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Schlaganfall bei Dialysepatienten Matthias Endres Klinik für Neurologie Centrum für Schlaganfallforschung Berlin Charité Universitätsmedizin Berlin Berliner Dialyseseminar – 06. Dezember 2014

Endres Berlin Schlaganfall bei Dialysepatienten · Schlaganfall Prävalenz Risiko Art der Schlaganfälle Therapie Dialyse Karotis-Revaskularisation −Bei nicht Dialysepatienten:

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Schlaganfall bei Dialysepatienten

Matthias Endres Klinik für Neurologie

Centrum für Schlaganfallforschung Berlin

Charité Universitätsmedizin Berlin

• Berliner Dialyseseminar – 06. Dezember 2014

Schlaganfall bei Dialysepatienten:

Wichtige Fakten

− 4 bis 10-fach erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall

− Nach Schlaganfall 10-fach erhöhtes Risiko intrahospitaler Mortalität

− Kontraindikation für NOAKs

− Schlaganfall während der Dialyse � Gute Zusammenarbeit mit

mit der Neurologie notwendig zur schnellen Einleitung der

Akutbehandlung (IV rt-PA oder Thrombektomie)

− IV rt-PA ist nicht kontraindiziert! Aber oft nur geringe Erfahrung.

Toyoda und Ninomiya, Lancet Neurol 2014

• Epidemiologie

• Pathophysiologie

• Therapie

• Inzidenz: ~ 250/100.000 � ca. 200 000 Schlaganfälle pro Jahr in Deutschland

• 3. Stelle in der Todesursachenstatistik

• Häufigste Ursache von Behinderung im Erwachsenenalter

• Früher o. Behandlung: Drittelregel nach 3 Mon.

– ein Drittel verstorben

– ein Drittel behindert

– ein Drittel weitgehende Restitution

• Geschätzte direkte und indirekte Kosten p.a.

> 10 Milliarden Euro

Definition und Epidemiologie

Subtypen des Schlaganfalls

Subarachnoidal-blutung

3%

Blutung10%

Mangeldurchblutung(„Ischämie“)

85%

sonstige2%

Bei Asiaten und Afrikanern deutliche häufiger Blutungen

• Haben Patienten mit Niereninsuffizienz

häufiger Schlaganfälle?

Apix 2809 2761 2567 2127 1523 353

Chronische Niereninsuffizienz und Schlaganfallrisiko

Olesen et al. N Engl J Med 2012;367:625–35.

Reference: Patients with no renal disease HR (95% CI)*

Stroke or systemic thromboembolism

Non-end-stage CKD 1.49 (1.38; 1.59)

CKD requiring renal replacement therapy 1.83 (1.57; 2.14)

Bleeding

Non-end-stage CKD 2.24 (2.10; 2.38)

CKD requiring renal replacement therapy 2.70 (2.38; 3.07)

Myocardial infarction

Non-end-stage CKD 2.00 (1.86; 2.16)

CKD requiring renal replacement therapy 3.00 (2.58; 3.50)

Death from any cause

Non-end-stage CKD 2.37 (2.30; 2.44)

CKD requiring renal replacement therapy 3.35 (3.13; 3.58)

1.5 2.0 2.51.00

\

3.0 3.5

Herrington et al., Seminars in Dialysis 2014

Dialysepflichtig

Schlaganfallinzidenz (pro 100/Jahr)

Stadium 5 (eGFR <15 ml/minute/1.73 m2 )

Stadium 4

Stadium3

Keine Nierenerkrankung

• Haben Schlaganfallpatienten häufiger eine

Niereninsuffizienz?

Kazunori Toyoda , Toshiharu Ninomiya, Lancet Neuro l 2014

Häufigkeit einer Niereninsuffizienz (GFR<60 mL/min/1.73m2)

General population

>70 Jahre

Ischäm. Schlag-anfall

ICB

− Eingeschränkte Nierenfunktion ist mit

erhöhtem Risiko für Schlaganfall assoziiert (2-

bis 7-fach erhöht) 1

− Arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus und

Alter

− wichtigste Prädiktoren für eingeschränkte

Nierenfunktion

− Risikofaktoren für Schlaganfall

• Besteht ein kausaler Zusammenhang zwischen

Niereninsuffizienz und Schlaganfall oder

„teilen“ sich diese Erkrankungen die selben

Risikofaktoren?

Hypertonus

Diabetes

Alter

Niereninsuffizienz

Schlaganfall

- Ischämisch

- hämorrhagisch

?

Kazunori Toyoda , Toshiharu Ninomiya, Lancet Neuro l 2014

Schlaganfall und Niereninsuffizienz nach Adjustierung für kardiovaskuläre Risikofaktoren

„Nicht-traditionelle“ bzw. neue Risikofaktoren in der zerebro-renalen Interaktion?

Toyoda und Ninomiya, Lancet Neurol 2014

„Nicht-traditionelle“ / neue Risikofaktoren

Beispiel Klotho-Protein

Toyoda und Ninomiya, Lancet Neurol 2014

• Rolle der Niereninsuffizienz für verschiedene

Schlaganfallsubtypen

0

100

200

300

400

500

600

Haemorrhagic Ischaemic Total

eGFR > 60ml/min

eGFR < 60ml/min

Nu

mb

er

of

pa

tie

nts

D. Liu et al., Scand J Urology and Nephrology 2012

Niereninsuffizienz und Schlaganfallsubtypen(Ischämie vs. Blutung)

kardio-embolisch30 %

Makroangiopathisch20-25 %

Mikroangiopathisch20-25 %

”Kryptogen”20-25 %

Seltene Ätiologien<5 %

Ätiologien bei ischämischen Schlaganfällen

Kumai Y et al., Neurology 2012

Risikoprofile und Schlaganfallsubtypen

Kumai Y et al., Neurology 2012

Risikoprofile und Schlaganfallsubtypen

Patienten mit Niereninsuffienz haben

-Häufiger Bluthochdruck

-Vorhofflimmern

-Kardioembolische Hirninfarkte

.

Laible et al., European Journal of Neurology 2014

Niereninsuffizienz und Vorhofflimmern

• Sind Patienten mit einer Niereninsuffizienz

nach einem Schlaganfall häufiger tot oder

behindert ?

(Fukuoka und PRoFESS trial)2,3:

− 49% höheres Risiko einer neurologischen Verschlechterung

− 138% höheres Risiko intrahospitaler Mortalität

− 25% höheres Risiko mit einem mRS > 2 entlassen zu werden

− 16-73% höheres Risiko eines nicht kardioembolischen Re-Infarkts

Niereninsuffizienz und Schlaganfalloutcome

Kuwashiro et al., Cerebrovasc Dis 2012Ovbiagele et al., Stroke 2013

Gründe (zerebro-renale Interkation)

− „Nicht traditionelle“ Risikofaktoren

− Proteinurie und Albuminurie

� assoziiert mit entzündlichen Zytokinen und oxidativem Stress4,5

� potentielle Ursachen für erhöhten vaskulären Schaden

− Albuminurie � Prädiktor für hämorrhagische Transformation6

Niereninsuffizienz und Schlaganfalloutcome

Ng et al., Diabetologia 2008McCarthy et al., J Am Soc Nephrol 1998

Tütüncü S et al. Stroke. 2013;44

Symptomatische Einblutung und Niereninsuffizienz

GFR (<60ml/min), Proteinurie korreliert mit

− Größeres Volumen der initialen Blutung

− neurologische Verschlechterung

− Zunahme der initialen Hämatomgröße

− körperlicher Behinderung und Tod nach einem Jahr7-

9

Intrazerebrale Blutung und Niereninsuffizienz

Hao et al., Eur Neurol 2010Ovbigiale et al., J Stroke Cerebrovasc Dis 2011Cutting et al., J Stroke Cerebrovasc Dis 2014

• Wie soll der akute Schlaganfall beim Patienten

mit Niereninsuffienz und Dialyse behandelt

werden?

Therapie des akuten Hirninfarktes

• Thrombolyse

• Aspirin

•Stroke Unit

•Hemikraniektomie

Behandlung mit rt-PA (Thrombolyse)

− Bei Hypertonie reduzierte endotheliale Freisetzung von t-PA10

− bei Diabetes mellitus plus Albuminurie erhöhte Aktivität von

Plaminogenaktivator-Inhibitors 1 (PAI-1) 10

− Erhöhte Plasmakonzentration von Lipoprotein (a) – Hemmt die

Plasminogenaktivierung 10

Akute Schlaganfalltherapie beim Patienten mit Niereninsuffizienz

Tütüncü S et al. Stroke. 2013;44

ABER: Thrombolyse ist NICHT kontraindiziert !

Akute Schlaganfalltherapie beim Patienten mit Niereninsuffizienz

iv Alteplase (rt-PA)

�Metabolisierung über die Leber

� Halbwertszeit wird bei eingeschränkter

Nierenfunktion nicht verlängert! 11

Martin et al., Drug Metab Dispos 1993

Dialyse zur Schlaganfalltheapie ?

J Clin Invest 2013; 123:4359-4263

• Wie kann man Patienten mit

Niereninsuffizienz und Dialyse vor weiteren

Schlaganfällen schützen?

-Blutdrucksenkung

-Cholesterinsenkung

-Thrombozytenfunktionshemmung

-Antikoagulation bei kardialer Embolie

-TEA bei symptomatischer Karotisstenose

Sekundärprävention 2014Evidenzniveau A

Blutdruck bei Dialysepatienten und Schlaganfall

Zielblutdruck bleibt unklar

− Klar ist, dass bei der Beurteilung der gemessenen Blutdruckwerte Folgendes

zu beachten ist

− Aktuelle Blutdruckwerte repräsentieren nicht die bisherige Exposition

− Modifiziert durch Medikation und Dialyse

− Langjähriger Bluthochdruck � Herzinsuffizienz � RR-Wert �− Gefäßelastizität nimmt ab � RRsyt steigt, RRdiast sinkt, daher ist der

mittlerer Blutdruckwert schwerer einzuordnen/zu interpretieren

− Blutdruckwerte variieren stark vor, während und nach der Dialyse

Prävalenz Risiko Art der Schlaganfälle Therapie Dialyse

Senkung des LDL – Cholesterins

− Auch bei Patienten mit fortgeschrittener Nierenfunktionsstörung ist LDL-

Cholesterin ein Risikofaktor für arteriosklerotische Ereignisse, inklusive

Schlaganfall (CAVE BIAS) 12

− SHARP: Reduktion von LDL Cholesterin um 33mg/dl reduziert das Risiko von

arteriosklerotischen Ereignissen um 17%, inklusive signifikante

Reduktion des Schlaganfallrisikos. Zudem, LDL Senkung mit Statinen ist bei

diesen Patienten sicher! 12

� LDL Senkung mit Statinen: Schlüsselfunktion in der Reduktion des

Schlaganfall- Risikos und anderen arteriosklerotischen Ereignissen 12,13

Prävalenz Risiko Art der Schlaganfälle Therapie Dialyse

Baigent et al., Lancet 377Green et al., Nephrol Clin Pract 2014

Niereninsuffizienz &

Schlaganfall Prävalenz Risiko Art der Schlaganfälle Therapie Dialyse

Thrombozytenaggregationshemmung

− Insbesondere zur Sekundärprävention ist der Benefit von ASS dem

zu erwartenden Schaden überlegen. 18

− Unklar bleibt, ob die Patienten mit hohem Blutungsrisiko auch von ASS

profitieren.

Lai et al., Int J Nephrol Renovasc Dis 2009

Niereninsuffizienz &

Schlaganfall Prävalenz Risiko Art der Schlaganfälle Therapie Dialyse

Karotis-Revaskularisation

− Bei nicht Dialysepatienten: Zerebrovaskuläres Ereignis (<6 Monate), 70-99%

ipsilaterale Karotisstenose, perioperative Morbiditäts- und Mortalitätsrisiko

< 6 Monate, ausreichende Lebenserwartung � TEA indiziert

− Dialysepatienten haben ein hohes Risiko an perioperativen Komplikationen.

Unklar ob Stenting sicherer ist als die TEA.

Niereninsuffizienz &

Schlaganfall Prävalenz Risiko Art der Schlaganfälle Therapie Dialyse

Schlaganfallprävention bei VHF

− VHF erhöht das Schlaganfallrisiko (5-fach)15

− Pat. mit eing. Nierenfunktion haben häufiger VHF16

− Eingeschränkte Nierenfunktion erhöht das Blutungsrisiko.

(HAS-BLED - und HEMORR2HAGES-Scores)

Wolft et al., Stroke 1998Laible et al., Eur J Neurol 2014

Klinische Pharmakologie der direkten oralenAntikoagulantien (DOAK)

*Direct renal excreRon as unchanged acRve substance; †prolonged in paRents with impaired renal funcRon;

BD, twice daily; OD, once daily; Tmax, time to maximum plasma concentration

Apixaban 1.2 Rivaroxaban 1.3 Dabigatran 1.4 Edoxaban 5-8

Mechanism of action

Direct factor Xainhibitor

Direct factor Xainhibitor

Direct thrombin inhibitor

Direct factor Xainhibitor

Dose 5 mg BD 20 mg OD 150 mg BD30 mg OD60 mg OD

Mean half-life (t 1/2) ~12 h 5-13 h 12-14 h (patients)† 9-11 h

Tmax 3-4 h 2-4 h 0.5-2 h 1-4 h

Renal clearance ~27% ~33%* 85% Predominantly

1. Ansell J. Hematology Am Soc Hematol Educ Program 2010:221-8. 2. Apixaban SmPC 2012; 3. Rivaroxaban SmPC 2012. 4. Dabigatran SmPC 2012. 5. Mendell J, at al. J Clin Pharmacol. 2011;51:687-94.; 6. Sobieraj-Teague M, et al. Semin Thromb Hemost. 2009;35:515-24;7. Eriksson5. Mendell J, at al. J Clin Pharmacol. 2011;51:687-94; 8. Masotti and Campanini. Italian Journal of Medicine 2013;7:1‒7

AVERROES and stage III CKD

Apixaban ASAHazard Ratio (95% CI) p value% / yr (No. of Events /

No. of Patients)Stroke / SE Interaction: 0.10

eGFR ≥60 mL/min/1.73 m2 1.7% (34/1,917) 2.8% (60/1,911) 0.009

eGFR 30–59 mL/min/1.73 m2* 1.8% (17/857) 5.6% (51/840) <0.001

Major Bleeding Interaction: 0.82

eGFR ≥60 mL/min/1.73 m2 0.9% (19/1,917) 0.8% (18/1,911) 0.85

eGFR 30–59 mL/min/1.73 m2* 2.5% (24/857) 2.2% (20/840) 0.58

All-cause Death Interaction: 0.39

eGFR ≥60 mL/min/1.73 m2 2.3% (49/1,917) 3.3% (71/1,911) 0.05

eGFR 30–59 mL/min/1.73 m2* 6.2% (59/857) 7.1% (66/840) 0.42

Eikelboom et al. J Stroke Cerebrovasc Dis 2012;21:429–35.

0.5 1.00 1.5

Apixaban Better ASA Better

2.00

Für Vitamin-K-Antagonisten bestehen widersprüchliche Aussagen,

insbesondere für Dialyse-Patienten

− Rate an ischämischen Schlaganfällen � Blutungsrate �17

− Wenn INR 2-3, Rate an ischämischen Schlaganfällen �Blutungsrate = 18

− Rate an ischämischen Schlaganfällen, Blutungsrate und

Mortalitätsrate �19

− Warfarin erhöht die Gefäßverkalkung und damit das Risiko f.

ischämischenSchlaganfall 19

VKA beim Patienten mit Niereninsuffizienz

Olesen et al., N Eng J Med 2012Lai et al., Int J Nephol Renovasc Dis2009Yang et al., Europace 2010

Kein Marcumar bei Dialyse und VHF ?

Per protocol Analyse

Niereninsuffizienz &

Schlaganfall Prävalenz Risiko Art der Schlaganfälle Therapie Dialyse

Nierenspezifische Behandlung und Schlaganfallrisko

HämodialyseGroße Beobachtungsstudie (USA): Schlaganfallhäufigkeit am 1. Dialysetag

nach einer langen Dialysepause am größten!21

�häufiger und längere Dialyseprozeduren = wichtiger Parameter

in der Schlaganfallprävention?

� Studien mit tgl. Dialyseprozess (über Nacht): niedrigere Blutdruckwerte,

reduziertes linksventrikuläres Volumen, Verbesserung der Parameter des

Elektrolythaushalts und des Knochenstoffwechsels � Theoretische

Reduzierung des Schlaganfallrisikos22,23

� Anpassen/Optimieren des Dialyseprozesses: addieren einer Konvektions-

Therapie Foley et al N Engl J Med 2011Culleton et al., JAMA 2007Chertow et al., N Engl J Me 2010,

• Epidemiologie

• Pathophysiologie

• Therapie

Schlaganfall bei Dialysepatienten:

Wichtige Fakten

− 4 bis 10-fach erhöhtes Risiko für einen Schlaganfall

− Nach Schlaganfall 10-fach erhöhtes Risiko intrahospitaler Mortalität

− Kontraindikation für NOAKs

− Schlaganfall während der Dialyse � Gute Zusammenarbeit mit

mit der Neurologie notwendig zur schnellen Einleitung der

Akutbehandlung (IV rt-PA oder Thrombektomie)

− IV rt-PA ist nicht kontraindiziert! Aber oft nur geringe Erfahrung.

Toyoda und Ninomiya, Lancet Neurol 2014