zur Minimalitat von k.

2. Fall: k ist ungerade. Nach 5.4 existieren y1, y2, y3, y4 mit xi ≡ yi modk und |yi| ≤ k−1

2, i = 1, 2, 3, 4.

Nach Voraussetzung ist y1 6= 0. Es folgt

y21 + y2

2 + y23 + y2

4 ≡ x21 + x2

2 + x23 + x2

4 ≡ 0 mod k, also

0 6= k′k = y21 + y2

2 + y23 + y2

4 < 4(k2)2 = k2 und 1 ≤ k′ < k.

Nach (5) gilt d21 +d2

2 +d23 +d2

4 = (x21 +x2

2 +x23 +x2

4)(y21 +y2

2 +y23 +y2

4) =kpk′k.

Wegen x1 ≡ yi mod k gilt:

53

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d1 ≡ x1y1 + x2y2 + x3y3 + x4y4 ≡ x21 + x2

1 + x23 + x2

4 ≡ 0 mod k undd2 ≡ x1x2 − x2x1 + x3x4 − x4x3 ≡ 0 mod k, d.h. k | d1 und k | d2

Analog zeigt man: k | d3 und k | d4.Also sind die zi = di

kganz und

z21 + z2

2 + z23 + z2

4 = k′p, 1 ≤ k′ < k < p

im Widerspruch zur Minimalitat von k. Also ist k = 1 und es existierenx1, x2, x3, x4 ∈ N mit

x21 + x2

2 + x23 + x2

4 = p

C. Summen von drei Quadraten.

8.4 Satz. Eine ganze Zahl m > 1 ist genau dann Summe von drei Quadraten,wenn sie nicht von der Form

m = 4ab, a ≥ 0 und b ≡ 7 mod 8

ist. (Beispielsweise ist 7 = 40 · 7 ist nicht Summe von drei Quadraten.)

Wir beweisen nur die einfache Richtung: Sei m = 4ab, a ≥ 0, b ≡ 7 mod 8.Zeige, daß m nicht Summe von drei Quadraten ist.

Induktion nach a. a = 0 =⇒ m = b ≡ 7 mod 8.Modulo 8 gerechnet gilt:

z ≡ 0⇒ z2 ≡ 0; z ≡ 1⇒ z2 ≡ 1; z ≡ 2⇒ z2 ≡ 4, z ≡ 3⇒ z2 ≡ 1

z ≡ 4⇒ z2 ≡ 0; z ≡ 5⇒ z2 ≡ 1; z ≡ 6⇒ z2 ≡ 4, z = 7⇒ z2 ≡ 1

Also ist fur alle n ∈ Z n2 ≡ 0, 1, oder 4 modulo 8 und x2 + y2 + z2 ≡0, 1, 2, 3, 4, 5 oder 6 modulo 8; insbesondere ist x2 +y2 +z2 6≡ 7 fur x, y, z ∈ N.

Schluß von a− 1 auf a. Sei a ≥ 1 und sei schon gezeigt, daß 4a−1b nichtSumme von 3 Quadraten ist, wenn b ≡ 7 mod 8. Angenommen 4ab = x2 +y2 + z2 ⇒ x2 + y2 + z2 ≡ 0 mod 4(a ≥ 1).

Im Beweis von 8.1 gesehen: x2, y2, z2 ≡ 0 oder 1 mod 4.

Zusammen mit x2 + y2 + z2 ≡ 0 mod 4 ergibt sich:

x2 ≡ y2 ≡ z2 ≡ 0 mod 4. Dann sind aber x2, y

2, z

2ganz und 4a−1b = (x

2)2 +

(y2)2 + ( z

2)2, im Widerspruch zur Induktionsannahme.

54

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§9 Pythagoras–Tripel

Nach Pythagoras gilt: In einem rechtwinkligen Dreieck mit den Kathedena und b und der Hypothenuse c ist

a2 + b2 = c2

Speziell gilt die sogenannte

Zimmermannsregel. Drei Latten der Lange 3, 4 und 5 Meter ergeben zu-sammengenagelt ein rechtwinkliges Dreieck, denn

32 + 42 = 52

Definition. x, y, z heißt Pythagoras–Tripel, wenn x, y und z positive Zah-len sind mit

x2 + y2 = z2

Frage: Wie verschafft man sich einen Uberblick uber alle Pythagoras–Tripel?

9.1 Bemerkung. Sei x, y, z ein Pythagoras–Tripel. Dann gilt:

(a) x und y sind nicht beide ungerade.

(b) Fur alle λ ≥ 1 aus N ist auch λx, λy, λz ein Pythagoras–Tripel.

(c) Teilt t die Zahlen x, y und z, so ist auch xt, yt, zt

ein Pythagoras–Tripel.

Beweis. x, y ungerade =⇒ x2 ≡ y2 ≡ 1 mod 4 (siehe den Beweis von 8.1)=⇒ x2 + y2 ≡ 2 mod 4 =⇒ x2 + y2 ist kein Quadrat (Beweis von 8.1).(b) und (c) sind offensichtlich richtig.

Zur Beantwortung obiger Frage genugt es danach, diejenigen Pythagoras–Tripel zu finden mit

(i) x, y, z sind (paarweise) teilerfremd,

(ii) x ist gerade und y ungerade.

Die ubrigen Pythagoras–Tripel entstehen aus solchen durch Streckung undevtl. Vertauschung von x und y.

55

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9.2 Satz. (Indische Formeln fur Pythagoras–Tripel.)

(a) Sind a ≥ 1, b ≥ 1 mit a > b, a−b ungerade und (a, b) = 1, so bilden x =2ab, y = a2−b2, z = a2+b2 ein Pythagoras–Tripel mit den Eigenschaften(i) und (ii) (ein sogenanntes

”normiertes“ Pythagoras–Tripel).

(b) Jedes normierte Pythagoras–Tripel x, y, z ist von der Form x = 2ab, y =a2 − b2, z = a2 + b2 mit a ≥ 1, b ≥ 1, a− b ungerade und (a, b) = 1

(c) Es gibt unendlich viele Pythagoras–Tripel.

Beweis.

(a) Seien a, b, x, y, z wie in (a) beschrieben. Dann ist x gerade und

x2 + y2 = 4a2b2 + a4 − 2a2b2 + b4 = a4 + 2a2b2 + b4 = (a2 + b2)2 = z2

Wegen a− b ungerade ist auch a+ b ungerade und dahery = (a+ b)(a− b) ungerade.Noch zu zeigen: x und y sind teilerfremd.Angenommen die Primzahl p teilt x und y. =⇒ p ist ungerade undp2 | x2 + y2 = z2 =⇒ p ungerade, p | z =⇒ p | y + z = 2a2 undp | y − z = 2b2 und p ungerade =⇒ p | a und p | b, im Widerspruch zu(a, b) = 1.

(c) a durchlaufe alle ungeraden Primzahlen p und b := 2. Das Paar a, berfullt dann die Voraussetzungen von (a).Also ist nach (a) 4p, p2−4, p2 + 4 ein normiertes Pythagoras–Tripel furalle Primzahlen p ≥ 3.

(b) Sei x, y, z ein normiertes Pythagoras–Tripel. =⇒ z2 = x2 + y2 istungerade =⇒ z ungerade; y ungerade =⇒ z ± y gerade =⇒ x2 =(z − y)(z + y) = 4x2

0 =⇒ x = 2x0, x20 = z−y

2· z+y

2, x0 ≥ 1.

Behauptung.(z−y

2, z+y

2

)= 1

Beweis. Angenommen die Primzahl p teilt z±y2

=⇒ p | z+y2− z−y

2= y und

p2 | (z − y)(z + y) = z2 − y2 = x2.

Es folgt p | y und p | x, im Widerspruch zur Voraussetzung. Also ist(z−y

2, z+y

2

)= 1 und z−y

2· z+y

2= x2

0 ist ein Quadrat =⇒ z−y2

= b2, z+y2

=a2, a ≥ 1, b ≥ 1.

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=⇒ x20 = a2b2 =⇒ x0 = ab =⇒ x = 2x0 = 2ab, y = z+y

2− z−y

2= a2 − b2, z =

z+y2

+ z−y2

= a2 + b2 =⇒ (a, b) | x und (a, b) | y und (x, y) = 1 =⇒ (a, b) = 1y = a2 − b2 = (a+ b)(a− b) ungerade =⇒ a− b ungerade.

Der große Satz von Fermat. (Andrew Wiles, Oktober 1994)Fur n ≥ 3 hat die Gleichung Xn+Y n = Zn keine positive ganzzahlige Losungx, y, z. (Ein Highlight der Mathematik.)

Wir notieren hier den Beweis fur n = 4, der von Fermat stammt. Euler hatden (schwierigen) Fall n = 3 bewiesen.

9.3 Satz. Die Gleichung

(1) X4 + Y 4 = Z4

hat keine Losung in positiven ganzen Zahlen x, y, z.

Beweis. Zeige, daß die Gleichung

(2) X4 + Y 2 = Z4

keine positive ganzzahlige Losung hat.Dann hat auch (1) keine solche Losung; denn ware x4 + y4 = z4 so warex4 + w2 = z4 mit w = y2 eine Losung von (2).

Angenommen es gibt positive ganze Zahlen x, y, z mit x4 + y2 = z4.Sei x, y, z ein solches Tripel mit minimalen z.Dann sind x, y, z paarweise teilerfremd, denn: Ist p ein gemeinsamer Prim-teiler von zwei dieser Zahlen, so teilt p (wegen x4 + y2 = z4) auch die dritte

Zahl und p4 | y2 = z4 − x4, also p2 | y. Es folgt

(x

p

)4

+

(y

p2

)2

=

(z

p

)4

, im

Widerspruch zur Minimalitat von z.

Es gilt: (x2)2+y2 = (z2)2, also ist x2, y, z2 ein Pythagoras Tripel aus paarweiseteilerfremden Zahlen.

1. Fall. x2 ist ungerade und y gerade. Nach 9.2 gibt es a ≥ 1, b ≥ 1 mit(a, b) = 1, a− b > 0 ungerade und x2 = a2 − b2, y = 2ab und z2 = a2 + b2.

Es folgt: (xz)2 = x2z2 = (a2− b2)(a2 + b2) = a4− b4, also b4 + (xz)2 = a4 unda2 < z2, also a < z. Dies steht im Widerspruch zur Minimalitat von z.

2. Fall. x2 ist gerade und y ungerade. Nach 9.2 gibt es a > b ≥ 1 mitx2 = 2ab, y = a2−b2, z2 = a2 +b2 und (a, b) = 1. Wegen y = a2−b2 ungerade

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ist a − b ungerade. Es folgt x2 = 2αβ, z2 = α2 + β2, α ungerade, β gerade(α, β) = 1.

Wende erneut 9.2 an und zwar auf z2 = α2 + β2: Es gibt r ≥ 1, s ≥ 1 mitz = r2 + s2, α = r2 − s2, β = 2rs und (r, s) = 1. Es ist x2 = 2αβ = (r2 −s2)4rs; r, s und r2−s2 sind paarweise teilerfremd. Wegen x2 = (r2−s2)4 ·r ·ssind daher r, s und r2 − s2 Quadrate: r = u2, s = v2, r2 − s2 = w2, alsov4 + w2 = s2 + (r2 − s2) = r2 = u4.

Ferner ist u ≤ u4 = r2 < r2 + s2 = z. Dies steht im Widerspruch zurMinimalitat von z.

Also ist die zu Anfang des Beweises gemachte Annahme falsch und (2) hatkeine positive ganzzahlige Losung.

9.4 Korollar.

(a) Auf dem EinheitskreisK = {(xy

)∈ R2 | x2 + y2 = 1} liegen unendlich

viele Punkte mit rationalen Koordinaten x und y.

(b) Auf der Kurve C = {(xy

)∈ R2 | x4+y4 = 1} liegen außer den Punkten

(±10

)und

(0±1

)keine Punkte mit rationalen Koordinaten.

Beweis.

(a) Ist a, b, c ein normiertes Pythagoras–Tripel, so ist a2 + b2 = c2, also

(ac)2 + ( b

c)2 = 1, d.h. der Punkt

(acbc

)liegt auf dem Kreis K und hat

rationale Koordinaten.

Fur verschiedene normierte Pythagoras Tripel a, b, c und a′, b′, c′ sind

auch die Punkte

(acbc

)und

(a′c′b′c′

)verschieden, denn die Bruche a

c, bc, a′c′ ,

b′c′

liegen in gekurzter Form vor. Aus 9.2(c) folgt die Behauptung.

(b) Sei

(xy

)∈ C mit rationalen Zahlen x, y. Ist x = 0 oder y = 0, so ist

y = ±1 oder x = ±1.

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Angenommen x 6= 0 und y 6= 0, o.E. x > 0 und y > 0. Sei d derHauptnenner von x und y: Dann ist d4(x4 + y4) = d4 · 1 = d4, also

(dx)4 + (dy)4 = d4

mit positiven ganzen Zahlen dx, dy und d, im Widerspruch zu 9.3.

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Kapitel II.Algebraische Grundbegriffe

§1 Ringe und Korper

Fur das Rechnen in Z haben wir in Kap. I, §1 Regeln aufgestellt, welche auchin Q und R gelten. Damit werden Z,Q und R zu Ringen im folgenden Sinn:

Sei R eine Menge, auf der zwei Verknupfungen, + (”plus“, Addition) und

· (”mal“, Multiplikation), erklart sind.

Definition. R, zusammen mit den Operationen + und ·, (kurz”(R,+, ·)“)

heißt ein Ring, wenn Addition und Multiplikation den folgenden sechs Axio-nen genugen:

Addition”+“

∣∣∣∣ Multiplikation”·“

1. Eindeutige Ausfuhrbarkeit

Zu je zwei Elementen a, b ∈ R existiert in R in eindeutiger Weise

die Summe a+ b

∣∣∣∣ das Produkt a · b

Fur a, b, c ∈ R gelten die folgenden Gesetze:

2. Assoziativgesetze

(a+ b) + c = a+ (b+ c)

∣∣∣∣ (a · b) · c = a · (b · c)

3. Kommutativgesetze

a+ b = b+ a

∣∣∣∣ a · b = b · a

4. Existenz neutraler Elemente

Es gibt ein Element n ∈ R,∣∣ Es gibt ein Element e ∈ R,

so daß fur jedes a ∈ R gilt:∣∣ so daß fur jedes a ∈ R gilt:

a+ n = a∣∣ a · e = a

Es ist e 6= n.

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Bezeichnung: n nennt man Nullelement und e Einselement des Rings R.

Bemerkung: Sind 3. und 4. erfullt, so hat R genau ein Nullelement undgenau ein Einselement. Wir bezeichnen diese (wie in Z) mit 0 (

”Null“) und

1 (”Eins“).

Beweis. Sind n und n Nullelemente, so gilt wegen 3. und 4. n = n + n =n+ n = n. Entsprechend schließt man fur Einselemente.

5. Umkehrung der Addition∣∣

Zu jedem a ∈ R gibt es ein∣∣

Element a′ ∈ R, so daß gilt∣∣

a+ a′ = 0∣∣

a′ heißt ein Negatives∣∣

von a∣∣

Bemerkung. Zu jedem a gibt es genau ein Negatives. Wir bezeichnen esmit −a.Schreibe fur a+ (−b) auch a− b und nenne a− b die Differenz zwischen aund b.

Beweis. Seien a′ und a Negative von a. Dann gilt a + a′ = 0 = a + a =⇒a = a+ 0 = a+ (a+ a′) = (a+ a) + a′ = (a+ a) + a′ = 0 + a′ = a′ + 0 = a′.

6. Das Distributivgesetz

(a+ b) · c = (a · c) + (b · c)fur alle a, b, c aus R.Zur Vereinfachung der Schreibweise fuhren wir folgende Konventionen ein:Schreibe ab fur a · bPunktrechnung geht vor Strichrechnung, d.h.

ab+ c := (a · b) + c

a+ bc := a+ (b · c)Damit schreibt sich z. B. das Distributivgesetz in der Form

(a+ b)c = ac+ bc

Bei mehrfachen Summen bzw. Produkten werden Klammern weggelassen(weil es wegen der Assoziativgesetze nicht auf die Art der Klammerung an-kommt.) Also

a+ b+ c := (a+ b) + c, abc := (a · b) · c u.s.w.

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Definition. Ein Ring R heißt Integritatsbereich, wenn zusatzlich gilt:

7. Nullteilerfreiheit. Aus ab = 0 folgt: a = 0 oder b = 0.

Definition. Ein Ring heißt Korper, wenn zusatzlich zu den Axiomen 1 bis6 noch gilt:

8. Umkehrbarkeit der Multiplikation. Zu jedem a 6= 0 aus R gibt es einElement a mit aa = 1.

Bemerkung. In einem Korper gibt es zu jedem a ∈ R, a 6= 0 genau eina ∈ R mit aa = 1.

Wir bezeichnen dieses Element mit a−1 und nennen es das zu a reziprokeElement (Kehrwert von a).

Beweis. aa = 1 = a˜a =⇒ ˜a = ˜a · 1 = ˜aaa = a˜aa = 1a = a1 = a

Wir schreiben fur a−1 auch 1a

und fur b · a−1 auch ba.

Beispiele.

a) Z ist ein Ring, sogar ein Integritatsbereich; Z ist kein Korper, denn 2hat in Z kein Reziprokes.

b) Q und R sind Korper.

c) N ist kein Ring: 1 hat in N kein Negatives.

d) Jeder Korper ist ein Integritatsbereich. (Der Beweis wird spater gefuhrt.)

Unterringe. Sei R ein Ring und S ⊆ R eine Teilmenge mit 1 ∈ S. Mannennt S einen Unterring von R, wenn S abgeschlossen ist unter Addition,Multiplikation und der Bildung des Negativen, d.h.: Sind a, b ∈ S, so sindauch −a, a+ b und ab aus S. Offenbar ist jeder Unterring eines Rings selbstein Ring.

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Beispiele von Unterringen.

a) Z ist ein Unterring von Q und Q ist ein Unterring von R;N ist keinUnterring von Z.

b) Reell–quadratische Zahlbereiche. Sei m > 1 eine quadratfreie gan-ze Zahl, d.h. m = p1 · . . . · pr mit paarweise verschiedenen Primzahlen.Die positive Quadratwurzel von m bezeichnen wir mit

√m.

(i) Betrachte in R die Teilmenge

S = Z[√m] := {a+ b

√m | a, b ∈ Z}

Offenbar ist 1 = 1 + 0√m ∈ Z[

√m]; es ist sogar Z ⊆ S.

S ist abgeschlossen unter den oben genannten drei Operationen:Seien a, b, a′, b′ ∈ Z und r = a+ b

√m, s = a′ + b′

√m aus S:

r + s = (a+ a′) + (b+ b′)√m ∈ S,−r = (−a) + (−b)√m ∈ S

rs = (aa′ + bb′m) + (ab′ + a′b)√m ∈ S.

Also ist S ein Unterring von R.

(ii) K = Q[√m] := {a + b

√m | a, b ∈ Q} ist sogar ein Korper:

Wie in (i) zeigt man, daß K ein Ring ist. Ferner gilt, falls s =a + b

√m 6= 0 ist: a2 6= b2m, da m kein Quadrat ist. Also ist

x = 1a2−b2m · (a− b

√m) ein wohldefiniertes Element von Q[

√m]

und (a + b√m) · ( 1

a2−b2m · (a− b√m))

= (a+b√m)(a−b√m)a2−b2m =

= a2−b2ma2−b2m = 1 und s−1 = x ∈ Q[

√m].

Weitere abkurzende Schreibweisen: Sei m ≥ 1 aus Z und a ∈ R. Schrei-be

ma := a+ . . .+ a︸ ︷︷ ︸m-mal

, am := a · . . . · a︸ ︷︷ ︸m-mal

, ferner

0 · a := 0, (−m)a := m(−a); a0 := 1, a−m := (a−1)m, falls a−1 existiert.

Fur m · 1 schreiben wir auch kurz m.

Es ergeben sich folgende Regeln:(−m)a = −(ma); a−m = (am)−1, falls a−1 existiert, ferner aman =am+n, anbn = (ab)n, (an)m = an·m fur alle n,m ∈ N.Dies ergibt sich leicht durch Induktion.

1.1 Bemerkung. Sei R ein Ring und a, b, c ∈ R. Dann gilt

63

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a) Es gibt genau ein x ∈ R mit x+ b = a, namlich x = a− b.b) a(b−c) = ab−ac, a0 = 0,−(−a) = a, (−a)b = a(−b) = −ab, (−a)(−b) =

ab.

c) Kurzungsregeln.

(i) Fur jeden Ring gilt:

Aus a+ b = a+ c folgt b = c

(ii) Ist R ein Integritatsbereich, so gilt:

Aus ab = ac und a 6= 0 folgt b = c

d) Ist R ein Korper und b 6= 0, so gibt es zu jedem a genau ein x ∈ R mitxb = a, namlich x = ab−1.

e) Jeder Korper ist ein Integritatsbereich.

Beweis.

a) (a− b) + b = a+ (−b+ b) = a+ (b+ (−b) = a+ 0 = aEindeutigkeit. x+b = a =⇒ x = x+0 = x+(b−b) = (x+b)−b = a−b

c)(i) a+ b = a+ c =⇒ b+ a = c+ a =⇒ b = b+ a− a = c+ a− a = c

b) a · 0 = a · 0 = a(0 + 0) = a0 + a0 =⇒ 0 = a · 0 nach c)(i).−a+ a = a+ (−a) = 0 =⇒ a = −(−a)ab+ a(−b) = a(b+ (−b)) = a0 = 0 =⇒ a(−b) = −abAnalog zeigt man (−a)b = −aba(b− c) = a(b+ (−c)) = ab+ a(−c) = ab+ (−ac) = ab− ac

c)(ii) ab = ac =⇒ a(b− c) = ab− ac = ab− ab = 0 =⇒ b− c = 0, da a 6= 0und R nach Voraussetzung ein Integritatsbereich ist.b− c = 0 =⇒ c = (b− c) + c = b+ (−c+ c) = b+ (c− c) = b+ 0 = b

d) (ab−1)b = a(b−1b) = a1 = aEindeutigkeit. xb = a =⇒ x = x · 1 = x(bb−1) = (xb)b−1 = ab−1

e) ab = 0 und a 6= 0 =⇒ a−1 existiert und 0 = a−10 = a−1ab = 1b = b

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Nullteiler und Einheiten.

Definition. Sei R ein Ring und a ∈ R.

a) a ∈ R heißt Nullteiler von R, wenn es ein b 6= 0 in R gibt mit ab = 0.(Ein Ring ist also genau ein Integritatsbereich, wenn 0 der einzige Null-teiler von R ist. Man spricht daher bei einem Integritatsbereich auchvon einem

”nullteilerfreien“ Ring.)

b) Ein Element a ∈ R heißt Einheit von R, wenn es ein b ∈ R gibt mitab = 1.(Ein Ring R ist also genau dann ein Korper, wenn jedes a 6= 0 eineEinheit von R ist.)Ist a Einheit von R, so ist das b mit ab = 1 eindeutig bestimmt (Be-weis!). Es wird mit a−1 bezeichnet. Mit Rtimes bezeichnen wir dieMenge aller Einheiten von R.

Beispiele.

a) In Z sind 1 und −1 die einzigen Einheiten.

b) In Q sind alle Elemente außer der 0 Einheiten.

1.2 Regel.

a) 1 ist eine Einheit.

b) Sind a und b Einheiten, so sind auch a−1, b−1 und ab Einheiten. (In-duktiv folgt daraus: ambn sind Einheiten fur alle m,n ∈ Z.)

Beweis.

a) 1 · 1 = 1

b) (ab)(b−1a−1) = a(bb−1)a−1 = a1a−1 = aa−1 = 1(a−1)a = a(a−1) = 1.

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§2 Restklassenringe und Polynomringe

Sei m > 1 ganz und mZ := {mx | x ∈ Z}.Nach I. 5.3 gilt: Die verschiedenen Restklassen von Z modulo m sind

mZ, 1 +mZ, . . . , (m− 1) +mZ.

Fur die Gesamtheit aller Restklassen modulo m schreiben wir

Z/mZ = {a+mZ | a ∈ Z} = {mZ, 1 +mZ, . . . , (m− 1) +mZ}.

Wir wollen die Menge Z/mZ zu einem Ring machen, indem wir Additionund Multiplikation von Restklassen erklaren.

Definition. Seien a, b ∈ Z. Setze

(a+mZ) + (b+mZ) := (a+ b) +mZ(a+mZ) · (b+mZ) := ab+mZ

2.1 Bemerkung.

a) Addition und Multiplikation sind unabhangig von der Wahl der Re-prasentanten wohl definiert.

b) Z/mZ ist ein Ring mit Null = mZ, Eins = 1 +mZ.

c) Ist m = p eine Primzahl, so ist Z/pZ ein Korper.

d) Ist m > 1 keine Primzahl, so ist Z/mZ kein Integritatsbereich.

Beweis. Schreibe im Folgenden”≡“ fur

”≡ mod m“.

a) Sei a+mZ = a′ +mZ und b+mZ = b′ +mZ.Zu zeigen: (a+ b) +mZ = (a′ + b′) +mZ und

ab+mZ = a′b′ +mZNach Voraussetzung ist also a ≡ a′ und b ≡ b′. Aus I. 5.5 folgta + b ≡ a′ + b′ und ab ≡ a′b′, d.h. (a + b) + mZ = (a′ + b′) + mZ undab+mZ = a′b′ +mZ.

66

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b) mZ = 0+mZ und 1+mZ sind offenbar neutral bezuglich der Additionbzw. Multiplikation, und (−a) +mZ ist ein Negatives von a+mZ.Von den Rechenregeln zeigen wir exemplarisch das Distributivgesetz;fur die ubrigen Gesetze waren analoge Rechnungen durchzufuhren.(a+mZ) ((b+mZ) + (c+mZ)) = (a+mZ) ((b+ c) +mZ) == a(b+ c) +mZ = (ab+ ac) +mZ = (ab+mZ) + (ac+mZ) == (a+mZ)(b+mZ) + (a+mZ)(c+mZ).

c) Noch zu zeigen: Ist a+pZ 6= pZ, so gibt es ein b mit (a+pZ)(b+pZ) =1 + pZ:

a + pZ 6= pZ =⇒ p - a =⇒ (p, a) = 1I.6.4=⇒ Es gibt x, y ∈ Z mit

px + ay = 1 =⇒ ay ≡ 1 mod p =⇒ ay + pZ = 1 + pZ, also auch(a+ pZ)(y + pZ) = ay + pZ = 1 + pZ.

d) Ist m = ab mit 0 < a ≤ b < m, so ist(a+mZ)(b+mZ) = ab+mZ = m+mZ = mZ = 0, abera+mZ 6= 0 und b+mZ 6= 0.

Schreibe 1 fur die Eins 1 +mZ von Z/mZ undk fur 1 + . . .+ 1︸ ︷︷ ︸

k−mal

= (1 +mZ) + . . .+ (1 +mZ) = k +mZ

Dann ist Z/Z = {0, 1, 2, . . . ,m− 1} und die Addition und Multiplikation inZ/mZ kann auch wie folgt beschrieben werden:

(k+· l ∈ Z/mZ) = (Divisionsrest modulo m von k

+· l ∈ Z)

Beispiele fur Verknupfungstabellen

m = 3

+ 0 1 20 0 1 21 1 2 02 2 0 1

· 0 1 20 0 0 01 0 1 22 0 2 1

1 · 1 = 12 · 2 = 1

m = 4

+ 0 1 2 30 0 1 2 31 1 2 3 02 2 3 0 13 3 0 1 2

· 0 1 2 30 0 0 0 01 0 1 2 32 0 2 0 23 0 3 2 1

1 · 1 = 13 · 3 = 12 · 2 = 0

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Einheiten und Nullteiler in Z/mZ. Setze a := a+mZ

Beispiele.m = 2 : 1 ist Einheit; 0 ist Nullteiler; ϕ(2) = 1m = 3 : 1, 2 sind Einheiten; 0 ist Nullteiler; ϕ(3) = 2m = 4 : 1, 3 sind Einheiten; 0, 2 sind Nullteiler; ϕ(4) = 2m = 6 : 1 · 1 = 1, 2 · 3 = 6 = 0, 4 · 3 = 0, 5 · 5 = 25 = 1 =⇒

1, 5 sind Einheiten; 0, 2, 3, 4 sind Nullteiler; ϕ(6) = 2m = p Primzahl: Z/pZ ist ein Korper mit p Elementen =⇒ 0 ist Nullteiler,die ubrigen p− 1 Elemente sind Einheiten; ϕ(p) = p− 1.

Diese Rechnungen fuhren zur

Vermutung. ϕ(m) = Anzahl der Einheiten von Z/mZ.

2.2 Satz. In Z/mZ gibt es genau ϕ(m) Einheiten, namlich die primenRestklassen modulo m. (Dies sind die a+mZ mit (a,m) = 1). Die ubrigenRestklassen sind Nullteiler.

Beweis. Sei (a,m) = 1. Nach I.7.8 gilt dann aϕ(m) ≡ 1 mod m, d.h.(a+mZ)(aϕ(m)−1 +mZ) = aϕ(m) +mZ = 1 +mZ = 1.Damit ist a+mZ Einheit in Z/mZ.Sei (a,m) = d > 1;m = dd′, a = d′′d. Dann gilt ad′ = d′′dd′ = d′′m ≡ 0mod m und 1 ≤ d′ < m. Also ist d′ + mZ 6= 0, aber (a + mZ)(d′ + mZ) =ad′ +mZ = 0 +mZ = 0.

2.3 Korollar. Das Produkt aller von Null verschiedenen Elemente von Z/pZist −1. Fur alle r ∈ Z/pZ ist rp = r.

Beweis. Nach dem Satz von Wilson ist (p− 1)! ≡ −1 mod p, d.h.(1 + pZ) · (2 + pZ) · . . . · ((p− 1) + pZ) = (p− 1)! + pZ = −1 + pZ = −1Sei r = a+ pZ. Nach 7.9 gilt ap ≡ a mod p, d.h.

rp = (a+ pZ)p = ap + pZ = a+ pZ = r.

Polynomringe.

Definition. Sei R ein Ring. Ein Polynom (in einer Unbestimmten X) uberR ist ein Ausdruck

f = a0 + a1X + a2X2 + . . .+ anX

n =n∑i=0

aiXi

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wobei n ∈ N und ao, . . . , an Elemente aus R sind. Wir setzen noch ai = 0 furalle i ∈ N mit i > n. Die Elemente ai, i ∈ N nennt man die Koeffizienten

von f . Ein Polynom uber R ist also ein Ausdruck der Form f =∞∑i=0

aiXi mit

Elementen ai ∈ R, wobei ai 6= 0 nur fur endlich viele Indizes i gilt.

Beispiele. 1 + 1 ·X + 3 ·X2 und 1 + 0 ·X + 0 ·X2 + 1 ·X3 sind Polynomeuber Z. Man schreibt dafur auch kurzer 1 +X + 3X2 bzw. 1 +X3, kann alsoin einem Polynom Summanden aiX

i mit ai = 0 weglassen und X i anstellevon 1 ·X i schreiben.

Definition. Polynome sind gleich, wenn sie die gleichen Koeffizienten haben.In Formeln:

∞∑i=0

aiXi =

∞∑i=0

biXi genau dann, wenn ai = bi fur i = 0, 1, 2, . . .

Auswertung von Polynomen. Sei f =n∑i=0

aiXi ein Polynom uber R und

b ∈ R. Der Wert von f an der Stelle b ist das Element

f(b) := a0 + a1b+ . . .+ anbn =

n∑i=0

aibi ∈ R

Bemerkung. Es kann vorkommen, daß verschiedene Polynome an allenStellen von R den gleichen Wert annehmen.

Beispiel. R = Z/2Z = {0, 1}. Die Polynome X,X2, X3, . . . haben an derStelle 0 den Wert 0 und an der Stelle 1 den Wert 1.

Bezeichne die Menge aller Polynome uber R mit R[X]. Wir wollen R[X] zueinem Ring machen, in dem wir eine geeignete Addition bzw. Multiplikationvon Polynomen einfuhren.

Vorbetrachtung. Seien a0, . . . , an bzw. b0, . . . , bm Elemente aus R. Setztman noch aj = 0 fur j > n und bj = 0 fur j > m, so gilt nach den Rechen-gesetzen fur R:

(1) (a0 + a1y + . . .+ anyn) + (b0 + b1y + . . .+ bmy

m) =

= (a0 + b0) + (a1 + b1)y + . . .+ (al + bl)yl, wenn l = Max (n,m)

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Page 71: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

und

(2) (a0 + a1y + . . .+ anyn) · (b0 + b1y + . . .+ bmy

m) =

= c0 + c1y + . . .+ cn+myn+m, wobei

c0 = a0b0, c1 = a0b1 + a1b0, c2 = a0b2 + a1b1 + a2b0, . . .ck = a0bk + a1bk−1 + . . .+ ak−1b1 + akb0, fur k = 0, . . . , n+m.

Wegen aj = 0 fur j > n und bj = 0 fur j > m istcn+m = a0bn+m + . . .+ anbm + an+1bm−1 + . . .+ an+mb0 = anbm.

Definiere nun Addition und Multiplikation von Polynomen so, als ware Xein Element von R.

∞∑i=0

aiXi +

∞∑i=0

biXi :=

∞∑i=0

(ai + bi)Xi

( ∞∑i=0

aiXi

)( ∞∑i=0

biXi

):=

∞∑

k=0

ckXk, wobei

ck = a0bk + a1bk−1 + . . .+ ak−1b1 + akb0 =k∑i=0

aibk−i.

Insbesondere ist

(n∑i=0

aiXi

)(m∑i=0

biXi

)= c0 + c1X + . . . + cn+mX

n+m mit

c0 = a0b0, c1 = a0b1 + a1b0, und cn+m = anbm (siehe (2)). Damit wird R[X]zu einem Ring mit Eins = 1 und Null = 0. Durch Vergleich mit (1) und (2)sieht man:

2.4 Bemerkung. Sind f, g Polynome aus R[X] und ist y ∈ R, so gilt

(f + g)(y) = f(y) + g(y) und (fg)(y) = f(y) · g(y).

Offenbar ist R ⊆ R[X] ein Unterring (bestehend aus den konstanten Po-lynomen a = a+ 0 ·X + 0 ·X2 + . . . , a ∈ R).

Das konstante Polynom 0 =∞∑i=0

0 ·X i heißt auch Nullpolynom.

Definition. Sei f = a0 + a1X + . . . + anXn, n ≥ 0, an 6= 0, ein von 0

verschiedenes Polynom. Dann nennt man n den Grad von f und an denLeitkoeffizienten von f .

2.5 Bemerkung. Sei R ein Integritatsbereich. Dann gilt

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Page 72: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

a) R[X] ist ebenfalls ein Integritatsbereich.

b) Sind f, g ∈ R[X] von Null verschiedene Polynome, so ist

Grad fg = Grad f + Grad g.

c) Die Einheiten von R[X] sind die Einheiten von R.

Beweis.

a) b) Seien f = a0 +a1X+ . . .+anXn 6= 0 und g = b0 +b1X+ . . .+bmX

m 6= 0mit n ≥ 0,m ≥ 0, an 6= 0, bm 6= 0.

Dann ist fg = c0 + c1X + . . .+ cn+mXn+m, cn+m = anbm. Da R integer

ist, gilt cn+m = anbm 6= 0. Es folgt fg 6= 0 und Grad fg = n + m =Grad f+ Grad g.

c) Sei f ∈ R[X] eine Einheit. Dann gibt es ein g ∈ R[X] mit fg = 1.Es folgt Grad f + Grad g = Grad fg = Grad 1 = 0 und daher Gradf = Grad g = 0, d.h. f = a0, g = b0 und fg = a0b0 = 1. Es folgtf = a0 ∈ R×. Umgekehrt ist jedes konstante Polynom f = a0 mita0 ∈ R× in R[X] eine Einheit.

Division von Polynomen mit Rest. Sei K ein Korper.

2.6 Satz. Seien f und g Polynome aus K[X], g 6= 0. Dann gibt es eindeutigbestimmte Polynome q, r ∈ K[X] mit

(i) f = g · q + r(ii) r = 0 oder r 6= 0 und Grad r < Grad g.

Beweis. Existenz: Es ist f = g · 0 + f . Also ist die Menge {r′ ∈ K[X] | Esgibt ein q′ ∈ K[X] mit f = g · q′ + r′} = M nicht leer (f ∈M).

1. Fall. Ist 0 ∈M , so ist f = gq + 0 und wir sind fertig.

2. Fall. Sei 0 6∈M . Dann hat jedes r′ ∈M einen Grad.

Wahle ein r ∈ M von kleinstmoglichem Grad. Es gibt dann nach Definitionvon M ein q ∈ R[X] mit

f = gq + r.

Noch zu zeigen: Grad r < Grad g

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Angenommen n := Grad r ≥ m := Grad g, r =n∑i=0

aiXi und g =

m∑i=0

biXi.

Dann hat das Polynom anb−1m Xn−mg den Grad (n −m) + m = n = Grad r

und den Leitkoeffizienten

anb−1m bm = an, also r = anX

n + an−1Xn−1 + . . . und

anb−1m bmX

n−m = anXn + a′n−1X

n−1 + . . .

Setze r′ := r − anb−1m Xn−mg = (an−1 − a′n−1)Xn−1+ niedriger Terme. Ferner

istf = gq + r = g(q + anb

−1m Xn−m) + r′ und daher r′ ∈ M , also r′ 6= 0. Wir

haben also ein r′ ∈ M gefunden mit Grad r′ ≤ n − 1 < n = Grad r, imWiderspruch zur Minimalitat von Grad r.

Eindeutigkeit. Angenommen f = gq + r = gq′ + r′ mit Grad r < Grad goder r = 0, und Grad r′ < Grad g oder r′ = 0.Es folgt g(q − q′) = r′ − r.Ware q 6= q′, so ware r′ − r = g(q − q′) 6= 0 und daher Grad (r′ − r) = Gradg+ Grad (q − q′) ≥ Grad g, im Widerspruch zur Wahl von r und r′.Also ist q = q′, somit auch r′ − r = g · 0 = 0, also r′ = r.

Rechenbeispiele. Betrachte die Polynome f = X3 + X2 − 2X − 2 undg = X2 + 1

(i) als Polynome in Q[X]

(ii) als Polynome in Z/3Z[X]

Zu (i):(X3 +X2 − 2X − 2) : (X2 + 1) = X + 1

X2 − 3X − 2−3X − 3

=⇒ (X3 +X2 − 2X − 2) : (X2 + 1) = X + 1 Rest −3X − 3, d.h.X3 +X2 − 2X − 2 = (X2 + 1)(X + 1)− 3X − 3

Zu (ii): Mithilfe der obigen Verknupfungsstabellen fur Z/3Z erhalt man

(X3 +X2 − 2X − 2) : (X2 + 1) = X + 1X3 + X—————————–

X2 + 1

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da in Z/3Z gilt: 3 = 0 und 1 = −2

=⇒ (X3 +X2 − 2X − 2) : (X2 + 1) = X + 1, d.h.X3 +X2 − 2X − 2 = (X2 + 1)(X + 1)

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§3 Gruppen

Definition. Eine Gruppe ist eine MengeG zusammen mit einer Verknupfung◦, so daß gilt: (Axiome)

(1) Zu je zwei Elementen a, b ∈ G gibt es ein eindeutig bestimmtes Elementa ◦ b ∈ G (Eindeutige Ausfuhrbarkeit)

(2) Fur alle a, b, c ∈ G gilt

(a ◦ b) ◦ c = a ◦ (b ◦ c) (Assoziativgesetz)

(3) Es gibt ein Element e ∈ G, so daß fur alle a ∈ Ga ◦ e = a (Neutrales Element)

(4) Zu jedem a ∈ G gibt es ein a′ ∈ G mit

a ◦ a′ = e (Existenz des Inversen)

Die Gruppe G heißt kommutativ (oder abelsch), wenn

(5)a ◦ b = b ◦ a (Kommutativgesetz)

fur alle a, b ∈ G.

Wie bei Ringen zeigt man: Neutrales Element und inverses Element zu a sindeindeutig bestimmt.

Beispiele.

a) (Z,+) ist eine abelsche Gruppe, 0 ihr neutrales Element.

b) Ist V ein Vektorraum, so ist (V,+) eine abelsche Gruppe.

c) Ist K ein Korper (etwa Q oder Z/pZ), so ist (K\{0}, ·) eine abelscheGruppe.

d) Ist R ein Ring, so ist (R,+) eine abelsche Gruppe. Insbesondere ist(Z/mZ,+) eine abelsche Gruppe mit m Elementen.

e) Ist R ein Ring, so ist (R×, ·) eine abelsche Gruppe, die sogenannteEinheitengruppe von R.

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Insbesondere ist ((Z/mZ)×, ·) eine abelsche Gruppe mit ϕ(m) Elementen,die sogenannte prime Restklassengruppe modulo m.

Beweis. a) bis d) sind klar.

Zu e). Nach 1.2 gilt: 1 ∈ R× ist neutrales Element.a ∈ R× =⇒ a−1 existiert und a−1 ∈ R×a, b ∈ R =⇒ ab ∈ R×.

Assoziativ- und Kommutativgesetz gelten schon in R.Nach 2.2 besteht (Z/mZ)× aus ϕ(m) Elementen.

Konventionen und Schreibweisen. Gewohnlich wahlen wir als Verknupfungs-zeichen unserer Gruppe den Malpunkt und lassen diesen meistens sogar weg(ab bedeutet a ·b). Das neutrale Element wird dann mit 1 (oder e) bezeichnetund das zu a inverse mit a−1.

Mit l > 0 aus Z verwenden wir abkurzend

a0 = e, a1 = a, a2 = aa, . . . , al = a · · · a︸ ︷︷ ︸l−mal

, . . .

a−2 := (a−1)2 = (a2)−1, . . . , a−l := (a−1)l = (al)−1, . . .

Durch Induktion zeigt man fur alle a, b ∈ G und l,m ∈ Z:

alam = al+m und (al)m = alm(nachprufen).

Zusatzlich gilt, wenn G abelsch ist: (ab)l = albl.

Die vorgestellte Notation nennt man die multiplikative Schreibweise.

Additive Schreibweise. Ist + das Verknupfungszeichen von G, so wird dasneutrale Element mit 0 bezeichnet und das zu a inverse mit −a. Ferner seifur l > 0 aus Z

0 · a := 0, 1 · a := a, 2 · a := a+ a, . . . , l · a := a+ ·+ a︸ ︷︷ ︸l−mal

.

(−2) · a := (−a) + (−a) = −(a+ a), . . . , (−l) · a := l · (−a) = −(l · a).

Es folgt: l · a+ma = (l +m)a, l · (m · a) = (l ·m) · a.

Die additive Schreibweise wird nur fur abelsche Gruppen verwandt, es giltsomit auch l · (a+ b) = l · a+ l · b.

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Untergruppen. Sei (G, ·) eine Gruppe.

Definition. Eine Teilmenge H von G heißt Untergruppe von G, wenn Hbzgl. der Verknupfung von G selbst eine Gruppe ist, d.h. wenn

1 ∈ Haus a, b ∈ H bereits ab ∈ H folgt undfur a ∈ H auch a−1 zu H gehort .

Beispiele.

a) G ist eine Untergruppe von G, ebenso {1}.b) Sei a ∈ G beliebig. Setze

< a >:= {an | n ∈ Z}

Wegen a0 = 1, alam = al+m und (an)−1 = a−n ist < a > eine UntergruppeG. Sie heißt die von a erzeugte Untergruppe von G. Wird G = (G,+)additiv geschrieben, so ist naturlich < a >= {na | n ∈ Z}.Beispielsweise ist in G = (R,+)Z = {1 · n | n ∈ Z} =< 1 >und in (Z,+) fur jedes m ∈ ZmZ = {m · n | n ∈ Z} =< m >.

Zyklische Gruppen.

Definition. Eine Gruppe heißt zyklisch, wenn es ein a ∈ G gibt, so daßG =< a >. In diesem Fall heißt a ein erzeugendes Element (Generator)von G.

Beispiele.

a) (Z,+) ist zyklisch mit Generator 1.

b) Die Menge der bijektiven Selbstabbildungen von R2 bilden eine GruppeS(R2) mit neutralem Element id = identische Abbildung.

c) Fur α ∈ R sei dα die Drehung der Ebene mit Mittelpunkt 0 um denWinkel α, gemessen im Uhrzeigersinn. G = {dα | α ∈ R} ⊆ S(R2)ist eine Gruppe, denn: d0 = id, dα ◦ dβ = dα+β, dα ◦ d−α = dα−α =d0, dα ◦ d0 = dα.

d) Sei α = 2π12

und a = dα. Zur Veranschaulichung zeichnen wir eine Uhrmit Mittelpunkt 0 ∈ R2 und Radius 1.

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Die Anwendung von a bedeutet, daß die Uhr um eine Stunde vorgestelltwird. Fur k ≥ 1 stellt ak = a ◦ . . . ◦ a︸ ︷︷ ︸

k−maldie Uhr um k Stunden vor, a−1

bedeutet die Ruckstellung um eine Stunde. Offenbar ist a12 = d2π dieidentische Abbildung. Es folgt fur k ∈ Z:

ak = ar mit 0 ≤ r ≤ 11, wenn r der Divisionsrest von k modulo 12 ist:k = q ·12+r =⇒ aq·12+r = aq·12 ·ar = (a12)q ·ar = (id)q ·ar = ar. Damitist gezeigtU =< a >= {id, a, a2, . . . , a11} ist eine zyklische Gruppe mit 12 Ele-menten.

e) Sei m > 1 ganz. Dann ist Z/mZ = {mZ, 1 + mZ, . . . , (m − 1) + mZ}bezuglich der Addition eine zyklische Gruppe der Ordnung m mit Ge-nerator 1 +mZ, denn

n(1+mZ) = (1+mZ)+ . . .+(1+mZ) = n+mZ, fur n = 1, . . . ,m−1.

f) Betrachte die Einheitengruppe von Z/5Z. Nach 2.2 gilt G = (Z/5Z)× ={1+5Z, 2+5Z, 3+5Z, 4+5Z}. G ist zyklisch mit Erzeuger a = 2+5Z :a = 2 + 5Z, a2 = 4 + 5Z,a3 = 8 + 5Z = 3 + 5Z, a4 = a · a3 =(2 + 5Z)(3 + 5Z) = 6 + 5Z = 1 + 5Z.

e) Betrachte die Einheitengruppe von Z/8Z. Nach 2.2 ist(Z/8Z)× = {1 + 8Z, 3 + 8Z, 5 + 8Z, 7 + 8Z}(Z/8Z)× ist nicht zyklisch, denn: < 1 + 8Z >= {1 + 8Z}(3 + 8Z)2 = 1 + 8Z =⇒< 3 + 8Z >= {1 + 8Z, 3 + 8Z}(5 + 8Z)2 = 1 + 8Z =⇒< 3 + 8Z >= {1 + 8Z, 5 + 8Z} und(7 + 8Z)2 = 1 + 8Z =⇒< 7 + 8Z >= {1 + 8Z, 7 + 8Z}.

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Im Verlauf soll gezeigt werden: (Z/pZ)× ist zyklisch fur Primzahlen p.

Fortan sei G eine (multiplikativ geschriebene) endliche abelsche Gruppe. DieAnzahl der Elemente von G nennt man die Ordnung von G; schreibe dafurord G.

Beispiel. ord (Z/mZ)× = ϕ(m). Wir haben gesehen: aϕ(m) = 1, also aordG =1 fur alle a ∈ (Z/mZ)× = G.

Allgemein gilt:

3.1 Satz. Fur alle a ∈ G ist aordG = 1.

Beweis. Sei m = ord G, G = {a1, . . . , am}. Ist a ∈ G beliebig, so gilt nachder Kurzungsregel: aa1, . . . , aam sind paarweise verschieden (aai = aaj =⇒ai = a−1(aai) = a−1(aaj) = (a−1a)aj = aj). Also ist G = {aa1, . . . , aam}. Esfolgt:

a1 · . . . · am =∏g∈G

g = (aa1) · . . . · (aam) = am(a1 · . . . · am)

Kurzen ergibt: 1 = am.

Ist G endlich, ord G = m, so ist nach 3.1 {ν | aν = 1, ν ≥ 1} nicht leer, alsoexistiert Min {ν | aν = 1, ν ≥ 1}. Diese Zahl nennt man die Ordnung vona; schreibe dafur auch ord a.

3.2 Satz. Es ist ord < a >= ord a und < a >= {1, a, a2, . . . , ad−1}, wennd = ord a.

Beweis. Sei d = ord a. Schreibe n ∈ Z in der Form n = qd+ r,0 ≤ r ≤ d − 1, q ∈ Z. Dann ist an = aqdar = (ad)qar = 1 · ar = ar, somitH :=< a >= {1, a, a2, . . . , ad−1} und ord < a >≤ ord a. Andererseits gilt

nach 3.1 aordH = 1, also auch ord a ≤ ord H nach Definition von ord a.Insbesondere gilt:

Ist 0 ≤ i < j ≤ d− 1, so ist ai 6= aj und < a > besteht

aus den d paarweise verschiedenen Elementen

1, a, a2, . . . , ad−1

3.3 Korollar. Fur jedes a ∈ G ist ord a ein Teiler von ord G.

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Beweis. Nach 3.1 ist aordG = 1. Zeige nun allgemeiner:

Aus an = 1 folgt d := ord a | n.Beweis. Schreibe n = qd + r, 0 ≤ r ≤ d − 1 =⇒ 1 = an = (ad)qar = ar =⇒r = 0 (nach dem Beweis von 3.2); also ist n = qd, d.h. d | n.

3.4 Satz. Ist G zyklisch, so ist auch jede Untergruppe H von G zyklisch,und ord H | ord G.

Beweis. Sei ordG = d, alsoG =< a >= {1, a, . . . , ad−1}. Wegen {1} =< 1 >konnen wir o.E. H 6= {1} annehmen. Sei t = Min {s | s ≥ 1 und as ∈ H}.Zeige nun, daß H =< at >.

Bew. Sei as ∈ H, as 6= 1, 1 ≤ s ≤ d− 1. Es folgt s ≥ t.

Noch zu zeigen: t | s, somit s = t · q und as = (at)q ∈< at >.

Angenommen t - s : s = tq + r, 1 ≤ r ≤ t − 1 =⇒ as = (at)qar =⇒ ar =as(at)−q ∈ H, da as ∈ H und at ∈ H.

ar ∈ H mit 1 ≤ r < t steht aber im Widerspruch zur Minimalitat von t.

Nach 3.2 und 3.3 ist schießlich wegen H =< at >

ord H = ord at | ord G.

79

Page 81: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

§4 Die prime Restklassengruppe modulo p

Sei K ein Korper. Wir wollen zeigen:

4.1 Satz. Jede endliche Untergruppe von K× ist zyklisch. Insbesondere ist(Z/pZ)× zyklisch, wenn p eine Primzahl ist.

Dazu betrachten wir den Polynomring K[X]. Sei f ∈ K[X].

Definition. y ∈ K heißt Nullstelle von f , wenn f(y) = 0.

4.2 Lemma. Ist y eine Nullstelle von f , so gibt es ein g ∈ K[X] mit

f = g · (X − y)

Beweis. Nach 2.6 gibt es Polynome g, r ∈ K[X] mit f = g · (X − y) + r,wobei r = 0 oder Grad r < Grad (X − y) = 1.

In jedem Fall ist r ∈ K. Setze y fur X ein und erhalte 0 = f(y) = g(y) · (y−y) + r = 0 + r = r, also f = g · (X − y).

4.3 Korollar. Sind y1, . . . , ym paarweise verschiedene Nullstellen von f , sogibt es ein g ∈ K[X] mit

f = (X − y1) · . . . · (X − ym) · g

Beweis. (Induktion nach m). m = 1 gilt nach 4.2.

Schluß von m− 1 auf m. Nach Induktionsannahme gibt es ein h ∈ K[X]mit

f = (X − y1) · . . . · (X − ym−1) · hWerte beide Seiten an der Stelle X = ym aus:

0 = f(ym) = (ym − y1) · . . . · (ym − ym−1)︸ ︷︷ ︸6=0

h(ym). Es folgt h(ym) = 0.

Nach 4.2 gibt es ein g mit h = (X − ym) · g und somit

f = (X − y1) · . . . · (X − ym−1)(X − ym) · g

4.4 Korollar. Sei f 6= 0 ein Polynom vom Grad n ≥ 0. Dann hat f hochstensn Nullstellen.

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Beweis. Seien y1, . . . , ym paarweise verschiedene Nullstellen von f . Nach 4.3gibt es ein Polynom g mit

f = (X − y1) · . . . · (X − ym)g

Es folgt g 6= 0 und Grad g = n−m, also n−m ≥ 0 und m ≤ n.

4.5 Korollar. Sei K ein unendlicher Korper (etwa K = R) und f, g Poly-nome aus K[X]. Ist dann f(a) = g(a) fur alle a ∈ K, so ist f = g.

Beweis. f−g ist ein Polynom hmit h(a) = f(a)−g(a) = 0 fur alle (unendlichvielen) a ∈ K. Nach 4.4 muß dann h = 0 sein, d.h. f = g.

Anmerkung. Im Korper K = Z/pZ gilt nach Fermat ap = a fur a ∈ K.Also gilt fur das Polynom f = Xp − X 6= 0 : f(a) = ap − a = 0 fur allea ∈ K.

Zum Beweis von 4.1 benotigen wir einen weiteren Hilfssatz.

4.6 Lemma. Sei G eine endliche abelsche Gruppe. Es gelte

(∗) | {x ∈ G | xd = 1} |≤ d fur alle d | ord G

Dann ist G zyklisch.

Schließe zunachst 4.1 aus 4.6. Sei G ⊆ K× eine endliche Untergruppe.Nach 4.4 gilt: Ist d | ord G, so hat Xd − 1 hochstens d Nullstellen in K, alsoauch in G. Also ist (∗) erfullt und G ist zyklisch nach 4.6.

Beweis von 4.6. Jedes a ∈ G eine wohlbestimmte Ordnung d ≥ 1, und nach3.3 ist d | m := ord G. Setze

Gd := {x ∈ G | ord x = d}.

Zeige, daß Gm 6= ∅. Dann gibt es ein x ∈ G mit ord x = m und daherord < x >= ord x = ord G nach 3.2, d.h. < x >= G.

Wegen ord a | ord G (nach 3.3) gilt

G =⋃

d|mGd (1)

Setze ψ(d) := |Gd|. Wegen (1) gilt:

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m =∑

d|mψ(d) (2)

Ferner gilt nach der Teilersummenformel

m =∑

d|mϕ(d) (3)

Zeige noch

ψ(d) ≤ ϕ(d) fur alle d | m (4)

Wenn (4) gezeigt ist, folgt zusammen mit (2) und (3)

d|mψ(d) =

d|mϕ(d) und ψ(d) ≤ ϕ(d) fur alle d | m

Dann muß aber ψ(d) = ϕ(d) sein fur alle d | m. Insbesondere ist dannψ(m) = ϕ(m) 6= 0 und Gm 6= ∅.Beweis von (4). Im Fall ψ(d) = 0 ist nichts zu zeigen. Sei also ψ(d) ≥ 1.Dann existiert ein a ∈ G mit ord a = d. Dann ist ord < a >= d und es giltxd = 1 fur alle x ∈ H =< a > (nach 3.2 und 3.1). Es ist also ord H = d undH ⊆ H = {x ∈ G | xd = 1}. Nach Voraussetzung (∗) ist aber ord H ≤ d,somit H = H und H = {a, a2, . . . , ad = 1} = {x ∈ G | xd = 1}. Insbesondereist Gd ⊆ H.

Fur alle n mit 1 ≤ n ≤ d und (n, d) = t > 1 gilt x = ant ∈ H, somit

(an)dt = (a

nt )d = xd = 1, also ord an ≤ d

t< d, also an 6∈ Gd. Es folgt Gd ⊆

{an | 1 ≤ n ≤ d und (n, d) = 1}. Also gilt ψ(d) = |Gd| ≤| {n | 1 ≤ n ≤ dund (n, d) = 1} |= ϕ(d).

Wir haben also gesehen:

4.7 Korollar. Die multiplikative Gruppe K× eines endlichen Korpers istzyklisch.

4.8 Korollar. Die prime Restklassengruppe modulo p ist zyklisch von derOrdnung p− 1.

Definition. Eine Zahl m ∈ Z heißt Primitivwurzel modulo p, wenn p - mund m+ pZ ein Generator der primen Restklassengruppe modulo p ist.

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4.9 Korollar. Es gibt genau ϕ(p− 1) Primitivwurzeln modulo p, die paar-weise inkongruent modulo p sind.

Beweis. G = (Z/pZ)∗ erfullt wegen 4.4 die Voraussetzung (∗) von 4.6. ImVerlauf des Beweises von 4.6 haben wir gezeigt: Die Menge Gd = {x ∈ G |ord x = d} besteht aus ϕ(d) Elementen, wenn d | ord G. Insbesondere bestehtGp−1 = {x ∈ G | ord x = p− 1} aus ϕ(p− 1) Elementen.Wegen ord x = ord < x > sind die Elemente von Gp−1 gerade die Erzeugervon G.

Nach 2.3 ist das Produkt der von 0 verschiedenen Elemente von Z/pZ gleich−1. Wir zeigen noch, daß die entsprechende Aussage fur jeden endlichenKorper gilt.

4.10 Satz. Ist K ein endlicher Korper, so ist∏

a∈K×a = −1.

Beweis. Sei q = ord K, d.h. q − 1 =ord K×. Nach 3.1 ist aq−1 = 1 fur allea ∈ K×; m.a.W.: Jedes a ∈ K× ist Nullstelle des Polynoms f = Xq−1 − 1.Sei K× = {y1, . . . , yq−1}. Nach 4.3 gilt dann mit einem c ∈ K

f = Xq−1 − 1 = (X − y1) · . . . · (X − yq−1) · c= Xq−1 · c+ . . .+ (−y1)(−y2) · . . . · (−yq−1) · c

Es folgt durch Koeffizientenvergleich c = 1 und−1 = (−y1)(−y2) · . . . · (−yq−1) = (−1)q−1y1 · . . . · yq−1 = y1 · . . . · yq−1, denn(−1)q−1 = 1 nach 3.1.

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Kapitel III.Aufbau des Zahlensystems

§1 Addition und Multiplikation naturlicherZahlen

Wir wollen erklaren, wie man naturliche Zahlen addiert und multipliziert unddabei nur den Begriff das Zahlens verwenden.

Heuristische Uberlegung. Die naturlichen Zahlen entstehen durch fort-schreitendes Zahlen. Man kann diesen Vorgang beispielsweise anhand einerStrichliste dokumentieren:

leer, |, ||, |||, . . . , n, n′, (n′)′, . . .Anstelle von Strichfolgen kann man die Zahlen etwa durch arabische oderromische Zifferen ausdrucken:

0, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11 . . .

I, II, III, IV, V, V I, V II, V III, IX,X,XI, . . .

Beim Zahlen folgt auf eine Zahl genau eine nachste. Nenne diese den Nach-folger; schreibe n′ fur den Nachfolger von n. Es gilt:

(α) Verschiedene naturliche Zahlen haben auch verschiedene Nachfolger.

(β) 0 ist kein Nachfolger einer naturlichen Zahl.

(γ) Jede naturliche Zahl wird erreicht, wenn man”

lange genug“ zahlt.

In der Sprache der Mengenlehre bedeutet dies:

Definition. Die naturlichen Zahlen bilden eine Menge N, zusammen mit

(1) einem ausgezeichneten Element 0, und

(2) einer AbbildungS : N −→ N

n 7−→ S(n) =: n′

Es soll gelten (Axiome der naturlichen Zahlen.)

(A) S ist injektiv, d.h.: Aus n 6= m folgt n′ 6= m′.

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(B) 0 6∈ S(N), d.h.: Fur alle n ∈ N ist n′ 6= 0.

(C) (Induktionsaxiom.) Sei M ⊆ N eine Menge mit den Eigenschaften(i) 0 ∈M ; (ii) Aus x ∈M folgt x′ ∈MDann ist M = N.

n′ wird als Nachfolger von n bezeichnet.

Alle weiteren Aussagen uber naturliche Zahlen und deren Beweise lassensich einzig und allein auf diese drei Axiome grunden. Wir werden dieseRuckfuhrung auf die Axiome an Beispielen demonstrieren.

1.1 Satz. Jede von 0 verschiedene Zahl ist Nachfolger einer naturlichen Zahl.

Beweis. Sei M = {0} ∪ S(N). Zeige, daß M = N ist. Es gilt

(i) 0 ∈M(ii) Sei x ∈M ; dann ist x′ = S(x) ∈ S(N) ⊆M , also x′ ∈M .

Nach Axiom (C) ist M = N.

I. Addition naturlicher Zahlen.

1.2 Satz. Zu jedem x ∈ N existiert genau eine Funktion ax : N −→ N mitfolgenden Eigenschaften:

(1) ax(0) = x

(2) ax(y′) = ax(y)′ fur alle y ∈ N.

Schreibe x+ y := ax(y) fur alle x ∈ N.Wegen (1) und (2) gilt: x+ 0 = x und x+ y′ = (x+ y)′ fur alle x, y ∈ N.

Definition. Die gemaß 1.2 eindeutig existierende Verknupfung

+ : N× N −→ N, (x, y) 7−→ x+ y

mit den Eigenschaften x + 0 = x und x + y′ = (x + y)′ heißt Additionnaturlicher Zahlen.

Beweis von 1.2. Halte x fest. Seien ax, bx : N −→ N Funktionen mit denEigenschaften (1) und (2), d.h.

(1) ax(0) = bx(0) = x,

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(2) ax(y′) = ax(y)′ und bx(y

′) = bx(y)′ fur alle y, x ∈ N.

Sei M = {y ∈ N | ax(y) = bx(y)}. Zu zeigen: M = N.

(i) ax(0) = x = bx(0), also 0 ∈M (wegen (1)).

(ii) Sei y ∈M , d.h. ax(y) = bx(y). Es folgt mit (2):

ax(y′) = (ax(y))′ = (bx(y))′ = bx(y

′) also y′ ∈MNach (C) ist M = N.

Existenz. Sei M = {x ∈ N | Es existiert eine Funktion ax : N −→ N mitden Eigenschaften (1) und (2) }. Zu zeigen: M = N.

(i) Setze a0(y) := y. Dann gilt(1) a0(0) = 0(2) a0(y′) = y′ = (a0(y))′

}Also ist 0 ∈M .

(ii) Sei x ∈ M und ax : N → N die wegen x ∈ M in der (bereits bewie-senen) Eindeutigkeitsaussage eindeutig bestimmte Abbildung mit (1),(2). Dann ist ax(0) = x und ax(y

′) = (ax(y))′ fur alle y ∈ N.

Setze ax′(y) := (ax(y))′ fur alle y ∈ N.Da ax die Bedingungen (1) und (2) erfullt, folgtax′(0) = (ax(0))′ = x′ undax′(y

′) = (ax(y′))′ = (ax(y)′)′ = (ax′(y))′

Also erfullt auch ax′ (1) und (2), d.h. x′ ∈M .

Nach (C) ist (wegen (i) und (ii)) M = N.

1.3 Satz. Fur alle x, y, z ∈ N gilt

(x+ y) + z = x+ (y + z) (Assoziativgesetz)

x+ y = y + x (Kommutativgesetz)

Beweise nur das Assoziativgesetz. Halte x, y fest. Sei M = {z | (x+y)+z =x+ (y + z)}. Zu zeigen: N = M .

(i) (x+ y) + 0(1)= x+ y

(1)= x+ (y + 0), also 0 ∈M .

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(ii) Sei z ∈ M , d.h. (x + y) + z = x + (y + z). Dann ist (x + y) + z′(2)=

((x+y)+ z)′ = (x+(y+z))′(2)= x+(y+z)′

(2)= x+(y+z′), also z′ ∈M .

Nach (C) folgt M = N.

Schreibe 1 fur 0′. Dann gilt: x+ 1 = x+ 0′(2)= (x+ 0)′

(1)= x′.

II. Multiplikation naturlicher Zahlen.

1.4 Satz. Zu jedem x ∈ N gibt es genau eine Funktion mx : N→ N mit denEigenschaften(3) mx(0) = 0(4) mx(y

′) = mx(y) + x fur alle y ∈ N.

Der Beweis verlauft analog zum Beweis von 1.2 und wird daher weggelassen.Setze x · y := mx(y) fur alle x, y ∈ N.

(3) und (4) bedeuten somit

x · 0 = 0 und x · (y + 1) = (x · y) + x fur alle x, y ∈ N.

Ferner ist x · 1 = x · (0′) = x · 0 + x = 0 + x = x+ 0 = x.

Definition. Die Verknupfung

· : N× N −→ N, (x, y) 7−→ x · y

heißt Multiplikation naturlicher Zahlen.

1.5 Satz Fur alle naturlichen Zahlen x, y, z gilt

x · y = y · x (Kommutativgesetz)x · (y + z) = (x · y) + (x · z) (Distributivgesetz)x · (y · z) = (x · y) · z (Assoziativgesetz)

Beweise nur das Distributivgesetz. Halte x, y fest und setzeM := {z | x · (y + z) = (x · y) + (x · z)}. Zu zeigen: M = N

(i) x · (y + 0) = x · y = (x · y) + 0 = (x · y) + (x · 0), also 0 ∈M.

(ii) Sei z ∈M , d.h. x · (y + z) = (x · y) + (x · z). Es folgtx · (y + z′) = x · ((y + z)′) = (x · (y + z)) + x = ((x · y) + (x · z)) + x =(x · y) + ((x · z) + x) = (x · y) + (x · z′), also z′ ∈M .

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Nach (C) gilt daher M = N.

Konvention. Wir lassen kunftig den Malpunkt weg und schreiben kurz

x+ y + z fur x+ (y + z) = (x+ y) + z,xyz fur x(yz) = (xy)z;xy + z fur (xy) + zz + xy fur z + (xy) (Punktrechnung vor Strichrechnung).

III. Der Rekursionssatz.

Bei der Definition von Addition und Multiplikation sind wir nach dem fol-genden Schema vorgegangen:

(i) Man definiert ax(0) bzw. mx(0).

(ii) Man gibt an, wie ax(y′) bzw. mx(y

′) aus ax(y) bzw. mx(y) zu berechnenist.

Diese Vorgehen nennt man rekursive (induktive) Definition. Sie funktio-niert ganz allgemein:

1.6 Rekursionssatz. (ohne Beweis.) Sei A eine Menge, g : A −→ A eineAbbildung und α ∈ A ein Element. Dann gilt es genau eine Funktionf : N −→ A mit folgenden Eigenschaften:

(i) f(0) = α; (ii) f(n′) = g(f(n)) fur alle n ∈ N.(f(0) = α, f(1) = g(f(0)) = g(α), f(2) = g(f(1)) = g(g(α), f(3) = g(g(g(α))), . . .).

Beispiele.

a) A = N, g(a) = a′, α ∈ N : f(n) = aα(n) = α + n

b) A = N, g = ax, α = 0 : f(n) = mx(n) = x · nRekursive Folgen. Man nennt eine Abbildung f : N→ A auch eine Folgevon Elementen aus A und schreibt auch fn fur f(n), (fn)n∈N oder f0, f1, f2, . . .fur f .

Beispiele. f = c : N→ N n 7→ c ist die konstante Folge c, c, c, . . ..

f : N→ N, n 7→ 2n ist die Folge 1, 2, 4, 8, 16, 32, . . .

Eine Folge f , die wie in 1.6 definiert ist, nennt man eine rekursive Folge.

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Es wird in diesem Fall eine Abbildung g : A→ A und ein α ∈ A vorgegebenund erklart

(i) f0 = α ; fn+1 = g(fn)Man nennt α das Anfangsglied und g eine Rekursionsgleichung fur dieFolge f .

Beispiel. Sei g : R → R, g(x) = 11+x

;α = 1. Dann ist f0 = 1, fn+1 = 11+fn

.Die Folgenglieder berechnen sich nacheinander als

f0 = 1, f1 =1

1 + 1=

1

2, f2 =

1

1 + 12

=2

3, f3 =

1

1 + 23

=3

5, . . .

Allgemeiner kann man rekursive Folgen definieren, indem man angibt, wieein Folgenglied aus den k vorangegangenen berechnet werden soll (k–facheRekursion):

(1.6)’Satz. Sei g : Rk → R eine Funktion in k Variablen. Dann wird durchVorgabe von f0, . . . , fk−1 und die Rekursionsvorschrift

fn+k = g(fn, . . . , fn+k−1) fur n = 0, 1, 2, . . .

eine eindeutig bestimmte Folge definiert.

Beispiel. k = 2, g(x, y) = x+ y;f0 = 0, f1 = 1 : fn+2 = g(fn, fn+1) = fn + fn+1 = Summe der beidenvorangegangenen Folgenglieder. Die Folge beginnt mit

0, 1, 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144, . . .

Es handelt sich um die beruhmte Fibonacci–Folge.

Das Induktionsaxiom (C) laßt sich auch etwas anders formulieren:

(V) Beweisprinzip der vollstandigen Induktion. Sei A = A(n) eineAussage uber naturliche Zahlen. Es sei bekannt:

(a) (Induktionsbeginn) A(0) ist richtig.

(b) (Induktionsschluß) Aus der Gultigkeit von A(x) (Induktionsannahme)folgt stets die Gultigkeit von A(x + 1). Dann ist A allgemein (d.h. furalle n ∈ N) richtig.

Beweis. Sei M := {x | x ∈ N und A(x) gilt}. Zu zeigen: M = N.

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(i) 0 ∈M , da A(0) gilt.

(ii) Sei x ∈M , dann gilt A(x). Nach Voraussetzung gilt dann auch A(x+1).Also ist x+ 1 ∈M .

Nach (C) ist daher M = N.

IV. Die Anordnung der naturlichen Zahlen.

1.7 Satz. Fur alle x, y, z ∈ N gilt:

a) Aus x+ y = x+ z folgt y = z (”Kurzungsregel“).

b) Aus x+ y = 0 folgt: x = 0 und y = 0.

Beweis.

a) Zu zeigen: Aus y 6= z folgt x+ y 6= x+ z.Halte y, z mit y 6= z fest; setze M = {x | x+ y 6= x+ z}Zeige mit Hilfe von (C), daß M = N.

(i) 0 + y = y 6= z = 0 + z, also 0 ∈M .

(ii) Sei x ∈ M , d.h. x + y 6= x + z =⇒ (x + y)′ 6= (x + z)′ nach (A).Aber (x+ y)′ = (y + x)′ = y + x′ und (x+ z)′ = (z + x) = z + x′;also ist y + x′ 6= z + x′ und somit x′ ∈M .

Nach (C) folgt M = N.

b) Aus y 6= 0 folgt y = w′ mit w ∈ N nach 1.1, und x + y = x + w′ =(x+ w)′ 6= 0 nach (B). Analog schließt man, wenn x 6= 0 ist.

1.8 Korollar. Fur x, y ∈ N tritt genau einer der folgenden Falle ein:

(1) x = y

(2) Es gibt ein u 6= 0 in N mit x = y + u

(3) Es gibt ein v 6= 0 in N mit y = x+ v

Beweis. Unvereinbarkeit: Wegen 1.7a) ist y + u 6= y fur u 6= 0. Also sind(1) und (2) unvereinbar. Entsprechend zeigt man dies fur (1) und (3). Aus(2) und (3) folgt x = y + u = (x+ v) + u = x+ (v + u), also v = u = 0 nach1.7a) und b); Widerspruch.

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Eintreffen eines der drei Falle: Halte x fest, zeige induktiv die AussageA(y) : Fur x, y gilt (1), (2) oder (3).

Induktionsbeginn: y = 0 : x = y + x =⇒ (1) oder (2) gilt fur x, y

Induktionsannahme: Fur x, y gilt (1), (2) oder (3).

Schluß von y auf y + 1: Wir unterscheiden zwei Falle:

a) (1) oder (3) gilt fur x, y =⇒ y = x+v, v ∈ N =⇒ y+1 = x+(v+1) =⇒v + 1 6= 0 nach 1.7b) und (3) gilt fur x, y + 1.

b) (2) gilt fur x, y =⇒ x = y + u, u 6= 01.1

=⇒ u = w′ = w + 1, w ∈ N =⇒x = (y + 1) + w,w ∈ N =⇒ (1) oder (2) gilt fur x, y + 1.

Definition. x < y := y = x+ v mit v 6= 0 (Fall (3))Im Fall (2) ist daher y < x. Aus 1.8 ergibt sich

1.9 Korollar. Fur x, y tritt genau einer der Falle x = y, x < y oder y < xein.

Im Fall x < y (sprich”x kleiner als y“) schreibt man auch y > x (sprich

”y

großer als x“).

Definition.

x ≥ y := x > y oder x = y

x ≤ y := x < y oder x = y

1.10 Korollar. Die Relation”≤“ ist eine lineare Ordnung (oder Total-

ordnung) auf N, d.h.:

(1) x ≤ x (Reflexivitat)

(2) Aus x ≤ y und y ≤ x folgt x = y (Antisymmetrie)

(3) Aus x ≤ y und y ≤ z folgt x ≤ z (Transitivitat)Ist dabei x 6= y oder y 6= z, so ist auch x 6= z.

(4) Es gilt x ≤ y oder y ≤ x.

Beweis. (1), (2) und (4) sind klar nach 1.9.

Zu (3): y = x+ v, z = y + w =⇒ z = x+ (v + w) =⇒ x ≤ z.

Dabei: v 6= 0 oder w 6= 01.7b)=⇒ v + w 6= 0 =⇒ x < z.

1.11 Korollar. (Monotonie) Fur alle x, y, z ∈ N gilt

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a) Aus x ≤ y folgt x+ z ≤ y + z

b) Aus x ≤ y folgt x · z ≤ y · zBeweis.

a) y = x+ u =⇒ y + z = x+ u+ z = (x+ z) + u

b) y = x+ n =⇒ yz = (x+ u)z = xz + uz

Definition. Sei A ⊆ N nicht leer. Ein Element a0 ∈ A heißt Minimum vonA (oder kleinstes Element von A) wenn a0 ≤ a fur alle a ∈ A (Schreibe danna0 = MinA).

1.12 Prinzip vom kleinsten Element. Jede nicht leere Menge naturlicherZahlen besitzt ein Minimum. Dieses ist eindeutig bestimmt. Die Eindeutigkeitfolgt aus 1.10 (2).

Beweis. 0 ∈ A =⇒ 0 = Min A, denn 0 ≤ n fur alle n ∈ N (wg. n = 0 + n).Sei nun 0 6∈ A. Angenommen A besitze kein Minimum. Setze B := {n | n ∈ Nund n < x fur alle x ∈ A}. Es folgt B ∩ A = ∅. Wegen A 6= ∅ folgt B 6= N.

Zeige, daß auch B = N, Widerspruch.

(i) Wegen 0 6∈ A ist 0 < x fur alle x ∈ A, also 0 ∈ B.

(ii) Sei n ∈ B. Dann ist n < x fur alle x ∈ A. Es folgt n + 1 ≤ x fur allex ∈ A.

Da A kein Minimum besitzt ist n+ 1 6∈ A. Also gilt n+ 1 < x fur alle x ∈ A,d.h. n+ 1 ∈ B.Nach (C) gilt daher B = N.

1.13 Satz. N ist nullteilerfrei, d.h.

Aus x 6= 0 und y 6= 0 folgt: x · y 6= 0

Beweis. y = z′, z ∈ N (nach 1.1). Also gilt wegen x 6= 0xy = xz′ = xz + x 6= 0 nach 1.7b).

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§2 Der Ring der ganzen Zahlen

Die additive Gruppe der ganzen Zahlen.

Zielvorstellung. Die ganzen Zahlen sollen eine abelsche Gruppe (G,+) bil-den, welche N umfaßt und so daß gilt:

(i) Jedes Element aus G schreibt sich in der Form a− b mit a, b ∈ N.

(ii) 0 ∈ N ist das neutrale Element von G.Es folgt: Sind a, b, c, d ∈ N so gilt

(∗) a− b = c− d in G⇐⇒ a+ d = c+ b in N.

Wir wollen uns eine Gruppe mit diesen Eigenschaften schaffen.

Betrachte die Menge N×N = {(a, b) | a ∈ N und b ∈ N} der Paare naturlicherZahlen. Fuhre auf N×N eine Aquivalenzrelation ein; dabei soll am Ende dieAquivalenzklasse von (a, b) der Zahl a− b in der zu konstruierenden GruppeG entsprechen.

Definition. Die Paare (a, b) und (c, d) aus N× N heißen aquivalent, wenna+ d = b+ c.Schreibe dann

”(a, b) ∼ (c, d) “.

2.1 Bemerkung. ∼ ist eine Aquivalenzrelation, d.h.

(1) (a, b) ∼ (a, b) (Reflexivitat)

(2) (a, b) ∼ (c, d) =⇒ (c, d) ∼ (a, b) (Symmetrie)

(3) (a, b) ∼ (c, d) und (c, d) ∼ (e, f) =⇒ (a, b) ∼ (e, f) (Transitivitat)

Beweis. (1) und (2) sind klar.

(3) (a, b) ∼ (c, d) ∼ (e, f) =⇒ a+ d = c+ b und c+ f = e+ d=⇒ a + d + f = b + c + f = b + d + e. Nach der Kurzungsregel 1.7a) folgta+ f = b+ e, d.h. (a, b) ∼ (e, f).

Seien a, b ∈ N.Definition. Die Menge [a, b] := {(c, d) | (a, b) ∼ (c, d)} nennt man dieAquivalenzklasse von (a,b) modulo ∼.

Also ist [a, b] = [c, d]⇐⇒ (a, b) ∼ (c, d)⇐⇒ a+ d = c+ b.

93

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Wir bezeichnen Z := Menge der Aquivalenzklassen modulo ∼= {[a, b] | (a, b) ∈ N× N} als Menge der ganzen Zahlen.

Heuristische Uberlegung. In der zu konstruierenden Gruppe G soll gelten:a − b = c − d ⇐⇒ a + d = c + b

s.o⇐⇒ [a, b] = [c, d]. Identifiziere daher a − bmit [a, b]. Bei der Addition auf G sollte gelten:(a− b) + (c− d) = (a+ c)− (b+ d).Nachdem a− b mit [a, b] identifiziert ist bedeutet die letzte Gleichung: [a, b] +[c, d] = [a+ c, b+ d]. Wir erheben dies zur Definition der Addition auf G.

Definition. [a, b] + [c, d] := [a+ c, b+ d] (Addition ganzer Zahlen.)Es ist zu zeigen, daß dies eine sinnvolle Definition ist, d.h. [a, b] = [a′, b′] und[c, d] = [c′, d′] impliziert [a + c, b + d] = [a′ + c′, b′ + d′]. Der Nachweis wirddem Horer (Leser) uberlassen.

2.2 Satz. (Z,+) ist eine abelsche Gruppe mit Null= [0, 0] und −[a, b] = [b, a].

Beweis. Assoziativ- und Kommutativgesetz ubertragen sich sofort von N aufZ.

[a, b] + [0, 0] = [a+ 0, b+ 0] = [a, b][a, b] + [b, a] = [a+ b, a+ b] = [0, 0] denn (a+ b) + 0 = 0 + (a+ b)

Einbettung von N in Z. Betrachte die Abbildung

l : N −→ Z, a 7−→ [a, 0]

2.3 Satz. Die Abbildung l ist injektiv und mit der Addtion”vertraglich“,

d.h.: l(a+ b) = l(a) + l(b). Man kann daher (N,+) als Teilmenge von (Z,+)auffassen indem man a fur [a, 0] schreibt.

Beweis. [a, 0] = [b, 0] =⇒ a + 0 = b + 0 =⇒ a = b, also ist l injektitiv.[a, 0] + [b, 0] = [a+ b, 0 + 0] = [a+ b, 0].

2.4 Satz. Fasse N gemaß 2.3 als Teilmenge von Z auf. (Schreibe a fur [a, 0].)Fur a, b ∈ N ist dann [a, b] = a− b und es gilt

Z = (−N>0)∪{0}∪N>0

(N>0 := {n ∈ N | n 6= 0},−M = {−m | m ∈M} fur M ⊆ N.)Beweis. a − b = [a, 0] + (−[b, 0]) = [a, 0] + [0, b] = [a, b]. Nach 1.8 gilt in Ngenau eine der Relationen a = b, a < b, b < aa = b : [a, b] = [a, a] = [0, 0] = 0

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a < b : b = a+ x, x ∈ N>0 =⇒ [a, b] = [0, x] = −[x, 0] = −x ∈ −N>0

b < a : a = b+ y, y ∈ N>0 =⇒ [a, b] = [y, 0] = y ∈ N0

Multiplikation ganzer Zahlen. Nach 2.4 ist [a, b] = a− b.Heuristische Voruberlegung. (Z,+, ·) soll ein Ring werden, also mußnach dem Distributiv- und Assoziativgesetz gelten:

[a, b] · [c, d] = (a− b)(c− d) = (ac+ bd)− (ad+ bc) = [ac+ bd, ad+ bc]

. Wir definieren daher:

Definition. [a, b] · [c, d] := [ac+ bd, ad+ bc](Dies ist die Fortsetzung der Multiplikation auf N ⊆ Z :[a, 0] · [c, 0] = [ac+ 0, a · 0 + 0·] = [ac, 0] = ac.)

Wie man leicht nachrechnet, gilt

2.5 Regel. Seien a, b ∈ N. Dann gilt:

a) (−1)a = −ab) (−a)b = −abc) a(−b) = −abd) (−a)(−b) = ab

2.6 Satz (Z,+, ·) ist ein nullteilerfreier Ring mit Einselement 1 und Nullele-ment 0.

Beweis. Die Nullteilerfreiheit gilt nach 1.13 und 2.5. Zeige noch als Beispieldas Distributivgesetz in Z:[a, b]([c, d] + [e, f ]) = [a, b][c+ e, d+ f ] =[(ac+ ae) + (bd+ bf), (ad+ af) + (bc+ be)] =[ac+ bd, ad+ bc] + [ae+ bf, af + be] = [a, b][c, d]++[a, b][e, f ]Die Anordnung der ganzen Zahlen.

Definition. Fur x, y ∈ Z sei

x ≤ y :⇐⇒ y − x ∈ Nx < y :⇐⇒ x ≤ y und x 6= y( d.h. y − x ∈ N>0)

2.7 Satz.”≤ “ ist eine lineare Ordnung auf Z, welche die Ordnung auf N

fortsetzt. Sie ist monoton, d.h.

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Page 97: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

(1) Aus x ≤ y folgt x+ z ≤ y + z (fur alle x, y, z ∈ Z).

(2) Ist z ∈ N so folgt aus x ≤ y schon x · z ≤ y · z.

Beweis. Seien a, b ∈ N. Gilt a ≤ b in N, so ist b = a + x, x ∈ N, alsob−a = x ∈ N, d.h. a ≤ b in Z (und umgekehrt). Also ist

”≤“eine Fortsetzung

der Ordnung von N auf Z.

Reflexivitat. Aus x− x = 0 ∈ N folgt x ≤ x.

Antisymmetrie. x ≤ y und y ≤ x =⇒ y − x ∈ N und x− y ∈ N=⇒ y − x ∈ N und y − x = −(x− y) ∈ N 2.4

=⇒ y − x ∈ N ∩ (−N) = {0}=⇒ y = x.

Transitivitat. Sei x ≤ y und y ≤ z. Dann ist y − x ∈ N und z − y ∈ Nz − x = (z − y) + (y − x) ∈ N =⇒ x ≤ z.

Lineararitat. Sei x 6≤ y. Zu zeigen y ≤ x.

Aus x 6≤ y folgt y − x 6∈ N 2.4=⇒ y − x = −a, a ∈ N =⇒

x− y = −(y − x) = −(−a) = a ∈ N =⇒ y ≤ x.

Monotomie.

(1) x ≤ y =⇒ y−x ∈ N =⇒ (y+z)−(x+z) = y−x ∈ N =⇒ x+z ≤ y+z

(2) x ≤ y und z ≥ 0 =⇒ y − x ∈ N und z ∈ N =⇒ (y − x) · z ∈ N, d.h.yz − xz ∈ N =⇒ xz ≤ yz.

Ubungsaufgabe. Fur a ∈ Z nennt man

|a| :={

a falls a ≥ 0−a falls a < 0

den Betrag von a. Zeigen Sie, daß fur alle a, b ∈ Z

| − a| = |a|, |a| ≥ 0, |a| = 0 =⇒ a = 0, |ab| = |a||b| und |a+ b| ≤ |a|+ |b|

Damit ist Kapitel I, §1 neubegrundet worden. Wir werden daher hinfort allesverwenden, was wir in den Kapiteln I und II uber die ganzen Zahlen gelernthaben.

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§3 Die g–adische Darstellung naturlicherZahlen

Wir sind gewohnt, naturliche Zahlen im Dezimalsystem darzustellen undmit diesen Darstellungen zu rechnen. Dazu fuhrt man zehn Zeichen (Ziffern)ein, ublicherweise

0, 1 := 0′, 2 := 1′, 3 := 2′, 4 := 3′, 5 := 4′, 6 := 5′, 7 := 6′, 8 := 7′, 9 := 8′.

Sind a0, a1, . . . , an ∈ {0, 1, 2, . . . , 9} solche Ziffern, n ≥ 1 (und ist an 6= 0), sobedeutet die Ziffernfolge

(∗) anan−1 · . . . · a1a0

die Zahlan · 9′n + an−19

′n−1 + · . . . ·+a1 · 9′ + a0.

Insbesondere bedeutet die Ziffernfolge 10 die Zahl 1 · 9′ + 0 = 9′. Wir wollenzeigen, daß man mit dieser Ziffernnotation unmißverstandlich Zahlen darstel-len kann, d.h.:

Jede Zahl z ∈ N hat eine und nur eine Darstellung (∗) mit Ziffern aus{0, 1, 2, . . . , 9}.Man spricht von der Dezimaldarstellung der Zahl z.

Hier ist die Grundzahl zehn, man benutzt zehn Zeichen. Es gibt auch Sy-steme mit mehr oder weniger als zehn Zeichen. Die Babyloner rechneten imZwolfersystem.

Die Computer begnugen sich mit zwei Zeichen, 0 und 1;”1101001“ bedeutet

im Zweiersystem die Zahl

1 · 26 + 1 · 25 + 0 · 24 + 1 · 23 + 0 · 22 + 0 · 2 + 1 = 64 + 32 + 8 + 1 = 105,

wenn man Sie im Zehnersystem darstellt.

Wir wollen hier jede naturliche Zahl g ≥ 2 als Grundzahl zulassen.

3.1 Satz. Sei g ≥ 2 eine naturliche Zahl. Dann laßt sich jede naturliche Zahla eindeutig in der Form

a = angn + an−1g

n−1 + . . .+ a2g2 + a1g + a0

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schreiben, wobei a0, . . . , an ∈ N, n ≥ 0, 0 ≤ ni < g und an 6= 0 falls a 6= 0.Hat man fur die ganzen Zahlen z mit 0 ≤ z < g Zeichen (Ziffern, Chriffren)vereinbart, so schreibt man fur a auch die Aneinanderreihung der betreffen-den Zeichen fur a0, . . . , an:

anan−1 . . . a1a0 bedeutet die Zahl

angn + an−1g

n−1 + . . .+ a2g2 + a1g + a0 = a.

Beide Schreibweisen nennt man die g–adische Darstellung von a.

Beweis. Existenz der g–adischen Darstellung. Induktion nach a. Fur a = 0und a = 1 ist dies klar. Sei also a ≥ 2.

Schluß von a−1 auf a. Die Behauptung sei bereits bewiesen fur naturlicheZahlen b mit 1 ≤ b < a. Zu zeigen: Dann gilt die Behauptung auch fur a.

Dividiere dazu a durch g mit Rest:

a = q · g + r, 0 ≤ r < g, q ≥ 0

Setze a0 := r. Im Falle q = 0 ist die gewunschte Darstellung

a = a0 (n = 0)

Ist q > 0, so ist q < qg ≤ a, da g ≥ 2.

Nach Induktionsannahme besitzt daher q eine g–adische Darstellung

q = q0 + q1g + · . . . ·+qmgm, 0 ≤ qi < g fur i = 0,m, qm 6= 0.

Es folgt a = a0 + qg = a0 + q0g + q1 · g2 + . . .+ qmgm+1.

Setze a1 = q0, . . . , am+1 = qm und erhalte die Darstellung

a = a0 + a1g + . . .+ am+1gm+1, 0 ≤ aj < g, j = 0, . . . ,m+ 1, am+1 6= 0.

Eindeutigkeit der Darstellung. a ≥ 1 habe zwei Darstellungen

a0 + a1g + . . .+ angn = a′0 + a′1g + . . .+ a′mg

m = a, 0 ≤ ak, a′k < g

wobei o.E. m ≥ n ≥ 0, an 6= 0 und a′m 6= 0.

Zeige zunachst, daß m = n ist.

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Es ist a ≥ gm, a ≥ gn und aν ≤ g − 1. Es folgt

a ≤ (g−1)gn+. . .+(g−1)g+g−1 = (g−1)(gn+gn−1+. . .+g+1) = gn+1−1 < gn+1

Angenommen m ≥ n+ 1. Dann ware gn+1 ≤ gm ≤ a < gn+1, Widerspruch.Also ist m = n.Zeige nun, daß aν = a′ν fur ν = 0, . . . , n: Andernfalls ist die MengeM = {ν | 0 ≤ ν ≤ n, aν 6= a′ν} nicht leer und besitzt daher ein Maximum k.Es folgt

a0 + a1g + . . .+ akgk = a′0 + a′1g + . . .+ a′kg

k; 0 ≤ k ≤ n, ak 6= a′k

Es muß dann k > 0 sein, da sonst a0 = a′0 und a0 6= a′0 gelten wurde.

Es folgt(ak − a′k)gk = (a′0 − a0) + (a′1 − a1)g + . . .+ (a′k−1 − ak−1)gk−1 mit|a′ν − aν | ≤ g − 1 fur ν = 0, . . . , k. Es folgt|ak − a′k|gk ≤ |a′k−1 − ak−1|gk−1 + . . .+ |a′1 − a1|g + |a′0 − a0|

≤ (g − 1)(gk−1 + gk−2 + . . . g + 1) = gk − 1 < gk,im Widerspruch zu |ak − a′k| ≥ 1, da ak 6= a′k.

Beispiel. Sei a die naturliche Zahl mit der Dezimaldarstellung

a = 7 + 3 · 10 + 5 · 100 + 1 · 1000

Berechnung der 9–adischen Ziffernfolge von a.Division von a durch 9 mit Rest ergibt1537 : 9 = 170 Rest 7, d.h.63

7

1537 = 170 · 9 + 7 Dividiere 170 mit Rest, usw.170 = 18 · 9 + 818 = 2 · 9 + 0 Es folgt

1537 = 170 · 9 + 7 = (18 · 9 + 8)9 + 7 = (2 · 9 · 9 + 8)9 + 7= 2 · 93 + 0 · 92 + 8 · 91 + 7 · 90=2087 im Neunersystem

Zur Unterscheidung der verschiedenen System kann man einen Index g furdie g–adische Ziffernfolge angeben, also

(1537)10 = (2087)9

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Neunerprobe und Elferprobe im DezimalsystemSei g > 1 und (anan−1 . . . a1a0)g die g–adische Darstellung der Zahl a ≥ 1.

Definition.

a) Die Quersumme von a (bzgl. g) ist die Zahl

Q(a) := a0 + a1 + . . .+ an.

b) Die alternierende Quersumme von a (bzgl. g) ist die Zahl

Q′(a) := a0 − a1 + a2 −+ . . .+ (−1)nan.

3.2 Satz. a ≡ Q(a) mod (g − 1) und a ≡ Q′(a) mod (g + 1).

Beweis. Es ist g ≡ 1 mod (g − 1) und g ≡ −1 mod (g + 1).Nach den Regeln der Kongruenzrechnung gilt also

gν ≡ 1 mod (g − 1) und gν ≡ (−1)ν mod (g + 1)

fur alle 0 ≤ ν ≤ n.

Fur a =n∑ν=0

aνgν ergibt sich daraus

a ≡n∑ν=0

aν1ν = Q(a) mod (g − 1) und

a ≡n∑ν=0

aν(−1)ν = Q′(a) mod (g + 1)

Sind x ≡ y mod m, so ist m | x⇐⇒x ≡ 0 mod m⇐⇒ y ≡ 0 mod m⇐⇒ m | y. Aus 3.2 folgt also

3.3 Korollar.

(g − 1) | a⇐⇒ (g − 1) | Q(a) und(g + 1) | a⇐⇒ (g + 1) | Q′(a)

Speziell gilt fur g = 10

3.4 Korollar.9 | a ⇐⇒ 9 | Q(a) und

11 | a ⇐⇒ 11 | Q′(a)

Induktiv erhalt man 9 | a⇐⇒ 9 | Qn(a), 11 | a⇐⇒ 11 | Q′n(a). Fur große nwird Qn(a) bzw. Q′n(a) einstellig und es ist offensichtlich ob 9 | Qn(a) bzw.11 | Q′n(a).

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3.5 Korollar.

Q(a+· b) ≡ Q(a)

+· Q(b) mod (g − 1) und

Q′(a+· b) ≡ Q′(a)

+· Q′(b) mod (g + 1)

Beweis. Nach 3.2 gilt Q(x) ≡ x mod (g − 1) fur alle x ∈ N =⇒ Q(a+· b) ≡

a+· b ≡ Q(a)

+· Q(b) mod (g − 1). Entsprechend schließt man fur Q′ undg + 1.

3.6 Korollar. 3 | a⇐⇒ 3 | Q(a)

Beweis. Offenbar gilt: 3 | x =⇒ 9 | x2.

Da 3 eine Primzahl ist gilt: 9 | x2 =⇒ 3 | x2 =⇒ 3 | x.Also gilt: 9 | x2 ⇐⇒ 3 | x fur alle x ∈ N.Nach 3.2 und 3.5 ist a2 ≡ Q(a2) ≡ Q(a)2 mod 9, somit

3 | Q(a)⇐⇒ 9 | Q(a)2 ⇐⇒ 9 | Q(a)2 ⇐⇒ 9 | a2 ⇐⇒ 3 | a

Neunerprobe. Als Resultat einer Multiplikation erhalt man a · b = c. Manmochte uberprufen, ob die Rechnung stimmen kann:

Ist”a · b = c“ richtig gerechnet, so gilt nach 3.5 auch Q(a) · Q(b) ≡ Q(c)

mod 9. Mit anderen Worten: Aus Q(a)Q(b) 6≡ Q(c) mod 9 folgt ab 6= c, dieRechnung ist falsch.

Beispiel. Man erhalt beim Multiplizieren

1312 · 911 = 1195232Q(a) = 7, Q(b) = 11, Q(c) = 23Q(a) ·Q(b) = 77 ≡ 5 mod 9, Q(c) ≡ 5 mod 9Die Rechnung kann also stimmen. (Sie stimmt auch!)

Elferprobe. Wie oben hat man”a · b = c“ gerechnet. Ist dies richtig, so gilt

auch Q′(a) ·Q′(b) ≡ Q′(c) mod 11.

Beispiel. Man erhalt (etwa durch einen Schreibfehler)1312 · 911 = 1105232. Es giltQ′(a) = 3, Q′(b) = 9, Q′(c) = −4 ≡ 7 mod 11.Q′(a)Q′(b) = 27 ≡ 5 6≡ 7 ≡ Q′(c) mod 11.

Die Rechnung muß also falsch sein. (Mit der Neunerprobe hatte man’s nichtgemerkt.)

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§4 Die rationalen Zahlen

Der Ring der ganzen Zahlen hat den Mangel, daß nicht jede Gleichung a =bX, b 6= 0 innerhalb Z losbar ist. (Z.B. ist 1 = 2 ·X unlosbar in Z). Zu sei-ner Beseitigung erweitert man den Zahlbereich zum Korper der rationalenZahlen (Bruche).

A. Die rationalen Zahlen.

Definition. Die Menge der rationalen Zahlen besteht

(1) aus den ganzen Zahlen, und

(2) aus den Paaren (a, b) mit a, b ∈ Z, b ≥ 2, ggT (a, b) = 1

Q = Z∪{(a, b) | a, b ∈ Z, b ≥ 2, ggT (a, b) = 1}

4.1 Einfuhrung der Bruchschreibweise. Seien a, b ∈ Z, b 6= 0:

a) a1

:= a ∈ Zb) Ist ggT (a, b) = 1 und b ≥ 2, so setzen wir a

b:= (a, b).

c) Nach Kap. I, 2.8 gibt es durch (a, b) eindeutig bestimmte Zahlend = ±ggT (a, b), a und b mit a = da, b = db, b ≥ 1, ggT (a, b) = 1, d 6= 0.

Setze ab

:= ab

(=

{a falls b = 1

(a, b) falls b ≥ 2

). Damit ist

Q = {ab| a, b ∈ Z, b 6= 0}.

Fur a, b ∈ Z mit b 6= 0, nennt man den Ausdruck ab

einen Bruch, a seinenZahler und b seinen Nenner. Nach obiger Definition schreibt sich jedesr ∈ Q in eindeutiger Weise als r = a

bmit b ≥ 1 und ggT (a, b) = 1. Dieser

Ausdruck heißt gekurzte Bruchdarstellung von r ∈ Q. Sind also ab

und cd

gekurzte Bruche, so gilt

(∗) a

b=c

d⇐⇒ a = c und b = d

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4.2 Gleichheit von Bruchen. Seien a, b ∈ Z, b 6= 0.

a) bb

= 1 und 0b

= 0

b) Fur alle t ∈ Z\{0} gilt die Kurzungsregel

at

bt=a

b

c) Sind c, d ∈ Z, d 6= 0, so gilt

a

b=c

d⇐⇒ ad = bc

Beweis. a) und b) sind Spezialfalle von c).

Zu c) Seien ab

= ab

und cd

= cd

die zugehorigen reduzierten Bruchdarstellun-gen. Dann gilta = ta, b = tb, c = t′c, d = t′d, ggT (a, b) = ggT (c, d) = 1,b > 0, d > 0 und tt′ 6= 0.ab

= cd

=⇒ ab

= cd

(∗)=⇒ a = c, b = d =⇒ ad = tt′ad = tt′bc = bc.

ad = bc =⇒ tt′ad = tt′bc =⇒ tt′(ad − bc) = 0, tt′ 6= 0 =⇒ ad − bc nach 2.6,d.h. ad = bc.

Ferner gilt ggT (a, b) = ggT (d, c) = 1, d > 0, b > 0. Es folgt a = c und b = d,da man in Z eine eindeutige Primfaktorzerlegung hat. Also ist

a

b=a

b=c

d=c

d

B. Addition und Multiplikation von Bruchen.

Seien ab, cd∈ Q. Wir definieren

ab

+ cd

:= ad+bcbd

(Addition) und

ab· cd

:= acbd

(Multiplikation)

4.3 Bemerkung. Addition und Multiplikation von rationalen Zahlen sindunabhangig von der Darstellung definiert, d.h.

Aus ab

= a′b′ und c

d= c′

d′ folgt

(i) acbd

= a′c′b′d′ ; (ii) ad+bc

bd= a′d′+b′c′

b′d′

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Beweis. Nach 4.2 c) gilt

(iii) ab′ = a′b und cd′ = c′d, und somit

acbd

4.2b)= acb′d′

bdb′d′ = ab′cd′bdb′d′ = a′bc′d

bdb′d′4.2b)= a′c′

b′d′

ad+bcbd

4.2b)= (ad+bc)b′d′

bdb′d′ = ab′dd′+cd′bb′bdb′d′ = a′bdd′+c′dbb′

bdb′d′ = bd(a′d′+c′b′)bd(b′d′)

4.2b)= a′d′+c′b′

b′d′

4.4 Regel. Sei ab∈ Q. Dann gilt

a) + und · setzen die Addition und Multiplikation von Z auf Q fort.

b) ab· ba

= 1, falls a, b ∈ Z\{0}. Insbesondere ist a· 1a

= 1 fur alle a ∈ N\{0}.c) a

blost die Gleichung bX = a.

d) ab· 1 = a

bund a

b+ 0 = a

b.

e) ab

+ cb

= a+cb

; insbesondere ist ab

+ −ab

= 0b

= 0

Beweis.

a) a1

+ b1

= a·1+b·11·1 = a+b

1= a+ b

a1· b

1= ab

1·1 = ab1

= ab

b) ab· ba

= abba

= 11

= 1 nach 4.2

c) b · ab

= b1· ab

= ab1·b = a

1= a nach 4.2

d) ab· 1 = a

b· 1

1= a·1

b·1 = ab

ab

+ 0 = ab

+ 01

= a·1+0·bb·1 = a

b

e) ab

+ cb

= ab+cbbb

= (a+c)bbb

= a+cb

nach 4.2

4.5 Satz. (Q,+, ·) ist ein Korper.

Beweis. Nach 4.4 sind nur noch das Distributiv-, Assoziativ- und Kommu-tativgesetz zu zeigen. Zeige exemplarisch:

ab( cd

+ ef) = a

b· cf+de

df= acf+ade

bdfund

ab· cd

+ ab· ef

= acbf+bdaebdbf

= b(acf+dae)b(dbf)

= acf+adebdf

,also gilt das Distributivgesetz.

104

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C. Anordnung der rationalen Zahlen.

Definition. Eine rationale Zahl heißt positiv, wenn sie eine Darstellungr = a

bhat mit ab > 0.

4.6 Bemerkung. Ist r positiv und r = cd, so ist auch cd > 0.

Beweis. Sei r = ab

mit ab > 0. Es folgt ad = bc, also (ab)(cd) = b2c2 =(bc)2 > 0; wegen ab > 0 folgt auch cd > 0.

Setze P = {ab| ab∈ Q positiv } = Menge der positiven rationalen Zahlen.

4.7 Satz. P ist abgeschlossen bzgl. der Addition und Multiplikation und esgilt: Q = P ∪{0}∪(−P ).

Beweis. N>0 ist abgeschlossen bezuglich + und ·. Also ist nach Definitionder Positivitat rationaler Zahlen auch P abgeschlossen bezuglich + und ·:Seien r = a

b, s = c

daus P =⇒ rs = ac

bd, r + s = ad+bc

bd=⇒ acbd = (ab)(cd) > 0

und (ad+ bc)bd = (ab)d2 + (cd)b2 > 0.

Sei ab6∈ P ∪ {0} =⇒ ab < 0 =⇒ −(a)b = −ab > 0 =⇒ −a

b∈ P =⇒ a

b=

−−ab∈ −P.

Sei r = −ab∈ −P, d.h. ab > 0 und r = −a

bmit (−a)b = −ab < 0. Nach 4.6

ist daher r 6∈ P ∪ {0}.Definition. r ≤ s := s− r ∈ P0 := P ∪ {0}.P0 ist nach 4.7 abgeschlossen bzgl. + und ·.4.8 Satz.

”≤“ ist eine lineare Ordnung auf Q, welche die Ordnung auf Z

fortsetzt. Sie ist monoton, d.h.

r ≤ s =⇒ r + t ≤ s+ tr ≤ s und t ≥ 0 =⇒ rt ≤ st

Beweis. a ≤ b in Z ⇐⇒Def.

b− a ∈ N ⇐⇒ b1− a

1= b−a

1∈ P0 ⇐⇒

Def.

a1≤ b

1in Q.

Damit setze”≤“ die Ordnung auf Z fort.

Zeige beispielsweise noch die Transitivitat von”≤“ :

r ≤ s und s ≤ t⇐⇒ s− r ∈ P0 und t− s ∈ P04.7

=⇒ t− r = (s− r) + (t− s) ∈P0 =⇒ t ≤ r

105

Page 107: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

und die Monotomiebzgl.

”+ “ : r ≤ s =⇒ s− r ∈ P0 =⇒

(s+ t)− (r + t) = s− r ∈ P0 =⇒ r + t ≤ s+ t

und bzgl.”· “ : r ≤ s, t ≥ 0,=⇒ s− r, t ∈ P0

4.7=⇒

st− rt = (s− r)t ∈ P0 =⇒ rt ≤ st.4.9 Das Prinzip des Archimedes. Fur alle r, s ∈ P gibt es eine naturlicheZahl n mit n · r > s.

Beweis. Schreibe r = ph, s = q

hmit dem gleichen Nenner h > 0 und p, q > 0.

(Dies erreicht man durch Erweitern.)

Es gilt dann nach 4.8:

nr > s⇐⇒ (nr)h > sh⇐⇒ np > q, denn rh = p, sh = q.

Es genugt also, zu zeigen: Zu gegebenen naturlichen Zahlen p 6= 0 und q 6= 0gibt es eine naturliche Zahl n mit np > q.

Beweis: Wegen p ≥ 1 ist (q + 1)p ≥ (q + 1) · 1 = q + 1 > q.

4.10 Satz. Die Elemente von Q liegen”dicht gedrangt“:

Fur r, s ∈ Q mit r < s liegt immer noch ein t ∈ Q dazwischen, d.h. r < t < s.

Beweis. Setze t := 12(r + s) : s− t = s− 1

2r − 1

2s =

= 12s− 1

2r = 1

2· (s− r) > 0, da s > r. Also ist s > t

t− r = 12(r+ s)− r = 1

2s− 1

2r = 1

2(s− r) > 0, da s > r und somit s− r > 0.

Also ist auch t > r.

Im nachsten Abschnitt werden wir sehen, daß trotz der Aussage 4.10 dieMenge der rationalen Zahlen in gewissem Sinne

”luckenhaft“ sind. Um die-

se Lucken zu stopfen, haben die Mathematiker die reellen Zahlen erfunden.Wir werden im nachsten Paragraphen den Weg nachzeichnen, den der großeMathematiker Richard Dedekind gegangen ist, um die reellen Zahlen zu be-grunden.

106

Page 108: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

§5 Die reellen Zahlen

Heuristische Vorbetrachtung. Wir zeichnen einen Strahl und veranschau-lichen die nicht negativen rationalen Zahlen als Punkte auf diesem Strahl.

0 13

12

23

1 43

32

53

2 3 4

Der Ausgangspunkt wird mit 0 gleichgesetzt. Dann wird ein von 0 verschiede-ner Punkt markiert und gleich 1 gesetzt. Trage nun die Strecke [0, 1] sukzes-sive nach rechts ab und erhalte weitere Punkte; bezeichne diese nacheinandermit 2, 3, 4, . . . .Fur jedes n ∈ N+ teile man die Strecke [0, 1] in n gleiche Teile. Nenneden ersten Teilpunkt 1

n. Marken fur die Zahlen m

n,m ≥ 2 erhalt man durch

wiederholtes abtragen der Strecke [0, 1n]. Das Endergebnis ist der rationa-

le Zahlenstrahl. Durch Spiegelung am Nullpunkt erhalt man schließlich dierationale Zahlengerade. Jede rationale Zahl wird somit durch einen Punktder Zahlengerade reprasentiert.

Messen von Strecken. Der Abstand zwischen zwei Punkten der Ebene wirdgemessen, indem man sie von 0 aus auf dem Zahlenstrahl abtragt. Man sagt,die Strecke habe eine rationale Lange, wenn dabei das Ende auf eine Marker ∈ Q fallt.

Unvollstandigkeit der rationalen Zahlen. Es gibt Strecken, die keinerationale Lange haben. Dazu zeichen wir ein Quadrat mit Kantenlange 1und tragen die Diagonale von 0 aus ab. Behauptung: Das Ende r markiertkeine rationale Zahl.

107

Page 109: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

1

0

r r

r 21

Beweis. Durch Vergleich der Flachen des großen und des kleinen Quadratssieht man, dass r2 = 2. Angenommen r ist eine rationale Zahl, r = a

b, a > 0

und b > 0 ganz, ggT (a, b) = 1.Es folgt a2 = 2b2, d.h. 2 | a2 =⇒ 2 | a =⇒ a = 2c =⇒4c2 = a2 = 2b2 =⇒ b2 = 2c2 =⇒ 2 | b2 =⇒ 2 | b, im Widerspruch zuggT (a, b) = 1.

Fazit. Mit dem rationalen Strahlenstrahl kann man nicht jede Strecke exaktmessen.Zur Behebung dieses Mangels hatte Dedekind folgende Idee:Man zerschneide die Zahlengerade

”auf alle erdenkliche Weisen“ in zwei

Stucke s und s, auch an allen Stellen, die nicht durch rationale Zahlen mar-kiert sind. Die reellen Zahlen sind dann gerade die Gesamtheit aller so ent-standenen Paare (s, s). Nun hat man unendlich viele Maßstabe, mit denenalles meßbar ist.

Definition. Sei β ⊆ Q eine Menge rationaler Zahlen. Das Paar (Q \β, β)[bzw. die Menge β] heißt ein Dedekindscher Schnitt, wenn gilt

108

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(D1) β 6= ∅ und Q \β 6= ∅(D2) Aus r ∈ β und s > r folgt s ∈ β(D3) β hat kein Minimum.

Q\β β

Die Menge aller Dedekindschen Schnitte bezeichnen wir mit R.

Beispiele von Dedekindschen Schnitten.

a) Rationale Schnitte. Sei s ∈ Q. Dann ist nach 4.10β = s := {r ∈ Q | r > s} ein Dedekindscher Schnitt.

Behauptung. Aus s 6= t, s, t ∈ Q folgt s 6= t.

Beweis. Ohne Einschrankung sei t > s. Dann ist t ∈ s und t 6∈ t, alsos 6= t.

Damit hat man eine injektive Abbildung

Q ↪→ R s 7→ s = {r ∈ Q | r > s}

Fasse vermoge der Zuordnung s 7→ s die Menge Q als Teilmenge vonR auf; lasse den unteren Strich kunftig auch weg.

b) Der Dedekindsche Schnitt√

2: Betrachte die Menge

β := {r | r ∈ Q, r > 0 und r2 > 2}

Wir werden spater sehen, daß”β2 = 2“ (6.7).

Behauptung 1. β ist ein Dedekindscher Schnitt.

Beweis. (D1) ist klar.

(D2) Sei r ∈ β und s ∈ Q mit s > r =⇒ s2 > r2 > 2, also s ∈ β.

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(D3) Zu zeigen: Fur jedes r ∈ β gibt es ein s ∈ β mit s < r.

Setze s := 2r+2r+2

r>0=⇒ s > 0 und r − s = r2−2

r+2> 0 =⇒ s < r

s2 − 2 = 2(r2−2)(r+2)2 > 0 =⇒ s2 > 2, also ist s ∈ β, s < r.

Behauptung 2. β ist kein rationaler Schnitt s, s ∈ Q. Insbesondere istQ ( R.

Beweis. Angenommen β = s, s ∈ Q. Dann besitzt die Menge α := Q\s dasMaximum s.

Zeige aber, daß α kein Maximum haben kann, Widerspruch.

Beweis. Wegen 1 ∈ α = Q \β genugt es zu zeigen: Ist r ∈ α und r ≥ 1,so gibt es ein s ∈ α mit s > r. Setze s := 2r+2

r+2. Dann ist s > 0 und r2 ≤ 2

wegen r 6∈ β. Wie oben gesehen ist r2 6= 2, also r2 < 2. Es folgt

s2 − 2 =2(r2 − 2)

(r + 2)2< 0, also s2 < 2 und r − s =

r2 − 2

r + 2< 0

Also ist s > r, s ∈ α.

Die Elemente von R nennen wir reelle Zahlen. Alle rationalen Zahlen sindalso reelle Zahlen, aber nicht alle reellen Zahlen sind rational.

Die Anordnung der reellen Zahlen. Seien β und β′

Dedekind’sche Schnitte.

Definition. β ≤ β′ genau dann, wenn β′ ⊆ ββ < β′ := β ≤ β′ und β 6= β′, d.h. β′ ( β)

5.1 Bemerkung.”≤“; ist eine lineare Ordnung auf R, welche die Ordnung

auf Q fortsetzt.

Beweis. Fortsetzung der Ordnung auf Q. Seien s, t ∈ Q, t ≤ s.Zu zeigen: t ≤ s, d.h. s ⊆ t:r ∈ s =⇒ r > s ≥ t =⇒ r > t =⇒ r ∈ t; also ist s ⊆ t.

Reflexivitat. β ⊆ β

Transitivitat. β′ ⊆ β und β′′ ⊆ β′ =⇒ β′′ ⊆ β =⇒ β ≤ β′′

Antisymmetrie. β′ ⊆ β und β ⊆ β′ =⇒ β = β′

Linearitat. Zu zeigen: Aus β1 ( β2 folgt β2 ⊆ β1. Wegen β1 ( β2 gibt esein r ∈ β1 mit r ∈ β1 mit r 6∈ β2. Dann gilt nach (D2): r < s fur alle s ∈ β2.

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Also ist r ∈ β1 und r < s fur alle s ∈ β2. Nach (D2) ist dann s ∈ β1 fur alles ∈ β2, d.h. β2 ⊆ β1.

Untere Schranken und Infimum. Sei M ⊆ R.

Definition.

a) x ∈ R heißt eine untere Schranke von M , wenn x ≤ m fur allem ∈ M . Die Menge M heißt nach unten beschrankt; wenn M eineuntere Schranke besitzt.

b) Sei M nach unten beschrankt. Eine untere Schranke s von M heißt In-fimum (großte untere Schranke) von M , wenn alle unteren Schrankenvon M kleiner oder gleich s sind. Schreibe dann dafur Inf M . AlsoInf M = Max{s | s ist untere Schranke von M}, falls die rechte Seiteexistiert!

Beispiel. M = {r ∈ R | r > 0} : Inf M = 0, 0 6∈M .

5.2 Vollstandigkeit der reellen Zahlen. Jede nicht leere nach unten be-schrankte Teilmenge von R hat ein Infimum.

Beweis. Sei B ⊆ R nicht leer und nach unten beschrankt. α ∈ R sei eineuntere Schranke fur B, d.h.

α ≤ β fur alle β ∈ B(d.h. β ⊆ α fur alle β ∈ B)

Behauptung. β0 :=⋃β∈B

β ∈ R und β0 = Inf B

Beweis: Fur β0 ∈ R mussen die Axiome (D1), (D2), (D3) nachgewiesenwerden.

(D1) B 6= ∅ und β 6= ∅ fur β ∈ B =⇒ β0 6= ∅. α ≥ β0, denn α ≥ β fur alleβ ∈ B =⇒ Q\β0 ⊇ Q\α 6= ∅.(D2) Sei r ∈ β0; s ∈ Q mit s > r =⇒ Es gibt ein β ∈ B mit r ∈ β und s ∈ Qmit r < s

(D2)=⇒ s ∈ β =⇒ s ∈ β0.

(D3) r ∈ β0 =⇒ Es gibt ein β ∈ B mit r ∈ β(D3)=⇒ Es gibt ein s ∈ β mit

s < r =⇒ s ∈ β0 und s < r.

β0 = Inf B, denn: (i) β ⊆ β0 fur alle β ∈ B =⇒ β0 ≤ β fur alle β ∈ B, d.h.β0 ist untere Schranke von B.

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(ii) Sei β untere Schranke von B =⇒ β ≤ β fur alle β ∈ B=⇒ β ⊆ β fur alle β ∈ B =⇒ β0 =

⋃β∈B

β ⊆ β =⇒ β ≤ β0.

Addition in R. Seien β1, β2 ∈ R.

β1 + β2 := {r + s | r ∈ β1 und s ∈ β2}

5.3 Satz. (R,+) ist eine abelsche Gruppe. Die Addition auf R setzt dieAddition auf Q fort. Es gelten die folgenden Regeln:

(i) 0 = {r | r ∈ Q, r > 0} ist ein neutrales Element von R.

(ii) −β = {−r | r ∈ Q\β, r 6= Max Q\β, falls dieses existiert }(iii) Aus α < β folgt α + γ < α + β fur alle α, β, γ ∈ R.

Beweis. H.D.Ebbinghaus et al: Zahlen, Springer, Berlin (1988)

Multiplikation in R. Seien α, β ∈ RDefinition. Ist α ≥ 0 und β ≥ 0, so setzt man

α · β := {rs | r ∈ α, s ∈ β}

Ist α < 0 und β < 0, so setzt man αβ := (−α)(−β)Ist α < 0 und β > 0, so setzt man αβ := −(−α)βIst α > 0 und β < 0, so setzt man αβ := −α(−β)

5.4 Satz. (R,+, ·) ist ein Korper; er heißt Korper der reellen Zahlen. DieMultiplikation setzt die Multiplikation auf Q fort. Ferner gelten die folgendenRegeln

(1) 1 ist das neutrale Element der Multiplikation

(2) Fur α > 0 ist α−1 = {r−1 | r ∈ Q\α, r > 0, r 6= Max Q\α}Fur α < 0 ist α−1 = −(−α)−1

(3) Ist α ≤ β und γ ≥ 0, so ist auch αγ ≤ βγ.

Beweis. E. Landau: Grundlagen der Analysis, Leipzig (1930)

5.6 Satz von Archimedes. Seien a, b ∈ R mit b > 0. Dann gibt es einn ∈ N mit nb > a.

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Beweis. Angenommen fur alle n ∈ N ware nb ≤ a, also −a ≤ −nb furalle n ∈ N. Dann ware die reelle Zahl −a untere Schranke fur die MengeM = {−nb | n ∈ N}.Nach 5.2 existiert das Infimum I von M in R. Ferner gilt wegen b > 0auch I + b > I. Also ist nach Definition des Infimums I + b keine untereSchranke von M . Es gibt daher eine Zahl n0 ∈ N mit −n0b < I + b. Es folgtI > −(n0 + 1)b. Wegen −(n0 + 1)b ∈M widerspricht dies der Tatsache, daßI untere Schranke von M ist.

Also ist die Annahme falsch und es existiert ein n ∈ N mit nb > a.

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§6 Konvergente Folgen

Gemaß §5 gelten folgende

Grundlegende Eigenschaften der reellen Zahlen (”Axiome“)

(R,+, ·,≤) ist eine Menge mit zwei Verknupfungen”+“ und

”·“ und einer

Relation”≤“, so daß gilt:

(R1) (R,+, ·) ist ein Korper.

(R2)”≤“ ist eine lineare Anordnung auf R, welche folgende Monotonieei-

genschaften besitzt: Seien a, b, c ∈ R.(i) Aus a ≤ b folgt a+ c ≤ b+ c.(ii) Aus a ≤ b und c ≥ 0 folgt ac ≤ bc.

(R3) (Vollstandigkeitsaxiom). Jede nicht leere, nach unten beschrankteTeilmenge hat in R ein Infimum.

Man kann zeigen, daß R durch diese”Axiome“ im folgenden Sinne eindeutig

festgelegt ist:

6.1 Bemerkung. Sei (K,+, ·,≤) eine Menge mit Verknupfungen”+“ und

”·“ sowie einer Relation

”≤“, so daß (R1) bis (R3) erfullt sind. Dann gibt es

eine bijektive Abbildung R −→ K , r 7→ r mit den Eigenschaften

(1) ˜r + s = r + s(2) ˜r · s = r · s(3) r ≤ s⇐⇒ r ≤ s

Weiter ergab sich in §5 aus (R1) bis (R3) derSatz des Archimedes. Zu jedem Paar (a, b) ∈ R×R mit b > 0 gibt es einn ∈ N mit nb > a.

A. Konvergente Folgen. Fur a ∈ R setzen wir

|a| ={a, falls a ≥ 0

−a, falls a < 0

|a| heißt Betrag von a. Offenbar ist |a| = |−a|. Wie man leicht nachrechnet,gilt

114

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6.2 Regel.

a) |a| ≥ 0; |a| = 0⇐⇒ a = 0

b) |a||b| = |ab|c) |a+ b| ≤ |a|+ |b|

Erinnerung. Eine Folge reeller Zahlen ist eine Abbildunga : N =⇒ R, n 7−→ an. Andere Schreibweisen sind

(an | n ∈ N); (an)n∈N; (an);”a0, a1, a2, . . .“

Auch Abbildungen {n ∈ N | n ≥ k} −→ R, n 7−→ an werden als Folgenbezeichnet: (an | n ≥ k) oder

”ak, ak+1, . . .“

Beispiele.

a) Die konstanten Folgen (c):”c, c, c, . . . “(c ∈ R)

b) ( 1n)n∈N>0 : 1, 1

2, 1

3, 1

4, . . .

c) (xn)n∈N : 1, x, x2, x3, . . .

d) Rekursive Folgen, etwa: a1 = 1, an = 11+an−1

fur n ≥ 2 definiert die

Folge 1, 12, 2

3, 3

5, 5

8, 8

13, 13

21, 21

34, . . .

Definition. Eine Folge (an) konvergiert gegen a ∈ R, wenn gilt:Zu jeder reellen Zahl ε > 0 existiert eine Zahl N ∈ N, so daß |an− a| < ε furalle n > N .

Anders ausgedruckt. Fur jedes vorgegebene ε > 0 - so klein es auchgewahlt sein mag - sind nur endlich viele Folgenglieder außerhalb desBereichs I = (a− ε, a+ ε) := {x | a− ε < x < a+ ε}.

a− ε a a + ε

(Den schraffierten Bereich I nennt man das Intervall zwischen a − ε unda+ε. Es hat die Lange 2ε.) Die Folge

”hauft “sich also nur

”in der Nahe“von

a. Eine Folge, die nicht konvergiert, heißt divergent.

115

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Fur die Aussage”(an) konvergiert gegen a“ schreibt man kurz

(an) −→ a oder a = limn→∞

an

Wir werden gleich sehen, daß die Zahl a dann durch die Folge (an) eindeutigbestimmt ist und nennen a den Limes oder Grenzwert der Folge (an).

Beispiele.

a) (c) konvergiert gegen c.

b) Die Folge an = (−1)n =

{1 falls n gerade

−1 falls n ungerade

ist divergent, denn sie hauft sich bei 1 und bei −1.

c) ( 1n)n≥1 konvergiert gegen Null.

Beweis von c). Sei ε > 0 vorgegeben. Nach Archimedes gibt es eine ZahlN , so daß N > 1

ε. Fur alle n > N ist dann 1

n< 1

N< ε. Daher ist

| 1

n− 0 |= 1

n< ε fur alle n > N

6.3 Satz. (Eindeutigkeit des Grenzwertes.) Konvergiert (an) gegen a und(bn) gegen b, so gilt:

a) Aus an ≤ bn fur alle n ∈ N folgt a ≤ b

b) Jede konvergente Folge hat nur einen Grenzwert.

Beweis.

a) Angenommen a > b. Wahle ε = a−b2> 0. Dann existiert ein N ∈ N, so

daß fur alle n > N gilt:|an − a| < a−b

2und |bn − b| < a−b

2. Es folgt

a− b ≤ (a− b) + (bn − an) = |(a− an) + (bn − b)| ≤

≤ |a− an|+ |bn − b| = |an − a|+ |bn − b| < a− b2

+a− b

2= a− b,

Widerspruch.

116

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b) Im Fall (an) = (bn) ist an ≤ bn und bn ≤ an. Nach a) folgt daraus a ≤ bund b ≤ a, also a = b.

Folgen kann man addieren und multiplizieren. Man setzt

λ(an) := (λan) fur λ ∈ R(an) + (bn) := (an + bn)

(an) · (bn) := (anbn)

6.4 Satz. (an) konvergiere gegen a und (bn) gegen b. Dann gilt

a) λ(an) konvergiert gegen λa (λ ∈ R)

b) (an) + (bn) konvergiert gegen a+ b

c) (an)(bn) konvergiert gegen ab

d) Ist cn = an+1, d.h. (cn) : a1, a2, a3, . . . , so konvergiert (cn) gegen a.

Beweis. Fur a) und b) zeigen wir, daß λ(an)+µ(bn) −→ λa+µb fur λ, µ ∈ R.Sei ε > 0 vorgegeben. Es ist zu zeigen: Fur

”fast alle“ n (d.h. fur alle n bis

auf endlich viele Ausnahmen) ist An =| λan + µbn − (λa+ µb) |< ε.

An = | λ(an − a) + µ(bn − b) |≤ |λ| |an − a|+ |µ| |bn − b|

Setze B = |λ|+ |µ|+ 1 und η = εB> 0.

Dann gilt fur fast alle n ∈ N

|an − a| < η und |bn − b| < η, also

An ≤ |λ| |an − a|+ |µ| |bn − b| ≤ |λ| η + |µ| η < Bη = ε

c) Sei ε > 0 vorgegeben. Es ist zu zeigen, daß

(∗) | anbn − ab |< ε

fur fast alle n ∈ N. Dazu zeigen wir zunachst

6.5 Lemma. Jede konvergente Folge (bn) ist beschrankt, d.h. es gibt einB ∈ R, so daß |bn| < B fur alle n ∈ N.

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Beweis. Sei (bn) −→ b. Fur ε = 1 gibt dann ein n ∈ N, so daß |bn − a| < 1fur alle n > N . Es folgt

|bn| − |b| ≤ |bn − b| < 1, also |bn| < |b|+ 1 fur alle n > N .=⇒ |bn| < Max {|b0|, . . . , |bN |, |b|+ 1}+ 1 := B.

Zum Beweis von (∗). Nach 6.2 gilt

(∗∗) |anbn − ab| = |anbn − abn + abn − ab| == |bn(an − a) + a(bn − b)| ≤ |bn| |an − a|+ |a| |bn − b|

Nach 6.5 existiert ein B > 0, so daß |bn| < B fur alle n und |a| < B.

Daher ist nach (∗∗)

|an · bn − ab| < B(|an − a) + |bn − b|) fur alle n

Fur fast alle n ist |an − a| < ε2B

= ε′ und |bn − b| < ε′, es folgtB(|an − a|+ |bn − b|) < B( ε

2B+ ε

2B) = ε fur fast alle n.

c) ist klar.

B. Monotone Konvergenz.

Definition. Eine Folge (an) heißt

monoton wachsend, wenn an ≤ an+1 fur alle n ∈ Nmonoton fallend, wenn an+1 ≤ an fur alle n ∈ Nnach unten beschrankt, wenn es ein B gibt mit an ≥ B fur alle n ∈ Nnach oben beschrankt, wenn es ein B gibt mit an ≤ B fur alle n ∈ N.

Wie gesehen sind konvergente Folgen (nach unten und oben) beschrankt. Vondieser Aussage gibt es eine partielle Umkehrung.

6.6 Satz von der monotonen Konvergenz.

a) Eine monoton fallende nach unten beschrankte Folge konvergiert gegendas Inifum der Menge seiner Folgenglieder.

b) Eine monoton wachsende nach oben beschrankte Folge konvergiert.

c) Jede reelle Zahl erhalt man als Grenzwert einer Folge rationaler Zahlen.

Beweis.

118

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a) Nach Voraussetzung gibt es ein B ∈ R mit B ≤ an+1 ≤ an fur allen ∈ N. Daher besitzt die Menge {an | n ∈ N} nach 5.3 ein Infimuma = Inf M ∈ R. Es ist dann insbesondere an ≥ a fur alle n ∈ N. Seiε > 0 vorgegeben.

Dann ist a + ε keine untere Schranke von M , da a die großte untereSchranke von M ist. Also gibt es ein N ∈ N mit aN < a + ε. Da (an)monoton fallend ist gilt dann auch an ≤ aN < a + ε fur alle n > N .Also ist a ≤ an < a+ ε und somit

|an − a| = an − a < a+ ε− a = ε fur alle n > N

b) Ist (an) monoton wachsend und nach oben beschrankt, so ist (bn) =(−an) monoton fallend und nach unten beschrankt, konvergiert alsonach a) gegen ein b ∈ R. Dann konvergiert nach 6.4 auch (an) = −(bn),und zwar gegen −b.

c) Sei α ∈ R beliebig. Setze βn := α + 1n, n ≥ 1. Dann ist (βn) monoton

fallend und βn > α; daher ist (βn) konvergent nach a). Definitionsgemaßbedeutet α < βn, daß βn ( α. Wahle ein rn ∈ α mit rn 6∈ βn. Dann ist

α ≤ rn ≤ βn fur alle n ∈ N.

Nach 6.4 ist limn→∞

βn = α + limn→∞

1n

= α.

Sei ε > 0 vorgegeben. Dann gibt es ein n ∈ N, so daßβn − α = |α− βn| < ε fur alle n > N . Es folgt

|α− rn| = rn − α ≤ βn − α < ε fur alle n > N, d.h. α = limn→∞

rn.

C. Quadratwurzeln. Als Anwendung wollen wir zeigen, wie man zujeder positiven reellen Zahl eine Quadratwurzel berechnet. Sei a > 0 aus R.Wir konstruieren ein w ∈ R mit w2 = a. Dazu betrachten wir die rekursiveFolge (an) mit

(∗) a0 = a+ 1 und an+1 =an2

+a

2anfur n ≥ 0.

6.7 Satz. Die Folge (an) konvergiert gegen eine positive reelle Zahl w mitw2 = a. Man nennt w die Quadratwurzel aus a und schreibt dafur auch√a. Ist a ∈ Q, so ist w = {r | r ∈ Q, r > 0 und r2 > a} =: α.

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6.8 Lemma. Setze noch a−1 = a+ 2. Dann gilt fur alle n ≥ 0

an > 0, an < an−1 und a2n > a.

Insbesondere ist (an)n∈N monoton fallend und nach unten beschrankt, alsonach 6.6 konvergent.

Zeige zunachst, wie 6.7 aus dem Lemma folgt. Sei w = limn→∞

an. Wegen 6.6

ist w = Inf {an | n ∈ N} ≥ 0. Nach (∗) gilt ferner

2an+1an = a2n + a.

Mit 6.4 folgt daraus 2(an+1)(an) −→ 2ww = 2w2 und2(an+1)(an) = (a2

n) + (a) −→ w2 + a. Also ist 2w2 = w2 + a und w2 = a mitw > 0.

Beweis von 6.8. (Vollstandige Induktion nach n)

n = 0 : a0 = a+ 1 > 0; a0 = a+ 1 < a+ 2 = a−1, a20 = (a+ 1)2 ≥ 2a+ 1 > a

Sei n ≥ 0 und es gelte an > 0, an < an−1 und a2n > a.

Schluß von n auf n + 1:

Setze x = a−a2n

2a2n

; a2n+1 = an(1 + x)2 > a2

n(1 + 2x) = a wegen x 6= 0

an+1 = an + a−a2n

2an< an, denn a− a2

n < 0 und an > 0

an+1 = an2

+ a2an

< an2> 0, da an > 0 und a > 0

Sei M = {β | β ∈ R, β > 0 und β2 ≥ a}. Wie man leicht sieht (Ubungsauf-gabe) ist dann α ∈M und β ⊆ α fur alle β ∈M , d.h. α = InfM = w.

Nachtrag. Sei M eine nach oben beschrankte Menge dann ist−M = {−x | x ∈ M} nach unten beschrankt. Ist b = Inf (−M) so istoffenbar −b die kleinste obere Schranke von M . Wir haben also gesehen

5.3’ Satz. Jede nach oben beschrankte Menge besitzt ein Supremum.

Aus dem Beweis von 6.6 ergibt sich

6.6’ Satz. Jede monoton wachsende und nach oben beschrankte Folge kon-vergiert gegen das Supremum der Menge ihrer Folgenglieder.

120

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§7 Dezimalbruche

Wir wollen die bekannte Tatsache herleiten, daß die reellen Zahlen nichtsanderes sind als die sogenannten Dezimalbruche.

A. Dezimalbruche. Sei (an)n≥1 eine Folge reeller Zahlen. Betrachtedazu die Folgen (sn)n≥1 mit

s1 = a1, s2 = a1 + a2, . . . , sn = a1 + . . .+ an, . . .

(sn)n≥1 wird dann auch als unendliche Reihe mit den Summanden a1, a2, a3, . . .bezeichnet.

Konvergiert (sn) gegen die Zahl s, so schreibt man fur s auch den Ausdruck∞∑n=1

an.

”s =

∞∑n=1

an“ bedeutet also: s = limn→∞

sn

Definition. Eine Folge (an)n≥1 heißt Ziffernfolge, wenn gilt:

(i) an ∈ N und 0 ≤ an ≤ 9 fur alle n ∈ N.(d.h.: an ist eine Ziffer im Zehnersystem.)

(ii) Fur jedes n ∈ N gibt es ein m > n mit am 6= 9.(M.a.W.: Unendlich viele Ziffern an sind von 9 verschieden.)

7.1 Satz. Sei (an)n≥1 eine Ziffernfolge. Dann konvergiert die unendliche Reihemit den Teilsummensn = a1

10+ a2

100+ . . .+ an

10nund es gilt

0 ≤∞∑n=1

an10n

< 1

Beweis. Wegen (i) gilt fur die Teilsummen sn = a1

10+ a2

100+ . . .+ an

10n

sn + 110n≤ 9

10+ 9

102 + . . .+ 910n

+ 110n

= 910

+ 9102 + . . .+ 9

10n−1 + 110n−1 =

= . . . = 1

Also gilt fur alle n ≥ 2

121

Page 123: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

(1) 0 ≤ sn−1 ≤ sn < 1

Nach 6.6’ konvergiert daher (sn) gegen s := sup{sn | n ∈ N}.Ferner gilt nach (1): 0 ≤ s ≤ 1. Also ist

(2) 0 ≤∞∑n=1

an10n≤ 1

fur alle Ziffernfolgen (an)n≥1.

Wegen (ii) gibt es ein k ≥ 1, so daß ak < 9. Dann ist auch die Folge

an =

{an fur k 6= n

an + 1 fur k = neine Ziffernfolge

und sn :=n∑ν=1

aν10ν

= sn + 110k

fur alle n ≥ k.

Wende (2) auf die Folge (sn) an und erhalte

s+1

10k=∞∑ν=1

aν10ν≤ 1, also 0 ≤ s < s+

1

10k≤ 1.

7.2 Satz. Verschiedene Ziffernfolgen (an) und (bn) induzieren auch verschie-

dene Grenzwerte∞∑n=1

an10n

und∞∑n=1

bn10n

.

Beweis. Sei k = Min{n | n ≥ 1 und an 6= bn}. Wir konnen ak ≥ bk + 1annehmen. Setze

tn =b1

10+ . . .+

bn10n

; sn =a1

10+ . . .+

an10n

.

Dann gilt fur alle n ≥ 1

10ksk+n = (10k−1a1 + . . .+ ak) + (ak+1

10+ . . .+ ak+n

10n)

= α + sn , α ∈ N,10ktk+n = (10k−1b1 + . . .+ bk) + ( bk+1

10+ . . .+ ak+n

10n)

= β + tn , β ∈ N.

122

Page 124: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

Nach Voraussetzung ist α ≥ β + 1.

Ferner sind an := ak+n, bn := bk+n, n ≥ 1 ebenfalls Ziffernfolgen. Nach 7.1gilt daher

0 ≤ limn→∞

sn < 1 und 0 ≤ limn→∞

tn < 1. Es folgt

10k

( ∞∑n=1

an10n

)= 10k lim

n→∞sk+n = α + lim

n→∞sn ≥

≥ α ≥ β + 1 > β + limn→∞

tn = 10k limn→∞

tk+n = 10k

( ∞∑n=1

bn10n

).

Kurzen ergibt:∞∑n=1

an10n

>∞∑n=1

bn10n

.

Definition. Eine reelle Zahl der Form

r = a0 +∞∑n=1

an10n

wobei a0 ∈ N und (an)n≥1 eine Ziffernfolge ist heißt Dezimalbruch.

Nach 3.1 hat a0 eine eindeutige Zifferndarstellunga0 = bnbn−1 . . . bn = bn10n + bn−110n−1 + . . .+ b110 + b0, wobein ≥ 0, 0 ≤ bν ≤ 9 fur ν = 0, . . . , n und bn 6= 0, falls n ≥ 1.

Aus 3.1 und 7.2 ergibt sich also:

Die Dezimalbruche entsprechen eineindeutig den Paaren von Folgen naturli-cher Zahlen bestehend aus

(1) einer endlichen Folgebn, bn−1, . . . , b1, b0 mit 0 ≤ bν ≤ 9 fur alle 0 ≤ ν ≤ nund bn 6= 0, falls n 6= 0, und

(ii) einer Ziffernfolgea1, a2, a3, . . .

Schreibe beide Folgen nebeneinander, getrennt durch ein Komma:

(∗) bnbn−1 . . . b0, a1a2a3 . . .

123

Page 125: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

Der Ausdruck (∗) heißt dann die Dezimaldarstellung der Zahl

r = bn10n + bn−110n−1 + . . .+ b1 · 10 + b0 +∞∑n=1

an10n

7.3 Satz. Jede nicht negative reelle Zahl ist ein Dezimalbruch.

Zum Beweis sind einige Vorbereitungen zu treffen.

Der ganze Anteil einer nicht negativen reellen Zahl.

Sei a ∈ R, a ≥ 0. Nach Archimedes (5.6 mit b = 1) gilt:

Es gibt ein n ∈ N mit n > a

Nach dem Prinzip vom kleinsten Element (§1) besitzt daherM = {n | n ∈ N, n > a} ein kleinstes Element m. Dann ist m − 1 ≥ 0 undm − 1 ist die großte naturliche Zahl ≤ a. Sie wird mit [a] bezeichnet.Offenbar ist

0 ≤ a− [a] < 1

Man nennt daher [a] auch den ganzen Anteil von a und s = a − [a] dengebrochenen Anteil von a. Es gilt

a = [a] + s, [a] ∈ N und 0 ≤ s < 1

Beweis von 7.3. Nach 3.1 hat a0 = [a] eine Dezimaldarstellung a0 =

bnbn−1 . . . b0. Es genugt daher, s in einen Dezimalbruch s =∞∑n=1

an10n

mit einer

Ziffernfolge (an)n≥1 zu entwickeln.

Definiere dazu rekursiv

r0 = sa1 = [10r0], r1 = 10r0 − a1...an = [10rn−1], rn = 10rn−1 − an, n ≥ 0

Induktiv folgt: 0 ≤ rn < 1, an ∈ N und 0 ≤ an ≤ 9 fur alle n ≥ 1.

Setze: sn = a1

10+ . . .+ an

10n. Es ist zu zeigen

(1) (sn) konvergiert gegen s

124

Page 126: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

(2) an 6= 9 fur unendlich viele n.

Beweis. Zu (1). Durch vollstandige Induktion ergibt sich

s− sn =rn10n

fur alle n ≥ 1 :

n = 1 s− s1 = r0 − a1

10= r1

10.

Schluß von n− 1 auf n : s− sn = s− sn−1 − an10n

= rn−1

10n−1 − an10n

= rn10n

.

Nach der binomischen Formel ist 10n > 2n = (1 + 1)n ≥ 1 +

(n1

)> n und

daher 0 ≤ rn10n

< 110n

< 1n.

Da ( 1n) eine Nullfolge ist gilt (ε > 0 beliebig)

|s− sn| = rn10n

<1

n< ε fur fast alle n.

Zu (2). Angenommen es sei am = 9 fur alle m ≥ n.

Setze tk = (sn+k − sn)10n, d.h.

tk =9

10+

9

102+ . . .+

9

10kfur alle k ≥ 1

Es folgt (tk) = 10n(sn+k−sn) −→ 10n(s−sn) = rn fur k →∞ und 0 ≤ rn < 1.

Andererseits ist aber tk + 110k

= 1, daher gilt nach 6.4

(1) = (tk) + ( 110k

) −→ rn + 0 = rn, denn wegen0 < 1

10k< 1

kist mit ( 1

k) auch ( 1

10k) eine Nullfolge.

Es folgt rn = 1, im Gegensatz zu 0 ≤ rn < 1.

Fazit. Die nicht negativen reellen Zahlen besitzen eine eindeutig bestimmteDezimaldarstellung.bnbn−1 . . . b0, a1a2a3 . . . , wobei n ≥ 0 und bν und aµ 10–adische Ziffern sindmit bn 6= 0, falls n ≥ 1 und aµ 6= 9 fur unendlich viele µ.

Offenbar bedeutet die Multiplikation mit 10 eine Verschiebung des Kommasum eine Stelle nach rechts.

Frage. Wie sieht man es der Dezimaldarstellung von r ∈ R an, ob r einerationale Zahl ist?

7.4 Satz. Sei r ≥ 0 eine reelle Zahl und 0, a1a2a3 . . . die Dezimaldarstellungdes gebrochenen Anteils von r.

Dann sind folgende Aussagen aquivalent:

125

Page 127: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

(i) r ist rational

(ii) Die Folge (an)n≥1 ist periodisch, d.h. ab einer gewissen Stelle s+1 kehrtimmer ein und derselbe Ziffernkomplex c1, . . . , ct wieder: Es gibt s ≥ 0und t ≥ 1 mit

a1, a2, a3, . . . = a1 . . . as c1 . . . ct c1 . . . ct c1 . . . ct . . . . . .=: a1 . . . as c1 . . . ct

Beweis.”(ii) =⇒ (i) “. Sei r ∈ R, r > 0 mit periodischer Dezimalbruchent-

wicklung. Dann gibt es ein µ ∈ N, so daß

10µ · r = g + 0, c1 . . . cν , g ∈ N

Zeige, daß s = 0, c1 . . . cν ∈ Q. Dann ist auch r = s+g10µ∈ Q.

10ν · s = h+ s mit h = c1 . . . cν ∈ N. Es folgt s = h10ν−1

∈ Q.

”(i) =⇒ (ii) “. Sei r > 0 eine rationale Zahl. Schreibe r = p

qmit p ≥ 1, q ≥ 1

ganz und ggT (p, q) = 1.

Nach Abzug des ganzen Anteils konnen wir annehmen, daß 0 < r < 1.

Unterscheide drei Falle:

1) q = 2α5β mit α, β ∈ N, α + β ≥ 1. Wahle ein n ∈ N mit n ≥ α undn ≥ β. Dann ist r := 10n · r = 10n

2α5β· p ∈ N.

Aus 0 < r < 1 folgt: 0 < r < 10n. Daher hat r eine Dezimaldarstellungder Form

r = a0 +a1 ·10 + . . .+aµ10µ mit 0 ≤ µ ≤ n−1, 0 ≤ ak ≤ 9, aµ 6= 0

Es folgt r = r10n

= a0

10+ a1

10n−1 + . . .+ aµ10n−µ und

r = 0, 0 · · · 0aµ aµ−1 . . . a1 a00 . . . (ν = 1, c1 = 0)

2) ggT (q, 10) = 1. Dann ist g := 10+qZ ein Element der EinheitengruppeG = (Z/qZ)× des Rings Z/qZ.

126

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Es folgt ν = ord g | ord G = ϕ(g) und gν = 1 in G, d.h. 10ν ≡ 1 mod q.

Definitionsgemaß ist ν = ord g das kleinste n ≥ 1 mit 10n ≡ 1 mod q,

10ν · r =10νp

q=

(mq + 1)p

q= mp+

p

q= mp+ r,m ∈ N

Also ist r der gebrochene Anteil von 10ν · r, d.h.: Ist

r = 0, r1r2 . . . rν rν+1 . . . , so ist

10ν · r = r1 . . . rν , rν+1 . . . = r1 . . . rν , r1r2 . . .

Es folgt r1 = rν+1, r2 = rν+2, . . . rν = r2ν , . . . .rk = rk+ν fur alle k ≥ 0, d.h.r1r2r3 . . . ist rein periodisch mit Periode r1 . . . rν .

3) q = 2α5β ·Q mit ggT (Q, 10) = 1.

Sei n wie in 1) so, daß n ≥ α und n ≥ β. Setze ν = ord (10 +Q ·Z) inG = (Z/QZ)×. Dann gilt 10n · r = P ′

Qund P ′ ∈ N mit ggT (Q,P ′) = 1

wegen ggT (p,Q) = (10, Q) = 1.

Wegen 0 < r < 1 ist 0 < 10nr < 10n.

Dividiere P ′ durch Q mit Rest. Erhalte

P ′

Q= R+

P

Qmit ggT (P,Q) = 1, ggT (10, Q) = 1, 0 ≤ P

Q< 1, 0 ≤ R < 10n

P,R ∈ N.wobei P,R ∈ N.

R hat dann eine Dezimaldarstellung R = An−1An−2 . . . A0. Die ZahlPQ∈ Q mit 0 ≤ P

Q< 1 erfullt die Voraussetzungen von 2). Also gilt

PQ

= 0, r1 . . . rν und

r = 0, An−1An−2 . . . A0r1 . . . rν

127

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§8 Die komplexen Zahlen

Wir betrachten eine Polynomgleichung

Xn + an−1Xn−1 + . . .+ a1X + a0 = 0

mit reellen Koeffizienten a0, a1, . . . , an−1, n ≥ 2. Sie hat im Allgemeinen kei-ne reelle Losung, d.h es gibt kein y ∈ R mit

yn + an−1yn−1 + . . .+ a1y + a0 = 0

Um diesen Mangel zu beheben, haben Euler und Andere die komplexen Zah-len erfunden. Sie bilden eine Erweiterung von R, in der alle Gleichungenobigen Typs Losungen haben. Die komplexen Zahlen werden mit C bezeichnet.

Zum Beispiel ist die Gleichung X2 + 1 = 0 in R unlosbar und in C losbar.Die Losungen bezeichnet man gewohnlich mit i und −i. Der Bereich C wirdein Korper sein, der R umfaßt,

”moglichst klein“ ist und i enthalt. Genauer

wird gelten: C = {a + ib | a, b ∈ R} mit einer”

imaginaren“ Große i, welchedie Bedingungen i2 = −1 erfullt.

Konstruktion von C. Die Menge R2 = {(x, y) | x, y ∈ R} der Paare reellerZahlen bilden bekanntlich einen Vektorraum vermoge der Operationen

(x1, y1) + (x2, y2) = (x1 + x2, y1 + y2) (Vektoraddition)λ(x, y) = (λx, λy) fur alle λ ∈ R (Skalarmultiplikation)

(i) Die dem Korper C zugrunde liegende Menge ist R2 (”C = R2“).

(ii) Die Addition auf C ist die Vektoraddition auf R2.

(iii) Die Multiplikation von Elementen aus C ist erklart durch

(x1, y1) · (x2, y2) := (x1x2 − y1y2, x1y2 + y1x2)

8.1 Bemerkung.

(1) (C,+) ist eine abelsche Gruppe (denn (R2,+, ·) ist sogar ein Vektor-raum).

(2) Die Multiplikation ist kommutativ und (1, 0) ·(x, y) = (x, y), d.h. 1C :=(1, 0) ist neutrales Element der Multiplikation.

128

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(3) Fur die Multiplikation gilt das Assoziativgesetz.

(4) Jedes (x, y) 6= (0, 0) hat ein Inverses bezuglich der Multiplikation:

(x

x2 + y2,− y

x2 + y2) · (x, y) = (1, 0) = 1C

(5) Es gilt das Distributivgesetz in C.

Mit anderen Worten bedeuten (1) bis (5): C ist ein Korper mit Eins =(1, 0) und Null = (0, 0).

Die Gultigkeit von (2), (3) und (5) pruft man leicht nach. Wir wollennoch R als einen Unterring von C auffassen:

”Einbettung“ von R in C. Die Abbildung

ϕ : R −→ C = R2 x 7−→ (x, 0)

ist injektiv. Sie ist mit Addition und Multiplikation vertraglich, d.h.

ϕ(x+ y) = ϕ(x) + ϕ(y) und ϕ(x · y) = ϕ(x)ϕ(y)

Wir identifizieren x ∈ R mit (x, 0) ∈ C. Damit wird R zu einem Unter-ring von C. Insbesondere ist dann 1 = (1, 0) und 0 = (0, 0):

R ( C , x=(x, 0) fur x ∈ R(6) (0, 1)2 = (0, 1) · (0, 1) = (−1 · 1, 0) = −(1, 0) = −1

Setze nun i = (0, 1). Dann gilt:

(α) i2 + 1 = 0, d.h. i lost die Gleichung X2 = −1.

(β) Jedes (x, y) ∈ C schreibt sich eindeutig in der Form

(x, y) = (x, 0) + (0, y) = (x, 0) + (0, 1)(y, 0) = x+ iy;x, y ∈ R.Damit ist C = {x+ iy | x, y ∈ R}.Ist z = (x, y) = x + iy ∈ C mit x ∈ R, y ∈ R, so heißt x derRealteil und y der Imaginarteil von z. Schreibe dafur x = Rezund y = Imz.

z heißt rein imaginar, wenn Re z = 0, also z = iy, y ∈ R.

129

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Die Gaußsche Zahlenebene. Zeichnet man in der Zeichenebene E einkartesisches Koordinatensystem aus, so kann man die Elemente von C = R2

mit den Punkten von E identifizieren. Man spricht deshalb von C auch alsvon der Gaußschen Zahlenebene.

.

. .

iR = y-Achse

iy

y

xx

R = x-Achse

|z|

.

.. z = x+ iy = (x, y)

Bei dieser Darstellung entsprechen die reellen Zahlen den Punkten auf derx–Achse. Die Punkte auf der y–Achse sind die rein imaginaren Zahlen.

Konjugation. Fur x, y ∈ R heißt

z := x− iy die zu z = x+ iy konjugierte Zahl.

Die Lange des Vektors (x, y) heißt Betrag der komplexen Zahl z = x + iy,d.h. nach Pythagoras

|z| :=√x2 + y2, wenn z = x+ iy mit x, y ∈ R.

8.2 Regel. Fur komplexe Zahlen z und w gilt

130

Page 132: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

a) z = z;

b) z = z ⇐⇒ z ∈ R;

c) z + w = z + w, zw = zw;

d) |z|2 = zz;

e) Fur z 6= 0 ist z−1 = 1|z|2 z;

f) |zw| = |z||w|Beweis. a) und b) sind klar nach Definition.

c) Seien z = (x, y) und w = (u, v).z + w = (x+ u) + i(y + v) = x+ u− iy − iv = x− iy + u− iv = z + wzw = (xu− yv) + i(xv + yu) = (xu− yv)− i(xv + yu) =⇒z w = (xu− (−y)(−v)) + i(x(−v) + (−y)u) = zw

d) zz = (x+ iy)(x− iy) = x2 − i2y2 = x2 + y2 = |z|2e) folgt aus d)

f) |zw|2 = (zw)zw = (zw)(z w) = (zz) ·ww = |z|2|w|2 nach den vorangegan-genen Regeln.

Als Nachstes wollen wir Addition, Multiplikation und Konjugation eine geo-metrische Deutung geben. Fur die Multiplikation ist es zweckmaßig, vorherzu erklaren, was die Polarkoordinaten eines Punktes der Ebene bzw. einerkomplexen Zahl z = x+ iy = (x, y) sind.

131

Page 133: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

Polarkoordinaten in der Gaußschen Zahlenebene.

.

.

iR

ϕz = x+ iy

Rx = r cosϕ

y = r sinϕ r = |z|

Aus der Zeichnung ist ersichtlich: Ist r = |z| und ϕ der Winkel (im Bogenmaß)zwischen der positiven reellen Achse und dem Ortsvektor von z 6= 0, soschreibt sich z in der Form

z = x+ iy = r(cosϕ+ i sinϕ)

Die Zahl z ist durch Angabe von r und ϕ eindeutig festgelegt. Man nennt rund ϕ die Polarkoordinaten von z. Ihr Betrag r = |z| ist durch z eindeutigfestgelegt. Dagegen ist ϕ nur bis auf ein Vielfaches von 2π bestimmt:

r(cosϕ+ i sinϕ) = r(cos(ϕ+ n · 2π) + i sin(ϕ+ n2π)) fur n ∈ Z.

ϕ heißt Argument von z. Mit ϕ soll auch ϕ + n2π, n ∈ Z Argument von zsein. Schreibe

”Arg z“ fur das Argument von z.

Geometrische Deutung von Addition, Multiplikation und Konju-gation.

132

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(i) Addition.

.

z = x + iy und w = u + iv

0

z

x+u

v

z + w = (x+u) + i (y+v)

y+vx

y

u x

w

v

Vektoren addieren sich wie Krafte, d.h. die Punkte 0, w, z+w, z bildenein (

”Krafte“ -) Parallelogramm.

(ii) Multiplikation. Stelle z 6= 0 und w 6= 0 in Polarkoordinaten dar, d.h.

z = r(cosϕ+ i sinϕ) und w = s(cosψ + i sinψ) mit

r = |z|, ϕ = Arg z; s = |w|, ψ = Arg w

Nach 8.2 ist |zw| = rs.

Aus den Additionstheoremen fur Sinus und Cosinus folgt

zw = rs(cosϕ cosψ − sinϕ sinψ) + i(cosϕ sinψ + sinϕ cosψ)

= |zw|(cos(ϕ+ ψ) + i sin(ϕ+ ψ)

Also gilt: Arg zw = Arg z+ Arg w und |zw| = |z||w|

133

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Merkregel. Komplexe Zahlen (dargestellt durch ihre Polarkoordina-ten) werden multipliziert, indem man ihre Betrage multipliziert undihre Argumente addiert. Induktiv erhalt man noch fur alle n ≥ 1:

zn = rn(cosnϕ+ i sinnϕ), d.h. : |zn| = |z|n und Arg (zn) = n · Arg z

Anschauliche Darstellung.

iR

w

R

zr

.

.

rs

s

zw.

ϕ

ϕψ

134

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(iii) Konjugation.

iR

.

.

.

z = x+ iy

y

yy

y

R

z = x− iy

Die Konjugationsabbildung C −→ C, z 7−→ z ist also die Spiege-lung an der reellen Achse.

135

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Anhang A: Die Gleichung X3 + Y 3 = Z3

§1 Teilbarkeit in Integritatsbereichen

Sei R ein Integritatsbereich. Wie in Z erklart man auch in R den Begriff derTeilbarkeit.

Definition. d ∈ R ist ein Teiler von a ∈ R, wenn es ein q ∈ R gibt mita = d · q. Schreibe

”d | a“. Wie in Z gilt auch hier fur a, b, c, d ∈ R:

1.1 Regel.

a) a | a und 1 | a.

b) a | b und b | c =⇒ a | c.c) a | b und c | d =⇒ ac | bd.

d) a | b und a | c =⇒ a | (bx+ cy) fur alle x, y ∈ R.

e) ac | bc und c 6= 0 =⇒ a | b.Der Beweis geht wortlich wie in I.2.1.

1.2 Bemerkung. Ein Element e ∈ R ist genau dann eine Einheit von R,wenn e | 1. (Damit teilt nach 1.1 eine Einheit sogar jedes Element von R.)

R× bezeichne wie fruher die Einheitengruppe von R.

Definition. a und b aus R heißen assoziiert zueinander, wenn

a | b und b | a (Schreibe dann”a ∼ b“)

1.3 Bemerkung.

a) ∼ ist eine Aquivalenzrelation.

b) Aus a ∼ b folgt fur alle c ∈ R:

(i) a | c⇐⇒ b | c;(ii) c | a⇐⇒ c | b

c) Genau dann ist a ∼ b, wenn es ein e ∈ R× gibt mit b = ea.

136

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Beweis.

a) Reflexivitat und Symmetrie sind klar.a ∼ b und b ∼ c =⇒ a | b , b | a , b | c und c | b.a | b und b | c =⇒ a | c ; c | b und b | a =⇒ c | a.Also ist a ∼ c.

b) Nach Voraussetzung ist a | b und b | a.

(i) a | c und b | a =⇒ b | c ; b | c und a | b =⇒ a | c.(ii) c | a und a | b =⇒ c | b ; c | b und b | a =⇒ c | b.

c) a ∼ b =⇒ b = aq und a = bq′ =⇒ a = (aq)q′ = a(qq′) =⇒b = 1 · a = a = 0 oder a 6= 0 und qq′ = 1 =⇒ q Einheit, b = qa.e Einheit mit b = ea =⇒ a = e−1b =⇒ a | b und b | a.

Definition. b heißt ein trivialer Teiler von a, wenn b eine Einheit ist oderwenn b ∼ a (d.h. b = ea, e ∈ R×). Die nicht trivialen Teiler b von a nenntman auch echte Teiler von a. Schreibe dafur

”b ‖ a“.

1.4 Korollar. Sei a 6= 0 und a = bc. Dann gilt:

b ‖ a genau dann, wenn c ‖ a

Beweis. b ‖ a =⇒ b keine Einheit und b � a1.3

=⇒ b keine Einheit und c keine

Einheit1.3

=⇒ c � a und c keine Einheit =⇒ c ‖ a, und umgekehrt.

Definition. Ein Element u von R heißt irreduzibel (unzerlegbar), wenngilt:

(i) u 6= 0 und u ist keine Einheit

(ii) u hat keine echten Teiler.

p heißt Primelement in R, wenn gilt:

(i) p 6= 0 und p ist keine Einheit

(ii) Aus p | ab folgt p | a oder p | b.

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Beispiele.

a) Die irreduziblen Elemente in Z sind ±p, p eine Primzahl.

b) Nach I.3.3 gilt in Z: a irreduzibel ⇐⇒ a Primelement. Wir werdenspater Ringe kennenlernen, in denen die Begriffe

”irreduzibel“und

”Prim-

element“ verschieden sind.

1.5 Bemerkung. Sei u ∈ R irreduzibel. Dann gilt:

a) Ist a ∈ R keine Einheit, so ist

a | u genau dann, wenn a ∼ u

b) Aus a ∼ u folgt: a ist irreduzibel.

Beweis.

a) a | u =⇒ a Einheit oder a ∼ u =⇒ a ∼ ua ∼ u =⇒ a | u (gilt immer).

b) a ∼ u1.1

=⇒ u = εa, ε Einheit; u 6= 0, u 6∈ R× =⇒ a 6= 0 und a ist keineEinheit.d | a =⇒ d | u = εa =⇒ d Einheit oder d ∼ u =⇒ d Einheit oderd ∼ a. Als ist d kein echter Teiler von a.

1.6 Bemerkung. Sei p ∈ R ein Primelement. Dann gilt:

a) Aus p | a1 . . . an folgt p | a1 oder p | a2 oder . . . oder p | an.

b) p ist irreduzibel.

c) Jedes p′ ∼ p ist ebenfalls ein Primelement.

Beweis.

a) ergibt sich induktiv aus der Definition.

b) d | p =⇒ p = dq und q | p =⇒ p | d oder p | q.(i) p | d und d | p =⇒ p ∼ d;

(ii) p | q und q | p =⇒ p ∼ q=⇒ d Einheit. Also hat p keine echten Teiler.

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c) p′ | ab 1.3=⇒ p | ab =⇒ p | a oder p | b 1.3

=⇒ p′ | a oder p′ | b.1.7 Bemerkung. Seien p1, . . . , pr und q1 · . . . · qs Primelemente und

a = p1 · . . . · pr ∼ q1 · . . . · qs = b

Dann ist r = s und bei geeigneter Numerierung ist

pj ∼ qj fur j = 1, . . . , r

Beweis. (Induktion nach r.) r = 1 : p1prim1.6.b)=⇒ p1 hat keine echten Teiler

=⇒ s = 1. Analog:s = 1 =⇒ r = 1.

Schluß von r− 1 auf r. r ≥ 2 =⇒ s ≥ 2 (wie gerade gesehen).

p1 | b 1.6a)=⇒ Es gibt ein j mit p1 | qj, o.E. j = 1

1.5=⇒ p1 ∼ q1. Kurzen

ergibt p2 · . . . · pr ∼ q2 · . . . · qs. Nach Induktionsannahme ist r = s undpj ∼ qj, j = 2, . . . , s (Numerierung geeignet gewahlt).

Faktorielle Ringe. Ein nullteilerfreier Ring heißt faktoriell, wenn sich jedeNichteinheit a ∈ R\{0} als Produkt von Primelementen schreiben laßt:

a = p1 · . . . · ps, s ≥ 1, p1, . . . , ps Primelemente.

Beispiel. Z ist (nach I.3.1) ein faktorieller Ring.

1.8 Bemerkung. In einem faktoriellen Ring ist jedes irreduzible Elementschon ein Primelement.

Beweis. Sei a = p1 · . . . · ps, s ≥ 1 wie oben und a irreduzibel. Dann mußs = 1 sein, da sonst a echte Teiler hatte.

Sei bis auf weiteres R ein faktorieller Ring. Wahle ein ReprasentatensystemP fur die Klassen assoziierter Primelemente, d.h.:

(1) P ist eine Menge von Primelementen von R.

(2) Fur p 6= q aus P gilt p 6∼ q.

(3) Zu jedem Primelement π ∈ R gibt es ein p ∈ P mit π ∼ p.

Beispiel. R = Z : P = Menge der Primzahlen.

1.9 Satz. Sei P wie oben. Dann gilt:

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a) Jedes a ∈ R\{0} hat eine Darstellung

(∗) a = εpν11 · . . . · pνrr , wobei r ≥ 0, ε ∈ R×

mit paarweise verschiedenen p1, . . . , pr ∈ P und ν1, . . . , vr ∈ N>0.

b) Die Darstellung (∗) ist bis auf die Reihenfolge der Faktoren p1, . . . , preindeutig durch a festgelegt.

Beweis.

a) Ist a = ε Einheit, so wahle man r = 0. Ist a 6= 0 und keine Einheit, soschreibt sich a in der Form a = π1 . . . πs mit Primelementen π1, . . . πs.Jedes π ∈ {π1, . . . , πs} ist von der Form εp; p ∈ P . Setze in a = π1·. . .·πsein. Durch Zusammenfassen der Einheiten und der gleichen Faktorenaus P zu Potenzen erhalt man die gewunschte Darstellung.

b) folgt sofort aus 1.7.

Wir nennen (∗) die kanonische Zerlegung von a.

1.10 Korollar. Sei a = εpν11 · . . . · pνrr 6= 0 in kanonischer Zerlegung gegeben.

Die Teiler von a sind dann die Elemente

(∗∗) d = δpν11 · . . . · pνrr mit δ ∈ R× und 0 ≤ µj ≤ νj, j = 1, . . . , r.

Beweis. Die Elemente der Form (∗∗) sind offenbar Teiler von a. Sei umge-kehrt a = dq. Ist p ∈ P und p | d, so gilt auch p | a, also p ∈ {p1, . . . , pr}.Entsprechendes gilt fur q. Also gibt es δ, δ′ ∈ R× mit

d = δpµ1

1 · . . . · pµrr , q = δ′pλ11 . . . pλrr und folglich

a = δδ′pµ+λ1

1 · . . . · pµr+λ1r . Aus 1.9b) folgt

ε = δδ′, µj + λj = νj, j = 1, . . . , r =⇒ 0 ≤ µj ≤ νj.

Definition. x1, . . . , xn, u ≥ 1 heißen teilerfremd, wenn sie keinen gemein-samen Primteiler haben. Sie heißen paarweise teilerfremd, wenn je zweivon ihnen teilerfremd sind.

1.11 Korollar. Seien x, y, z ∈ R\{0}, n ∈ N, u ≥ 1. Es gilt

a) Ist x · y = zn und sind x, y teilerfremd, so ist x von der Form ε · vn, εEinheit, v ∈ R.

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b) Ist xny = zn, so ist y = vn mit v ∈ R.

Beweis. In jedem Fall ist jeder Primteiler von x bzw. y ein Primteiler vonz. Man hat also p1, . . . , pr ∈ P (paarweise verschieden) und Darstellungen

x = ε

r∏j=1

pµjj , y = δ

r∏j=1

pνjj und z = δ′

r∏j=1

pλrj

mit Einheiten ε, δ, δ′ und µj, νj, λj ∈ N.

a) Da x und y teilerfremd sind gilt o.E. µ1 = . . . = µs = 0 undνs+1 = . . . = νr = 0, 0 ≤ s ≤ r. Es folgt

zn = xy = εδ

r∏j=s+1

pµjj ·

s∏j=1

pνjj = δ

′nr∏j=1

pnλjj

Nach 1.9 folgt µj = nλj, j = s+ 1, . . . , r und x = ε

(r∏

j=s+1

pλjj

)n

.

b)

δ′n

r∏j=1

pnλjj = zn = xny = εnδ

r∏j=1

pnµj+νjj

Nach 1.6 folgt: δ′n = εnδ ∈ R× und nλj = nµj + νj. Es folgt n(λj −µj) = νj,

insbesondere λj − µj = ν ′j ∈ N mit v := δε−1r∏j=1

pν′jj ∈ R.

Es folgt v · x = δr∏j=1

pλjj = z und vnxn = zn = y · xn, also y = vn.

Definition. Sei p ∈ p. Fur a ∈ R\{0} sei

vp(a) :=

{0, falls p - ader Exponent von p in der kanonischen Zerlegung von a, falls p | a

vp(a) heißt Ordnung von a an der Primstelle p.

1.12 Regel. Fur a, b ∈ R\{0} gilt:

a) a ∈ R× =⇒ vp(a) = 0 fur alle p ∈ p

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b) vp(ab) = vp(a) + vp(b)

c) Ist a+ b 6= 0, so gilt vp(a+ b) ≥ Min{vp(a), vp(b)}.Ist zudem vp(a) < vp(b), so gilt vp(a+ b) = vp(a).

Der einfache Beweis wird dem Leser uberlassen.

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§2 Euklidische Ringe

Sei R ein Integritatsbereich.

Ideale. Eine nicht leere Teilmenge a von R heißt Ideal, wenn gilt:

(i) Aus a, b ∈ a folgt a+ b ∈ a.

(ii) Aus a ∈ a folgt xa ∈ a fur alle x ∈ R.

2.1 Bemerkung.

a) Die Null gehort zu jedem Ideal.

b) Seien a1, . . . , an ∈ R, n ≥ 1. Dann ist die Menge{x1a1 + . . . + xnan | x1, . . . , xn ∈ R} ein Ideal, das

”von {a1, . . . , an}

erzeugte Ideal“.

Beispiel. Ist m ∈ Z, so ist mZ = {mx | x ∈ Z} das von m erzeugte Idealvon Z.

Definition. Ein Ideal a ⊆ R heißt Hauptideal, wenn es von einem Elementa erzeugt wird, d.h. wenn a = {ax | x ∈ R}. Schreibe dann fur a auch

”aR“

oder”Ra“ oder

”(a)“ .

Beispiele. {0} = (0) ist ein Hauptideal, das Nullideal. R = (1) ist ebenfallsein Hauptideal.

Hauptidealringe. R heißt Hauptidealring, wenn jedes Ideal von R einHauptideal ist.

2.2 Satz. Z ist ein Hauptidealring.

Beweis. Sei a ⊆ Z ein Ideal, a 6= (0). Dann enthalt a ein kleinstes positivesElement a, denn x ∈ a =⇒ −x ∈ a.

Behauptung: a = (a)

Beweis. Sei b ∈ a beliebig. Dividiere b durch a mit Rest.

b = qa+ r , 0 ≤ r < a

Da a ein Ideal ist und a ∈ a, ist auch (−q)a ∈ a, somit auchr = b + (−q)a ∈ a, 0 ≤ r < a. Nach Wahl von a muß r = 0 sein, d.h.b = qa ∈ a. Damit ist a ⊆ (a). Umgekehrt ist (a) ∈ a, denn xa ∈ a fur allex ∈ R, da a ∈ a.

143

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2.3 Satz. Jeder Hauptidealring ist faktoriell.

Beweis. Wir zeigen zunachst

2.4 Lemma. Sei R ein Hauptidealring und sei (an)n∈N eine Folge von Ele-menten aus R, so daß

(a0) ⊆ (a1) ⊆ (a2) ⊆ . . . ⊆ (an) ⊆ (an+1) ⊆ . . .

Dann gibt es ein n ∈ N mit (an+m) = an fur alle m ∈ N. (”In einem Haupt-

idealring wird jede aufsteigende Kette von Idealen stationar.“)

Beweis von 2.4. Sei a :=⋃n∈N

(an) = {x | Es gibt ein n ∈ N mit x ∈ (an)}.

Behauptung. a ist ein Ideal.

Beweis. 0 ∈ (a0) ⊆ a, also ist a 6= ∅.Sei x ∈ a, r ∈ R beliebig. Dann gibt es ein n ∈ N mitx ∈ (an) =⇒ rx ∈ (an) ⊆ a. Sind x, y ∈ a, so gibt es n,m ∈ N mitx ∈ (an), y ∈ (am), o.E. n ≤ m =⇒ x, y ∈ (am) =⇒ x+ y ∈ (am) ⊆ a.

Da R ein Hauptidealring ist, gibt es ein a ∈ R mit a = (a).=⇒ a ∈ a =

⋃n∈N

(an) =⇒ Es gibt ein n ∈ N mit a ∈ (an) =⇒ (a) ⊆ (an)

=⇒ a = (a) ⊆ (an) ⊆ a und a = (an) =⇒ (an) ⊆ (an+m) ⊆ a ⊆ (an) und(an) = (an+m), fur alle m ∈ N.

Beweis von 2.3. Sei a ∈ R\{0}. Es ist zu zeigen:

(∗) Es gibt u ∈ R× und Primelemente p1, . . . , pr, so daß

a = up1 · . . . · pr (r ≥ 0)

Jede Einheit hat eine solche Darstellung mit r = 0. Jedes Primelement hateine solche Darstellung mit u = 1, r = 1.

Beweis von (∗). Sei M := {(a) | a hat keine Zerlegung (∗)}.Angenommen 2.3 ware falsch, d.h. M 6= ∅.Behauptung. In M gibt es ein maximales Element (a0).

D.h.: (a0) ∈M und aus (a0) ( (b) folgt (b) 6∈M.)

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Beweis. Ware die Behauptung falsch, so konnte man in M sukzessive eineecht aufsteigende Kette von Idealen

(a0) ( (a1) ( (a2) ( . . .

bilden, im Widerspruch zu 2.4.Sei also (a0) in M ein maximales Element. Dann ist wegen (a0) ∈ M dasElement a0 keine Einheit. Nach dem folgenden Lemma ist a0 auch nichtirreduzibel.

2.5 Lemma. In einem Hauptidealring sind irreduzible Elemente bereitsPrimelemente.

Beweis. Sei u irreduzibel und u | ab. Es ist zu zeigen, daß u | a oder u | b.Setze a = {r | u teilt ar}. Nach 1.1 ist a ein Ideal. Ferner gilt b ∈ a undu ∈ a. Da R ein Hauptidealring ist, gibt es ein d ∈ R mit a = (d). Wegen

u ∈ a folgt u = rd, d.h. d | u 1.5=⇒ d ∼ u oder d ist Einheit

(i) d Einheit: u | ad wegen d ∈ a und ad ∼ a =⇒ u | a.(ii) d ∼ u : b ∈ a = (d) =⇒ d | b. Wegen d ∼ u folgt u | b.

Da nun a0 weder Einheit noch irreduzibel ist, gilt

a0 = bc mit b 6∈ R× und c 6∈ R×

Es folgt (a0) ( (b) und (a0) ( (c), denn b 6∈ (a0) und c 6∈ (a0). Nach Wahlvon (a0) gilt daher (b) 6∈ M und (c) 6∈ M . Also haben b und c Zerlegungender Form (∗), somit auch a0 = bc, Widerspruch zu (a0) ∈M .Also ist die Ausnahme M 6= ∅ falsch und 2.3 ist bewiesen.

Euklidische Ringe. Der Ring R heißt euklidisch, wenn gilt:Es gibt eine Funktion ν : R\{0} −→ N, so daß es zu je zwei Elementena, b ∈ R, b 6= 0 Elemente q, r ∈ R gibt mit

(i) a = bq + r

(ii) r = 0 oder ν(r) < ν(b)

ν nennt man auch eine euklidische Norm fur R.

Beispiele.

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a) ν : Z −→ N, n 7−→ |n| ist nach dem Satz uber die Division mit Rest inZ eine euklidische Norm fur Z. Also ist Z ein euklidischer Ring.

b) Sei K ein Korper und R = K[X] der Polynomring uber K. Dann istdie Abbildung Grad : R\{0} −→ N eine euklidische Norm fur R (nachII.4.2) und R = K[X] ist ein euklidischer Ring.

2.6 Satz. Jeder euklidische Ring ist ein Hauptidealring.

Beweis. (fast wortlich der Beweis von 2.2). Sei ν die Norm von R und a ⊆ Rein von (0) verschiedenes Ideal. Wahle ein a ∈ a mit minimaler Norm. Esist (a) ⊆ a.Sei umgekehrt b ∈ a, b 6= 0. Dividiere b durch a mit Rest:

b = qa+ r, r = 0 oder ν(r) < ν(a).

Ware r 6= 0, so ware wegen a, b ∈ a auch r = b + (−q)a ∈ a, r 6= 0 undν(r) < ν(a), im Widerspruch zur Wahl von a. Also ist r = 0, d.h.b = qa ∈ (a). Damit ist auch a ⊆ (a) und insgesamt (a) = a.

2.7 Korollar. Jeder euklidische Ring ist faktoriell. Insbesondere laßt sichjedes Polynom f ∈ K[X] uber einem Korper K in ein Produkt von Primpo-lynomen zerlegen. Die Einheiten von K[X] sind nach II.2.5 die Einheiten vonK. Offenbar sind die Polynome X−λ, λ ∈ K irreduzibel, also Primpolynomenach 2.6.

Beispiel. In der Analysis lernt man den sogenannten Fundamentalsatzder Algebra. Jedes nicht konstante Polynom

f(X) = a0 + a1X + . . .+ anXn , n ≥ 0, an 6= 0

mit komplexen Koeffizienten a0, a1, . . . , an besitzt eine komplexe Nullstelle y,d.h.f(y) = a0 + a1y + . . .+ any

n = 0. Dividiere f(X) durch X − y mit Rest underhalte

f(X) = q(X) · (X − y) + r

wobei q(X) ∈ C[X] und r = 0 oder r 6= 0 und Grad r = 0, d.h. r ∈ C. Setzey fur die Unbestimmte X ein, erhalte

0 = f(y) = q(y)(y − y) + r = r, also f(X) = q(X) · (X − y)

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Daher sind die einzigen Primpolynome p(X) in C[X] die Polynome vom Grad1, p(X) = aX + b, a 6= 0. Es ist p(X) ∼ X − λ, λ = − b

a. Nach 2.7 hat f(X)

daher eine Zerlegung

f(X) = an

r∏m=1

(X − λm)vm , ν1 + . . .+ νr = n, λi 6= λj fur i 6= j

Offenbar sind λ1, . . . , λr die Nullstellen, ihre Anzahl ist ≤ n = Grad f .

147

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§3 Imaginar – quadratische Zahlbereiche

In diesem Abschnitt werden wir Integritatsbereiche kennenlernen, die nichtfaktoriell sind.

Sei m > 1 eine quadratfreie naturliche Zahl, d.h. m = 1 oderm = p1 · . . . · pr mit paarweise verschiedenen Primzahlen.

√m ∈ R sei die

(positive) Quadratwurzel aus m. Setze

Z[i√m] := {x+ yi

√m | x, y ∈ Z} ⊆ C

Die Menge Z[i√m] bildet die Knoten eines Gitternetzes in der Gaußschen

Zahlenebene, dessen Lage in der folgenden Skizze angedeutet werden soll. DieElemente von Z[i

√m] werden dabei durch einen Kringel

”◦“ angedeutet.

R

iR

1 20

i√m

2i√m 4 + 2i

√m

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Die Punkte von Z[i√m] sind also die Knoten eines Netzes mit Maschenhohe√

m und Maschenbreite 1 und Z = Z[i√m] ∩ R.

3.1 Bemerkung.

a) R = Z[i√m] ist ein Unterring von C.

b) Ist z ∈ R, so ist auch z ∈ R. (Abgeschlossenheit gegenuber der Konju-gation.)

c) K := Q[i√m] = {z | z = x+ yi

√m,x, y ∈ Q} ist ein Korper. Genauer

ist K = {α · β−1 | α, β ∈ R, β 6= 0}.Beweis.

b) ist klar.

a) Die Abgschlossenheit bzgl. der Addition ist klar.

(x+ yi√m)(x′ + y′i

√m) = (xx′ − yy′m) + (xy′ + x′y)i

√m

Also ist R abgeschlossen bzgl. der Multiplikation, weil dies fur Z gilt.

c) Wie in a) und b) folgt, daß K ein Ring ist, der gegen Konjugationabgeschlossen ist. Ferner ist zz = x2 + y2m ∈ Q, somit z z

zz= 1 und

zzz∈ K, d.h., K ist sogar ein Korper. z = x + yi

√m ∈ K ist von der

Form αn

mit n ∈ N, α ∈ R, wenn n 6= 0 ein Hauptnenner von x, y ∈ Qist. Umgekehrt ist fur β ∈ R\{0} auch β−1 ∈ K, somit αβ−1 ∈ K.

Die Ringe der Form Z[i√m] wie oben nennen wir imaginar –quadratische

Zahlbereiche.

Die Norm auf C. Fur z ∈ C setzen wir

N(z) := zz(”Norm“ von z)

M.a.W.: N(z) = |z|2.

Ist α = x+ yi√m ∈ Z[i

√m], so ist

N(α) = (x+ iy√m)(x− iy√m) = x2 + y2m ∈ N

Daher induziert N eine Abbildung

ν : Z[i√m]\{0} −→ N, r 7−→ N(r)

3.2 Eigenschaften der Norm: Sei R = Z[i√m],m wie oben.

149

Page 151: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

a) N(αβ) = N(α)N(β) fur α, β ∈ C.

b) N(α) ≥ 0;N(α) = 0⇐⇒ α = 0 gilt fur alle α ∈ C.

c) α ∈ R =⇒ N(α) ∈ Nd) Fur α, β ∈ R gilt: Aus α | β folgt N(α) | N(β)

e) α ∈ R ist genau dann eine Einheit, wenn N(α) = 1.Genauer ist R× = {±1,±i}, falls m = 1 und R× = {±1} sonst.

f) Ist N(α) eine Primzahl fur ein α ∈ R, so ist α irreduzibel in R.

Beweis.

a) Gilt, weil αβ = αβ.

b) folgt aus der entsprechenden Aussage uber |α|.c) wurde bereits gezeigt.

d) folgt aus a).

e) αβ = 1 =⇒ N(α)N(β) = N(αβ) = N(1) = 1; wegen N(α), N(β) ∈ Nfolgt N(α) = N(β) = 1. Sei umgekehrt α = x + yi

√m,x, y ∈ Z mit

N(α) = x2 +my2 = 1.

1) m ≥ 2 :=⇒ y = 0 =⇒ x = ±1 =⇒ α = ±1 Einheit

2) m = 1 :=⇒ (y = 0 und x = ±1) oder (y = ±1 und x = 0), alsoα = ±1 oder α = ±i. Dies sind Einheiten in Z[i].

f) Sei N(α) eine Primzahl und α = βγ mit β, γ ∈ R.p = N(α) = N(β)N(γ) =⇒ N(β) = 1 oder N(γ) = 1

e)=⇒ β Einheit

oder γ Einheit. Also ist α irreduzibel.

3.3 Korollar.

a) Fur jedes m ist 2 kein Primelement in Z[i√m].

b) Fur m ≥ 3 ist 2 irreduzibel in Z[i√m].

Insbesondere ist nach 1.8 der Ring Z[i√m] fur m ≥ 3 nicht faktoriell.

Beweis.

150

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a) m(m+1) ist gerade, d.h. 2 | m(m+1). Ware 2 in R ein Primelement, somußte wegen m(m+1) = (m+i

√m)(m−i√m) = N(m+i

√m) gelten:

2 | m + i√m oder 2 | m − i√m in R. Aus 2(x + iy

√m) = m ± i√m

folgt 2y = ±1, y ∈ Z, Widerspruch.

b) α ‖ 23.2d)e)=⇒ N(α) ‖ N(2) = 4 =⇒ N(α) = 2.

Es ist α = x + iy√m,x, y ∈ Z;m ≥ 3 =⇒ N(α) = x2 + my2 6= 2,

Widerspruch.

3.4 Satz. Der Ring der ganzen Gaußschen Zahlen Z[i] ist faktoriell.(In der Gaußschenzahlenebene entsprechen die Elemente von Z[i] gerade denganzzahligen Gitterpunkten.)

Beweis. Sei R = Z[i] und

ν : R\{0} =⇒ Nx+ iy 7−→ N(x+ iy) = x2 + y2(x, y ∈ Z)

Zu zeigen: ν in eine euklidische Normfunktion.Seien a, b ∈ R, b 6= 0. Dann ist a

b∈ C. Schreibe a

bist der Form a

b= x + iy

mit x, y ∈ R. Seien m,n die ganzen Zahlen die x bzw. y am nachsten liegen,d.h. : | x−m |≤ 1

2und |y − n| ≤ 1

2.

Setze q := m+ in und z := ab

= x+ iy. Dann gilt a = bz undN(z − q) = N((x−m) + i(y − n)) = (x−m)2 + (y − n)2 ≤ 1

2.

Setze r := a− bq ∈ R. Ist r 6= 0, so giltν(r) = N(a− bq) = N(bz − bq) = N(b)N(z − q) ≤ 1

2N(b) < ν(b),

da N(b) > 0 wegen b 6= 0.

3.5 Satz. Der Ring Z[i√

2] ist faktoriell.

Beweis. Analog zu 3.4 zeigt man, daß

ν : Z[i√

2] =⇒ N, α = x+ iy√

2 7−→ x2 + 2y2

eine euklidische Normfunktion ist. (Ubungsaufgabe.)

Die Primelemente von Z[i] nennt man Gaußsche Primzahlen.

Frage: Welche Primzahlen p ∈ N sind Gaußsche Primzahlen?

Beispiel: N(1 + i) = N(1 − i) = (1 + i)(1 − i) = 2 ist eine Primzahl inN. Wegen 3.2 und 3.4 sind daher 1 + i und 1 − i Gaußsche Primzahlen.

151

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Ferner hat 2 in Z[i] echte Teiler, ist also keine Gaußsche Primzahl. Es gilt(−i)(1 + i) = 1− i, also ist (1 + i) ∼ (1 + i) und 2 = (1 + i)(1 + i).

3.6 Satz. Sei p eine ungerade Primzahl. Dann gibt es zwei Moglichkeiten.Entweder

a) p ist eine Gaußsche Primzahl, oder

b) es gibt eine Gaußsche Primzahl q, so daß p = qq = N(q). Die Zahl q ∈Z[i] ist dann ebenfalls eine Gaußsche Primzahl, welche nicht assoziiertzu q ist.

Beweis. p hat in R = Z[i] eine Primfaktorzerlegung p = q1 · . . . · qr; qi ∈ RPrimelement. Es ist r ≥ 1 da N(p) = p2 > 1 undp2 = N(p) = N(q1) · . . . ·N(qr). Wegen N(qi) 6= 1 folgt r = 1 oder r = 2.

1. Fall: r = 1 =⇒ p = q1 ist eine Gaußsche Primzahl2. Fall: r = 2 =⇒ p = q1q2; p2 = N(q1)N(q2) =⇒ N(q1) = N(q2) =p;N(q1) = q1q1 = p = q1q2, also ist q1 = q2 ebenfalls eine Gaußsche Primzahlund p = q1q1.

Angenommen q1 = x+ iy ∼ q1 = x− iy, d.h. q = uq, u ∈ R× = {±1,±i}.1. Fall: u = ±1 =⇒ ±x± iy = x− iy =⇒ y = 0 oder x = 0=⇒ p = q1q1 = x2 oder p = q1q1 = y2, Widerspruch.

2. Fall: u = ±i : ±ix∓ y = x− iy =⇒ x = −y oder x = y=⇒ p = q1q1 = x2 + y2 = 2x2, Widerspruch, denn p war ungerade.

3.7 Satz. Eine ungerade Primzahl p ∈ N ist genau dann eine GaußschePrimzahl, wenn p ≡ 3 mod 4.

Beweis. p ≡ 3 mod 4I.8.1=⇒ p ist nicht Summe von zwei Quadraten

=⇒ p 6= N(α) fur alle α = x+ iy ∈ Z[i]. Nach 3.6 ist daher p eine GaußschePrimzahl.p ≡ 1 mod 4

I.7.13=⇒ Es gibt ein x ∈ Z mit x2 ≡ −1 mod p =⇒ p | x2 + 1 =

(x+ i)(x− i). Ware p eine Gaußsche Primzahl so ware p | x+ i oder p | x− 1in Z[i]. Beides ist nicht moglich:

p(a+ bi) = x+ i =⇒ pb = 1, Widerspruchp(a+ bi) = x− i =⇒ pb = −1, Widerspruch.

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§4 Der Ring Z[−12 + i

√3

2 ]

Wir haben gesehen, daß der imaginar–quadratische Zahlbereich S = Z[i√

3]kein faktorieller Ring ist. Fur spatere Anwendungen werden wir S in einenmoglichst kleinen faktoriellen Unterring R ⊆ C einbetten. Sei

ζ := −1

2+ i

√3

2und R := Z[ζ] = {a+ bζ | a, b ∈ Z} ⊆ C

Lage der Punkte ζ, ζ2 und ζ3 in der Zahlenebene.

Es ist cos 2π3

= −12

und sin 2π3

=√

32

, d.h.

ζ = cos 2π3

+ i sin 2π3, | ζ |= 1 und Arg ζ = 2π

3= 120◦. Es folgt | ζ2 |=| ζ3 |= 1

und Arg ζ2 = 120◦, Arg ζ3 = 360◦.Somit liegen ζ, ζ2 und ζ3 auf dem Einheitskreis E : x2 + y2 = 1, ihre Argu-mente sind 120◦, 240◦, 360◦. Insbesondere ist ζ3 = 1.

.

.

.

ζ3

ζ

ζ2

Die Punkte ζ, ζ3, ζ3 = 1 bilden somit ein gleichseitiges Dreieck. Es folgt weiter

153

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ζ2 = ζ = −12− i

√3

2, ζ3 = 1 und ζ + ζ2 = ζ + ζ = −1, d.h.

(1) 1 + ζ + ζ2 = 0, ζ3 = 0, ζ2 = ζ−1 = ζ

Skizze der Punktegitter S und R in der Gaußschen Zahlenebene C.Kennzeichne die Punkte von S mit

”ד die von R mit

”◦“ und die Einheiten

von R mit”∗“.

10

i√

3

ζ

*

*

*

*

*

*

R ist ein schiefwinkliges Gitter und S ein rechtwinkliges mit doppelt sogroßem Inhalt. Die Einheiten von R bilden ein regelmaßiges Sechseck (folgtaus 4.2).

4.1 Bemerkung. R ist ein Ring, S ⊆ R und aus z ∈ R folgt z ∈ R.

Beweis. Die Abgeschlossenheit bzgl. der Addition ist klar. Nach (1) istζ = ζ2 = −1− ζ, somit ist R abgeschlossen bzgl. der Konjugation.(a+ bζ)(c+ dζ) = ac+ (ad+ bc)ζ + bd(−1− ζ) ∈ R.i√

3 = 1 + 2ζ ∈ R, somit ist S ⊆ R.

154

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Als nachstes soll gezeigt werden, daß R ein faktorieller Ring ist. Sei wie zuvorN(α) = αα fur α ∈ C.

4.2 Satz.

a) N(αβ) = N(α)N(β) fur alle α, β ∈ C.

b) N(α) ≥ 0; N(α) = 0⇐⇒ α = 0 (α ∈ C)

c) α ∈ R =⇒ N(α) ∈ Nd) α ∈ R× ⇐⇒ N(α) = 1, falls α ∈ Re) R× = {±1,±ζ,±ζ2}

Beweis. a) und b) wurden in 3.2 gezeigt.

c) N(a+ bζ) = (a+ bζ)(a+ bζ) = a2 + ab(ζ + ζ) + b2ζζ2 == a2 − ab+ b2 ∈ N, falls a, b ∈ Z

d) Die Richtung”=⇒“ ergibt sich wie in 3.2. Umgekehrt folgt aus αα =

N(α) = 1, daß α ∈ R×.

e) Wegen ζζ2 = 1 sind die sechs angegebenen Zahlen Einheiten. Sei um-gekehrt α ∈ R×. Schreibe α = 1

2(c+ di

√3) mit c, d ∈ Z. Dann ist nach

d) 1 = αα = 14(c2 + 3d2). Dies ist nur moglich, wenn d = 0 und c = ±2

oder d = ±1 und c = ±1. Also hat R auch hochstens sechs Einheiten.Wegen ζ3 = 1 gilt ε6 = 1 fur alle ε ∈ R×.(R× besteht also aus densogenannten

”sechsten Einheitswurzeln“).

4.3 Satz. R ist ein euklidischer Ring mit euklidischer Norm N , d.h.: Sindα, β ∈ R, β 6= 0 vorgegeben, so gibt es q, ρ ∈ R mit

α = βq + ρ und N(ρ) < N(β)

Genauer gilt sogar: N(ρ) ≤ 34N(β).

Insbesondere ist R ein faktorieller Ring.

Zum Beweis benotigen wir ein

4.4 Lemma. Jedes z ∈ C schreibt sich in der Form

z = x+ y · ζ mit x, y ∈ R

155

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Beweis. Es ist z = u+ iv mit u, v ∈ R

ζ = −1

2+

1

2

√3i =⇒ i =

1√3

+2√3ζ =⇒ z =

(u+

1√3v

)+

(v · 2√

3

Beweis von 4.3 Sei z := αβ∈ C. Schreibe z in der Form z = x + yζ mit

x, y ∈ R. Wahle wie im Beweis von 3.4 ganze Zahlen m,n mit |x −m| ≤ 12

und |y − n| ≤ 12

und setze q = m+ nζ und ρ = α− qβ. Dann giltα = βq + ρ und z − q = (x−m) + (y − n)ζ. Es folgt

N(ρ) = N(α− qβ) = N(zβ − qβ) = N(z − q)N(β) =

= ((x−m) + (y − n)ζ)(x−m) + (y − n)ζ2) ·N(β) =

= ((x−m)2 + (x−m)(y − n)(ζ + ζ2) + (y − n)2)N(β) =

= ((x−m)2 − (x−m)(y − n) + (y − n)2)N(β) ≤≤ ((x−m)2 + |x−m||y − n|+ (y − n)2)N(β) ≤ (

1

4+

1

4+

1

4)N(β)

≤ 3

4N(β) < N(β), da β 6= 0.

Zum Beweis des großen Fermatischen Satzes im Fall n = 3 benogigen wir diefolgenden Regeln fur das Rechnen am Ring RR = Z[−1

2+ i1

2

√3].

Wir nennen Zahlen r, s ∈ R kongruent modulo 3R wenn r − s ∈ 3R.

4.5 Regel.

a) Ist N(α) eine Primzahl, so ist α in R ein Primelement.

b) 1− ζ ist ein Primelement. Es hat folgende Eigenschaften:

1− ζ = 1− ζ = 1− ζ2 = (1− ζ)(1 + ζ) = −ζ2(1− ζ) ∼ 1− ζ; also ist

N(1− ζ) = −ζ2(1− ζ)2 = 3 = (1− ζ)(1− ζ).

Insbesondere ist 3 ∼ (1− ζ)2, da −ζ2 ∈ R×.

c) Ist a+ bζ ∈ R mit a, b ∈ Z so sind a bzw. b kongruent zu +1,−1 oder 0modulo 3Z. M.a.W.: a+ bζ ist modulo 3R kongruent zu einer der neunZahlen aus N = {±1,±ζ,±(1 + ζ),±(1− ζ), 0}.Damit ist jedes α ∈ R entweder zu einer Einheit, oder zu ±(1− ζ) oderzu 0 kongruent modulo 3R.

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d) Jeder Kubus in R (das ist eine Zahl x3 mit x ∈ R) ist modulo 3Rkongruent zu 1,−1 oder 0, d.h.:Fur jedes x ∈ R schreibt x3 in der Form

x3 = ν + 3c mit ν ∈ {±1, 0} und c ∈ R

e) Ist x ∈ R und u ∈ R× und gilt ux3 = ±1 modulo 3R, so istu = ±1 undux3 = (ux)3 ist ein Kubus.

Beweis.

a) Wie in 3.2 zeigt man, daß d irreduzibel ist, und somit nach 4.3 einPrimelement.

b) Die angegebenen Identitaten rechne man nach. Wegen N(1− ζ) = 3 ist1− ζ ein Primelement nach a).

c) ist klar.

d) Nach c) gilt: x ≡ ν mod 3R mit ν ∈ N .Wie in Z folgt daraus x3 ≡ ν3 mod 3R (nachrechnen), wobei (±1)3 =±1, (±ζ)3 = ±1, (±ζ2)3 = ±1

(1 − ζ)2 b)∼ (1 − ζ)(1− ζ) = N(1 − ζ) = 3 =⇒ ±(1 − ζ)2 ∈ 3R, d.h.±(1− ζ)3 ≡ 0 mod 3R.

e) Nach d) ist x3 ≡ ±1 mod 3R. Wie in Z folgt ±1 ≡ ux3 ≡ ±u mod3R, d.h. u ≡ ±1 mod 3R. Ferner ist u eine Einheit. Nach 4.2 ist nochauszuschließen, daß u = ±ζ oder u = ±ζ2.Im Fall u ≡ 1 mod 3R schließt man wie folgt:u = ζ =⇒ 1− ζ ≡ 0 mod 3R =⇒ 1− ζ = 3α =⇒3 = N(1− ζ) = N(3)N(α) = 9N(α), Widerspruch.u = −ζ =⇒ 1 + ζ ≡ 0 mod 3R =⇒ 9 | N(1 + ζ) = N(−ζ2) = 1,Widerspruchu = ζ2 =⇒ 9 | N(1 − ζ2) = N(1 − ζ)N(1 + ζ) = N(1 − ζ) = 3Widerspruch.u = −ζ2 =⇒ 9 | N(1 + ζ2) = N(−ζ) = 1 Widerspruch.Analog schließt man fur u ≡ −1 mod 3R.

157

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Bemerkung. Im Beweis haben wir wiederholgt von den folgenden RegelnGebrauch gemacht, deren Beweis dem Leser uberlassen bleibt:

Sei a ⊆ R ein Ideal (etwa a = 3R) und a, b ∈ R.

Definition. a ≡ b mod a := a− b ∈ a.

Regel. ≡ mod a ist eine Aquivalenzrelation und es gilt

a) a ≡ b mod a =⇒ a+ c ≡ b+ c mod a

b) a ≡ b mod a =⇒ ac ≡ bc mod a

c) a ≡ b mod a =⇒ an ≡ bn mod a

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§5 Die Gleichung X3 + Y3 = Z3

Wie man sofort nachrechnet, gilt in jedem Ring R

(1) x3 + y3 + z3 = (x+ y + z)3 − 3(x+ y)(y + z)(z + x)

(2) x3 + y3 = (x + y)(x2 − xy + y2), insbesondere x + y | x3 + y3 fur allex, y, z ∈ R.

Sei nun wieder ζ = cos 2π3

+ i sin 2π3

wie in §4 und R = Z[ζ] ⊆ C. Danngilt fur x, y ∈ C

(3) x3 + y3 = (x+ y)(x+ yζ)(x+ yζ2)denn (x+ yζ)(x+ yζ2) = x2 + xy(ζ + ζ2) + y2ζ3 = x2 − xy + y2

5.1 Satz. (Fermat, Euler) Es gibt keine a, b, c ∈ R\{0} mit

(∗) a3 + b3 + c3 = 0

5.2 Korollar. Die Gleichung X3 + Y 3 = Z3 hat keine Losung mit positivenganzen Zahlen x, y, z.Sonst ware namlich a = x, b = y, c = −z ∈ R\{0} eine Losung von (∗).Beweis von 5.1.Beweis

”idee“: Ware a3 + b3 = c3, wobei a, b, c ∈ R\{0} (o.E.) teilerfremd

sind, so folgt aus (1) und (3)

(a+ b+ c)3 = 3(a+ b)(b+ c)(c+ a), (−c)3 = (a+ b)(a+ bζ)(a+ bζ2).

Aus der Tatsache, daß R faktoriell ist, schließt man, daß dies nicht sein kann.

Bevor wir mit dem eigentlichen Beweis von 5.1 beginnen, zeigen wir

5.3 Lemma. Ist a3 + b3 + c3 = 0 fur teilerfremde Zahlen a, b, c ∈ R(\{0}, sowird genau eine der drei Zahlen vom Primelement 1− ζ geteilt.

Beweis. Nach (1) gilt in R wegen a3 + b3 + c3 = 0

(a+ b+ c)3 = 3(a+ b)(b+ c)(c+ a) ∼ (1− ζ)2(a+ b)(b+ c)(c+ a)

Da 1− ζ ein Primelement ist folgt (1− ζ) | a+ b+ c und daher

(1− ζ)3 | (a+ b+ c)3 ∼ (1− ζ)2(a+ b)(b+ c)(c+ a).

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Kurzen ergibt (1− ζ) | (a+ b)(b+ c)(c+a) und da 1− ζ ein Primelement vonR ist, folgt, daß 1− ζ einen der drei Faktoren teilt, o.E. (1− ζ) | a+ b. Nach(2) ist a+ b | a3 + b3 = −c3. Insgesamt ergibt sich 1− ζ | c3, somit 1− ζ | c.Da aber a, b, c teilerfremd sind und a3 + b3 = −c3, folgt:

a, b, c sind paarweise teilerfremd, daher 1− ζ - a und 1− ζ - b.Beweis von 5.1 durch Widerspruch.Angenommen es gabe a, b, c ∈ R\{0} mit a3 + b3 + c3 = 0. Durch kurzenerreicht man, daß a, b, c sogar teilerfremd sind. Wegen 5.3 ist dann die Menge

M = {(a, b, c) | a, b, c ∈ R\{0} teilerfremd, 1− ζ | c, a3 + b3 + c3 = 0}nicht leer. Fur x ∈ R\{0} bezeichne v1−ζ(x) die Ordnung von x an derPrimstelle 1− ζ.Wir wahlen ein Tripel (a, b, c) ∈M , so daß die Ordnung v1−ζ(c) minimal ist.Der Widerspruch wird sich ergeben, indem aus (a, b, c) ein weiteres Tripel(a∗, b∗, c∗) ∈M konstruiert wird mit v1−ζ(c∗) < v1−ζ(c).

Wegen (1− ζ) - ab und (1− ζ) | 3 gilt fur a (entsprechend fur b)a 6≡ 0 mod 3R und a 6≡ ±(1− ζ) mod 3R.

Aus 4.5 c ergibt sich: a ≡ ε mod 3R, wobei ε ∈ R eine Einheit ist, d.h.ε ∈ {±1,±ζ,±ζ2}.

(i) Aus a ≡ ±ζ mod 3R folgt aζ2 ≡ ±1 mod 3R.

(ii) Aus a ≡ ±ζ2 mod 3R folgt aζ ≡ ±1 mod 3R.

Ferner ist a3 = (aζ2)3 = (aζ)3.Man kann daher a in (∗) durch aζ2 oder aζ ersetzen und somit o.E. annehmen,daß a ≡ ±1 mod 3R. Entsprechend verfahrt man mit b, und kann b ≡ ±1mod 3R annehmen. Ferner ist wegen 1− ζ | c auch 3 ∼ (1− ζ)2 | c2 | c3, d.h.c3 ≡ 0 mod 3R.Ware nun a ≡ b mod 3R, so auch a3 ≡ b3 mod 3R und 0 ≡ a3+b3+c3 ≡ 2a3 ≡±2 ≡ ∓1 mod 3R. Insbesondere ware 3 eine Einheit in R, im Widerspruchzu 3 ∼ (1− ζ)2.

Also ist a 6≡ b mod 3R und wir konnen annehmen, daß a ≡ 1 mod 3R undb ≡ −1 mod 3R.

Man kann also a und b in der Form

a = 1 + 3α, b = −1 + 3β mit α, β ∈ R

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schreiben.

Wir setzen nun A′ :=a+ bζ

1− ζ ; B′ :=aζ + b

1− ζ ; C ′ :=ζ2(a+ b)

1− ζSetzt man a = 1 + 3α und b = −1 + 3β ein, so erhalt man:

A′ =(1− ζ) + 3(α + βζ)

1− ζ = 1− ζ2(1− ζ)(α + βζ),

B′ =−(1− ζ) + 3(αζ + β)

1− ζ = −1− ζ2(1− ζ)(αζ + β) und

C ′ =3ζ2(α + β)

1− ζ = −ζ(1− ζ)(α + β), jeweils, da 3 = −ζ2(1− ζ)2

Insbesondere sind A′, B′, C ′ aus R. Ferner gilt

(5) A′ +B′ + C ′ = −ζ(1− ζ)(α + β)(1 + ζ + ζ2) = 0.

(6) A′B′C ′ =(a+ b)(a+ bζ)(a+ bζ2)

(1− ζ)3

(3)=

a3 + b3

(1− ζ)3=

( −c1− ζ

)3

= D′3.

Insbesondere gilt A′ 6= 0, B′ 6= 0, C ′ 6= 0.

Behauptung. A′, B′ und C ′ sind paarweise teilerfremd.

Beweis. Wegen A′ + B′ + C ′ = 0 genugt es zu zeigen, daß A′ und B′ tei-lerfremd sind. Nach Voraussetzung sind aber a und b teilerfremd. Ferner gilta = −ζA′ + ζ2B′, b = ζ2A′ − ζB′. Also mussen auch A′ und B′ teilerfremdsein.Wegen (6) schreiben sich nach 1.11 die Elemente A′, B′ und C ′ in R in derForm

”Einheit mal dritte Potenz“.

Wegen 1− ζ | C ′ folgt daher (1− ζ)3 | C ′. Also gilt wegen 3 ∼ (1− ζ)2

A′ +B′ ≡ −C ′ ≡ 0 mod 3R, d.h. A′ ≡ −B′ mod 3R

Ferner ist A′ ≡ 1 mod (1− ζ)R, insbes. 1− ζ - A′.Es folgt A′ ≡ u mod 3R mit u ∈ R×, somit B′ ≡ −A′ ≡ −u mod 3R.Wir setzen nun

A := u−1A′, B := u−1B′ und C := u′C ′

Aus den entsprechenden Eigenschaften des Tripels (A′, B′, C ′) folgt

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A,B,C sind teilerfremd

A+B + C = 0

ABC = u−3A′B′C ′ = ±A′B′C ′ =( ±c

1− ζ)3

= D3

Wie fur A′ und B′ schließt man auch hier:A und B sind von der Form

”Einheit mal dritte Potenz“.

Ferner gilt

A ≡ u−1A′ ≡ u−1u ≡ 1 mod 3R

B ≡ u−1B′ ≡ u−1(−u) ≡ −1 mod 3R

Nach 4.5 e) sind dann A und B sogar dritte Potenzen in R. Wegen ABC = D3

ist dann gemaß 1.11 b) auch C in R eine dritte Potenz:

A = a3∗, B = b3

∗, C = c3∗ mit a∗, b∗, c∗ ∈ R\{0}.

Dabei ista∗, b∗ und c∗ teilerfremd und a3

∗ + b3∗ + c3

∗ = 0.

Ferner ist 1− ζ | C ′ ∼ C = c3∗, und somit 1− ζ | c∗.

Also ist auch (a∗, b∗, c∗) ∈M . Es gilt jedoch

3v1−ζ(c∗) = v1−ζ(c3∗) = v1−ζ(c) = v1−ζ(ABC) = v1−ζ

((c

1− ζ)3)

= 3v1−ζ

(c

1− ζ)

= 3(v1−ζ(c)− 1)

Es folgt v1−ζ(c∗) < v1−ζ(c), im Widerspruch zur Minimalitat von v1−ζ(c).

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Anhang B: Quadratische Irrationalzahlen

§1 Reel-quadratische Zahlkorper

Eine reelle Zahl x 6∈ Q heißt quadratische Irrationalzahl, wenn sie Losungeiner quadratischen Gleichung

(1) aX2 − bX − c = 0, a 6= 0

mit rationalen Koeffizienten a, b und c ist.

Nach Multiplikation von (1) mit einer geeigneten rationalen Zahl kann manerreichen, daß

(∗) {a, b, c} ⊆ Z, a > 0 und ggT(a, b, c) = 1

1.1 Bemerkung. Die Gleichung (1) mit den Eigenschaften (∗) ist durchdie quadratische Irrationalzahl x eindeutig bestimmt. Man nennt sie dieGleichung von x.

Beweis. Sei a′x2− b′x− c′ = 0, wobei {a′, b′, c′} ebenfalls die Bedingung (∗)erfullt. Dann ist

aa′x2−ab′x−ac′ = 0 = a′ax2−a′bx−ac′ und daher (a′b−ab′)x+(a′c−ac′) = 0.Wegen x 6∈ Q folgt a′b = ab′ und a′c = ac′, also a = ggT(aa′, ab′, ac′) =ggT (a′a, a′b, a′c) = a′. Somit ist a = a′, b = b′ und c = c′.

Die Losungen von (1) sind bekanntlich die Zahlen

b

2a±√D

a, wobei D := b2 + 4ac ∈ N

kein Quadrat ist. Man nennt D die Diskriminante von x. Es ist alsox = u+v

√D mit u, v ∈ Q; die zweite Losung von (1) ist dann x′ = u−v√D.

Man nennt sie die zu x konjugierte quadratische Irrationalzahl. Sie hatoffenbar die gleiche Diskriminante wie x.

Sei umgekehrt y = u + v√d mit rationalen Zahlen u, v und d ∈ Q kein

Quadrat. Setze y′ = u− v√d. Dann ist yy′ = u2− v2d ∈ Q, y+ y′ = 2u ∈ Q,

also ist(X − y)(X − y′) = X2 − (y + y′)X + yy′ = 0

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eine quadratische Gleichung mit rationalen Koeffizienten und den Losungeny und y′. Es gilt also:Die quadratischen Irrationalzahlen sind die Zahlen der Form x = u + v

√d,

wobei u, v ∈ Q, v 6∈ Q und d ∈ N kein Quadrat ist. Die zu x konjugiertequadratische Irrationalzahl ist u− v

√d.

Sei nun d ∈ N kein Quadrat. Dann ist auch√d 6∈ Q.

Wir definieren

K = Q[√d] = {u+ v

√d | u, v ∈ Q} und

R = Z[√d] = {u+ v

√d | u, v ∈ Z}

1.2 Satz.

a) K ist ein Q–Vektorraum mit Basis {1,√d}.

b) K ist ein Korper und R ist ein Ring.

c) Die Konjugationsabbildung

σ : K −→ K, u+ v√d 7−→ u− v

√d

hat folgende Eigenschaften:

σ(a) = a fur alle a ∈ Q.

σ(σ(x)) = x fur alle x ∈ K und σ(r) ∈ R fur alle r ∈ R.σ(x+ y) = σ(x) + σ(y) und σ(x · y) = σ(x) · σ(y) fur alle x, y ∈ K.σ(xn) = σ(x)n fur alle x ∈ K und n ∈ N.

d) Fur u, v, n ∈ N>0 ist mit geeigneten u, v ∈ N>0

(u+ v√d)n = u+ v

√d und (u− v

√d)n = u− v

√d

Beweis.

a) Offenbar ist K ein Q–Vektorraum, der von 1 und√d erzeugt wird.

1 +√d sind uber Q linear unabhangig: Sei a · 1 + b

√d = 0 mit

a, b ∈ Q. Aus b = 0 folgt a = 0. Ware b 6= 0, so ware√d = −a

b∈ Q,

Widerspruch.

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b) Die Abgeschlossenheit gegenuber Addition und Negation ist fur K undR klar. Abgeschlossenheit gegenuber der Multiplikation:Seien (a, b), (a′b′) ∈ Q2. Dann gilt

(a+ b√d)(a′ + b′

√d) = (aa′ + bb′d) + (ab′ + a′b)

√d ∈ K

und die rechte Seite liegt in R, falls a, b, a, b′ ∈ Z. Also sind K und RRinge. Fur den Beweis von d) halten wir noch fest:

(∗) Aus (a, b), (a′, b′) ∈ N2>0 folgt aa′ + bb′d, ab′ + a′b ∈ N>0.

Fur die Korpereigenschaft von K muß noch jedes x ∈ K\{0} invertier-

bar sein: x = a+b√d 6= 0

a)=⇒ a 6= 0 oder b 6= 0, also auch a−b

√d 6= 0.

Es folgt a2 − b2d = (a+ b√d)(a− b

√d) 6= 0 und

(a+ b√d)

(a

a2 − b2d− b

a2 − b2d

√d

)= 1

c) Zur Basis B = {1,√d} gehort der Basisisomorphismus

Φ : Q2 −→ K,

(ab

)7−→ a+ b

√d

A =

(1 00 −1

)ist invertierbar mit A · A = E2. Daher ist

σ : KΦ−1−→ Q2 A−→ Q2 Φ−→ K

ein Isomorphismus, σ(u+ v√d) = Φ

(A

(uv

))= Φ

(u−v)

= u− v√d

und σ(σ(u+ v√d)) = σ(u− v

√d) = u+ v

√d

σ(u) = σ(u+ 0√d) = u− 0 ·

√d = u fur alle u ∈ K.

Falls r = u + v√d ∈ R ist σ(r) = u + (−v)

√d ∈ R. Da σ ein Vektor-

raumisomorphismus ist, gilt σ(x+ y) = σ(x) + σ(y)

σ((u+ v√d)(u′ + v′

√d)) = (uu′ + vv′d)− (av′ + u′v)

√d

(u− v√d)(u′ − v′

√d) = (uu′ + vv′d)− (uv′ + u′v)

√d.

Induktiv ergibt sich daraus σ(xn) = σ(x)n.

165

Page 167: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

d) Der erste Teil folgt durch Induktion aus (∗). Wegenσ((a+ b

√d)n) = σ(a+ b

√d)n gilt auch der Rest.

Die Korper der Gestalt K = Q[√d], wobei d ∈ N kein Quadrat ist, nennt

man quadratische Zahlkorper. Halte d fest.

Definition. Die Funktion

N : K −→ Q, x 7−→ xσ(x)

heißt Norm von K.

Fur x = a+ b√d ist also N(x) = a2 − b2d(a, b ∈ Q).

In Analogie zu Anhang A.3.2 zeigt man leicht

1.3 Eigenschaften der Norm. Fur x, y ∈ K gilt:

a) N(xy) = N(x)N(y);N(a) = a2 fur a ∈ Q,(insbesondere ist N(−1) = N(1) = 1).

b) Ist x 6= 0, so ist N(x) 6= 0 und x−1 = σ(x)N(x)

.

c) Ist x ∈ R, so ist N(x) ∈ Z.

d) Sei R× die Einheitengruppe von R und x ∈ R.Genau dann ist x ∈ R×, wenn N(x) ∈ Z× = {±1}.

e) G = {x | N(x) = 1} ist eine Untergruppe von R× mit

(i) G = −G(ii) r−1 = σ(r) fur alle r ∈ G

Beweis.

a) ergibt sich sofort aus 1.2.

b) σ : K −→ K ist ein Isomorphismus von Q–Vektorraumen, also istσ(x) 6= 0 und somit N(x) = xσ(x) 6= 0 fur x 6= 0.

Ferner ist σ(x)N(x)∈ K mit x σ(x)

N(x)= 1.

c) ist klar nach dem Beweis von 1.2.c).

166

Page 168: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

d) Ist x ∈ R×, so ist x−1 ∈ R× mit x−1x = 1 und 1 = N(x−1)N(x), wobeiN(x), N(x−1) ∈ Z. Es folgt N(x) = ±1. Ist umgekehrt N(x) = ±1 und

x ∈ R, so ist σ(x)N(x)

= ±σ(x) ∈ R und x σ(x)N(x)

= 1, also x ∈ R×.

e) Nach a) ist G abgeschlossen unter der Multiplikation und Inversion und1 ∈ G. Also ist G eine Untergruppe von R×.

N(−x) = N(−1)N(x) = N(x) nach a), also ist G = −G.

Ferner ist rσ(r) = N(r) = 1 fur r ∈ G, d.h. r−1 = σ(r).

Im Fall d = 2 gilt noch

(1.4) Satz.

a) {ε ∈ R× | ε > 1} = {(1 +√

2)n | n ∈ N>0}b) R× = {±(1 +

√2)n | n ∈ Z}

c) G = {±(3 + 2√

2)n | n ∈ Z}Beweis.

a) Zeige zunachst, daß

(∗) 1 +√

2 = Min{ε | ε ∈ R× und ε > 1}Beweis. N(1 +

√2) = −1 =⇒ 1 +

√2 ∈ R×

Sei ε ∈ R× mit ε > 1. Zeige, daß ε ≥ 1 +√

2.

Schreibe ε = y + x√

2 mit x, y ∈ Z : N(ε) = 2σ(ε) = ±1 nach 1.3.

Aus |N(ε)| = 1 folgt ε · |σ(ε)| = 1 und |σ(ε)| = ε−1 < 1. Es folgt2y = ε+ σ(ε) > 0 und 2x

√2 = ε− σ(ε) > 0, also x > 0 und y > 0 aus

Z =⇒ ε ≥ 1 +√

2.

Sei nun ε ∈ R×, ε > 1.

Wegen (1+√

2)n ≥ 1+n√

2 ist limn→∞

(1+√

2)n =∞. Also gibt es genau

ein n ∈ N>0 mit (1+√

2)n−1 < ε < (1+√

2)n. Es folgt η := ε(1+√

2)n−1 ∈R×, denn R× ist eine Gruppe, die ε und 1 +

√2 enthalt. Außerdem gilt

1 < η ≤ 1 +√

2 nach Wahl von n.

167

Page 169: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

Nach (∗) gilt aber auch η ≥ 1 +√

2 und daher ε = (1 +√

2)n.

Umgekehrt ist fur jedes n ≥ 1

(1 +√

2)n > 1 und (1 +√

2)n ∈ R×.

b) Offenbar gilt fur ε ∈ R×\{±1}.

0 < ε < 1 ⇐⇒ ε−1 > 1

−1 < ε < 0 ⇐⇒ 0 < −ε < 1⇐⇒ −ε−1 > 1

ε < −1 ⇐⇒ −ε > 1

Ist also H := {ε ∈ R× | ε > 1}, so ist R× = {±1} ∪H ∪H−1 ∪ (−H)∪(−H−1) und nach a) gilt H = {(1 +

√2)n | n ∈ N>0}. Es folgt

R× = {±(1 +√

2)n | n ∈ Z}

c) Sei ε = ±(1 +√

2)n, n ∈ Z. Dann ist

N(ε) = N(1 +√

2)n = (−1)n = 1 genau dann, wenn n = 2m,m ∈ N.

Ferner ist (1 +√

2)2 = 3 + 2√

2. Es folgt

G = {ε ∈ R× | N(ε) = 1} = {±(3 + 2√

2)m | m ∈ Z}

168

Page 170: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

§2 Die Pell’sche Gleichung

Sei d ∈ N>0 kein Quadrat. Dann nennt man

(∗) Y 2 − dX2 = 1

die zu d gehorige Pell’sche Gleichung.

Die Losungsmenge Hd := {(x, y) ∈ R2 | y2 − dx2 = 1} der obigen Gleichungstellt eine Hyperbel in der Ebene R2 dar.

Frage: Welche Gitterpunkte (x, y) ∈ Z2 liegen auf der Hyperbel Hd?

2.1 Satz. Auf Hd liegen unendlich viele Gitterpunkte.

Genauer gilt: Ist (x0, y0) ∈ N2>0 der Gitterpunkte auf Hd mit der kleinsten

positiven x–Koordinate, so ist

Hd ∩ Z2 = {(x, y) ∈ Z2 | Es gibt ein n ∈ Z mit y + x√d = ±(y0 + x0

√d)n}.

Bemerkung. Sei N die Norm von K = Q[√d], R = Z[

√d] und

G = {r ∈ R | N(r) = 1} (vgl. §1). Dann ist wegen N(y + x√d) = y2 − dx2

(x, y) ∈ Hd ∩ Z2 genau dann, wenn y + x√d ∈ G.

Es ist also zu zeigen, daß

(1) G = {±(y0 + x0

√d)n | n ∈ Z}

wenn (x0, y0) ∈ Hd ∩ N2>0 mit kleinster x–Koordinate ist.

Im Fall d = 2 wurde dies im Satz 1.4 bereits bewiesen, wobei (x0, y0) = (2, 3)war.

Zum Beweis von (1) sind einige Vorbereitungen notig. Zunachst werden wirzeigen, daß es ein y + x

√d ∈ G gibt mit (x, y) ∈ N2

>0.

2.2 Lemma. Die Ungleichung

(2) |Y −X√d| < 1

X

hat unendlich viele Losungen (x, y) ∈ N2>0.

169

Page 171: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

Fur eine reelle Zahl r ≥ 0 bezeichnen wir mit brc den ganzen Anteil von r.Die ist die ganze Zahl, die bei der Dezimalbruchentwicklung von r vor demKomma steht.

Beweis von 2.2. Fur x = 1 und y = b√dc ist

|y − x√d| = |b

√dc −

√d| < 1, d.h. |y − x

√d| < 1

x.

Damit hat (2) uberhaupt eine Losung in N2>0.

Behauptung. Zu jeder Losung (x, y) ∈ N2>0 von (2) gibt es eine weitere

Losung (x′, y′) ∈ N2>0 von (2) mit

|y′ − x′√d| < |y − x

√d|.

Damit erhalt man wunschgemaß eine unendliche Folge von paarweise ver-schiedenen Losungen von (2).

Beweis der Behauptung. Wegen√d 6∈ Q ist |y − x

√d| 6= 0 fur alle

(x, y) ∈ N2>0. Also gibt es ein m ∈ N>0 mit

(3) |y − x√d| > 1

m.

Konstruiere nun ein (x′, y′) ∈ N2>0 mit 1

m> |y′ − x′

√d|.

Betrachte dazu die Menge

M := {1, b√dc, b2

√d+ 1c, . . . , bm

√dc+ 1}

von m+ 1 positiven ganzen Zahlen. Fur jede u = bλ√dc+ 1 ∈M gilt

0 < u− λ√d ≤ 1.

Damit erhalt man eine Abbildung

ϕ : M −→ (0, 1], bλ√dc+ 1 7−→ bλ

√dc+ 1− λ

√d

Zerlege (0, 1] in m halboffene Intervalle der Lange 1m

.

(0, 1] = (0,1

m] ∪ (

1

m,

2

m] ∪ . . . ∪ (

m− 1

m, 1]

170

Page 172: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

Weil M aus m + 1 Elementen besteht gibt es u1 < u2 in M , so daß ϕ(u1)und ϕ(u2) in das gleiche Intervall der Lange 1

mfallen. Insbesondere ist dann

|ϕ(u2)− ϕ(u1)| < 1

m

Es ist u1 = bλ1

√dc+ 1, u2 = bλ2

√dc+ 1 mit 0 ≤ λ1 < λ2 ≤ m.

Es folgt

|(u2−u1)−(λ2−λ1)√d| = |(u2−λ2

√d)−(u1−λ1

√d)| = |ϕ(u2)−ϕ(u1)| < 1

m.

Setzt man y′ = u2 − u1 und x′ = λ2 − λ1, so erhalt man

|y′ − x′√d| < 1

mund 0 < x′ ≤ m

und (x′, y′) erfullt die Bedingung |y′ − x′√d| < 1

m≤ 1

x′ .

Ferner gilt nach Wahl von m wegen (3)

|y′ − x′√d| < 1

m< |y − x

√d|, was zu beweisen war.

2.3 Lemma. Es gibt ein k ∈ Z, 0 <| k| < 1 + 2√d, so daß die Gleichung

(4) Y 2 − dX2 = k

in N2>0 unendlich viele Losungen hat.

Beweis. Nach 2.2 gibt es ein (x, y) ∈ N2>0 mit |y − x

√d| < 1

x.

Daraus ergibt sich die Beziehung

|y + x√d| = |y − x

√d+ 2x

√d| < 1

x+ 2x

√d, also

0 < |y2 − dx2| = |y − x√d||y + x

√d| < 1

x2 + 2√d ≤ 1 + 2

√d.

Nach 2.2 gibt es dann sogar unendlich viele (x, y) ∈ N2>0 mit

0 < |y2 − dx2| < 1 + 2√d

Bei der Abbildung

ϕ : N2>0 −→ Z\{0}(x, y) 7−→ y2 − dx2

171

Page 173: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

werden also unendlich viele Punkte in das Intervall I = (−1− 2√d, 1 + 2

√d)

abgebildet, welches aber nur endlich viele ganze Zahlen enthalt. Also wirdbei der Abbildung ϕ wenigstens ein Wert k ∈ I ∩ Z\{0} an unendlich vielenStellen (x, y) ∈ N2

>0 angenommen.

Wir zeigen nun, daß die Gleichung Y 2 − dX2 = 1 eine Losung (x, y) ∈ N2>0

besitzt.

Nach 2.3 gibt es ein k ∈ Z\{0}, so daß die Gleichung (4) in N2>0 unendlich

viele Losungen hat. Es gibt also insbesondere zwei Losungen von (4) in N2>0,

so daß

(x1, y1) 6= (x2, y2), x1 ≡ x2 mod k und y1 ≡ y2 mod k.

Wir setzen

y =y1y2 − dx1y2

kund x =

y1x2 − y2x1

k.

Dann gilt nach Wahl von (x1, y1) und (x2, y2)

y1y2 − dx1x2 ≡ y21 − dx2

1 ≡ k ≡ 0 mod k undy1x2 − y2x1 ≡ y1x1 − y1x1 ≡ 0 mod k

und somit (x, y) ∈ Z2.

Wir zeigen nun, daß x 6= 0, y2 − dx2 = 1 und y 6= 0.

Angenommen x = 0. Es folgt y1x2 = y2x1, also y2 = x2

x1y1.

Ferner ist x2 = x2

x1x1. Einsetzen in (4) ergibt

k = y22 − dx2

2 =

(x2

x1

)2(y2

1 − dx21 =

x2

x1

)2

k, d.h. x2 = x1

und damit auch y2 = y1, Widerspruch.

Aus k2(y2 − dx2) = (y1y2 − dx1x2)2 − d(y1x2 − y2x1)2 =

= (y21 − dx2

1)(y22 − dx2

2) = k2 folgt y2 − dx2 = 1.

Ferner ist y2 = 1 + dx2 ≥ 1 und daher y 6= 0.

Damit ist (|x|, |y|) ∈ N2>0 eine Losung der Pell’schen Gleichung.

Sei nun (x0, y0) ∈ N2>0 die Losungt der Pell’schen Gleichung mit kleinster

x–Koordinate. Wie schon ausgefuhrt wurde, ist zu zeigen, daß

G = Γ := {±(y0 + x0

√d)n | n ∈ Z}

172

Page 174: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

Wegen N(y0 + x0

√d) = y2

0 − x20d = 1 ist Γ ⊆ G ⊆ R×.

Offenbar ist Γ wie G eine Untergruppe von R×, also Γ = Γ−1, und es giltΓ = −Γ und G = −G.

Zeige zunachst, daß

(5) G+ := {r ∈ G | r > 1} ⊆ Γ

Dann ist auch G = {1} ∪G + ∪ −G+ ∪G−1+ ∪ −G−1

+ ⊆ Γ. Zum Beweis von

(5) zeigen wir zuerst, daß ε := y0 + x0

√d = Min G+.

Sei dazu r = y + x√d ∈ G+, r 6= ε. Angenommen r < ε.

Aus rσ(r) = 1 folgt 1 > σ(r) > 0, d.h.

1 > y − x√d > 0 und 2y = r + σ(r) > 1, 2x

√d = r − σ(r) > 0.

Es folgt y > 0 und x > 0. Nach Wahl von x0 ist daher x ≥ x0.

Aus r < ε und x ≥ x0 folgt y < y0 und daher

x =

√y2 − 1√d

<

√y2

0 − 1√d

= x0, Widerspruch.

Sei nun y+x√d ∈ G+, y+x

√d 6= ε. Wie gesehen y+x

√d > ε. Wegen ε > 1

ist limn→∞

εn =∞. Es gibt also genau ein n ∈ N>0 mit

(6) εn−1 < y +√d ≤ εn.

Da G eine Gruppe ist und {ε, y + x√d} ⊆ G}, ist auch η = y+x

√d

εn−1 ∈ G.

Aus (6) folgt 1 < η ≤ ε und η ∈ G+.

Daher ist auch η ≥ ε = Min G+, d.h. η = ε und

y + x√d = εn.

Wir wollen noch sehen, wie man rekursiv von (x0, y0) ausgehend alle Gitter-punkte auf Hd berechnet. Dabei kann man sich aus Symmetriegrunden aufden ersten Quadranten beschranken.

Wahle yn, xn ∈ N>0 so, daß

yn + xn√d = (y0 + x0

√d)n+1 (n ∈ N).

173

Page 175: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

Nach 2.1 ist dannHd ∩ N2

>0 = {(xn, yn) | n ∈ N}.Wegen yn − xn

√d = (y0 − x0

√d)n+1 ergibt sich

xn = (y0+x0

√d)n+1−(y0−x0

√d)n+1

2√d

und

yn = (y0+x0

√d)n+1+(y0−x0

√d)n+1

2fur alle n ∈ N

2.4 Korollar. Die positiven Gitterpunkte (xn, yn), n ∈ N auf Hd berechensich rekursiv aus (x0, y0) mit den Formeln

xn = yn−1x0 + xn−1y0

yn = yn−1y0 + dxn−1x0 fur alle n ≥ 1

Beweis. yn−1x0 + xn−1y0 =

(y0 + x0

√d)nx0

√d+ (y0 − x0

√d)nx0

√d+ (y0 + x0

√d)ny0 − (y0 − x0

√d)ny0

2√d

=

=(y0 + x0

√d)n(y0 + x0

√d)− (y0 − x0

√d)n(y0 − x0

√d)

2√d

= xn

Der Beweis der zweiten Formel verlauft analog.

Zum Schluß wollen wir noch zeigen, wie man im Fall einer Primzahl derForm d = m2 + 1,m ∈ N die kleinste positive ganze Losung der Pell’schenGleichung berechnet.

2.5 Satz. Ist d = m2 + 1 eine Primzahl, m ∈ N, so ist (2m, 2m2 + 1) diekleinste positve Losung der Pell’schen Gleichung Y 2 − dX2 = 1.

Beweis. (2m, 2m2 + 1) ist offenbar eine Losung.

Sei (x, y) ∈ N2>0 eine beliebige Losung. Dann ist

x2(m2 + 1) = y2 − 1 = (y − 1)(y + 1).

Da nun m2 + 1 eine Primzahl ist, folgt

m2 + 1 | y + 1 oder m2 + 1 | y − 1.

1. Fall. Ist m2 + 1 = y + 1 oder m2 + 1 = y − 1, so ist

174

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x2 = m2 − 1 oder x2 = m2 + 3. Es folgt

(m− x)(m+ x) = 1 oder (x−m)(x+m) = 3.

Dies ist nur moglich, wenn m = 1, x = 2 und y = 3 gilt.

2. Fall. m2 + 1 ‖ y − 1 oder m2 + 1 ‖ y + 1. Es folgt

y + 1 ≥ 2(m2 + 1) und daher x2(m2 + 1) = (y + 1)(y − 1) ≥≥ 2(m2 + 1)(2(m2 + 1)− 2) = 4(m2 + 1)m2.

Kurzen ergibtx2 ≥ 4m2 und x ≥ 2m.

175

Page 177: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

§3 Anwendungen der Pell’schen Gleichung

A. Quadrat- und Dreieckszahlen.

Quadratzahlen:

• • • • ••• • • • • • • • • ••

• • •• • • • • • • • • • ••• • • • • •• • • • • • • • • • ••

•• • • • • • •• • • • • • • • • • ••• •• • • • • • •• • • • • • • • • • ••1 4 9 16 25 36

Dreieckszahlen:

•• ••

• •• • • •• •• • • • • • ••

• •• • • • • • •• • • • • •1 3 6 10 15

•• ••

• •• • • ••• • • • • • ••• • • • • •• • • • • •• • •• • • • • • • • • • ••• • • • • • • • • •• • • • • • • •• • • • •• • • • • • • • • • • • • • ••

21 28 36

Dabei sind 1 und 36 sowohl Quadrat- als auch Dreieckszahlen.

Frage: Wie kann man alle naturlichen Zahlen bestimmen, die sowohl Quadrat-als auch Dreieckszahlen sind? Gibt es davon unendlich viele?

176

Page 178: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

Ist w ∈ N>0 eine Quadrat- und Dreieckszahl, so gibt es naturliche Zahlen mund n mit

(1) w = m2 =n(n+ 1)

2(= 1 + 2 + . . .+ n)

Setze x := 2m und y = 2n + 1. Aus x und y berechnen sich n und m alsn = y−1

2und m = x

2.

Aus (1) folgt x2

4= y−1

2· y+1

2· 1

2, d.h. x und y genugen der Pell’schen Gleichung.

(2) Y 2 − 2x2 = 1

Ist also w = m2 n(n+1)2

mit m,n ∈ N>0, so ist (x, y) = (2m, 2n + 1) einGitterpunkt auf der Hyperbel H2 : Y 2 − 2X2 = 1 im positiven Quadranten.

Sei umgekehrt (x, y) ∈ H2 ∩ N2>0. Dann gilt 2x2 = y2 − 1 = (y + 1)(y − 1).

Insbesondere ist y ungerade und x gerade und y > 1. Setze

m :=x

2und n :=

y − 1

2.

Dann sind m,n ∈ N>0 und

m2 =x2

4=y2 − 1

8=y + 1

2

y − 1

2· 1

2= (n+ 1)n · 1

2.

Damit ist x2

4eine Quadrat- und Dreieckszahl, wobei x

2die Kantenlange des

zugehorigen Quadrats und y−12

die Kantenlange des zugehorigen Dreiecks ist.

Wir fassen das bisher gesehene zusammen.

3.1 Satz. Die Quadrat- und Dreieckszahlen aus N>0 entsprechen eineindeutigden positiven Gitterpunkten auf der Hyperbel H2 : Y 2 − 2X2 = 1. Genauergilt:

a) Ist w = m2 = n(n+1)2

eine Quadrat- und Dreieckszahl, so ist(2m, 2n+ 1) ∈ H2.

b) Ist (x, y) ∈ H2 ∩N2>0, so sind die Zahlen m = x

2und n = y−1

2ganz und

w = m2 = n(n+1)2

ist die zugehorige Quadrat- und Dreieckszahl.

177

Page 179: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

Wir wenden Korollar 2.4 im Fall d = 2 an und erhalten

3.2 Korollar. Die Gitterpunkte H2 ∩ N2>0 ergeben sich rekursiv aus

x0 = 2, y0 = 3 mit den Formeln

xn = 2yn−1 + 3xn−1 ; yn = 3yn−1 + 4xn−1 fur alle n ≥ 1.

Aus 3.1 und 3.2 ergeben sich schließlich Rekursionsformeln fur die Quadrat-und Dreieckszahlen.

3.3 Korollar. Ordnet man die Quadrat- und Dreieckszahlenzn = q2

n = dn(dn+1)2

nach ihrer Große, so gilt fur die Kantenlangen qn bzw. dnder zugehorigen Quadrate bzw. Dreiecke

q0 = d0 = z0 = 1qn = 2dn−1 + 3qn−1 + 1 ; dn = 3dn−1 + 4qn−1 + 1 fur alle n ≥ 1

Man erhalt also

q1 = 2 + 3 + 1 = 6 ; d1 = 3 + 4 + 1 = 8, z1 = 36q2 = 16 + 18 + 1 = 35 ; d2 = 24 + 24 + 1 = 49, z2 = 1225q3 = 98 + 105 + 1 = 204 ; d3 = 147 + 140 + 1 = 288, z3 = 41616usw.

Beweis. Nach 3.1 sind die Zahlen zn = x2n

4, n = 0, 1, 2, . . . die Quadrat- und

Dreieckszahlen und es gilt

qn = xn2

= Kantenlange des Quadrats unddn = yn−1

2= Kantenlange des Dreiecks.

Setzt man die Formeln aus 3.2 ein, so ergibt sich

z0 =x2

0

4= 1, q0 = x0

2= 1, d0 = y0−1

2= 1 und

qn = xn2

= yn−1 + 32xn−1 = 2dn−1 + 1 + 3qn−1,

dn = yn−12

= 32yn−1 + 2xn−1 − 1

2= 3

2(2dn−1 + 1) + 4qn−1 − 1

2=

= 3dn−1 + 4qn−1 + 1 fur n ≥ 1

B. Ein kombinatorisches Problem. Eine Urne enhalte q ≥ 2 Kugeln;davon seien r Kugeln rot und die ubrigen schwarz.

Frage: Wie mussen die Zahlen q und r gewahlt sein, damit gilt:

178

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(1) Die Wahrscheinlichkeit dafur, daß zwei Kugeln, die ohne Zurucklegengezogen werden, beide rot sind, ist 1

2.

3.4 Satz. Aussage (1) gilt genau dann, wenn gilt:

(2) q(q − 1) = 2r(r − 1)

Beweis. Es gibt

(q2

)verschiedene Stichproben der Ordnung 2. Davon beste-

hen

(r2

)aus zwei roten Kugeln. Also gilt (1) genau dann, wenn

(q2

)= 2

(r2

), d.h. wenn q(q − 1) = 2r(r − 1).

Zusammenhang mit der Pell’schen Gleichung.

Wir betrachten anstelle der gewohnlichen Pell’schen GleichungY 2 − 2X2 = +1 die Gleichung

(3) Y 2 − 2X2 = −1 ; H2 : Y 2 − 2X2 = −1

3.5 Satz. Seien q und r positive ganze Zahlen. Genau dann erfullen q und rdie Bedingung (2), wenn (x, y) = (2q − 1, 2r − 1) die Gleichung (3) lost.Beweis. Seien x, y ∈ N>0 mit y2 − 2x2 = −1. Wegen y2 = 2x2 − 1 ist yungerade. Es folgt

y2 ≡ 1 mod 4 und daher 2x2 = y2 + 1 ≡ 2 mod 4.

Also ist auch x ungerade. Schreibe daher x und y in der Form

y = 2q − 1 und x = 2r − 1 mit q, r ∈ N>0.

Aus y2 = 2x2 − 1 folgt (2q − 1)2 = 2(2r − 1)2 − 1, d.h.

q(q − 1) = 2r(r − 1).

Seien umgekehrt q, r ∈ N>0 mit q(q − 1) = 2r(r − 1).

Setze y = 2q − 1 und x = 2r − 1. Dann gilt

y2 − 2x2 = 4q2 − 4q + 1− 8r2 + 8r − 2 = −1.

Damit ist gezeigt:

179

Page 181: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

3.6 Korollar. Genau dann erfullt das Zahlenpaar (q, r) die Bedingung (1),wenn (x, y) = (2q − 1, 2r − 1) die Gleichung Y 2 − 2X2 = −1 lost.

Sei nun wieder K = Q[√

2], R = Z[√

2] und N die Norm von K, d.h.N(y + x

√d) = y2 − 2x2, wenn (x, y) ∈ Q2.

Es gilt also:

(x, y) ∈ N2>0 lost (3) genau dann, wenn N(y + x

√d) = −1.

Insbesondere ist dann y + x√d ∈ R×.

Nach 1.4 gilt R× = {±(1 +√

2)n | n ∈ Z} und

N(1 +√

2) = −1. Es folgt

(4) {y + x√d | (x, y) ∈ N2

>0, N(y + x√d) = −1} = {(1 +

√2)2n+1 | n ∈ N}

3.7 Korollar. Die Menge aller (q, r) ∈ N2>0 mit q ≥ 2 und q(q−1) = 2r(r−1)

erhalt man mit der Formel(qr

)=

(3 42 3

)m(1/21/2

)+

(1/21/2

), m ∈ N>0.

Beweis. Nach 3.5 gilt

{(q, r) ∈ N2>0 | q(q − 1) = 2r(r − 1)} = {(x+ 1

2,y − 1

2) | x, y ∈ H2 ∩ N2

>0}

Nach (4) ist H2 ∩ N2>0 = {(1 +

√2)2m+1 | m ∈ N}.

Nun ist (1 +√

2)2 = 3 + 2√

2 und daher

(1 +√

2)2m+1 = (3 + 2√

2)m(1 +√

2)

3.8 Lemma. Fur u, v, x, y ∈ R gilt:

(yx

)=

(3 42 3

)(vu

)genau dann wenn (3 + 2

√2)(v + u

√2) = y + x

√2

Beweis. Es ist

(3 42 3

)(vu

)=

(3v + 4u2v + 3u

)und

180

Page 182: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

(3+2√

2)(v+u√

2) = (3v+4u)+(2v+3u)√

2. Aus der linearen Unabhangig-keit von 1 und

√2 uber Q folgt die Behauptung.

Aus 3.8 ergibt sich rekursiv

y + x√

2 = (1 +√

2)2m+1 ⇐⇒(yx

)=

(3 42 3

)m(11

)

Zuruck zum Beweis von 3.7.

Wie gesehen durchlauft (q, r) die Paare(x+ 1

2,y − 1

2

)mit y + x

√2 = (1 +

√2)2m+1,m ∈ N≥0, q =

x+ 1

2≥ 2

m = 0 :

(qr

)=

(11

)was nicht zugelassen ist.

m ≥ 1 : Wie gesehen ist

(qr

)= 1

2

(yx

)+

(1/21/2

)= 1

2

(3 42 3

)m(11

)+

(1/21/2

)=

=

(3 42 3

)m(1/21/2

)+

(1/21/2

); offenbar ist dann q ≥ 2

Fur kleine m ergibt sich:

(3 42 3

)(1/21/2

)+

(1/21/2

)=

(43

)also q = 4, r = 3

Probe:

(42

)= 6,

(32

)= 3

(3 42 3

)(7/25/2

)+

(1/21/2

)=

(41/229/2

)+

(1/21/2

)=

(2115

); q = 21, r = 15

Probe:

(212

)= 210,

(152

)= 105

(3 42 3

)(41/229/2

)+

(1/21/2

)=

(12085

); q = 120, r = 85

Probe:

(1202

)= 7140;

(852

)= 3570

181

Page 183: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

§4 Kettenbruche

In Kapitel III, 6.6 haben wir gesehen, daß sich jede reelle Zahl x als Grenzwerteiner Folge (rn) rationaler Zahlen schreiben laßt. Fur Zahlen x > 1 gibt es einekanonische Wahl fur diese Folge, die sogenannte Kettenbruchentwicklungvon x.

An ihr laßt sich ablesen, ob es sich bei x um eine quadratische Irrationalzahlhandelt oder nicht.

Definition. Seien x1, . . . , xn positive reelle Zahlen, n ≥ 1.

Der zu (x1, . . . , xn) gehorige Kettenbruch < x1, . . . , xn > ist rekursiv er-klart als

< x1 >:= x1 (n = 1)< x1, x2 >:= x1 + 1

x2(n = 2)

< x1, x2, x2 >:= x1 + 1<x2,x3>

=< x1, < x2, x3 >> (n = 3)...< x1, . . . , xn >:= x1 + 1

<x2,...,xn>=< x1, < x2, . . . , , xn >> (n ≥ 3)

Beispiel. < 1, 2, 3, 4 >=< 1, < 2, 3, 4 >>= 1 + 1<2,3,4>

=

= 1 +1

< 2, < 3, 4 >>= 1 +

1

2 + 1<3,4>

= 1 +1

2 + 13+ 1

4

= 1 +1

2 + 413

=43

30

4.1 Bemerkung. Fur n ≥ 3 gilt< x1, . . . , xn >=< x1, . . . , xn−2, < xn−1, xn >>.

Beweis. n = 3 :< x1, x2, x3 >=< x1, < x2, x3 >> gilt definitionsgemaß .

Schluß von n− 1 auf n. Sei n ≥ 4 und 4.1 bewiesen fur n− 1:

< x1, . . . , xn >Def.= < x1, < x2, . . . , xn >>

I.V.=< x1, < x2, . . . , xn−2, < xn−1, xn >>>=

Def.= < x1, x2, . . . , xn−2, < xn−1, xn > .

Offenbar gilt fur a1, . . . , an ∈ N>0 :< a1 >= a1 und fur n ≥ 2 ist< a1, . . . , an >= a1 + 1

<a2,...,an>∈ Q (Induktion nach n) und

< a1, . . . , an >> 1.

Es gilt auch umgekehrt

4.2 Satz. Jedes x ∈ Q, x ≥ 1 besitzt eine endliche Kettenbruchentwicklungx =< a1, . . . , an > mit ai ∈ N>0. Eine reelle Zahl x ≥ 1 hat somit genau dann

182

Page 184: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

eine endliche Kettenbruchentwicklung x =< a1, . . . , an > mit a1, . . . , an ∈N>0, wenn x rational ist.

Beweis. 1 =< 1 >, wir konnen also x > 1 annehmen.

Schreibe x in gekurzter Darstellung

x =y0

y1

mit ggT (y0, y1) = 1 und y0, y1 ∈ N>0.

Schließe induktiv nach y1. Fur y1 = 1 ist x ∈ N und x =< x >.

Sei y1 > 1 und 4.2 bewiesen fur alle reellen Zahlen > 1 mit einem Nenner< y1. Dividiere y0 durch y1 mit Rest und erhalte

y0 = a1y1 + y2 mit a1 > 0, 0 < y2 < y1, also

x =y0

y1

= a1 +y2

y1

undy1

y2

> 1

Nach Induktionsvoraussetzung besitzt x2 = y1

y2eine endliche Kettenbruchent-

wicklung x2 =< a2, . . . , an >, i ∈ N>0. Es folgt

x = a1 +y2

y1

= a1 +1

x2

=< a1, x2 >=< a1, < a2, . . . , an >>=< a1, . . . , an > .

Anmerkung zu 4.2. Der euklidische Algorithmus fur das Paar (y0, y1) liefertdie Zahlen a1, . . . , an mit x =< a1, . . . , an >:

y0 = a1y1 + y2 , 0 < y2 < y1

y1 = a2y2 + y3 , 0 < y3 < y2...yn−2 = an−1yn−1 + yn , 0 < yn < yn−1

yn−1 = anyn

wobei ai ∈ N>0, i = 1, . . . , n. Man schließt induktiv:

y0

y1

=< a1, . . . , an >

Konstruktion der Kettenbruchentwicklung einer irrationalen Zahl.

Fur x ∈ R, x ≥ 0 bezeichne bxc den ganzen Anteil von x.

Sei nun x ∈ R\Q, x > 1.

183

Page 185: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

1. Schritt. Setze a1 := bxc und x1 := x.

Nach Voraussetzung ist 0 < x− a1 < 1, d.h.

x2 := 1x−a1

> 1 und x2 6∈ Q, und daher

x = a1 +1

x2

=< a1, x2 > .

Man kann wegen x2 > 1, x2 6∈ Q, das Verfahren mit x2 fortsetzen.

2. Schritt. Setze a2 := bx2c und x3 := 1x2−a2

. Dann ist

x2 = a2 +1

x3

=< a2, x3 > und

x =< a1, x2 >=< a1, < a2, x3 >>=< a1, a2, x3 >, x3 > 1, x3 6∈ Q.

Fahre so fort: Seien a1, . . . , an−1 ∈ Q>0 und x1, . . . , xn ∈ N\Q, xj > 1 schonkonstruiert.

Schritt von n− 1 auf n. Setze an := bxnc und xn+1 := 1xn−an .

Dann ist xn+1 > 1, xn+1 6∈ Q und

(1) xn = an +1

xn+1

=< an, xn+1 > .

Damit sind ai und xi fur alle i ∈ N>0 rekursiv definiert undxi > 1, x1 ∈ R\Q, ai ∈ N>0. Ferner gilt

(2) x =< a1, . . . , an, xn+1 > fur alle n ∈ N>0.

Beweis. (2) gilt nach Schritt 1 fur n = 1.

Schluß von n auf n+ 1 :< a1, . . . , an, an+1, xn+2 >4.2=

< a1, . . . , an, < an+1, xn+2 >>< a1, . . . an, xn+1 >I.V.= x

Definition. Die rationale Zahl rn :=< a1, . . . , an >, n ≥ 1 heißt der n–teNaherungsbruch und xn die n–te Restzahl von x.

Offenbar gilt: < ak, . . . , ak+n−1 > ist der n–te Naherungsbruch von xk undxk+n−1 ist die n–te Restzahl von xk.

4.3 Satz. Die Folge (rn) konvergiert gegen x.

184

Page 186: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

4.4 Lemma. Sei (a1, . . . , an) ∈ Qn>0 beliebig vorgegeben.

Setze rn :=< a1, . . . , an > und definiere rekursiv:

p0 = 1, p1 = a1, pi = aipi−1 + pi−2

q0 = 0, q1 = 1, qi = aiqi−1 + qi−2

}fur 2 ≤ i ≤ n. Dann gilt

(3) rn =pnqn.

Beweis von 4.4. (Induktion nach n.) n ≤ 2:

r1 =< a1 >=p1

q1

;p2

q2

=a2p1 + 1

a2 · 1 + 0= a1 +

1

a2

=< a1, a2 >= r2

Sei n ≥ 3 und 4.4 bewiesen fur n− 1. Insbesondere gilt 4.4 fur das (n− 1)–tupel (a1, . . . , an−2, < an−1, an >>. Es folgt

< a1, . . . , an−2, < an−1, an >> =< an−1, an > pn−2 + pn−3

< an−1, an > qn−2 + qn−3

=

(an−1 + 1an

)pn−2 + pn−3

(an−1 + 1an

)qn−2 + qn−3

=an−1pn−2 + pn−3 + 1

anpn−2

an−1qn−2 + qn−3 + 1anqn−2

=

pn−1 + 1anpn−2

qn−1 + 1anqn−2

=anpn−1 + pn−2

anqn−1 + qn−2

=pnqn

Ferner gilt nach 4.1 < a1, . . . , an >=< a1, . . . , an−2, < an−1, an >>.

Beweis von 4.3. Seien pn und qn wie in 4.4.

Behauptung. Fur alle n ∈ N>0 ist

(4) x =pnxn+1 + pn−1

qnxn+1 + qn−1

Beweis. (Induktion) n = 1:

p1x2 + p0

q1x2 + q0

=a1x2 + 1

x2

= a1 +1

x2

=< a1, x2 >(2)= x

Schluß von n− 1 auf n, n ≥ 2 : xn+1 = 1xn−an , also

pnxn+1 + pn−1 =pn + (xn − an)pn−1

xn − an =anpn−1 + pn−2 + xnpn−1 − anpn−1

xn − an =

=pn−1xn + pn−2

xn − an185

Page 187: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

Analog zeigt man: qnxn+1 + qn−1 = qn−1xn+qn−2

xn−an . Es folgt

pnxn+1 + pn−1

qnxn+1 + qn−1

=pn−1xn + pn−2

qn−1xn + qn−2

I.V.= x

Behauptung. Fur alle n ≥ 1 ist

(5) pn−1qn − qn−1pn = (−1)n−1

Beweis. (Induktion) n = 1 : p0q1 − q0p1 = 1 · 1− 0 · a1 = 1 = (−1)0.

Schluß von n− 1 auf n, n ≥ 2:

pn−1qn − qn−1pn = pn−1(anqn−1 + qn−2)− qn−1(anpn−1 + pn−2) =

= pn−1qn−2 − qn−1pn−2 = (−1)(pn−2qn−1 − qn−2pn−1)I.V.= (−1)n−1

Daraus folgt schließlich

∣∣∣∣x−pnqn

∣∣∣∣(4)=

∣∣∣∣(pnxn+1 + pn−1)qn − (qnxn+1 + qn−1)pn

qn(qnxn+1 + qn−1)

∣∣∣∣ =

∣∣∣∣pn−1qn − qn−1pnqn(qnxn+1 + qn−1)

∣∣∣∣(5)=

1

(qnxn+1 + qn−1)qn<

1

q2n

Wegen qn −→∞ fur n −→∞ ist 1q2n

eine Nullfolge und

limn−→∞

rn = limn→∞

pnqn

= x.

Schreibe fur diese Tatsache auch

x = limn−→∞

< a1, . . . , an > oder x =< a1, a2, a3, . . . > .

186

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§5 Periodische Kettenbruche undquadratische Irrationalzahlen

Wir werden sehen, daß die Kettenbruchentwicklung einer irrationalen Zahlx > 1 genau dann periodisch ist, wenn x eine quadratische Irrationalzahl ist.

Sei also x ∈ R\Q, x > 1 und x = limx→∞

< a1, . . . , an > die Kettenbruchent-

wicklung von x.

Definition. x =< a1, a2, a3, . . . > heißt periodischer Kettenbruch, wennes ein n0 ∈ N>0 und ein k ∈ N>0, gibt, so daß

an = an+k fur alle n ≥ n0.

k heißt Periode von x. Schreibe in diesem Fall

x =< a1, . . . , an0−1, an0 , . . . , an0+k−1 >

Spezialfall. Sei x periodisch mit n0 = 1, also x =< a1, . . . , ak > .

Dann nennt man x auch rein periodisch.

Nach Definition der Restzahlen gilt fur alle l ∈ N>0.

xl =< al, al+1, . . . >, insbesondere fur l = k + 1

xk+1 =< ak+1, ak+2, . . . >=< a1, a2, . . . >= x

Aus §4, (4) ergibt sich also im rein periodischen Fall

x =pkx+ pk−1

qkx+ qk−1

, d.h.

qkx2 + (qk−1 − pk)x− pk−1 = 0

Fazit. Hat x eine rein periodische Kettenbruchentwicklung, so ist x einequadratische Irrationalzahl.

Sei

(6) aX2 − bX − c = 0

die normierte Gleichung von x, d.h.

(7) {a, b, c} ⊆ Z, a > 0 und ggT (a, b, c) = 1

187

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Definitionsgemaß ist D := b2 + 4ac die Diskriminante von x.

Die Losungen von (6) sind dann b2a±√Da

und D > 0.

Es ist also x = u + v√D mit u, v ∈ Q, und die zweite Losung von (6) ist

x′ = u− v√D, die zu x konjugierte quadratische Irrationalzahl.

Allgemeiner Fall. Sei nun x > 1 periodisch, aber nicht rein periodisch:

x =< a1, . . . , an0−1, an0 , . . . , an0+k−1 >, n0 ≥ 2

Dann ist xn0 =< an0 , . . . , an0+k−1 > rein periodisch, also nach dem Spezialfalleine quadratische Irrationalzahl.

Es gilt:

(∗) x = x1, x1 = a1 +1

x2

, . . . , xi−1 = ai−1 +1

xi, . . .

Behauptung. Die Zahl x ist ebenfalls eine quadratische Irrationalzahl undsie hat die gleiche Diskriminante wie xn0 .

Wegen (∗) folgt dies sofort aus

5.1 Lemma. Sei y = α + 1x

mit α ∈ Z und x ∈ R\{0}.

a) Genau dann ist x eine quadratische Irrationalzahl, wenn dies fur yzutrifft.

b) Ist x eine quadratische Irrationalzahl und x′ konjugiert zu x, so ist auchα + 1

x′ konjugiert zu α + 1x.

c) Ist x eine quadratische Irrationalzahl, so haben x und y die gleicheDiskriminante.

Beweis. Sei (a, b, c) wie in (7). Es gilt

az2 − bz − c = 0⇐⇒ c(1

z)2 + b(

1

z)− a = 0

Damit ist a) und b) im Fall α = 0 gezeigt. Ferner ist

D(1

x) = (−b)2 + 4ca = b2 + 4ca = b2 + 4ac = D(x).

Es ist also noch zu zeigen: Ist x eine quadratische Irrationalzahl, so gilt:

188

Page 190: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

i) x+ α ist eine quadratische Irrationalzahl.

ii) Ist x′ konjugiert zu x, so ist x′ + α konjugiert zu x+ α.

iii) D(x) = D(x+ α)

i) und ii) wurden bereits im §1 gezeigt.

Sei (6) die normierte Gleichung von x.

Dann ist x+ α eine Nullstelle des Polynoms.

a(X − α)2 − b(X − α)− c = aX2 − (b+ 2aα)X − (c− bα− aα2)

Es ist ggT (a, b+ 2aα, c− bα− aα2) = ggT (a, b, c) = 1, also

D(x+ α) = (b+ 2aα)2 + 4a(c− bα− aα2) = b2 + 4ac = D(x).

Damit gilt auch iii).

Fazit. Hat x ∈ R, x > 1 eine periodische Kettenbruchentwicklung, so ist xeine quadratische Irrationalzahl.

Davon gilt auch die Umkehrung, man hat also

5.2 Satz. (Euler, Lagrange) Sei x ∈ R\Q, x > 1. Genau dann hat x eineperiodische Kettenbruchentwicklung, wenn x eine quadratische Irrationalzahlist.

Beweis. Sei x > 1 eine quadratische Irrationalzahl. Wir werden zeigen, daßx ein periodischer Kettenbruch ist. Dazu sind einige Vorbereitungen notig.

Definition. x heißt reduziert, falls fur die zu x konjugierte Zahl x′ gilt:0 > x′ > −1.

5.3 Lemma. Sei D > 0 eine ganze Zahl, die kein Quadrat ist. Dann gibt esnur endlich viele reduzierte quadratische Irrationalzahlen mit DiskriminanteD.

Beweis. Sei x > 1 eine quadratische Irrationalzahl mit Diskriminante D und

normierter Gleichung (6). Da x > 1 ist und 0 > x′ > −1, muß x = b2a

+√D

2a

und x′ = b2a−√D

2asein.

Es folgt 0 < −x′ = −b+√D2a

< 1, also

b

a= x+ x′ > 1− 1 = 0, also b > 0 und b <

√D wegen x′ < 0.

189

Page 191: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

Es folgt 0 < b <√D.

Damit kann b bei vorgegebenem D nur endlich viele verschiedene ganzzahligeWerte annehmen. Wegen −x′ < 1 < x gilt

−b+√D

2< a <

b+√D

2

Also gibt es bei vorgegebenen b und D auch fur a nur endlich viele Moglich-keiten.

Schließlich ist c = D−b24a

durch die Vorgabe von a, b und D schon festgelegt.Insgesamt haben wir gesehen:

Ist D vorgegeben, so gibt es fur a, b und c in einer normierten Gleichung (6)nur endlich viele Moglichkeiten, wenn ihre Losung x > 1 eine reduziertequadratische Irrationalzahl werden soll.

Eigentlicher Beweis von 5.2. Sei x > 1 eine quadratische Irrationalzahlund x =< a1, a2, . . . > ihre Kettenbruchentwicklung.

Fur ihre Restzahlen gilt: x = x1 und xn = an + 1xn+1

. Nach 3.5 ist mit x auchxn eine quadratische Irrationalzahl, und zwar mit der gleichen Diskriminantewie x. Ferner besteht zwischen den Konjugierten x′n und x′n+1 ebenfalls dieBeziehung

x′n = an +1

x′n+1

und damit auch

x′n+1 =1

x′n − anfur alle n ∈ N>0

Behauptung. Fur alle n ≥ 2 gilt

(8) −x′n =qn−2x

′ − pn−2

qn−1x′ − pn−1

Beweis. (Induktion.) x = x1 =⇒ x′ = x′1 =⇒ x′2 = 1x′−a1

= q0x′−p0

p1−q1x′

Schluß von n auf n+ 1, n ≥ 2 :

x′n+1 =1

x′n − anI.V.=

1qn−2x′−pn−2−anpn−1+anqn−1x′

−qn−1x′+pn−1

=

190

Page 192: ELEMENTE DER ZAHLENTHEORIE UND AUFBAU … · elemente der zahlentheorie und aufbau des zahlensystems von rolf waldi

=−qn−1x

′ + pn−1

qnx′ − pn = −qn−1x′ − pn−1

qnx′ − pnAus (8) ergibt sich nun

− 1

x′n=

qn−1x′ − pn−1

qn−2x′ − pn−2

=qn−1qn−2x

′ − pn−1qn−2

qn−2x′ − pn−2

· 1

qn−2

=

(5)=

(qn−1qn−2x′ − qn−1pn−2)− (−1)n−1

qn−2x′ − pn−2

· 1

qn−2

=1

qn−2

(qn−1 − (−1)n−1

qn−2(x′ − pn−2

qn−2)

)

Nach 4.3 ist limn→∞

pn−2

qn−2= x und es ist x 6= x′ wegen D 6= 0.

Ferner ist qn−1 − qn−2 ≥ qn−3 ≥ 1 fur n ≥ 4.

Fur große n gilt also

− 1

x′n− 1 =

1

qn−2

(qn−1 − qn−2 − (−1)n−2

(x′ − pn−2

qn−2)qn−2

)> 0

denn dann ist qn−2 > 0, qn−1 − qn−2 ≥ 1 und (−1)n−1

(x′− pn−2qn−2

)qn−2ist eine Nullfolge.

Somit ist − 1x′n> 1 fur große n, d.h. −1 < x′n < 0.

M. a. W.: Fur große n ist xn eine reduzierte quadratische Irrationalzahl mitDiskriminante D.

Da es davon nach 5.3 aber nur endlich viele gibt, gibt es positive ganze Zahleni0 und l mit xi0 = xi0+l. Es folgt

< ai0 , ai0+1, . . . >= xi0 = xi0+l =< ai0+l, ai0+l+1, . . . >

Fur alle i ≥ i0 ist also ai = ai+l, d.h.: Die Zahl

x =< a1, . . . , ai0 , ai0 , . . . , ai0+l−1 >

ist ein periodischer Kettenbruch.

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