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g Demenz bei Menschen mit geistiger Behinderung Möglichkeiten der Erfassung dementieller Entwicklungen im Betreuungsalltag Folie 1 Zum ersten mal in Deutschland kommen wir in eine Phase, in der geistig behinderte Menschen so alt werden können, dass wir uns, wie wir heute schon vielfach gehört haben, Gedanken über die persönliche Entwicklung, die Versorgung und auch die Pflege dieser Menschen im Alter machen müssen. Wir haben heute bereits Einiges über den Übergang in den Ruhestand, das Wohnen im Alter und eben auch pflege- risch-betreuerische Maßnahmen gehört. Gerade in diesem letzten Bereich sind demen- tielle Erkrankungen ein maßgeblicher Faktor für die Art und Weise sowie die Mög- lichkeiten der pflegerischen und sozialen Betreuung von älteren geistig Behinderten. Folie 2 Wie wir wissen, sind dementielle Erkrankungen stark mit dem Alter korreliert – sie nehmen mit steigendem Alter zu. Das Risiko an einer Demenz zu erkranken nimmt in der Bevölkerung ab dem 60. Lebensjahr exponentiell zu, das heißt, alle 5 Jahre ver- doppelt sich in etwa die Zahl der an Demenz Erkrankten bis hin zu 40% bei den Hoch- altrigen. Aufgrund der oftmals mit geistigen Behinderungen einhergehenden somatischen Er- krankungen kommt es zu einem akzellerierten Alternsprozess in dieser Gruppe. Das heißt, biologisch gesehen altert ein geistig behinderter Mensch schneller. Somit kommt er auch schneller in ein biologisches Alter, in dem eine Demenz auftreten kann. Ein in vielen Studien belegter Risikofaktor stellt der Grad der Bildung dar. Auch hier- bei sind Behinderte von Grund auf benachteiligt. Ein Gen auf dem Chromosom 21 steuert die Produktion derjenigen Proteine, deren Abfallprodukte sich als so genannte amyloide Plaques an die Nervenzellen anlagern und dafür verantwortlich gemacht werden, dass diese absterben. Durch das dreifache Vorhandensein des Chromosoms 21 bei Down-Syndrom kommt es zu einer erhöhten Produktion dieser Proteine und damit zu einer verstärkten Plaquebildung. Weiterhin gelten Verletzungen, die unter anderem die Funktion der Blut-Hirnschranke beeinflussen können als Risikofaktor für eine Demenz. Auch hier sind Menschen mit einer erworbenen Hirnschädigung , z.B. eines Schädel-Hirn-Traumas oder einer peri- natalen Hypoxie stärker gefährdet. Folie 3 Wenn man Studien zur spezifischen Prävalenz von dementiellen Erkrankungen bei Menschen mit geistiger Behinderung betrachtet, stellt man fest, dass in dieser Gruppe die Anzahl an Demenzerkrankten bedeutend höher liegt als in der Durchschnittsbevöl- kerung. Zusätzlich tritt die Erkrankung bereits in einem wesentlich früheren Alter auf. So wurden in Studien 11,4% der über 50jährigen und bereits 22% der über 65jährigen geistig Behinderten als demenziell erkrankt eingestuft. Bei Menschen mit Down-Syndrom kommt es aufgrund der genetischen Disposition noch früher zum Auftreten dementieller Erkrankungen. Morphologisch findet man bei 1

Ex nickelodean stars nude symbolism of moby dick ahabs pipe

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Manuskript Ackermann Möglichkeiten der Erfassung dementieller Entwicklungen im Betreuungsalltag

Demenz bei Menschen mit geistiger Behinderung Möglichkeiten der Erfassung dementieller Entwicklungen im Betreuungsalltag Folie 1 Zum ersten mal in Deutschland kommen wir in eine Phase, in der geistig behinderte Menschen so alt werden können, dass wir uns, wie wir heute schon vielfach gehört haben, Gedanken über die persönliche Entwicklung, die Versorgung und auch die Pflege dieser Menschen im Alter machen müssen. Wir haben heute bereits Einiges über den Übergang in den Ruhestand, das Wohnen im Alter und eben auch pflege-risch-betreuerische Maßnahmen gehört. Gerade in diesem letzten Bereich sind demen-tielle Erkrankungen ein maßgeblicher Faktor für die Art und Weise sowie die Mög-lichkeiten der pflegerischen und sozialen Betreuung von älteren geistig Behinderten. Folie 2 Wie wir wissen, sind dementielle Erkrankungen stark mit dem Alter korreliert – sie nehmen mit steigendem Alter zu. Das Risiko an einer Demenz zu erkranken nimmt in der Bevölkerung ab dem 60. Lebensjahr exponentiell zu, das heißt, alle 5 Jahre ver-doppelt sich in etwa die Zahl der an Demenz Erkrankten bis hin zu 40% bei den Hoch-altrigen. Aufgrund der oftmals mit geistigen Behinderungen einhergehenden somatischen Er-krankungen kommt es zu einem akzellerierten Alternsprozess in dieser Gruppe. Das heißt, biologisch gesehen altert ein geistig behinderter Mensch schneller. Somit kommt er auch schneller in ein biologisches Alter, in dem eine Demenz auftreten kann. Ein in vielen Studien belegter Risikofaktor stellt der Grad der Bildung dar. Auch hier-bei sind Behinderte von Grund auf benachteiligt. Ein Gen auf dem Chromosom 21 steuert die Produktion derjenigen Proteine, deren Abfallprodukte sich als so genannte amyloide Plaques an die Nervenzellen anlagern und dafür verantwortlich gemacht werden, dass diese absterben. Durch das dreifache Vorhandensein des Chromosoms 21 bei Down-Syndrom kommt es zu einer erhöhten Produktion dieser Proteine und damit zu einer verstärkten Plaquebildung. Weiterhin gelten Verletzungen, die unter anderem die Funktion der Blut-Hirnschranke beeinflussen können als Risikofaktor für eine Demenz. Auch hier sind Menschen mit einer erworbenen Hirnschädigung , z.B. eines Schädel-Hirn-Traumas oder einer peri-natalen Hypoxie stärker gefährdet. Folie 3 Wenn man Studien zur spezifischen Prävalenz von dementiellen Erkrankungen bei Menschen mit geistiger Behinderung betrachtet, stellt man fest, dass in dieser Gruppe die Anzahl an Demenzerkrankten bedeutend höher liegt als in der Durchschnittsbevöl-kerung. Zusätzlich tritt die Erkrankung bereits in einem wesentlich früheren Alter auf. So wurden in Studien 11,4% der über 50jährigen und bereits 22% der über 65jährigen geistig Behinderten als demenziell erkrankt eingestuft. Bei Menschen mit Down-Syndrom kommt es aufgrund der genetischen Disposition noch früher zum Auftreten dementieller Erkrankungen. Morphologisch findet man bei

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nahezu allen über 40jährigen Menschen mit Down-Syndrom alzheimertypische Abla-gerungen in der Großhirnrinde – die amyloiden Plaques. In einer Studie von Havemann und Kollegen aus dem Jahr 97 wurde entsprechend bei 42% der 50-60jährigen und 56% der über 60jährigen eine Demenz diagnostiziert. Versorgungspolitisch spielt demnach die Demenz in dieser Klientel eine übergeordne-te Rolle, da, wie Havemann weiter feststellte, Pflegebedürftigkeit und geringere Le-benserwartung bei Menschen mit Down-Syndrom vor allem auf Alzheimer-ähnliche Symptome zurückzuführen sind. Folie 4 Problematisch, im Sinne einer frühen Diagnose einer dementiellen Veränderung, er-scheint die Tatsache, dass die symptomatische Entwicklung bei geistig behinderten Menschen anders verläuft, als bei geistig nicht Behinderten. So tritt die eigentlich pri-märe Symptomatik der Alzheimer Erkrankung – Gedächtnisstörungen und Nachlassen kognitiver Fähigkeiten – meist hinter die Sekundärsymptomatik – die Verhaltensver-änderungen – zurück. Dies unter anderem auch aus dem Grund, da Gedächtnisstörun-gen vielfach schon immer vorhanden waren und so nicht direkt ins Auge fallen. Folie 5 Betrachtet man die in der Literatur genannten sekundären Symptome einer Demenz, so fallen vor allem Verhaltensweisen wie Ängstlichkeit, sozialer Rückzug und Apathie auf. Viele Praktiker berichten, dass gerade diese Veränderungen bei vielen älteren Be-hinderten prominent sind: Die Abkehr von lieb gewonnenen Hobbies, ein Nachlassen der Motivation und Aktivität im Allgemeinen und in einigen Fällen auch eine Verstär-kung aggressiven Verhaltens. Letztlich sind dies nur Hinweise auf eine Veränderung, jedoch nicht zwingend auf eine Demenz! Folie 6 Vor diesem Hintergrund stellen sich natürlich einige Fragen, wie eine entsprechende Frühdiagnostik zu leisten ist. Selbstverständlich ist es weder sinnvoll noch praktikabel alle geistig Behinderten ab einem bestimmten Alter regelmäßig psychodiagnostisch und medizinisch zu untersuchung und mit Blutabnahmen und allerlei bildgebenden Verfahren zu traktieren. Vielmehr müssen einfache Verfahren gefunden werden, die es den Angehörigen und/oder den Betreuern ermöglichen, ein Bewusstsein für mögliche demenzbedingte Veränderungen bei den Betroffenen zu schaffen und möglichst standardisiert diese Veränderungen zu erheben. Doch zuvor sollte man sich natürlich auch die Frage stellen: Warum das alles? Folie 7 Kognitive Veränderungen können von einer ganzen Reihe Erkrankungen herrühren. Dies können Schilddrüsenerkrankungen im Sinne einer Unterfunktion sein – auch die-se Erkrankung ist bei Menschen mit Down-Syndrom weit verbreitet. Symptome kön-

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nen aufgrund von Medikamentennebenwirkungen entstehen, oder oftmals einfach weil der Betreffende zu wenig getrunken hat und exsikkiert ist. Solche Erkrankungen die eine dementielle Symptomatik verursachen können, müssen natürlich vom Arzt abklärt und schnell behandelt werden. Sollte tatsächlich ein degenerativer Prozess im Gange sein, ist es genauso wichtig, die-sen früh zu erkennen. Denn dann kann man noch sowohl medikamentös als auch durch nichtmedikamentöse Therapieverfahren sinnvoll eingreifen und den Verlauf der Er-krankung wesentlich verlangsamen. Obwohl es in Deutschland keine Studien über die Wirksamkeit medikamentöser An-sätze bei geistig Behinderten gibt, ist dennoch grundsätzlich von einer ähnlichen Wirk-samkeit auszugehen, wie sie bei nicht geistig Behinderten nachgewiesen werden konn-te. Dies gilt analog für alle anderen Therapieverfahren, für die es ebenfalls noch keine wissenschaftlichen Studien gibt. Folie 8 Fassen wir die vorherrschenden Probleme einer frühen Demenzdiagnostik noch einmal zusammen: • Beginnende Symptome einer Gedächtnisbeeinträchtigung werden oft von der geis-

tigen Behinderung überdeckt. • Vorhandene psychometrische Verfahren sind für Menschen mit geistiger Behinde-

rung weitestgehend ungeeignet • Normwerte aus der Normalbevölkerung sind für die Gruppe der geistig Behinder-

ten untauglich, und • aufgrund der Leistungsheterogenität innerhalb der Gruppe der geistig Behinderten

sind eigene Normwerte kaum realisierbar Folie 9 Hinzu kommt, dass Betroffene nur schlecht selbstreflektiv über ihr eigenes Befinden oder subjektive Veränderungen Auskunft geben können, was durch ein Fehlen von Sprache zusätzlich erschwert wird. Viele existierende Testverfahren bauen auf ein intaktes Leseverständnis auf, was in vielen Fällen in dieser Klientel ebenfalls nicht gegeben ist. Aus diesen Gründen ist eine sinnvolle Diagnostik nur in Einbeziehung von Bezugsper-sonen möglich, die eingehend über die Biographie des Betroffenen Auskunft geben können. Informationen über den Verlauf der Veränderungen sind für eine konkrete Diagnose unabdinglich. Folie 10 Welche standardisierten Instrumente existieren nun zur Diagnose einer Demenz bei Menschen mit geistiger Behinderung? Für den deutschsprachigen Raum ist diese Frage schnell zu beantworten: Keine!

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Die beiden bekanntesten englischsprachigen Instrumentarien sind die Dementia Scale for Down-Syndrom (DSDS) nach Gedye und das Dementia Questionaire for Mentally Retarded Persons (DMR) von Evenhuis. Diese Verfahren sind in der Lage, trotz der Heterogenität der Gruppe der geistig Be-hinderten eine valide Diagnose abzubilden. Jedoch benötigen beide Verfahren weitrei-chende diagnostische Erfahrungen. Um die DSDS überhaupt bestellen zu dürfen ist gemäß den Bestimmungen der Autorin ein Psychologie-Diplom verpflichtend. Unabhängig davon benötigen beide Verfahren etwa 45-60 Minuten Zeit, was für die klinische Anwendung durchaus gerechtfertigt ist, für eine Anwendung in der Betreu-ungspraxis sicherlich eher nicht. Hinzu kommt, dass im Rahmen der Durchführung des DSDS die Bestätigung der Ergebnisse durch einen zweiten Untersucher gefordert ist, was zusätzliche Zeit und personelle Ressourcen verlangt. Zusätzlich können andere, ursprünglich nicht für geistig Behinderte konzipierte, je-doch auch in dieser Klientel durchführbare Instrumente genutzt werden. Folie 11 Da nun das Risiko an einer Demenz zu erkranken für geistige behinderte Menschen überdurchschnittlich hoch ist und gleichzeitig die Möglichkeiten eines frühen Erken-nens der Erkrankung begrenzt sind, erscheint es nahe liegend ein Instrument zu schaf-fen, welches leicht in die allgemeine Betreuung zu integrieren ist – z.B. im Rahmen der regelmäßigen Beurteilung des Hilfebedarfs nach Metzler. Dieses Instrument soll demenzspezifische Veränderungen abbilden und so die Möglichkeit einer Verlaufsbe-obachtung bieten. Folie 12 Vor diesem Hintergrund ist das Institut für Psychogerontologie nun gerade dabei, ein Forschungsprojekt ins Leben zu rufen, welches im Rahmen der Entwicklung und Eva-luation eines kompletten Betreuungskonzeptes älterer dementiell erkrankter geistig Behinderter auch ein derartiges Screening umfasst. Im Rahmen dieses Projektes arbeiten wir mit dem Landesverband der Lebenshilfe Bayern zusammen, der uns organisatorisch unterstützt. Aber momentan steht und fällt das Projekt mit der finanziellen Förderung, deren Be-willigung derzeit noch nicht sicher ist. Folie 13 Im Folgenden möchte ich Ihnen den inhaltlichen Entwurf des Screeningbogens kurz aufzeigen. Wir haben unter Berücksichtigung der bestehenden englischsprachigen Li-teratur versucht, einen kurzen Fremdeinschätzungsfragebogen zu erarbeiten, der bei minimalem organisatorischen Aufwand dennoch in der Lage sein soll, demenztypische Veränderungen über einen bestimmten Zeitraum zu erfassen und so eine Verlaufsdo-kumentation zu ermöglichen. Auf der Basis spezifischer im Verlauf der dementiellen Entwicklung nachlassender kognitiver Funktionen werden Frage nach Tätigkeiten und Fertigkeiten gestellt, für die diese spezifischen kognitiven Leistungen bzw. Funktionen benötigt werden. Bauen

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diese kognitiven Leistungen nach und nach ab, wird dies entsprechende Auswirkungen auf die Ausführung der Tätigkeiten haben und so den Gesamtpunktwert des Fragebo-gens beeinflussen. So kann, von einem individuellen, in Anführungszeichen, „prämor-biden“ Ausgangspunktwert ausgehend, ein Verlauf gemessen werden. Folie 14 Diese Folie zeigt die grundlegenden Items, die im endgültigen Fragebogen natürlich noch angepasst werden. Ich möchte Ihnen anhand von 3 kurzen Beispielen die Operationalisierung der Items deutlich machen: Die Fragen 6 und 7 beispielsweise zielen auf Störungen in der kognitiven Handlungs-planung sowie der koordinativen Fähigkeiten ab. Im Verlauf der dementiellen Ent-wicklung kommt es zu Abrissen in der Handlungsplanung. Im Rahmen der durchaus komplexen Tätigkeiten beim Tisch decken oder bei der Essenszubereitung müssen verschiedene Handlungen in einer bestimmten Abfolge eingehalten werden. Werden Zwischenschritte vergessen oder der Handlungsplan nicht mehr weitergeführt, kommt es in der Regel nicht zum erfolgreichen Abschluss der Handlung. Dies wird in der Be-obachtung der Alltagshandlungen dann gut deutlich. Frage 10 zielt auf grundlegende fluide Basisleistungen ab: der Aufmerksamkeit und Konzentration. Diese Leistungen sind im Rahmen der Demenz früh betroffen. Kommt es also zu häufigen Tätigkeitswechseln, oder fällt es auf, dass sich der Betroffene nicht mehr lange z.B. mit einem Gesellschaftsspiel beschäftigen kann, abschweift oder häu-fige Flüchtigkeitsfehler macht, kann dies auf eine Abnahme der Aufmerksamkeitsleis-tung hinweisen. Ähnlich verhält es sich bei Frage 12, in der es um die Umsetzung von Anweisungen oder Aufträgen geht. Wird eine Aufgabe erteilt, so muss diese in der Regel im Lang-zeitgedächtnis verarbeitet und abgespeichert werden. Der Übergang ins Langzeitge-dächtnis ist jedoch stark von der Funktion des Hippocampus abhängig, welcher im demenziellen Prozess primär beeinträchtigt ist. Im Zeitverlauf schwerer werdende Stö-rungen in diesem Bereich weisen sehr deutlich auf einen pathologischen Prozess hin. Folie 15 Selbstverständlich haben auch ADL- bzw. IADL gestützte Erhebungsmethoden ihre Grenzen bei schwerer geistiger Behinderung. Wenn bereits die grundlegenden lebens-praktischen Fertigkeiten so stark eingeschränkt sind, dass ein hoher Grad an Pflegebe-dürftigkeit vorherrscht, müssen stärker basal orientierte Methoden angewandt werden. Hier müssen umso genauer prämorbide Fähigkeiten erfasst werden – wie es z.B. auch im HMB-Verfahren nach Metzler mit erhoben wird. Folie 16 Zusammenfassend können wir festhalten: Wie bereits mehrfach gehört, nähert sich die Lebenserwartung geistig behinderter Menschen an die der nicht behinderten Bevölkerung an. Obgleich Menschen mit Down-Syndrom aufgrund verschiedenartiger körperlicher Erkrankgunen nach wie vor

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eine geringere Lebenserwartung aufweisen, kommt es auch in dieser Gruppe zu einer wesentlichen Zunahme. Gleichzeitig aber weisen geistig behinderte Menschen ein vielfach erhöhtes Risiko auf, an einer Demenz zu erkranken. Vor diesem Hintergrund ist eine frühe Diagnosestellung zur Einleitung geeigneter Therapie und Betreuungsmaßnahmen außerordentlich wichtig. Ein Problem hierbei stellt das Fehlen geeigneter Screening- und Diagnoseverfahren dar. Vor allem ein Instrument, welches den Praktiker unterstützt Veränderungen, die auf eine Demenz hindeuten können, zu erkennen fehlt vollständig. Wenn ein Betroffener erst dann diagnostiziert und therapiert wird, wenn massive de-menzbedingte Verhaltensstörungen aufgetreten sind, hat man kostbare und für das In-dividuum wichtige und sinnvoll nutzbare Zeit verschwendet. Es gilt deshalb, neben validen und aussagekräftigen psychometrischen Diagnosever-fahren auch einfach zu handhabende Screenings zu entwickeln, welche in der Lage sind, den ersten Schritt hin zur einer weiteren Diagnostik einzuleiten. Die Probleme sind erkannt, die Notwendigkeit ist da – jetzt ist es an der Zeit Lösungen zu finden. Folie 17 Vielen Dank!

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Möglichkeiten der Erfassung dementiellerEntwicklungen im Betreuungsalltag

Andreas AckermannInstitut für PsychogerontologieUniversität Erlangen-Nürnberg

Internationaler Workshop„Alt und behindert in Europa“

4.-5. Mai 2006, Berlin

Demenz bei Menschen mit geistiger Behinderung

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Spezielle Risikofaktoren für eine Demenz bei geistiger Behinderung

• Risikofaktor Alter• Behinderte Menschen altern schneller

• Risikofaktor Bildung• Behinderte Menschen sind meist kognitiv

benachteiligt• Risikofaktor Trisomie 21

• Erhöhte Wahrscheinlichkeit an Alzheimer -Demenz zu erkranken (75% >65j.)

• Risikofaktor Hirnschädigung• Frühkindliche Hirnschädigung (z.B. perinatale

Hypoxie) erhöhen Demenzrisiko

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Epidemiologie der Demenz

Geistige Behinderung allgemein:• 11,4% der über 50jährigen geistig Behinderten (Moss, 1997)

• 22% der über 65jährigen Menschen mit geistiger Behinderung (Lund, 1985)

Geistige Behinderung bei Down Syndrom:• 100% aller über 40jährigen mit Down-Syndrom weisen

morphologische Zeichen der Alzheimer-Demenz auf.• Bei 42% der 50-60jährigen mit DS wurde eine

Demenzerkrankung diagnostiziert, bei über 60jährigen schon 56% (Haveman,1997)

• Langzeitstudie in den Niederlande (Maaskant, 1994, in Havemann, 2004)

• Pflegebedürftigkeit und geringere Lebenserwartung bei Menschen mit Down-Syndrom vor allem auf Alzheimer-ähnliche Symptome zurückzuführen

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Symptomatik der Demenz bei behinderten Menschen

• Bei behinderten älteren Menschen „Primäre“Symptomatik der „sekundären“ meist nachgeschaltet.

• Nicht die nachlassenden kognitiven Fähigkeiten stehen im Vordergrund, sondern

• viel häufiger sind Verhaltensauffälligkeiten zu beobachten

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Primäre Symptome der Demenz

• Gedächtnisstörungen • zunächst Kurzzeitgedächtnis• später auch Langzeitgedächtnis

• Denkstörungen• Logische Abläufe• Adäquate Einschätzung von Situationen

• Orientierungsstörungen• Zunächst zum Ort• Später auch Zeit und Person

• Neurologische Störungen• Aphasie, Agnosie, Apraxie

• Verminderung von Antrieb und Aufmerksamkeit

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Sekundäre Symptome der Demenz

• Ängstlichkeit • Sozialer Rückzug und

Depressive Reaktionen• Aggressives Verhalten• Wahn• Panikreaktionen • Agitation• Apathie• Tag-Nacht-Umkehr

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Fragen der Demenzdiagnostik

bei geistig behinderten alternden Menschen

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Warum überhaupt Demenzdiagnostik ?

• Früherkennung extrem wichtig: neuere Ergebnisse zeigen, je früher mit Interventionen begonnen wird, desto wahrscheinlicher kann das weitere Fortschreiten der Erkrankung verzögert werden, dies auch bei Menschen mit geistiger Behinderung (AAMR, 2004, Prasher et al., 2005)

• Interventionsmöglichkeiten• Medikamentöse Behandlung• Kognitive Aktivierung

• Aber: bisher in Deutschland keine Studien über deren Wirksamkeit!

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Probleme der Früherkennung (1)

• Beginnende Symptome (Gedächtnisstörung) werden oftmals von geistiger Behinderung überdeckt

• Vorhandene Diagnose-Instrumente für Menschen mit geistiger Behinderung ungeeignet

• Normwerte aus der Normalbevölkerung untauglich• Normen aus der Gruppe der Behinderten aufgrund

Leistungsheterogenität nicht realisierbar

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• Betroffene können nur schlecht Auskunft über eigenes Befinden und erlebte Veränderungen in kognitiven Bereichen bzw. Alltagsbewältigung geben

• Teilw. Fehlen von Sprache, Analphabetismus• Diagnose deshalb nur in enger Zusammenarbeit

mit den Bezugspersonen möglich• Sehr viel stärkere Beachtung der Vorgeschichte

und Biographie notwendig

Probleme der Früherkennung (2)

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Instrumente zur Demenzdiagnostik bei geistig behinderten Menschen

z.B.:• Dementia Scale for Down-Syndrom (DSDS) • Dementia Questionaire for Mentally Retarded

Persons (DMR) nutzbar, jedoch nicht spezifisch:• Multidimensional Observation Scale for Elderly

Subjects (MOSES)• Checklist with Symptoms of Dementia (CLD)• Delayed Match-to-Sample Test (DMTS)

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Forschungsprojekt

„Erlanger Modell zur Betreuung von älteren Menschen mit geistiger Behinderung und

Demenz“

in Zusammenarbeit mit demLandesverband Lebenshilfe Bayern

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Zielsetzung

• Entwicklung und Evaluation eines Betreuungsleitfadens mit:• Screeningverfahren zur Feststellung von

kognitiven Degenerationsprozessen• Maßnahmen zur Versorgung und Betreuung

an Demenz erkrankter geistig Behinderter• Anpassung der Maßnahmen an den

Schweregrad der Erkrankung

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„Erlanger Modell“

Entwicklung eines Screening-FragebogensDementielle Entwicklung

bei Menschen mit geistiger Behinderung

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Screening Fragebogen(geplante Inhalte)

Frage: Verbessert/verschlechtert/gleich geblieben in den letzten 6 Monaten:1 Kleiden? 2 Handarbeit/Koordination3 Einkaufen gehen/ außer Haus Dinge erledigen4 Sprachliche Fähigkeiten/ Kommunikation5 Zeitliche Orientierung6 Fähigkeiten zur Unterstützung bei Hausarbeiten oder Essenzubereitung7 Fähigkeiten zum Decken oder Abräumen des Geschirrs8 Erledigung einfacher Aufgaben9 Eigeninitiative (bei Hobbies, etc.)10 Ausdauer/Beharrlichkeit in der Bearbeitung von Aktivitäten11 Umgang mit persönlichen Gegenständen (Pflege von Eigentum) 12 Kooperationsfähigkeit/Annahme und Ausführung von Anweisungen13 Soziale Aktivitäten/ Gruppenaktivitäten14 Selbständiges Handeln(in Anlehnung an Prasher, Farooq & Holder, 2004; Johannson & Terenius, 2004, AAMR, 2004, Evenhuis, 1996; Gedye, 1995)

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• Gedächtnisverluste aufgrund extrem eingeschränkter verbaler und praktischer Fähigkeiten nur schwer erfassbar

• Erhebung durch nonverbale, regelmäßig durchgeführte standardisierte Testverfahren (Verlaufsuntersuchung)

• Standardisierte Erhebung prämorbider Fähigkeiten• z.B. ADLs, iADLs, individuelle Fertigkeiten

• Erhebung durch reguläre Betreuungs- und Entwicklungsberichte der Untersützungspersonen(Abnahme der basalen Alltagsfertigkeiten)

• z.B. nach Metzler

Zusätzliche Vorschläge zum Demenzscreeningbei schwerer geistiger Behinderung (IQ <40):

(mod. nach AAMR, 2004)

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Zusammenfassung

• Steigende Lebenserwartung bei Menschen mit geistiger Behinderung (auch mit DS!)

• Entsprechend Zunahme der Prävalenz dementiellerErkrankungen

• Frühe Diagnosestellung zur Einleitung geeigneter Therapie- und Betreuungsformen dringend notwendig

• Problem: • Früherkennung aufgrund genannter Problematik

schwierig• Keine hinreichenden Diagnose-Verfahren

vorhanden• Keine Normwerterfassungen möglich, somit

immer individuelle Diagnostik notwendig

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Vielen Dank!

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Was muss ein „Demenz-Test“ für geistig Behinderte berücksichtigen ?

„Erlanger Modell“ (1)• Interview mit Betreuungsperson

• Emotionale Labilität• Schlafstörungen• Ängstlichkeit• Feindseligkeit/Reizbarkeit• Ruhelosigkeit• Selbstaggression• Initiative (z.B. anhand NPI)

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Was muss ein „Demenz-Test“ für geistig Behinderte berücksichtigen ?

„Erlanger Modell“ (2)

• Interview mit Betreuungsperson (Forts.)• Unterstützungsbedarf• Lernfähigkeit• Vitalität• plötzlicher oder schleichender Beginn der

Veränderungen

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Was muss ein „Demenz-Test“ für geistig Behinderte berücksichtigen ?

„Erlanger Modell“ (3)• Test: konstruktive Praxis

• z.B. „Turm von Hanoi“• Nachahmen von Handlungen „Do as I do“• Korrigieren von falschen Lösungen • Nachbauen eines Modells

• Test: Gegenstände erinnern• Z.B. „Bildertest“, „Wortliste“• Direkte Reproduktion• Verzögerte Reproduktion (30-60 sek.)

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Was muss ein „Demenz-Test“ für geistig Behinderte berücksichtigen ?

„Erlanger Modell“ (4)

• Verlaufsüberprüfung zwingend erforderlich• (3), 6, 12 Monate-Vergleich

• Einbeziehung des Patienten und des Betreuers oder Angehörigen

• Mix aus Testdiagnostik und Fremdbefragung sinnvoll