Erste Hilfe gegen Dublin-Abschiebungen - PRO ASYL · PDF fileErste Hilfe gegen Dublin-III-Überstellungen Sie beraten Flüchtlinge ehrenamtlich? Sie sind politisch in einer Flüchtlingsinitiative

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  • Erste Hilfe gegen Dublin-AbschiebungenBasiswissen und Tipps fr die Einzelfallarbeit

    www.wir-treten-ein.de

  • Inhalt

    I. Was ist ein Dublin-Verfahren? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5

    II. Wichtige Weichenstellung: Liegt berhaupt ein Dublin-Fall vor? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6

    1. Fallgruppe Dublin-Flle .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

    2. Fallgruppe: Nicht-Dublin-Flle = Anerkannte > Drittstaatenregelung ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

    III. Rechte und Pflichten im Dublin-Verfahren . . . . . . . . . . . . 10

    IV. Was tun, wenn eine Dublin-Abschiebung droht? . . . . . . 11

    1. Liegt tatschlich ein Dublin-Fall vor? .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

    2. Ist die Zustndigkeit eines anderen Dublin-Staates gegeben? .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12

    3. Kommt ein Selbsteintritt in Betracht? .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14

    4. Liegen Reiseunfhigkeit oder andere berstellungs -hindernisse vor? .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

    5. Wann luft die berstellungsfrist ab? .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

    6. Zugang zum Asylverfahren nach Ablauf der ber stellungsfrist? .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

  • 7. Rechtsschutz: Macht eine Klage Sinn? .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22

    8. Petition einreichen? .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

    9. Kirchenasyl organisieren? .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

    V. Was tun, wenn die Abschiebung eines internationalSchutzberechtigten droht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

    1. Fachkompetente Rechtsberatung einschalten .. . . . . . . . . . 29

    2. ffentlichkeitsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

    VI. Glossar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31

    VII. Links . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34

    Titelfotos: Leona Goldstein (links), Philip Eichler (rechts)

  • Erste Hilfe gegen Dublin-III-berstellungen

    Sie beraten Flchtlinge ehrenamtlich? Sie sind politisch in einer Flchtlingsinitiativeaktiv und dabei treten Fragen zu Einzelfllenauf? Dann ist Ihnen die Dublin-Problematik sicherlich schon begegnet.

    Etwa 20-25 Prozent aller Asylsuchenden droht eine Abschiebungnach der Dublin-III-Verordnung. Mit der Zahl der Asylsuchendensteigt auch die Zahl der Dublin-Flle. Wenn es um Abschiebun-gen in andere EU-Lnder geht, ist es beraus wichtig, den Fallrechtlich korrekt einschtzen zu knnen und ggf. schnell zu han-deln. Hufig wird eine Rechtsanwltin oder ein Rechtsanwalt ein-zuschalten sein. Einen ersten berblick ber den Rechtsrahmen,die zentralen Weichenstellungen und Tipps fr mgliche Gegen-strategien soll diese Broschre bieten. Eine juristisch fundierteBeratung kann diese Erstinformation jedoch nicht ersetzen.

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  • I. Was ist ein Dublin-Verfahren?

    In einem Dublin-Verfahren wird geprft, welcher Staat in Europafr die Durchfhrung des Asylverfahrens von Asylsuchenden zu-stndig ist. Denn die EU hat sich darauf verstndigt, dass Asyl -suchende nur in einem der EU-Lnder ein Asylverfahren durch-laufen drfen. Beteiligt sind aber nicht nur EU-Staaten, sondernauch die Schweiz, Island, Liechtenstein und Norwegen. In den jeweiligen Lndern gibt es Behrden, die fr die Dublin-Verfah-ren zustndig sind. In Deutschland ist dies das Bundesamt fr Mi-gration und Flchtlinge.

    Welcher Staat zustndig ist, wird in der Dublin-III-Verordnung ge-regelt. Es gibt eine ganze Reihe von Kriterien. Am hufigsten wirdjedoch das Kriterium angewandt, wonach der Staat zustndig ist,in dem der Flchtling als Erstes EU-Territorium betreten hat. Dassind schon aus geographischer Sicht hufig die Lnder an denueren Sd- oder Ostgrenzen Europas, wie beispielsweise Itali-en oder Ungarn. Befindet sich ein Asyl suchender nicht in demStaat, der demnach fr ihn zustndig ist, droht ihm die Abschie-bung dorthin. Da die Lebensbedingungen fr die Betroffenen in diesen Lndern vielfach unertrglich sind, geht es in Dublin-Verfahren meist darum, eine Abschiebung innerhalb Europas zuverhindern.

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  • II. Wichtige Weichenstellung: Liegt berhaupt ein Dublin-Fall vor?

    Zu schnell wird oftmals unterstellt, dass jeder Flchtling, dem eine Abschiebung in ein EU-Land droht, ein sogenannter Dublin-Fall ist. Das ist jedoch nicht richtig.

    Neben der Dublin-III-Verordnung existiert noch eine weitere Re-gelung fr innereuropische Abschiebungen, die sogenannteDrittstaatenregelung.

    Seit Inkrafttreten der Dublin-III-Verordnung hat sich der Kreis dervon der Dublin-III-Verordnung Betroffenen stark verndert. Obein Dublin-Fall vorliegt oder nicht, muss grndlich geprft wer-den. Welche Ge genstrategie gegen eine drohende Abschiebungergriffen werden kann, hngt nmlich davon ab, ob es sich um einen Dublin- Fall oder um den Fall eines Anerkannten handelt.Ein Kirchenasyl beispielsweise ist in Dublin-Fllen erfolgverspre-chender als bei Anerkannten.

    Wichtig ist die Unterscheidung auch bei unbegleiteten Minder-jhrigen: Fallen sie unter die Dublin-III-Verordnung, so drfen sienicht gegen ihren Willen an einen anderen Staat berstellt wer-den. Als Anerkannte haben sie diesen rechtlichen Schutz bislang

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  • nicht mit Schutzstatus droht unter Umstnden eine Abschie-bung in ein anderes EU-Land.

    1. Fallgruppe Dublin-Flle

    Ein Dublin-Fall liegt vor, wenn ein Asylsuchender einen Asylan-trag (d.h. Antrag auf Flchtlingsschutz oder subsidiren Schutz)stellt und aufgrund der Dublin-III-Verordnung ein anderer Dub-lin-Staat zustndig ist. Der Asylantrag wird vom Bundesamt alsun zulssig abgelehnt. Die Abschiebung in den zustndigen Staatwird angeordnet.

    Die Pflicht des zustndigen Staates zur Aufnahme des Asylsu-chenden erstreckt sich nicht nur auf Personen, die das Asylver-fahren noch nicht abgeschlossen haben. Sie mssen ebenfallsdie bereits im Asylverfahren abgelehnten Flchtlinge im Rah-men des Dublin-Verfahrens wieder aufnehmen.

    Das Dublin-Verfahren findet in folgenden Fall konstella tio nenstatt:

    Asylbewerber mit noch laufendem Asylverfahren in ande -rem Dublin-Staat: In einem anderen Dublin-Staat wurde be-reits ein Asylantrag gestellt. Vor Abschluss des Asylverfahrensist der Betroffene nach Deutschland weitergereist. Das Dub-lin-Verfahren wird dann unabhngig davon durchgefhrt, obin Deutschland erneut ein Asylantrag gestellt wird oder nicht.

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    Abgelehnte Asylbewerber: Der Betroffene wurde in einemanderen Dublin-Staat in einem Asylverfahren endgltig ab-gelehnt. Der betreffende Staat ist zur Wiederaufnahme desBetroffenen verpflichtet.

    Asylbewerber, die in einem anderen Dublin-Staat einen natio-nalen Schutzstatus erhalten haben (z. B. eine Aufenthalts -erlaubnis aus humanitren Grnden fr ein Jahr in Italien), de-ren Asyl antrag jedoch abgelehnt wurde, mssen in den Staatzurckkehren, wo ihnen der Schutzstatus erteilt wurde.

    Asylbewerber ohne bisheriges Asylverfahren in anderemDublin-Staat: Der Betroffene ist durch einen anderen Dublin-Staat in die EU eingereist und hat dort keinen Asylantrag ge-stellt, muss jedoch zustndigkeitshalber dorthin zurck. DasDublin-Verfahren wird hier durch den Asylantrag in Deutsch-land ausgelst.

    2. Fallgruppe Nicht-Dublin-Flle = Anerkannte > Drittstaatenregelung

    Kein Dublin-Fall liegt vor, wenn der Betroffene in dem anderenStaat als international Schutzberechtigter anerkannt wurde, dortalso schon ein Asylverfahren erfolgreich durchlaufen hat. Dannist nicht das Dublin-Verfahren anwendbar, sondern die deutscheDrittstaatenregelung (Art. 16a GG). Der Asylantrag wird vom Bun-desamt als wegen der Einreise aus einem sicheren Drittstaat

  • abgelehnt. Die Abschiebung in den sicheren Drittstaat wird an-geordnet.

    Internationaler Schutz ist ein Begriff aus dem EU-Recht (Qualifi-kationsrichtlinie), der ins deutsche Recht in 3, 4 AsylVfG um-gesetzt wurde. Darunter fallen zwei Gruppen:

    Anerkannte Flchtlinge: Personen, die in Anwendung derGenfer Flchtlingskonvention einen Flchtlingsstatus genie -en.

    Als subsidir schutzberechtigt Anerkannte: Personen, dieals schutzbedrftig anerkannt wurden, weil ihnen in ihremHerkunftsland die Todesstrafe, Folter oder unmenschlicheoder erniedrigende Behandlung oder eine ernsthafte indivi-duelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infol-ge willkrlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oderinnerstaatlichen Konfliktes droht. Sie erhalten einen europa-rechtlichen subsidiren Schutzstatus.

    Wer eine solche Anerkennung in einem anderen europischenStaat erhalten hat, darf zwar durch Europa reisen und sich maxi-mal 90 Tage (innerhalb von 180 Tagen) in einem anderen Staatauf halten, aber er darf dort weder arbeiten noch sich dauerhaftniederlassen. Verlsst er z.B. Deutschland nicht vor Ablauf der 90Tage oder stellt er hier einen Asylantrag, droht ihm die Abschie-bung in den sicheren Staat, der ihm den Schutzstatus zuer-kannt hat.

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