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Geschichte der Epilepsie Epilepsie ist griechisch und heisst auf Deutsch "gepackt werden", ergriffen werden oder angefallen werden. In der Übersetzung steckt der "Anfall" bereits drin. Kaum eine andere Krankheit lässt sich in der Medizingeschichte so weit zu- rück verfolgen, wie die Epilepsie. Frü- her sprach man von der Fallsucht, dem West-Syndrom oder der heiligen Krank- heit. Der Name die "Heilige Krankheit" ent- stand durch die Verbindung mit dem Götti ichen, welche sich während des Krankheitsverlaufes herstellt. Bis zum Ende des 19. jahrhunderts wur- den epileptische Anfälle für eine Gei- steskrankheit gehalten. Epileptiker kön- Rüdiger Dahlke vergleicht einen epi- Dass Epilepsie so auffallend häufig the- nen die gleichen psychischen Sympto- leptischen Anfall mit einem Erdbeben. matisiert wird, mag wohl daran liegen, me aufweisen: traurig, vergesslich, un- Gewaltige Kräfte entladen sich in ruck- dass diese Krankheit tatsächlich sehr konzentriert, depressiv - aber sie sind artiger Bewegung. Die Erde bebt, bis häufig ist. Vielleicht liegt es auch daran, nicht geisteskrank! Es gibt eine Menge die grössten Spannungen vorüber sind, dass sich die Symptome und das Er- hachbegabtet und betühm\er Per~ön- \.mo komm~ nach kle}l)eH:'1) Nachbeben scnelnungsb;}d se'nr dramatisch ~ .... ~\)~1i6i~\tdJ.,~~<'1~1~.~/ii<'!.~uJi_1it~~;~d::';~':':~~~~,:,,,,~':k'70""'i:"':"'~;;':t::'~'~>c: __ <':"C<ftt~'&':~~"""'~"~~::-}:O·.· ~);""="~':o\.I,::,,- ... ~,-,- .. l.; .. ,I,:.: ..•.~.'" Epilepsie im Horoskop Heike Untermoser Epilepsie ist eine der häufigsten chroni- schen Erkrankungen des zentralen Ner- vensystems. jeder Mensch kann unter extremen Vor- aussetzungen einen epileptischen An- fall erleiden. Ausgelöst durch Stress, Fieber oder chronischen Alkoholismus. Ein Anfall ist noch keine Epilepsie, es ist nur ein Symptom. Erst nach zwei Anfäl- len, die im Abstand von mindestens 24 Stunden eintreten, spricht man von Epi- lepsie. Auffallend ist das grosse Informations- defizit in unserer Gesellschaft über das Leiden von Epilepsie. jeder ist ausreichend informiert über den kindlichen Autismus, eine eher sel- tene Krankheit, die eines von mehreren tausend Kindern trifft. Gleichzeitig weiss beinahe niemand etwas über Epilepsie, die einen von hundert befällt. Teil I gibt sie in der heutigen Zeit noch das Fluidum des Unerklärlichen und Un- heimlichen, viele Ängste und Vorurtei- le kreisen um diese Krankheit. Trotz unsererfortschrittlichen medizini- schen Erkenntnisse gehört die Epilepsie noch immer zu den grossen Rätseln. Streng genommen ist Epilepsie keine Krankheit im klassischen medizini- schen Sinne, sondern ein Symptom, wie Kopfschmerzen, Schnupfen ... Warum löst ein epileptischer Anfall mehr Aufregung aus, als jedes andere ebenso erschreckende Krankheitsbild? Liegt es daran, dass der Kranke im An- fall zu sterben scheint? Daran, dass die- ser "Pseudo-Tod" an den wirklichen Tod erinnert? Es wird noch lange dauern, bis man wirklich sicher sagen kann, was diese Menschen befallen hat, nur eine Krank- heit wird es wohl nicht sein. Krankheit als Zuflucht oder Selbstflucht jedes Krankheitsbild, das sich im Kör- per niederschlägt, hat auch eine seeli- sche Bedeutung. Wenn wir uns die Mühe machen, den Wegweiser zu er- kennen, öffnet sich die Chance, der je- weiligen Lebensaufgabe auf die Spur zu kommen. Bei Epilepsie geht es in erster Linie um den Bewusstseinsverlust. Das Bewusst- sein verlässt den Körper und wird in eine andere Realität gerissen, wo sich der Betreffende nicht zurecht findet und im Normalfall bringt er auch keine Erin- nerungen zurück. anderen Seins-Zustand gebracht. Das kann nur passieren, wenn wir uns nicht im Einklang mit dem Leben befinden. Man befindet sich in einer geistig-see- lisch labilen Situation, wo ein Anstoss oder ein Unfall genügt, um in einen anderen Bewusstseinszustand zu rut- schen. Ob dieser Zustand schlechter oder besser ist, dürfen wir nicht beur- teilen. Es könnte durchaus sein, dass man höhere, geistige Energien mobili- siert und dadurch "erhoben" in einen anderen Bewusstsei nszustand gerät. Wenn man diese Energie nicht halten kann, fällt man wieder zurück in sein bisheriges Energiefeld. Bei Menschen, die an Epilepsie leiden, scheint die Affinität zu Unfällen, eine starke Identifikation mit einem Toten oder einem Trauma grass. Es hat den Anschein, dass sich diese Menschen nicht wirklich von ihrer Krankheit be- freien wollen. Anscheinend gibt Ihnen erst diese Krankheit ihre eigene Iden- tität. Durch diesen Zustand haben sie sich ein Selbstbild erschaffen, indem sie jeder erkennt. Man möchte diesen ei- nen Teil von sich, von dem man eigent- lich keine klare Vorstellung hat, nicht aufgeben. In unerträglichen Situationen zieht man eine Flucht in den Anfall vor und hat somit erst einmal seine Ruhe und muss nicht mehr hinschauen. Epilepsie in der Kunst Epilepsie ist eine chronische Krankheit, welche den Menschen in der berufli- chen Tätigkeit, in zwischenmenschli- chen und gesellschaftlichen Bereichen bis hin zur Freizeitgestaltung beein- trächtigen kann. Die Kunst zeigt an diesem Krankheits- bild ein immerwährendes Interesse. Es gibt viele Bilder, Skulpturen und zeit- genössische Darstellungen, in denen die Epilepsie als Motiv dient.

Epilepsie im Horoskop - Horoskop Besprechung, Beratung ... · Geschichte der Epilepsie Epilepsie ist griechisch und heisst auf Deutsch "gepackt werden", ergriffen werden oder angefallen

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Geschichte der EpilepsieEpilepsie ist griechisch und heisst aufDeutsch "gepackt werden", ergriffenwerden oder angefallen werden. In derÜbersetzung steckt der "Anfall" bereitsdrin.Kaum eine andere Krankheit lässt sich

in der Medizingeschichte so weit zu­rück verfolgen, wie die Epilepsie. Frü­her sprach man von der Fallsucht, demWest-Syndrom oder der heiligen Krank­heit.

Der Name die "Heilige Krankheit" ent­stand durch die Verbindung mit demGötti ichen, welche sich während desKrankheitsverlaufes herstellt.Bis zum Ende des 19. jahrhunderts wur­

den epileptische Anfälle für eine Gei-steskrankheit gehalten. Epileptiker kön- Rüdiger Dahlke vergleicht einen epi- Dass Epilepsie so auffallend häufig the-nen die gleichen psychischen Sympto- leptischen Anfall mit einem Erdbeben. matisiert wird, mag wohl daran liegen,me aufweisen: traurig, vergesslich, un- Gewaltige Kräfte entladen sich in ruck- dass diese Krankheit tatsächlich sehrkonzentriert, depressiv - aber sie sind artiger Bewegung. Die Erde bebt, bis häufig ist. Vielleicht liegt es auch daran,nicht geisteskrank! Esgibt eine Menge die grössten Spannungen vorüber sind, dass sich die Symptome und das Er-hachbegabtet und betühm\er Per~ön- \.mo komm~ nach kle}l)eH:'1) Nachbeben scnelnungsb;}d se'nr dramatisch ~

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Epilepsie im Horoskop

Heike Untermoser

Epilepsie ist eine der häufigsten chroni­schen Erkrankungen des zentralen Ner­vensystems.jeder Mensch kann unter extremen Vor­aussetzungen einen epileptischen An­fall erleiden. Ausgelöst durch Stress,Fieber oder chronischen Alkoholismus.

Ein Anfall ist noch keine Epilepsie, es istnur ein Symptom. Erst nach zwei Anfäl­len, die im Abstand von mindestens 24Stunden eintreten, spricht man von Epi­lepsie.Auffallend ist das grosse Informations­defizit in unserer Gesellschaft über das

Leiden von Epilepsie.jeder ist ausreichend informiert überden kindlichen Autismus, eine eher sel­tene Krankheit, die eines von mehrerentausend Kindern trifft. Gleichzeitig weissbeinahe niemand etwas über Epilepsie,die einen von hundert befällt.

Teil I

gibt sie in der heutigen Zeit noch dasFluidum des Unerklärlichen und Un­

heimlichen, viele Ängste und Vorurtei­le kreisen um diese Krankheit.Trotz unsererfortschrittlichen medizini­

schen Erkenntnisse gehört die Epilepsienoch immer zu den grossen Rätseln.Streng genommen ist Epilepsie keineKrankheit im klassischen medizini­

schen Sinne, sondern ein Symptom,wie Kopfschmerzen, Schnupfen ...Warum löst ein epileptischer Anfallmehr Aufregung aus, als jedes andereebenso erschreckende Krankheitsbild?

Liegt es daran, dass der Kranke im An­fall zu sterben scheint? Daran, dass die­ser "Pseudo-Tod" an den wirklichenTod erinnert?

Es wird noch lange dauern, bis manwirklich sicher sagen kann, was dieseMenschen befallen hat, nur eine Krank­heit wird es wohl nicht sein.

Krankheitals Zuflucht oder Selbstfluchtjedes Krankheitsbild, das sich im Kör­per niederschlägt, hat auch eine seeli­sche Bedeutung. Wenn wir uns dieMühe machen, den Wegweiser zu er­kennen, öffnet sich die Chance, der je­weiligen Lebensaufgabe auf die Spur zukommen.

Bei Epilepsie geht es in erster Linie umden Bewusstseinsverlust. Das Bewusst­

sein verlässt den Körper und wird ineine andere Realität gerissen, wo sichder Betreffende nicht zurecht findet und

im Normalfall bringt er auch keine Erin­nerungen zurück.

anderen Seins-Zustand gebracht. Daskann nur passieren, wenn wir uns nichtim Einklang mit dem Leben befinden.Man befindet sich in einer geistig-see­lisch labilen Situation, wo ein Anstossoder ein Unfall genügt, um in einenanderen Bewusstseinszustand zu rut­schen. Ob dieser Zustand schlechteroder besser ist, dürfen wir nicht beur­teilen. Es könnte durchaus sein, dassman höhere, geistige Energien mobili­siert und dadurch "erhoben" in einen

anderen Bewusstseinszustand gerät.Wenn man diese Energie nicht haltenkann, fällt man wieder zurück in seinbisheriges Energiefeld.

Bei Menschen, die an Epilepsie leiden,scheint die Affinität zu Unfällen, einestarke Identifikation mit einem Toten

oder einem Trauma grass. Es hat denAnschein, dass sich diese Menschennicht wirklich von ihrer Krankheit be­

freien wollen. Anscheinend gibt Ihnenerst diese Krankheit ihre eigene Iden­tität. Durch diesen Zustand haben siesich ein Selbstbild erschaffen, indem siejeder erkennt. Man möchte diesen ei­nen Teil von sich, von dem man eigent­lich keine klare Vorstellung hat, nichtaufgeben.In unerträglichen Situationen zieht maneine Flucht in den Anfall vor und hatsomit erst einmal seine Ruhe und mussnicht mehr hinschauen.

Epilepsie in der KunstEpilepsie ist eine chronische Krankheit,welche den Menschen in der berufli­

chen Tätigkeit, in zwischenmenschli­chen und gesellschaftlichen Bereichenbis hin zur Freizeitgestaltung beein­trächtigen kann.Die Kunst zeigt an diesem Krankheits­bild ein immerwährendes Interesse. Es

gibt viele Bilder, Skulpturen und zeit­genössische Darstellungen, in denendie Epilepsie als Motiv dient.

Epilepsie in der LiteraturSeit der Antike bis heute ist Epilepsiedas Thema von Romanen und Gedich­ten so wie von Dramen und Erzählun­

gen: z.B. Cervantes im Don Quichotte,Shakespeare im Lear - im Hamlet, Tho­mas Mann - der Zauberberg, AgathaChristie - das Schicksal in Person, Mordauf dem Golfplatz, die Morde desHerrn ABC. Der russische Schriftsteller

Fjodor Dostojewski litt selbst an Epilep­sie und hat sein eigenes Krankheits­schicksal in seine Werke einbezogen.Der Idiot, der Doppelgänger und dieDämonen geiten als die bekanntestenWerke. Dostojewski war einer der grös­sten Schriftsteller des 19. Jahrhunderts.Für die Medizin lieferte er sehr wesent­

liche Beiträge, durch die genaue Schil­derung seiner häufigen epileptischenAnfälle.

Das Gehirn

Unser Gehirn ist ein komplexes Organ,vergleichbar mit dem leistungsfähigstenComputer, wobei das Gehirn in allenBelangen noch überlegen ist. Wie derComputer ist dieses Wunder vonGehirn auch störungsanfällig.Neben dem Grosshirn, Kleinhirn undZwischenhirn befinden sich hier auch

die Schläfenlappen, (hinter dem Ohr),wo ein grosser Teil des limbischenSystems liegt. Das limbische System hatdie Aufgabe, Emotionen zu verarbeiten.Bedeutendes graviert sich somit unver­gesslich in unsere Hirnzellen.

E p'physe

Patienten mit einer Schläfenlappenepi­lepsie zeigen gehäuft "Spirituelle Visio­nen" und neigen zu tiefer Religiösität.Sind epileptische Anfälle auf diese klei­ne Hirnregion begrenzt, gehen diese oftmit Erlebnissen göttlicher Gegenwart,dem Gefühl in Flammen zu stehen undsich in unmittelbarem Kontakt mit Gottzu befinden einher. Die Gefühle kön-

Astrolog Nr. 163

nen von tiefster Verzweiflung bis zuhöchster Ekstaseführen.

Ein generalisierter Anfall umfasst dasganze Gehirn, beide Seiten gleichzei­tig.Was aber passiert nun qenau in denTemporallappen (Schläfenlappen)? Psy­chische oder nervliche Erregungszu­stände verstärken die Anzahl der elek­

trischen Nervenimpulse im Gehirn.Das führt zu einem Impulsstau und ei­ner explosiven, plötzlichen Entladung.Ein epileptischer Anfall ist eine unspe­zifische Antwort des Gehirns auf eine

Anzahl möglicher Schädigungen undReize.

Ursachen für die Schädigung desGehirngewebes können sein:HirnhautentzündungHirnblutungSauerstoffmangel unter der GeburtHirnverletzung durch UnfallSchlaganfallStoffwechselstörung des GehirnsTumor oder Fehlbildung in der Hirn­entwicklung

Heilungschancen von EpilepsienEs gibt inzwischen eine grosse Anzahlvon Medikamenten, die wirksam sind,auch wenn sie längst nicht in jedem Fallausreichend sind. In vielen Fällen sind

diese Anti-Epileptika lebensnotwendig,um die Krampfanfälle zu verhindern,oder wenigstens auf ein erträglichesMass zu reduzieren.

Leider sind alle Anti-Epileptika mit ver­schieden starken Nebenwirkungen be­haftet: starke Müdigkeit, Antriebslosig­keit, Energiemangel, Hautreaktionen,Haarausfall sind nur einige davon.Epilepsiespezifische Forschungen wä­ren dringend nötig, um ein wirksameresund vor allem nebenwirkungsärmeresMedikament zu erhalten.

Alternativen

Esgibt einige hervorragende Mittel ausder Naturmedizin, aber ein allopathi­sches Medikament soll auf keinen Fall

von einem Tag auf den anderen abge­setzt werden.

Aethusa-Hundspetersi/ie hat eine be­sondere Wirkung auf das Nervensystem.Asteria rubens-Seestem ist ein traditio­

nelles Epilepsiemittel.Cuprum-metallisches Kupfer hat Wir­kung bei allen Formen von Krämpfen.Hyoscyamus-Bi/senkraut deckt als

Heilpflanze den gesamten Beschwer­den und Symptomkomplex dieser Er­krankung ab.

Weitere Möglichkeiten, die den Hei­lungsverlauf unterstützen können, wären:BachblütenSchüssler-Salze

FarbtherapieHomöopathieum nur einige zu nennen.Jede Erkrankung ist auch immer eineBotschaft und ein Lernweg. Nicht im­mer bedeutet Heilung, das Wegneh­men einer Krankheit. Es ist durchaus

möglich, dass vom Kranken das höchstmögliche Mass an Bewusstwerdunggefordert wird, bevor Heilung gesche­hen kann. Wenn die Information der

Krankheit erkannt wird, geschieht inder Regel auch Linderung oder mei­stens sogar Heilung.

Zusammenfassunq und WichtigesVon einer Epilepsie spricht man erstnach mehreren Anfällen ohne erkenn­bare Ursache.Durch Anfälle werden keine Gehirn­zellen zerstört.

Epilepsie ist genau genommen keineKrankheit, sondern eine Störung desGehirns.

Esgibt mehr als 20 Arten von Epilep­slen.

Esgibt keinen typischen Epileptiker.Menschen mit Epilepsie unterscheidensich voneinander ebenso, wie Men­schen mit hohem Blutdruck oderZuckerkrankheit.

Epilepsie ist keine Geisteskrankheit,ebenso wenig wie andere neurologi­schen Krankheiten.

Die meisten Menschen mit Epilepsiesind nicht geistig behindert.Mehr als 90% aller Epilepsien sindnicht erblich.

Epileptische Anfälle sind kurz undhören von selbst wieder auf.

Geregelte Arbeit, Ruhe und genügendSchlaf, helfen Anfälle zu vermeiden.

Friedrich NietzseheHerkunft des NihilismusNietzsche ist nicht bereit feststehendeWahrheiten zu übernehmen und wen­

det sich gegen die christliche Religion.Im Atheismus findet er keine Alternati­

ve. Eine komplette Desorientierung undein Werteverlust sind die Folgen davon.Friedrich Nietzsche hatte eine exzentri-

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sche und rebellische innere Einstellungund wendet sich bewusst gegen denWillen zum System. Seine Andersartig­keit und der Drang zum Universalwis­sen, lassen ihn zum Aussenseiter wer­den. Erwird zur damaligen Zeit von sei­nen Mitmenschen nicht oder falsch ver­standen. Nietzsche hat die Sinn- und

Orientierungslosigkeit unserer Gesell­schaft schon vorausgesehen.

Der Aphorismus entspricht NietzschesLebenswandel. Durch seine ständigeKrankheit und auf der Suche nacheinem festen Ort kann er seine Gedan­ken nicht kontinuierlich ausarbeiten.

So wird der Aphorismus massgeblichfür sein schriftstellerisches Verfahren.

Der erste Aphoristiker war Hippokrates,der in aphoristischer Form medizini­sche Lehrsätze aufstellte.

lebenslaufFriedrich Nietzsche wurde am 15.

Oktober 1844 in Sachsen in eine prote­stantische Familie und Umgebung hin­eingeboren. Sein Vater war Pfarrer undmusisch begabt, starb aber schon sehrfrüh (1849) infolge eines Sturzes an Ge-

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musischen und literarischen Bereich

ermöglicht ihm eine glänzende Ausbil­dung in der strengen humanistischenInternatsschule in Pfort. Er ist sensibel,introvertiert und zieht sich von seinenMitschülern immer mehr zurück. Er

hängt seinen Gedanken nach, schreibtund komponiert, wobei er schon in die­ser Zeit unter ständigen Kopfschmerzenleidet. In der 11. Klasse schreibt er den

Aufsatz "Zweifel am Kinderglauben".

Mit 18 jahren gründet er die literarisch­musikalische Vereinigung Germaniaund hält seinen ersten Vortrag "Dasganze Christentum gründet sich aufAnnahmen". Weil es zu Hause verbo­

ten war, über jegliche moderne Theolo­gie zu sprechen, errichtete er sich seineeigene Welt. Geplagt von Zweifeln undisoliert entfremdete er sich von derMutter.

Als Theologiestudent entdeckt er 1864in einem Antiquariat Schopenhauer. Ervertrat als einer der ersten Philosophendes 19. jahrhunderts die Überzeugung,dass die menschliche Vernunft nicht

fähig ist, die Zusammenhänge undGesetzmässigkeiten der objektiven Re­alität zu erkennen. Seine These stützt

sich auf Kants und Platos Philosophie.Schopenhauers Hauptwerk ist "DieWelt als Wille und Vorstellung". DieseAnschauung veranlasste Nietzsche,sein Theologiestudium aufzugeben. Erverabschiedete sich in Form eines Ge­dichtes vom christlichen Glauben. Da­

nach besucht er unregelmässig Vorle­sungen in verschiedenen Sachgebieten,kann sich aber nicht entschliessen

etwas zu Ende zu bringen.1865 wechselt er an die Universität

Leipzig, um Philologie zu studieren.Die folgenden Studienjahre sind ent­scheidend für den Denker Nietzsche.In der Militärzeit stürzt er von einem

Pferd, die Verletzung wird falsch dia­gnostiziert und führt zu einem langenKrankenhausaufenthalt (evt. Auslöserfür Epilepsie).Als 24-jähriger wird ihm noch vor derPromotion eine Professur in Basel ange­boten. Er nimmt an und bekleidet denLehrstuhl mit Griechisch und Literatur.

Er plant sein Studium ordentlich abzu­schliessen und seine Dissertation über

Diogenes Laertius zu schreiben. Tat­sächlich aber erhält er die Promotion

ohne Disputation, auf Grundlage dervorher veröffentl ichten Arbeiten.

Für das 24-jährige Genie ist Basel einGlücksfall. Er lernt Richard Wagnerkennen, dessen Musik ihn fasziniert.Seine Schwester führt ihm den Haus­halt und hält ihm den Rücken frei. Den­

noch lässt ihn sein enormer Ehrgeizimmer unzufriedener werden, was sichin häufigen Krankheiten niederschlägt.

Nietzsche sieht seinen Wahlspruch"Werde, der du bist" insgesamt verfehlt.In Wagner sah Nietzsche einen grossar­tigen Menschen und er unterstützte ihnbei seiner grossen Aufgabe nur zu ger­ne, um den Universitätspflichten zuentkommen. Er dachte sogar daran,sich beurlauben zu lassen. Auch war er

nicht abgeneigt sich öfter in WagnersHaus aufzuhalten, weil er sich in dievierundzwanzig jahre jüngere GeliebteWagners, Cosima, verliebt hatte. Siegabihm das Gefühl, ein besonders wichti­ger Gast zu sein.Sein Sexualleben ist uns völlig unbe-

hirnleiden. Sein jüngerer Bruder starbein jahr darauf. Diese Verluste, dieAngst des Verlassenwerdens prägensein weiteres Leben. Friedrich wächstin einem reinen Frauenhaushalt mit sei­

ner jüngeren Schwester Elisabeth, sei­ner Mutter, Grossmutter, Tanten undeinem Dienstmädchen auf.

Durch die Erziehung alles frömmelnderFrauen, assoziierte er den Glauben mitweiblich, schwach und dekadent. Eswar ihm zu Hause nicht erlaubt, Fragenbezüglich des Glaubens zu stellen.Schon hier dürfte der Grundstein für

seine ersten Schritte in Richtung Atheis­mus gewesen sein. Seine Begabung im

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Radix Friedrich Nitzsche, 15.10.1844,09.14, Röcken bei Lützcn 0 Häuserhoroskop

Astrolog Nr. 163

kannt, aber er war ein leidenschaftli­cher Briefe Schreiber, aus diesen, obenGenanntes hervorgeht. Hauptthemenseiner Briefe sind Krankheit und Ein­samkeit.

Richard Wagner sieht in Nietzsche ver-

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" ,Richard Wagner, 22.05.1813, Leipüzig D

mutlich den Bewunderer, dessenschriftstellerische und geistige Kräfte erfür sich nutzen will. Er findet in ihm

einen euphorischen, genialen Propa­gandisten. Die Fassade der Freund­schaft beginnt zu bröckeln, und 1876kommt der endgültige Bruch. Nietz­sche hat sich von Wagner zu wenigbeachtet und geschätzt gefühlt. Ineinem Brief an Cosima schreibt er, dassdie Schopenhauer Philosophie über­wunden sei, damit hat er die Freund­schaft symbolisch gekündigt.Im Winter 1876/77 wird dem Basler

Professor ein Urlaubssemester zuge­standen, wegen permanenter Migräne,Übelkeit und Augenschmerzen.

Bei seinen Vorlesungen lernte er PaulRee kennen - daraus entwickelte sicheine Freundschaft. Zusammen verbrin­

gen Sie den Urlaub in Italien, undschmieden Pläne, wo Nietzsche einereiche Frau kennen lernen könnte, da­mit er nach der Heirat endgültig Ab­schied nehmen könnte, von der Uni­versität. Nietzsche ist sehr ungeübt beider Suche nach der geeigneten Partne­rin und spürt instinktiv, dass es für ihneine unwahrscheinliche Sache bleibenwird (auch diese Freundschaft mit PaulRee, wird später von Nietzsche been­det).

In späteren jahren unternimmt er nochein paar Mal den Versuch, eine Frau fürsich zu gewinnen, aber es bleibt alles

Astrolog Nr. 163

beim Alten, so wie er es von Anfang angespürt hat.

Immer öfter muss der Professor Urlaub

nehmen, wegen der zunehmenden An­fälle, den Verdauungsproblemen und

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Cosima Wagner, 24.12.1837, 20.00, Bellagio I

Augenschmerzen. Hinzu kommen im­mer länger anhaltende Depressionen.Genau zehn jahre nach der Professurrichtet er sein offizielles Entlassungsge­such an Carl Burckhart, den Regie­rungspräsidenten von Basel.Hier ein Auszug aus seinem Brief:"Hochgeachteter Präsident! Der Zu­stand meiner Gesundheit, derentwegenich schon mehrere Male mich miteinem Gesuche an Sie wenden musste,lässt mich heute den letzten Schritt tun

und die Bitte aussprechen, aus meinerbisherigen Stellung als Lehrer an derUniversität ausscheiden zu dürfen. Die

inzwischen immer noch gewachseneäusserste Schmerzhaftigkeit meinesKopfes, die immer grösser gewordeneEinbusse an Zeit, welche ich durch diezwei- bis sechstägigen Anfälle erleide,die von neuem (durch Hrn. Schiess)

festgestellte erhebliche Abnahme mei­nes Sehvermögens, welches mir kaumnoch zwanzig Minuten erlaubt ohneSchmerzen zu lesen und zu schreiben­

dies alles zusammen drängt mich ein­zugestehen, dass ich meinen akademi­schen Pflichten nicht mehr genügen, jaihnen überhaupt von nun an nichtnachkommen kann, nachdem ichschon in den letzten jahren mir mancheUnregelmässigkeit in der Erfüllung die­ser Pflichten, jedes Mal zu meinemgrossen Leidwesen nachsehen musste."

Nietzsche wird im Alter von 35 jahren

pensioniert. Ständig auf der Suche nach

dem richtigen Ort (Wetterfü hIigkeit)verschlimmert sich sein physischer Ge­sundheitszustand zusehends. Gleich­

zeitig berichtet er in seinen Briefen, voneinem Sprung in neue Welten und geis­tiger Entwicklung. Innere Leere und niegekannte Höhenflüge wechseln einan­der ab.

Nietzsche zieht sich vollkommen in die

Einsamkeit zurück, um geistig arbeitenzu können. Seine philosophischen Ge­danken sind mit keinem Menschen teil­

bar. Erplant, sich selbst ein Arzt zu seinund sich im tiefsten Inneren treu zubleiben und auf nichts Fremdes mehrzu hören. Seine Schaffenskraft währendseiner Krankheit bleibt ein Rätsel.

Literatur1881 wird sein erstes Werk

"Morgenröthe" veröffentlicht1882 Die fröhliche Wissenschaft

1883 Also sprach Zarathustra1886 jenseits von Gut und Böse1887 Zur Genealogie der MoralDer AntichristEcce homo1889 Götzendämmerung

Fortsetzung im nächsten Heft

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