elena Ferrante - · PDF fileFranz Haas, 1. April 2016, NZZ Wer stecKt hinter elena ferrante und ihren Brillanten romanen? Italien rätselt über ein literarisches Pseudonym

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  • Meine genialeFreundin

    elena Ferrante

    RomanSuhRkamp

  • Brief an die Verlegerin zum erscheinen des ersten romans

    Liebe Sandra,

    neulich bei unserem

    Treffen mit Dir und D

    einem Mann Sandro ha

    st Du mich gefragt,

    was ich dazu beitrag

    en wrde, um den Ver

    kauf meines Buches z

    u untersttzen. Du

    hast diese Frage iro

    nisch gestellt, mit e

    inem amsierten Gesi

    chtsausdruck. Ich hat

    -

    te in dem Moment nic

    ht den Mut, Dir zu a

    ntworten: Eigentlich

    dachte ich, ich htt

    e

    es Sandro schon vers

    tndlich gemacht; er

    sagte jedenfalls, d

    ass er mit meiner En

    t-

    scheidung komplett e

    inverstanden sei, un

    d ich hatte gehofft,

    dass wir auf dieses

    Thema nicht mehr zur

    ckkommen wrden, au

    ch nicht im Scherz.

    Meine Antwort erhlt

    st

    Du jetzt in schriftl

    icher Form, da entst

    eht kein Raum fr Un

    klarheiten.

    Ich werde nichts tun

    , was mein persnlic

    hes Auftreten in der

    ffentlichkeit ver-

    langt. Ich habe scho

    n genug fr diese la

    nge Geschichte getan

    : Ich habe sie ge-

    schrieben. Und wenn

    sie gut ist, sollte d

    as reichen. Ich werd

    e an keinen Diskus-

    sionsrunden oder Kon

    ferenzen teilnehmen,

    sollte man mich ein

    laden. Ich werde kei

    ne

    Preise entgegennehme

    n, sollten sie mir zu

    gesprochen werden. I

    ch werde nie Werbung

    fr das Buch machen,

    besonders nicht im

    Fernsehen, weder in

    Italien noch im Aus-

    land. Ich werde Inte

    rviews nur schriftli

    ch geben, und es wr

    e mir lieb, auch das

    auf das absolute Min

    imum zu beschrnken.

    Da bin ich mir und

    meiner Familie vollk

    om-

    men verpflichtet. Ich

    hoffe, dass kein Druc

    k auf mich ausgebt

    wird, damit ich mein

    e

    Meinung ndere. Ich v

    erstehe, dass sich d

    araus gewisse Schwie

    rigkeiten fr den Ver

    -

    lag ergeben. Meine B

    ewunderung fr Eure

    Arbeit ist gro, ich

    mochte Euch beide a

    uf

    Anhieb, und ich will

    ja auch keine Probl

    eme verursachen. Wen

    n Ihr mich nicht ln

    ger

    untersttzen wollt, s

    agt es mir jetzt glei

    ch.

    Die Grnde fr meine

    Entscheidung zu erk

    lren, fllt mir sch

    wer, wie Du weit. Ic

    h

    will Dir nur sagen,

    dass es so etwas wie

    eine kleine Wette i

    st, die ich mit mir u

    nd

    meinen berzeugungen

    eingegangen bin. Ich

    glaube, dass Bcher

    , wenn sie einmal ge

    -

    schrieben sind, ihre

    Autoren nicht mehr

    brauchen. Wenn sie e

    twas zu sagen haben,

    werden sie frher od

    er spter Leser finde

    n, und wenn nicht, d

    ann nicht. Dafr gib

    t

    es zahlreiche Beispi

    ele. Und ich liebe di

    ese geheimnisvollen

    Bcher, die zur selb

    en

    Zeit alt und modern e

    rscheinen, die keine

    n Verfasser haben, d

    afr ein heftiges Ei-

    genleben. Diese Bch

    er kommen mir wie ei

    n nchtliches Wunder

    vor, wie die Geschen

    -

    ke der Hexe Befana,

    auf die ich als Kind

    gewartet habe. Gewa

    ltig aufgeregt ging i

    ch

    ins Bett und am nch

    sten Morgen wachte i

    ch auf und die Gesch

    enke waren da, ohne

    dass irgendwer die B

    efana gesehen hatte.

    Die wirklichen Wunder

    sind die, deren Ur-

    heber nie bekannt se

    in werden; seien es

    die winzigen der Gei

    ster von zu Hause od

    er

    die mchtigen, die u

    ns alle erstaunt zur

    cklassen. Ich habe

    noch immer dieses ki

    nd-

    liche Verlangen nach

    Wundern, ob es nun g

    roe oder kleine sin

    d, ich glaube noch im

    -

    mer an sie.

    Und ist es nicht so,

    dass Werbekampagnen

    teuer sind? Ich werd

    e Euch von allen Aut

    o-

    ren am wenigsten kos

    ten, ich spare euch

    sogar meine Anwesenh

    eit.

    Herzlich, Elena

    21. September 1991

  • Sie knnten unterschiedlicher kaum sein und sind doch unzertrenn-lich, lila und elena, schon als junge Mdchen beste Freundinnen. und sie werden es ihr ganzes leben lang bleiben, ber sechs Jahr-zehnte hinweg, bis die eine spurlos verschwindet und die andere auf alles gemeinsame zurckblickt, um hinter das rtsel dieses Verschwindens zu kommen.im neapel der fnfziger Jahre wachsen sie auf, in einem armen, ber-bordenden, volkstmlichen Viertel, derbes Fluchen auf den Straen, Familien, die sich seit generationen befehden, das Silvesterfeuerwerk ar-tet in eine Schieerei aus. Hier gehen sie in die Schule, die unangepasste, draufgngerische Schustertochter lila und die schchterne, beflissene elena, tochter eines Pfrtners, beide darum wetteifernd, besser zu sein als die andere. Bis lilas Vater seine brillante tochter zwingt, dauerhaft in der Schusterei mitzuarbeiten, und elena mit dem bohrenden Verdacht zurckbleibt, eine gelegenheit zu nutzen, die eigentlich ihrer Freundin zugestanden htte. ihre Wege trennen sich, die eine geht fort und studiert und wird Schrift-stellerin, die andere wird neapel nie verlassen, und trotzdem bleiben elena und lila sich nahe, sie begleiten einander durch erste liebesaff-ren, ehen, die erfahrung von Mutterschaft, durch Jahre der arbeit und episoden politischer Bewusstwerdung, zwei eigensinnige, unnachgiebige Frauen, die sich nicht zuletzt gegen die Zumutungen einer brutalen, von Mnnern beherrschten Welt behaupten mssen.Sie bleiben einander nahe, aber es ist stets eine zwiespltige nhe: aus Befremden und Zuneigung, aus rivalitt und innigkeit, aus Missgunst und etwas, das grer und stiller ist als lieben. liegt hier das geheimnis von lilas Verschwinden?

    elena ferrante hat ein literarisches meisterwerk von unermesslicher strahlkraft geschrieben, ein von hinreienden figuren bevlkertes sittengemlde und ein zupackend aufrichtiges epos ber die retten-de und zerstrerische, die weltverndernde Kraft einer freundschaft, die ein ganzes langes leben whrt.

    das Beste Portrt einer frauenfreundschaft, das einem in der literatur jemals Begegnet ist. The Guardian

    Band 1meine geniale freundin

    auch als eBook erhltlich

    Band 2 die geschichte eines

    neuen namenserscheint im Januar 2017

    Band 3die geschichte der getrennten Wege

    erscheint im Juni 2017

    Band 4die geschichte des Verlorenen Kindes erscheint im Oktober 2017

    aus dem italienischen Von Karin Krieger

  • Franz Haas, 1. April 2016, NZZ

    Wer stecKt hinter elena ferrante und ihren Brillanten romanen?Italien rtselt ber ein literarisches Pseudonym

    Sieben Romane mit internationalem Erfolg

    wer hat sie geschrieben? Manches Weltblatt

    rtselt. Nur in Deutschland sind die Bcher

    bislang nicht erhltlich.

    ihre ersten drei romane erschienen noch in ab-stnden von mehreren Jahren, und die deut-schen bersetzungen, die mittlerweile lngst vergriffen sind, liessen damals nicht lange auf sich warten. elena Ferrante, so hiess es, sei eine nea-politanische autorin, die ffentlichkeitsscheu auf einer gischen insel lebe. Bald war klar, dass es keine Person dieses namens gab, und das rtseln um das Pseudonym wurde regelmssig zum ritu-al. Man munkelte viel ber bekannte autoren und literaturkritiker, eine bersetzerin und vor allem ber die Schriftstellerin Fabrizia ramondino, doch nachdem diese 2008 gestorben war, ging der Fer-rante-Boom erst so richtig los. Jahr fr Jahr erschie-nen ab 2011 die romane der tetralogie lamica ge-niale, samt bersetzungen in viele Sprachen, aber das Mysterium um ihre identitt blieb.

    Zwischen Pisa und Neapel

    als krzlich diese 1700-Seiten-Saga um zwei nea-politanische Freundinnen von der nachkriegszeit bis in die gegenwart fr den Man Booker Prize 2016 nominiert wurde, schwoll das rumoren um das geheimnis besonders an, mit Widerhall in der massgeblichen englischen und amerikanischen Presse. Mitte Mrz erschien dann in der Sonntags-beilage des Corriere della Sera, vorangekndigt mit viel publizistischem trommelwirbel, ein drei-Seiten-artikel mit dem ebenso langen, riesigen ti-tel elena Ferrante (...) Marcella Marmo (der lei-der nicht online steht). der autor dieses Coups ist Marco Santagata, ein Schriftsteller und bekannter literaturprofessor der universitt Pisa. doch die von ihm indizierte, ziemlich unbekannte Marcella Marmo, eine knapp vor der Pensionierung stehen-de Professorin fr Zeitgeschichte an der universitt neapel, dementierte umgehend, standhaft und mit geduldigem lcheln.Sie knne unmglich solche romane schreiben, sagte die tagelang von den Medien belagerte Pro-fessorin, denn Phantasie habe sie nur beim Kochen. dann ging das grosse Pro-und-Contra-Spiel in den italienischen Feuilletons los, international flankiert vom guardian und von der Financial times. unwirsch reagierte nur der rmer Kleinverleger der edizioni e/o, der mit seiner geheimnisvollen

    autorin gutes geld macht. Zustzliche Verwirrung stiftete auf der Facebook-Seite des literaturprofes-sors ein Kommentar von arianna Sacerdoti, der tochter von Frau Professor Marmo, die in launi-ger anspielung auf Madame Bovary behauptete: elena Ferrante, das bin ich! diese junge dozentin fr klassische Philologie hat unter anderem zwar ein Kinderbuch geschrieben, aber zu der Zeit, als der erste roman von elena Ferrante erschien, war sie erst dreizehn Jahre alt. ihr beherzt scherzhafter Versuch, der Mutter den rcken zu decken, ber-zeugt also nicht recht.tatschlich spricht sehr viel fr die These des dan-te-Spezialisten Marco Santagata. er untersuchte mit philologischer akribie den romanzyklus lamica geniale, vor