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IEU-Modernisierungskompass 2011 Erdgas als bezahlbare Heizoption von Michael Neitzel Wie lässt sich der Nutzen einer Sanierungsmaßnahme einschät- zen? Anhand der eingesparten CO 2 -Menge, der Kostenersparnis oder dem Innovationsgrad, den ein Gebäude dadurch erreicht? Klar ist: Wer privat modernisiert, will persönlich etwas davon haben. Beim IEU-Modernisierungskompass, den das Institut für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalent- wicklung (InWIS) für die Initiative Erdgas pro Umwelt (IEU) berech- net hat, wurden daher die Wohnkosten von Eigentümerhaushalten betrachtet, wenn sie energetisch modernisieren: Sinken sie, profi- tiert der Sanierer. Steigen sie, sollte er – zumindest aus wirtschaft- licher Sicht – die Finger davon lassen. Ein Ergebnis vorweg: Die Erdgas-Brennwerttechnik erzielt in dieser Betrachtung hervorra- gende Werte. In der klimapolitischen Debatte werden sowohl auf internationaler als auch nationaler Ebene Zielvorgaben für die Reduktion des CO 2 -Ausstoßes gemacht. Die deutsche Politik hat sich in diesem Bereich in den vergangenen Jahren zunehmend als Vorreiter positioniert. So setzte auch das im September vergan- genen Jahres veröffentlichte Energiekonzept ein klares Ziel, bis 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand zu haben. Für den deutschen Gebäudebestand heißt das 80 Prozent weniger Primärenergieverbrauch bis zum Jahr 2050. Erreicht werden soll dies vor allem durch eine Ver- doppelung der energetischen Sanierungsrate von jährlich etwa 1 auf 2 Prozent. Die Immobilienbesitzer werden daher in den kommenden Jahrzehnten enorme An- strengungen im Bereich der energetischen Sanierung unternehmen müssen. Die Initiative Erdgas pro Umwelt nahm dies zum Anlass, zu hinterfragen, ob die deut- schen Haushalte das über- haupt bezahlen können. Mehrheit der Eigentümerhaushalte werden erfasst Wichtig war für die Initiative, dass sich in der Untersuchung möglichst viele der deutschen Immobilienbesitzer wiederfinden können. Das InWIS hat daher sieben typische Eigentümerhaus- halte von Einfamilien- und Reihenhäusern entworfen, in denen die junge Familie in den Mittdreißigern genauso enthalten ist wie der finanziell gut ausgestattete Haushalt mittleren Alters oder der einkommensschwache Rentner-Haushalt, dessen einziges Kapital die eigenen vier Wände sind. Die Studie erfasst damit mehr als die Hälfte aller deutschen Eigentümerhaushalte. Von den Wohnkosten – das sind alle laufenden Kosten von Zins und Tilgung über Wohnungsinstandhaltung bis hin zur verbrauchten Energie – werden die verschiedenen Haushalte unterschiedlich stark belastet. Die Quote reicht von 28,9 Pro- zent des Monatseinkommens bei einem gut situierten Rentner- haushalt bis zu 45 Prozent bei einem einkommensschwachen Rentnerhaushalt. Oder in konkreten Zahlen: Der gut situierte Rentnerhaushalt muss von den rund 2 100 Euro, die ihm pro Monat zur Verfügung stehen, etwa 600 Euro fürs Wohnen aus- geben, der einkommensschwache Haushalt von seinen etwa 1 060 Euro rund 480 Euro. Die durchschnittliche junge Fami- lie in Deutschland, die eine Immobilie besitzt, nimmt rund 2 100 Euro ein und gibt davon etwa 715 Euro für ihre Wohn- kosten aus. Was passiert nun mit den Wohnkosten, wenn ein Haushalt sich entschließt, zu modernisieren? Steigen sie? Nicht unbe- dingt. Denn wie die Studie gezeigt hat, kommt es auf die richtige Maßnahme an. Für jeden Haushaltstyp wurden 13 verschiedene Sanierungsvarianten betrachtet: eine Dämmung als Einzelmaß- nahme, sechs verschiedene Heizsysteme, mit denen die alte Heizung ersetzt wurde, sowie jeweils das Komplettpaket, das Dämmung und Anlagentausch kombiniert. Wer die Heizung tauscht, verbucht überwiegend ein Plus Der Modernisierungskompass weist nach: Tauschen die Haushal- te ihre Heizung gegen ein modernes Brennwertgerät aus, können die meisten ihre Wohnkosten deutlich senken. Beim Beispiel der jungen Familie zeigt sich die Einsparung besonders deutlich: Michael Neitzel, Geschäftsführer des Instituts für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung (InWIS) Unser Autor SCHWERPUNKT 36

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SCHWERPUNKT Wer die Heizung tauscht, verbucht überwiegend ein Plus Der Modernisierungskompass weist nach: Tauschen die Haushal- te ihre Heizung gegen ein modernes Brennwertgerät aus, können die meisten ihre Wohnkosten deutlich senken. Beim Beispiel der jungen Familie zeigt sich die Einsparung besonders deutlich: Unser Autor 36 von Michael Neitzel Michael Neitzel, Geschäftsführer des Instituts für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung (InWIS)

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IEU-Modernisierungskompass 2011

Erdgas als bezahlbare Heizoption

von Michael Neitzel

Wie lässt sich der Nutzen einer Sanierungsmaßnahme einschät-zen? Anhand der eingesparten CO2-Menge, der Kostenersparnis oder dem Innovationsgrad, den ein Gebäude dadurch erreicht? Klar ist: Wer privat modernisiert, will persönlich etwas davon haben. Beim IEU-Modernisierungskompass, den das Institut für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalent-wicklung (InWIS) für die Initiative Erdgas pro Umwelt (IEU) berech-net hat, wurden daher die Wohnkosten von Eigentümerhaushalten betrachtet, wenn sie energetisch modernisieren: Sinken sie, profi-tiert der Sanierer. Steigen sie, sollte er – zumindest aus wirtschaft-licher Sicht – die Finger davon lassen. Ein Ergebnis vorweg: Die Erdgas-Brennwerttechnik erzielt in dieser Betrachtung hervorra-gende Werte. In der klimapolitischen Debatte werden sowohl auf internationaler als auch nationaler Ebene Zielvorgaben für die Reduktion des CO2-Ausstoßes gemacht. Die deutsche Politik hat sich in diesem Bereich in den vergangenen Jahren zunehmend als Vorreiter positioniert. So setzte auch das im September vergan-genen Jahres veröffentlichte Energiekonzept ein klares Ziel, bis 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand zu haben. Für den deutschen Gebäudebestand heißt das 80 Prozent weniger Primärenergieverbrauch bis zum Jahr 2050. Erreicht werden soll

dies vor allem durch eine Ver-doppelung der energetischen Sanierungsrate von jährlich etwa 1 auf 2  Prozent. Die Immobilienbesitzer werden daher in den kommenden Jahrzehnten enorme An-strengungen im Bereich der energetischen Sanierung unternehmen müssen. Die Initiative Erdgas pro Umwelt nahm dies zum Anlass, zu hinterfragen, ob die deut-schen Haushalte das über-haupt bezahlen können.

Mehrheit der Eigentümerhaushalte werden erfasstWichtig war für die Initiative, dass sich in der Untersuchung möglichst viele der deutschen Immobilienbesitzer wiederfinden können. Das InWIS hat daher sieben typische Eigentümerhaus-halte von Einfamilien- und Reihenhäusern entworfen, in denen die junge Familie in den Mittdreißigern genauso enthalten ist wie der finanziell gut ausgestattete Haushalt mittleren Alters oder der einkommensschwache Rentner-Haushalt, dessen einziges Kapital die eigenen vier Wände sind. Die Studie erfasst damit mehr als die Hälfte aller deutschen Eigentümerhaushalte.

Von den Wohnkosten – das sind alle laufenden Kosten von Zins und Tilgung über Wohnungsinstandhaltung bis hin zur verbrauchten Energie – werden die verschiedenen Haushalte unterschiedlich stark belastet. Die Quote reicht von 28,9 Pro-zent des Monatseinkommens bei einem gut situierten Rentner-haushalt bis zu 45 Prozent bei einem einkommensschwachen Rentnerhaushalt. Oder in konkreten Zahlen: Der gut situierte Rentnerhaushalt muss von den rund 2 100 Euro, die ihm pro Monat zur Verfügung stehen, etwa 600 Euro fürs Wohnen aus-geben, der einkommensschwache Haushalt von seinen etwa 1 060 Euro rund 480 Euro. Die durchschnittliche junge Fami-lie in Deutschland, die eine Immobilie besitzt, nimmt rund 2 100 Euro ein und gibt davon etwa 715 Euro für ihre Wohn- kosten aus.

Was passiert nun mit den Wohnkosten, wenn ein Haushalt sich entschließt, zu modernisieren? Steigen sie? Nicht unbe-dingt. Denn wie die Studie gezeigt hat, kommt es auf die richtige Maßnahme an. Für jeden Haushaltstyp wurden 13 verschiedene Sanierungsvarianten betrachtet: eine Dämmung als Einzelmaß-nahme, sechs verschiedene Heizsysteme, mit denen die alte Heizung ersetzt wurde, sowie jeweils das Komplettpaket, das Dämmung und Anlagentausch kombiniert.

Wer die Heizung tauscht, verbucht überwiegend ein PlusDer Modernisierungskompass weist nach: Tauschen die Haushal-te ihre Heizung gegen ein modernes Brennwertgerät aus, können die meisten ihre Wohnkosten deutlich senken. Beim Beispiel der jungen Familie zeigt sich die Einsparung besonders deutlich:

Michael Neitzel, Geschäftsführer des Instituts für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung (InWIS)

Unser Autor

SCHWERPUNKT

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Der Wechsel vom alten Gaskessel zur Erdgas-Brennwerttherme senkt die Wohnkosten von 715 auf 663 Euro – ein Plus in der Haushaltskasse von 52 Euro. Das kann Spielräume schaffen, um eventuell später weitere energetische Maßnahmen durch-zuführen. Würde sich die junge Familie hingegen entscheiden, als erste Modernisierungsmaßnahme eine Dämmmaßnahme vorzunehmen, müssten sie pro Monat 21 Euro mehr für den Posten „Wohnen“ ausgeben.

Der einzige Haushalt, bei dem die Wohnkosten um 5 Euro durch diese Form des Heizungstauschs steigen, ist der einkommens-schwache Rentnerhaushalt. Dennoch ist die Maßnahme auch hier die wirtschaftlichste und somit die einzige, die für diesen Haushaltstyp mit Blick auf die Kosten sinnvoll ist. Zudem sind die 5 Euro gut investiert. Denn die neue, effizientere Heizung fängt die steigenden Preise für den Brennstoff ein Stück weit ab. Die Erdgas-Brennwerttechnik kann somit als „Heiztechnik für jedermann“ bezeichnet werden.

Dämmung nur mit Heizungstausch Bleiben wir beim einkommensschwachen Rentnerhaushalt. Was würde passieren, wenn er zu einer Dämmung seines Gebäu-des verpflichtet würde? Die Antwort: Die Wohnkosten würden um satte 87 Euro auf dann 565 Euro ansteigen. Der Haushalt müsste also mehr als die Hälfte seines Einkommens ins Woh-nen investieren. Eine solche Mehrbelastung wäre aus Sicht der Sozialverträglichkeit nicht vertretbar.

Generell zeigt sich bei allen Haushaltstypen, dass eine Däm-mung als Einzelmaßnahme die Wohnkosten in die Höhe treibt – auch wenn sie aus Sicht des Klimaschutzes natürlich eine sinn-volle Maßnahme ist. Der Grund liegt in der langen Amortisations-zeit von mehreren Jahrzehnten, bis die gesparten Energiekosten die Höhe der Investitionssumme erreicht haben. Weitgehend stabil bleiben die Wohnkosten dagegen, wenn neben der Däm-mung gleichzeitig eine neue Heizung eingebaut wird. Denn dann gleichen die vom neuen Heizsystem eingesparten Energiekosten die höhere Belastung durch die Dämmung aus. Besonders emp-fehlenswert ist eine solche Komplettsanierung vor allem für junge Haushalte, die noch lange in ihrem Eigenheim wohnen wollen.

Das monatliche Einkommen wird nicht signifikant zusätzlich belastet, bis sich die aufwendige Sanierungsmaßnahme lang-fristig auszahlt.

Eine gute Kombination: Erdgas und SolarthermieBesonders umweltorientierten Haushalten steht mit der Kombi-nation von Brennwerttechnik und Solarthermie eine bezahlbare Modernisierungsvariante zur Verfügung. Die Einbindung der Son-nenenergie hat einen positiven Nutzen für das Klima, die Heizan-lage an sich nützt dem Haushalt. Denn diese lösung ist für die Mehrzahl der betrachteten Beispiel-Typen die zweitgünstigste.

Mit den richtigen Maßnahmen ist Klimaschutz bezahlbarAlle untersuchten Maßnahmen der energetischen Sanierung reduzieren die Energiekosten. Vielfach ist die Einsparung aller-dings geringer als die Investition, die erst einmal für den Ein-bau geleistet werden muss. legen die Haushalte also einen rein wirtschaftlichen Maßstab für ihre Entscheidung für oder gegen eine Sanierung an, fallen pro Haushaltstyp einige Vari-anten aus. Bei den älteren Haushalten sind das beispielsweise die meisten Maßnahmen, die mit langen Amortisationszeiten verbunden sind. Der IEU-Modernisierungskompass dient den Haushalten daher als Entscheidungshilfe und lässt für die Politik gleichzeitig Rückschlüsse zu, welche Sanierungsmaßnahmen am wahrscheinlichsten von den Haushalten umgesetzt werden. Somit lässt sich eine Einschätzung treffen, ob die klimapoliti-schen Ziele unter den derzeitigen Rahmenbedingungen erreicht werden können.

Bei der Frage der Sozialverträglichkeit bedürfen vor allem ein-kommensschwache Rentnerhaushalte finanzieller Unterstützung, wenn sie einen Beitrag zur notwendigen Modernisierung des Gebäudebestands leisten sollen. Die Erdgas-Brennwerttechnik und somit der Brennstoff Erdgas haben sich in der Studie als eine attraktive Option für den Klimaschutz herausgestellt. Denn diese Technologie bringt jedem Haushaltstyp einen spürbaren Nutzen.

Der IEU-Modernisierungskompass 2011 kann unter www.ieu.de kostenfrei heruntergeladen werden.

Kosten und Amortisation der ModernisierungsmaßnahmenQuelle: Initiative Erdgas pro Umwelt

Veränderung des monatlich verfügbaren Einkommens nach Modernisierung. Quelle: Initiative Erdgas pro Umwelt

Neue Heizung macht sich schnell bezahlt Modernisieren darf nicht überfordern

Rentnerpaar 1100 €/Monat

Erdgas-Brennwert Dämmung Erdgas-Brennwert Dämmung

Junge Familie 1100 €/Monat

– 5 € – 87 € + 52 € – 21 €

6,7 25,4 47,9 Amortisation (Jahre)

63 000

55 000

8 000

Kosten (€)

Dämmung

Erdgas-Brennwert

plus DämmungErdgas-Brennwert

Ausgangssituation:Gas-Altkessel, Gebäude ungedämmt

medium gas 1 | 2011

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