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39 Safety-Plus 2/2004 Ein Fallbeispiel zeigt auf, wie Schadenereignisse für ein Unternehmen und seine leitenden Angestellten einschneidende Folgen haben können. Es lohnt sich daher für alle Beteiligten, Risiken im Unternehmen proaktiv anzugehen und kontinuierlich zu managen, mit Hilfe geeigneter Tools. Management: Arbeitssicherheit als Teil des Risikomanagements Konkurs gegenüber den Lieferanten, Ak- tionären und Kreditgebern, wenn sie die Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens verschuldet bzw. mitverschuldet haben. Lehren Das Fallbeispiel zeigt auf, dass Schadenereignisse für Unternehmen und damit auch seine leitenden Angestellten einschneidende Folgen haben können. Fi- nanzielle Einbussen, Rechtsstreitigkeiten und nicht zuletzt auch eine persönliche moralische Belastung, welche nie mehr ganz verschwindet. Es lohnt sich daher aus verschiedenster Sicht und für alle Be- teiligten, Risiken im Unternehmen pro- aktiv anzugehen und kontinuierlich zu managen. Damit dies kontinuierlich si- chergestellt ist, braucht es die Anwen- dung geeigneter Tools. Risiko-Minimierung Beim Lesen des obigen Fallbeispiels sowie auch beim Rückblick auf weitere sich wirklich ereignete Fälle stellt man sich zwangsläufig die Frage, wo da der ge- sunde Menschenverstand geblieben ist. Die meisten Ereignisse können nämlich relativ einfach und mit guter Einschät- zung vorausgesehen werden, sofern man dies auch systematisch tut! Risiken erge- ben sich vorwiegend aus der mensch- lichen Tätigkeit, aus falscher Einschät- zung von Entwicklungen und des Mach- baren, fehlender Kontrolle und planlo- sem Operieren Einzelner oder ganzer Führungscrews (Abb. 1). VON ANDREAS MERZ D ie Unerwartet AG ist ein Produ- zent von Farben, Lacken und Kunstharzen mit einem Jahresum- satz von etwa 70 Mio. Fr. und Domizil in der Schweiz. Sie beschäftigt rund 150 Per- sonen und ist eingebunden in eine Hol- ding mit Sitz in den USA. Im Schweizer Werk, welches sich in einer eher länd- lichen Gegend befindet, wird produziert, und es werden grössere Mengen an Ge- fahrstoffen umgesetzt und gelagert. Bei der batchweisen Herstellung (6 m 3 ) eines Acrylatklebers gab der Pro- duktionsmitarbeiter aus Versehen ma- nuell die doppelte Menge des Katalysa- tors zu. Die Polymerisation geriet rasch ausser Kontrolle, Edukte traten aus und entzündeten sich, wobei es zu einer Ex- plosion mit Brand kam. Ein Mitarbeiter wurde schwer (Teilinvalidität), ein zwei- ter leicht verletzt. Der Brand breitete sich in der grossen Fabrikationshalle rasant aus und erfasste auch diverse zur Produk- tion bereitgestellte leicht brennbare Che- mikalien. Die Betriebsfeuerwehr kam sofort zum Einsatz, weiter wurden auch der Stützpunkt und die Chemiewehr aufge- boten. Das Löschwasserrückhaltebecken konnte die anfallende Menge an Lösch- wasser nicht mehr bewältigen, und dieses floss in den angrenzenden kleineren Fluss. In der Folge brach das Ökosystem auf einer Länge von drei Kilometern zu- sammen. Ebenso betroffen waren eine kommerzielle Fischzucht, die zerstört wurde, und eine am Fluss gelegene Bade- anstalt, welche wegen des ausbleibenden Besucherstroms während der ganzen Sai- son Umsatzeinbussen erlitt. Der Geschäftsleitung war bekannt, dass sich schon mehrere Beinaheunfälle in dieser Richtung im Betrieb ereignet hatten. Sie hatte daher auch vor einiger Zeit einen nebenamtlichen Sicherheits- beauftragten bestimmt, welcher jedoch aus Zeitmangel und beschränkter Fach- kenntnis noch keine detaillierte Analyse erstellen konnte. Bekannt war auch, dass der Brandabschnitt in der Produktion viel zu gross und damit auch das Löschwas- serrückhaltevolumen des vorhandenen Beckens zu klein war. Durch den Brand wurde ein Grossteil der Produktionsanlagen zerstört. Das Unternehmen war während eines Jahres gegen die finanziellen Folgen einer Be- triebsunterbrechung versichert. Die Pro- duktion konnte während eineinhalb Jah- ren nicht mehr aufgenommen werden. Eine Ausweichmöglichkeit bestand nicht. Eine Notfallplanung (Business Continui- ty Plan) zur Abfederung eines solchen Ereignisses wurde nie erstellt. Es ent- stand ein nicht versicherter Umsatzaus- fall, den die Firma nicht mehr tragen konnte. Eineinhalb Jahre später meldete sie Konkurs an. Haftung Die Unerwartet AG haftet in verschie- denster Weise für den von ihr verursach- ten Schaden. Bei den betroffenen Mitar- beitern für die Verletzung der unterneh- merischen Fürsorgepflicht, Verletzung der Sorgfaltspflicht, fahrlässige Körper- verletzung usw.. Im Bereich Umwelt für Schäden an der Fischzucht. Die Kunden haben vertragliche Ansprüche auf finan- ziellen Ausgleich der ausfallenden Liefe- rungen, insbesondere auf Ersatz des ent- gangenen Gewinns. Kreditgeber auf Rückzahlung gewährter Darlehen. Die Führungsorgane haften auch per- sönlich für die Verletzungen der Mitar- beiter, wenn sie nicht nachweisen kön- nen, dass sie ihrer Sorgfaltspflicht zum Schutze der Mitarbeitenden vollumfäng- lich nachgekommen sind. Dies betrifft auch allfällig nicht vollständig von der Versicherung gedeckte Folgen wie z.B. Ersatz des Versorgerschadens. Die Füh- rungsorgane haften zudem auch für den Andreas Merz Geschäftsführer, dipl. Chem. FH, dipl. Wirtschafts-Ing. NDS, Sicherheitsingenieur EigV, Arbeitshygieniker SGAH, Brandschutzexperte CFPA, EOQ Occupational Health and Safety Systems Manager, EOQ Environmental Systems Manager, SAQ Business Excellence Coach®, EOQ TQM- Assessor, Gefahrgutbeauftragter. E-Mail: [email protected] Es geschah ganz unerwartet... 14% 18% 68% richtig eingeschätzt überschätzt unterschätzt Abb. 1. Fähigkeit des Menschen, Gefahren ohne Anwendung einer Systematik einzuschätzen. Um Risiken erfolgreich im Griff zu ha- ben, braucht es eine breite Sichtweise. Al- le Aspekte, die ein Unternehmen ausma- chen, also Kunden, Mitarbeitende, Finan- zen, Technik, Produkt, Konkurrenten

Es geschah ganz unerwartet · 2016-05-13 · plosion mit Brand kam. Ein Mitarbeiter wurde schwer (Teilinvalidität), ein zwei-ter leicht verletzt. Der Brand breitete sich in der grossen

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39Safety-Plus 2/2004

Ein Fallbeispiel zeigt auf, wie Schadenereignisse für ein Unternehmen und seineleitenden Angestellten einschneidende Folgen haben können. Es lohnt sich daherfür alle Beteiligten, Risiken im Unternehmen proaktiv anzugehen und kontinuierlichzu managen, mit Hilfe geeigneter Tools.

Management: Arbeitssicherheit als Teil des Risikomanagements

Konkurs gegenüber den Lieferanten, Ak-tionären und Kreditgebern, wenn sie dieZahlungsunfähigkeit des Unternehmensverschuldet bzw. mitverschuldet haben.

LehrenDas Fallbeispiel zeigt auf, dass

Schadenereignisse für Unternehmen unddamit auch seine leitenden Angestellteneinschneidende Folgen haben können. Fi-nanzielle Einbussen, Rechtsstreitigkeitenund nicht zuletzt auch eine persönlichemoralische Belastung, welche nie mehrganz verschwindet. Es lohnt sich daheraus verschiedenster Sicht und für alle Be-teiligten, Risiken im Unternehmen pro-aktiv anzugehen und kontinuierlich zumanagen. Damit dies kontinuierlich si-chergestellt ist, braucht es die Anwen-dung geeigneter Tools.

Risiko-MinimierungBeim Lesen des obigen Fallbeispiels

sowie auch beim Rückblick auf weiteresich wirklich ereignete Fälle stellt mansich zwangsläufig die Frage, wo da der ge-sunde Menschenverstand geblieben ist.Die meisten Ereignisse können nämlichrelativ einfach und mit guter Einschät-zung vorausgesehen werden, sofern mandies auch systematisch tut! Risiken erge-ben sich vorwiegend aus der mensch-lichen Tätigkeit, aus falscher Einschät-zung von Entwicklungen und des Mach-baren, fehlender Kontrolle und planlo-sem Operieren Einzelner oder ganzerFührungscrews (Abb. 1).

VON ANDREAS MERZ

Die Unerwartet AG ist ein Produ-zent von Farben, Lacken undKunstharzen mit einem Jahresum-

satz von etwa 70 Mio. Fr. und Domizil inder Schweiz. Sie beschäftigt rund 150 Per-sonen und ist eingebunden in eine Hol-ding mit Sitz in den USA. Im SchweizerWerk, welches sich in einer eher länd-lichen Gegend befindet, wird produziert,und es werden grössere Mengen an Ge-fahrstoffen umgesetzt und gelagert.

Bei der batchweisen Herstellung(6 m3) eines Acrylatklebers gab der Pro-duktionsmitarbeiter aus Versehen ma-nuell die doppelte Menge des Katalysa-tors zu. Die Polymerisation geriet raschausser Kontrolle, Edukte traten aus undentzündeten sich, wobei es zu einer Ex-plosion mit Brand kam. Ein Mitarbeiterwurde schwer (Teilinvalidität), ein zwei-ter leicht verletzt. Der Brand breitete sichin der grossen Fabrikationshalle rasantaus und erfasste auch diverse zur Produk-tion bereitgestellte leicht brennbare Che-mikalien.

Die Betriebsfeuerwehr kam sofortzum Einsatz, weiter wurden auch derStützpunkt und die Chemiewehr aufge-boten. Das Löschwasserrückhaltebeckenkonnte die anfallende Menge an Lösch-wasser nicht mehr bewältigen, und diesesfloss in den angrenzenden kleinerenFluss. In der Folge brach das Ökosystemauf einer Länge von drei Kilometern zu-sammen. Ebenso betroffen waren einekommerzielle Fischzucht, die zerstörtwurde, und eine am Fluss gelegene Bade-anstalt, welche wegen des ausbleibendenBesucherstroms während der ganzen Sai-son Umsatzeinbussen erlitt.

Der Geschäftsleitung war bekannt,dass sich schon mehrere Beinaheunfällein dieser Richtung im Betrieb ereignethatten. Sie hatte daher auch vor einigerZeit einen nebenamtlichen Sicherheits-beauftragten bestimmt, welcher jedochaus Zeitmangel und beschränkter Fach-kenntnis noch keine detaillierte Analyseerstellen konnte. Bekannt war auch, dassder Brandabschnitt in der Produktion vielzu gross und damit auch das Löschwas-serrückhaltevolumen des vorhandenenBeckens zu klein war.

Durch den Brand wurde ein Grossteilder Produktionsanlagen zerstört. DasUnternehmen war während eines Jahresgegen die finanziellen Folgen einer Be-triebsunterbrechung versichert. Die Pro-duktion konnte während eineinhalb Jah-ren nicht mehr aufgenommen werden.Eine Ausweichmöglichkeit bestand nicht.Eine Notfallplanung (Business Continui-ty Plan) zur Abfederung eines solchenEreignisses wurde nie erstellt. Es ent-stand ein nicht versicherter Umsatzaus-fall, den die Firma nicht mehr tragenkonnte. Eineinhalb Jahre später meldetesie Konkurs an.

HaftungDie Unerwartet AG haftet in verschie-

denster Weise für den von ihr verursach-ten Schaden. Bei den betroffenen Mitar-beitern für die Verletzung der unterneh-merischen Fürsorgepflicht, Verletzungder Sorgfaltspflicht, fahrlässige Körper-verletzung usw.. Im Bereich Umwelt fürSchäden an der Fischzucht. Die Kundenhaben vertragliche Ansprüche auf finan-ziellen Ausgleich der ausfallenden Liefe-rungen, insbesondere auf Ersatz des ent-gangenen Gewinns. Kreditgeber aufRückzahlung gewährter Darlehen.

Die Führungsorgane haften auch per-sönlich für die Verletzungen der Mitar-beiter, wenn sie nicht nachweisen kön-nen, dass sie ihrer Sorgfaltspflicht zumSchutze der Mitarbeitenden vollumfäng-lich nachgekommen sind. Dies betrifftauch allfällig nicht vollständig von derVersicherung gedeckte Folgen wie z.B.Ersatz des Versorgerschadens. Die Füh-rungsorgane haften zudem auch für den

Andreas MerzGeschäftsführer, dipl. Chem.FH, dipl. Wirtschafts-Ing.NDS, SicherheitsingenieurEigV, ArbeitshygienikerSGAH, BrandschutzexperteCFPA, EOQ Occupational

Health and Safety Systems Manager, EOQEnvironmental Systems Manager, SAQBusiness Excellence Coach®, EOQ TQM-Assessor, Gefahrgutbeauftragter. E-Mail:[email protected]

Es geschah ganz unerwartet...

14%

18%

68%

richtig eingeschätzt

überschätzt

unterschätzt

Abb. 1. Fähigkeit des Menschen, Gefahrenohne Anwendung einer Systematikeinzuschätzen.

Um Risiken erfolgreich im Griff zu ha-ben, braucht es eine breite Sichtweise. Al-le Aspekte, die ein Unternehmen ausma-chen, also Kunden, Mitarbeitende, Finan-zen, Technik, Produkt, Konkurrenten

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usw. bestimmen auch das Risk Manage-ment. Letzteres verlangt nach situativ an-gepasster Methodik, welche die Erken-nung, die Bewertung, die Bestimmungvon Massnahmen zur Bewältigung unddie Überwachung sicherstellt. Dabei darfder Fokus weder darauf gerichtet sein,möglichst alle erdenklichen Risiken zufinden, noch möglichst genau zu quantifi-zieren. Ziel ist vielmehr, die wesentlichenRisiken in den Kernprozessen, also denerfolgskritischen, in vernünftiger Exakt-heit zu bestimmen ohne die Gesamtsichtüber das ganze Unternehmen zu verlie-ren. Risk Management als Führungsin-strument gehört also in ein umfassendesManagementsystem integriert.

MethodenEs gibt verschiedene anerkannte Me-

thoden, welche je nach Problemstellungdifferenziert anzuwenden sind wie z.B.:� Methode «Suva»: Risikoanalyse und -beurteilung bei Arbeitsprozessen� Failure Mode and Effects Analysis(FMEA) � Fehlerbaum- und Ereignisablauf-Ana-lyse� Hazard and Operability Studies (HA-ZOP)

Wir haben bereits festgestellt, dassRisk Management eine Aufgabe derUnternehmensführung darstellt. Aus die-ser Sicht handelt es sich nicht um Einzel-risiken, sondern um ein Portfolio von ver-schiedenartigsten Risiken aus den unter-schiedlichsten Bereichen.

Um hier den nötigen Überblick zu ha-ben, braucht es ein entsprechendes In-strument. Das Modell der Balanced Sco-recard (BSC: ausgewogene Anzeigetafel)bietet hier eine ideale Lösung (Abb. 2).

Threads), zu Deutsch «Stärken», «Schwä-chen», «Chancen» und «Gefahren».

Ideal hat sich die Verwendung vonChecklisten als Arbeitsmittel erwiesen,wie dies z.B. auch technische Normen(EN 1050, «Sicherheit von Maschinen –Leitsätze zur Risikobeurteilung») tun.

Es geht nun darum, zutreffende underhebliche Gefahren zu identifizieren, zubewerten und entsprechende Massnah-men zur Risikobeherrschung einzuleiten.Analog den vier Risikolandschaften derBSC kann die Struktur wie in Abb. 3 aus-sehen.

mik in der Physik bzw. Chemie eingeführt.Der 2. Hauptsatz der Thermodynamiksagt aus: Die Entropie eines geschlosse-nen Systems kann nur gleich bleiben oderzunehmen, aber nicht abnehmen. Wir allewissen: Geben wir auch in unserem alltäg-lichen Leben nicht ständig etwas Gegen-steuer (sprich: üben uns in Disziplin), sogeraten auch die einfachsten Angelegen-heiten langsam aber sicher ausser Kon-trolle. Zur Genüge bekannt sind die Fol-gen des «Management by Chaos», daskurzsichtige Handeln und Entscheidenunter konstantem Zeitdruck (Abb. 5).

Abb. 2. Balanced Scorecard.

Die Kernidee ist die Umsetzung undÜberwachung der formulierten Visionund Strategie einer Unternehmung in Re-sultate. Die BSC beschreibt ein Systemvoneinander abhängiger strategischerZielsetzungen, Messgrössen und Aktio-nen. Um eine Ausgewogenheit sicherzu-stellen, werden die Perspektiven und da-mit auch die «Risikolandschaft» Finan-zen, Kunden/Markt, Prozesse und Poten-ziale (Mitarbeiter, Innovation) berück-sichtigt. Diesem Planungsprozess vorge-lagert ist die sogenannte SWOT-Analy-se (Strength, Weakness, Opportunities,

GEFAHRENGEBIET GEFAHRENBEREICH GEFAHRENPOSITION BESCHREIBUNGOperative Prozesse Produkt Verwendung Produkte führen bei nicht

vorhergesehener Verwendungden Verbrauchern Gesund-heitsschäden zu

Umwelt Havarie Explosion, unkontrollierteReaktion, Brand, plötzlicher Umweltschaden

Abb. 3. Auszug Gefahrenliste.

Eine entsprechende Gefahrenlistekann sich in die Positionen Gefahrenge-biet, -bereich, -position und Beschreibungaufteilen. Im effektiven Gefahrenermitt-lungsprozess geht es dann darum, die fürdas Unternehmen effektiv relevanten Ge-fahren mit hohem Potential zu identifizie-ren. Risiken, welche schon mit anderenTools (z.B. Anlagenrisikoanalysen mitHAZOP) detailliert untersucht wurdenresp. werden, können mit einem entspre-chenden Verweis versehen werden. EinUnternehmen kann eine Vielzahl von Ri-siken beinhalten. Diese müssen entspre-chend «gesiebt» und stufengerecht bear-beitet werden. Output ist ein Risikoport-folio, welches nur die wirklich wesent-lichen Risiken in einer Gesamtübersichtdarstellt (Abb. 4).

Abb. 4. Risikoportfolio.

Prävention: Systematisie-rung von AS und GS

Normen, Spezifikationen und BewertungsmodelleDie Entropie ist ein Mass für die Un-

ordnung eines Systems. Sie wurde ur-sprünglich als phänomenologisches (phä-nomenologisch = auf eine wissenschaftli-che Vorgehensweise bezogen, die das imübergreifenden Sinne Wesentliche undBedeutungsvolle in den Erscheinungenund Sachverhalten zu erfassen sucht)Mass auf dem Gebiet der Thermodyna-

Abb. 5. Sicherheit mit System: STOP-Modell.

Norm ISO 9001/4:2000Das Gleiche gilt auch für die Organisa-

tion einer Unternehmung. Als tauglichesHilfsmittel dazu bietet sich z.B. die An-wendung von Normen an. Basis bildethier die ISO-9000er-Reihe, welche ange-wandt wird, um die Erfüllung der Kun-denanforderungen und die Einhaltunggeltender Richtlinien zu bewerten (Abb.6).

KUNDE

ZUFRIEDENHEIT

KUNDE

ANFORDERUNGEN

Managementder Mittel

Verantwortungder Leitung

Messung,Analyse undVerbesserung

Produkt-realisierung

Input OutputProduktDienstl.

P D

CA

Kernprinzipien (Abb. 7) sind dabei:� Kundenorientierung: Organisationenhängen von ihren Kunden ab und solltendaher derzeitige und zukünftige Kunden-wünsche verstehen, Kundenanforderun-gen erfüllen und bestrebt sein, Kundener-wartungen zu übertreffen� Führung: Führungskräfte legen die

Abb. 6. Prozessmodell.

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einheitliche Zielsetzung, die Richtungund das Umfeld der Organisation fest. Sieschaffen das Umfeld, in dem sich die Mit-arbeitenden voll und ganz für die Errei-chung der Ziele einsetzen� Einbezug der Mitarbeitenden: Men-schen auf allen Ebenen sind das Wichtigs-te einer Organisation, und ihre vollständi-ge Einbeziehung erschliesst ihre Fähig-keiten zum Vorteil der Organisation� Prozessorientierter Ansatz: Ein ge-wünschtes Ergebnis wird besser erreicht,wenn die Aktivitäten und damit verbun-denen Ressourcen als Prozess behandeltwerden� Systemorientierung für das Manage-ment: Das Erkennen, Verstehen und Füh-ren eines Systems miteinander in Wech-selwirkung stehender Prozesse für ein ge-gebenes Ziel trägt zur Wirksamkeit undEffizienz der Organisation bei� Ständige Verbesserung: Kontinuierli-che Verbesserung der Gesamtleistungsollte ein permanentes Ziel der Organisa-tion sein� Faktisches Vorgehen zur Entschei-dungsfindung: Wirksame Entscheidun-gen beruhen auf der Analyse von Datenund Informationen� Lieferantenbeziehungen zum gegen-seitigen Nutzen: Beziehungen zumgegenseitigen Nutzen zwischen der Orga-nisation und ihren Lieferanten förderndie Fähigkeit beider Organisationen,Werte zu schaffen

Aussagen zum Thema «Sicherheit»In der Norm ISO 9001:2000 wird die

Sicherheit nur indirekt angesprochen,nämlich indem die Kenntnis der anwend-baren gesetzlichen Grundlagen vorhan-den ist und deren Einhaltung verlangtwird. Dies umfasst selbstverständlichauch sämtliche direkt anwendbaren Ge-setze und Verordnungen aus dem BereichArbeitssicherheit und Gesundheitsschutzwie z.B. Arbeitsgesetz (ArG) und dazuge-hörige Verordnungen, Unfallversiche-rungsgesetz (UVG) und Verordnungüber die Unfallverhütung (VUV).

ISO 9004:2000 geht weiter und sprichtfolgende Themen konkret an:� Infrastruktur (Risiken, Schutz, Sicher-heit)� Arbeitsumgebung (Sicherheitsbestim-mungen, Schutzausrüstung, Ergonomie)

� Gesundheit und Sicherheit im Produk-tionsprozess� Prozess zur Risikoerkennung, -bewer-tung, -minderung, Tools dazu� Informationsschutz

Norm ISO 14001:1999Im Bereich Umweltmanagement ist

das Thema «Sicherheit» vielfältig enthal-ten. Ein herausragender Punkt ist dabeider Schutz der Umwelt vor Störfällen. In-direkt werden in diesem Zusammenhangnatürlich auch Aspekte angesprochen,welche die Sicherheit des eigenen Perso-nals betreffen. Ein Störfall mit Umwelt-auswirkungen hat ja in den meisten Fällenauch eine direkte Auswirkung auf dasUnternehmen resp. die Beschäftigtenselbst. Auch das Kennen der anwendba-ren gesetzlichen Forderungen inkl. Über-wachen und Einhalten ist Voraussetzung(Abb. 8 und 9). sind, diese auszuschliessen oder zu mini-

mieren� Implementierung, Aufrechterhaltungund kontinuierliche Verbesserung einesAS+GS-Managementsystems� Konformität mit einer selbst erklärtenAS+GS-Politik sicherzustellen� Diese Konformität anderen gegenübernachzuweisen (Zertifizierung)� Zertifizierung des AS+GS-Manage-mentsystems durch eine externe Organi-sation oder� Selbstermittlung und Selbsterklärungder Konformität mit dieser OHSAS-Spe-zifikation

Alle Forderungen in dieser OHSAS-Spezifikation sollten in jedem AS+GS-Managementsystem enthalten sein. IhreAnwendungsbreite hängt von Faktorenwie der AS+GS-Politik der Organisation,der Art ihrer Tätigkeiten, den betrieb-lichen Risiken und der Komplexität ihrerBetriebsarten ab. OHSAS 18001 ist aufdie Bereiche Arbeitssicherheit und Ge-sundheitsschutz und nicht auf die Produk-tesicherheit ausgerichtet (Abb. 11).

EFQM-Modell (European Founda-tion For Quality Management)Vierzehn führende europäische Unter-

nehmen gründeten 1988 die EuropeanFoundation for Quality Management(EFQM) als gemeinnützige Organisationauf Mitgliederbasis. Das EFQM-Modellfür Excellence, eine aus neun Kriterienbestehende, offen gehaltene Grundstruk-tur, kann zur Bewertung des Fortschrittseiner Organisation in Richtung Excellen-ce herangezogen werden. Excellence istdefiniert als überragende Vorgehensweisebeim Managen einer Organisation undErzielen ihrer Ergebnisse auf Basis vonacht Grundkonzepten. Das Modell be-rücksichtigt die vielen Vorgehensweisen,mit denen nachhaltige Excellence in allenLeistungsaspekten erzielt werden kann.

Es beruht auf folgender Prämisse: Ex-zellente Ergebnisse im Hinblick auf Leis-tung, Kunden, Mitarbeitende und Gesell-schaft werden durch eine Führung erzielt,die Politik und Strategie, Mitarbeitende,

Abb. 7. QM-Grundsätze.

Abb. 8. Kontinuierliche Verbesserung imUmweltmanagement.

Abb. 9. PDCA-Kreislauf.

Spezifikation OHSAS 18001:1999Diese OHSAS(Occupational Health

and Safety Assessment Spezification)-Spezifikation liefert Anforderungen anein Arbeits- und Gesundheitsschutz-Ma-nagementsystem, die es einer Organisa-tion ermöglichen, ihre AS- und GS-Risi-ken zu kontrollieren und ihre Leistung zuverbessern (Abb. 10). Sie ist für alle Orga-nisationen (Industrie, Gewerbe, Dienst-leistungen, soziale Einrichtungen und öf-fentliche Verwaltungen) anwendbar, dieFolgendes anstreben:� Einführung eines AS+GS-Manage-mentsystems, um für Beschäftigte und an-dere Betroffene (z.B. Fremdfirmen, Be-sucher), die während ihrer Tätigkeit Ar-beits- und Gesundheitsrisiken ausgesetzt

Abb. 10. Kontinuierliche Verbesserung im OHS.

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bezogene Ergebnisse) werden diversePunkte mit direktem wie auch mit indi-rektem Bezug zu Arbeitssicherheit undGesundheitsschutz bewertet. Direkt:Fehlzeiten, Unfallhäufigkeit; indirekt: Ni-veau und Umfang von Schulungsmass-nahmen, Personalfluktuation usw.

Weg zum integriertenManagementsystem (IMS)Die Managementsysteme ISO 9000:

Qualität, ISO 14001: Umwelt und OH-SAS 18001: Arbeitssicherheit und Ge-sundheitsschutz sind in sich geschlosseneSysteme. Sie sind auf die Vollständigkeitdes jeweiligen Systems ausgerichtet undnach den jeweiligen Anforderungen zugestalten. Sie sollen jedoch kombiniertund dabei Synergien genutzt werden(Abb. 13).

Risk Management im Gegensatz kannnie vollständig sein, muss aber das We-sentliche erfassen. Dieses Wesentlicheliegt in den Risiken, welche für eine Orga-nisation existenzbedrohend sein können.Darin grenzt sich das Risk Managementvon spezifischen Managementsystemenab.

Separate Managementsysteme überlas-ten die Personal- und Finanzressourcengerade von KMU. Daher sollte man einIMS einführen und dadurch Doppel- undMehrfacharbeiten, z.B. bei der Doku-mentation, Datensammlung, bei Stabstel-len, sich ggf. widersprechende Arbeits-,Verfahrens- und Betriebsanweisungen,Zertifizierungskosten und Schulungeneinsparen.

Dabei sind einige Schwierigkeiten zuüberwinden, z.B. unterschiedliche exter-ne Anforderungen, mangelnde Zu-sammenarbeit der «zuständigen» Stellen,Zielkonflikte usw. Am Ende steht aberimmer eine wesentliche Verbesserung derinternen Zusammenarbeit. �

Abb. 11. Auszug Korrelationsmatrix 10 Pkte. EKAS – OHSAS 18001.

Abb. 12. EFQM-Modell.

Partnerschaften, Ressourcen und Prozes-se auf ein hohes Niveau hebt.

Im EFQM-Modell ist das Thema «Si-cherheit» im weitesten Sinne überall prä-sent. Dies darum, weil die Bedürfnisseder Stakeholder, also z.B. Kunden, Mitar-beitende usw., im Zentrum stehen (Abb.12).

Arbeitssicherheit und Gesundheits-schutz wird konkret im Kriterium 3 (Mit-arbeiter) angesprochen. Beurteilt wird,wie die Organisation das Wissen und dasgesamte Potenzial der Mitarbeiter auf in-dividueller, teamorientierter und organi-sationsweiter Ebene managt, entwickeltund freisetzt und wie sie diese Aktivitätenplant, um ihre Politik und Strategie unddie Effektivität ihrer Prozesse zu unter-stützen.

Unter dem Kriterium 4 (Partnerschaf-ten und Ressourcen) wird das Managender Finanzen bewertet. Dies betrifft kon-kret auch die Bereiche der Vermögens-werte (materiell und immateriell).

In den Ergebniskriterien (Mitarbeiter- Abb. 13. IMS – vom Konzept zur Realisierung.