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0 Theologische Abhandlung im Rahmen des II. Theologischen Examens (2008) der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers Predigerseminar Celle: Kurs 02 Gottesdienst als Marktplatz Was können landeskirchliche Ortsgemeinden von Sunday Plaza lernen? Vorsitzender der Prüfungskommission: Landessuperintendent Dr. D. Klahr Prüfer: Dr. F. Seven, R. Tyra Studienleiterin: Dr. N. Wendebourg Vorgelegt am: 13.10.2008 Von: Vikarin Sandra Bils Email: [email protected]

Examensarbeit "Kirche Als Marktplatz Sandra Bils

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Page 1: Examensarbeit "Kirche Als Marktplatz Sandra Bils

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Theologische Abhandlung

im Rahmen des II. Theologischen Examens (2008)

der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers

Predigerseminar Celle: Kurs 02

Gottesdienst als Marktplatz Was können landeskirchliche Ortsgemeinden

von Sunday Plaza lernen?

Vorsitzender der Prüfungskommission: Landessuperintendent Dr. D. Klahr

Prüfer: Dr. F. Seven, R. Tyra

Studienleiterin: Dr. N. Wendebourg

Vorgelegt am: 13.10.2008

Von: Vikarin Sandra Bils

Email: [email protected]

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INHALTSVERZEICHNIS

I. Einleitung 2

1.1. Vorgehensweise 2

II. Sunday Plaza – Mitte einer Gemeinschaft 3

2.1. Situation und Milieu 3 2.1.1. Kirchliches Leben in der Schweiz 3 2.1.2. Soziokulturelle Betrachtung der Bewegung X-Stream 4

2.2. Sozialformen innerhalb der Bewegung X-Stream 5 2.2.1. Entstehung und Organisation von X-Stream 5 2.2.2. X-Changes 6 2.2.3. Sunday Plaza 8

2.2.3.1. Inhalt der einzelnen Elemente des Sunday Plaza 9 2.2.4. Leitung und Kommunikationsstrukturen von X-Stream 12

2.2.4.1. Mitarbeit in den kerndienstlichen Verantwortungsbereichen 13 2.2.4.2. Leitbildprozess anhand des Wertebüchleins 14

2.3. Theologische Perspektive 15 2.3.1. Einflüsse der »Emerging Church« und der »Alternative Worship Bewegung« 15

2.3.1.1. Wesen der Emerging Church 15 2.3.1.2. Wesen des Alternative Worships 16

2.3.2. Zum Verhältnis von X-Stream und Sunday Plaza anhand von ausgewählten Aspekten 18 2.3.2.1. Partizipation - Priestertum aller Gläubigen 18 2.3.2.2. Lebensräume - Sakral/profan 19 2.3.2.3. Profil - Umgang mit geprägter Tradition 20

2.4. Zwischenstand 20

III. Ortsgemeindliche Wirklichkeit 21

3.1. Situation und Milieu 21 3.1.1. Beleuchtung soziokultureller Hintergründe 22 3.1.2. Sozialformen innerhalb der landeskirchlichen Ortsgemeinde 23

3.2. Theologische Perspektive 25 3.2.1. Verbindung von Gottesdienst und Gemeinde 25

3.3.Gemeindeaufbaumodelle 28 3.3.1. MÖLLER: Ganzheitlicher Gemeindeaufbau durch »Gottesdienste als Gemeindeaufbau« 28

a. Partizipation - Priestertum aller Gläubigen 28 b. Lebensräume - Sakral/profan 29 c. Profil - Umgang mit geprägter Tradition 30

3.3.2. LINDNER - Kirche am Ort: Von der konziliaren Gemeinde und kirchlichen Organisationsentwicklung 31

a. Partizipation - Priestertum aller Gläubigen 31 b. Lebensräume - Sakral/profan 33 c. Profil - Umgang mit geprägter Tradition 34

3.3.3. POHL-PATALONG: Von der Ortskirche zu kirchlichen Orten 34 a. Partizipation - Priestertum aller Gläubigen 35 b. Lebensräume - Sakral/profan 36 c. Profil - Umgang mit geprägter Tradition 37

3.3.4. Resümee zu den vorgestellten Modellen und Zwischenbetrachtung 38

IV. Übertragung – Was kann die Landeskirche von Sunday Plaza lernen? 39

4.1. Direkt übertragbar 40 4.2. Modifiziert übertragbar 40 4.3. Nicht übertragbar 46

Anhang 48

A. Verzeichnis der verwendeten Literatur 48 B. Internetressourcen 54

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2

HINWEISE FÜR DEN LESER

Die in dieser Arbeit verwendeten Abkürzungen richten sich nach dem Verzeichnis von S.

M. SCHWERTNER, Theologische Realenzyklopädie. Abkürzungsverzeichnis, Berlin/New

York 1976.

In allen Formen ist die inklusive Form mitgedacht.

I. Einleitung

Im zweiten Leuchtfeuer des Impulspapiers der EKD »Kirche der Freiheit« wird in Bezug

auf eine profilierte Gemeindearbeit dazu aufgerufen, von „gelingenden Beispielen“ zu

lernen und diese gemäß einer »good practice Orientierung« zu stärken.1

Im August 2008 hatte ich während meines Praktikums in der Netzwerkbewegung

X-Stream Steffisburg, im Kanton Bern in der Schweiz die Gelegenheit, eine spannende

freikirchliche Gemeinschaft kennen zu lernen. Ich war begeistert, in einer Bewegung

hospitieren zu können, die vor allem aus jungen Familien besteht. Die Altersstruktur der

Mitglieder liegt zwischen 18 und 50 Jahren – eine Zielgruppe, um die sich viele andere

Gemeinden meist vergeblich bemühen. Auch der hohe Teilnehmerdurchschnitt am got-

tesdienstartigen Modell »Sunday Plaza« von ca. 85% hat mich erstaunt.

Handelt es sich hier um ein Gemeinde- und vor allem ein Gottesdienstkonzept das das

Prädikat „gelungenes Beispiel“ im Sinne des Impulspapiers verdient? X-Stream lehnt als

freikirchliche und unabhängige Bewegung die Bezeichnung »Gemeinde« für sich ab.

Auch die Bezeichnung des Sunday Plaza als »Gottesdienst« weisen sie zurück. Dieser

kritische Umgang mit geprägten christlichen Traditionen führte mich zur Frage: Handelt

es sich bei X-Stream überhaupt um eine Gemeinde und bei Sunday Plaza um einen

Gottesdienst und in wieweit kann eine landeskirchliche Ortsgemeinde von diesem

„gelungenen Beispiel“ profitieren? Gibt es Elemente, die auf die ortskirchliche

Wirklichkeit übertragbar sind?

1.1. Vorgehensweise

Im ersten Schritt werde ich in Grundzügen die konfessionelle Situation in der Schweiz

beleuchten, um dann auf die Bewegung X-Stream einzugehen. Dabei werde ich eine

soziokulturelle Untersuchung des dort vorherrschen Milieus vornehmen und die

organisatorischen Gefüge und Sozialformen darstellen, die die Gesamtbewegung

strukturieren und in die auch das gottesdienstähnliche Modell Sunday Plaza verortet ist.

Darin sind sowohl Fragen der Leitungs- als auch der Kommunikationsstrukturen

1 Vgl. Kirche der Freiheit, 53.

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eingeflochten. Es folgt eine theologische Annäherung, in der die Einflüsse der

»Emerging Church« sowie der »Alternative Worshipbewegung« auf X-Stream beleuchtet

werden. Anhand von drei Aspekten, die jeweils Grundwerte, Struktur und Profil der

Bewegung theologisch reflektieren, wird daraufhin das Verhältnis von Bewegung und

gottesdienstähnlichem Modell näher beleuchtet.

Im zweiten Schritt wird der Untersuchung der freikirchlichen Bewegung die

ortsgemeindliche Wirklichkeit innerhalb der Landeskirche gegenübergestellt. Das bereits

im Zusammenhang von X-Stream beleuchtete Milieu soll nun als Vergleichspunkt in den

Strukturen des landeskirchlich-parochialen Systems verortet werden. Dazu werden

gemeindeaufbau- und gottesdienstbetreffende Sozialstrukturen dargestellt. Theologisch

wird dies dann anhand der Gemeindeaufbaumodelle von MÖLLER, LINDNER und POHL-

PATALONG analysiert. Dafür werden die drei zentralen Aspekte, die sich in der

Untersuchung der Bewegung X-Stream herausgeformt haben, als konkrete Vergleichs-

und Analysepunkte an die Gemeindeaufbaumodelle angelegt.

Im letzten Schritt wird schließlich aus den Ergebnissen der Untersuchungen die

Übertragbarkeit des Sunday Plaza auf ortsgemeindliche Strukturen abgeleitet.

II. Sunday Plaza – Mitte einer Gemeinschaft2

2.1. Situation und Milieu

2.1.1. Kirchliches Leben in der Schweiz

In der Gesamtschweiz besteht eine Religionslandschaft, die konfessionell mit 41%

römisch-katholischen und 40% reformierten Christen ausgeglichen ist.3 Im Gegensatz

dazu ist der Kanton Bern, in dem auch die Bewegung X-Stream liegt, mit über 67%

protestantischen Christen grundsätzlich eher evangelisch dominiert.4 Hierin

eingeschlossen sind die Mitglieder der evangelisch-reformierten Landeskirche sowie

2 Darstellung und Untersuchung X-Streams basieren auf Informationen und Beobachtungen, die ich wäh-rend meines Hospitationsprozesses in der Schweiz zusammengetragen habe. Sie stammen aus vielen In-terviews mit Mitgliedern des X-Stream und eigenen Beobachtungen und Reflexionen vor Ort während und nach meines Besuches im Rahmen meines Examensprojektes. 3 Die letzte Volkszählung im Jahre 2000 ergab, dass 41 % der Schweizer Bürger römisch-katholisch, 40 % reformiert, 2,5 % in Freikirchen und 11 % ohne Zugehörigkeit waren. Vgl. BOVAY, Religionslandschaft, 54. 4 67% Protestanten, 16% Römisch-Katholische, 3% Islamische Gemeinschaften, Keine Zugehörigkeit 8%. Vgl. BOVAY, Religionslandschaft, 65.

Page 5: Examensarbeit "Kirche Als Marktplatz Sandra Bils

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protestantischer Freikirchen. Die mitgliederstärkste Freikirche sowohl in Bern als auch in

der Gesamtschweiz ist der Bund der Freien Evangelische Gemeinde (FEG). Er umfasst

rund 7000 Mitglieder in 90 Gemeinden. Während die beiden großen christlichen Kirchen

sinkende Mitgliederzahlen vorweisen, hat sich die Anzahl der Mitglieder in Freikirchen

und kleineren Religionsgemeinschaften verdoppelt.5 Dies deutet, trotz der Migrationen

innerhalb der Konfessionen, auf eine Stabilität innerhalb der christlichen Konfession

hin.6

In der Stadt Thun, mit seinen 42.000 Einwohnern gibt es eine aktive reformierte Kirche,

eine kleine katholische Gemeinde sowie eine noch kleinere Christkatholische Gemeinde.7

Zudem gibt es in Thun ein breites Spektrum an Freikirchen, von denen sich 18 zur

Schweizerischen Evangelischen Allianz (SEA) zählen und sich im lokalen Verbund zur

Evangelischen Allianz Region Thun (EARTH) zusammengeschlossen haben. Vier

weitere Freikirchen existieren als unabhängige Freikirchen, X-Stream ist eine davon.

Allgemein ist die Gottesdienstsituation innerhalb der reformierten Kirche in der Schweiz

ungefähr vergleichbar mit Erhebungen der lutherischen Kirche in Deutschland. Eine

empirische Untersuchung im Kanton Bern ergab eine Gottesdienstbesucherquote von

2,5%.8 Der Gottesdienstbesuch in den freikirchlichen Gemeinden liegt hingegen deutlich

höher. So kommen allein in den freikirchlichen Gemeinden des EARTH pro Sonntag ca.

3000 Thuner zusammen.9

2.1.2. Soziokulturelle Betrachtung der Bewegung X-Stream

Die Bewegung X-Stream besteht aus ca. 90 Personen die größtenteils dem

Selbstverwirklichungsmilieu10 angehören. Mit einem Altersspektrum von 18-50 Jahren

bilden sie, zusammen mit ihren Kindern, eine sehr junge Glaubensgemeinschaft.

Beruflich als Studenten, höhere Angestellte, Beamte und Freiberufler tätig, verfügen die

Meisten über einen hohen Bildungsabschluss.11 Vier Mitglieder haben Theologie studiert

und auch als Pastoren gearbeitet, zwei Weitere studieren derzeit noch Theologie. X-

Stream beschäftigt aber niemanden von ihnen als Pastor.

Erstaunlich ist, dass gerade das Selbstverwirklichungsmilieu, das X-Stream

schwerpunktmäßig ausmacht, sonst, statistisch gesehen, eher Desinteresse gegenüber

5 Dies ergibt sich aus dem Vergleich der Volkszählungen von 1970 und 2000. Vgl. Bundesamt für Sta-tistik, Übersichtsanalyse, 1. 6 Vgl. CAMPICHE, Aufbau 58. 7 Die Christkatholische Kirche ist der Name der Alt-Katholischen Kirchenströmung in der Schweiz 8 Vgl. LEHMANN, Mehr, 5. 9 Vgl. http://www.allianz-thun.ch/index.php (einges. 09.10.2008; 08:33 Uhr). 10 In der Einteilung in verschiedene Sozialmilieus folge ich SCHULZE in „Die Erlebnisgesellschaft.“

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kirchlichen Veranstaltungen zeigt oder sich als konfessionslos bezeichnet. Bei einer

repräsentativen Umfrage unter 16-35 jährigen Schweizern gaben 46% von ihnen an, nur

bei familiären Anlässen oder nie in den Gottesdienst zu gehen.12

Ein wesentliches Charakteristikum dieses Milieus ist nach SCHULZE die hohe

Wertschätzung intensiver zwischenmenschlicher Beziehungen, die auch bei den

Mitgliedern von X-Stream deutlich zu erkennen ist. Binnenkirchlich wird großer Wert

auf Gemeinschaft gelegt.13 Gemäß ihrer alltagsästhetischen Neigungen lassen sich die

Mitglieder durch die Art ihrer Freizeitgestaltung und ihres gewählten Lebensstils dem

Hochkultur- und dem Spannungschema zuordnen: Ihre Interessen umfassen sportliche

Aktivitäten, sie hören gerne Rock, Pop, alternative Musik aber auch Klassik (sog.

Postmoderne Mischcharakteristik)14 und lesen sowohl Modezeitschriften als auch

ausgewählte Literatur. Außerdem gehen sie gerne in Cafés, Ausstellungen und zu

Rockfestivals. Viele schauen nur selten fern oder haben keinen Fernseher. Ihr

Kleidungsstil variiert von elegant über sportlich bis alternativ.

2.2. Sozialformen innerhalb der Bewegung X-Stream

Die Bewegung X-Stream ist als Dachverband in 13 Hauskirchen organisiert, die

insgesamt 90 Mitglieder umfassen. Durch ihre strukturelle Unabhängigkeit als Freikirche

und ihre überschaubare Größe sind ihnen im Hinblick auf den Gemeindeaufbau große

Freiheiten gegeben.15

2.2.1. Entstehung und Organisation von X-Stream

Die Hauskirchenbewegung X-Stream ist vor zehn Jahren aus einer Jugendgruppe der

Freien Evangelischen Gemeinde (FEG) Steffisburg, Schweiz hervorgegangen. Damals

unzufrieden mit der vorherrschenden Gottesdienstpraxis, beschäftigte sich das

Leitungsteam der Jugendgruppe mit verschiedenen Gottesdienstkonzepten und

Gemeindemodellen. Nach dem Vorbild der sog. Seeker-Services der Willow Creek-

Bewegung, wurden erste Gottesdienste veranstaltet, die jedoch wegen der zu hohen

Passivität der Gottesdienstbesucher bald wieder verworfen wurden. Gewünscht war ein

11 Vgl. BECKS, Gottesdienst, 228. 12 27% gelegentlich, 16% mindestens monatlich, 12% wöchentlich, vgl. CAMPICHE, Aufbau, 79. 13 Die Freundschaften sind allerdings keineswegs allein konfessionell homogen. Viele Mitglieder sind auch außerhalb der Gemeinde in Freundeskreisen vernetzt. 14 „Typisch für das Selbstverwirklichungsmilieu ist der Grenzverkehr zwischen verschiedenen alltags-ästhetischen Teilchen- und Bedeutungskosmen, zwischen Mozart und Rockmusik, Kunstausstellung und Kino, Kontemplation und Action.“ SCHULZE, Erlebnisgesellschaft, 312. 15 Dies ist deutlich hervorzuheben, da die Steuerbarkeit und damit die Realisierbarkeit von Konzepten in den Freikirchen anders gegeben ist als in den Groß- und Landeskirchen mit ihrem Binnenpluralismus. Vgl. WINKLER, Gemeinde, 113.

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hohes Maß an Identifizierung und persönlicher Beteiligung, wodurch 1998 die

kleingruppenbasierte Gemeinschaft X-Stream gegründet wurde.

Die Gemeinschaft ist in 13 Hauskirchen, den sog. X-Changes organisiert. In diesen findet

gemeinschaftliches Leben und ein reger christlicher Austausch im Alltag statt. Ein Mal

im Monat findet zudem eine gottesdienstähnliche Veranstaltung statt, der sog. Sunday

Plaza. Er funktioniert als geistliches Zentrum vom X-Stream und bietet den Hauskirchen

ein Forum zum Austausch. Was die Finanzierung von X-Stream betrifft, so wird

monatlich von den Hauskirchen ein geringer Beitrag an sog. Netzwerkkosten an die

Gesamtbewegung entrichtet.16 Die Hauskirchen verwalten ihre Finanzen eigenständig.

Im Folgenden wird die Arbeit und Organisation der Hauskirchen und des monatlich

stattfindenden Sunday Plaza näher beschrieben.

2.2.2. X-Changes

Die 13 Hauskirchen haben jeweils unterschiedliche lokale Ausprägungen und Profile:

Die Mitglieder einiger dieser Kleingruppen leben in kommunitären Einheiten in Häusern

zusammen, während andere unabhängig wohnen, sich aber mindestens einmal

wöchentlich in ihrer Zellgruppe treffen. Die Gruppenstärke variiert von drei bis zwölf

Personen. Die Gruppen wachsen durch Neueintritte, meist nach einer persönlichen

Einladung im Bekannten- oder Arbeitskollegenkreis. Bei einer Größe von maximal 14

Personen hat eine Hauskirche ihre maximal gewünschte Größe erreicht. Homogene

Gruppen im Hinblick auf Alter, Geschlecht, Beruf und Familienstand stehen sehr

durchmischten Gruppen gegenüber. Die unterschiedlichen Profile ergeben sich aus den

Interessen der Mitglieder und ihrer individuellen Frömmigkeit, was im Folgenden

anhand konkreter Beispiele verdeutlicht wird.

Trotz vieler struktureller Unterschiede sind die Kleingruppen durch die gemeinsame

Zielsetzung von X-Stream eng miteinander verbunden: Für alle X-Changes gehört die

Regelmäßigkeit der Treffen und das Engagement in ihrem jeweiligen sog.

Entsendungsgebiet zu den Grundwerten der Bewegung. Im Abstand von zwei Wochen

versammelt sich jede Hauskirche nach einem Rotationsprinzip in einer Privatwohnung,

einige Gruppen treffen sich auch in einem Café oder Restaurant. Häufig beginnen die

Treffen mit einem gemeinsamen Abendessen.17 Während bzw. nach dem Essen wird das

16 Die Netzwerkkosten betragen monatlich 30 ! für Berufstätige und 15 ! für Studenten/Arbeitslose. 17 Nahezu alle Gruppen treffen sich in den Abendstunden. Eine Gruppe jedoch trifft sich im zweiwöchigen Rhythmus in einem Restaurant zum Frühstücksbrunch.

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Abendmahl im Sinne eines Agapemahls gefeiert.18 Im Anschluss ist das Treffen häufig

von Gebet, Musik und gemeinsamer Bibellese geprägt.

Besonders wichtig ist, dass die Treffen keinem festen Ablauf folgen. Der Begriff

„Programm“ wird bewusst gemieden, stattdessen soll es Raum für Flexibilität und

Spontaneität geben. Starre Formen und festgelegte Abläufe sind nicht erwünscht. Der

Ablauf dieser Treffen kann deshalb nicht verallgemeinernd beschrieben werden.

Während eine Gruppe gemeinsam ein thematisches Buch liest und bibelkreisartig

erarbeitet, gestaltet eine andere Gruppe die Abende mit verschiedenen Methoden der

Bibelarbeit wie das sog. Rabbigespräch sowie Lectio Divina.19 In manchen Gruppen

wird gesungen, in anderen hingegen CD-Musik gehört und in der Stille gebetet.

Insgesamt sieht jeder Abend viel Zeit für Austausch und Gespräch vor.

Im wöchentlichen Wechsel zu diesen thematischen Treffen engagieren sich die

Hauskirchen in ihrem Entsendungsgebiet. Diese sozial-diakonische Tätigkeit erwächst

aus dem jeweiligen Profil der Hauskirche und ist von ihr selbst definiert. Das Spektrum

der Tätigkeiten umfasst Gefängnisbesuche, Berufsberatung und Bewerbungstraining oder

regelmäßige Besuche in einem Heim für schwererziehbare Mädchen. Viele

Entsendungsgebiete haben direkte Anbindung an den Wohnort der Mitglieder und

erwachsen aus einem Gefühl sozialer Verantwortung vor Ort. So bspw. eine junge

Hauskirche die in der Dorfentwicklung in Steffisburg tätig ist. Eine andere Gruppe

wiederum hat sich etwa bei der Stadt Thun als ehrenamtliche Sozialarbeiter ausbilden

lassen und versieht ihren Dienst nun im Rahmen ihres Entsendungsgebietes.20

Durch die finanzielle Eigenständigkeit der Hauskirchen bleiben die Mitgliederabgaben

im eigenen Verfügungsbereich und werden direkt für diese Projekte genutzt.

Gelegentlich schließen sich einige Hauskirchen für gemeinsame Großprojekte

zusammen. Es gibt auch die Möglichkeit, an Weiterbildungsprogrammen teilzunehmen.

18 Die Verantwortung für die Einsetzung wechselt innerhalb der Hauskirche von Treffen zu Treffen. Die Einsetzung selbst wird gemäß der Einsetzungsworte Mk 14,22–25 oder 1Kor 11,23–25 lesend, nach-erzählend oder singend vollzogen. Zum Abendmahl sind auch Kinder eingeladen, wie auch in der evangelisch-reformierten Kirche der Schweiz verbreitet. 19 Das Rabbigespräch ist eine Methode des Bibelgesprächs, bei dem durch zirkuläres Fragen versucht wird, zum Kern der Bibelgeschichte zu gelangen. Die lectio divina ist eine Methode der betenden Meditation über Bibeltexten aus dem 11 Jahrhundert. Ihre vier Stufen lectio, meditatio, oratio und contemplatio führen lesend, wiederholend, betend und verweilend durch Bibeltexte. 20 Das Entsendungsgebet stellt nur eines der vielfältigen Arbeitsfelder dar, in denen die Bewegung auch außergemeindlich tätig ist. Weiter lassen sich beispielhaft die Netzwerkarbeit mit anderen Gemeinden verschiedener Konfessionen sowie vereinsartige Arbeit in der Dorfentwicklung, bspw. bei der Planung eines Dorffestes nennen.

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8

Das Leiterausbildungsprogramms Zyklotron21 im Rahmen des sog. Jüngerschaftsmodels

steht grundsätzlich allen Mitgliedern der Hauskirchen offen. Zyklotron zielt auf die

Ausbildung von neuen Hauskirchenleitern22 und motiviert somit zu Gründung neuer

Hauskirchen. Dadurch entsteht eine organische Struktur, die sowohl von Kontinuität als

auch von Wachstum geprägt ist. Die Stellung der X-Changes zur Gesamtbewegung X-

Stream ist als autonom aber nicht autark zu beschreiben. Einerseits organisieren sich die

Hauskirchen selbst und verantworten ihre jeweils eigene programmatische und

individuelle profilorientierte Ausrichtung. Andererseits sehen sie sich unter dem Dach

der Gesamtbewegung zusammengefasst und fühlen sich durch die Pflege von

persönlichen Beziehungen und den regelmäßigen Kontakt im Rahmen von Sunday Plaza

eng mit ihr verbunden.

2.2.3. Sunday Plaza

Während die X-Changes die kontinuierliche religiöse Gestalt der Bewegung bilden, ist

der Sunday Plaza als Treffpunkt aller Hauskirchen im Sinne eines gottesdienstähnlichen

Mittelpunkts zu verstehen. Wie bei der gesamten Entwicklung von X-Stream gab es auch

beim Sunday Plaza ein Vorläufermodell das ausprobiert und wieder verworfen wurde,

bis schließlich eine Form gefunden wurde, die den Erwartungen und Bedürfnissen der

Bewegung gerecht wurde. Wichtig für die Mitglieder war in diesem Rahmen das

Hinterfragen und Problematisieren der Bezeichnung »Gottesdienst«. Die mit diesem

Begriff verknüpften Erwartungshaltungen bei Christen und Kirchenfernen sollten

unbedingt vermieden werden, weshalb als Konsequenz schließlich eine andere

Bezeichnung – ein neues »Label« gefunden wurde:

„Was ist also ein Sunday Plaza? Ein Gottesdienst, der kein Gottesdienst sein

will, damit die Teilnehmer nicht mit vorgefassten Vorstellungen kommen und

nachher enttäuscht sind, weil sie vergebens auf Element A oder B gewartet

haben.“23

Der Sunday Plaza findet ein Mal pro Monat, sonntags von 15:30 – 20:30 Uhr im

Veranstaltungszentrum »Schüür« in Steffisburg statt. Dies liegt am Stadtrand Thuns, hat

eine angegliederte Gastronomie und wird eigens für die jeweiligen Sonntage angemietet.

Im Hinblick auf Gestaltung und Aufbau zeichnet sich Sunday Plaza durch eine

Baukastenstruktur aus. Im Gegensatz zur seriellen Grundstruktur klassischer

21 Über den Zeitraum von einem Jahr treffen sich die Teilnehmer zweiwöchentlich zu Themen wie bei-spielsweise: Gesprächsführung sowie Kunst und Kultur. 22 Auf die Rolle und Aufgabe der Hauskirchenleiter werde ich 2.2.4.1 näher eingehen.

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Gottesdienste, definiert sich die Liturgie des Sunday Plaza durch konstante serielle sowie

parallele Angebote, die im Hinblick auf Abfolge und Dauer frei kombiniert werden

können. Die Struktur ist einem Marktplatz nachempfunden. Im Rahmen von neun

verschiedenen Foren wird versucht, den spirituellen Bedürfnissen und persönlichen

Wünschen der Besucher zu entsprechen: Workshops, Art Gallery, Lounge, Raum der

Stille, Espace Enfant, Game Corner, Info-Zone, Bistro, Plenum/Contemplatio.

Dadurch ergibt sich für die Besucher die Möglichkeit, verschiedene Angebote zu

kombinieren und unterschiedlich lange in den jeweiligen Bereichen zu verweilen.

Um die Vielfältigkeit des Sunday Plaza zu veranschaulichen, werden im Folgenden die

neun Foren kurz vorgestellt.

2.2.3.1. Inhalt der einzelnen Elemente des Sunday Plaza

a. Workshops

Während des Sunday Plaza finden jeweils zwei Mal zwei Workshops statt.24 Zwei

Themen25 werden parallel angeboten, um die Workshopgruppen von maximal zwölf

Teilnehmern klein zu halten und um Raum und Zeit für Austausch und Diskussion zu

schaffen. Das Anbieten eines Workshops steht der gesamten Bewegung offen, wird

jedoch meist von Mitgliedern mit theologisch-universitärer Vorbildung wahrgenommen.

Die Workshops sind stark interaktiv ausgelegt. So können die PowerPoint-unterstützten

Inputs durch angeregte Diskussionen unterbrochen werden. Workshops stellen keine

Predigten oder hierarchischen Frontalunterricht dar, sondern verstehen sich als

interaktive Lehreinheiten zu Bibeltexten und Glaubensfragen. Außerdem dienen sie oft

zur Vorbereitung von Kick-Off-Prozessen für neue Projekte. Bildung und Partizipation

gehören zu den Zielen der Workshoparbeit.

b. Art Gallery

Die Art Gallery ist ein Bereich des Sunday Plaza, der während des gesamten

Veranstaltungszeitraums geöffnet und zugänglich ist. Dort werden Zeichnungen, Drucke,

Skulpturen und Video-Installationen ausgestellt. Die Kunstwerke stammen von

Künstlern aus der Bewegung (Kunststudenten oder Hobbykünstler). Anfang des Jahres

23 Homepage von X-Stream: http://lifenavigator.typepad.com/lifenavigator/2007/10/sunday-plaza-ii.html (einges. 23.09.2008; 18:32 Uhr). 24 Zwei Workshops finden parallel von16:00-17:00 Uhr statt, zwei weitere von 17:30-18:20 Uhr. 25 Themenübersicht in Auswahl: Der Gott der Erde (Inkarnation); Lifeshapes: Fünfeck, Rabbischule zu Gebet; Lifeshapes: Sechseck; Reichswechsel Gedanken zu Kolosser 1,133; Lifeshapes: Siebeneck & Achteck; Der Mensch des Friedens; Erlebnisbericht aus Thailand; Warum Gott Geschichten und Symbole braucht: Bibel meets Wertebüchein: Rabbigespräch: Apostelgeschichte 2 (Pfingsten); Finanzen: Von Mäusen und Motten; Die Messe verstehen: ein theologischer Ausflug in die Welt der Anbetung.

Page 11: Examensarbeit "Kirche Als Marktplatz Sandra Bils

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wurde dort im Rahmen einer Vernissage das aufwändig gestaltete Wertebüchlein26 der

Öffentlichkeit vorgestellt.

Das Profil der Art Gallery ist bewusst wandlungsfähig und offen: Ausstellungen, die zum

reinen Betrachten einladen wechseln sich mit interaktiven Projekten ab, bei denen die

Besucher selbst kreativ und künstlerisch tätig werden können. Video-Kunst-Projekte,

Projektionen und audio-visuelle Installationen wiederum laden zu Meditation und Gebet

ein.

c. Lounge

Die Lounge bietet die Möglichkeit zu Gespräch und Austausch. Im angegliederten

Restaurant können Getränke und Speisen gekauft werden. Manche Mitglieder verabreden

sich im Rahmen des Sunday Plaza mit Freunden aus anderen Hauskirchen, um in

Kontakt zu bleiben. Ähnlich eines „Kirchencafés“ gehen andere wiederum spontan in

kleinen Gruppen in die Lounge um Diskussionen und Gespräche, beispielsweise

angestoßen durch Workshopinhalte, fortzusetzen.

d. Raum der Stille

Im Raum der Stille steht die individuelle Gottesbegegnung im Gebet im Vordergrund.

Die wechselnde Gestaltung der Bereiche ist inspiriert von der 24/7-Prayer-Bewegung.27

Während meiner Hospitationsphase war der Raum der Stille in drei verschiedene Zentren

unterteilt: Raum der Reinigung, Raum der Begegnung und Raum des Lebens.

Der Raum der Reinigung bot mit Matten und Kissen Raum zum Verweilen und erzeugte

durch die kunstvolle Beleuchtung mit gedämpftem Licht und Kerzen eine beruhigende

Grundstimmung. An allen Sitz- und Liegemöglichkeiten war der Vers „Alle Sorge werft

auf ihn“ (1Petr. 5,7) angebracht. Kleine Erklärungen im Raum führten in den

Themenkomplex Reinigung und Buße ein. Im Raum der Begegnung boten Stationen mit

CD-Playern die Möglichkeit Musik oder Abschnitte einer Hörbibel zu hören. Es lagen

Bibeln aus. Auch hier konnte auf Matten, Kissen und Sesseln individuell in der Stille

gebetet werden. Im dritten Raum, dem Raum des Lebens, war ein Spiegel angebracht,

darüber ein Schildchen „Sieh an, wie Gott dich geschaffen hat.“ Im ganzen Raum lagen

26 Das Wertebüchlein umfasst die Leitbildgedanken der X-Stream-Bewegung, deren Entstehungsprozess ich in Punkt 2.2.4.2 näher ausführen werde. 27 24/7 versteht sich als globale Bewegung von Christen unterschiedlicher Konfessionen. Inspiriert von Zinzendorfs 100-jähriger Gebetskette begann 1999 in England eine Gruppe von Jugendlichen Gebetsräume einzurichten, in welchen sie in Schichten von je einer Stunde 24 Stunden täglich beteten. Sowohl die Wahl der Räume (von privaten Wohnzimmern bis hin zu Kirchen), als auch deren kreative Gestaltungkennzeichnen das besondere Profil der 24/7-Prayer Bewegung. So werden durch kleine Sta-tionen verschiedenste Möglichkeiten des Gebets eröffnet.

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kleine Bibelverse aus, die mit »Ich« beginnen.28 Im hinteren Bereich war auf einem

kleinen Tisch mit Brot und Wein ein Abendmahl vorbereitet. Es konnte als Station,

ähnlich einer Thomasmesse, allein gefeiert werden.29

e. Espace Enfant

Da X-Stream eine junge Gemeinde ist, wird auch ein Programm für die vielen Kinder

angeboten. Indem sie thematisch und kindgerecht betreut werden, sollen die Kinder sich

heimisch und in ihrem eigenen Element des Sunday Plaza aufgehoben fühlen,

gleichzeitig schafft das Programm für die Eltern der Kinder Freiräume, um ihnen die

Teilnahme an den gewünschten Modulen zu ermöglichen. Das Espace Enfant ist während

des gesamten Sunday Plaza geöffnet und bietet ähnlich einem klassischem

„Kindergottesdienst“ Möglichkeiten zum Spielen, Singen, Malen usw.

f. Game Corner

Im Element Game Corner stehen Spiele unterschiedlichster Art bereit. Neben Brett- und

Kartenspielen sowie eigenen Spielideen, kann manchmal auch an einer Spielkonsole

gespielt werden. In diesem Modul stehen Freude, Spaß und vor allem Gemeinschaft im

Vordergrund.

g. Info-Zone

Im Bereich der Info-Zone werden aktuelle Informationen der Bewegung kommuniziert.

Ähnlich eines Informationstisches werden Neuigkeiten, Buchempfehlungen, Ressourcen

und Veranstaltungstipps zur Verfügung gestellt. Die Info-Zone stellt eine Mischung aus

Abkündigungen und Gemeindebrief dar.

h. Bistro

Das Bistro und die Contemplatio sind die beiden einzigen Elemente des Sunday Plaza,

die eine serielle, aufeinander abfolgende Struktur aufweisen.

Da dem Tagungshaus ein Restaurantbetrieb angegliedert ist, besteht die Möglichkeit

zwischen 18:15h und 19:15h ein gemeinsames Essen einzunehmen. Hierzu kommen alle

zusammen. Das gemeinsame Essen ist von großer Bedeutung für die Gemeinschaft und

den Austausch der Mitglieder untereinander.

i. Plenum/ Contemplatio

Auf das gemeinsame Essen folgen als kollektiver Abschluss das Plenum sowie die

28 Beispielsweise lagen aus: Ich bin gerettet durch Gnade aus Glauben (Eph. 2.8-10); Ich bin ein Mitbürger des Reiches Gottes und Gottes Hausgenosse (Eph. 2,19). 29 Zur Bewertung des Abendmahls im Selbstverwirklichungsmilieu: HERLYN, Theologie, 109ff.

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Contemplatio. Innerhalb des Plenums werden durch den sog. X-Porter, eine kleine

Videoshow, Neuigkeiten kommuniziert. Interviews, beispielsweise zur Vorstellung neuer

Mitglieder, Urlaubsbilder oder andere interessante Inhalte, stärken die soziale

Vernetzung der Mitglieder und beugen Anonymisierung und Vereinzelung innerhalb der

Bewegung vor.

Die Contemplatio stellt den stillen und meditativen Abschluss dar. Die Struktur und der

Inhalt der Contemplatio sind wechselnd und vielfältig: Als Inputs dienen Musikstücke

(live oder von CD), Naturgeräusche oder kurze Video-Sequenzen. Gedichte oder

Zeitungsartikel werden in einer szenischen Lesung Bibeltexten gegenübergestellt.

Interaktive Symbolhandlungen wie bspw. das Tragen von Augebinden beim

Themenschwerpunkt Finsternis oder verschiedene Stationen zur Auseinandersetzung mit

dem Thema Wasser, binden die Teilnehmer aktiv ein.

Der Gebetsteil der Contemplatio findet entweder in Kleingruppen oder in der

Großgruppe, z.T. frei in einer Gebetsgemeinschaft, z.T. vorformuliert statt. Die

Verantwortlichen der Contemplatio greifen dabei auch auf traditionell geprägte Gebete

zurück. Die Segenshandlung geschieht durch einen gemeinsam gesprochenen Segensvers

oder bspw. wie am Pfingstfest auch durch persönliche Segnung und Salbung.

2.2.4. Leitung und Kommunikationsstrukturen von X-Stream

Die Leitung der X-Stream-Bewegung lässt sich als »Bottom-Up« beschreiben. Die

Mitglieder der Hauskirchen klären organisatorische und finanzielle Angelegenheiten

autonom, sie stellen die kleinsten organisatorischen Einheiten dar. Die einzelnen

Leitungsstrukturen sind ausgehend von den Hauskirchen auf Vernetzung ausgelegt. Jede

Hauskirche wird durch einen Hauskirchenleiter repräsentiert – er spielt in der

Kommunikationsmatrix eine wichtige Rolle. Die Hauskirchenleiter sind im sog. GenX

zusammengeschlossen. Innerhalb dieser flachen Hierarchie tragen dort die Entsandten

der Hauskirchen Mandate, um für das Gemeinwohl der Gesamtbewegung zu sorgen und

aktuelle Fragen zur Gemeindesituation und die Gemeindebaustrategie zu besprechen.

Zum GenX stieß bisher noch der Kreis der damaligen Gründungsmitglieder (das sog.

Fellowship). Dieser Leitungszirkel hat sich aber inzwischen aufgelöst. Die Bewegung

sieht darin eine konsequente Weiterentwicklung ihres Leiterschaftsprinzips.30 Im

Rahmen dieser Auflösung wurden auch die Aufgabenfelder der anderen Leitungsebenen

30 Diese Entwicklung entstammt dem Prozess der gemeinsamen Buchlektüre, bei der sich das Felowship über ihr präferiertes Leiterschaftsmodell Gedanken gemacht hat, etwa mit dem Buch BRAFMAN, ORI/BESTROM ROD A.: The Starfish And The Spider. The Unstoppable Power Of Leaderless Organisations, New York 2006 sowie Diskussionen und Profilbildungsprozesse im Rahmen von Konzilen.

Page 14: Examensarbeit "Kirche Als Marktplatz Sandra Bils

13

(Konzilien, Mitarbeiter in den Kerndiensten, Hauskirchenleiter usw.) reflektiert. Dabei

stellte sich heraus, dass das Fellowship, als eine hierachierartige Leitung nicht weiter

notwendig ist.31

Die Bewegung unterhält keinen hauptamtlichen Pastor, wenn auch sechs Mitglieder

Theologie studiert haben bzw. noch studieren und vier davon im kirchlichen Dienst

gearbeitet haben. Sie sind nun in anderen Berufsfeldern tätig. X-Stream beschäftigt

jedoch zwei Angestellte: Ein Mitarbeiter ist auf einer Stelle im Umfang von 20% mit der

Planung und Durchführung des Zyklotron betraut, ein weiterer Mitarbeiter mit einem

Stellenumfang von 10% ist für graphische Arbeiten, Webseitenprogrammierung und

Web-Applikationen (z.B. dem X-Stream-Wikipedia) zuständig.

Zusammenfassend kann man hier sagen, dass es durch die „Bottom-Up“-Struktur keine

hauptverantwortlichen Leiter gibt, die für auftretende Fragen und Aufgaben zuständig

sind und diese übernehmen. Weil die Arbeitsbereiche der X-Stream-Bewegung sehr

vielfältig sind, ergeben sich daraus wiederum höchst unterschiedliche

Verantwortungsbereiche. Diese sind unter den Mitgliedern der gesamten Bewegung

aufgeteilt.

Wegen des polyzentrischen Aufbaus ist die Sicherstellung von Kommunikation von

große Bedeutung ist. So vernetzen sich alle Mitglieder untereinander, neben den

persönlichen Treffen zusätzlich über Handys und Computer. Verschiedenste Netzwerk-

und Kommunikationsprogramme werden von den Mitgliedern beherrscht und häufig

genutzt.32

2.2.4.1. Mitarbeit in den kerndienstlichen Verantwortungsbereichen

Als Beispiel für einen Kerndienst und die damit zusammenhängenden Aufgaben möchte

ich die Sunday Plaza Matrix kurz umreißen. Zwei Personen bilden jeweils ein Team und

sind für die Planung und Durchführung in ihrem kerndienstlichen Bereich

verantwortlich. Diese Arbeit zeichnet sich häufig durch Vor- und Nachbreitung aus, sie

erfordert z.T. auch konkrete Mitarbeit während der sonntäglichen Treffen, bspw. die

Kinderbetreuung im Espace Enfant. Durch das Ziel der Bewegung, ein möglichst breites

Spektrum an Teilnahme- und Mitgestaltungsmöglichkeiten zu bieten, sind fast alle

Mitglieder in irgendeiner Form eingebunden. Diese Form der Mitarbeit und geteilten

31 Die Gruppe Fellowship sieht in ihrer apostolischen Funktion der Gemeindegründung diese Aufgabe als abgeschlossen an und wendet sich nun neuen Feldern zu. So wird beispielsweise über die Ausweitung des kommunitären Lebens in Form eines Klosters nachgedacht. 32 Neben Email- und Chatprogrammen, auch der Bereich des sog. social networkings wie Facebook, MySpace usw.

Page 15: Examensarbeit "Kirche Als Marktplatz Sandra Bils

14

Verantwortung erzeugt eine große Bindung. Dies zeigt sich vor allem bei den Konzilien,

die als Diskussionsforen bei Strukturveränderungen oder als Entwicklungsprozess neuer

Angebote veranstaltet werden: Sie zeichnen sich durch hohe Teilnehmerzahlen und

angeregte Mitarbeit aus. Das gemeinsame Ideensammeln, Entwickeln sowie Diskutieren

in Kleingruppen und im Plenum stellt sicher, dass Entscheidungen konsensfähig sind und

von allen mitgetragen werden.

Ein Produkt dieser gesammelten Ideen stellt das Wertebüchlein dar. Es handelt sich dabei

um ein gemeinsam entworfenes und gestaltetes Büchlein, das die Entwicklung und

Struktur der Bewegung skizzenhaft beschreibt. Auffällig war bei meiner Untersuchung,

dass das „Wertebüchlein,“ nebst seines präambelartigen Inhalts innerhalb der Bewegung

sehr bekannt war und enorme Unterstützung erfahren hat. Als wichtiges

Kommunikationsmittel nach außen möchte ich dessen Entstehung und Bedeutung für X-

Stream kurz umreißen.

2.2.4.2. Leitbildprozess anhand des Wertebüchleins

Das Wertebüchlein ist eine illustrierte Erzählung in Form eines kleinen, käuflich

erwerbbaren Buches. Es stellt eine Sammlung der Grundwerte von X-Stream dar, die im

Rahmen einer Geschichte erzählt werden. Zu Beginn des Leitbildprozesses bei X-Stream

stand zunächst nur der Wunsch, gemeinsame Werte zu sammeln, reflektieren und

festzuhalten. Die Ergebnisse sollten aber nicht in einem einfachen Text münden, sondern

prosaisch und grafisch eingebettet werden. Das Ergebnis dieses Prozesses ist ein 62-

seitiges, „haptisches Leitbild“ der X-Stream-Bewegung, mit dem Titel: „Im Auftrag des

Königs. Eine Parabel über Jüngerschaft, Gemeinschaft und Multiplikation.“

Ich möchte an dieser Stelle noch einmal auf die große Relevanz von Authentizität und

Identifikation innerhalb X-Streams eingehen. Bei der Entwicklung des Wertebüchleins

wurde großen Wert darauf gelegt, dass es eine ständige Rückbindung in die Hauskirchen

gab und dass es im Rahmen von Workshops und Konzilien allen Mitgliedern von X-

Stream möglich war, an der gemeinsamen Wertefindung mitzuwirken.

Dadurch ist ein authentisches Abbild und ein verbindlicher Wertekatalog der Bewegung

entstanden. Narrative Theologie ist in der X-Stream-Bewegung von großer Bedeutung.33

Leitbildprozesse und Grundwerte der Bewegung sollen nicht fern des gemeindlichen

Lebens stehen, sondern gekannt und gelebt werden und den Alltag der Mitglieder

33 Zur Bedeutung des Erzählens und des Genres »Erzählung«, Vgl. KIMBALL, Church, 168ff.

Page 16: Examensarbeit "Kirche Als Marktplatz Sandra Bils

15

prägen.34 Dabei zielt das Wertbüchlein in seiner Form als narrative Geschichte sowie in

seiner Bilderbuchhaftigkeit nicht nur auf Kinder ab. Gerade komplexe Werte von Leitung

und Jüngerschaft lassen sich, so die Erfahrung der Bewegung, auch Erwachsen besser

durch eine Kombination von Text und Bildern vermitteln.35

Abschließend kann zusammengefasst werden, dass die Bewegung in ihren verschieden

Hauskirchen und Strukturen ein weit verzweigtes Netzwerk bildet, das in

unterschiedlichsten Feldern innerhalb und außerhalb X-Streams lebt und arbeitet. Dessen

Ausgangspunkt und Zentrum bildet der Sunday Plaza. Ein umfassendes Netz an

Leitungs- und Kommunikationsstrukturen, bspw. Leitbildprozessen, wie dem

Wertebüchlein stellen dies sicher.

2.3. Theologische Perspektive

2.3.1. Einflüsse der »Emerging Church« und der »Alternative Worship Bewegung«

2.3.1.1. Wesen der Emerging Church

Die Emerging Church lässt sich als weltweite, stark heterogene christliche Bewegung

fassen, die sich innerhalb der sog. Emerging Conversation Grundfragen des Glaubens,

der Kirche und der Tradition stellt.36 Diese suchende und fragende Diskussion innerhalb

der Bewegung ist durch die Reflexion postmoderner Strömungen in Gesellschaft sowie

Kultur und deren interdisziplinärer Untersuchung geprägt. Einzelpersonen und Gruppen,

die sich an der Emerging Conversation beteiligen, leben ihre eigene christliche

Spiritualität, indem sie Bestehendes hinterfragen und Neues gestalten. Die

Grundbedeutung von »emergent« „im Entstehen begriffen sein, auftauchen,

emporkommen“37 impliziert bereits den Charakter der Unfertigkeit und Fragilität dieser

Suchbewegung. Die Suche wird als Prozess verstanden, der nicht von vornherein

eingeengt werden soll. Die Emerging Church versucht Wege zu ergründen, das

Evangelium zu rekontextualisieren und so den christlichen Glauben inmitten der

postmodernen Gesellschaft zu leben. Dabei wird versucht von vorschnellen Antworten

und vorgefertigten Festlegungen und Definitionen Abstand zu nehmen. Die emergente

Theologie ist stark heterodox und vereint in ihrem breiten Spektrum liberale bis hin zu

34 ALAN HIRSCH betont in diesem Zusammenhang den Unterschied zwischen »core values« und »core practices«, Vgl. Hirsch, Ways, 47. 35 Gerade die transparenz- und alltagsrelevanzschaffenden Stoßrichtungen von Leitbildprozessen schaffen eine „größere Verbindlichkeit, in dem Leitbilder nicht nur in Gemeindeleitung, sondern breit in Gruppen und Kreisen diskutiert werden.“ Vgl. HÄRLE, Wachsen, 306. 36 Die Bewegung der »Emerging Church«, zuweilen auch als »Emergent Church« bezeichnet, ging Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre von Neuseeland, Großbritannien und den USA aus. 37 Duden, 396.

Page 17: Examensarbeit "Kirche Als Marktplatz Sandra Bils

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vereinzelt evangelikalen Ausprägungen. Wesentlich ist sie allerdings gekennzeichnet von

einem, im Vergleich zu evangelikalen Vorstellungen, ganzheitlicheren Missionsbegriff,

der sich in der Kultur der sog. missionalen Lebensweise niederschlägt.38 Darunter fasst

die Bewegung das Transformieren der Alltagsumgebung durch Engagement im sozial-

diakonischen, ökologischen und politischen Bereich, das auf die inkarnatorisch-

holistische Christustheologie39 und die missio dei40 fußt. Die Emerging Church

Bewegung ist ein Sammelbegriff für verschiedenartige Einzelpersonen und Gruppen, die

sich an der »Emerging Conversation« beteiligen und ist somit dezentral.41 Sie alle sind

jedoch international durch ein vielfältiges soziales Kommunikationsnetzwerk42 eng

miteinander verbunden. Gruppen, die sich der Emerging Church Bewegung zurechnen

oder ihre Gemeinschaften als Emerging Church auffassen, sind vielfältig und lassen sich

nur schwer einheitlich beschreiben.43

EDDIE GIBBS und RYAN K. BOLGER haben diesen Versuch unternommen und von 2000

bis 2005 die Emerging Church-Bewegung untersucht. Dabei haben sie neun Kennzeichen

formuliert, die auf eine Emerging Church hinweisen, aber nicht unbedingt alle innerhalb

einer Gruppe zu finden sind.44 So nennen sie die Identifikation mit dem Leben Jesu, die

Transformation säkularer Bereiche, das gemeinschaftsorientierte Leben, das

Willkommenheißen von Fremden, das Dienen mit Großzügigkeit, das Ermöglichen der

aktiven Teilnahme, die kreative Mitgestaltung, das gesamtgemeindliche Leiten sowie die

Verbindung von traditionellen und modernen spirituellen Übungen.

2.3.1.2. Wesen des Alternative Worships

Die gelebte Praxis der Werte der Emerging Churches und die Früchte der Emerging

Conversation finden sich im Alternative Worship.45 Die Begriffe Alternative Worship

und Emerging Church werden jedoch auch häufig parallel und fließend ineinander

38 Vgl. WEBBER, Faith, 140ff.; ROLLINS, God, 53; GIBBS/BOLGER, Churches, 107ff.; FROST/HIRSCH, Things, 60ff. 39 Vgl. BREWIN, Christ, 47ff.; WEBBER, Faith, 63f.; Frost/Hirsch, Things, 33ff. 40 Vgl. GIBBS/BOLGER, Churches, 50ff.; Mission-shaped Church, 84ff. 41 Daher ist sie auch abzugrenzen von Organisationen wie »Emergent Village« (USA) oder »Emergent Deutschland« (D), die nicht die Bewegung repräsentieren, den Mitgliedern aber Foren und Austausch-möglichkeiten bieten. 42 Dazu zählen Homepages, Blogs (Ein auf einer Webseite geführtes und damit öffentlich einsehbares thematisches Journal), Foren, Konferenzen, Podiumsdiskussionen und Netzwerkzusammenschlüsse. 43 Vgl. KIMBALL, Church, 14f. 44 Diese können jedoch nur als vage Definitionen verstanden werden. Sie ergeben sich allein aus der Praxis der untersuchten Gruppen. Alle neun Kennzeichen sind nicht unbedingt in jeder der Gruppen zu finden, kennzeichnen jedoch die Grundpraxis der Bewegung. 45 ATKINSON, Worship, 261.

Page 18: Examensarbeit "Kirche Als Marktplatz Sandra Bils

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übergehend verwendet.46 Alternative Worship folgt keiner festen Liturgie,47 nutzt jedoch

Elemente der reichen Kirchentradition48 bspw. altkirchliche Gebete, Kyrierufe und

Segensformeln, kontemplative Übungen und Rituale wie Gebetslabyrinthe, Lectio divina

sowie Symbole, bspw. Kreuz und Osterkerze. Diese werden jedoch modernen

künstlerischen und medialen Elementen wie Video-Projektionen und Rock- und

Elektromusik gegenübergestellt.

Da sich auch der alternative Worshipbereich durch eine große Pluralität auszeichnet

verweise ich auf das EPIC-System LEONARD SWEETS. Hier wird versucht die

gottesdienstartigen Formen des Alternative Worships zu fassen. Das Akronym setzt sich

aus den einzelnen Kategorien experimental (Erfahrung), participatory (Beteiligung),

image-driven (Bilder) und connected (Verbindung) zusammen.49 Unter »experimental«

fasst SWEET die kreative Begünstigung sensueller Wahrnehmung des gesamten

Gottesdienstes.50 Der professionelle wie künstlerische Einsatz von Düften, Lichteffekten,

Videoprojektionen, Musikeinspielungen oder Naturgeräuschen dient der

„multisensorischen Anbetung.“51 Der Erfahrbarkeit des Glaubens und seiner

Erlebnishaftigkeit im gottesdienstlichen Vollzug wird große Bedeutung zugemessen.52

»Participartory« beschreibt die umfassende Eingebundenheit und aktive Teilnahme am

Gottesdienstgeschehen. Dies beinhaltet sowohl die korporative Planung und

Verantwortung der Veranstaltung im Vorfeld, als auch ein hohes Maß an flexiblen

Beteiligungsmöglichkeiten innerhalb des Gottesdienstes.53 So in Form von intuitiven

Lesungen,54 Angeboten sich künstlerisch auszudrücken, sowie der Möglichkeit für

Diskussion und Rückfragen. Die Verschiebung unserer Aufnahmegewohnheiten vom

lesenden und hörenden Umgang hin zum visuell-multimedialen55 ist im Prinzip des

»image-driven« aufgenommen. In Form von Filmausschnitten, Videoinstallationen (als

künstlerisch-inhaltlicher Reiz oder Lichtquelle) sowie durch Animationen und

46 Vgl. http://tallskinnykiwi.typepad.com/tallskinnykiwi/2005/03/emergant_1_an_e.html (einges. 02.10.2008; 14:17 Uhr); http://www.alternativeworship.org/definitions_awec.html (einges. 02.10.2008; 14:26 Uhr). 47 Für weitere Beispielhafte Abläufe von Alternative Worship neben Sunday Plaza vgl. KIMBALL, Church, 246; KIMBALL, Worship, 137f; 150ff.; 163f. 188f.; 219ff. 48 KIMBALL fasst dies unter dem Schlagwort der „Retro-Spitualität,“ vgl. KIMBALL, Church, 25; 108f. 49 Vgl. SWEET, Pilgrims, 27ff. 50 Vgl. SWEET, Pilgrims, 30f. 51 Vgl. KIMBALL, Worship, 81f; 128f.; 185f.; Kimball, Church, 121ff. 52 Vgl. KIMBALL, Church, 185; POMPE, Anziehend, 151, SWEET, Pilgrims, 35. 53 Vgl. SWEET, Pilgrims, 62. 54 Vgl. KIMBALL, Church, 161; 191. 55 „Emerging churches seek to incarnate, embody and express the gospel beyond print culture, beyond the linear approach of modernity (...) a linear or text-based ecclesiology perpetuates secularity in the church and denies the church’s call to live incarnationally.“ GIBBS/BOLGER, Churches 70f.

Page 19: Examensarbeit "Kirche Als Marktplatz Sandra Bils

18

Powerpoint-Präsentationen56 wird eine bildhafte Auseinandersetzung angeregt.

Schließlich beschreibt der Punkt »connected« die gemeinschaftsfördernde

Komponente.57 Neben der Gemeinschaft und Begegnung mit Gott soll im Alternative

Worship auch die Gemeinschaft untereinander einen Ort finden und gefestigt werden.

2.3.2. Zum Verhältnis von X-Stream und Sunday Plaza anhand von ausgewählten

Aspekten

Während meiner Hospitationsphase gab es im Hinblick auf Sunday Plaza drei Be-

sonderheiten, die ich an dieser Stelle hervorheben möchte. An ihnen lassen sich grund-

legende Charakteristika der X-Stream-Bewegung verdeutlichen und der Einfluss der

Emerging Church Bewegung nachvollziehen: Der Partizipationsgedanke-Priestertum

aller Gläubigen, Lebensräume und deren Verhältnis von Sakralem und Profanen und

Profil-Umgang mit geprägter Tradition.

2.3.2.1. Partizipation - Priestertum aller Gläubigen

Der Partizipationsgedanke zeichnet sich in der Bewegung X-Stream durch Mitarbeiten,

Mitbestimmen und Mitleiten aus.

Mitarbeiten: Teilhabe und Partizipation ist in nahezu allen Bereichen der Bewegung ein

wichtiger Grundwert. Dies speist sich sowohl aus der Ablehnung eines passiven „Kon-

sum-Christentums“58 und der sog. McDonaldisierung der Kirche,59 als auch aus der

Freude, das Leben der Bewegung aktiv mitgestalten zu können. Nahezu alle Mitglieder

der Bewegung sind durch aktive Mitarbeit innerhalb der vielfältigen Arbeitsfelder

engagiert. Feld und Umfang der persönlichen Beteiligung bestimmen die Mitglieder

selbst, sie engagieren sich gabenorientiert und in Bereichen, in denen sie Spaß haben.

Dadurch wird sowohl Professionalität als auch Zufriedenheit erzielt. Die Strukturen

werden zudem den Bedürfnissen der Mitglieder angepasst: Die »Kinderhütegruppe« etwa

wurde gegründet, um, im Wechsel, die Kinderbetreuung sicherzustellen und dadurch

Freizeit für die jungen Mütter zu gewährleisten. Besonders diese, durch die Mitarbeit in

unterschiedlichen Gruppen erwachsenden, Verbindungen stellen eine missionarische

Chance dar.60

Mitbestimmen: Da es sich bei X-Stream um eine unabhängige freikirchliche Bewegung

handelt, wurde das gesamte Konzept der Bewegung und ihrer Strukturen neu erdacht und

56 Vgl. SWEET, Pilgrims, 87ff. 57 Vgl. SWEET, Pilgrims, 112. 58 S. KIMBALL, Church, 105f. 59 S. DRANE, McDonaldization.

Page 20: Examensarbeit "Kirche Als Marktplatz Sandra Bils

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baut nicht auf vorhandenen Traditionen auf. Von Anfang an war die Mitbestimmung der

einzelnen Mitglieder von zentraler Bedeutung. Sie wird in festen Strukturen, die die

Einflussnahme operationalisieren, sichergestellt: in Konzilien, Leitbildprozessen wie

dem Wertebüchlein oder in regelmäßigen Diskussionen in Workshops des Sunday

Plazas. Die hohe Wertschätzung von Bildungsarbeit und das Mündigmachen der Mit-

glieder stellen sicher, dass sich Alle an Diskussionen, Leitbildprozessen und Struktur-

entwicklungen beteiligen können.

Mitleiten: Durch die flache Hierarchie der Bewegung trägt jedes Mitglied ein hohes Maß

an Verantwortung; kann und darf somit Leitungsfunktionen übernehmen. Konsens tritt

an die Stelle von Kontrolle; geteilte Leiterschaft an die Stelle von individueller

Leiterschaft.61 Diese offene und dezentrale Form von Leitung geschieht nicht personen-,

sondern aufgabenorientiert. Rollen- oder aufgabenorientiert treten einige Mitglieder eher

in den Vordergrund als andere, dennoch sind die Strukturen hier fließend und kon-

textuell.

Mitfeiern: Der Sunday Plaza sowie die Treffen der X-Changes sehen ein hohes Maß an

Partizipation vor. Die dialogische Struktur des Gottesdienstes lebt von mehr als nur

Lesungsbeiträgen und Liedern. Die Einbeziehung von Kunst und Medien eröffnet vielen

Mitgliedern neue Ausdrucksformen für ihr gottesdienstliches Feiern. Das Schaffen eines

Raumes für Kreativität und die eigene Mitgestaltung sowie Einflussnahme auf das got-

tesdienstliche Geschehen sind in den einzelnen Elementen des Sunday Plaza deutlich zu

erkennen.

2.3.2.2. Lebensräume - Sakral/profan

Weder der Sunday Plaza noch die Treffen der X-Changes finden an klassisch sakralen

Orten statt.62 Auch werden profane Filme und Lieder im Rahmen der Contemplatio ge-

nutzt.63 Dennoch ist das gottesdienstliche Geschehen nicht per se als profan zu be-

schreiben. Im Gegenteil: Ein sakraler Raum entsteht durch den Alternative Worship auch

an profanen Orten.64 Grenzen von Profan und Sakral verschwimmen. Beim Sunday Plaza

60 So spricht POMPE von einer Schlüsselerfahrung der Emerging Church in der anglikanischen Kirche: „Belonging before believing.“ S. POMPE, Anziehend, 152. 61 Vgl. KRAUSE, Gemeindemodelle,179. 62 Einige Emerging Churches treffen sich auch in Kirchengebäuden. »Kubik« in Karlsruhe nutzt etwa die ev.-luth. Luther-Kirche als Treffpunkt. »Grace« in London, die mit der anglikanischen Kirchengemeinde St. Mary’s in Ealing, London koorperieren, nutzen ebenso den kirchlichen Raum. Andere wiederum treffen sich in Buchläden oder Cafes, vgl. KIMBALL, Worship 69. Zu den ortsbedingten Möglichkeiten vgl. Vgl. KIMBALL, Church, 135f. 63 „We try to create bridges that span the secular/sacred divide because we don’t make that destinction. We use secular Music in worship as well as film and literature.“ GIBBS/BOLGER, Churches 67. 64 Vgl. KIMBALL, Worship, 78f.

Page 21: Examensarbeit "Kirche Als Marktplatz Sandra Bils

20

werden vor allem die Einflüsse aus der Alternative Worship Bewegung deutlich:

Verzicht auf Sitzreihen, Kanzel, Bühne oder andere blickrichtungsweisende

Gestaltungsformen des Raumes.65 Die z.T. Caféraumartige innenarchitektonische

Gestaltung des Sunday Plaza durch Stühle, Tische, Sofas, einen separaten Loungebereich

mit Speise- und Getränkeangebot, sowie gedimmte Lichtquellen in Form von Kerzen,

einzelnen Spotlights, Bildschirmen und Projektionen schafft eine gemütliche

Atmosphäre, die dem Stilempfinden des Milieus entspricht.66

Die X-Changes schlagen eine Brücke von Sakralem und Profanem, indem das typisches

Lebensumfeld der Mitglieder, ihr vermeintlich profanes Wohnzimmer, im Rahmen der

regelmäßigen Hauskirchentreffen sakral umgewertet werden.67 Auch das Engagement in

den jeweiligen Entsendungsgebieten wird von den Mitgliedern als gottesdienstliches

Geschehen im Alltag gedeutet.68 Hier tritt deutlich das holistische Gottesdienst-

verständnis der Bewegung X-Stream zu Tage.

2.3.2.3. Profil - Umgang mit geprägter Tradition

Als letzten Punkt möchte ich auf den Umgang mit geprägter Tradition eingehen. Zu Be-

ginn der Entwicklung des Sunday Plaza etwa stand die Unzufriedenheit über die Erwart-

barkeit und Unflexibilität der gängigen seriellen Liturgieformen. Die Überwindung

dieser tradierten Liturgie schlug sich in der Baukastenmatrix des Sunday Plazas nieder.

Trotz seiner Freiräume ist der Sunday Plaza in seinem Ablauf in Grundzügen erwartbar,

sind doch die einzelnen Elemente als grobe Struktur vorgegeben. Die Bewegung wendet

sich also gegen tradierte Formen und schafft gleichzeitig eigene, neue Traditionen. Es

findet deutlich eine Traditionsbildung statt.69

2.4. Zwischenstand

X-Stream hat für das monatlich stattfindende, zentrale gottesdienstähnliches Treffen die

Bezeichnung »Sunday Plaza«, also »Sonntags Marktplatz« gefunden. Wie meine bis-

herigen Ausführungen belegen, stellt diese Bezeichnung ein stimmiges Bild dar: Der

Sunday Plaza bietet ähnlich einem Marktplatz die Möglichkeit, sich zu treffen und

65 Vgl. KIMBALL, Worship, 90ff. 66 Für weitere Formen von innenarchitektonischer Gestaltung im Alternative Worshipbereich Vgl. KIMBALL, Church, 247. 67 Vgl. KIMBALL, Worship, 202f. Starke Parallelen zu Ablauf der X-Changes! 68 „For emerging churches, it means to give all of life over to God in worship, to recognize the work of God in formaly unspiritual things or activities. Emerging churches mark this shift to a »whole life« spiri-tuality.“ GIBBS/BOLGER, Churches 66. 69 „Traditions are a dangerous but persistent fact of life. Just when we think we have rid ourselvs of them, we have already formed new ones. The Problem is, which ones do we discard, which ones are »keepers«, and what do we do with the »keepers« to preserve their significance?“ Morgenthaler, Evangelism, 132f.

Page 22: Examensarbeit "Kirche Als Marktplatz Sandra Bils

21

untereinander auszutauschen. Gleichzeitig kann, um im Bild des Handels zu bleiben, der

„fröhliche Tausch und Wechsel“70 zwischen Gott und Mensch statt finden, als Ausdruck

von Kommunikation, Partizipation und Teilhabe.71 Der Sunday Plaza ist nicht jahrmarkt-

artig organisiert, sondern ist als Marktplatz geprägt von dem, was die Mitglieder für das

tägliche Leben brauchen. Er ist nicht auf das schnelle konsumieren und unverbindliche

Erwerben ausgelegt, sondern gibt Zeit zum Gespräch und Austausch, für Nehmen und

Geben. Somit stellt der Sunday Plaza als Marktplatz den Mittelpunkt der

Hauskirchenstruktur der Bewegung dar.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Bedürfnisse der X-Stream-Mitglieder in

den Strukturen der Bewegung ihre Entsprechung finden. So wurde bei der Untersuchung

des soziokulturellen Hintergrundes in 2.1.2 festgestellt, dass die Mitglieder der Be-

wegung größtenteils dem Selbstverwirklichungsmilieu zu zuordenen sind. Weiter wurde

beschrieben, dass sich die Mitglieder in kleinen Hauskirchen, den X-Changes unter dem

Dachverband der Gesamtbewegung netzwerkartig organisieren. Diese Struktur findet

ihren Mittelpunkt im Sunday Plaza, einer gottesdienstähnlichen Veranstaltung, die sich

durch das Fehlen einer linearen Liturgie, jedoch durch eine baukastenartige Matrix und

viele aktive Beteiligungsfelder auszeichnet. Weiter konnten ein hohes Maß an Par-

tizipation, die Aufhebung von sakral-säkularen Denkmustern sowie eine deutliche

Profilentwicklung und Traditionsreflexion als maßgebliche Aspekte der Bewegung her-

ausgearbeitet werden. Die Einflüsse der Emerging Church Bewegung sowie der

Alternative Worship Bewegung sind hier deutlich sichtbar.

III. Ortsgemeindliche Wirklichkeit

3.1. Situation und Milieu

In 2.1.2 wurde dargelegt, dass die Mitglieder der Bewegung X-Stream größtenteils dem

Selbstverwirklichungsmilieu entstammen. In der folgenden Untersuchung soll dieses

Milieu in der ortsgemeindlichen Wirklichkeit der Landeskirche untersucht werden. Dazu

wird der entsprechende soziale Raum mit seinen religiösen Lagern und Lebensstilen

beschrieben.

70 Luther, WA 7, 25, 34. 71 S. dazu die Homepage von X-Stream: „Der Grundgedanke, der uns zu dieser Struktur geführt hat, verbirgt sich in Eph 4 »Zurüstung der Heiligen«. Da wir in unserer Glaubensreise nicht alle am gleichen Punkt stehen, brauchen wir auch nicht alle zur selben Zeit die gleiche »Ausrüstung«. Diesem Umstand will die Plaza-Matrix Rechnung tragen.“ http://lifenavigator.typepad.com/lifenavigator/2007/10/sunday-plaza-ii.html (einges. 03.10.2008; 14:23 Uhr).

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3.1.1. Beleuchtung soziokultureller Hintergründe

Personen des Selbstverwirklichungsmilieus wünschen sich kontemplative, meditative,

mystische Züge in Gottesdiensten, so bspw. in poetischen Sequenzen, Stillephasen und

Symbolhandlungen. Sie ziehen experimentelle Gottesdienstformen den liturgisch ver-

ankert und traditionell Geprägten vor:72 „Bestimmte, vor allem alle innovativen Formen

von Gottesdienst und Liturgie, werden gerade von dieser Gruppe überproportional häufig

besucht. Dem Erlebnisbedürfnis dieses Milieus entsprechen alle Formen, die nicht

statisch und konventionalisiert sind, d.h. z.B. politisches Nachtgebet, Aktions- und

Meditationsgottesdienste, Diskussionsgottesdienste, aber auch das »Feierabendmahl«.“73

Hier wird die große Bandbreite innerhalb des Selbstverwirklichungsmilieus deutlich, die

sich in den vergangenen Kirchenmitgliedschaftsanalysen gezeigt hat. So entspricht das

Selbstverwirklichungsmilieu, wie es in der Bewegung X-Stream vorzufinden ist, in der

Einteilung der EKD-Kirchenmitgliedschaftsstudie von 2004 dem Cluster des

jugendkulturell-modernen und dem hochkulturell-modernen Lebensstiltypus.74 Der

jugendkulturell-moderne Mensch macht mit 22% einen relativ großen Anteil an

evangelischen Kirchenmitgliedern aus, zeichnet sich aber durch die größte Distanz zur

Kirche und zum christlichen Glauben aus und hat die größte Austrittsneigung.75 Ihm

gegenüber steht der hochkulturell-moderne Lebensstiltypus, dessen Kirchen-

verbundenheit relativ hoch ist.76 Das beschränkt sich allerdings auf besondere Gottes-

dienstformen, die von ihm überdurchschnittlich häufig besucht werden.77 Dass beide

Gruppen relativ selten klassisch-agendarische Gottesdienste besuchen,78 jedoch ein

besonders großes Interesse an Formen neuer Religiosität besteht, überrascht nicht. Ihre

Motivation, in der Kirche zu sein, besteht nicht in Konventionen oder Traditionen,

sondern ist inhaltlich mit einem christlichen Selbstverständnis und bestimmten

Aktivitäten der Kirche begründet.

72 Vgl. BECKS, Gottesdienst, 241; FISCHER, Wiederentdecken, 13ff. 73 Vgl. BECKS, Gottesdienst, 240. 74 Die letzte EKD-Kirchenmitgliedschaftsanalyse von 2004 erhob ihre empirischen Daten nicht unter Berücksichtigung der Milieueinteilung von SCHULZE. Die Studie hat aufgrund der Befragungen unter evangelischen Kirchenmitgliedern sechs Lebensstiltypen konstruiert und diese dann auch sozialstrukturell verortet. Dennoch lassen sich die Kategorien übertragen und bieten einen konkreten Vergleichspunkt. Vgl. Hermelink, Einführung, 32f.; BENTHAUS-APEL, Zugänge 212.232ff. 75 41% aller Personen dieses Lebensstiltypus gaben an, ein Mal im Jahr oder weniger, 25% nie den Gottes-dienst zu besuchen. Vgl. Hermelink, Sonntagsgottesdienst, 41. 76 Nur 27% aller Befragten dieses Lebensstiltypus gaben an, einmal im Jahr oder weniger die Kirche zu besuchen. 38% nehmen mehrmals im Jahr an einem Gottesdienst teil. Vgl. HERMELINK, Sonntagsgottes-dienst, 41. 77 Vgl. BUNDSCHUH-SCHRAMM, Kreativ, 290f.

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23

3.1.2. Sozialformen innerhalb der landeskirchlichen Ortsgemeinde

Der Sozialraum Kirche zeigt sich maßgeblich in der Parochie als der „Sozialgestalt der

Kirche“79 per se. Sie ist die dominierende, territoriale Organisationsform. Das bedeutet,

dass „mit regionalen und individuellen Schwerpunktsetzungen – alle Ortsgemeinden

tendenziell die gleichen Angebote vorhalten.“80 Das territoriale Prinzip wird jedoch

häufig von den Gemeindemitgliedern selbst unterlaufen, indem sie auch an außer- und

übergemeindlichen Angeboten teilnehmen.81 Diese Struktur kann daher mit Blick auf die

örtliche Unabhängigkeit und Mobilität des Selbstverwirklichungsmilieus größtenteils als

überholt bezeichnet werden.

Gottesdienste sollen für alle offen sein, so die theologische Theorie. Tatsächlich werden

jedoch durch den spezifischen Stil und eine daraus resultierende Milieuverengung

Menschen ausgegrenzt.82 Somit ist der „Anspruch des Gottesdienstes am Sonntag-

vormittag, für die ganze Gemeinde offen zu sein, weitgehend unrealistisch.“83 Dies führt

dazu, dass ein großer Teil des Selbstverwirklichungsmilieus nur in geringem Umfang

von kirchlichen Strukturen (Kirchenmitgliedschaft oder Teilnahme an Gottesdiensten),

berührt wird, wie in 3.1.1 dargelegt. Landeskirchlich wie ortsgemeindlich wird versucht,

dieser Tendenz entgegenzuwirken, „indem Angebote vorgehalten werden, die

zielgruppenspezifisch sind, und solche, in denen milieuspezifische Grenzen überschritten

werden.“84

Im Bezug auf das Selbstverwirklichungsmilieu lassen sich mehrere Strukturformen auf-

zeigen: So wird durch ein konsequentes Ausschöpfen der gesamten Variationsbreite im

Evangelischen Gottesdienstbuch der klassisch-agendarische Sonntagsgottesdienst ziel-

gruppenorientiert weiter aufgestellt und differenziert.85 Weiter fassen neue Gottesdienst-

formen jenseits des agendarischen Gottesdienstes am Sonntag milieuspezifische Ansätze.

In der Landeskirche gibt es dazu derzeit zwei Stoßrichtungen: Profilgemeinden bilden

78 Zu den Gründen wie fehlender kulturelle Relevanz, mangelnder Qualität, Verständlichkeit und inhalt-liche Relevanz usw. vgl. HERBST, Gottesdienste, 165ff.; ROOSEN, Anlass, 12; LUKATIS, Heraus-forderungen, 17ff. 79 MÖLLER, Lehre Bd. 2, 157. 80 POHL-PATALONG, Ortskirche, 16. 81 Indem Gemeindemitglieder an außergemeindlichen Angebote, aus personalen oder inhaltlich dif-ferierenden Gründen teilnehmen. Vgl. POHL-PATALONG, Ortsgemeinde, 22ff. 82 „Die Krise der christlichen Kirche in Europa und besonders in Deutschland hängt mit der kulturellen Schließung ihres Milieus zusammen (...) obwohl (...) Religiosität und Glaube auch in anderen Milieus präsent ist und sich Anknüpfungspunkte vielfältiger Art ergeben könnten,“ WEGNER, Bach, 49f. 83 GRETHLEIN, Grundfragen, 53; s. a. POHL-PATALONG, Gemeindegottesdienst, 110f.; WINTER, Stück, 101. 84 FRIEDRICHS, Zweiten, 11. 85 Vgl. PLÜSS, Litugie, 279ff. So auch vom EGB in der zweiten Kategorie intendiert: „Der Gottesdienst folgt einer erkennbarer, stabilen Grundstruktur, die vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten offen hält.“ Vgl. MEYER-BLANK, Liturgie 20ff.

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einerseits ein spezifisches Profil aus, bspw. in Form von Jugendkirchen86 oder

projektartigen Kirchenzusammenschlüssen.87 Sie bieten zielgruppenspezifische Angebote

außerhalb des ortskirchlichen Rahmens an. Andererseits werden erweiterte Angebote

innerhalb des bestehenden ortskirchlichen Rahmens veranstaltet, etwa in Form von

kulturellen Angeboten wie Konzerten oder Vorträgen zu lebensrelevanten Themen, aber

auch in Form von alternativen Gottesdiensten, dem sog. »Zweiten Programm«. Dies

„wächst in den letzten Jahren nicht so sehr wie in vergangenen Jahrzehnten aus einem

politisch-ethischen Interesse (Politisches Nachgebet), einer Wiederentdeckung des

Festlichen (Feierabendmahl) oder einer Zusammenarbeit mit Kindergarten und

Krabbelgruppen (Familiengottesdienste), sondern verbunden mit einem bestimmten

Frömmigkeitsstil aus einer Aufbruchbewegung in den Gemeinden zu mehr Wachstum

und missionarischem Engagement.88 Die Initiative zu den Gottesdiensten geht oft nicht

vom Pastor, sondern von einer Gruppe aus der Gemeinde aus. Sie verdankt sich offenbar

einer genuinen Motivation der Initiativgruppe aufgrund bestimmter eigener Erfahrungen

mit dem »normalen« Gottesdienst.89 Im Rahmen des Projekts »Brannte nicht unser Herz

- Gottesdienste lebendig feiern« werden bspw. seit Beginn diesen Jahres 25 Gemeinden

bei der Entwicklung solcher und ähnlicher Gottesdienstmodelle professionell vom

Michaeliskloster in Hildesheim unterstützt.90 Den Erfolg von neuen Gottesdienstformen

belegt bspw. HÄRLE in seiner empirischen Studie unter wachsenden Gemeinden. Aus

dem Kreis der hannoverschen Landeskirche stellt er die Kirchengemeinde in

Bruchhausen-Vilsen91 und die St. Georggemeinde in Meinersen92 vor. Er stellt fest, dass

dort die Etablierung eines »Zweiten Programms« (in manchen Fällen sogar »Dritten

Programms«) besonders junge Menschen anzog, die sonst nicht an Gottesdiensten

teilnahmen.93 Weiter stärkte die Entwicklung alternativer Gottesdienstformen sowohl den

traditionellen Sonntagsgottesdienst94 sowie das gesamte Gemeindeleben.95 So waren

neben der profilierten Gottesdienstgestaltung auch flankierende zielgruppenorientierte

86 Hier ist z.B. der Expo Wal in Hannover zu nennen. 87 Vgl. Citykirche Hannover, Gospelkirche Hannover. 88 Vgl. NÜCHTERN, Aufbruch, 87. 89 Vgl. HERBST, Gottesdienste, 156ff. 90 Mit Namen wie „Lebens-Linien-Gottesdienst“, „Go! Sieben“, „Mitten ins Herz“, „I seek you“, „Guten-Abend-Gottesdienst“,und „Sommerkirche“ sind Projekte vertreten die an verschiedenste Zielgruppen und Milieus gerichtet sind. Alle ausgewählten Projekte arbeiten mit Gottesdienst-Teams. 91 Vgl. HÄRLE, Wachsen, 51ff. 92 Vgl. ebd., 222ff. 93 Vgl. ebd., 302. 94 Vgl. ebd., 322. 95 „Der Gottesdienst, (bildet) das Zentrum und Herzstück des Gemeindelebens und Gemeindewachstums.“ HÄRLE, Wachstum, 319.

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Gemeindeveranstaltungen, die zusätzliche Etablierung von Hauskreisen und

Kleingruppen96 sowie Projektarbeitszirkel im kirchenmusikalischen, diakonischen,

ökologischen und künstlerischen Bereich97 sehr erfolgreich. Obwohl die

»Zweitgottesdienste« parochial angebunden sind, kann ihnen tendenziell eine über-

gemeindliche Bedeutung zugemessen werden, da Gottesdienstbesucher auch aus anderen

Gemeinden kommen, um an diesem ausgewählten Gottesdienst teilzunehmen.98 Die

gewinnbringende Verbindung und Abhängigkeit von Gottesdienst und örtlichem Ge-

meindeaufbau lässt sich nichtsdestotrotz hier deutlich ableiten.

3.2. Theologische Perspektive

Die verschiedenen Milieu- und Zielgruppen, die in den Gemeinden zusammenkommen

haben eine Vielzahl von Gottesdiensten und Gemeindeprofilen entstehen lassen. Ver-

ständnis und Charakter von Gemeinde sowie von Gottesdienst haben sich dadurch nicht

unerheblich verändert.99 Dienste der Kirche, die bisher als Funktionen angesehen

wurden, werden nun selbst als Gemeindeformen definiert.100 Neue Gottesdienstformen

und der Ausbruch aus den traditionellen Gottesdienstordnungen stellen die Frage nach

dem Gottesdienst neu. Deshalb ist es im Folgenden wichtig, Gemeinde und Gottesdienst

theologisch zu definieren. Gerade im Hinblick auf das Verständnis des Gottesdienstes als

Mitte der Gemeinde muss das konzeptionelle Zusammenkommen von Gemeinde und

Gottesdienst auf ihre theologischen Rückbindungen hin untersucht werden: welcher

»Gottesdienst« als Mitte welcher »Gemeinde«? Dazu werden im ersten Schritt theo-

logische Grundlagen zum Gemeinde- und Gottesdienstbegriff erarbeitet101, um dann

anhand von drei Gemeindeaufbaumodellen die drei in 2.3.2 beschriebenen Aspekte zu

reflektieren.

3.2.1. Verbindung von Gottesdienst und Gemeinde

»Gemeinde« ist ein sehr ungenauer Begriff. Ursprünglich ist die Gemeinde mehr als „die

institutionalisierte Kultversammlung eine Religionsgemeinde,“102 die regelmäßig statt-

findet und deren Besuch beliebig ist. Sie umfasst sowohl eine institutionalisierte Ein-

richtung (Parochialgemeinde, Personalgemeinden), als auch eine zeitlich befristete Ge-

96 Vgl. HÄRLE, Wachsen, 325f. 97 Vgl. ebd., Wachsen, 331. 98 Vgl. BUNDSCHUH-SCHRAMM, Kreativ, 287. 99 Vgl. POHL-PATALONG, Gemeindegottesdienst, 112. 100 Vgl. FERSTERRA, Weg, 34. 101 Dies kann nur blitzlichtartig und in aller Kürze geschehen. 102 EBELING, Gottesdienst, 534.

Page 27: Examensarbeit "Kirche Als Marktplatz Sandra Bils

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meinschaft (Kirchentags-, Gottesdienstgemeinde).103

Exegetisch betrachtet (1Kor 11) ist „Gottesdienst“ als Versammlung der ecclesia

zugleich Gemeinde und Gottesdienst, in der es um ein Nicht-Gespalten-Sein innerhalb

der ecclesia geht. Er ist ein „eschatologischer Gottesdienst, der jedem Kult ein Ende

setzt“ und „die Trennung zwischen Profanem und Sakralem aufhebt.“104 Wenn Paulus in

Röm 12 von vernünftigem Gottesdienst spricht, dann deutet er auch auf eine ethische

Kategorie des täglichen Lebens hin, nämlich den „Gottesdienst im Alltag der Welt.“105

Trotzdem haben gottesdienstartige Treffen im Urchristentum stattgefunden.106 Das Neue

Testament spricht bei diesen Veranstaltungen profan von „Versammlungen“ oder „Zu-

sammenkünften.“ Für den Gottesdienst an sich hat sich im Urchristentum kein spe-

zifischer terminus technicus herausgebildet.107 Jene „Versammlungen,“ die von Brot-

brechen, Bleiben in der Lehre der Apostel, Gemeinschaft und Gebet (Apg 2) geprägt

waren, sind nicht als sakrale Veranstaltungen zu verstehen.108 Hahn nennt vier Be-

zogenheiten, die das Wesen des Gottesdienstes charakterisieren: Christusbezogenheit

(Herrenmahl als Mittelpunkt), Gemeindebezogenheit (Teilhabe und Gemeinschafts-

aspekt), Weltbezogenheit (Alltagsverantwortung) und eschatologische Bezogenheit

(Endlichkeit und Teilhabe an der Heilswirklichkeit).109 Die Gemeinde, in der jene Ver-

sammlungen stattfinden, wird als ecclesia bezeichnet.110 Dieser Ausdruck wird ver-

schiedenartig benutzt: Als Versammlung von Christen zum Hausgottesdienst in privater

Umgebung (Einzelgemeinde), als Ortsgemeinde bzw. Gesamtgemeinde (alle Christen,

die sich in verschiedenen Hausgemeinden in einem geografisch festgelegten Gebiet

treffen), sowie als die den Erdkreis umspannende Gemeinschaft von Brüdern und

Schwestern umfassende Gesamtkirche, als ecclesia universalis.111 In der

reformatorischen Lehre wird eine enge Verzahnung von Gottesdienst und Gemeinde

deutlich. LUTHER, der in seiner klassischen Definition aus dem Torgauer Formular fest-

hält, dass im Gottesdienst nichts weiteres geschehen soll, „denn das unser lieber Herr

103 Zur weiteren Ausdifferenzierung unterschiedlicher Organisationsformen von Gemeinde vgl. POHL-PATALONG, Ortskirche, 19ff. 104 Ebd., 544 105 EBELING, Gottesdient, 534. 106 Zur Diskussion um die Problematik der fehlenden zusammenhängenden Darstellung vgl. HAHN, Gottes-dienst, 31ff. 107 S. HAHN, Gottesdienst, 37f. 108 Zumindest in den paulinischen Gemeinden gab es keine besonderen Ämter sowie sakrale Zeichen und Räume. Die Gottesdienste fanden in der Mitte des alltäglichen Geschehens statt. Vgl. HAHN, Gottesdienst, 319. 109 Vgl. HAHN, Gottesdienst, 37ff. 110 Vgl. MÖLLER, Gemeinde, 317. 111 Vgl. GEHRING, Hausgemeinde, 274ff.

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selbs mit uns rede durch sein heiliges Wort, und wir wiederumb mit jm reden durch

Gebet und Losgesang,“112 deutet den Gottesdienst als dialogisches Geschehen zwischen

Gott und Gemeinde. Die Verstehbarkeit ist somit ein wichtiges Kriterium innerhalb des

Gottesdienstes.113 Gottes Wort und die Antwort der Gemeinde werden zusammen ge-

dacht als Dienst Gottes an den Menschen und der Menschen Dienst an Gott. Vom Wort

Gottes geht die gemeindebildende Kraft aus: „ubi verbum, ibi ecclesia.“114 Das Gottes-

wort hat eine doppelte Zielrichtung: auf den Glauben des Einzelnen und auf die Kon-

stituierung der Gemeinde, die sich um das Wort sammelt. Somit hat jeder Gottesdienst

per se eine missionarische Wirkung inne.115 Die gemeinschaftliche Formel wird auch in

der Confessio Augustana aufgegriffen, wenn sie in CA VII die christliche Kirche als

congregatio sanctorum deutet, „bei denen das Evangelium rein gepredigt und die

heiligen Sakramente dem Evangelium gemäß gereicht werden.“116 Auch hier geht wieder

vom Gottesdienst die gesamt-gemeinschaftliche Konstituierung aus. Ähnlich wie in der

dritten Barmer These, in der das Konstituieren von Gemeinde nicht an Wort und

Sakrament, sondern an die Gemeinschaft von Schwestern und Brüder gebundnen ist.117

Mit Blick auf unabdingbare notae ecclesiae, die „das verlässlich Gemeinsame in der

evangelischen Kirche“118 bezeichnen, ist festgestellt worden, dass erstens nach

paulinischem und lutherischem Verständnis Gottesdienst weit mehr ist, als die kultische

Veranstaltung am Sonntag Vormittag und zweitens, dass das, was den Gottesdienst aus-

macht, die notae ecclesiae, sich nicht im sonntäglichen Gottesdienst erschöpfen, sondern

sehr viel weiter ausgelegt werden können.

An dieser Stelle ist wichtig, festzuhalten, dass sich nach lutherischem Bekenntnis und der

allgemein anerkannten breiten Deutung gottesdienstlichen Geschehens sowohl Sunday

Plaza als auch die Zusammenkünfte in den Hauskirchen u.U. als Gottesdienste

bezeichnet werden können.

112 LUTHER, WA49, 588. 113 Hier kommt bspw. Luthers Deutung des »Priestertums aller Gläubigen« (1Petr. 2,9; Apg 5,10) eine große Bedeutung auch im Hinblick auf die Befähigung der Gemeinde zum aktiven Mitvollzug des Gottes-dienstgeschehens zu. Wird doch das Heil „dem Menschen nicht mehr sakramental-substanzhaft vermittelt, sondern worthaft.“ Vgl. PREUL, Kirchentheorie, 101. 114 LUTHER, WA 39,II, 176,8f. 115 RATZMANN, Liturgie, 52f. 116 BSLK, 61,4f u. 62,3f. 117 Wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind ereignet sich Gemeinde. Diese Definition von Gemeinde fällt mit dem Begriff der ecclesia zusammen und wird primär als lokale, sich aktuell ereignende christliche Gemeinschaft verstanden. 118 GUNDLACH, Bedeutung, 95.

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3.3. Gemeindeaufbaumodelle

Im Folgenden werden drei volkskirchennahe Gemeindeaufbaumodelle vorgestellt und

mit den zentralen Aspekten X-Streams aus 2.3.2. verglichen. Die Modelle werden nur in

aller Kürze dargestellt, zentral sind hier die Vergleichspunkte „Partizipation-Priestertum

aller Gläubigen“, „Lebensräume-sakral/profan“ und „Profil-Umgang mit geprägter

Tradition“. Sie liegen der abschließenden Fragestellung nach der Übertragbarkeit von

Sunday Plaza auf die ortsgemeindliche Wirklichkeit zugrunde.

3.3.1. MÖLLER: Ganzheitlicher Gemeindeaufbau durch »Gottesdienste als

Gemeindeaufbau«

CHRISTIAN MÖLLER präsentiert mit seinem Modell des »Gottesdienstes als Gemeinde-

aufbau« einen »Werkstattbericht«, der als Praxiswerk vor dem Hintergrund der zwei-

bändigen »Lehre des Gemeindeaufbaus« verstanden sein will.119

Sein Modell des »Gottesdienstes als Gemeindeaufbau« deutet er als einen Weg, der von

der Feier des sonntäglichen Gottesdienstes in den Gottesdienst im Alltag der Welt führt.

Ursprung, Mitte und Ziel allen Gemeindeaufbaus ist also der Gottesdienst, denn dort

handelt Christus gegenwärtig.120 Die Gemeinde bekommt ihre Struktur und ihre Impulse

vom Gottesdienst, wenn sie sich um Wort und Sakrament sammelt und gemeinsam das

Abendmahl feiert. Wenn sich die bestehende Gemeinde im Gottesdienst so von Gott

erbauen lässt, durch Gottes Dienst an ihnen, wird sie auch nach außen wirken.

a. Partizipation - Priestertum aller Gläubigen

MÖLLER betont immer wieder die Pluralität der Volkskirche als corpus permixtum.

Durch die Taufe seien jedoch alle in ihrer Verschiedenheit verbunden.121 Aus dieser Ver-

bundenheit ergibt sich für MÖLLER das gemeinsame „Ziel des Gemeindeaufbaus: das

Priestertum aller Getauften.“122 Wie die geforderte Umsetzung des Priestertums aller

Getauften aussehen kann, bleibt jedoch unklar. MÖLLER liefert wenig Hinweise auf eine

praktische Umsetzung. Allein durch die Nennung verschiedener gelungener Beispiele aus

der Praxis des Gemeindealltags werden Ansätze deutlich. So beschreibt er bspw. die

Einbindung von Konfirmanden in der Gestaltung des Gottesdienstes, indem sie vom

Pastor vorbestimmte Psalmen und Lesungstexte vortragen oder gemeinsam einen Kanon

119 S. MÖLLER, Gottesdienst, 5. 120 Vgl. MÖLLER, Lehre Bd. 1, 253. 121 So braucht es „keine Trennungen der Gemeinde in Gemeinde in Nah- und Fernstehende, in Gläubige und Ungläubige, weil ja alle Getauften ihre Heiligkeit gegönnt ist.“ S. MÖLLER, Gottesdienst, 159. Vgl. Auch MÖLLER, Lehre Bd. 2, 243. 122 S. MÖLLER, Gottesdienst, 160.

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singen.123 Die Einbindung Vieler, indem versucht wird, „die Gottesdienste menschlicher,

einladender, durchsichtiger gestalten zu wollen und vielen Stimmen Raum zu geben“,

führe allerdings schnell zu einem „liturgischen Pluralismus,“ der die „Gemeinde mehr

zerstreute als versammelte.“124 Fraglich ist, ob diese gottesdienstliche Einbindung als

Beispiel des »Priestertums aller Getauften« gefasst werden sollte, da MÖLLER klare

Grenzen aufzeigt, wenn er die Pfarrerrolle zentral und vollmächtig definiert: „Eine Ge-

meinde muss tiefen Schaden erleiden, wenn das Predigtamt in ihrer Mitte nicht mehr so

vollmächtig wahrgenommen wird, wie es der Vollmacht des göttlichen Wortes ent-

spricht.“125 Als zentrale Felder der Gemeindearbeit nennt MÖLLER „Kinder taufen,

Jugendliche begleiten, Einsame und Gefangene besuchen, Kranke pflegen, Tote be-

erdigen und allen die Auferstehung des Gekreuzigten als ein Wort ewigen, erfüllten

Lebens verkündigen.“126 In wiefern die Gemeinde den Pastor bei diesen Aufgaben,

gemäß des »Priestertums als Getauften« unterstützen soll und kann, bleibt offen.

b. Lebensräume - Sakral/profan

MÖLLERS Modell ist stark monozentrisch um den Gottesdienst als Mittelpunkt angelegt.

Welche Punkte um diesen Mittelpunkt kreisen, erklärt MÖLLER nicht. Er spricht sich nur

gegen ein zu breites Feld an außergottesdienstlichen Aktivitäten in der Gemeinde aus.127

Deutlich wird der Unterschied zwischen Alltag und Sonntag aufgezeigt: Das gottes-

dienstliche Geschehen „führt nicht aus dem Alltag heraus, geht auch nicht in der Maß-

losigkeit des Alltags unter, sondern begrenzt den Alltag auf das Alltägliche, indem es

ihm vom Sonntag her etwas hinzufügt, was im Alltag selbst nicht enthalten ist und doch

das Alltägliche begeisternd macht.“128 MÖLLER spricht in diesem Zusammenhang vom

„Charisma als Begeisterung fürs das Alltägliche.“ 129 Der Sonntag wird als einziger

kraftspendender Raum gedeutet, in dem man sich für den Alltag zurüsten könne. Mit

diesem starken Dualismus von Werktag (Alltag) und Sonntag (Sabbat) geht eine

deutliche Unterscheidung von Sakralem und Profanen einher.130 Der Sonntag gibt zwar

123 Vgl. MÖLLER, 196. 124 S. MÖLLER, Lehre Bd. 2, 309. 125 S. MÖLLER, Gottesdienst, 115. 126 S. ebd., 13. 127 „Es ist dann gar nicht unbedingt nötig, dass im Laufe der Woche noch eine Unmenge an Veranstal-tungen stattfindet, um die Gemeinde als »lebendig« auszuweisen. Im Gegenteil! Es können gerade die Kreise und Gruppen sein, die eine Gemeinde atomisieren, so dass sie ihre Mitte verliert und sich in hektische Aktivität auflöst. Die Lebendigkeit einer Gemeinde lässt sich nicht an der Zahl ihrer Aktionen ablesen, sondern an der Gelassenheit, mit der sie aus der festlichen Ruhe ihres Gottesdienstes lebt und zum wohltuenden Ruhepol inmitten einer hektischen Umwelt wird.“ MÖLLER, Gottesdienst, 53. 128 MÖLLER, Gottesdienst, 54. 129 Ebd., 53. 130 Vgl. ebd., 62f.

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dem Alltag auch „seine Heiligkeit und Würde,“131 im Alltag allein jedoch kann Gott

nicht erfahren werden.132 Dem Sonntag wird somit als „einem Raum, der durch seinen

Ort wie durch seine Gestalt die Gemeinde öffentlich versammelt,133 große Bedeutung

zugemessen. Wenn der Sonntag seine Relevanz zu verlieren droht und mit dem „Unter-

gang des Sonntags“134 das Versorgungssystem des Gottesdienstes scheitert, verlieren die

Kirchenmitglieder den zentralen Ort der Gottesbegegnung. Die Gottesbegegnung im

Alltag, die sich aus einem ganzheitlichen Gottesdienstverständnis ergibt, tritt hinter der

Überzeichnung des Sonntagsgottesdienstes völlig zurück.

c. Profil - Umgang mit geprägter Tradition

MÖLLER hält am klassischen Bild von Gottesdienst und Gemeindeleben fest und kritisiert

jede Form der alters- und zielgruppenorientierten Arbeit.135 Er deutet die kreative

Gestaltung des aktiven Gemeindelebens unter der Woche als »Freizeitprogramm« im

Sinne eines „kraftraubenden zusätzlichen Unterhaltungsprogramms,“ das es unmöglich

mache, am Sonntag noch genug Kraft und Konzentration für das „eigentlich Wichtige“

zu haben.136 Auch gottesdienstlich denkt MÖLLER nicht über Alternativen zum

klassischen 10-Uhr-Gottesdienst nach,137 stattdessen polemisiert er gegen Zielgruppen-138

und Familiengottesdienste:139 „War der Gottesdienst ursprünglich derjenige Ort, an dem

die Gemeinschaft der Generationen vor Gott sich ereignen konnte (...), so ist der

ursprüngliche Sinn geradezu ins Gegenteil verkehrt, wenn die gottesdienstliche

Versammlung alterspezifisch zerteilt wird in einen Kindergottesdienst, einen

Jugendgottesdienst, eine Erwachsenengottesdienst und möglicherweise noch einen

Seniorengottesdienst.“140

Wie ein Gottesdienst, der die vielen Alters- und Zielgruppen in sich vereint, aber konkret

131 MÖLLER, Gottesdienst 67. 132 „Soll der Sonntag eine Unterbrechung des Alltags sein, so muss er geradezu im Gegensatz zum Alltag, in strenger Unterscheidung von ihm gefeiert werden.“ MÖLLER, Gottesdienst, 127. 133 Vgl. Möller, Lehre Bd. 2, 282. 134 MÖLLER, Gottesdienst, 96. 135 Vgl. Möller, Lehre Bd. 2, 281ff. 136 Vgl. MÖLLER, Gottesdienst, 56f. 137 MÖLLER verweist zwar auf alternative Projekte wie die Kapelle der Ökumenischen Gemeinschaft »Oudezijds100« und wertet deren Zusammenkommen als Gottesdienst, weicht aber vom klassisch sonn-täglichen 10 Uhr Gottesdienstmodell nicht ab. 138 „Es ist ein relatives Recht unbestritten, dass sich Kinder, Jugendliche und Erwachsene in altersspezi-fischen Gruppen treffen. Setzt sich aber diese Gruppierung bis in den Gottesdienst fort und verhindert prinzipiell, dass Gottesdienst zur Vollversammlung der Gemeinde werden kann, so nimmt eine Gemeinde daran Schaden.“ MÖLLER, Gottesdienst, 134. 139 „Es wäre freilich töricht, jeden Gottesdienst zu einem Familiengottesdienst machen zu wollen, weil Kinder und Erwachsene oft zu weit voneinander entfernt sind und eine lange Geschichte der Trennung immer noch prägend ist.“ MÖLLER, Gottesdienst, 91. 140 MÖLLER, Gottesdienst, 174.

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gestaltet werden soll, bleibt offen. Einzig die große Wertschätzung für Tauf-141 und

Abendmahlsfeiern142 wird deutlich. So wertet er die „Taufe als Tor zur Gemeinde“143

von der aus alles andere im Gemeindeaufbau geprägt und ausgerichtet werde, „die

Verkündigung ebenso wie die Unterweisung, die Evangelisation ebenso wie das

Abendmahl, die Jugendarbeit ebenso wie die Beerdigung.“144

3.3.2. Lindner - Kirche am Ort: Von der konziliaren Gemeinde und kirchlichen

Organisationsentwicklung

HERBERT LINDNER liefert mit seinem Modell der »Kirche am Ort« einen systemischen

Ansatz, der die Kirche als Organisation mit eigenen Subsystemen deutet.145 Innerhalb der

innerkirchlichen Pluralität versucht er, durch sein vorgeschlagenes Modell des kon-

ziliaren Prozesses eine Einheit in der Vielfalt zu schaffen und zu bewahren.146

Das Modell der konziliaren Gemeinde setzt bei der empirisch erhobenen Situation der

Volkskirche an und entwickelt daraus konzeptionelle Vorstellungen für die weitere Ent-

wicklung der Volkskirche. Für LINDNERS Programm der Kirche am Ort ist die Tätigkeit

in der Ortsgemeinde der „wichtigste Arbeitsplatz.“147 Er betont hier besonders die Vor-

züge und „Chancen der wohnortnahen Ortsgemeinde“ die es zu nutzen gelte und fordert,

dass die evangelischen Kirchen Deutschlands „eine mutige Entscheidung treffen und sich

zu Ortsgemeinden als ihrer Basisstruktur bekennen“148 sollten.

a. Partizipation - Priestertum aller Gläubigen

LINDNER schlägt vor, den konziliaren Gedanken von der Ebene zwischenkirchlicher

141 Vgl. Möller, Lehre Bd. 2, 333ff. 142 Vgl. ebd., 355ff. 143 S. MÖLLER, Gottesdienst, 158. 144 S. ebd., 159. 145 Die Gemeindetheorie LINDNERS, die er 1994 unter dem Titel „Kirche am Ort – Eine Gemeindetheorie“ niederlegte, erfuhr 2000 durch die Veröffentlichung einer völlig überarbeiteten Neuauflage unter dem Titel „Kirche am Ort – Ein Entwicklungsprogramm für Ortsgemeinden“ einen Verschiebung vom akademischen Diskurs in die Praxis in Verbindung mit Methoden und Vorgehensweisen aus der Wirtschaft. Weiter verschob sich auch die Pluralitätsdeutung. Skizziert Lindner in der ersten Auflage den innergemeindlichen Pluralismus noch breit u.a. auch auf Interessen und Musikgeschmack wird er in der neuen Auflage nur noch in der Vielfalt der Glaubenstypen und Frömmigkeitsstile verankert. Vgl. LINDNER, Kirche 2000, 60ff. u. 126-133. 146 LINDNER fasst die Pluralität in vier Partizipationsweisen: 1. Glieder der Gemeindekirche, die sich als traditionelle Kirchenmitglieder eng mit der Kirche verbunden fühlen und verbindlich am Gottesdienst und am Gemeindeleben teilnehmen. 2. Kasualkirchlich eingestellten Kirchenmitglieder, die sich jahreszyklisch am Leben der Kirche und an Knotenpunkten ihres eigenen Lebens beteiligen. Man spricht hier auch von einer positiv-distanzierten Mitgliedschaft. 3. Die kritisch-distanzierten Mitglieder, bei denen sich eine intensive persönliche Entscheidung für den christlichen Glauben und ein entsprechendes Engagement mit einer erheblichen Kritik an der volkskirchlichen Situation verbindet. 4. Die fernstehenden Kirchenmit-glieder, die jegliches Teilnahmeverhalten aufgekündigt haben, ohne aus der Kirche auszutreten. LINDNER, Kirche 2000, 60ff. 147 S. LINDNER, Kirche 2000, 88. 148 Ebd., 162

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ökumenischer Diskussionen auf die innergemeindliche Ebene zu übertragen. Das konzi-

liare Verständnis der Ortsgemeinde stellt gewissermaßen den Versuch der Übertragung

des systemischen Denkens auf die Ekklesiologie dar. Innerkirchlich nimmt somit das

konziliare Prinzip nach der Deutung LINDERS die Binnenkommunikation und Konflikt-

regelung in einer sich immer weiter ausdifferenzierenden pluralen Kirchenlandschaft

wahr. Der konziliare Prozess dient der „Verständigung über das Kirchenbild“ und der

„Gewinnung einer neuen Sicht über Kirche und Zukunft.“149 Beteiligt sah LINDNER an

diesem Prozess die Gemeinde noch in der ersten Auflage 1994 qua sog. „informierter

Anwälte,“150 um auch Distanzierte in den konziliaren Prozess einzubeziehen. In der Neu-

auflage im Jahr 2000 hingegen zählte er die Mitglieder nur zur „Umwelt,“151 ihr

expliziter Einbezug in den konziliaren Prozess war kaum noch erkennbar.152 Hier lässt

sich die Praktikabilität des Modells in der ortsgemeindlichen Wirklichkeit anfragen.153

Inwiefern in diesem Prozess, als Form des aktiven Engagements des Priestertums aller

Gläubigen die Gemeindemitglieder mitgedacht werden, wird in Abstufungen deutlich:

„Normalfall ist der Dienst von Christinnen und Christen in und an Gottes Welt, Sonder-

fall die Mitarbeit in der Gemeinde, Spezialfall die Hauptberuflichkeit.“154 Es ist undeut-

lich, wie und ob sich Mitglieder der Kirchengemeinden in diesem „Sonderfall“ der Mit-

arbeit engagieren möchten.155 Zudem hat im Modell LINDNERS der Pastor eine Schlüssel-

position.156 Die Volkskirche ist nach dem konziliaren Konzept notwendig pfarrer-

zentriert, da der Pastor die vereinende Figur in diesem volkskirchlichen Gefüge darstellt,

das sich ja auf ganz unterschiedlichen Ebenen abspielt. In LINDNERS System dominieren

daher pfarramtliche Betreuungsstrukturen, die sich u.a. darin zeigen, die Mitglieder als

„Kunden“ und das Profil der Kirche als „Service und Dienstleistungskirche“157 zu

bezeichnen.158 Auch wie die Beteiligung anderer haupt- und ehrenamtlicher Mitarbeiter

konkret aussehen soll bleibt unklar.

149 S. LINDNER, Kirche 2000, 241. 150 Vgl. LINDNER, Kirche 1994, 105 151 S. LINDNER, Kirche 2000, 121. 152 Vgl. ZIMMERMANN, Gemeinde, 78. 153 „Das konziliare Modell ist mit der parochialen Wirklichkeit inkompatibel.“ ROOSEN, Kirchengemeinde, 171. 154 LINDNER, Kirche 2000, 122; 143. 155 „Warum sollten denn verschiedenartigste Menschen, die mit der jeweiligen Form ihres Christseins durchaus zufrieden sind (...) ihre kostbare Freizeit opfern, um mit Funktionsträgern der Kirche ihre Meinung auszutauschen und mit ihnen in einen wechselseitigen, partnerschaftlichen Lernprozess ein-treten?“ ROOSEN, Kirchengemeinde, 170f. 156 „Die Kernaufgabe evangelischer Kirchen ist die Begleitung des Lebenslaufs und seiner Übergänge mit dem Evangelium durch Pfarrerinnen und Pfarrer in örtlichen Gemeinden. (...) in der Begleitung der Mit-glieder durch Pfarrerinnen und Pfarrer in Ortsgemeinden kann Glaube gelingen.“ LINDNER, Kirche, 17. 157 Vgl. LINDNER, Kirche 2000, 221.

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b. Lebensräume - Sakral/profan

LINDNER beschreibt die Kirchengemeinde anhand des Organisationsbegriffs und bemüht

zur Verortung der Kirche die Kategorien »Innenseite« und »Umwelt«. Unter der Innen-

seite der Organisation, gekennzeichnet durch Ausrichtung, Struktur, mitarbeitende

Personen und Mittel,159 versteht er die institutionelle Seite der „sichtbaren Kirche.“160

Die Umwelt hingegen ist als der weite Raum der Gesellschaft zu denken, der die Kirche

umgibt und auf sie einwirkt.161 Es gibt für LINDNER nur wenige Verbindungspunkte

zwischen Innenseite und Umwelt, etwa durch gesellschaftliche Gruppierungen und Ver-

bände und durch distanzierte Einzelne, die es besonders durch Kasualien zu erreichen

gelte.162 Während LINDNER innerkirchlich den Pluralitätsgedanken mit Zuhilfenahme des

operativen Gebrauchs von Konziliarität bearbeitet,163 findet eine breite Pluralitäts-

deutung, die auch den gesellschaftlichen Pluralismus in den Blick nimmt, nicht statt.164

Durch eine klare Definition von »in« und »out« wird eine starke Trennung zwischen

sakralen und profanen Räumen vorgenommen.

LINDER verwendet viel Raum, um die »Kirche am Ort« zu beschreiben und ihr eine

dominante Rolle zuzuweisen. Die christliche Botschaft müsse in eine konkrete Zeit und

einen konkreten Raum eingehen, sie dürfe nicht zeit- und ortlos bleiben. Durch die

„eigenständige aber vernetzte Partikularität »vor Ort« sei ein Strukturmerkmal der

Kirchengestalt gegeben.“165 Die Chancen der wohnortnahen Ortsgemeinde müsse die

Kirche erkennen und nutzen.166 Hier wird die Ortsgemeinde allerdings nur an den Ort der

Ortsgemeinde gebunden. Dieser ist für sie territorial konstitutiv. Jede Form von

kirchlichem Leben außerhalb der ortsgebundenen parochialen Gegebenheiten, wie

Milieugemeinden oder Profilgemeinden, die sich nicht (allein) territorial definieren, lehnt

LINDNER ab. Stattdessen sollten sich die Gemeinden der Aufgabe der Vernetzung in ein

größeres Ganzes stellen.167 Jene Vernetzung (Kirche als „Netzwerk“168 sowie als

158 Vgl. ZIMMERMANN, Gemeinde, 79. 159 LINDNER, Kirche 2000, 38. 160 Ebd., 41. 161 „Kirchen repräsentieren nicht mehr das Gesamte, sondern sind zu einem Teilsystem der Gesellschaft geworden.“ LINDNER, Kirche 2000, 44. 162 Vgl. LINDNER, Kirche 1994, 102. 163 „Der konziliare Gedanke wird zum Deutungsmuster für die Pluralität innerhalb der evangelischen Kirche“ sogar zum „Legitimierungsmodell der pluralen Volkskirche.“ Vgl. LINDNER, Kirche, 36ff. 164 So deutet bspw. Zulehner den gesamt-gesellschaftlichen Pluralismus als vorrangige Herausforderung. Vgl. ZULEHNER, Pastoraltheologie II, 28-141. 165 LINDNER, Kirche 2000, 157. 166 Vgl. LINDNER, Kirche 2000, 161. 167 „Profil und Kohärenz müssen zusammenkommen.“ LINDNER, Kirche 2000, 165. 168 LINDNER, Kirche 2000, 223ff; 249.

Page 35: Examensarbeit "Kirche Als Marktplatz Sandra Bils

34

„vernetztes System“169) und jenes „Denken in Beziehungen“170 ist aber wiederum nur

innerkirchlich zu denken und hält wenige Möglichkeiten assimilierender Potentiale in die

Umwelt vor.

c. Profil - Umgang mit geprägter Tradition

Die Profilbildung findet im Konzept der Kirche am Ort innerhalb der Parochie als

favorisierter Organisationsform statt. Dort könne sie, so LINDNER, innerhalb der binnen-

kirchlichen Pluralität durch profilierte Arbeit und spezifische Angebote das nötige

Potential entfalten. Er präferiert zudem die Konzentration auf eine einzige Orga-

nisationsform mit der es ein klares Angebot in der Pluralität zu machen gelte, statt sich in

vielen unterschiedlichen Arbeitsbereichen zu verlieren. Hier gelte es, vom Marketing zu

lernen. Das beinhalte die „Orientierung“ am „Kunden“171 sowie die Gestaltung der

Angebote der Ortsgemeinde, gemäß der „Ergebnisse eines systematischen »Angebots-

steuerungsprozesses«“172, das auch ein Zielgruppenmarketing umfasst.

3.3.3. POHL-PATALONG: Von der Ortskirche zu kirchlichen Orten

Als drittes und letztes stelle ich das Gemeindeaufbaumodell von UTA POHL-PATALONG

vor. Mit ihrem Modell »kirchlicher Orte« versucht POHL-PATALONG die konfliktreiche

Diskussion um die Verortung der Kirche im gegenwärtigen Umbruch aufzufangen,

indem sie die Potenziale von Parochialität und Nichtparochialität173 konstruktiv ein-

bezieht und zu einem dritten Weg verbindet. Da für sie die „Suche nach sinnvollen

Organisationsformen der Kirche ein zentraler Punkt für die Zukunft der Kirche ist,“174

skizziert sie in ihrer Arbeit (im Spannungsfeld der Parochie als dominanter Orga-

nisationsform175 und weiteren pluralen Organisationsformen176) die Chancen und

Grenzen sog. kirchlicher Orte. An allen diesen Orten sollen sowohl vereinskirchliches

Leben als auch inhaltlich qualifizierte kirchliche Arbeit vorkommen. Deren Arbeits-

bereiche sollten jedoch voneinander getrennt sein. Außerdem sollte an allen kirchlichen

Orten gottesdienstliches Leben in „einer Vielfalt gottesdienstlicher Formen mit unter-

169 S. LINDNER, Kirche 2000, 85f. 170 S. ebd., 26ff. 171 S. LINDNER, Kirche 2000, 209. 172 S. ebd., 209. 173 Vgl. POHL-PATALONG, Ortskirche, 213. 174 S. ebd., 13. 175 Ebd., 15. 176 Hier ordnet POHL-PATALONG die Arbeitsbereiche verschiedenen Organisationsprinzipien zu und unter-scheidet funktionale (Studenten-, Krankenhaus-, Diakonie-, Schul-, Militär-, Gefängnis- und Schau-stellergemeinden), personale (konstituiert durch guten Prediger oder charismatischen Pfarrer) und konfes-

sionelle (einer bestimmten Frömmigkeit oder theologischen Einstellung folgend) Gemeinden. Vgl. POHL-PATALONG, Ortskirche, 19f.

Page 36: Examensarbeit "Kirche Als Marktplatz Sandra Bils

35

schiedlichem Charakter und zu unterschiedlichen Zeiten“177 stattfinden. Ziel sei es, eine

„wohnortnahe kirchliche Präsenz“ sicherzustellen und zugleich „ein differenziertes

Angebot“ zu entwickeln, „das der Pluralität kirchlicher Aufgaben in der Gegenwart

gerecht wird.“178

a. Partizipation - Priestertum aller Gläubigen

POHL-PATALONG sieht für den vereinsähnlichen Bereich vor, dass er von den Beteiligten

selbst organisiert und gestaltetet werden kann und soll. Dies sei nicht nur im Sinne des

Priestertums aller Gläubigen theologisch zu rechtfertigen, sondern lasse sich auch

soziologisch rückbinden, hierdurch werde die Subjektivität der Mitglieder ernst ge-

nommen.179 Im Rahmen von Seniorenkreisen, Single-Gruppen, Gemeindefesten oder

Bibelkreisen ist ein inhaltliches Forum gegeben, um dort in einer stärkeren Verankerung

biographischer Themen den gemeinschaftlichen und geselligen Aspekt vereinskirchlich

zu stärken.180 Weiterhin sei innerhalb der inhaltlichen Arbeit an den kirchlichen Orten

Platz für eine wohnortnahe und auf persönlichen Beziehungen beruhende sog. kleine

Diakonie, also Betreuung, nachbarschaftliche Hilfe und Besuche.181 Um jedoch

Menschen anderer Generationen und Lebenswelten kirchlich zu erreichen, ist es

zwingend notwendig, ergänzende Gemeindeformen zu entwickeln. Neue Be-

teiligungsfelder müssen entstehen, die wiederum auch eine breitere Möglichkeit des En-

gagements ergeben.182 So wünscht sich POHL-PATALONG unterschiedliche Formen der

Teilnahme an einem Gottesdienst und unterschiedliche Grade von Nähe und Distanz zu

ermöglichen.183 Außerdem schließe selbstbestimmte Mitarbeit der Ehrenamtlichen in

einem klar definierten Bereich nach eigenen Neigungen und Interessen auch Ver-

antwortlichkeit und Entscheidungskompetenz für diese Bereiche mit ein.184 Bei den

grundsätzlichen Debatten um die Visionen und Reformationen einer Gemeinde sollten

die Kirchenmitglieder eine Möglichkeit haben, sich umfassend daran zu beteiligen.185

POHL-PATALONG rechnet damit, dass die damit einhergehende Umstellung von einer

177 POHL-PATALONG, Ortskirche, 78. 178 S. ebd., 78. 179 Vgl. ebd., 141. 180 Vgl. ebd., 139f. 181 Vgl. ebd., 140f. 182 „Mittlerweile wird nicht mehr nur darüber geklagt, dass sich weniger Menschen als früher ehrenamtlich engagieren, sondern man hat erkannt, dass Menschen sich nicht nicht, sondern anders engagieren möchten als früher.“ POHL-PATALONG, Ortskirche, 142. 183 „Die traditionellen auf Kontinuität angelegten Arbeitsformen bilden nur eine Möglichkeit, Kirche zu leben und zu erleben. Auch ein Engagement auf Zeit oder eine sporadische Teilnahme sollte als legitim verstanden werden.“ POHL-PATALONG, Ortskirche, 135. 184 Vgl. POHL-PATALONG, Ortskirche, 142. 185 Vgl. POHL-PATALONG, Ortskirche, 12.

Page 37: Examensarbeit "Kirche Als Marktplatz Sandra Bils

36

passiven Versorgungsmentalität hin zu einer aktiven Mitarbeit und Identifikation mit

gewohnten Strukturen186 bricht. Sie sieht darin aber auch die Möglichkeit „Kirche von

vielen aktiv gestalten“ zu lassen.187 Der hauptamtliche Pastor trägt bei dieser Erneuerung

nicht die Hauptlast der praktischen Arbeit, er soll lediglich „bei der Selbstorganisation

und der Durchführung helfen.“188 Der Pfarrberuf wird damit im Modell »kirchlicher

Orte« von der Rolle des Allroundmanagers entbunden, indem ihm durch Pluralisierung

und Spezialisierung ein deutlicheres Profil gegeben wird.189

b. Lebensräume - Sakral/profan

Bei der Skizzierung der kirchlichen Orte, die POHL-PATALONGS Modell den Namen

geben, fordert sie einen „mehrschichtigen Gemeindebegriff.“190 Kirchliches Leben ist

nicht nur auf den parochialen Dienst zu begrenzen. Kirchliche Orte gibt es auch jenseits

der Ortsgemeinden. Die Gemeindezugehörigkeit nur gemäß des territorialen Prinzips zu

verfügen, sei verkürzt. Wichtig ist der Orts- und Raumbezug kirchlicher Arbeit gerade im

Hinblick auf die Sichtbarkeit der Kirche in der Gesellschaft. Dort ist die symbolische

Funktion kirchlicher Gebäude als „architektonischer Haftpunkte“191 nicht zu unter-

schätzen. Bestehende sakral-parochiale Orte bildeten Ressourcen, die für künftige kirch-

liche Strukturen genutzt werden können und sollten. Daneben gelte es jedoch gerade im

nicht spezifisch sakralen Bereich »kirchliche Orte« zu entdecken.192 Die Gestaltung des

vereinskirchlichen Lebens, das an allen kirchlichen Orten anzutreffen ist, wird maß-

geblich vom Bedarf der Gemeinde geprägt. Das beinhaltet natürlich auch „welche Kreise

und Gruppen (...) in welcher Form dort entstehen oder sich anlagern.“193 Das Modell von

POHL-PATALONG weist gerade im Hinblick auf das Milieu eine deutliche Offenheit und

Flexibilität auf: „Welche Formen in welchen zeitlichen Abständen in welchen

Räumlichkeiten sind sinnvoll für dieses Thema und diese Menschen? Lieber einer feste

Gruppe, lieber einzelne Treffen oder lieber ein Cafe?“194 Ein Cafe wird zum kirchlichen

Ort. Die Grenze von Sakralität und Profanität löst sich auf.

186 „Nötig dazu ist eine Umkehrung der Denkrichtung: Statt zu fragen, wie Ehrenamtliche für ein bestimm-tes, schon vorher feststehendes Projekt gewonnen werden können, orientieren sich Hauptamtliche daran, wahrzunehmen, was Menschen in der und von der Kirche brauchen und welchen und Ressourcen sie benötigen, damit dies Wirklichkeit werden kann.“ POHL-PATALONG, Ortskirche, 144f. 187 S. ebd.,143. 188 S. ebd., 144. 189 Vgl. ebd., 150. 190 S. ebd.,132f. 191 S. ebd., 136. 192 Vgl. POHL-PATALONG, Ortskirche, 137. 193 Ebd., 140. 194 Ebd., 145.

Page 38: Examensarbeit "Kirche Als Marktplatz Sandra Bils

37

c. Profil - Umgang mit geprägter Tradition

Gerade bei der von POHL-PATALONG angestrebten Ausweitung der Pluralisierung des

kirchlichen und gemeindlichen Lebens stellt sich die Frage nach dessen Einheit und

damit auch nach Formen, in denen die Einheit und Verbundenheit der kirchlichen Orte in

ihrer strukturellen und inhaltlichen Vielfalt sichtbar werden.195 Was kennzeichnet die

kirchlichen Orte jenseits der Alternative parochial und nichtparochial? POHL-PATALONG

nennt hier als konstitutive sowie wünschenswerte Elemente die notae ecclesiae196 und

die im Gottesdienst und im außergottesdienstlichen »Gemeindeleben« versammelte Ge-

meinde. Im Hinblick auf die Strukturentwicklung gemäß einer Erfüllung der notae

ecclesiae ist jedes Arbeitsfeld darauf zu befragen, welche Rolle es für den Auftrag der

Kirche spielt und wie seine spezielle Aufgabe zu beschreiben ist. Dieser Befragungs- und

Entscheidungsprozess soll, so POHL-PATALONG, innerhalb der Gemeinde stattfinden und

nicht direktiv vom Pfarramt ausgehen.197

An jedem kirchlichen Ort findet gottesdienstliches Leben statt, was aber nicht auf Got-

tesdienste in agendarischer Form beschränkt bleibt. Die Vielfalt der gottesdienstlichen

Formen erwächst organisch aus den unterschiedlichen Arbeitsbereichen an den kirch-

lichen Orten und bildet somit keinen sonntäglichen Sonderbereich.198 Durch die Ein-

bindung der Gottesdienste in die jeweilige inhaltliche Arbeit werden sie zur gemein-

samen Feier der Gemeinde.199 Dies geschieht durch die Beteiligung derjenigen, die an

diesem kirchlichen Ort engagiert sind, sowie durch ein hohes Maß an Kon-

textualität.Auch die Begleitung an Lebensknotenpunkten durch Kasualien soll an jedem

kirchlichen Ort möglich sein.200 Wieder ist POHL-PATALONG die Wahrung der Pluralität

wichtig: „Die Kirche kann nur dann in der pluralen Gesellschaft öffentlich wirksam sein,

wenn sie sich plural organisiert.“201 Kirchliche Strukturen sollen demnach Unterschied-

liches an unterschiedlichen Orten anbieten, gleichzeitig aber klar und erkennbar sein.

POHL-PATALONG gibt ihrem Gemeindeaufbaumodell den vielsagenden Untertitel „Ein

195 Vgl. ZIMMERMANN, Orte, 34. 196 Wort und Sakrament erweitert sie jedoch sogar noch um Gerechtigkeits-, Hilfe – und Bildungshandeln als weitere „inklusive“ Merkmale. POHL-PATALONG, Ortskirche, 131. 197 „Organisatorisch sollte der Entscheidungsprozess, welche Arbeitsbereiche an welchem Ort stattfinden, sowohl „von unten“ als auch „von oben“ gestaltet werden: Einerseits müssen diejenigen, die sich an einem kirchlichen Ort bisher engagiert haben, maßgeblich beteiligt werden (vielleicht in ähnlicher Weise, wie dies im Moment in Ortsgemeinden im Rahmen von Profilentwicklungs- oder Leitbildprozessen geschieht). Andererseits braucht es auch eine koordinierende Größe, die sicherstellt, dass in einer bestimmten Region alle wesentlichen kirchlichen Aufgabengebiete vorhanden sind und in zumutbarer Entfernung zu erreichen sind.“ POHL-PATALONG, Ortskirche, 148. 198 Vgl. ebd., 152. 199 Vgl. ebd., 151. 200 Vgl. ebd., 153.

Page 39: Examensarbeit "Kirche Als Marktplatz Sandra Bils

38

Zukunftsmodell.“ Was ist nun in der Zukunft von einer Arbeit an und mit kirchlichen

Orten zu erwarten? Für die Parochien bedeutet dies, nach dem Ende ihres Monopols

„Möglichkeiten der Schwerpunktbildung und Profilierung, die mancherorts zur Bildung

von Richtungsgemeinden führen dürften. Für die übergemeindlichen Dienste wird die

Verortung vielfach zur Gemeindewerdung beitragen, zumal dann, wenn an sie Kriterien

angelegt werden, die weithin dem evangelischen Verständnis von Gemeinde entsprechen,

allen voran die regelmäßige Feier von Gottesdiensten.“202

3.3.4. Resümee zu den vorgestellten Modellen und Zwischenbetrachtung

Beim Vergleich der drei Gemeindeaufbaumodelle von MÖLLER, LINDNER und POHL-

PATALONG fällt auf, dass die Verortung des Gottesdienstes innerhalb der Gemeinde im

Verhältnis zum sonstigen gemeindlichen Leben stark variiert. Wie verhalten sich die

Modelle zueinander und was ergibt sich daraus in der Übertragung auf die Verortung des

Sunday Plaza innerhalb der Bewegung X-Stream?

MÖLLER bietet einen monozentrischen Ansatz, in dem der Gottesdienst am Sonntag als

gemeindekonstituierender Mittelpunkt die wenigen anderen Gemeindeveranstaltungen

des »Alltags« verblassen lässt. LINDER geht ebenfalls vom Gottesdienst als Mitte aus, um

diese Mitte herum ist jedoch in seinem konzentrischen Ansatz ein buntes und

»kundenorientiertes« Gemeindeleben angesiedelt, welches das Profil der Ortsgemeinde

und somit die Innenseite der Kirche mitbestimmt. Im polyzentrischen Ansatz POHL-

PATALONGS dreht sich alles um den Gottesdienst. Gottesdienst ist an allen vereins-

kirchlichen Orten zu finden und ist damit nicht auf die parochialen Strukturen be-

schränkt. Starke Unterschiede lassen sich weiter in der Deutung des Priestertums aller

Gläubigen feststellen. Alle Drei stimmen einer hohen Partizipation als Grundwert gemäß

des Priestertums aller Gläubigen bzw. Getauften zu, formulieren diesen aber für die

Praxis sehr unterschiedlich konsequent. MÖLLER bspw. sieht die Beteiligung der

Gemeinde nur sehr beschränkt möglich. Er geht von einer stark pastorendominierten

Arbeitsweise aus. LINDNER bietet in Ansätzen durch die Mitbestimmung in Form des

konziliaren Prozesses, POHL-PATALONG konsequent durch die hauptsächliche Orga-

nisation und Mitverantwortung der kirchlichen Orte eine ernstzunehmende Teilnahme-

und Mitgestaltungsoption des gesamten gemeindlichen Lebens und somit eine kon-

sequente Umsetzung des Prinzips des Priestertums aller Gläubigen.

Wenn man die hier beschriebenen Gemeindeaufbaumodelle betrachtet, stellt man fest,

201 POHL-PATALONG, Ortskirche, 130. 202 ZIMMERMANN, Orte, 34.

Page 40: Examensarbeit "Kirche Als Marktplatz Sandra Bils

39

dass sich Grundzüge auch im Aufbau und Wesen von Sunday Plaza sowie der Gesamt-

struktur der X-Stream-Bewegung finden. Allen Gemeindeaufbaumodellen gemeinsam ist

der Aspekt der hohen Verbundenheit zum Wohnort. POHL-PATALONG geht wohl am

weitesten mit ihrer drastische Forderung nach vielen kirchlichen Orten, die wohnortnahe

kirchliche Präsenz sicherstellen, jedoch nicht unbedingt parochial bzw. territorial fest-

gelegt sind. Hier kann an die X-Changes als vieler (haus-) kirchlicher Orte gedacht

werden, an denen vereinskirchliches Leben stattfindet. Diese sind geprägt von einer

Vielfalt an neuen gottesdienstlichen Formen mit unterschiedlichem Charakter. Sie finden

zu unterschiedlichen Zeiten statt und umfassen auch Abendmahl und Taufen. Die

Netzwerkartigkeit von X-Stream sowie die Schaffung von Kommunikationsstrukturen,

die eine Einbindung und Einflussnahme Vieler sicherstellt, erinnert an das konziliare

Modell LINDNERS. Was die aktive Beteiligung und Mitarbeit im Sinne des Priestertums

aller Gläubigen bzw. Getauften betrifft, so wird sie von allen drei Modellen propagiert,

aber nur POHL-PATALONG formuliert dies auch deutlich, wenn sie die Verantwortung und

Mitgestaltung der kirchlichen Orte den Gemeindemitgliedern zuschreibt. Dies stellt eine

weitere Parallele zur Grundstruktur der Bewegung X-Stream dar. Alle Modelle nehmen

eine Verortung des gemeindlichen und gottesdienstlichen Lebens vor, wodurch jeweils

die Frage von sakralen und säkularen Räumen berührt wird. Der Wunsch des X-Streams,

duale Denkmuster zu überwinden und stattdessen nach sakraler Transformation und

Umdeutung profaner Orte zu streben, bildet einen klaren Gegenentwurf zur Vorstellung

MÖLLERS. Seine Trennung von Alltag und Sonntag, reduziert das geistliche (Er-)Leben

des Christen lediglich auf den sonntäglichen Gottesdienst. Auch die Deutung LINDNERS

einer sichtbaren Institution Kirche als Innenseite und der sie umgebende Gesellschaft als

Umwelt, hält eine klare Trennung von vermeintlich Sakralem und Paufrecht. Die

gottesdienstlichen Treffen an außerkirchlichen Orten, wie sie POHL-PATALONG andenkt,

finden in Cafés und Wohnhäusern sowie der Schüür als Ort des Sunday Plaza ihre

Entsprechung. Auch die Verortung des aktiven christlichen Engagements im Alltag, das

sie in der kleinen Diakonie darlegt, ist in Form der Entsendungsgebiete in die Praxis

umgesetzt.

IV. Übertragung – Was kann die Landeskirche von Sunday Plaza

lernen?

Sunday Plaza lässt sich als gottesdienstliche Entsprechung zur gesamtgemeindlichen

Struktur und zum bewegungsinternen Profil von X-Stream verstehen. Sie ist ein Beispiel

für ein lokal stimmiges liturgisch-kybernetisches und somit geschlossenes Konzept. Ob

Page 41: Examensarbeit "Kirche Als Marktplatz Sandra Bils

40

Sunday Plaza als geschlossenes Modell auf die ortsgemeindliche Situation in der

evangelisch-lutherischen Landeskirche übertragen werden könnte, soll im Folgenden

dargelegt werden. Auch ausgewählte Elemente bewegungseigenen Gemeinde-

aufbaumodells, d.h. einzelne Strategien, Strukturen und Aspekte sollen auf ihre An-

wendbarkeit hin untersucht werden.

4.1. Direkt übertragbar

Direkt übertragbar sind einige Grundfeste aus der X-Stream-Bewegung, die einer Orts-

gemeinde erfrischende und motivierende Impulse geben können, etwa die hohe Wert-

schätzung der Bildungsarbeit. Die Workshops im Rahmen des Sunday Plaza sowie die

Mitarbeiterschulung Zyklotron sind Beispiele gelungener Bildungsarbeit am Ort. Durch

hohe Interaktivität werden die Teilnehmer am Lerngeschehen aktiv beteiligt und kon-

sumieren nicht nur inhaltlich. Die Schaffung einer Struktur, in der die Möglichkeit zu

Lehren allen offen steht, eröffnet einen ungeahnten Schatz an Themen in der Gemeinde.

Nicht nur der Pastor kann Bildungsarbeit leisten, auch die Gemeinde hat dadurch einen

(gleichberechtigten) Platz.

X-Stream ist stark in der Schaffung von Netzwerken und der Nutzung von modernen

Kommunikationsmöglichkeiten. Ortsgemeinden können durch die Nutzung moderner

Medien, wie es X-Stream betreibt, Chancen der Begegnung und engeren Zusammen-

arbeit entdecken. Informationsweitergabe kommt mit dem klassischen Gemeindebrief

nicht an sein Ende. Die Nutzung des Internets in Form von E-Mail-Newslettern,

Chatprogrammen und anderen Formen des Social Networkings sind mittlerweile nicht

nur bei Jugendlichen gängige Kommunikationsformen. Auch die Info-Zone des Sunday

Plaza als eine Art „begehbare Abkündigung“ stellt einen nachdenkenswerten Impuls für

die Informations- und Kommunikationskultur der Ortgemeinde dar. Schließlich ist auch

eine professionell gepflegte Homepage eine wichtige Begegnungsplattform der Ge-

meinde. Sie ist zudem auch in Bezug auf eine gute Öffentlichkeitsarbeit nicht zu unter-

schätzen.

4.2. Modifiziert übertragbar

X-Stream beschäftigt keinen Pastor. Bei der Reflexion des Priestertums aller Gläubigen

kommen sie konsequent zu dem Entschluss, dass alle in der Bewegung anfallenden Auf-

gaben unter den Mitgliedern verteilt werden können. Sicherlich würde auch der Orts-

gemeinde ein stufenweises Abrücken vom pfarrerzentrierten Gemeindebild gut tun, ge-

rade in Zeiten von Kürzungen und dem rapiden Rückgang der Mittel für die Personal-

Page 42: Examensarbeit "Kirche Als Marktplatz Sandra Bils

41

versorgung. Dennoch lässt sich ein kompletter Verzicht auf eine ordinierte Amtsperson

in kirchlichen Strukturen nicht umsetzen und ist auch nicht wünschenswert. Vielmehr

geht es darum die Kernkompetenzen der ordinierten Pastoren einzuflechten, um eine

modifizierte Übertragung möglich zu machen. Von den Mitgliedern kann weiterhin die

Vorbreitung von Gottesdiensten (Organisationsteams mit verschiedenen Ver-

antwortungsbereichen)203 übernommen werden, ein Prozess, den der Pastor beratend

begleiten kann. 204 Das zeigt sowohl die oben angeführte Untersuchung des Sunday Plaza

und ist auch in der empirischen Studie HÄRLES „als Garant für Wachstum“205 heraus-

gestellt. Im Vollzug der Liturgie sollten Pastor und Gemeinde enger verzahnt zu-

sammenarbeiten.206 Dabei sollte der Pfarrer als spiritus rector der Liturgie nicht

orchestral die »Einsätze« der Gemeinde koordinieren, sondern eine Interaktion und Be-

teiligung in breiterer Weise ermöglichen.207 Ähnlich wie bei Sunday Plaza, bei dem Mit-

glieder ganze Teile des Ablaufs eigenverantwortlich durchführen. Gottesdienststrukturen

sollten den personellen Möglichkeiten der ortsgemeindlichen Situation angepasst wer-

den. Bei einer Predigtstelle können bspw. Gemeinde und predigender Pastor einander

durch gemeinsame Vorbereitung, persönliche Beiträge, Predigtnachgespräche,

dialogische Teile annähern.208 Wenn die Predigtversorgung einer Gemeinde über einen

Pastoren nicht möglich ist, können auch andere liturgische Strukturen jenseits der klas-

sischen Lesepredigt, bei der Gemeindemitglieder nur ablesen, entwickelt werden. (Bspw.

in Form von Prädikanten). Die Ortsgemeinde kann von der bedarfsorientierten Struktur

des Sunday Plaza lernen. Durch die hohe Wertschätzung der Mitglieder gemäß des

Priestertums aller Gläubigen haben sie die Chance, innerhalb der Bewegung eine Liturgie

der eigenen Beteiligung zu entwickeln. Das neue Ordinationspapier räumt den

Mitgliedern in landeskirchlichen Ortsgemeinden mehr Freiheit und Einfluss ein.209 Dies

203 Vgl. KIMBALL, Worship, 108ff. 204 Vgl. ROOSEN, Kirchengemeinde, 599. 205 Nahezu in allen, in der Studie untersuchten Gemeinden ist Teamarbeit und gesteigerte Einbindung Ehrenamtlicher in wichtiger Bestandteil im Wachstumsprozess gewesen. HÄRLE, Wachsen, 9ff. 206 Wie auch im ersten Kriterium des Gottesdienstbuches gefordert: „Der Gottesdienst wird unter der Verantwortung und Beteiligung der ganzen Gemeinde gefeiert.“ EGB, 15. 207 Vgl. RATZMANN, Interaktion, 105ff.; HERLYN, Theologie, 80ff. 208 „Die Abkehr vom Verkündigungsmonopol des Pfarrers bedeutet keine Entwertung des Predigtamtes. Sie enthält vielmehr die Chance aus der frustrierenden Isolation auszubrechen, in die der Pfarrer geraten ist, nachdem ihre Alleinzuständigkeit für die Verkündigung in einer Situation wachsender Entfremdung vom Alltag der Hörer auch das Evangelium selbst irrelevant zu machen drohte. Deshalb ist die Beteiligung der Gemeinde am Dialog zwischen Wort und Antwort kein formaler Akt, sondern ein geistlicher Vor-gang.“ WAGNER-RAU, Welt, 241. 209 In neuen Ordinationspapier der Bischofskonferenz »Ordnung gemäß berufen« wird u.a verweisen auf CA 14 verwiesen, nachdem das Amt der öffentlichen Verkündigung Eines ist. „Insofern gehören alle auf dieselbe Seite, die mit der Wahrnehmung der öffentlichen Wortverkündigung und der Sakraments-verwaltung beauftragt sind. Vgl. KNUTH, Ordnungsgemäß, 46-48.

Page 43: Examensarbeit "Kirche Als Marktplatz Sandra Bils

42

könnte zu größerem Mut und Lust am gottesdienstlichen Mitgestalten der Mitglieder in

Ortsgemeinde führen. Es klingen hier Wünsche des fünften Leuchtfeuers des Impuls-

papiers »Kirche der Freiheit« an, wo es heißt, dass das Verhältnis zwischen den ins

Ehrenamt Ordinierten, Prädikanten sowie Lektoren und dem Amt der hauptberuflichen

Pfarrer eindeutig und überzeugend gestaltet werden soll. „Der ehrenamtliche und nicht

hauptamtliche Dienst erfährt – auch in der Beteiligung am Verkündigungsauftrag der

Kirche – eine klare Würdigung.“210 In diesem Rahmen können unterschiedlichste Felder

von Beteiligungsmöglichkeiten geschaffen werden, die sich um den Gottesdienst herum

als Zentrum ansiedeln und neue Bindungsmöglichkeiten und Ligaturen schaffen.211

Durch diese Bandbreite entstehen neue Felder für Interaktion sowie Interpassivität,212

denn nicht jeder möchte sich in gleicher Weise einbringen. Zu denken ist hier an

individuelle Stillezeiten,213 Gebetsstationen214 sowie die Möglichkeit individuell auf die

jeweiligen Zeitfenster und das örtliche Geschehen der Liturgieteile einzuwirken.215 Dies

stellt wieder eine Parallele zur flexiblen Baukastenmatrix des Sunday Plaza dar. Für eine

solche Strukturentwicklung einer sog. Beteiligungskirche216 in der Ortsgemeinde muss

jedoch die demokratische Struktur der Basis neu reflektiert werden. Die flachen Hierar-

chien der Bewegung X-Stream liefern ein leicht modifiziert, umsetzbares Vorbild.217 Es

ist durchaus denkbar, „dass Ehrenamtliche die Ortsgemeinden leiten, während die Pfarrer

mit beratender Stimme an den Presbyteriumssitzungen teilnehmen.“218 Ehrenamtlich

tätige Mitarbeiter entwickeln somit große Teile des Gemeindelebens selbständig.219

Wenn konkret die Möglichkeit gegeben wird, Verantwortung zu übernehmen und sich

einzubringen, werden dadurch besonders die Mitglieder des Selbst-

verwirklichungsmilieus angesprochen. Stehen doch bei ihnen die Selbstverwirklichung

210 Kirche der Freiheit, 67 211 „Nicht der Gottesdienst allein prägt und gestaltet die Kirchenzugehörigkeit. Mitgliedschaft lebt von dem Reichtum und der Differenziertheit der Beteiligungsmöglichkeiten, die in einer Gemeinde zur Verfügung stehen. Diese werden aber wesentlich durch das gottesdienstliche Leben inspiriert und strukturiert. Es geht nich um die Konstruktion einer mehr oder weniger exklusiven Gemeinschaft, sondern um die Realisierung der Einsicht, dass Glauben einen Ort und eine Gemeinschaft über den Rahmen des Gottesdienstes hinaus braucht. Wie kann der Gottesdienst dem Bau der Gemeinde wirklich dienen und wie kann dieser andererseits vom Leben der Gemeinde der Impulse für seine Gestaltung empfangen? ZIEMER, Gottesdienst, 634f. Zu Ligaturen vgl. auch WAGNER-RAU, Welt, 36. 212 MILDENBERGER, Beteiligung, 223. 213 Vgl. KIMBALL, Church, 156f. 214 Vgl. KIMBALL, Worship 84; KIMBALL, Church, 134f.; 162ff. 215 Vgl. KIMBALL, 89ff. 216 Zum Begriff der »Beteiligungskirche« vgl. ZEDDIES, Kirche, 29. 217 Vgl. KIMBALL, Church, 228f. 218 ROOSEN, Kirchengemeinde, 599; RATZMANN, Interaktion, 101. 219 MILDENBERGER, Beteiligung, 222.

Page 44: Examensarbeit "Kirche Als Marktplatz Sandra Bils

43

durch Beteiligung und der Wunsch nach Zugehörigkeit im Vordergrund.220

Auch in einem zweiten Punkt können, leicht modifiziert, Grundwerte des Sunday Plaza

in die ortsgemeindliche Wirklichkeit übertragen werden. Dies umfasst die Reflexion

sakraler und profaner Lebensbereiche. Heute wird das Thema Glaube in der Gesell-

schaft häufig als privates Tabuthema verhandelt und auf ein sakral-kirchliches Nischen-

dasein reduziert. Der von Sunday Plaza beschrittene Weg möchte diese tradierte Tren-

nung von heiligen und profanen Räumen überwinden. Ganzheitliches Denken im Hin-

blick auf uns Menschen, die Welt und den Kosmos als Gottes Schöpfung ist wohl nicht

nur eine postmoderne Antwort auf diese modernen Dualismen, sondern auch eine Rück-

kehr zur biblischen Vorstellungswelt. Sakrale Räume erschöpfen sich nicht im sonntäg-

lichen Gottesdienst, sondern strahlen auch in den gesamten profanen Alltag hinein. Dies

zeigt sich bei X-Stream örtlich-strukturell in gottesdienstlichem Leben und Engagement

im Alltag: in Hauskirchen, die sich in Wohnzimmern und Cafés treffen und in den Ent-

sendungsgebieten in den Stadtteilen und Dörfern in und um Thun. Gemeinde lebt da auf,

wo die Menschen leben. Auch durch die Nutzung von modernen Medien und Alltags-

kultur werden im Sunday Plaza Grenzen profaner und sakraler Denkmuster aufgelöst.

Eine stärkere Verzahnung von gemeindlichem Leben und Alltagswelt sollte in der orts-

gemeindlichen Wirklichkeit nach dem Vorbild von X-Stream angestrebt werden. Die

Kirche kann allerdings durch die vielen Sakralbauten („architektonische Haftpunkte“221)

nach örtlich-strukturellen Verbindungspunkten suchen und das vorhandene archi-

tektonische Potential voll ausschöpfen. Zum Beispiel könnten bestehende Kirchen im

Rahmen kirchenpädagogischer Arbeit oder in Form des Modells offener Besucherkirchen

gewinnbringend genutzt werden. Ein Sunday Plaza, der ganz ohne jeglichen Sakralbau

oder „anstaltskirchliche Symbole“222 auskommt, weiß auch nichts von den reichen

architektonischen Schätzen und traditionell geprägten Symbolen, die Ortskirchen mit

ihren Mitgliedern verbinden und gleichzeitig auch einen Anziehungspunkt für

Kirchenferne darstellen. Dennoch sollten Gemeinden sich nicht hinter diesen

Kirchenmauern verstecken, sondern aus ihnen heraus in den Alltag ausstrahlen.223 Die

Gemeinde als Mittelpunkt des Alltags und den Gottesdienst wiederum als Mittelpunkt

der Gemeinde zu fassen, umschreibt das Bild des Markplatzes, wie es Sunday Plaza

220 Vgl. SCHULZE, Erlebnisgesellschaft, 317f.; BECKS, Gottesdienst, 259. 221 S. POHL-PATALONG, Ortskirche, 136. 222 S. TROELTSCH, Soziallehren, 69. 223 Vgl. WAGNER-RAU, Welt, 29.

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44

nutzt, stimmig. Der Gottesdienst als „Zentrum des Gemeindelebens“224 und „Mitte der

Gemeindearbeit“225und schließlich „Herz der Gemeinde“226 bleibt dann keine

„theologisch drapierte Ideologie,“227 sondern wird Ansatz zum Gemeindeaufbau einer

Ortsgemeinde.

Schließlich ein dritter Aspekt, der in modifizierter Weise eine positive Wirkung auf die

Ortsgemeinde haben kann: die Reflexion des Profils und der Umgang mit Tradition.

Wie oben erläutert, ist der Sunday Plaza auf das Selbstverwirklichungsmilieu zu-

geschnitten. Die Profilbildung durch Zielgruppen- und Milieuorientierung ist in unserer

Landeskirche aufgrund der territorialstrukturellen Bedingungen nicht ohne weiteres

möglich. Modifiziert kann jedoch vom Modell des Sunday Plaza in der Übertragung auf

die ortsgemeindliche Situation gelernt werden. Profilorientierung gemäß einer An-

passung an eine spezifische Zielgruppe, ein Einlassen auf „Themen ihrer Lebenswelt

und Kultur, sowie das Finden neuer Anlässe, Zeiten und Orte“ an denen sie Gottesdienste

feiern können, stellt eine „entscheidende Entwicklung in der evangelischen

Gottesdienstgeschichte der Neuzeit dar.“228 Dieser Prozess soll auch noch weiter ver-

stärkt werden, wie das zweite Leuchtfeuer des Impulspapiers »Kirche der Freiheit« in

Bezug auf die gewünschte Vielfalt evangelischer Gemeindeformen andeutet.229

Das kann in zwei verschiedenen Formen geschehen: Als Ortsgemeinde mit Profil oder

als reine Profil- bzw. Funktionsgemeinde.230 Eine Ortsgemeinde mit Profil kann vom

Sunday Plaza die Wahrnehmung und Wertschätzung der Lebensbezüge ihrer Mitglieder

lernen. Jene „liturgische Milieukompetenz“231 die auch innerhalb des gottesdienstlichen

Repertoires die Lebenswirklichkeit der Gemeindemitglieder wahrnimmt. Dafür muss die

entsprechende Zielgruppe nicht nur binnenkirchlich untersucht werden,232 es muss statt-

dessen eine „Wahrnehmung der Kultur und Gesellschaft geschehen, die die Kirche um-

224 S. PAUSCH, Gottesdienst, 582; ROOSEN, Anlass, 18. 225 S. DAIBER, Gottesdienst, 74; HERLYN, Theologie, 145. 226 S. HERLYN, Theologie, 162. 227 S. HERLYN, Theologie, 146. 228 S. WAGNER-RAU, Welt, 29. 229 Vgl. Kirche der Freiheit, 52. 230 Die klassische evangelische Parochialgemeinde in ihrer vertrauten Struktur nimmt wichtige Aufgaben in verlässlicher Form wahr doch im Blick auf missionarische Herausforderungen und geistliche Qualitäts-ansprüche bedarf die der Weiterentwicklung wie der Ergänzung. (...) Damit möglichst viele Menschen erfahren und erleben können, dass das Evangelium eine Hilfe zum Leben ist, sind Gemeindeformen zu stärken, die Räume der Begegnung über die vorherrschenden Milieus hinaus eröffnet. (...) Erste Erfah-rungen mit situativen Verkündigungssituationen und netzwerkartigen Beteiligungsstrukturen werden in funktionalen Handlungsfeldern der Kirche gesammelt.“ Kirche der Freiheit, 53. 231 S. FRIEDRICHS, Zweiten, 11. 232 So bspw. LINDNERS Engführung des Pluralitätsbegriffes der rein innenkirchlich untersucht wird. S.o.

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gibt.“233 Dies darf nicht nur demographisch auf das Alter verkürzt werden, da besonders

die Kultur, im Sinne des Lebensstils und der Denkweise, prägend ist.234 Über die er-

neuerte Agende und das Gottesdienstbuch hinaus muss nach Lösungen für den inneren

Pluralismus gesucht werden. Ihre Antworten sind bislang lediglich auf die „Zusammen-

kunft am Sonntagmorgen begrenzt.“235 Es muss in der Übertragung des Sunday Plazas

das System allerdings modifiziert werden, handelt es sich doch bei der Ortsgemeinde um

eine territorial verfasste Ortsgemeinde die binnenkirchlich eine weitaus größere Pluralität

ausweist als bei X-Stream. So kann Sunday Plaza höchstens, wie oben beschrieben, in

Form von Gottesdiensten des »Zweiten Programms«236 übertragen werden. Hier könnten

liturgische Teilaspekte des Sunday Plaza direkt in eine Alternative Gottesdienststruktur

eingeflochten werden, beispielsweise durch die Übertragung der Baukastenstruktur, den

Einsatz von Technik, Kunst und Kultur. Auch die Struktur und Vernetzung von X-

Stream kann durch die Stärkung von Hauskirchen bzw. Hauskirchenarbeit leicht

modifiziert übertragen werden.237 Sie ist maßgeblich und sinnvoll, weil sie einerseits die

Bewegung X-Stream charaktersiert und andererseits in einer profilzerklüfteten

Gemeinde, die sich um unabhängige Zielgruppengottesdienste sammelt, eine „neue Form

von Vergemeinschaftung“238 erzeugt. „Denn Beheimatung braucht Kontinuität und

Regelmäßigkeit, verlässliche Orte, Menschen, Zeiten und Angebote,“239 ähnlich wie es in

der Verschränkung von X-Changes und Sunday Plaza gegeben ist. Sunday Plaza stellt

dann als Zweit- bzw. Dritt- oder Viertgottesdienst ein Beispiel für eine monatlich

akzentuierte gottesdienstliche Gemeindearbeit dar.240 In diesem Fall muss dann die

kreative Gestaltungsvielfalt in der Übertragung des Sunday Plaza auf die Ortsgemeinde

den personalen Kapazitäten angepasst werden.

Der Ortsgemeinde mit Profil steht die Profilgemeinde mit deutlich funktionaler Aus-

prägung gegenüber. Hier stellt sich die Übertragung von Sunday Plaza einfacher dar, da

233 KIMBALL, Worship, 66f.; KIMBALL, Church, 113f. 234 Dies zeigt sich bei X-Stream durch ein stimmiges Milieu, das sich allerdings in einer Alterspanne von 25 Jahren ausdrückt. Vgl. dazu auch WARREN, Kirche, 160. 235 S. GRETHLEIN, Gottesdienste, 15. 236 Vgl. FRIEDERICHS, Zweiten, 10f. 237 „Nebengottesdienste und Formen privater Frömmigkeit sind unproblematisch nur in grundsätzlicher Hinordnung und Öffnung zum Gottesdienst der »Versammelten Gemeinde«, der so in vielfältiger Weise in ein Netzwerk von Andachten, Liturgien und Feiern auf Gruppenebene eingebettet ist.“ CORNEHL, Gottes-dienst, 65. 238 S. BUNDSCHUH-SCHRAMM, Kreativ, 289. 239 S. WINTER, Stück, 102. 240 Denkbar wäre ein Einflechten Sunday Plazas in ein Netz andere Modelle, die wiederum andere Milieus erreichen: 1. Sonntag Sunday Plaza, 2. Kirchenmusikalisch geprägter Gottesdienst (Liedpredigt/ Kanta-tengottesdienst), 3. Familiengottesdienst mit Taufen 4. Klassischer Gottesdienst mit Predigt und Abend-

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es sich um ein geschlossenes Milieusystem, bzw. eine klar umrissene funktionale

Gemeindesituation handelt.241 Die Profilgemeinde kann von Sunday Plaza die kon-

sequente Verzahnung von Gottesdienst und Gemeindeleben lernen. Ist sie doch allein auf

eine Funktion bzw. Zielgruppe zugeschnitten und muss, anders als die territorial

verfasste Parochialgemeinde, keine pluralen Strömungen in sich vereinen. Die Such-

bewegung neuer Formen für eine solche Arbeit ist meist liturgisch, zugleich muss jedoch,

wie im Fall von Sunday Plaza, ein lokal stimmiges liturgisch-kybernetisches Konzept

entwickelt werden.242

Modifizierbedarf besteht allerdings bedingt durch die Einbindung einer Profilgemeinde

innerhalb landeskirchlicher Strukturen. Da es sich bei X-Stream um eine unabhängige

Bewegung handelt, müsste hier die Möglichkeit einer Anbindung in landeskirchliche

Zusammenhänge reflektiert werden.243

4.3. Nicht übertragbar

Nicht übertragbar sind einzelne Elemente deren Bedeutung fraglich geblieben ist, so dass

sie nicht übertragen werden können oder sollten.

Innerhalb der Sunday Plaza Matrix ist bspw. die Bedeutung des Game Corner offen

geblieben. Was dieses Element als klassisch gottesdienstliches, liturgisches Element

auszeichnet, ist unklar. Allein die gemeinschaftsstärkende Funktion sowie die Inkultu-

ration von Alltagsgegenständen wie Spielen, rechtfertigen nicht eine Übertragbarkeit in

einen Gottesdienst einer Ortsgemeinde. Zudem ist eine Verortung in der agendarischen

Liturgie nicht möglich.

Weiterhin sind strukturelle Übertragungen, wie die Finanzhoheit der einzelnen Haus-

kirchen nicht übertragbar. Zwar stärkt die Beteiligung an Finanzentscheidungen und die

darin geteilte Verantwortung die Gemeinschaft und trägt zur größeren Identifikation bei,

aber das selbstverwaltete Prinzip der Hauskirchen ist mit einem bürokratisch aufgestell-

ten Ortskirchenprinzip auch im Hinblick auf Datenschutz, nicht zu realisieren.

Nicht übertragbar ist weiter die Abendmahlspraxis des Sunday Plaza. Bedauernswert ist

das Fehlen eines gemeinsamen Abendmahls bspw. innerhalb der Contemplatio. Die steril

mahl. Diese können natürlich sowohl örtlich als auch zeitlich variieren. Hier folge ich Gedanken von RUDDAT, Gottesdienste, 61. 241 „Personalgemeinde? Die Kirchenleitungen tun gut daran, wenn sie die Profilbildung von Gemeinden, die sich an der Heiligen Schrift und den reformatorischen Bekenntnissen orientieren, unterstützen. Das ist besser, als wenn aktive Gemeindemitglieder in freie Gemeinden abwandern, wie sie in der Landeskirche geistliche Nahrung oder Gemeinschaft vermissen.“ WINKLER, Gemeinde, 190. 242 Vgl. HERBST, Gottesdienste, 172ff.

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wirkende Station mit Brot und Wein, die innerhalb des Raums der Stille zum Abendmahl

aufgestellt ist, strahlt in seiner Vereinzelung genau das Gegenteil der gemeinschaftlichen

Grundbedeutung des Abendmahls aus.244 Zwar ist in den X-Changes das regelmäßige

Abendmahl gebräuchlich und wird somit sicherlich häufiger gefeiert, als in einer

landeskirchlichen Durchschnittsgemeinde, dennoch wäre eine gemeinsame

Abendmahlfeier gerade im Rahmen des Sunday Plaza wünschenswert.245

Als letzten Punkt der nicht auf die Ortsgemeinde übertragen werden sollte, möchte ich

die kritische Ablehnung von Tradition nennen, die sich u.a. im Fehlen einer Predigt246

oder in einer nicht-linearen Liturgie ausdrückt. Eine ständige kritische Prüfung von

Traditionen ist sicherlich notwendig. Schon die Reformatoren lehrten uns, dass man sehr

scharf unterscheiden müsse zwischen den »überkommenen Menschensatzungen« und der

biblischen Botschaft. Daraufhin muss das jeweilige „liturgische Erbgut“247 überprüft

werden. Das Kind wird jedoch mit dem Bade ausgeschüttet, wenn Traditionen per se

abgelehnt werden. Gerade die lutherische Kirche hat mit ihren Traditionen von

Generationen, wie ihren Liturgien, Glaubenserfahrungen und meditativen Erkenntnissen

einen reichen Erfahrungsschatz angesammelt. Auf dieses liturgische Erbgut sollten auch

moderne Gottesdienst- und Gemeindeaufbaumodelle wurzeln, statt Traditionen ungeprüft

zu verwerfen.

243 Zu bisherigen Erfahrungen lutherischer Gemeindegründungen von Emerging Churches innerhalb der Evangelical Lutheran Church of Amerika (ELCA) vgl. BOLZ-WEBER, Confessions, 20-26; FRAMBACH, Ministry; GARRISON, Ashes, 15f.; 89f; 127f. 244 Vgl. CA VII, in der „Gemeinschaft der Heiligen“ in Bezug auf die „Verwaltung der Sakramente“, bspw. Abendmahl in Beziehung steht. Eine Gemeinschaft und Öffentlichkeit ist konstitutiv. 245 Zur Bedeutung des Abendmahls in der Emerging Church, vgl. KIMBALL, Worship, 94; KIMBALL, Church, 159f. 246 Dies ist nicht auf alle Emerging Churches pauschalisierbar, andere Gemeinde hingegen haben Predigten als festen Bestandteil ihres Alternative Worships. Vgl. KIMBALL, Worship, 87f.; 181f. 247 HERLYN, Theologie, 127.

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Anhang

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die neuen Gottesdienstformen ausmacht. In: BUNDSCHUH-SCHRAMM, CHRISTIANE/GAAB/JUDITH/SCHÄFER-KREBS, MARGRET (Hgg.) Eine Zeit zum Suchen: Neue Gottesdienstformen. Ostfildern 2003, 285-295.

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KRAUSE, BURGHARD: Alternative Gemeindeaufbaumodelle als Chance für einen volkkirchlichen Gemeindeaufbau. In: Werkstatt Gemeinde (1985), Heft 11,

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topographische und konzeptionell-handlungsorientierte Überlegungen. In: MILDENBERGER, IRENE; RATZMANN, WOLFGANG, Jenseits der Agende. Reflexion und Dokumentation alternativer Gottesdienste, Leipzig 2003.

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B. Internetressourcen http://www.allianz-thun.ch/index.php (einges. 09.10.2008; 08:33 Uhr). http://www.lifenavigator.typepad.com/lifenavigator/2007/10/sunday-plaza-ii.html (einges. 23.09.2008; 18:32 Uhr). http://www.tallskinnykiwi.typepad.com/tallskinnykiwi/2005/03/emergant_1_an_e.html (einges. 02.10.2008; 14:17 Uhr). http://www.alternativeworship.org/definitions_awec.html (einges. 02.10.2008; 14:26 Uhr).