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Kurzmitteilung Emissionen von Automobillackieranlagen – Ökobilanzielle Betrachtung der thermischen Nachverbrennung im Unterbodenschutz Cynthie Gadiel 1 , Roman Meininghaus 1, *, Maja Quoll 1 und Evangelos Tsotsas 2 DOI: 10.1002/cite.201200084 Die in der Automobillackierung bei der Applikation des Unterbodenschutzes entstehende lösemittelhaltige Abluft wird meist mit erdgasbetriebenen thermischen Nachverbrennungsanlagen gereinigt. Anhand einer ökobilanziellen Betrach- tung wird die Frage erörtert, ob die Reduzierung der Lösemittelemissionen durch Erdgas-Verbrennung zu einer Verlage- rung der Umweltauswirkungen führt. Anhand von Beispielen wird gezeigt, dass dies nicht der Fall ist, sondern die Redu- zierung der Lösemittelemissionen ein positiver Nebeneffekt der für den Lackierprozess sowieso notwendigen Wärme- erzeugung ist. Die Methodik der Ökobilanzierung ist auf Teile einer Automobillackierung anwendbar. Schlagwörter: Abluftreinigung, Lackiererei, Ökobilanzierung, Thermische Nachverbrennung, Unterbodenschutz-Trockner Eingegangen: 25. Mai 2012; revidiert: 26. Februar 2013; akzeptiert: 07. Juni 2013 Emissions of Vehicle Paint Shops – Life Cycle Considerations of Thermal Afterburning in the Underbody Sealant Application of underbody sealants is a part of the vehicle painting process. The air of this process contains solvents, which are typically eliminated using thermal afterburner treatment. Based on life cycle considerations, the present study deals with the question whether the reduction of solvent emissions by burning of natural gas is reasonable from an environmen- tal point of view. Based on some examples, the study demonstrates that environmental impacts are not shifted from reduced solvent emission towards increased CO 2 emissions; rather, the reduction of solvent emissions is a welcome side effect when generating heat which is needed in the painting process anyway. The method of life cycle consideration is applicable on parts of the vehicle painting process. Keywords: Exhaust air purification, Life cycle analysis, Paint shop, Thermal afterburner, Underbody sealant dryer 1 Einleitung Bei der Pkw-Produktion sind Lackierereien relevante Emis- sionsquellen für flüchtige organische Verbindungen (engl. volatile organic compounds, VOC). Zudem spielen auf- grund der energieintensiven Prozesse u. a. auch CO 2 -Emis- sionen eine wichtige Rolle. Aus der bestehenden Gesetzes- lage ergeben sich zahlreiche Anforderungen bezüglich der Luftreinhaltung. Falls primäre Maßnahmen wie eine um- weltschonende Produktherstellung nicht ausreichen, muss auf sekundäre Maßnahmen zurückgegriffen werden. Bei diesem additiven Umweltschutz werden bei der Produkther- stellung entstandene Schadstoffe durch zusätzliche Maß- nahmen beseitigt. Als Standardverfahren hat sich in der Automobillackie- rung die thermische Nachverbrennung (TNV) etabliert. Bei diesem Verfahren werden VOC mit Erdgas unter kontrol- lierten Bedingungen effizient verbrannt. Allerdings entste- hen auch neue Emissionen, insbesondere typische Verbren- nungsprodukte wie CO 2 , CO und NO x . Prinzipiell besteht die Möglichkeit, die in der TNV entstehende Abwärme im Lackierprozess weiter zu nutzen. Im Folgenden wird die Frage erörtert, ob durch den Ein- satz von TNV eine Verschiebung von Umweltauswirkungen stattfindet, d. h. ob eine Verringerung der VOC-Emissionen www.cit-journal.com © 2013 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chemie Ingenieur Technik 2013, 85 No. 10, 1632–1637 1 Cynthie Gadiel, Dr. Roman Meininghaus (roman.meininghaus@ volkswagen.de), Maja Quoll, Volkswagen AG, Postfach 1897, 38436 Wolfsburg, Deutschland; 2 Prof.Dr.-Ing. Evangelos Tsotsas, Otto- von-Guericke Universität Magdeburg, Lehrstuhl für Thermische Verfahrenstechnik, Universitätsplatz 2, 39106 Magdeburg, Deutsch- land. 1632 R. Meininghaus et al.

Emissionen von Automobillackieranlagen - Ökobilanzielle Betrachtung der thermischen Nachverbrennung im Unterbodenschutz

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Kurzmitteilung

Emissionen von Automobillackieranlagen –Ökobilanzielle Betrachtung der thermischenNachverbrennung im UnterbodenschutzCynthie Gadiel1, Roman Meininghaus1,*, Maja Quoll1 und Evangelos Tsotsas2

DOI: 10.1002/cite.201200084

Die in der Automobillackierung bei der Applikation des Unterbodenschutzes entstehende lösemittelhaltige Abluft wird

meist mit erdgasbetriebenen thermischen Nachverbrennungsanlagen gereinigt. Anhand einer ökobilanziellen Betrach-

tung wird die Frage erörtert, ob die Reduzierung der Lösemittelemissionen durch Erdgas-Verbrennung zu einer Verlage-

rung der Umweltauswirkungen führt. Anhand von Beispielen wird gezeigt, dass dies nicht der Fall ist, sondern die Redu-

zierung der Lösemittelemissionen ein positiver Nebeneffekt der für den Lackierprozess sowieso notwendigen Wärme-

erzeugung ist. Die Methodik der Ökobilanzierung ist auf Teile einer Automobillackierung anwendbar.

Schlagwörter: Abluftreinigung, Lackiererei, Ökobilanzierung, Thermische Nachverbrennung, Unterbodenschutz-Trockner

Eingegangen: 25. Mai 2012; revidiert: 26. Februar 2013; akzeptiert: 07. Juni 2013

Emissions of Vehicle Paint Shops – Life Cycle Considerations of Thermal Afterburning in theUnderbody Sealant

Application of underbody sealants is a part of the vehicle painting process. The air of this process contains solvents, which

are typically eliminated using thermal afterburner treatment. Based on life cycle considerations, the present study deals

with the question whether the reduction of solvent emissions by burning of natural gas is reasonable from an environmen-

tal point of view. Based on some examples, the study demonstrates that environmental impacts are not shifted from

reduced solvent emission towards increased CO2 emissions; rather, the reduction of solvent emissions is a welcome side

effect when generating heat which is needed in the painting process anyway. The method of life cycle consideration is

applicable on parts of the vehicle painting process.

Keywords: Exhaust air purification, Life cycle analysis, Paint shop, Thermal afterburner, Underbody sealant dryer

1 Einleitung

Bei der Pkw-Produktion sind Lackierereien relevante Emis-sionsquellen für flüchtige organische Verbindungen (engl.volatile organic compounds, VOC). Zudem spielen auf-grund der energieintensiven Prozesse u. a. auch CO2-Emis-sionen eine wichtige Rolle. Aus der bestehenden Gesetzes-lage ergeben sich zahlreiche Anforderungen bezüglich derLuftreinhaltung. Falls primäre Maßnahmen wie eine um-

weltschonende Produktherstellung nicht ausreichen, mussauf sekundäre Maßnahmen zurückgegriffen werden. Beidiesem additiven Umweltschutz werden bei der Produkther-stellung entstandene Schadstoffe durch zusätzliche Maß-nahmen beseitigt.

Als Standardverfahren hat sich in der Automobillackie-rung die thermische Nachverbrennung (TNV) etabliert. Beidiesem Verfahren werden VOC mit Erdgas unter kontrol-lierten Bedingungen effizient verbrannt. Allerdings entste-hen auch neue Emissionen, insbesondere typische Verbren-nungsprodukte wie CO2, CO und NOx. Prinzipiell bestehtdie Möglichkeit, die in der TNV entstehende Abwärme imLackierprozess weiter zu nutzen.

Im Folgenden wird die Frage erörtert, ob durch den Ein-satz von TNV eine Verschiebung von Umweltauswirkungenstattfindet, d. h. ob eine Verringerung der VOC-Emissionen

www.cit-journal.com © 2013 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chemie Ingenieur Technik 2013, 85 No. 10, 1632–1637

–1Cynthie Gadiel, Dr. Roman Meininghaus ([email protected]), Maja Quoll, Volkswagen AG, Postfach 1897, 38436Wolfsburg, Deutschland; 2Prof. Dr.-Ing. Evangelos Tsotsas, Otto-von-Guericke Universität Magdeburg, Lehrstuhl für ThermischeVerfahrenstechnik, Universitätsplatz 2, 39106 Magdeburg, Deutsch-land.

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zu Lasten von Mehremissionen anderer Stoffe (insbesonde-re CO2) geht. Zur Beantwortung dieser Frage wird eine öko-bilanzielle Betrachtung an drei Beispiel-Teilanlagen durch-geführt. Eine Ökobilanz erlaubt die Abbildung allerrelevanten Stoff- und Energieströme und die Betrachtungund Bewertung der Umweltauswirkungen. Ausgangspunktder Betrachtungen ist die Trocknung von Abdicht-Materia-lien im Unterbodenschutzbereich (UBS) im sogenanntenUBS-Trockner. Dabei werden die TNV, die TNV mitnachgeschaltetem Katalysator (TNV mit KAT) und dieNichtbehandlung der Abgase miteinander verglichen. DieDurchführung der Analyse wird an die Anforderungen derDIN EN ISO 14040/14044 angelehnt [1, 2].

2 Betrachtete Anlagen

2.1 Allgemein

Im Unterbodenschutzbereich wird auf die Karosserieunter-seiten Unterbodenschutzmittel mittels Spritzpistolen aufge-tragen. Anschließend durchlaufen die Karosserien einenTrockner, in dem die Materialien aushärten. Die Abluft ent-hält neben Wasserdampf auch organische Lösungsmittelaus dem getrockneten Abdicht-Material. [3] Es werden dreiunterschiedlich ausgestattete Anlagen mit gleicher Funk-tion betrachtet, die so oder in ähnlicher Weise in Automobil-lackierereien eingesetzt werden.

2.2 Anlage 1: Thermische Nachverbrennung

Bei dem betrachteten UBS-Trockner wird der lösemittelhal-tige Abluftvolumenstrom einer thermischen Abluftreini-gungsanlage zugeführt. Bevor die Abluft zur Oxidation derorganischen Verbindungen in die Brennkammer (1003 K,730 °C) gelangt, wird sie in einem integrierten Abluftreku-perator vorgewärmt. Als Brennstoff wird Erdgas eingesetzt.

Ehe der Reingasstrom in die Abhitzestrecke geleitet wird,wird er zunächst im Abluftrekuperator abgekühlt. In derAbhitzestrecke durchläuft der Reingasstrom Umluftrekupe-ratoren zur Beheizung der Aufheiz- und der Haltezone. ImFrischluftrekuperator erfolgt die Restausnutzung des Rein-gasenthalpiestroms. In ihm wird die Umgebungsluft fürdie Ein- und Austrittszone des Trockners vorgewärmt. DasReingas gelangt über den Kamin ins Freie.

Bei der Behandlung der Abgase kommen der TNV zweiAufgaben zu. Zum einen wird durch die Verbrennung vonErdgas der Wärmebedarf der UBS-Trockner gedeckt, zumanderen werden die durch Trocken- und Aushärtevorgängeverdunstenden Lösemittel und Spaltprodukte thermisch oxi-diert. Folglich muss kontinuierlich Erdgas zugefeuert wer-den. Neben Erdgas wird auch noch elektrische Energie zumBetrieb der Ventilatoren des Trockners und Druckluft zurKühlung der Flammenüberwachung benötigt. Beim Betriebder Anlage resultieren die Emissionen aus der Verbrennung

des Erdgases und der Lösemittel sowie aus den nicht umge-setzten Restemissionen der Lösemittel.

2.3 Anlage 2: TNV mit Katalysatoren

Das hier betrachtete System gehört zu einer Reihe von Anla-gen, die kürzlich im Reingasstrang mit nachgeschaltetenKatalysatoren ausgestattet wurden [4]. In diesem Fall han-delt es sich um seit längerem in Betrieb befindlichen TNVs,die mit 2-stufigen Oxidationskatalysatoren mit vorgeschalte-ter Sorptionsstufe nachgerüstet wurden. In diesem Zusam-menhang konnte die Brennkammertemperatur auf 753 K(480 °C) gesenkt und somit auch der Erdgasverbrauch ver-ringert werden. Bei der zusätzlichen Abreinigung mittelsKatalysatoren werden die Katalysatormetalle in die ökobilan-zielle Betrachtung einbezogen.

2.4 Anlage 3: UBS-Trockner ohne TNV

Es wurde eine neue, noch in der Anlaufphase befindlicheAnlage betrachtet, die ohne TNV betrieben wird. Bei diesemSystem werden die Abgase unbehandelt an die Atmosphäreabgegeben. Es fehlt die Möglichkeit der Abwärmenutzung.Diese muss durch eine direkte Beheizung des Trocknersüber Brenner ersetzt werden. Folglich müssen die Heiz-zone, die Haltezone und der Frischluftwärmeüberträgerdirekt mittels Erdgas beheizt werden.

Die Emissionen resultieren aus der Verbrennung des Erd-gases und aus der Trocknung der Abdicht-Materialien. Beider hier eingesetzten neuen Brennertechnologie wird keineDruckluft mehr zur Flammenüberwachung benötigt. Dieelektrische Energie dient zum Betrieb der Ventilatoren.

3 Aufbau Ökobilanz nach DIN EN ISO 14040

Bei einer Ökobilanz handelt es sich um eine internationalanerkannte Methode des Umweltmanagements, mit dersich die Ziele der Umweltpolitik erreichen lassen. DieLebenszyklusanalyse (Life Cycle Assessment) betrachtet da-bei den gesamten Lebensweg eines Produkts/Prozesses,d. h. von der Rohstoffgewinnung über die Herstellung undNutzung bis zur Verwertung und Entsorgung [5]. Sie strebtan, eine umfassende Darstellung der benötigten Rohstoff-mengen, des Energieaufwands und der jeweiligen Abfall-mengen durchzuführen, um die Umweltbelastung einesProdukts/Prozesses zu erfassen. Laut DIN EN ISO 14040/14044 [1, 2] gliedert sich das Anfertigen einer Ökobilanz indie in Abb. 1 gezeigten Phasen.

Mithilfe der Wirkungsabschätzung können die potenziellentstehenden Umweltwirkungen quantifiziert werden. Da-zu dient eine Verknüpfung der Umweltwirkungen mitUmweltwirkungskategorien. Im Hinblick auf das Unter-suchungsziel wird die CML-Methode des in Leiden, Nieder-

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Abluftreinigung 1633

lande, ansässigen Centrum voor Milieukunde einge-setzt [6]. Diese Methode stellt geeignete Wirkungs-kategorien und Charakterisierungsfaktoren zur Ver-fügung.

Die durchgeführte Untersuchung orientiert sichan den in Abb. 1 aufgezeigten und festgelegten Ar-beitsschritten. Es werden alle wesentlichen Betriebs-mittel und Prozesse abgebildet, die für die Zielset-zung dieser Studie relevant sind.

4 Ökobilanzielle Betrachtung

4.1 Ziel der Studie

Das Ziel dieser ökobilanziellen Betrachtung isteine Gegenüberstellung der Umweltprofile der inAbschn. 2 beschriebenen Systeme. Anhand derökobilanziellen Betrachtung der Abgasnachberei-tungsanlagen soll die Frage erörtert werden, ob dieaufwendige Behandlung der Abluft aus gesamt-ökologischer Sicht sinnvoll ist [7].

4.2 Untersuchungsrahmen

Bei den betrachteten Systemen werden nur die Emissionenund Verbräuche berücksichtigt, die ursächlich auf die TNVbzw. den Trockner zurückzuführen sind. Bei einer gesam-ten Lebenszyklusanalyse müsste auch die Herstellung undEntsorgung der jeweiligen Anlage berücksichtigt werden,da es sich um große Anlagen mit hohem Materialaufwandhandelt. In dieser Studie wird nur der Betrieb der jeweiligenTNV betrachtet, da die Herstellung-, Nutzungs- und Entsor-gungsphase der TNVs bei allen drei Anlagen identisch ist.

Die Herstellung und die Verwertung/Entsorgung der An-lage werden vernachlässigt. Abweichend von der DIN ENISO 14040 bzw. 14044 schließt diese Systemgrenze folglichnur die Nutzungsphase der Anlage ein. Nicht zum Unter-suchungsrahmen gehören Wartung und Instandhal-tung der Anlagen, da keine entsprechenden Datenzur Verfügung stehen.

Die Ergebnisse der Sachbilanz werden auf dieAnzahl der Karosserien (Kar), die in einer Stundegetrocknet werden, bezogen.

4.3 Sachbilanz

Ein weiterer Schritt in der Ökobilanzierung ist dieZusammenstellung und Quantifizierung aller In-und Outputs in der Sachbilanz. Bei den Inputswerden neben Erdgas auch Druckluft und elektri-sche Energie betrachtet. Auf Seiten des Outputs tre-ten ausschließlich Emissionen in die Luft auf. EineAuflistung aller relevanten Material- und Energie-inputs ist in Tab. 1 enthalten.

Bei den Anlagen 1 und 2 wurden die Emissionen und Ab-gasvolumenströme durch Messungen ermittelt. Bei der An-lage 3 standen keine Emissionsmesswerte zur Verfügung.Daher wird in der weiteren Betrachtung mit dem Mittelwertder VOC-Rohgaswerte der beiden anderen Systeme gerech-net, während die CO- und NOx-Emissionen in der weiterenBetrachtung nicht berücksichtigt werden. Die aufgezeigtenVOC-Rohgaswerte der Anlagen 1 und 2 dienen in der vorlie-genden Arbeit lediglich der Berechnung der Abscheidegra-de. Für die ökobilanzielle Betrachtung wurden die für dieUmweltauswirkung relevanten Reingasströme herangezo-gen. Die CO2-Emissionen wurden bei allen drei Systemenaus dem Erdgasverbrauch berechnet.

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Abbildung 1. Aufbau und Inhalt einer Ökobilanz nach DIN EN ISO 14040/14044.

Tabelle 1. Zusammenfassung der Sachbilanzdaten.

Input/Output Einheit Anlage 1 Anlage 2 Anlage 3

Elektrische Energie kW/Kar 100,8 100,8 104,4

Erdgasvolumenstrom Nm3/Kar 2,15 1,63 3,39

Druckluftvolumenstrom Nm3/Kar 0,28 0,27 –

Abgasvolumenstrom Nm3/Kar 167,94 188,34 403,2

CO-Emissionen mg/Kar 9236,86 301,35 k. MW*

NOx-Emissionen mg/Kar 8229,2 6026,97 k. MW*

VOC-Emissionen (Reingas) mg/Kar 554,21 753,37 –

VOC-Emissionen (Rohgas) g/Kar 13,02 47,31 68,12

CO2-Emissionen kg/Kar 4,95 3,22 6,71

* k. MW: kein Messwert

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Bei der Untersuchung des Roh- undReingases wurden Alkane, Alkanisomereund Glykole als organische Haupt-komponenten quantifiziert. Für einigeder ermittelten Substanzen stehenkeine CML-Charakterisierungsfaktorenzur Verfügung. Hier wurde näherungs-weise der Summenparameter VOC ver-wendet (0,337 kg Ethen-Äquivalente).

4.4 Sachbilanzergebnisse

4.4.1 Erdgas und CO2-Emissionen

Da für die CO2-Emissionen keine Mess-werte zur Verfügung standen, wurdensie aus dem Erdgasvolumenstrom unddem Heizwert (unterer Heizwert:9,8 kWh Nm–3) über den Emissionsfaktorfür CO2 berechnet. Daher verhalten sichdie CO2-Emissionen proportional zumErdgasverbrauch bezogen auf eine ge-trocknete Karosserie (Abb. 2).

Trotz einer Brennkammertemperaturvon 1003 K (730 °C) ist der Erdgasver-brauch bei der Anlage 1 relativ gering(Abb. 2). Ursache hierfür ist eine neueBrennertechnologie [8]. Die Abwärmeder TNV wird dazu genutzt, alle Zonendes Trockners zu beheizen.

Durch den Einsatz der Katalysatoren und den damit ver-bundenen niedrigen Brennkammertemperaturen ist derErdgasverbrauch bei der Anlage 2 noch etwas niedriger. Esbesteht ein Wärmegleichgewicht zwischen Trockner undTNV, d. h. die TNV erzeugt nur noch so viel Wärme, wie derTrockner benötigt.

Bei Anlage 3, die in der Anlaufphase ist, ist der Erdgasver-brauch des UBS-Trockners vergleichsweise hoch. Für dasweitere Einfahren des Systems ist also Optimierungspo-tenzial vorhanden.

4.4.2 Andere Emissionen

Die CO- und NOx-Emissionen entstehen durch die Erdgas-verbrennung. Dementsprechend zeigt sich, dass bei höhe-rem Erdgasbedarf auch diese Emissionen höher sind. An-lage 2 weist sehr geringe CO-Emissionen und auch relativgeringe NOx-Emissionen im Vergleich zu Anlage 1 auf(Abb. 3). Hier zeigt sich die Wirkung des Katalysators, derdiese Verbrennungsschadstoffe in unschädliche Stoffeumwandelt.

Im Reingas der beiden Systeme sind annähernd gleicheVOC-Konzentrationen enthalten. Die Berechnung des Ab-scheidegrades (Tab. 2) unterstreicht die gute Reinigungs-leistung der beiden Systeme.

4.5 Wirkungsabschätzung

Aus dem Ergebnis der Sachbilanz erhält man eine Aufstel-lung aller beteiligten Stoffe, die nun den gewählten Wir-kungskategorien zugeordnet werden müssen. Dabei sindauch Mehrfachzuordnungen möglich. Abb. 4 zeigt die beider Trocknung der UBS-Materialien sowie bei der Reini-gung der Abluft auftretenden Emissionen in die Luft. Dabeistammen die VOCs aus den eingesetzten kohlenstoffhalti-gen UBS-Materialien. Die anderen Komponenten in der Ab-luft (CO, CO2, NOx) resultieren hingegen aus der Verbren-nung des Erdgases.

In Abb. 4 ist ebenfalls die Zuordnung der Emissionen zuihren Wirkungskategorien dargestellt. Es ist auch ersicht-lich, dass einige Substanzen aufgrund ihres potenziellenBeitrags zu mehreren Wirkungskategorien zugeordnet wer-den. Zur Abschätzung der Umweltwirkungen dienen die

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TNV TNV mit KAT Nichtbehandlung

Erd

ga

svo

lum

en

str

om

[N

m³/

Ka

r]C

O2-E

mis

sio

nen

[kg

/Kar]

Erdgas

CO2

Abbildung 2. CO2-Emissionen in kg/Kar und Erdgasvolumenströme in Nm3/Kar der einzel-nen Systeme.

0

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TNV TNV mit KAT

Em

iss

ion

en

[g

/Ka

r]

VOC(rein)

CO

NOx

Abbildung 3. VOC-, CO- und NOx-Emissionen im Reingas der einzelnen Systeme in g/Kar.

Tabelle 2. Abscheidegrade der Systeme TNV (Anlage 1) und TNVmit KAT (Anlage 2) hinsichtlich der VOC-Emissionen.

Abscheidegrad [%]

Anlage 1 96

Anlage 2 98

Abluftreinigung 1635

Wirkungskategorien Treibhauseffekt (GWP) [kg CO2-Äqui-valente], Sommersmogbildungspotenzial (POCP) [kg Ethen-Äquivalente], Versauerungspotenzial (AP)[kg SO2-Äquivalente], Eutrophierungs-potenzial (EP) [kg Phosphat-Äquivalente]und Ozonabbaupotenzial (ODP) [kgR11-Äquivalente] nach der CML-Methode[6]. In CML 2001 04/2010 werden zahl-reiche Charakterisierungsfaktoren bereit-gestellt, um die Sachbilanzergebnisseden einzelnen Wirkungskategorien zu-ordnen zu können.

Mithilfe der Life-Cycle-Assessment-Software GaBi 4 [9] wurden die Ergeb-nisse aus der Sachbilanz ausgewertet.Dabei wurden die Stoffströme einer Kate-gorie entsprechend ihres spezifischenBeitrags zur identifizierten Umweltwir-kung in Äquivalente einer Referenzsub-stanz umgerechnet und zusammenge-fasst. Anhand der eingegebenen In- undOutputs ermittelt die Software unter Be-rücksichtigung der ökologischen Ruck-säcke die Umweltwirkung der untersuch-ten Teilanlagen.

4.5.1 Umweltwirkungen

Abb. 5 zeigt, wie stark die UBS-Trock-nung einer Karosserie der betrachtetenTeilanlagen zum Treibhauspotenzialbeiträgt. Aufgrund des hohen Erdgas-bedarfs bezogen auf eine getrocknete

Karosserie ist der größte Beitrag zumTreibhauspotenzial bei Anlage 3 zuverzeichnen, die sich noch im An-fahrprozess befindet. Bei den ande-ren Systemen sind der Druckluft-und Strombedarf annähernd ver-gleichbar. Somit ist festzuhalten, dassdas GWP bei diesen beiden Syste-men allein durch die Vorgänge inden TNV charakterisiert werdenkann. Je höher der Erdgasverbrauchpro getrocknete Karosserie im UBS-Bereich bei diesen Teilanlagen ist, de-sto höher ist der Beitrag zum GWP(Abb. 5).

Die Beiträge der Systeme zuden anderen Umweltwirkungskate-gorien werden aufgrund der un-terschiedlichen Größenordnung imVergleich zum GWP separat dar-gestellt. Ein Vergleich der Systemehinsichtlich Eutrophierungspoten-zial, Versauerungspotenzial, Som-

mersmogbildungspotenzial und Ozonabbaupotenzial ist inAbb. 6 gezeigt.

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Abbildung 4. Darstellung aller relevanten In- und Outputs inklusive der Emissionen mit ihrenWirkungskategorien bezogen auf das System Trockner/TNV bei der Pkw-Unterbodenschutzap-plikation.

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TNV TNV mit KAT Nichtbehandlung

GW

P [

kg

CO

2-Ä

qu

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len

te]

Abbildung 5. Beitrag der UBS-Trocknung einer Karosserie zum GWP für die betrachtetenTeilanlagen.

0,00E+00

5,00E-03

1,00E-02

1,50E-02

2,00E-02

2,50E-02

TNV TNV mit KAT Nichtbehandlung

EP

, A

P, P

OC

P, O

DP

[kg

Ä

qu

iva

len

te]

EP

[kg Phosphat-ƒqv.]

AP

[kg SO2-ƒqv.]

POCP

[kg Ethen-ƒqv.]

ODP

[kg R11-ƒqv.]

*

Abbildung 6. Potenzielle Beiträge der UBS-Trocknung einer Karosserie zu den jeweiligenWirkungskategorien für die betrachteten Teilanlagen. * VOC-Emissionen aus Mittelwertder VOC-Rohgaswerte angenommen; CO- und NOx-Emissionen werden vernachlässigt.

1636 R. Meininghaus et al.

Bei den beiden Systemen mit Abgasbehandlung ist derzweitgrößte Wert das Versauerungspotenzial. Zu den Kate-gorien Eutrophierung und Sommersmog tragen die Sys-teme annähernd gleich stark bei. Auffällig ist der große Bei-trag zum Sommersmogbildungspotenzial bei Anlage 3.Ursache dafür ist der große VOC-Massenstrom (= Abgas-volumenstrom * Konzentration). Dabei muss berücksichtigtwerden, dass nur ein Mittelwert der VOC-Rohgaskonzentra-tion für die Nichtbehandlung angenommen wurde. Versau-erungs- und Eutrophierungspotenzial fallen bei der Anlagegeringer aus als bei den anderen Anlagen, da die NOx-Emis-sionen vernachlässigt wurden. Allein die Kategorie Ozon-abbau kann bei allen drei Systemen vernachlässigt werden,da keine ozonabbauenden Substanzen freigesetzt werden.

Bei den Anlagen 1 und 2 ist der Strom- und Druckluftbe-darf gleich. Somit sind diese Systeme durch die Bereitstel-lung der erforderlichen Erdgasmenge und durch die direk-ten Emissionen (CO, NOx und VOC) charakterisierbar.Bezüglich dieser Wirkungskategorien schneidet die An-lage 2 am besten ab. Sie ist durch geringe NO2-, CO- undVOC-Emissionen sowie durch einen geringen Erdgasver-brauch gekennzeichnet und hat somit bezüglich EP, APund POCP das beste Umweltprofil.

5 Schlussfolgerungen

Ein wesentlicher Aspekt der vorliegenden Arbeit besteht inder Anwendung der Methodik der ökobilanziellen Betrach-tung auf Teile einer Automobilfertigung, um aussagekräf-tige Schlussfolgerungen treffen zu können. Die hier be-trachteten Anlagen sind gut geeignete Beispiele, umUnterschiede mithilfe der LCA-Methodik herausarbeiten zukönnen. Die Methodik der ökobilanziellen Betrachtung istgeeignet, um Aussagen über die Umweltauswirkung vonAnlagen in Automobillackierereien treffen zu können.

Werden, wie im vorliegenden Fall, moderne TNV-Systeme(optimiert oder mit Katalysatoren) eingesetzt, so zeigen dieErgebnisse, dass keine Verlagerung der Umweltauswirkun-gen zu beobachten ist, da die erzeugte Wärme als Prozess-wärme notwendig ist. Vielmehr kann die VOC-Abreinigungals positiver Nebeneffekt bei der sowieso benötigten Wärme-erzeugung betrachtet werden.

Formelzeichen

AP [kg SO2-Äquivalente] acidification potential(Versauerungspotenzial)

EP [kg Phosphat-Äquivalente] nutrification potential(Eutrophierungs-potenzial)

GWP [kg CO2-Äquivalente] global warming potential(Treibhauspotenzial)

ODP [kg R11-Äquivalente] ozone depletion potential(Ozonabbaupotenzial)

POCP [kg Ethen-Äquivalente] photochemical ozonecreation potential(Sommersmogbildungs-potenzial)

Abkürzungen

CML Centrum voor Milieukunde, LeidenKar KarosserieKAT KatalysatorTNV thermische NachverbrennungUBS UnterbodenschutzVOC volatile organic compounds

Literatur

[1] DIN EN ISO 14040, Umweltmanagement – Ökobilanz – Grund-sätze und Rahmenbedingungen (ISO 14040:2006), Beuth Verlag,Berlin 2009.

[2] DIN EN ISO 14044, Umweltmanagement – Ökobilanz – Anfor-derungen und Anleitungen (ISO 14044:2006), Beuth Verlag,Berlin 2006.

[3] O. Carlowitz, O. Neese, Analyse des Verbrauchseinsparpotentialsverschiedener Konzepte zur Abhitzenutzung und Abgasreinigungvon Lacktrocknern der Halle 15b im Volkswagen-Werk Wolfsburg,CUTEC-Institut GmbH, Clausthal-Zellerfeld 2010.

[4] I. Jahns, O. Carlowitz, B. Schricker, JOT, J. Oberflaechentech.2011, 3, 30 – 36.

[5] Der Golf: Umweltprädikat – Hintergrundbericht, Volkswagen AG,Wolfsburg 2010.

[6] J. B. Guinée, E. Lindeijer, Handbook on Life Cycle Assessment:Operational Guide to the ISO standards, Kluwer AcademicPublisher, Dordrecht 2002.

[7] H. Hottenroth, M. Schottler, M. Schmidt, Chem. Ing. Tech.2011, 83 (10), 1642 – 1650.

[8] P. Sänger, H. Bloeß, Gaswaerme Int. 2008, 57 (5), 331 – 336.[9] www.gabi-software.com

ChemieIngenieurTechnik

Chemie Ingenieur Technik 2013, 85, No. 10, 1632–1637 © 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.cit-journal.com

Abluftreinigung 1637