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erklärung!_04_2011 Wieso bleiben viele Länder des globalen Südens trotz ihrer Bodenschätze bitterarm? Ein be- deutender Teil der Antwort findet sich in der Schweiz. Abseits der Öffentlichkeit ist hier eine Branche entstanden, die im globalen Rohstoff- handel die Fäden zieht. Die EvB hat gründlich recherchiert und präsentiert nun die erste Ana- lyse der Rohstoffdrehscheibe Schweiz. TEXT_URS RYBI/TITELBILD_MEINRAD SCHADE In vielen Ländern gehören Bergbau-Minen, Öl- felder und Agro-Plantagen zu den gefährlichsten Orten für die dort arbeitenden und lebenden Menschen. Vertreibungen, prekäre Arbeitsbedin- gungen, Wasserverschmutzung: Die lokalen Ge- fahren für Mensch und Umwelt sind hinlänglich bekannt. Auf staatlicher Ebene kommen weitere Risiken hinzu. Rohstoffreichtümer werden expor- tiert, ohne dass ein fairer Anteil an die Bevölke- rung zurückfliesst. Was bleibt, sind oft nur Kor- ruption und Konflikte. Dabei sind Rohstoffe eine wahre Goldgrube. Im Welthandel wird jeder vier- te Dollar damit verdient. Aus Schweizer Sicht scheint das alles angenehm weit weg – ein Trug- schluss, wie unsere Recherchen zeigen. Die EvB schätzt, dass rund ein Fünftel des globalen «Com- ROHSTOFFE FORTSETZUNG>> DAS MAGAZIN DER ERKLäRUNG VON BERN # 04 SEPTEMBER_11 SAMBISCHE KUMPEL GEZEICHNET VON DER ARBEIT IN DER MOPANIMINE. Das geförderte Kupfer geht – wie so viele andere Bodenschätze aus anderen Minen auch – an einen Schweizer Rohstoff- konzern. Das gefährlichste Geschäft der Schweiz

Erklärung 4/2011

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Das Magazin der Erklärung von Bern (EvB)

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Kampagnen__1

erklärung!_04_2011

Wieso bleiben viele Länder des globalen Südens trotz ihrer Bodenschätze bitterarm? Ein be­deutender Teil der Antwort findet sich in der Schweiz. Abseits der Öffentlichkeit ist hier eine Branche entstanden, die im globalen Rohstoff­handel die Fäden zieht. Die EvB hat gründlich recherchiert und präsentiert nun die erste Ana­lyse der Rohstoffdrehscheibe Schweiz.

TexT_Urs rybi/TiTelbild_meinrad schade

In vielen Ländern gehören Bergbau-Minen, Öl-felder und Agro-Plantagen zu den gefährlichsten Orten für die dort arbeitenden und lebenden

Menschen. Vertreibungen, prekäre Arbeitsbedin-gungen, Wasserverschmutzung: Die lokalen Ge-fahren für Mensch und Umwelt sind hinlänglich bekannt. Auf staatlicher Ebene kommen weitere Risiken hinzu. Rohstoffreichtümer werden expor-tiert, ohne dass ein fairer Anteil an die Bevölke-rung zurückfliesst. Was bleibt, sind oft nur Kor-ruption und Konflikte. Dabei sind Rohstoffe eine wahre Goldgrube. Im Welthandel wird jeder vier-te Dollar damit verdient. Aus Schweizer Sicht scheint das alles angenehm weit weg – ein Trug-schluss, wie unsere Recherchen zeigen. Die EvB schätzt, dass rund ein Fünftel des globalen «Com-

Rohstoffe

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das Magazin deR eRkläRung von beRn

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SAmBiSchE KumpEL

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Das geförderte Kupfer geht – wie so viele andere Bodenschätze aus anderen minen auch – an einen Schweizer Rohstoff­konzern.

Das gefährlichste Geschäft der Schweiz

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zahlen sagen MehR als WoRte...

Der Schweizer Rohstoffhandel hat sich

seit 1998 verfünfzehnfacht.7 der 12 umsatzstärksten Schweizer Firmen gehören zur Rohstoffbranche.

heute laufen mindestens

15 – 25 prozent des weltweiten Rohstoffhandels über die Schweiz.

2__rohsToFFe

modity trading» über Büros in Genf, Zug und ein paar weniger wichtige Handelshochburgen ab-gewickelt wird. Eines der rohstoffärmsten Län-der der Welt hat sich zur globalen Drehscheibe entwickelt.

Eine ganze Branche fliegt unter dem RadarBislang verband die Schweizer Öffentlichkeit mit dem Begriff «Rohstoffhändler» vor allem die schillernde Figur Marc Rich. Der jahrelang von der US-Justiz gejagte Ölhändler liess sich in den 70er-Jahren in Zug nieder. Und just jene Firma, die er mitgründete und 1993 verliess, sorgte mit ihrem Börsengang 2011 für breite Medienbericht-erstattung. Als das US-Wirtschaftsmagazin «For-tune» diesen Sommer seine jährliche Liste der weltweit grössten Unternehmen publizierte, war ein erstaunlicher Neuzugang zu vermelden. Mit einem Schlag auf Platz 18 der weltweit 500 gröss-ten Unternehmen landete ein Schweizer Konzern namens Glencore.

Keine Firma verkörpert die Geschichte und Dynamik des Rohstoffhandelsplatzes Schweiz an-schaulicher. Steigende Rohstoffpreise und inter-nes Wachstum liessen den Umsatz von 30 (1993) auf 144 Mrd. US-Dollar (2010) anschwellen. Die-ses Jahr trat der grösste gemischte Rohstoffhänd-ler der Welt aus dem Schatten und ging im Mai an die Börse. Damit wurde er – im Gegensatz zu vielen weiterhin privat gehaltenen Handelshäu-sern – rechenschaftspflichtig und sichtbarer. Eines bleibt ihnen aber gemeinsam: Die grössten Roh-stoffhändler arbeiten heute allesamt in Schweizer Büros. Von den 12 umsatzstärksten Schweizer Unternehmen stammen nun 7 aus der Rohstoff-branche (siehe Tabelle). Wie kommt es, dass sie dennoch weitgehend unbekannt sind? Im jetzt vorliegenden Buch gehen wir den Ursachen nach, porträtieren die Hauptakteure und durchleuch-ten ihre Geschäftsmodelle.

>>ForTseTzUng von seiTe 1

Ein wahrlich globales geschäftDie Rohstoffbranche scheint direkt auf dem Reiss-brett der Globalisierung entworfen worden zu sein. Rund um den Globus werden Rohstoffe pro-duziert, gekauft, gelagert und verkauft. National-staatlichen Autoritäten und Regulierungen ent-wischen diese Firmen häufig mit unverschämter Leichtigkeit. Denn ihre Handelsabteilungen kön-nen grundsätzlich von jedem Ort aus operieren. Während die Arbeit immer öfter in Genf oder Zug verrichtet wird, liegen die rechtlichen Haupt-sitze und Muttergesellschaften meist in den Nie-derlanden und in Offshore-Steuerparadiesen. Für nationale Steuerämter und Gerichte sind solche Firmen deshalb kaum zu fassen.

Eine der Reportagen im Rohstoffbuch zeigt dies eindrücklich am Beispiel Sambia. Obwohl der Weltmarktpreis für Kupfer auf Rekordniveau liegt, schreibt die dortige Glencore-Mine Verluste. Und ist somit steuerbefreit. Verkauft wird das Kupfer via Schweiz. Den Menschen vor Ort blei-

DiE umSATzSTäRKSTEn unTERnEhmEn in DER SchWEiz*

Firma Branche umsatz 2010 (Mrd. US-Dollar)

Vitol Rohstoffhandel (primär Öl) 195

Glencore Rohstoffhandel 145

Nestlé Nahrungsmittel 117

Trafigura Rohstoffhandel 79

Gunvor Rohstoffhandel (primär Öl) 59

Novartis Pharma 56

Litasco Rohstoffhandel (primär Öl) (2009) 52

Roche Pharma 50

Mercuria Rohstoffhandel (primär Öl) ca. 50

ABB Maschinenindustrie 34

Xstrata Rohstoffförderung (Bergbau) 30

Migros Detailhandel 27

* Manche dieser Konzerne haben ihren offiziellen Hauptsitz nicht in der Schweiz, wickeln aber über Schweizer Niederlassungen den Grossteil ihrer globalen Geschäfte ab. Nicht inbegriffen sind hier drei grosse Agrarhändler.

«RohSToFF – DAS gEFähR­LichSTE gESchäFT DER SchWEiz»Herausgeberin: Erklärung von BernGebunden, 440 Sei-ten, mit zahlreichen Illustrationen15,5 5 22 cm, Salis Verlag, CHF 34.80/EvB-Mitglieder: CHF 29.–

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Kampagnen__3

erklärung!_04_2011

WichTigER hinWEiSBitte melden Sie uns Ihren Umzug frühzeitig! Die Post teilt Adressänderungen seit einigen Jahren nicht mehr mit. Die Nachsendefrist dauert lediglich ein Jahr, danach werden die Briefe mit dem Vermerk «Empfänger unbekannt» an uns zurückgeschickt.

impRESSum erklärung! 4/2011 AuFLAgE 21 500 ExemplarehERAuS gEBERin Erklärung von Bern (EvB), Dienerstrasse 12, Post-

fach, 8026 Zürich, Telefon 044 277 70 00, Fax 044 277 70 01, [email protected], www.evb.ch RE DAK Tion Susanne Rudolf gESTALTung Clerici Partner Design, Zürich DRucK ROPRESS Genossenschaft, Zürich; gedruckt mit Bio farben auf Cyclus Print, 100% Altpapier, klimaneutraler Druck

«ERKLäRung!» ERSchEinT 4­ BiS 5­mAL jähRLich. miT gLiEDER­BEiTRAg: FR. 60.– pRo KALEnDERjAhR (inKLuSivE ABonnEmEnT «ERKLäRung!» unD EvB­ DoKumEnTATion). poSTKonTo 80­8885­4

Risikoreiche kooperationen

Was ist von Kooperationen zwischen unterneh­men und nichtregierungsorganisationen (ngo), wie kürzlich in den medien über Al liance Sud und nestlé oder den WWF berichtet wurde, zu halten? Die verstärkte zusammenarbeit wird zwar von einigen medienschaffenden kritisch hinterfragt, andere loben dagegen die zunehmende Dialog­bereitschaft der unternehmen.

Dass Konzerne vermehrt die Kooperation mit ngo suchen, erstaunt nicht. Schliesslich geht es darum, einer sensibilisierten Öffentlichkeit ge­genüber als verantwortungsvolles unternehmen aufzutreten. Das Risiko und die Auswirkungen einer Kooperation bleiben für die Firma gering, denn die Öffentlichkeit kann kaum noch zwischen effektiven verhaltensänderungen und den pR­Floskeln beziehungsweise dem «greenwashing» einer Firma unterscheiden.

Es sind die organisationen, die bei einer Koope­ration das Risiko tragen – auch wenn der Dialog zu einem partiellen Erfolg führen sollte. Schliess­lich gehören nichtregierungsorganisationen und medien noch zu den wenigen instanzen, die das verhalten der Firmen kritisch und transparent beleuchten können. Kooperiert eine organisation mit einem unternehmen, setzt sie ihre glaub­würdigkeit aufs Spiel: Diese schwindet nämlich, sobald zweifel an der Transparenz, der kriti­schen Distanz oder der finanziellen unabhängig­keit aufkommen. und damit verliert eine organi­sation auch das vertrauen ihrer unterstützer­innen.

Die EvB thematisiert in ihrer aktuellen Dokumen­tation die Kaffeepolitik von nestlé in mexiko. Wie glaubwürdig wäre dieser Bericht, wenn er in Kooperation mit nestlé entstanden wäre? Die EvB steht zwar im Dialog mit unternehmen, geht aber seit ihren Anfängen keine Kooperation mit ihnen ein. So kann sie unabhängig von wirt­schaftlichen interessen und inhaltlichen Kom pro­missen arbeiten. und damit bleibt die EvB die EvB.

susanne Rudolf

ben einzig die enormen Schwefeldioxid-Emissio-nen der mineneigenen Schmelzerei. Die Erklärung von Bern hat im April zusammen mit anderen Organisationen eine OECD-Beschwerde gegen die-se Steuertricks von Glencore eingereicht. Diese ist zurzeit noch hängig.

Die Rohstoffbranche profitiert von einer Mi-schung aus Opportunismus und Passivität der Schweizer Wirtschaftspolitik. Der Basler Straf-rechtsprofessor und international gefragte Kor-ruptionsexperte Mark Pieth meint dazu im Buch-Interview: «Mein Eindruck ist, dass man diese Dinge lange schon einfach geschehen lässt – ohne Plan und Absicht. Das war bei Themen wie Raubkunst, Waffenhandel, Embargoverletzungen oder zuletzt der Steuerflucht so und dürfte beim Rohstoffhandel nicht anders sein.»

Für die EvB liegt es auf der Hand, dass hier viel zu tun ist. Sie hat deshalb einen neuen Fachbe-reich geschaffen. Wir werden dem Rohstoffsektor in der Schweiz ab sofort ganz genau auf die Finger schauen und uns für politische Rahmenbedingun-gen einsetzen, die auch von diesen Unternehmen ein faires Wirtschaften einfordern.

ediTo__3

DiE EvB vERDAnKT DiE FinAnziERung DES RohSToFFBuchS EinEm EhEmALigEn EvB­miTgLiED, DAS DiE EvB ALS ERBin gRoSSzügig BEDAchTE. Legate und Erbschaften ermöglichen uns, zusätzliche projekte unabhängig und ohne Rücksicht auf wirtschaftliche interessen zu realisieren.

Möchten Sie erfahren, wie Sie die EvB in Ihrem letzten Willen berücksichtigen können? Bestellen Sie kostenlos, vertraulich und unverbindlich die EvB-Testaments-unterlagen, oder kontaktieren Sie Marion Graber persönlich: 044 277 70 12, [email protected], www.evb.ch/erben.

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erklärung!_04_2011

4__UmFrage

patente

TexT_François meienberg

Nichtregierungsorganisationen, Regie-rungen sowie Bauern- und Züchterver-bände wehren sich schon seit Jahren gegen die Patentierbarkeit von Nutz-pflanzen. Patente erlauben den Saatgut-konzernen, auf dem Lebensmittelmarkt eine Monopolstellung zu erlangen. Zu-dem vermindern sie die Innovations-kraft der Züchter, da diese nicht mehr frei auf Pflanzenmaterial für die Weiter-zucht zurückgreifen können. Längerfris-tig gefährdet dies unsere Ernährungs-sicherheit. Dass immer mehr konven-tionell gezüchtete Pflanzen patentiert werden, verschärft die Problematik zu-sätzlich.

Auch Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten sehen diese Entwick-lung kritisch. Gemäss einer von der EvB und Swissaid in Auftrag gegebenen Isopublic-Umfrage lehnen zwei Drittel

Patente auf Nutzpflanzen ab. 68 Pro-zent wünschen sich eine klare Kenn-zeichnung patentierter Früchte und Gemüse, auf deren Kauf knapp 50 Pro-zent verzichten möchten. Diese «Ab-stimmung mit dem Portemonnaie» ist heute aber nicht möglich. Denn paten-tierte Gemüse und Früchte sind im La-den nicht als solche erkennbar.

Syngenta meldet, nach Monsanto und DuPont, am meisten konventionel-le Nutzpflanzen zum Patent an. Nach-dem ein anderes Saatgutunternehmen erfolglos Einspruch erhoben hatte, wur-de ein besonders umstrittenes Syngen-ta-Patent (EP1587933) diesen April be-stätigt. Es handelt sich dabei um das erste europäische Patent, bei dem eine konventionell gezüchtete Pflanze auf-grund ihres Geschmacks patentiert wurde. In der Patentschrift wird der Geschmack der Melone als «herb-erfri-

schend-sauer-süss» umschrieben. Syn-gentas Ansprüche erstrecken sich auf alle Melonen mit einem bestimmten Gehalt an Zitronensäure und Zucker sowie einem bestimmten pH-Wert. Das Patent umfasst die Pflanzen, die Sa-men, das Fruchtfleisch und deren Ver-wendung. Die «Erfindung» ist das Re-sultat herkömmlicher Kreuzung und Selektion (kein Gentech), wofür Syn-genta auch auf Melonen indischer Her-kunft zurückgegriffen hat.

EvB und Swissaid fordern auf euro-päischer wie auch auf nationaler Ebe-ne ein Verbot von Patenten auf Nutz-pflanzen. Die Schweizer Detailhändler rufen wir dazu auf, keine patentierten Gemüse und Früchte mehr in ihr Sor-timent aufzunehmen oder diese zumin-dest mit einer entsprechenden Kenn-zeichnung zu versehen – damit ihre Kundschaft künftig die Wahl hat.

Diese Melone ess ich nicht!

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ignpATEnTiERTE

SyngEnTAmELonE? Der Konsument tappt heute im Dunkeln.

gemäss einer repräsentativen umfrage der EvB sind zwei Drittel der Konsument innen grundsätzlich gegen die patentierbarkeit von nutzpflanzen. Diese Ablehnung zielt auch auf produkte des Agrokonzerns Syngenta. Diesem wurde im April dieses jahres vom Europäischen patentamt ein patent für melonen mit «ange nehmem geschmack» bestätigt.

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Transparenz__5

Multinationale unteRnehMen

Am 11. november letzten jahres initiierten die ETh zürich und Syngenta einen Lehrstuhl für nach­haltige Agrarökosysteme. Syngenta? Wir wollten mehr wissen.

TexT_François meienberg

Im Rahmen der Schweizerischen Ar-beitsgruppe Gentechnologie (SAG) ha-ben deren Präsidentin Maya Graf, Fran-çois Meienberg (EvB) und Tina Goethe (Swissaid) bei einer Delegation der ETH unter Führung ihres Präsidenten Ralph Eichler Informationen zur Part-nerschaft mit Syngenta eingeholt.

Während der nächsten 10 Jahre fi-nanziert Syngenta den Lehrstuhl mit

10 Millionen Franken. Im Gegenzug erhält Syngenta einen Sitz im Aus-wahlgremium für die Professur. All-fällige Vor behalte des Agrokonzerns gegenüber einer Kandidatur sollen ge-bührend berücksichtigt werden. Trotz seiner vertraglich zugesicherten For-schungsfreiheit befindet sich der Pro-fessor unserer Meinung nach in einer informellen Abhängigkeit. Schliesslich ist kein Wis sen schaftler darauf erpicht, den eigenen Geldgeber mit Forschungs-resultaten zu diffamieren.

Das Vorgehen der ETH erscheint uns etwas blauäugig. Den Lehrstuhl für nachhaltige Agrarökosysteme vom weltweit grössten Pestizidproduzen-

ten sponsern zu lassen, ist etwa so, wie wenn Marlboro eine Professur zur Suchtprävention finanzieren würde.

Die ETH wäre gut beraten, wenn sie solche offensichtlichen Interessen-kollisionen in Zukunft verhindern wür-de. Denn eine unabhängige Forschung ist ein wichtiges Gut, das es unbedingt zu verteidigen gilt.

Einen ausführlicheren Artikel zum Fall finden Sie auf www.evb.ch/syngentaeth.

Wenn Syngenta die Forschung der ETH unterstützt …

moDE – Ein gLoBALES gESchäFT:nEuE unTERRichTSEinhEiTEn FüR DiE SEKunDARSTuFE 1+2

TexT_chrisTa lUginbühl

Am Beispiel der Modeindustrie lassen sich globale wirt-schaftliche, politische und zivilgesellschaftliche Zusam-menhänge exemplarisch aufzeigen. Arbeits- und Menschen-rechte, Armut, Gewerkschaftsfreiheit, Marketing und Ethik sowie die Handlungsoptionen von Konsumierenden sind dabei wichtige Aspekte.

Die Erklärung von Bern/Clean Clothes Campaign hat zu diesen Themen Unterrichtseinheiten für die Sekundarstufe 1 und 2 entwickelt. Diese orientieren sich am Konzept des globalen Lernens und enthalten in kompakter Form Hinter-grundinformationen, Kurzfilme, Arbeitsblätter, Fragestellun-gen für Diskussionen und didaktische Umsetzungsideen.

moDE: Ein gLoBALES gESchäFTDvD miT 12 unTERRichTS­ EinhEiTEn, 12 FRAnKEn

Jetzt bestellen: Erklärung von Bern, Postfach, 8026 Zürich, www.evb.ch, 044 277 70 00, [email protected]

CCCWeltbank

zÖgERLichE FÖRDERung von ERnEuERBAREn EnERgiEn in DER TüRKEi

TexT_chrisTine eberlein

100 Millionen Dollar hat die Türkei zu günstigen Konditio-nen aus dem Klimainvestitionsfonds der Weltbank bezo-gen. Primäres Ziel der Gelder: erneuerbare Energien fördern und Energiesparmassnahmen finanzieren. Die EvB hat ana-lysiert, was mit dem Geld geschehen ist.

Am erfolgreichsten waren die Massnahmen zur Energie-einsparung bei Firmen. Wegen hoher regulativer Hürden für erneuerbare Energien in der Türkei floss nur wenig Geld in den Bau von Windkraftwerken; Sonnen- und Biomassen-kraftwerke gingen gar leer aus. Mit einem Grossteil der Mit-tel baute die Türkei kleine Staudämme, was angesichts von deren negativen Auswirkungen höchst problematisch ist. Fazit: Erneuerbare Energien wurden mit den Klimafonds-geldern in der Türkei kaum gefördert. Zudem ist die Umset-zung der Projekte durch lokale Banken fragwürdig, dürfen diese doch keine konkreten Projektinformationen veröf-fentlichen.

Die Lehren aus der EvB-Recherche werden in den Auf-bau des neuen globalen grünen Klimafonds fliessen, der ebenfalls von der Weltbank verwaltet wird.

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erklärung!_04_2011

6__poliTiK

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MultilateRale handelsabkoMMen

Die verhandlungen in der Welt han­dels organisation (WTo) zur weite­ren handelsliberalisierung sind gescheitert. Die verantwor t lichen wollen dies aber nicht ein gestehen.

TexT_Thomas braUnschweig

Ende 2001 startete in der katarischen Hauptstadt Doha eine WTO-Verhand-lungsrunde. Die Länder des Südens

waren wenig euphorisch. Um sie um-zustimmen, versprachen die Industrie-länder, prioritär auf die Entwicklungs-bedürfnisse des Südens einzugehen.

Seither hielten sich Meldungen über den bevorstehenden Verhandlungser-folg und über Rückschläge die Waage, während sich die Gespräche zuneh-mend in eine Sackgasse bewegten. Dort stecken sie seit geraumer Zeit fest.

In einem letzten verzweifelten Ver-such zur Gesichtswahrung wurde kürz-lich versucht, ein Minipaket zu schnü-ren. In diesem sollten wenigstens den allerärmsten Ländern Handelserleich-terungen zugestanden werden. Umso peinlicher, dass sich die tonangeben-den Länder selbst darauf nicht einigen konnten. Nun hat die WTO dicht ge-macht – für die Sommerpause.

WTO-Doha-Runde: Die unendliche Geschichte

Die credit Suisse und uBS finanzie­ren die weltweit umstrittenste Berg baufirma: vedanta Resources. Dies zeigt, wie wenig die beiden Banken die menschenrechte res pek­tieren.

TexT_andreas missbach

Die EvB hat mit einer neuen Hinter-grundrecherche und einem Update des Positionspapiers von 2010 die Website www.bankenundmenschenrechte.ch komplett aktualisiert. Schockierend ist die Finanzierung des indischen Roh-stoffkonzerns Vedanta durch UBS und Credit Suisse. Reprisk, ein auf den Fi-nanzsektor spezialisierter Dienstleister, platzierte Vedanta 2009 auf Platz 2 der weltweit kontroversesten Firmen. 2010 lag Vedanta auf Platz 3, gleich hinter Transocean und BP.

Im Juni 2011 nahm der Menschen-rechtsrat die «Guiding Principles on Business and Human Rights» an. Ge-mäss dieser Richtlinien sind Unter-nehmen in Zukunft nicht nur für Men-schenrechtsverletzungen verantwort-lich, die sie durch eigene Geschäfts-tätigkeit direkt verursachen, sondern auch, wenn die Unternehmen über ihre Produkte und Dienstleis tungen

indirekt Menschenrechte verletzen. Darunter fällt eindeutig auch die Fi-nanzierungstätigkeit der Banken, sei es direkt durch Kreditvergabe oder in-direkt durch die Unterstützung bei der Platzierung von Aktien und Anleihen.

Der Uno-Sonderbeauftragte für Un-ternehmen und Menschenrechte, John Ruggie, fordert mit den Guiding Prin-ciples ausdrücklich, dass auch der Finanzsektor Verantwortung für von

ihm mitverursachte Menschenrechts-verletzungen übernimmt. Dies erfordert von den Banken Menschenrechtsricht-linien, Prozesse für menschenrechtliche Sorgfaltsprüfungen und Transparenz. Trotz gewisser Fortschritte bei der Credit Suisse sind sowohl die Prozesse als auch die Transparenz der beiden Schweizer Grossbanken mangelhaft und erfüllen die Leitprinzipien des Uno-Sonderbeauftragten nicht.

finanzplatz sChWeiz

Einen Schritt vor, zwei Schritte zurück

inDigEnE DongRiA KonDh protestieren gegen die geplante zerstörung ihres Lebensraums durch die von uBS und cS mitfinanzierte vedanta.

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Kampagnen__7

erklärung!_04_2011

ist nestlé fair geworden?

Die an der jahreskonferenz im mai lancierte Reform der Weltgesundheitsorganisation (Who) beunruhigt nichtregierungsorganisa­tionen wie die EvB sehr. Sie befürchten eine Stärkung des Einflusses des privatsektors und sehen darin die unabhängigkeit der Who gefährdet. Denn der Rückgang an öffent­lichen geldern macht die Who abhängiger von der privatwirtschaft. Die EvB hat deshalb den Who­Aufsichtsrat – in dem die Schweiz wieder für drei jahre vertreten ist – alarmiert.

TexT_paTricK dUrisch

Der umstrittenste Teil der WHO-Reform betrifft das Einrichten eines globalen Multi-Stakeholder-Gesundheitsforums. Dieses soll die Kohärenz zwi-schen den verschiedenen Akteuren in der Ge-sundheitspolitik fördern. Doch es besteht die Gefahr, dass die Privatwirtschaft überrepräsen-tiert wird und sie die Gesundheitspolitik zu ihren eigenen Vorteilen beeinflusst. Nicht alle Akteure im Gesundheitswesen arbeiten im öffentlichen Interesse. Eine bessere Koordination wäre mit effizienteren und flexibleren Modellen, wie öf-fentlichen Anhörungen oder Vernehmlassungen, möglich.

Die WHO begründet die Reform mit den wach-senden Herausforderungen im Gesundheitswe-sen. In Wahrheit treibt die finanzielle Krise, in der die Organisation steckt, die Reform voran. Die fixen Beiträge der Mitgliedsstaaten nehmen ab und machen nur noch 20 Prozent des Budgets aus. Die WHO ist deshalb gezwungen, sich ver-mehrt an den privaten Sektor zu wenden – was jedoch das Risiko von Interessenkonflikten mit sich bringt. Um seine Rolle als führendes Gre-mium in der Gesundheitspolitik einnehmen zu können und die Interessen sowohl der Süd- wie Nordländer zu berücksichtigen, muss die WHO eine unabhängige multilaterale Organisation blei-ben, deren Führung von den staatlichen Mitglie-dern bestimmt wird. Die Reform stellt dies klar in Frage.

andRea hüsseR

WHO wandelt auf ungesunden Pfaden

koluMnegesundheit

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Wann haben Sie das letzte mal eine Tasse nescafé getrunken? Wohl kaum in der Schweiz, denn hier ist nescafé nicht mehr salonfähig. Frau und herr Schweizer bevorzugen nespresso; Lifestyle, ge­schmack und zeitsparende zubereitungsweisen werden da gleich mitgeliefert. Kein Wunder, kostet ein Kilo 100 Franken. Laut nestlé werden weltweit 12 300 Tassen nespresso pro minute getrunken. Beim nescafé sind es 4600 Tassen pro Sekunde. Eindrückliche zahlen – doch was sagen sie wirklich aus? Selbst mit Taschenrechner bleiben die zahlen bedeutungslos.

ähnlich kommuniziert der Konzern bei nachhaltig­keitsprojekten wie dem nescafé­plan. nur reicht da ein Taschenrechner nicht mehr, um das ganze zu verstehen. Der nescafé­plan ist nestlés jüngstes projekt aus der Kategorie «creating Shared va­lues». Damit will der Konzern den Kaffeebauern­familien aus der Armut helfen, sich besseren zu­gang zu den Ressourcen schaffen und dabei auf die umwelt achten. Der plan enthält viele ziele, hohe investitionen und strotzt vor zahlen. Wird nestlé also letztlich doch noch fair? interviews vor ort mit Kaffeebauernfamilien in mexiko, eines der projektländer, lassen die hoffnung schwinden. nestlés angebliche Kursänderung gleicht eher einer imagepolitur. So schafft es der Konzern mit ge­schicktem politischem Lobbying, Subventionen vom mexikanischen Staat zu kassieren, mit seiner Einkaufsstrategie das System des fairen handels zu unterwandern und so die ungerechte Wert­schöpfungskette letztlich zu zementieren. Weil es für Konsumierende so schwierig ist, die pR­Spra­che eines Konzerns zu durchschauen, hat die EvB den nestlé­plan in der beiliegenden Dokumen ta­tion genauer unter die Lupe genommen.

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8__porTräT

TexT_oliver classen

Seit Jahren schon gehört er zu den meistgespiel-ten Autoren auf den deutschsprachigen Bühnen, das Romandebüt «Hundert Tage» wurde 2008 mit Preisen überhäuft und seine Essays sind Weck-rufe mit internationalem Echo. Dabei ist der li-terarische Allrounder Lukas Bärfuss noch keine 40, gelernter Buchhändler und gehört zur raren Spezies der praktizierenden Schweizer Intellek-tuellen. Mit den gemütlichen, Pfeife schmauchen-den Ikonen der 60er- und 70er-Jahre, die wir aus dem Deutschunterricht kennen, teilt der gebür-tige Thuner jedoch weder Tonalität noch The-men. Bärfuss doziert nicht, sondern erzählt und zeigt auf – mal individuelle Notstände, mal sys-temische Missstände. Wobei gerade seine politi-schen Texte besonders sauber recherchiert, aber eben auch brillant inszeniert sind.

Das gilt besonders für seinen Bestseller «Hun-dert Tage», eine so realitätsnahe wie faktenreiche Darstellung des Völkermordes in Ruanda und der zwischen Ohnmacht und Mitschuld oszillie-renden Situation von Schweizer Entwicklungs-helfern. «In der Kivu-Region habe ich die entsetz-

lichen Folgen des Kampfes um Rohstoffe mit eige-nen Augen gesehen. Dieses Leid hat mich sehr empört, zumal ein grosser Teil der Ausbeute in den Westen geht», so Bärfuss heute. In seinem Theaterstück «Öl» widmete sich der Wahlzürcher und aktuelle Hausautor des Schauspielhauses

2009 explizit jenem Gleitmittel des Kapitalismus, das die grössten Verwüstungen in der Natur und den Seelen der Menschen – Opfern wie Tätern – anrichtet.

Angesiedelt ist «Öl» in Kasachstan, «spielen könnte es überall, wo Kolonisatoren sich im Na-men von Konzernen die Erde und Bevölkerung untertan machen» («Frankfurter Rundschau»). Bärfuss ist kein schriftstellernder Journalist, son-dern ein Autor, der brisante Aktualitäten zu dra-matisieren weiss. Der einzelne Skandal interes-siert ihn nur als Mittel zur Erkenntnis der ihm zugrunde liegenden Motive und Mechanismen. Diese Haltung teile er als zahlendes Mitglied mit der EvB. «Organisationen wie eure schaffen Be-wusstsein dafür, dass die gerechte Verteilung der Lebensgrundlagen ein globales Anliegen ist, um das man lokal kämpfen muss.»

Wer also müsste das erste mit einem Vorwort aus seiner Feder geadelte NGO-Buch lesen? «Alle, die auf Rohstoffe angewiesen sind, denke ich – also jeder und jede», meint Bärfuss lakonisch, aber keineswegs ironisch. Dafür ist es ihm mit dem heiligen Furor der Aufklärung als gemeinsa-mem Nenner von engagierter Literatur und zivil-gesellschaftlichem Engagement viel zu ernst.

hinterfragen, analysieren und provozieren: mit diesem Dreischritt ist Lukas Bärfuss zum Schweizer Literaturstar avanciert. Ein Star notabene, der auch Stoffe wie Entwicklungs­hilfe und Ölindustrie thematisiert. Für das vorwort zu ihrem Rohstoffbuch hätte die EvB also keinen passenderen Autor finden können.

lukas bäRfuss

Aufklärer mit Substanz

Key

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LuKAS BäRFuSS schrieb für die EvB das vor ­ wort zum Rohstoffbuch.

___«organisationen wie eure schaffen bewusstsein dafür, dass die gerechte verteilung der lebensgrundlagen ein globales anliegen ist, um das man lokal kämpfen muss.»