10
Epidemiologie Circa 10% der Frakturen im Kindes- und Jugendalter be- treffen den distalen Humerus. In ca. 70% der Fälle handelt es sich hierbei um extraartikuläre suprakondyläre Ober- armfrakturen. Die charakteristische Altersgruppe für die- se Fraktur liegt am Übergang zum Grundschulalter (Al- tersgipfel 6. Lebensjahr). In etwa 12 % treten isolierte Ab- rissfrakturen des Epicondylus ulnaris und hiervon in 75% der Fälle in Kombination mit einer Ellenbogenluxation auf. Bei einem Altersgipfel von 11 Jahren sind vor allem ältere Kinder und Adoleszenten betroffen. In 17% der Fäl- le liegt eine Condylus-radialis-Fraktur vor, die im Wesent- lichen im Kindergartenalter auftritt (Altersgipfel 4. Le- bensjahr). Condylus-ulnaris- und transkondyläre Y-Frak- turen sind sehr selten, treten vor allem bei Adoleszenten kurz vor Wachstumsabschluss auf und machen zusam- men weniger als 1% der Frakturen am distalen Humerus aus [6, 7, 10]. Anatomie/Wachstumsprognose/ Systematik Der distale Humerus und der proximale Unterarm unter- liegen im Wachstum einer zeitlich typischen, jedoch trotzdem unregelmäßigen Entwicklung der vorhandenen 6 Knochenkerne. Dies betrifft auch den funktionellen Verschluss der distalen Humerusfuge (s. Abb. 1). Dieser Umstand kann bei der Röntgendiagnostik zu Schwierig- keiten bei der Diagnosestellung führen. Es kommt daher immer wieder zu fälschlicherweise angenommenen Frak- turen oder sogar aseptischen Knochennekrosen (z.B. beim Trochlea-humeri-Knochenkern). Beim therapeutischen Vorgehen und der Prognose muss prinzipiell zwischen den rein metaphysären Frakturen (suprakondyläre Humerusfraktur und Abrissfraktur des Epicondylus ulnaris) sowie den gelenkbeteiligenden Epi- physenfrakturen (Frakturen des Condylus radialis oder Condylus ulnaris und transkondyläre Y-Frakturen) unter- schieden werden [1,2]. Dislozierte Gelenkfrakturen be- dürfen einer anatomischen Gelenkrekonstruktion, um Präarthrosen zu vermeiden. Dagegen können bei meta- physären Frakturen Dislokationen innerhalb bestimmter Toleranzgrenzen und Altersgruppen akzeptiert werden. Grundsätzlich ist anzumerken, dass das Wachstums- potenzial der distalen Humerusepiphyse lediglich mit einem Anteil von 20% am Gesamtwachstum des Hume- rus beteiligt ist. Deshalb ist das Korrekturpotenzial ins- gesamt gering [5]. Suprakondyläre Humerusfraktur Verletzungsmechanismus/ klinisches Bild/Diagnostik Die suprakondylären Humerusfrakturen entstehen meist durch Sturz auf den ausgestreckten Arm (Extensionsfrak- tur). Sehr selten sind Flexionsfrakturen durch einen Sturz direkt auf das Ellenbogengelenk (s. Abb. 2) [10]. Das klinische Bild hängt vom Ausmaß der Dislokation ab. Zur Anamnese gehört ein verletzungsadäquates Trauma. Das Ellenbogengelenk ist geschwollen, bei deutlicher Dis- lokation ist die Fehlstellung des Gelenks nicht zu überse- hen. Geachtet werden muss auf die Durchblutung (Puls- qualität im Seitenvergleich) und ein mögliches periphe- res sensomotorisches Defizit. In der Akutphase bereitet es in der Praxis häufig Schwierigkeiten, bei jungen Kin- dern einen adäquaten neurologischen Befund zu erhe- ben, was ggf. entsprechend dokumentiert werden sollte. Die Akutdiagnostik beinhaltet eine Röntgenuntersuchung in 2 Ebenen, wobei in der Realität aufgrund der in aller Re- gel anliegenden Oberarmschiene und der Schmerzsymp- tomatik selten eine echte a.p. Aufnahme in Ellenbogen- streckung sowie eine exakte seitliche Projektion in 90° Beugestellung erreicht werden. Dies kann zu Schwierig- keiten bei der Interpretation der Röntgenbilder führen. Vor allem bei undislozierten Frakturen muss man auf indi- rekte Frakturzeichen wie das sog. Fat-Pad-Zeichen (ven- tral und/oder dorsal des distalen Humerus) als Ausdruck eines intraartikulären Ergusses (s. Abb. 3) geachtet werden. Eine Sonografie, eine CT oder eine MRT werden zur Diagnosefindung in aller Regel nicht benötigt. Klassifikation der suprakondylären Humerusfraktur Am häufigsten in der Praxis angewendet und bewährt hat sich die therapiebezogene Klassifikation nach Laer und Mitarbeitern (s. Abb. 4) [7,10]. Typ I beschreibt die nicht dislozierte Fraktur. Beim Typ II besteht eine Disloka- Distale Humerusfrakturen beim Kind Stefan Nuber, Johannes Plath, Stefan Förch, Edgar Mayr Fachwissen 279 Nuber S et al. Distale Humerusfrakturen beimOP-JOURNAL 2018; 34: 279288 Dieses Dokument wurde zum persönlichen Gebrauch heruntergeladen. Vervielfältigung nur mit Zustimmung des Verlages.

Epidemiologie Suprakondyläre Humerusfraktur · die Reposition der Fraktur durch die zunehmende Spitz- winkelstellung mit mindestens 120° (s. Abb.5a–e). Bei Typ-II-Frakturen sollte

  • Upload
    lydan

  • View
    236

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Epidemiologie Suprakondyläre Humerusfraktur · die Reposition der Fraktur durch die zunehmende Spitz- winkelstellung mit mindestens 120° (s. Abb.5a–e). Bei Typ-II-Frakturen sollte

Distale Humerusfrakturen beim Kind

Stefan Nuber, Johannes Plath, Stefan Förch, Edgar Mayr

Fachwissen

nter

gela

den.

Ver

viel

fälti

gung

nur

mit

Zus

timm

ung

des

Ver

lage

s.

EpidemiologieCirca 10% der Frakturen im Kindes- und Jugendalter be-treffen den distalen Humerus. In ca. 70% der Fälle handeltes sich hierbei um extraartikuläre suprakondyläre Ober-armfrakturen. Die charakteristische Altersgruppe für die-se Fraktur liegt am Übergang zum Grundschulalter (Al-tersgipfel 6. Lebensjahr). In etwa 12% treten isolierte Ab-rissfrakturen des Epicondylus ulnaris und hiervon in 75%der Fälle in Kombination mit einer Ellenbogenluxationauf. Bei einem Altersgipfel von 11 Jahren sind vor allemältere Kinder und Adoleszenten betroffen. In 17% der Fäl-le liegt eine Condylus-radialis-Fraktur vor, die im Wesent-lichen im Kindergartenalter auftritt (Altersgipfel 4. Le-bensjahr). Condylus-ulnaris- und transkondyläre Y-Frak-turen sind sehr selten, treten vor allem bei Adoleszentenkurz vor Wachstumsabschluss auf und machen zusam-men weniger als 1% der Frakturen am distalen Humerusaus [6,7, 10].

Die

ses

Dok

umen

t wur

de z

um p

ersö

nlic

hen

Geb

rauc

h he

ru

Anatomie/Wachstumsprognose/Systematik

Der distale Humerus und der proximale Unterarm unter-liegen im Wachstum einer zeitlich typischen, jedochtrotzdem unregelmäßigen Entwicklung der vorhandenen6 Knochenkerne. Dies betrifft auch den funktionellenVerschluss der distalen Humerusfuge (s. ▶Abb. 1). DieserUmstand kann bei der Röntgendiagnostik zu Schwierig-keiten bei der Diagnosestellung führen. Es kommt daherimmer wieder zu fälschlicherweise angenommenen Frak-turen oder sogar aseptischen Knochennekrosen (z.B.beim Trochlea-humeri-Knochenkern).

Beim therapeutischen Vorgehen und der Prognose mussprinzipiell zwischen den rein metaphysären Frakturen(suprakondyläre Humerusfraktur und Abrissfraktur desEpicondylus ulnaris) sowie den gelenkbeteiligenden Epi-physenfrakturen (Frakturen des Condylus radialis oderCondylus ulnaris und transkondyläre Y-Frakturen) unter-schieden werden [1,2]. Dislozierte Gelenkfrakturen be-dürfen einer anatomischen Gelenkrekonstruktion, umPräarthrosen zu vermeiden. Dagegen können bei meta-physären Frakturen Dislokationen innerhalb bestimmterToleranzgrenzen und Altersgruppen akzeptiert werden.Grundsätzlich ist anzumerken, dass das Wachstums-

Nuber S et al. Distale Humerusfrakturen beim… OP-JOURNAL 2018; 34: 279–288

potenzial der distalen Humerusepiphyse lediglich miteinem Anteil von 20% am Gesamtwachstum des Hume-rus beteiligt ist. Deshalb ist das Korrekturpotenzial ins-gesamt gering [5].

Suprakondyläre Humerusfraktur

Verletzungsmechanismus/klinisches Bild/Diagnostik

Die suprakondylären Humerusfrakturen entstehen meistdurch Sturz auf den ausgestreckten Arm (Extensionsfrak-tur). Sehr selten sind Flexionsfrakturen durch einen Sturzdirekt auf das Ellenbogengelenk (s. ▶ Abb. 2) [10].

Das klinische Bild hängt vom Ausmaß der Dislokation ab.Zur Anamnese gehört ein verletzungsadäquates Trauma.Das Ellenbogengelenk ist geschwollen, bei deutlicher Dis-lokation ist die Fehlstellung des Gelenks nicht zu überse-hen. Geachtet werden muss auf die Durchblutung (Puls-qualität im Seitenvergleich) und ein mögliches periphe-res sensomotorisches Defizit. In der Akutphase bereitetes in der Praxis häufig Schwierigkeiten, bei jungen Kin-dern einen adäquaten neurologischen Befund zu erhe-ben, was ggf. entsprechend dokumentiert werden sollte.

Die Akutdiagnostik beinhaltet eine Röntgenuntersuchungin 2 Ebenen, wobei in der Realität aufgrund der in aller Re-gel anliegenden Oberarmschiene und der Schmerzsymp-tomatik selten eine echte a.–p. Aufnahme in Ellenbogen-streckung sowie eine exakte seitliche Projektion in 90°Beugestellung erreicht werden. Dies kann zu Schwierig-keiten bei der Interpretation der Röntgenbilder führen.

Vor allem bei undislozierten Frakturen muss man auf indi-rekte Frakturzeichen wie das sog. Fat-Pad-Zeichen (ven-tral und/oder dorsal des distalen Humerus) als Ausdruckeines intraartikulären Ergusses (s. ▶ Abb. 3) geachtetwerden. Eine Sonografie, eine CT oder eine MRT werdenzur Diagnosefindung in aller Regel nicht benötigt.

Klassifikation der suprakondylärenHumerusfraktur

Am häufigsten in der Praxis angewendet und bewährt hatsich die therapiebezogene Klassifikation nach Laer undMitarbeitern (s. ▶Abb. 4) [7, 10]. Typ I beschreibt dienicht dislozierte Fraktur. Beim Typ II besteht eine Disloka-

279

Page 2: Epidemiologie Suprakondyläre Humerusfraktur · die Reposition der Fraktur durch die zunehmende Spitz- winkelstellung mit mindestens 120° (s. Abb.5a–e). Bei Typ-II-Frakturen sollte

Epicondylus radialis

Epicondylus ulnaris RadiuskopfCapitulum humeri

Trochlea humeri Olecranon

▶ Abb. 1 Knochenkerne am kindlichen Ellenbogen.

▶ Abb. 2 Kindliche suprakondyläre Flexionsfraktur in 2 Ebenen.

280 Nuber S et al. Distale Humerusfrakturen beim… OP-JOURNAL 2018; 34: 279–288

Fachwissen

Die

ses

Dok

umen

t wur

de z

um p

ersö

nlic

hen

Geb

rauc

h he

runt

erge

lade

n. V

ervi

elfä

ltigu

ng n

ur m

it Z

ustim

mun

g de

s V

erla

ges.

Page 3: Epidemiologie Suprakondyläre Humerusfraktur · die Reposition der Fraktur durch die zunehmende Spitz- winkelstellung mit mindestens 120° (s. Abb.5a–e). Bei Typ-II-Frakturen sollte

▶ Abb. 3 Positives ventrales und dorsales Fat-Pad-Zei-chen (Pfeile) bei undislozierter suprakondylärer Oberarm-fraktur.

I

II

III

IV

Dislokationsmodi

▶ Abb. 4 Klassifikation der suprakondylären Oberarm-frakturen nach Lutz v. Laer et al. 2002. Quelle: von Laer L,Kraus R, Linhart W. Verletzungsformen und Klassifikatio-nen. In: von Laer L, Kraus R, Linhart W, Hrsg. Frakturenund Luxationen im Wachstumsalter. 6. Aufl. Stuttgart:Thieme; 2012: 143.

Die

ses

Dok

umen

t wur

de z

um p

ersö

nlic

hen

Geb

rauc

h he

runt

erge

lade

n. V

ervi

elfä

ltigu

ng n

ur m

it Z

ustim

mun

g de

s V

erla

ges.

tion in der sagittalen Ebene. In 98% der Fälle handelt essich um eine Antekurvation (Extensionsfraktur), nur sehrselten besteht eine Rekurvation (Flexionsfraktur). Bei denTyp-II-Extensionsfrakturen wird unterschieden zwischenden stabilen (höchstens 20–30° Antekurvation) und dendrohend instabilen (Antekurvation > 30°, ggf. mit Seitver-schiebung) Verletzungen. Typ III beinhaltet Frakturen mitDislokation in 2 Ebenen mit Rotationsfehler. Beim Typ IVbesteht die Dislokation in 3 Ebenen (komplett disloziertFraktur ohne knöchernen Kontakt).

Therapie/Komplikationen/Nachbehandlung

Ziel der Behandlung ist die anatomische Stellung/Reposi-tion der Fraktur und der Erhalt bzw. die Etablierung einerstabilen Fraktursituation [1]. Typ-I-Verletzungen geltengrundsätzlich als stabil und können immer konservativbehandelt werden. Es erfolgt neben einer adäquatenSchmerztherapie die Ruhigstellung in einer Oberarm-schiene oder einer Blount-Schlinge für 2–3 Wochen. Sta-bile Typ-II-Frakturen können ebenfalls konservativ behan-delt werden. Bei sehr jungen Kindern (max. bis zum 5.–6. Lebensjahr) kann eine Spontankorrektur in der seitli-chen Ebene (Antekurvation) von maximal 20° in das Be-handlungsregime miteingerechnet werden. Die übrigenTyp-II-Verletzungen bedürfen einer Redressierung. Ent-weder wird die Reposition (mittels Hyperflexion) der An-tekurvationsfehlstellung in Kurznarkose mit anschließen-der Ruhigstellung im Spitzwinkelgips/-Dynacast durch-geführt oder es erfolgt durch einen anfangs täglich nach-gezogenen Cuff-and-Collar-Verband über mehrere Tage

Nuber S et al. Distale Humerusfrakturen beim… OP-JOURNAL 2018; 34: 279–288

die Reposition der Fraktur durch die zunehmende Spitz-winkelstellung mit mindestens 120° (s. ▶ Abb. 5a–e).Bei Typ-II-Frakturen sollte eine Stellungskontrolle zumAusschluss sekundärer Dislokationen (Rotationsfehler)nach ca. 5 Tagen erfolgen. Relevant dislozierte Typ-II-Frakturen sowie die Typ-III- und ‑IV-Frakturen werdenoperativ behandelt. Zum einen liegen hier eine relevanteInstabilität und zum anderen entsprechende Achs- undRotationsfehlstellungen vor, die ohne entsprechende Re-position und Retention zu wesentlichen Wachstumsstö-rungen mit schicksalhafter Ausbildung vor allem einesCubitus varus führen können [7,9]. Grund hierfür ist dieAbhängigkeit der Kontaktfläche der Fraktur von der Lageder Drehachse und dem Ausmaß einer Fehlrotation. Beizentraler Drehachse nimmt mit zunehmender Rotationdie Kontaktfläche der Fragmente gegeneinander linearbis 0% bei 70 °Fehlrotation ab. So beträgt die Auflageflä-che schon bei einer Fehlrotation von 20° weniger als 50%.Unterschreitet die Kontaktfläche ein kritisches Minimum,kommt es aufgrund fehlender Abstützung zu einem Kol-

281

Page 4: Epidemiologie Suprakondyläre Humerusfraktur · die Reposition der Fraktur durch die zunehmende Spitz- winkelstellung mit mindestens 120° (s. Abb.5a–e). Bei Typ-II-Frakturen sollte

▶ Abb. 5 Redressierung einer suprakondylären Oberarmfraktur Typ II nach Lutz v. Laer über Cuff and Collar: a und b Unfallbilder, c nach 3 Tagen,d nach 6 Tagen, e nach 9 Tagen.

Drehung um 10°

Drehung um 20°

Drehung um 30°

zentraler Drehpunkt

▶ Abb. 6 Abhängigkeit der Kontaktfläche (dunkel schraf-fiert) der Fraktur bei zentraler Drehachse und dem Aus-maß einer Fehlrotation (oben bei 10°, mittig bei 20°, un-ten bei 30°). Quelle: von Laer L, Kraus R, Linhart W. Prob-leme und Komplikationen. In: von Laer L, Kraus R, LinhartW, Hrsg. Frakturen und Luxationen im Wachstumsalter.6. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2012: 145–149.

282 Nu

Fachwissen

Die

ses

Dok

umen

t wur

de z

um p

ersö

nlic

hen

Geb

rauc

h he

runt

erge

lade

n. V

ervi

elfä

ltigu

ng n

ur m

it Z

ustim

mun

g de

s V

erla

ges.

laps des ulnaren Pfeilers nach proximal und somit zueiner Varisierung der Ellenbogenachse (s. ▶ Abb. 6) [7].

MerkeRelevant dislozierte suprakondyläre Typ-II- sowie dieTyp-III- und ‑IV-Frakturen werden operativ behan-delt!

In der Praxis hat sich die gekreuzte K-Draht-Spickungetabliert (s. ▶Abb. 7). In Intubationsnarkose und Rücken-lage mit Auslagerung des betroffenen Armes auf einArmbänkchen wird zunächst die Fraktur in aller Regelmittels Traktion, Flexion und Pronation geschlossen repo-niert und mittels Bildwandler im seitlichen Strahlengangkontrolliert. Nach dem sterilen Abwaschen und Abdeckenerfolgt unter Halten der Reposition zunächst die Platzie-rung des radialen K-Drahtes, der perkutan über eineStichinzision vom immer zu tastenden Epicondylus ra-dialis aus unter seitlicher Bildwandlerkontrolle bikortikalvorgebohrt wird. Beim rein perkutanen Vorgehen aufder ulnaren Seite unter Hyperflexion im Ellenbogenge-lenk kommt es in bis zu 15% der Fälle zu einer Verletzungdes N. ulnaris [3]. Deshalb machen wir für den ulnaren K-Draht einen ca. 2 cm langen Zugang über dem Epicondy-lus ulnaris. Der N. ulnaris wird, soweit notwendig, lokali-

ber S et al. Distale Humerusfrakturen beim… OP-JOURNAL 2018; 34: 279–288

Page 5: Epidemiologie Suprakondyläre Humerusfraktur · die Reposition der Fraktur durch die zunehmende Spitz- winkelstellung mit mindestens 120° (s. Abb.5a–e). Bei Typ-II-Frakturen sollte

▶ Abb. 7 Suprakondyläre Oberarmfraktur Typ IV nach Lutz v. Laer: präoperative und postoperative Röntgenbilder in 2 Ebenen nach geschlossenerReposition und gekreuzter K-Draht-Spickung.

▶ Abb. 8 Schematische Darstellung eines Rotations-sporns mit Kalibersprung bei einer suprakondylärenOberarmfraktur.Quelle: von Laer L, Kraus R, Linhart W.Probleme und Komplikationen. In: von Laer L, Kraus R,Linhart W, Hrsg. Frakturen und Luxationen im Wachs-tumsalter. 6. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2012: 145–149.

Die

ses

Dok

umen

t wur

de z

um p

ersö

nlic

hen

Geb

rauc

h he

runt

erge

lade

n. V

ervi

elfä

ltigu

ng n

ur m

it Z

ustim

mun

g de

s V

erla

ges.

siert und mit dem Finger oder der Pinzette unter Nachlas-sen der Flexion im Ellenbogen nach dorsal weggehalten.Nun setzen wird den ulnaren K-Draht auf dem Epicondy-lus ulnaris mit Gewebeschutz an, führen wieder die ent-sprechende Reposition unter Flexion durch und Bohrenwiederum bikortikal vor. Es ist darauf zu achten, dass sichdie beiden K-Drähte proximal der Fraktur kreuzen. Damitwird eine sekundäre Verdrehung der Fraktur verhindert.Wir kürzen und biegen die distalen Drahtenden um, diedann subkutan versenkt werden. In der Literatur wirdweiterhin auch das perkutane Belassen der Drahtendenals mögliche Alternative ohne wesentliche Gefahr derPin-Track-Infektion angegeben [8]. Sollte nach dem2. geschlossenen Repositionsversuch keine anatomische

Nuber S et al. Distale Humerusfrakturen beim… OP-JOURNAL 2018; 34: 279–288

Stellung erzielt sein, wird die Umlagerung in Bauchlagemit anschließender offener Reposition empfohlen. Intra-wie auch postoperativ sollte die seitliche Ebene im radio-ulnaren Strahlengang durchleuchtet bzw. geröntgt wer-den. Hiermit entgeht man der Gefahr, dass milde Rota-tionsfehler (< 20°) durch Überlagerung vom Condylusradialis verdeckt und damit übersehen werden. Es emp-fiehlt sich immer vor Beginn der OP, die gesunde Gegen-seite klinisch zu untersuchen. So kann nach Platzierungder K-Drähte die Beweglichkeit sowie auch die Ellenbo-genachse der betroffenen Seite (i. d. R. leichter Valgus)im Seitenvergleich beurteilt werden. Wenn eine Flexionvon mindestens 120° möglich ist, kann man davon aus-gehen, dass keine wesentliche Rotationsfehlstellung vor-liegt. Trotz aller dieser Möglichkeiten ist die intraopera-tive Überprüfung der regelrechten Stellung nicht immereinfach. Im seitlichen Strahlengang darf kein Rotations-sporn (Kalibersprung, s. ▶ Abb. 8) zu sehen sein. Diekorrekte Stellung bez. der Kurvation wird mithilfe der Ro-gers-Hilfslinie (Verlängerung der ventralen Humeruskor-tikalis, die im Normalfall das Capitulum humeri am Über-gang vom mittleren zum hinteren Drittel schneidet) be-stimmt (s. ▶Abb. 9). Liegt der Schnittpunkt weiter ven-tral, besteht eine Antekurvationsfehlstellung, liegt derSchnittpunkt weiter dorsal, dann liegt eine Rekurvations-fehlstellung vor. Nach der K-Draht-Spickung schließt sicheine Ruhigstellung für 4 Wochen an. Nach radiologischgesicherter Konsolidierung der Fraktur kann die ambu-lante Implantatentfernung im Rahmen einer Kurznarkose(bei perkutan eingebrachten K-Drähten in Analgosedie-rung) nach 5–6 Wochen durchgeführt werden. Als alter-native Osteosynthesen stehen die mechanisch wenigerstabile 2-fache radiale K-Draht-Spickung, die technischanspruchsvolle, aber übungsstabile antegrade (abstei-gende) ESI-Nagelung (ESIN: elastisch stabile intramedul-

283

Page 6: Epidemiologie Suprakondyläre Humerusfraktur · die Reposition der Fraktur durch die zunehmende Spitz- winkelstellung mit mindestens 120° (s. Abb.5a–e). Bei Typ-II-Frakturen sollte

normal Extension Flexion

▶ Abb. 9 Rogers-Hilfslinie als Hinweis für die korrekte Stellung im seitli-chen Strahlengang: a Bei korrekter Stellung, b bei Hyperextensionsstel-lung, c bei Hyperflexionsstellung. Quelle: von Laer L, Kraus R, Linhart W.Diagnostische Hinweise. In: von Laer L, Kraus R, Linhart W, Hrsg. Frakturenund Luxationen im Wachstumsalter. 6. Aufl. Stuttgart: Thieme; 2012:145–149.

284

Fachwissen

Die

ses

Dok

umen

t wur

de z

um p

ersö

nlic

hen

Geb

rauc

h he

runt

erge

lade

n. V

ervi

elfä

ltigu

ng n

ur m

it Z

ustim

mun

g de

s V

erla

ges.

läre Nagelung) sowie der ebenfalls übungsstabile radialeFixateur externe (cave N. radialis) zur Verfügung [1].

MerkeGelingt bei geschlossener Reposition keine anato-mische Reposition der kindlichen suprakondylärenHumerusfraktur, muss eine offene Reposition durch-geführt werden! Die intraoperative Stellungskontrol-le beinhaltet die Bildwandlerkontrolle in 2 Ebenenund die Überprüfung der Extension und Flexion sowieder Ellenbogenachse im Seitenvergleich!

Neben der bereits beschriebenen Gefahr der iatrogenenNervenschädigung vor allem des N. ulnaris (K-Draht-Spi-ckung) und des N. radialis (Fixateur externe) besteht vorallem bei den Typ-III- und Typ-IV-Frakturen die Gefahreiner traumatischen Nervenläsion (i. d. R. Traktionsscha-den) und/oder einer Gefäßläsion in der Ellenbeuge(A. brachialis). Nach langwierigen Repositionsversuchenund der teilweise ausgeprägten Schwellung muss immerein Kompartmentsyndrom ausgeschlossen werden. Nichtkorrekt reponierte und retinierte Frakturen führen zu ent-sprechenden Achs- und Rotationsfehlstellungen mit Ein-schränkungen der Ellenbogenbeweglichkeit und schick-salhaften u.a. auch kosmetisch sehr unangenehmenWachstumsstörungen (Cubitus varus und valgus).

Nach Freigabe des Ellenbogengelenks bedarf es nahezunie einer Physiotherapie. Die volle Beweglichkeit stelltsich quasi durch Eigenbeübung im Rahmen des kindli-chen Spieltriebs individuell nach ca. 3–6 Wochen selbst-ständig ein. Die Sportfähigkeit besteht nach Erreichender seitengleichen Ellenbogenbeweglichkeit.

Nu

Epikondyläre Abrissfrakturen

Verletzungsmechanismus/klinisches Bild/Diagnostik

Die Epikondylen des distalen Humerus sind sog. Apophy-sen, die metaphysär und damit extraartikulär liegen. Siesind nicht am Längenwachstum beteiligt und dienen alsBandansatz und Muskelursprung. Der Verletzungsmecha-nismus ist meist ein Sturz auf den ausgestreckten Arm. Inca. 75% der Fälle liegt eine Kombinationsverletzung miteiner Ellenbogenluxation vor, wobei es bei einem Dritteldieser Fälle bei Diagnosestellung bereits zur spontanenReposition des Gelenks gekommen ist [7, 10]. Bis auf sehrwenige Ausnahmen ist meist der ulnare Epikondylus be-troffen.

Das klinische Bild ist davon abhängig, ob ein Luxations-mechanismus stattgefunden hat. Neben einer ausge-prägten Schwellung können sämtliche Befunde einer Ge-lenkluxation (u. a. deutliche Fehlstellung) einschließlichmöglicher traumatischer Gefäß- und Nervenläsion vorlie-gen. Im luxierten Zustand ist die klinische Untersu-chungsfähigkeit in aller Regel stark eingeschränkt.

Grundlage der Diagnosestellung ist die konventionelleRöntgenuntersuchung in 2 Ebenen. Schwierigkeiten beider Interpretation der Röntgenbilder, die aufgrund derakuten Verletzung nahezu nie in dem korrekten a.–p.und seitlichen Strahlengang möglich sind, bereitet dasrelativ variable Erscheinen der entsprechenden Knochen-kerne. Der Epicondylus ulnaris ist ab etwa dem 5. Lebens-jahr, der des Epicondylus radialis ab dem 8.–13. Lebens-jahr sichtbar. Da diese Kerne nicht selbst frakturieren, istauf eine Erweiterung der knorpeligen Wachstumszonezwischen Apophysenkern und dem distalen Humerus zuachten. Vor allem ein fehlender Epicondylus ulnaris mussaufhorchen lassen. Hier liegt dann häufig eine Gelenkin-terposition des Abrissfragmentes nach erfolgter Luxationvor (s. ▶ Abb. 10a–b). In einigen Fällen kann eine MRT(Magnetresonanztomografie) zur Sicherung der Diagno-se und zur Beurteilung des übrigen Kapsel-Band-Appara-tes sowie zum Ausmessen der Dislokation sinnvoll sein.

MerkeBei Kindern ab dem 5. Lebensjahr muss bei fehlendemEpicondylus-ulnaris-Kern nach Ellenbogentraumaimmer an das Vorliegen einer Luxationsfraktur ge-dacht werden!

Therapie/Komplikationen/Nachbehandlung

Komplette Abrissfrakturen sind prinzipiell als instabileVerletzungen einzustufen und bedürfen bis zur Heilungeiner entsprechend adäquaten Ruhigstellung. Eine Dehis-zenz von bis zu 5mm, bei jungen Kindern sogar bis zu10mm, kann belassen und der konservativen Therapiemit Oberarmcast zugeführt werden. Dabei sollte nach

ber S et al. Distale Humerusfrakturen beim… OP-JOURNAL 2018; 34: 279–288

Page 7: Epidemiologie Suprakondyläre Humerusfraktur · die Reposition der Fraktur durch die zunehmende Spitz- winkelstellung mit mindestens 120° (s. Abb.5a–e). Bei Typ-II-Frakturen sollte

▶ Abb. 10 Ellenbogenluxation mit abgerissenem und interponiertem Epicondylus ulnaris (roter Kreis): a Präoperative Röntgenbilder in 2 Ebenen.b Nach knöcherner Ausheilung nach offener Reposition und kanülierter Zugschraubenosteosynthese.

Die

ses

Dok

umen

t wur

de z

um p

ersö

nlic

hen

Geb

rauc

h he

runt

erge

lade

n. V

ervi

elfä

ltigu

ng n

ur m

it Z

ustim

mun

g de

s V

erla

ges.

ca. 7 Tagen eine Röntgenverlaufskontrolle zum Aus-schluss einer Sekundärdislokation erfolgen. Besteht eineweite Dislokation oder Rotation des Abrissfragments,wird die offene anatomische Reposition und wenn mög-lich übungsstabile Zugschraubenostesynthese (z.B. ka-nülierte Schrauben mit kurzem Gewinde) durchgeführt[4]. Bei sehr kleinen Kindern bzw. Epikondylenfragmen-ten kann es sein, dass nur eine K-Draht-Osteosyntheseoder ggf. nur eine transossäre Naht möglich ist. In sol-chen Fällen bedarf es anschließend einer Schienenruhig-stellung für 2–4 Wochen. Intraoperativ empfiehlt sichbei den Epicondylus-ulnaris-Frakturen zur sicheren Scho-nung die Darstellung des N. ulnaris. Eine vollständigeNeurolyse ist nicht erforderlich. Nach Osteosynthese desEpikondylus muss intraoperativ die Stabilität des Ellenbo-gengelenks überprüft und bei Vorliegen z.B. einer zusätz-lichen radialen Instabilität, vor allem bei Adoleszenten,eine zusätzliche Revision und entsprechende Versorgungdes radialen Kapsel-Band-Apparates erfolgen.

MerkeDie operative Therapie der Wahl bei dislozierten epi-kondylären Frakturen am kindlichen distalen Hume-rus ist die offene anatomische Reposition und bewe-gungsstabile Zugschraubenosteosynthese.

Die häufigsten Komplikationen sind, bei unzureichenderRuhigstellung oder Retention, die Entwicklung einer kli-nisch nicht immer symptomatischen Pseudarthrose oderdie Irritation des N. ulnaris [5].

Nach funktioneller Nachbehandlung (bei Zugschrauben-osteosynthese) bzw. Ruhigstellung (bei konservativer Be-handlung oder K-Draht-Osteosynthese) erfolgt jeweilsnach ca. 4 Wochen eine Röntgenverlaufskontrolle und

Nuber S et al. Distale Humerusfrakturen beim… OP-JOURNAL 2018; 34: 279–288

bei entsprechender Konsolidierung die Freigabe des Ge-lenks. Schrauben werden bei uns nach 12 und K-Drähtenach 6 Wochen im Rahmen eines ambulanten Eingriffsentfernt. Bei jüngeren Kindern ist in aller Regel keine Phy-siotherapie notwendig, bei Adoleszenten empfiehlt sichbei inadäquater Verbesserung der Beweglichkeit nach 3–4 Wochen die Durchführung von Krankengymnastik. DieSportfähigkeit besteht ab dem Zeitpunkt der seitenglei-chen schmerzfreien Ellenbogenbeweglichkeit.

Transkondyläre Frakturen

Verletzungsmechanismus/klinisches Bild/Diagnostik

Ursache sind meist Stürze auf den gestreckten Arm oderdirekt auf den Ellenbogen. Diese Frakturen gehen durchdie Meta- und Epiphyse und liegen somit intraartikulär.Überwiegend betroffen ist der Condylus radialis. Wesent-lich seltener sind die Condylus-ulnaris- und Y-Frakturen,die meist Adoleszente betreffen, aber durch neuere Spiel-und Sportarten (z.B. Trampolinspringen, Bouldern) ver-mehrt auch jüngere Kinder betreffen.

Das klinische Bild ist wiederum abhängig vom Disloka-tionsgrad und kann daher sehr verhalten oder aber aucheindrücklich sein. Das diagnostische Standardverfahrenist die konventionelle Röntgenuntersuchung des Ellenbo-gengelenks in 2 Ebenen. Vollständig dislozierte Frakturensind meist problemlos zu erkennen, bei jungen Kindernkann die Diagnose wegen des großen knorpeligen Anteilsdes Kondylus schwierig sein. Therapieentscheidend istdie sichere Unterscheidung zwischen der sog. hängen-den (unvollständige Fraktur) und damit stabilen Frakturvon der vollständigen, noch undislozierten Fraktur, die

285

Page 8: Epidemiologie Suprakondyläre Humerusfraktur · die Reposition der Fraktur durch die zunehmende Spitz- winkelstellung mit mindestens 120° (s. Abb.5a–e). Bei Typ-II-Frakturen sollte

▶ Abb. 11 Röntgenbilder in 2 Ebenen von einer primär undisloziertenaugenscheinlich „stabilen“ Condylus-radialis-Fraktur bei einem 5-jährigenKind; Nachweis einer Dislokation (rote Pfeile) bei der obligatorischenKontrolle nach 5 Tagen sowie Röntgenbefund bei regelrechter Ausheilungnach offener Reposition und Zugschraubenosteosynthese.

286

Fachwissen

Die

ses

Dok

umen

t wur

de z

um p

ersö

nlic

hen

Geb

rauc

h he

runt

erge

lade

n. V

ervi

elfä

ltigu

ng n

ur m

it Z

ustim

mun

g de

s V

erla

ges.

als potenziell instabil interpretiert werden muss. Bei nichtdislozierten Frakturen ist deshalb nach primärer Ruhig-stellung in der Oberarmschiene eine Röntgenverlaufs-kontrolle ohne Schiene nach 4–6 Tagen zwingend erfor-derlich, um eine sekundäre Dislokation auszuschließen.Zeigt sich dann auch nur eine minimale Dislokation, mussvon einer Instabilität ausgegangen und damit eine OP-Indikation gestellt werden.

Nu

MerkeBeim Vorliegen einer undislozierten Condylus-radia-lis-Fraktur ist die Röntgenverlaufskontrolle ohneSchiene nach 4–6 Tagen zum frühzeitigen Erkenneneiner möglichen Dislokation zwingend erforderlich!

Therapie/Komplikationen/Nachbehandlung

Undislozierte stabile Frakturen werden in einem Ober-armdynacast für 4 Wochen ruhiggestellt. Dabei sollte,wie oben beschrieben, unbedingt nach 4–6 Tagen einegipsfreie Röntgenkontrolle erfolgen, um eine Instabilitätund Sekundärdislokation auszuschließen. VollständigeFrakturen des Condylus radialis neigen trotz adäquaterImmobilisierung zur Sekundärdislokation und werdendeshalb nicht umsonst als „Kadiläsion“ bezeichnet [7]. In-stabile Frakturen, dislozierte Frakturen mit einer Dehis-zenz von 2mm oder mehr sowie Frakturen mit Gelenk-stufe werden offen anatomisch reponiert und wenn mög-lich mittels übungsstabiler Zugschraubenosteosyntheseretiniert (s. ▶ Abb. 11). Bei sehr jungen Kindern oder sehrkleinen Fragmenten ist häufig nur eine K-Draht-Osteo-synthese möglich, die anschließend einer additiven Ru-higstellung in einer Oberarmschiene für 2–4 Wochen be-darf. Die sehr seltenen Y-Frakturen oder transkondylärenFrakturen treten meist bei älteren Kindern auf. Hier ist inaller Regel eine Plattenosteosynthese im Kombinationmit Zugschrauben (oder K-Drähten) entsprechend der Er-wachsenentraumatologie notwendig (s. ▶ Abb. 12a–c)[2].

MerkeDie operative Therapie der Wahl bei instabilen bzw.dislozierten transkondylären distalen Humerusfrak-turen beim Kind ist die offene anatomische Reposi-tion und bewegungsstabile Osteosynthese.

Die häufigsten Komplikationen sind übersehene, meistsekundäre Fehlstellungen, die zu Pseudarthrosenbildungneigen. Da es sich um Gelenkfrakturen handelt, sind kei-ne Korrekturen durch das Wachstum zu erwarten. Eskann typischerweise durch eine passagere Stimulationder Fuge bei ulnaren Frakturen zur Valgisierung, nach ra-dialen und Y-Frakturen zur Varisierung der Ellenbogen-achse kommen. Das Ausmaß dieser Varisierung ist ab-hängig von der Konsolidierungsdauer und somit von derStabilität der Fraktur und dem angewandten Osteosyn-theseverfahren [9].

Kompressionsschraubenosteosynthesen sind übungssta-bil und können frühfunktionell nachbehandelt werden.Konservativ mittels Ruhigstellung behandelte Frakturenkönnen nach radiologisch gesicherter Durchbauung nachca. 4 Wochen freigegeben werden. In aller Regel bedarfes keiner Krankengymnastik. Bei anhaltenden Bewe-gungseinschränkungen nach knöcherner Konsolidierungoder bei älteren Kindern kann die Physiotherapie indiziertsein. Die Sportfähigkeit besteht nach Erreichen der freien

ber S et al. Distale Humerusfrakturen beim… OP-JOURNAL 2018; 34: 279–288

Page 9: Epidemiologie Suprakondyläre Humerusfraktur · die Reposition der Fraktur durch die zunehmende Spitz- winkelstellung mit mindestens 120° (s. Abb.5a–e). Bei Typ-II-Frakturen sollte

Ellenbogenbeweglichkeit. Die elektiv ambulante Implan-tatentfernung erfolgt bei reiner K-Draht-Osteosynthesenach 5–6 und nach Schraubenosteosynthesen nach ca.12 Wochen.

▶ Abb. 12 Transkondyläre Y-Fraktur bei einem 9-jährigen Mädchen,Röntgenbilder in 2 Ebenen vor (a) und nach (b) operativer Versorgungsowie nach Implantatentfernung nach regelrechter Ausheilung der Frak- pe

rsön

liche

n G

ebra

uch

heru

nter

gela

den.

Ver

viel

fälti

gung

nur

mit

Zus

timm

ung

des

Ver

lage

s.

Zusammenfassung/PrognoseFrakturen am distalen Humerus sind die häufigsten Ver-letzungen des kindlichen Oberarms, wobei die typischenextraartikulären, metaphysären Frakturen von den in-traartikulären, epiphysären Formen unterschieden wer-den müssen. Aufgrund der geringen Wachstumspotenzdes distalen Humerus besteht selbst bei jungen Kindernein sehr beschränktes Korrekturpotenzial für Fehlstellun-gen. Dies muss bei der Entscheidungsfindung zur Thera-pie dieser Frakturen bedacht werden. Instabile oder dis-lozierte Frakturen des distalen Humerus müssen beimKind anatomisch reponiert und wenn möglich übungs-stabil fixiert werden. Bei der am häufigsten vorkommen-den suprakondylären Fraktur meist angewandten ge-kreuzten K-Draht-Spickung bedarf es, wie bei allen nurmit K-Draht-Spickung stabilisierten Frakturen am distalenHumerus, anschließend einer additiven Ruhigstellung.Die konsequente und regelrechte Therapie führt nach-weislich zu exzellenten funktionellen Ergebnissen. BeiFrakturen am kindlichen distalen Humerus besteht immerdie Gefahr für primär auftretende oder iatrogene Gefäß-und/oder Nervenläsionen, die nicht übersehen werdendürfen und adäquat behandelt werden müssen. Primärnicht gesehene oder sekundär entstandene Dislokatio-nen und Pseudarthrosenbildungen können das Outcomedurch eine kosmetisch störende Fehlstellung, bleibendeBewegungseinschränkung, Schmerzen und Nervenirrita-tion deutlich verschlechtern.

Interessenkonflikt

tur (c).

Nuber

m

Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

t wur

de z

u

Autorinnen/Autoren

S et al. Distale H

Die

ses

Dok

umen

Stefan Nuber

Dr. med., Facharzt für Chirurgie, Orthopädieund Unfallchirurgie, spezielle Unfallchirurgie,Notfallmedizin; Oberarzt, Bereichsleiter Kin-dertraumatologie, Klinik für Unfallchirurgie,Orthopädie, Plastische und Handchirurgie,Klinikum Augsburg

Johannes Plath

Dr. med.; Oberarzt, Klinik für Unfallchirurgie,Orthopädie, Plastische und Handchirurgie,Klinikum Augsburg

umerusfrakturen beim… OP-JOURNAL 2018; 34: 279–288

Stefan Förch

Dr. med.; Oberarzt, Klinik für Unfallchirurgie,Orthopädie, Plastische und Handchirurgie,Klinikum Augsburg

Edgar Mayr

Prof. Dr. med., Facharzt für Chirurgie, Ortho-pädie und Unfallchirurgie, spezielle Unfall-chirurgie; Chefarzt, Klinik für Unfallchirurgie,Orthopädie, Plastische und Handchirurgie,Klinikum Augsburg

287

Page 10: Epidemiologie Suprakondyläre Humerusfraktur · die Reposition der Fraktur durch die zunehmende Spitz- winkelstellung mit mindestens 120° (s. Abb.5a–e). Bei Typ-II-Frakturen sollte

288

Fachwissen

Korrespondenzadresse

Dr. med. Stefan NuberKlinik für Unfallchirurgie, Orthopädie,Plastische und HandchirurgieKlinikum AugsburgStenglinstraße 286156 AugsburgTel.: 0821/400-2902Fax: 0821/[email protected]

. Ver

viel

fälti

gung

nur

mit

Zus

timm

ung

des

Ver

lage

s.

Literatur

[1] AWMF online. S1-Leitlinie 012/2014: Suprakondyläre Hume-rusfraktur beim Kind. Im Internet: https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/012-014.html; Stand: 03.12.2014, gültigbis 02.12.2019

[2] AWMF online. S2 k-Leitlinie 006/126: Intraartikuläre Fraktu-ren des distalen Humerus im Kindesalter. Im Internet:https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/006-126.html;Stand: 31.03.2015, gültig bis 30.03.2020

[3] Babal JC, Mehlman CT, Klein G. Nerve injuries associated withpediatric supracondylar humeral fractures: a meta-analysis.J Pediatr Orthop 2010; 30: 253–263

[4] Case SL, Hennrikus WL. Surgical treatment of displaced medialepicondyle fractures in adolescent athletes. Am J Sports Med1997; 25: 682–686

Nu

[5] Josefsson PO, Danielsson LG. Epicondylar elbow fractures inchildren. Acta Orthop Scand 1986; 57: 313–315

[6] Krauss R, Schneidmüller D, Röder C. Häufigkeit von Frakturender langen Röhrenknochen im Wachstumsalter. Dtsch Ärztebl2005; 102: A‑838/B‑708/C‑661

[7] von Laer L, Kraus R, Linhart WE. Frakturen und Luxationen imWachstumsalter. 6. Aufl. Stuttgart, New York: Thieme; 2012

[8] von Laer L, Günter SM, Knopf S et al. Die suprakondyläre Ober-armfraktur im Kindesalter – eine Effizienzstudie. Ergebnisseder multizentrischen Studie der Sektion Kindertraumatologieder Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie. Teil II: Auf-wand und Nutzen der Behandlung. Unfallchirurg 2002; 105:217–223

[9] Marzi I, Hrsg. Kindertraumatologie. 2. Aufl. Berlin, Heidelberg,New York: Springer

[10] Weinberg AM, Marzi I, Günter SM et al. Die suprakondyläreOberarmfraktur im Kindesalter – eine Effizienzstudie. Ergeb-nisse der multizentrischen Studie der Sektion Kindertraumato-logie der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie. Teil I: Epi-demiologie, Effektivitätsprüfung und Klassifikation. Unfallchi-rurg 2002; 105: 208–216

Bibliografie

ber S

DOI https://doi.org/10.1055/a-0594-5068OP-JOURNAL 2018; 34: 279–288 © Georg Thieme Verlag KGStuttgart · New York ISSN 0178‑1715

et al. Distale Humerusfrakturen beim… OP-JOURNAL 2018; 34: 279–288

Die

ses

Dok

umen

t wur

de z

um p

ersö

nlic

hen

Geb

rauc

h he

runt

erge

lade

n