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F F Grundlagen der Konstruktionstechnik J. Feldhusen, Aachen; H. Goldhahn, Dresden; J.-P. Majschak, Dresden; M. Orloff, Berlin; H. Schɒrmann, Darmstadt Allgemeine Literatur Bɒcher: DIN: Verzeichnis der Normen und Norm-Entwɒrfe. Berlin: Beuth (jȨhrlich). – Ehrlenspiel, K.: Integrierte Produktentwick- lung, 2. Aufl. Mɒnchen: Hanser 2002. – Ehrlenspiel, K.; Kiewert, A.; Lindemann, U.: Kostengɒnstig Entwickeln und Konstruieren. 2. Aufl. Berlin: Springer 1998. – Hansen, F.: Konstruktionssystematik, 2. Aufl. Berlin: VEB Verlag Technik 1965. – Hansen, F.: Konstruktionswissenschaft – Grundlagen und Methoden. Mɒnchen: Hanser 1974. – Hubka, V.: Theorie technischer Systeme. Berlin: Springer 1984. – Hubka, V.; Eder, W. E.: Theory of Technical Systems – A Total Concept Theory for Engineering Design. Berlin 1988. – Hubka, V.; Eder, W. E.: Einfɒhrung in die Konstruktionswissenschaft. Ƞbersicht, Modell, Anleitungen. Berlin: Springer 1992. – Klein, M.: Einfɒhrung in die DIN-Normen, 13. Aufl. Stuttgart: Teubner 2001. – Koller, R.: Konstruktionslehre fɒr den Ma- schinenbau. Grundlagen zur Neu- und Weiterentwicklung technischer Produkte, 4. Aufl. Berlin: Springer 1998. – Leyer, A.: Maschi- nenkonstruktionslehre. Hefte 1–7, technica-Reihe. Basel: BirkhȨuser 1977. – Mɒller, J.: Arbeitsmethoden der Technikwissenschaf- ten – Systematik, Heuristik, KreativitȨt. Berlin: Springer 1990. – Pahl, G.; Beitz, W.; Feldhusen, J;. Grote, K. H.: Konstruktionsleh- re, 6. Aufl. Berlin: Springer 2005. – Steinhilper, W.; Sauer, B. (Hrsg.): Konstruktionselemente des Maschinenbaus 1. Grundlagen der Berechnung und Gestaltung von Maschinenelementen. Korr. Nachdruck der 6. Aufl. Berlin: Springer 2006. – Steinhilper, W.; Sauer, B. (Hrsg.): Konstruktionselemente des Maschinenbaus 2. Grundlagen von Maschinenelementen fɒr Antriebsaufgaben, 5. Aufl. Ber- lin: Springer 2006. – RKW-Handbuch: Forschung, Entwicklung, Konstruktion. Berlin: E. Schmidt 1976–78. – Rodenacker, W. G.: Methodisches Konstruieren. Konstruktionsbɒcher Bd. 27, 4. Aufl. Berlin: Springer 1991. – Roth, K.: Konstruieren mit Konstruktions- katalogen; Bd. 1: Konstruktionslehre, Bd. 2: Konstruktionskataloge, 2. Aufl. Berlin: Springer 1994; Bd. 3: Verbindungen und Ver- schlɒsse, LɆsungsfindung. Berlin: Springer 1996. – Schlottmann, D.: Konstruktionslehre. Berlin: VEB Verlag Technik 1977. – See- ger, H.: Design technischer Produkte, Programme und Systeme. Anforderungen, LɆsungen und Bewertungen. Berlin: Springer 1992. Tjalve, E.: Systematische Formgebung fɒr Industrieprodukte. Dɒsseldorf: VDI-Verlag 1978. – Wolf, J.: Kreatives Konstruieren. Essen: Girardet 1976. – Zwicky, F.: Entdecken, Erfinden, Forschen im Morphologischen Weltbild. Mɒnchen: Droemer-Knaur 1971. Zeitschriften: Konstruktion. Zeitschrift fɒr Produktentwicklung. Berlin/Dɒsseldorf: Springer VDI ab 1948. Normen und Richtlinien: (VDI-Richtlinie 2221:) Methodik zum Entwickeln und Konstruieren technischer Systeme und Produkte. Dɒsseldorf: VDI-Verlag 1993. – (VDI-Richtlinie 2222:) Konzipieren technischer Produkte. Dɒsseldorf: VDI-Verlag 1996. – (VDI- Richtlinie 2223, Entwurf:) Methodisches Entwerfen technischer Produkte. Dɒsseldorf: VDI-Verlag 1999. – (VDI-Richtlinie 2225:) Technisch-wirtschaftliches Konstruieren. Dɒsseldorf: VDI-Verlag 1977, Blatt 3: 1990, Blatt 4: 1994. 1 Grundlagen technischer Systeme und des methodischen Vorgehens J. Feldhusen, Aachen; M. Orloff, Berlin (Abschnitt 1.4.4 H. Schɒrmann, Darmstadt) 1.1 Technische Systeme 1.1.1 Energie-, Stoff- und Signalumsatz Technische Gebilde (Anlagen, Apparate, Maschinen, GerȨte, Baugruppen, Einzelteile) sind kɒnstliche und konkrete Sys- teme, die aus einer Gesamtheit geordneter und aufgrund ihrer Eigenschaften miteinander durch Beziehungen verknɒpfter Elemente bestehen. Ein System ist dadurch gekennzeichnet, daß es von seiner Umgebung abgegrenzt ist, wobei die Ver- bindungen zur Umgebung – die Eingangs- und AusgangsgrɆ- ßen – von der Systemgrenze geschnitten werden. Ein System lȨßt sich in Teilsysteme untergliedern. Je nach Zweck kɆnnen solche Systemunterteilungen nach unterschiedlichen Ge- sichtspunkten mehr oder weniger weit getrieben werden. So stellt in Bild 1 das System „Kupplung“ innerhalb einer Maschine eine Baugruppe dar, wȨhrend es selbst in die beiden Teilsysteme „Elastische Kupplung“ und „Schaltkupplung“ wiederum als selbstȨndige Baugruppen unterteilt sein kann. Die Teilsysteme lassen sich weiter in Systemelemente, hier Einzelteile, zerlegen. Diese Unterteilung orientiert sich an der Baustruktur. Es ist aber auch denkbar, sie nach Funktionen zu betrachten: Man kɆnnte das Gesamtsystem „Kuppeln“ funkti- onsorientiert in die Teilsysteme „Ausgleichen“ und „Schal- ten“ gliedern, letzteres wiederum in die Untersysteme „Schaltkraft in Normalkraft wandeln“ und „Reibkraft ɒbertra- gen“ usw. Bild 1. System „Kupplung“. a bis h Systemelemente (beispielsweise), i bis l Anschlußelemente, S Gesamtsystem, S1 Teilsystem „Elastische Kupplung“, S2 Teilsystem „Schaltkupplung“, E EingangsgrɆßen (In- puts), A AusgangsgrɆßen (Outputs)

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I1.1 Technische Systeme F 1

F

F Grundlagen der Konstruktionstechnik

J. Feldhusen, Aachen; H. Goldhahn, Dresden; J.-P. Majschak, Dresden; M. Orloff, Berlin;H. Sch�rmann, Darmstadt

Allgemeine Literatur

B�cher: DIN: Verzeichnis der Normen und Norm-Entw�rfe. Berlin: Beuth (j�hrlich). – Ehrlenspiel, K.: Integrierte Produktentwick-lung, 2. Aufl. M�nchen: Hanser 2002. – Ehrlenspiel, K.; Kiewert, A.; Lindemann, U.: Kosteng�nstig Entwickeln und Konstruieren.2. Aufl. Berlin: Springer 1998. – Hansen, F.: Konstruktionssystematik, 2. Aufl. Berlin: VEB Verlag Technik 1965. – Hansen, F.:Konstruktionswissenschaft – Grundlagen und Methoden. M�nchen: Hanser 1974. – Hubka, V.: Theorie technischer Systeme. Berlin:Springer 1984. – Hubka, V.; Eder, W. E.: Theory of Technical Systems – A Total Concept Theory for Engineering Design. Berlin1988. – Hubka, V.; Eder, W.E.: Einf�hrung in die Konstruktionswissenschaft. �bersicht, Modell, Anleitungen. Berlin: Springer1992. – Klein, M.: Einf�hrung in die DIN-Normen, 13. Aufl. Stuttgart: Teubner 2001. – Koller, R.: Konstruktionslehre f�r den Ma-schinenbau. Grundlagen zur Neu- und Weiterentwicklung technischer Produkte, 4. Aufl. Berlin: Springer 1998. – Leyer, A.: Maschi-nenkonstruktionslehre. Hefte 1–7, technica-Reihe. Basel: Birkh�user 1977. – M�ller, J.: Arbeitsmethoden der Technikwissenschaf-ten – Systematik, Heuristik, Kreativit�t. Berlin: Springer 1990. – Pahl, G.; Beitz, W.; Feldhusen, J;. Grote, K. H.: Konstruktionsleh-re, 6. Aufl. Berlin: Springer 2005. – Steinhilper, W.; Sauer, B. (Hrsg.): Konstruktionselemente des Maschinenbaus 1. Grundlagen derBerechnung und Gestaltung von Maschinenelementen. Korr. Nachdruck der 6. Aufl. Berlin: Springer 2006. – Steinhilper, W.; Sauer,B. (Hrsg.): Konstruktionselemente des Maschinenbaus 2. Grundlagen von Maschinenelementen f�r Antriebsaufgaben, 5. Aufl. Ber-lin: Springer 2006. – RKW-Handbuch: Forschung, Entwicklung, Konstruktion. Berlin: E. Schmidt 1976–78. – Rodenacker, W.G.:Methodisches Konstruieren. Konstruktionsb�cher Bd. 27, 4. Aufl. Berlin: Springer 1991. – Roth, K.: Konstruieren mit Konstruktions-katalogen; Bd. 1: Konstruktionslehre, Bd. 2: Konstruktionskataloge, 2. Aufl. Berlin: Springer 1994; Bd. 3: Verbindungen und Ver-schl�sse, L�sungsfindung. Berlin: Springer 1996. – Schlottmann, D.: Konstruktionslehre. Berlin: VEB Verlag Technik 1977. – See-ger, H.: Design technischer Produkte, Programme und Systeme. Anforderungen, L�sungen und Bewertungen. Berlin: Springer 1992.– Tjalve, E.: Systematische Formgebung f�r Industrieprodukte. D�sseldorf: VDI-Verlag 1978. – Wolf, J.: Kreatives Konstruieren.Essen: Girardet 1976. – Zwicky, F.: Entdecken, Erfinden, Forschen im Morphologischen Weltbild. M�nchen: Droemer-Knaur 1971.

Zeitschriften: Konstruktion. Zeitschrift f�r Produktentwicklung. Berlin/D�sseldorf: Springer VDI ab 1948.

Normen und Richtlinien: (VDI-Richtlinie 2221:) Methodik zum Entwickeln und Konstruieren technischer Systeme und Produkte.D�sseldorf: VDI-Verlag 1993. – (VDI-Richtlinie 2222:) Konzipieren technischer Produkte. D�sseldorf: VDI-Verlag 1996. – (VDI-Richtlinie 2223, Entwurf:) Methodisches Entwerfen technischer Produkte. D�sseldorf: VDI-Verlag 1999. – (VDI-Richtlinie 2225:)Technisch-wirtschaftliches Konstruieren. D�sseldorf: VDI-Verlag 1977, Blatt 3: 1990, Blatt 4: 1994.

1 Grundlagen technischer Systemeund des methodischen Vorgehens

J. Feldhusen, Aachen; M. Orloff, Berlin(Abschnitt 1.4.4 H. Sch�rmann, Darmstadt)

1.1 Technische Systeme

1.1.1 Energie-, Stoff- und Signalumsatz

Technische Gebilde (Anlagen, Apparate, Maschinen, Ger�te,Baugruppen, Einzelteile) sind k�nstliche und konkrete Sys-teme, die aus einer Gesamtheit geordneter und aufgrund ihrerEigenschaften miteinander durch Beziehungen verkn�pfterElemente bestehen. Ein System ist dadurch gekennzeichnet,daß es von seiner Umgebung abgegrenzt ist, wobei die Ver-bindungen zur Umgebung – die Eingangs- und Ausgangsgr�-ßen – von der Systemgrenze geschnitten werden. Ein Systeml�ßt sich in Teilsysteme untergliedern. Je nach Zweck k�nnensolche Systemunterteilungen nach unterschiedlichen Ge-sichtspunkten mehr oder weniger weit getrieben werden.So stellt in Bild 1 das System „Kupplung“ innerhalb einerMaschine eine Baugruppe dar, w�hrend es selbst in die beidenTeilsysteme „Elastische Kupplung“ und „Schaltkupplung“wiederum als selbst�ndige Baugruppen unterteilt sein kann.Die Teilsysteme lassen sich weiter in Systemelemente, hierEinzelteile, zerlegen. Diese Unterteilung orientiert sich an derBaustruktur. Es ist aber auch denkbar, sie nach Funktionen zu

betrachten: Man k�nnte das Gesamtsystem „Kuppeln“ funkti-onsorientiert in die Teilsysteme „Ausgleichen“ und „Schal-ten“ gliedern, letzteres wiederum in die Untersysteme„Schaltkraft in Normalkraft wandeln“ und „Reibkraft �bertra-gen“ usw.

Bild 1. System „Kupplung“. a bis h Systemelemente (beispielsweise),i bis l Anschlußelemente, S Gesamtsystem, S1 Teilsystem „ElastischeKupplung“, S2 Teilsystem „Schaltkupplung“, E Eingangsgr�ßen (In-puts), A Ausgangsgr�ßen (Outputs)

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F 2 Grundlagen der Konstruktionstechnik – 1 Grundlagen technischer Systeme und des methodischen Vorgehens

FTechnische Systeme dienen einem Prozeß, in dem Energien,Stoffe und Signale geleitet und/oder ver�ndert werden(Bild 2). Dabei handelt es sich um einen Energie-, Stoff- und/oder Signalumsatz. In technischen Prozessen ist von der Auf-gabe oder der Art der L�sung her entweder der Energie-,Stoff- oder Signalfluß vorherrschend. Zweckm�ßig ist, diesendann als Hauptfluß zu betrachten. Meist ist ein weiterer Flußbegleitend, h�ufig sind alle drei beteiligt.Bei jedem Umsatz ist die Quantit�t und Qualit�t der beteilig-ten Gr�ßen zu beachten, damit die Kriterien f�r die Pr�zisie-rung der Aufgabe sowie die Auswahl und Bewertung einerL�sung eindeutig sind.

1.1.2 Funktionszusammenhang

In einem technischen System mit Energie-, Stoff- und Signal-umsatz m�ssen sowohl eindeutige, reproduzierbare Zusam-menh�nge zwischen den Eingangs- und Ausgangsgr�ßen desGesamtsystems, den Teilsystemen, als auch zwischen denTeilsystemen selbst bestehen. Sie sind im Sinne der Aufga-benerf�llung stets gewollt (z. B. Drehmoment leiten, elektri-sche in mechanische Energie wandeln, Stofffluß sperren,Signal speichern). Solche Zusammenh�nge, die zwischenEingang und Ausgang eines Systems zur Erf�llung einer Auf-gabe bestehen, nennt man Funktion. Die Funktion ist eine

Formulierung der Aufgabe auf einer abstrakten und l�sungs-neutralen Ebene. Bezieht sie sich auf die Gesamtaufgabe, sospricht man von der Gesamtfunktion. Sie l�ßt sich oft in er-kennbare Teilfunktionen gliedern, die den Teilaufgaben inner-halb der Gesamtaufgabe entsprechen (Bild 2). Die Art undWeise, wie die Teilfunktionen zur Gesamtfunktion verkn�pftsind, f�hrt zur meist zwangsl�ufigen Funktionsstruktur. H�u-fig l�ßt sich schon mit der Variation der Zuordnung der An-satz f�r unterschiedliche L�sungen legen. Die Verkn�pfungvon Teilfunktionen zur Gesamtfunktion muß sinnvoll undvertr�glich geschehen.Zweckm�ßig ist, zwischen Haupt- und Nebenfunktion zu un-terscheiden. Hauptfunktionen dienen unmittelbar der Gesamt-funktion. Nebenfunktionen tragen nur mittelbar zur Gesamt-funktion bei; sie haben unterst�tzenden oder erg�nzendenCharakter und sind h�ufig von der Art der L�sung bedingt(Beispiele: Bilder 3 und 4). Die Funktionen setzen zu ihrerErf�llung ein physikalisches Geschehen voraus, wobei diephysikalischen Gr�ßen von Teilfunktion zu Teilfunktion ein-ander entsprechen m�ssen; anderenfalls sind Wandlungsfunk-tionen zwischenzuschalten.Daneben gibt es noch logische Zusammenh�nge, die eineFunktionsstruktur bestimmen bzw. beeinflussen. So werdengewisse Teilfunktionen erst erf�llt sein m�ssen, bevor anderesinnvollerweise eingesetzt werden d�rfen (z.B. ist auf Bild 4

Bild 2. Bilden einer Funktionsstruktur mit Energie-, Stoff- und Signalfluß durch Gliedern einer Gesamtfunktion in Teilfunktionen

Bild 3. Funktionskette (Funktionsstruktur) beim Verarbeiten von Teppichfliesen

Bild 4. Funktionsstruktur beim Verarbeiten von Teppichfliesen nach Bild 3 mit Nebenfunktionen

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I1.1 Technische Systeme F 3

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die Teilfunktion „Z�hlen“ erst nach „Kontrollieren auf Quali-t�t“ sinnvoll). Logische Zusammenh�nge sind aber auch inbezug auf eine Schaltungslogik n�tig. Dazu dienen logischeFunktionen, die in einer zweiwertigen Logik Aussagen wiewahr/unwahr, ja/nein, ein/aus, erf�llt/nicht erf�llt erm�gli-chen. Es wird zwischen UND-, ODER- und NICHT-Funktio-nen sowie deren Kombination zu komplexen wie NOR-(ODER mit NICHT), NAND- (UND mit NICHT) oder Spei-cher-Funktionen mit Hilfe von Flip-Flops unterschieden (s. Abzw. www.dubbel.de).

1.1.3 Wirkzusammenhang

Physikalische Effekte

Teilfunktionen werden in der Regel vom physikalischen Ge-schehen erf�llt, das durch das Vorhandensein physikalischerEffekte erm�glicht wird. Der physikalische Effekt ist mittelsphysikalischer Gesetze, welche die beteiligten physikali-schen Gr�ßen einander zuordnen, auch quantitativ beschreib-bar. Sind diese Effekte im konkreten Fall einer Teilfunktionzugeordnet, so erh�lt man das physikalische Wirkprinzipdieser Teilfunktion (Bild 5). Eine Teilfunktion kann vonverschiedenen physikalischen Effekten erf�llt werden (s.Tab. 1).

Geometrische und stoffliche Merkmale

Die Stelle, an der das physikalische Geschehen zur Wirkungkommt, kennzeichnet den Wirkort. Die Erf�llung der Funkti-on bei Anwendung der physikalischen Effekte wird von derWirkgeometrie (Anordnung von Wirkfl�chen und Wahl vonWirkbewegungen) erzwungen. Die Gestalt der Wirkfl�chewird durch Art, Form, Lage, Gr�ße und Anzahl einerseits va-riiert und andererseits festgelegt. In �hnlicher Weise wird dieerforderliche Wirkbewegung bestimmt (s. Tab. 2).Dar�ber hinaus muß mindestens eine prinzipielle Vorstellung�ber die Art des Werkstoffs bestehen, mit dem die Wirkgeo-metrie realisiert werden soll. Erst die Gemeinsamkeit vonphysikalischem Effekt und geometrischen und stofflichenMerkmalen (Wirkfl�che, Wirkbewegung und Werkstoff) l�ßtdas Wirkprinzip sichtbar werden (Bild 5).

Die Kombination mehrerer Wirkprinzipien f�hrt zur Wirk-struktur, die das Prinzip der L�sung erkennen l�sst.

1.1.4 Bauzusammenhang

Der in der Wirkstruktur erkennbare Wirkzusammenhang istdie Grundlage bei der weiteren Konkretisierung, die zur Bau-struktur f�hrt. Diese ber�cksichtigt die Notwendigkeiten derFertigung, der Montage u. a. In ihr werden die Bauteile, Bau-gruppen und ihr Zusammenhang im Erzeugnis festgelegt(Bild 6).

1.1.5 Systemzusammenhang

Technische Erzeugnisse stehen nicht allein, sie sind Bestand-teil eines �bergeordneten Systems. In ihm wirkt vielfach derMensch mit, indem er einwirkt. Dabei erf�hrt er R�ckwirkun-gen, die ihn zum weiteren Handeln veranlassen. Der Menschunterst�tzt so die gewollten Zweckwirkungen des technischenSystems. Es treten aber auch St�rwirkungen als ungewollteEingangsgr�ßen und Nebenwirkungen als ungewollte Aus-gangsgr�ßen auf (Bild 7). Alle Wirkungen m�ssen beachtetwerden.

1.1.6 Generelle Zielsetzung und Bedingungen

Die L�sung technischer Aufgaben wird durch zu erreichendeZiele und einschr�nkende Bedingungen bestimmt. Dabei be-stehen als generelle Zielsetzung stets die Erf�llung der techni-schen Funktion, die wirtschaftliche Realisierung sowie die Si-cherheit f�r Mensch und Umgebung (Umfeld/Umwelt).Die einschr�nkenden Bedingungen k�nnen durch die konkreteAufgabe (aufgabenspezifische Bedingungen), den Stand derTechnik, die wirtschaftliche sowie die allgemeine Situation(allgemeine Bedingungen) gegeben sein.Mit folgenden Merkmalen lassen sich Zielsetzung und Bedin-gungen �bersichtlich und umfassend angeben: Funktion –Wirkprinzip – Gestaltung – Sicherheit – Ergonomie – Ferti-gung – Kontrolle – Montage – Transport – Gebrauch – In-standhaltung – Recycling – Aufwand.

Bild 5. Erf�llen von Teilfunktionen durch Wirkprinzipien, die aus physikalischen Effekten und geometrischen und stofflichen Merkmalen aufgebautwerden

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F 4 Grundlagen der Konstruktionstechnik – 1 Grundlagen technischer Systeme und des methodischen Vorgehens

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1.2 Methodisches Vorgehen

1.2.1 Allgemeine Arbeitsmethodik

Das L�sen von Aufgaben besteht im wesentlichen in einerAnalyse und einer Synthese. Analyse ist in ihrem Wesen In-formationsgewinnung und Zerlegen, Gliedern und Untersu-chen von Eigenschaften einzelner Elemente und der Zusam-menh�nge zwischen ihnen. Es geht dabei um Erkennen, Defi-nieren, Strukturieren und Einordnen. Synthese ist in ihremWesenskern Informationsverarbeitung durch Bilden von Ver-

bindungen, Verkn�pfung von Elementen mit insgesamt neuenWirkungen und Darstellen einer zusammenfassenden Ord-nung. Es ist der Vorgang des Suchens und Findens (Kreation)sowie des Zusammensetzens und Kombinierens.Daneben m�ssen beim methodischen Vorgehen folgende Vor-aussetzungen erf�llt werden: Motivation f�r die L�sung derAufgabe sicherstellen, Klarstellen von Rand- und Anfangsbe-dingungen, Vorurteile aufl�sen, Varianten suchen, Entschei-dungen f�llen.Die L�sungssuche wird sowohl durch intuitives (einfallsbe-tont, �berwiegend im Unterbewußtsein, kaum beeinflußbarund nachvollziehbar) als auch diskursives (bewußt, schritt-weise, mitteilsam) Denken unterst�tzt.Bei komplexen und umfangreichen Aufgaben ist eine Gliede-rung in �bersehbare Teilaufgaben erforderlich. KomplexeAufgaben l�st man schrittweise, wor�ber Teilergebnissedurchaus intuitiv gefunden werden k�nnen oder sollen.

1.2.2 Allgemeiner L�sungsprozeß

Der L�sungsprozeß l�uft in Arbeits- und Entscheidungsschrit-ten in der Regel vom Qualitativen immer konkreter werdendzum Quantitativen ab. Die Aufgabenstellung bewirkt im all-gemeinen zun�chst eine Konfrontation mit Problemen und(noch) nicht bekannten Realisationsm�glichkeiten.Weitere allgemeing�ltige Stufen eines L�sungsprozesses be-stehen in einer Information �ber die Aufgabenstellung, Defi-nition der wesentlichen Probleme, Kreation der L�sungs-

Bild 6. Zusammenh�nge in technischen Systemen

Bild 7. Zusammenh�nge in technischen Systemen unter Beteiligungdes Menschen

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I1.2 Methodisches Vorgehen F 5

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ideen, Beurteilung der L�sungen in Hinblick auf die Ziele derAufgabenstellung und Entscheidung �ber das weitere Vorge-hen [1]. Die VDI-Richtlinie 2221 [2] hat ein f�r viele Anwen-dungsgebiete geeignetes Vorgehen beim Entwickeln undKonstruieren erarbeitet (Bild 8).

1.2.3 Abstrahieren zum Erkennen der Funktionen

Beim Abstrahieren sieht man vom Individuellen und Zuf�lli-gen ab und versucht das allgemein G�ltige und Wesentlichedurch Analyse der Anforderungsliste zu erkennen. Eine sol-che Verallgemeinerung l�ßt den Wesenskern einer Aufgabehervortreten. Wird dieser zutreffend formuliert, werden Ge-samtfunktion (s. F1.1.2) und wesentliche Bedingungen sicht-bar.

1.2.4 Suche nach L�sungsprinzipien

Allgemein anwendbare Methoden

Bei der L�sungssuche stehen Informationsgewinnung und-verarbeitung mittels Analyse und Synthese im Vordergrund.Konventionelle Hilfsmittel dazu sind Literatur- und Patent-recherchen, Analyse nat�rlicher und bekannter technischerSysteme, Analogiebetrachtungen, Messungen, Modellversu-che.Kreativit�tstechniken machen von folgenden MethodenGebrauch, so daß man sie als allgemein anwendbare Grundla-ge ansehen kann [3]: gezieltes Fragen, Negation und Neukon-zeption, bewußtes Vorw�rtsschreiten, R�ckw�rtsschreiten,Gliederung in Teilprobleme (Faktorisierung) und Systemati-sieren.

Intuitiv betonte Methoden

Diese Methoden st�tzen sich weitgehend auf Ideenassoziationals Folge unbefangener �ußerungen von Partnern, Analogie-vorstellungen und gruppendynamischer Effekte. Sie sindmehr oder weniger formalisiert als Brainstorming [4], Gale-riemethode [5], Synektik [6], Methode 635 [7] und Delphi-Methode [8] bekannt geworden. Am einfachsten und wenigaufwendig ist das Brainstorming, w�hrend die Galeriemetho-de bei Gestaltungsproblemen besonders hilfreich ist.

Diskursiv betonte Methoden

Diese Methoden streben eine L�sung durch bewußt schritt-weises Vorgehen an, was aber die Intuition nicht ausschließt.Im wesentlichen wird zum einen eine systematische Untersu-chung des beteiligten oder denkbaren physikalischen Gesche-hens angestellt, zum anderen werden aus bisher erkannten Zu-sammenh�ngen funktioneller, physikalischer oder gestalteri-scher Art ordnende Gesichtspunkte abgeleitet, die in einemSuchschema (Ordnungsschema) Anregung f�r neue oder an-dere L�sungsprinzipien sein k�nnen.

Systematische Untersuchung des physikalischen Gesche-hens f�hrt – besonders bei Beteiligung mehrerer physikali-scher Gr�ßen – dadurch zu verschiedenen L�sungen, daßman die Beziehungen zwischen ihnen, also den Zusammen-hang zwischen einer abh�ngigen und einer unabh�ngigenVer�nderlichen, nacheinander analysiert, wobei die jeweils�brigen Einflußgr�ßen konstant gehalten werden. F�r dieGleichung y¼ f ðu; u; wÞ; werden L�sungsvarianten f�r dieBeziehungen y1 ¼ f ðu; u; wÞ; y2 ¼ f ðu; u; wÞ und y3 ¼

Bild 8. Generelles Vorgehen beim Entwickeln und Konstruieren nach [2]

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F 6 Grundlagen der Konstruktionstechnik – 1 Grundlagen technischer Systeme und des methodischen Vorgehens

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f ðu; u; wÞ gesucht, wobei die unterstrichenen Gr�ßen kon-stant bleiben sollen. Die sich ergebenden Zusammenh�ngewerden durch jeweils unterschiedliche L�sungsprinzipien,Wirkfl�chen oder schon bekannte Bauteile in konkreter Formrealisiert [9].

Systematische Suche mit Hilfe von Ordnungsschemata.Eine systematische, geordnete Darstellung von Informationenregt zum Suchen nach weiteren L�sungen an. Sie l�ßt wesent-liche L�sungsmerkmale erkennen, die wiederum Anregungzur Vervollst�ndigung sein k�nnen, und ergibt einen �ber-blick denkbarer M�glichkeiten und Verkn�pfungen. Ord-nungsschemata sind beim Konstruktionsprozeß vielf�ltig alsSuchschema, Vertr�glichkeitsmatrix oder Katalog verwend-bar [10].Das allgemein �bliche zweidimensionale Schema besteht ausSpalten und Zeilen, denen Parameter zugeordnet werden, dievon einem ordnenden Gesichtspunkt abgeleitet sind. In denSchnittfeldern des Schemas (Matrix) werden die L�sungeneingetragen. Bei dem auf Bild 9 dargestellten Beispiel ist derordnende Gesichtspunkt f�r die Zeilen die Bewegungsart desStreifens und der f�r die Spalten die Bewegungsart der Auf-tragsvorrichtung mit den Parametern ruhend, translatorisch,oszillierend und rotierend bewegt einschließlich der denkba-ren Kombinationen. Hilfen zur Wahl von ordnenden Ge-sichtspunkten und Parametern k�nnen die Tab. 1 und 2 ge-ben.Werden in der Kopfspalte Teilfunktionen und in die KopfzeileMerkmale zur L�sungssuche eingetragen, ergeben sich in denSchnittfeldern L�sungen zu einzelnen Teilfunktionen, die zu-sammengef�gt jeweils die Gesamtfunktion erf�llen. Stehenm1 L�sungen f�r die Teilfunktion F1; m2 f�r die TeilfunktionF2 usw. zur Verf�gung, so erh�lt man bei einer vollst�ndigenKombination N ¼m1m2 . . .mn theoretisch m�gliche Varian-ten f�r die Gesamtl�sung (Bild 10). Selbstverst�ndlich sind

nicht alle Kombinationen sinnvoll und vertr�glich. Nur dieaussichtsreich erscheinenden werden weiter verfolgt [11].

Systematische Suche mit Hilfe von Katalogen. Bei wieder-kehrenden Aufgaben und solchen, die eine gewisse Allge-meing�ltigkeit aufweisen, kann sehr vorteilhaft von Katalo-gen Gebrauch gemacht werden [12]. Dies k�nnen Katalogevon Zulieferern oder auch mehr oder weniger vollst�ndigeL�sungssammlungen sein. Bei einer systematischen Zuord-

Bild 9. M�glichkeiten zum Beschichten von Teppichbahnen durch Kombination von Bewegungen der Teppichbahn (allg.: Streifen) und der Auftrags-vorrichtung (Auszug)

Tabelle 1. Ordnende Gesichtspunkte und Merkmale zur Variation aufphysikalischer Suchebene

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I1.2 Methodisches Vorgehen F 7

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nung von L�sungsmerkmalen zu Bedingungen der jeweiligenAufgabenstellung kann eine geeignete L�sung direkt �ber-nommen oder aber weitere, neue Anregungen gewonnen wer-den [13].Von besonderem Vorteil sind systematisch aufgebaute Kata-loge, weil sie neben einem hohen Grad an Vollst�ndigkeitauch noch die charakteristischen Merkmale und Eigenschaf-ten der L�sungen im Vergleich erkennen lassen. Die so er-kennbare Systematik ist aber gleichzeitig eine ausgezeichneteGrundlage f�r die eigene weiterf�hrende L�sungssuche. Roth[10] hat neben einer großen Anzahl unterschiedlicher Katalo-ge Aufbau und Nutzung solcher Kataloge in ausf�hrlicherWeise dargelegt: In der Regel soll er aus einem Gliederungs-

teil (ordnende Gesichtspunkte zur Einteilung, aus denen Um-fang und Vollst�ndigkeit ersichtlich sind), Hauptteil (Inhaltin Form von Objekten mit erl�uternden Formeln und Skizzen)und dem Zugriffsteil (Eigenschaftsmerkmale, die eine sichereund einfache Auswahl erm�glichen) bestehen.

TRIZ. Die TRIZ (Abk�rzung aus dem Russischen f�r die sogenannte Theorie des erfinderischen Probleml�sens, entwi-ckelt von G. Altschuller) bietet eine Methodologie, Modelleund Software einer algorithmischen, gerichteten und gesteu-erten L�sung von komplizierten Problemen [14]. Der verall-gemeinerte Meta-Algorithmus des Erfindens beinhaltet fol-gende Schritte, die Software-begleitet sind [15, 16]: Diagnos-tik (Definition und Lokalisation des Problems) – Reduktion(Konstruktion eines ad�quaten Modells) – Transformation(Auswahl und kreative Interpretation einer verallgemeinertenUmwandlung der Aufgabenstellung, um eine Idee zur L�sungdes Ausgangproblems zu kreieren) – Verifikation (�berpr�-fung der Qualit�t der Ideen). Die Hauptkonzeptionen derTRIZ f�r die technische Anwendung bestehen in Folgendem:alle Systeme streben w�hrend ihres Lebenszyklus danach,ihre Effektivit�t zu erh�hen; jedes System und seine Kompo-nenten entwickelt sich ungleichm�ßig; die Grundlage allertechnischen Probleme bilden im Konflikt stehende Widerspr�-che zwischen unvereinbaren Eigenschaften und Anforderun-gen; die L�sung eines solchen Widerspruchs (mit technischenMittel) ist dann die L�sung des Problems, was oft auch be-deutet, eine Erfindung gemacht zu haben; die Anzahl ver-schiedener Typen von Widerspr�chen ist begrenzt, was dieM�glichkeit bietet, sie in realen Problemen pr�zise zu erken-nen, um sie dann mit einer relativ geringen Anzahl ad�quaterMethoden f�r die Behandlung technischer Probleme l�sen zuk�nnen; diese Ad�quaten Methoden der L�sung von Wider-spr�chen wurden durch Untersuchung einer ausreichend gro-ßen Anzahl (einer repr�sentativen Auswahl) realer Erfindun-gen anhand von Patentbeschreibungen und technischer Litera-tur entwickelt; Methoden der L�sung von Widerspr�chenk�nnen zusammen mit Verfahren zur Entwicklung und Sti-mulation des Ged�chtnisses, der Aufmerksamkeit, des asso-ziativen Denkens, der Vorstellungskraft und verschiedeneranderer n�tzlicher Eigenschaften des Intellekts und der Psy-che [16] und auch zusammen mit anderen Methoden derSteuerung der Entwicklung komplizierter Systeme, wie �ko-nomischer, kultureller und politischer Systeme, angewendetwerden [17].

1.2.5 Beurteilen von L�sungen

Auswahlverfahren

Ein formalisiertes Auswahlverfahren erleichtert durch Aus-scheiden und Bevorzugen die Auswahl besonders bei einergroßen Zahl von Vorschl�gen oder Kombinationen. Grund-s�tzlich sollte ein solcher Auswahlvorgang nach jedem Ar-beitsschritt, bei dem Varianten auftreten, durchgef�hrt wer-den. Weiterverfolgt wird nur das, was mit der Aufgabe und/oder untereinander vertr�glich ist, Forderungen der Anforde-rungsliste erf�llt, eine Realisierungsm�glichkeit hinsichtlichWirkungsh�he, Gr�ße, Anordnung usw. erkennen und einenzul�ssigen Aufwand erwarten l�ßt. Eine Bevorzugung l�sstsich dann rechtfertigen, wenn bei noch sehr viel verbliebenenVarianten solche dabei sind, die eine unmittelbare Sicher-heitstechnik oder g�nstige ergonomische Voraussetzungenbieten oder im eigenen Bereich mit bekannten Know-how,Werkstoffen oder Arbeitsverfahren sowie g�nstiger Patentla-ge leicht realisierbar erscheinen [1].

Bewertungsverfahren

Zur genaueren Beurteilung von L�sungen, die nach einemAuswahlverfahren weiter zu verfolgen sind, soll eine Bewer-tung den Wert einer L�sung in Bezug auf vorher gestellte Zie-

Tabelle 2. Ordnende Gesichtspunkte und Merkmale zur Variation aufgestalterischer Suchebene

Bild 10. Kombination zu Prinzipkombinationen, welche die Gesamt-funktion durch unterschiedliche L�sungsprinzipien der einzelnenTeilfunktionen erf�llen

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F 8 Grundlagen der Konstruktionstechnik – 1 Grundlagen technischer Systeme und des methodischen Vorgehens

F

le ermitteln. Hierbei sind technische und wirtschaftliche Ge-sichtspunkte zu ber�cksichtigen. Methoden: Nutzwertanalyse[18] und technisch-wirtschaftliche Bewertung nach VDI-Richtlinie 2225, die im wesentlichen auf Kesselring [19, 20]zur�ckgeht. Generelle Arbeitsschritte der Bewertungsverfah-ren:

Erkennen von Bewertungskriterien. Eine Zielvorstellungumfaßt in der Regel mehrere Ziele. Von ihr leiten sich die Be-wertungskriterien unmittelbar ab. Sie werden wegen der sp�-teren Zuordnung zu den Wertvorstellungen positiv formuliert(z. B. „ger�uscharm“ und nicht „laut“). Die Mindestforderun-gen und W�nsche der Anforderungsliste (erf�llte Forderun-gen werden nicht mehr ber�cksichtigt, s. o.: Auswahlverfah-ren) und allgemeine technische Eigenschaften (Tab. 3) gebenHinweise f�r die Bewertungskriterien. Die Bewertungskrite-rien m�ssen voneinander unabh�ngig sein, damit Doppelbe-wertungen vermieden werden.

Untersuchen der Bedeutung f�r den Gesamtwert. Wennm�glich, ist nur Gleichgewichtiges zu bewerten. Unbedeuten-de Bewertungskriterien scheiden aus. Unterschiedliche Be-deutung ist mittels Gewichtungsfaktoren zu ber�cksichtigen.Tabelle 4 zeigt beide M�glichkeiten.

Zusammenstellen der Eigenschaftsgr�ßen. Das Zuordnenvon Wertvorstellungen wird erleichtert, wenn quantitativeKennwerte f�r die Eigenschaftsgr�ßen angegeben werdenk�nnen, was aber nicht immer m�glich ist. Dann sind qualita-tive verbale Aussagen zu formulieren (Tab. 4).

Beurteilen nach Wertvorstellungen. Mit dem Vergeben vonWerten (Punkten) geschieht die eigentliche Bewertung. DieWerte ergeben sich aus den ermittelten Eigenschaftsgr�ßendurch Zuordnen von Wertvorstellungen (wij bzw. wgij). DieNutzwertanalyse benutzt ein gr�ßeres (0=unbrauchbar bis10 =ideal), die VDI-Richtlinie 2225 ein kleineres (0 bis 4)Spektrum. Bei der Zuordnung der Werte besteht die Gefahrsubjektiver Beeinflussung. Deshalb ist die Vergabe von einerGruppe von Beurteilenden durchzuf�hren, und zwar Kriteri-um nach Kriterium f�r alle Varianten (Zeile f�r Zeile), nie-mals Variante nach Variante.

Bestimmen des Gesamtwerts. Die Addition der ungewichte-ten bzw. gewichteten Teilwerte (wj bzw. wgj) ergibt den Ge-samtwert.

Vergleich der Varianten. Hierzu ist es zweckm�ßig, dieWertigkeit der Variante zu bestimmen, indem man den Ge-

samtwert auf den maximal m�glichen Gesamtwert (Ideal-wert) bezieht. In vielen F�llen empfiehlt es sich, eine techni-sche Wertigkeit Wt und eine wirtschaftliche Wertigkeit Ww

getrennt zu ermitteln, besonders dann, wenn f�r letztere dieHerstellkosten oder Preise bekannt sind. Die technische Wer-tigkeit Wt wird bestimmt nach

Tabelle 3. Leitlinie mit Hauptmerkmalen zum Bewerten

Tabelle 4. Mit Werten erg�nzte Bewertungsliste, Zahlenwerte beispielsweise (Auszug)

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I1.2 Methodisches Vorgehen F 9

F

Wj ¼

X

n

i¼1

wij

wmax nðungewichtetÞ bzw:

Wgj ¼

X

n

i¼1

gi wij

wmax

X

n

i¼1

gi

ðgewichtetÞ:

Beide Wertigkeiten lassen sich in einem Wertigkeitsdia-gramm zuordnen und auf ihre gegenseitige Ausgewogenheit�berpr�fen [18, 19].

Absch�tzen von Beurteilungsunsicherheiten. Bevor eineEntscheidung gef�llt wird, ist abzusch�tzen, in welchem Ma-ße Unsicherheiten in der Wertvergabe aufgrund von Informa-tionsmangel und unterschiedlicher Einzelbeurteilung bestehenk�nnten. Gegebenenfalls ist ein Wertigkeitsbereich oder eineTendenz zus�tzlich zu vermerken. Wertigkeiten geringen Un-terschieds legen dabei noch keine Rangfolge fest.

Suchen nach Schwachstellen. Unterdurchschnittliche Wertebez�glich einzelner Bewertungskriterien machen Schwach-stellen erkennbar. In der Regel ist eine Variante mit etwas ge-ringerer Wertigkeit aber ausgeglichenen Einzelwerten g�nsti-ger als eine mit h�herer Wertigkeit aber ausgepr�gterSchwachstelle, die sich m�glicherweise als nicht befriedigendherausstellen kann.

Bewerten mit unscharf erfaßbaren Kriterien. Bei den inder Praxis verwendeten Bewertungskriterien handelt es sichh�ufig nicht um exakt quantifizierbare, sondern um verbaleBeschreibungen, d. h. sie sind unscharf. Ihre Werte liegen ineinem bestimmten Intervall mit einer prozentualen Zugeh�-rigkeit (Wahrscheinlichkeit) zwischen 0 und 1. Gleiches giltprinzipiell auch f�r Gewichtungsfaktoren. Zur Objektivierungdieses Problems schlagen Breiing und Knosala [21] ein gra-fisch/mathematisches Verfahren auf Basis von Zugeh�rig-keitsfunktionen [21, 22] vor. Die prinzipiellen Arbeitsschrittedieser Bewertungsverfahren verlaufen wie zuvor in diesemKapitel geschildert [23]. In der Praxis kommen diese Bewer-tungsverfahren f�r Investitionen von großer unternehmeri-scher Tragweite zum Einsatz.

Ermitteln der Herstellkosten

Herstellkosten HK setzen sich aus Materialkosten MK (Ferti-gungs- und Zuliefermaterial) und Fertigungskosten FK zu-sammen [24]. HK=MK +FK. Gegebenenfalls werden nochSonderkosten der Fertigung zugeschlagen.Bei der differenzierten Zuschlagskalkulation, wie sie bei derHerstellung technischer Produkte �blich ist, ergeben sich dieMaterialkosten MK aus den Kosten f�r FertigungsmaterialFM (ggf. zuz�glich Zuliefermaterial) und den Materialge-meinkosten MGK, welche die Kosten der Materialwirtschaftabdecken, sowie die Fertigungskosten FK aus den Ferti-gungsl�hnen FL und den Fertigungsgemeinkosten FGK.MK=FM+MGK und FK=FL+FGK. Materialkosten undFertigungslohnkosten sind variable (vom Besch�ftigungsgradabh�ngige) Kosten. Die neben dem Fertigungslohn mit derFertigung verbundenen zus�tzlichen Kosten werden unterteiltin feste (fixe) Gemeinkosten (z. B. Amortisation der Ferti-gungsmittel, Raummiete, Geh�lter) und mit der Fertigung un-mittelbar verkn�pfte, variable (proportionale) Gemeinkosten(z. B. Energiekosten, Werkzeugkosten, Instandhaltung, Hilfs-l�hne).Zur Erh�hung der Kalkulationsgenauigkeit wird h�ufig eineKostenstellenkalkulation durchgef�hrt, die f�r jede Kosten-stelle aus dem dort geltenden Verh�ltnis von Gemeinkostenzu Einzelkosten einen gesonderten Zuschlagssatz ermittelt

und ber�cksichtigt. Die Herstellkosten ergeben sich dann ausder Kostensumme aller Kostenstellen

FM1þMGK1 þFL1þFGK1þFM2þMGK2þFL2

þFGK2þ �� � ¼X

FMið1þ gMiÞþFLið1þ gLiÞ:

Der Fertigungslohn ergibt sich aus der Summe der Grund-,Erholungs- und Verteilzeit, gegebenenfalls noch zuz�glichR�stzeit, multipliziert mit einem Lohnsatz (Lohngruppe) inGeldeinheit (z.B. Euro)/Zeiteinheit.Eine wichtige Gr�ße zur Preisfindung sind die Selbstkosten,die sich aus den Herstellkosten HK, den Entwicklungs- undKonstruktionskosten EKK, den VerwaltungsgemeinkostenVwGK und den Vertriebsgemeinkosten VtGK ergeben. SK =HK + EKK + VwGK + VtGK. Hinweise f�r die konkreteKostenermittlung s. VDI-Richtlinie 2225 (s. S 10.4).

Kostenfr�herkennung

F�r den Konstrukteur ist es hilfreich, Kostentendenzen bereitsbei der Variation von L�sungen zu erkennen. Dabei gen�gt esin der Regel, nur die variablen Kosten zu betrachten. Hierf�rhaben sich folgende M�glichkeiten entwickelt:

Relativkostenkataloge. In diesen werden Preise bzw. Kostenauf eine Vergleichsgr�ße bezogen. Dadurch ist die Angabesehr viel l�nger g�ltig als bei Absolutkosten. Gebr�uchlichsind Relativkostenkataloge f�r Werkstoffe, Halbzeuge undNormteile. F�r die Gestaltung von Relativkostenkatalogensind in DIN 32991 Grunds�tze erarbeitet worden. In [20] sindz. B. relative Werkstoffkosten zusammengestellt.

Kostensch�tzung �ber Materialkostenanteil. Ist in einembestimmten Anwendungsbereich das Verh�ltnis m von Mate-rialkosten MK zu Herstellkosten HK bekannt und ann�herndgleich, k�nnen nach [20] bei ermittelten Materialkosten dieHerstellkosten abgesch�tzt werden. Sie ergeben sich dann zuHK=MK/m. Dieses Verfahren versagt allerdings bei st�rke-ren �nderungen der Baugr�ße.

Kostensch�tzung mit Hilfe von Regressionsrechnungen.Durch statistische Auswertung von Kalkulationsunterlagenwerden Kosten in Abh�ngigkeit von charakteristischen Gr�-ßen (z.B. Leistung, Gewicht, Durchmesser, Achsh�he) ermit-telt. Mit Hilfe der Regressionsrechnung (s. A bzw. www.dub-bel.de) wird ein Zusammenhang gesucht, der mit Hilfe derRegressionskoeffizienten und -exponenten die Regressions-gleichung bestimmt. Mit ihr k�nnen dann die Kosten bei einergewissen Streubreite errechnet werden. Der Aufwand zur Er-stellung kann erheblich sein und ist meist nicht ohne Rechner-einsatz m�glich. Die Regressionsgleichung sollte so aufge-baut werden, daß aus Gr�nden der Aktualisierung sich �n-dernde Gr�ßen, wie Stundens�tze, eigene Faktoren darstellenoder in Form von Relativkosten gebracht werden. Die Expo-nenten und Koeffizienten der Regressionsgleichung lassen inder Regel keinen Schluß auf den kostenm�ßigen Zusammen-hang zu den gew�hlten geometrischen oder technischenKenngr�ßen zu, sie haben mathematisch formalen Charakter.Weitere Angaben zum Vorgehen und Beispiele der Anwen-dung s. [25, 26].

Kostensch�tzung mit Hilfe von �hnlichkeitsbeziehungen.Liegen geometrisch �hnliche oder halb�hnliche Bauteile in ei-ner Baureihe (s. F 1.5) oder auch nur als eine Variante vonschon bekannten vor, sind die Bestimmungen von Kosten-wachstumsgesetzen aus �hnlichkeitsbeziehungen zweckm�-ßig. Der Stufensprung der Kosten jHK stellt das Verh�ltnisder Kosten des Folgeentwurfs HKq (gesuchte Kosten) zu de-nen des Grundentwurfs HK0 (bekannte Kosten) dar und wird�ber �hnlichkeitsberachtung ermittelt:

jHK ¼HKq

HK0¼

MKqþX

FKq

MK0þX

FK0

:

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F 10 Grundlagen der Konstruktionstechnik – 1 Grundlagen technischer Systeme und des methodischen Vorgehens

F

Das Verh�ltnis der Materialkosten und der einzelnen Ferti-gungskosten bzw. -zeiten, z. B. f�r Drehen, Bohren, Schleifen,zu den Herstellkosten wird am Grundentwurf berechnet:

am ¼MK0=HK0; aF;k ¼ FKk;0=HK0

je k. Fertigungsoperation.Bei bekannten Kostenwachstumgsgesetzen der Einzelanteileergibt sich das Kostenwachstumsgesetz des Ganzen mit:

jHK ¼ am jMKþX

k

aF;k jFK;k:

In allgemeiner Form l�ßt sich in Abh�ngigkeit von einer cha-rakteristischen L�nge schreiben:

jHK ¼X

i

ai jxiL ; jL ¼ Lq=L0 ðs: F5:1Þ

mitX

i

ai ¼ 1 und ai ^ 0:

Die Bestimmung der Exponenten xi in Abh�ngigkeit von denentsprechenden Abmessungen (charakteristische L�nge) istf�r geometrisch �hnliche Teile einfach. Es kann noch mitganzzahligen Exponenten gearbeitet werden:

jHK ¼ a3 j3L þ a2 j2

Lþ a1 j1L þða0=jzÞ

mit jz ¼ zq=z0; z Losgr�ße.F�r Materialkosten gilt im allgemeinen jMK ¼ j3

L. F�r dieFertigungsoperationen dient Tab. 5.Die Anteile ai werden in einem Schema (Beispiel in Tab. 6)aus dem Grundentwurf unter Zuordnung zu den einzelnenganzzahligen Exponenten errechnet. Das Kostenwachstums-gesetz dieses Beispiels w�re dann

jHK ¼ 0;49j3Lþ 0;26j2

L þ 0;20jL þ 0;05:

Eine doppelt so große geometrisch �hnliche Variante mitjL ¼ 2 w�rde dann eine Kostensteigerung mit StufensprungjHK ¼ 5;41 ergeben.Bei halb�hnlichen Varianten sind nur die sich jeweils �ndern-den L�ngen mit entsprechenden zugeh�rigen Exponenten ein-zusetzen. Die konstant bleibenden Anteile gehen dann in dasletzte Glied der Gleichung. Beispiele und Anwendung aufBaugruppen sowie Ermittlung von Kostenstrukturen in [27,28].Regeln zur Kostenabsenkung s. [26, 29].

Wertanalyse

Die Wertanalyse ist ein planm�ßiges Verfahren zur Minimie-rung der Kosten unter Einfluß umfassender Gesichtspunkte(DIN 69 910, [30–32]). Aus den kalkulierten Kosten der Ein-zelteile wird festgestellt, welche Kosten zur Erf�llung der ge-forderten Gesamtfunktion und notwendigen Teilfunktionenentstehen. Solche „Funktionskosten“ sind eine aussagef�higeGrundlage zur Beurteilung von Varianten, da gleichermaßenGesichtspunkte des Vertriebs (sind alle Funktionen unbedingterforderlich?), der Konstruktion (Wahl geeigneter Funktions-strukturen und L�sungskonzepte sowie damit notwendigerTeilfunktionen) und der Fertigung (Gestaltung der Einzel-teile) erfaßt und kritisch beleuchtet werden. Aus dieser Unter-suchung ergeben sich wichtige Hinweise zur Suche nach neu-en L�sungen mit merklicher Kostenminderung. Die Wertana-lyse nutzt bei der nachtr�glichen �berpr�fung dieselben Me-thoden und Hilfsmittel wie das methodische Konstruieren.Beide sind daher miteinander vertr�glich und erg�nzen einan-der.

Life Cycle Management. Die Qualit�t und Lebensdauer vie-ler technischer Produkte wird zunehmend nicht mehr z. B.durch Verschleiß, als vielmehr durch eine technische �beral-terung begrenzt. Strategien f�r eine maximale Produktnut-zung m�ssen eine vorausschauende Lebenslaufplanung f�r

Tabelle 5. Exponenten f�r Zeiten je Einheit bei geometrischer �hn-lichkeit unterschiedlicher Fertigungsoperationen nach [29]

Tabelle 6. Errechnung der Anteile ai f�r das Kostenwachstumsgesetzan Hand des Standardablaufplans und der Einzelkosten des Grundent-wurfs (Beispiel)

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I1.3 Konstruktionsprozeß F 11

F

das Produkt beinhalten. Ziel ist es, ein Gesamtoptimum derProduktleistung �ber den gesamten Produktlebenslauf hin-weg, also �ber die Phasen der Konstruktion und Entwicklung(Entstehung), der Nutzungs- bis hin zur Entsorgungsphase zuerreichen. In diese Planung m�ssen alle Partner der Lebens-laufphasen einbezogen werden [32, 33].Eine traditionelle Fokussierung auf Teilprozesse greift zukurz. Synergiepotentiale k�nnen erst durch die �bergreifendeKoordination der Lebenslaufphasen visualisiert und ausge-sch�pft werden. Hierbei kommt der Entstehungsphase einebesondere Bedeutung zu, da in dieser fr�hen Phase ein Groß-teil der Produktfunktionen, sowie der gesamten Lebenslauf-kosten und -erl�se bereits festgelegt wird [34–36]. So werdendurch konstruktive Einfl�sse nicht nur die Produktleistungs-daten festgelegt, sondern auch zuk�nftige Produktleistungspo-tentiale, die erst in sp�teren Phasen des Lebenslaufes genutztwerden, z. B. die Freischaltung schon bei Auslieferung imple-mentierter Steuerungssoftware bei sp�terem Einbau einer mo-derneren Bremsanlage. Die Option des Produktupgrades (2.Produktlebenslauf) durch beispielsweise Nachr�stung einerKlimaanlage bei Straßenbahnen oder Einbau modernsterStromrichter nach Erstnutzung, bietet weitreichende Poten-tiale zur �berwindung der technischen �beralterung mit ent-sprechenden positiven Effekten auf die Lebensdauer und derWirtschaftlichkeit. Die Wechselbeziehungen zwischen denQualit�ts-, Zeit-, Erl�s- und Kostenzielen sind nicht mehrphasenbezogenen zu analysieren, sondern m�ssen �ber dengesamten Lebenslauf hinweg evaluiert werden.

1.3 Konstruktionsprozess

Bei der Neu- oder Weiterentwicklung von Produkten wird derin F1.2.2 dargelegte allgemeine L�sungsprozess unter An-wendung von Einzelmethoden (s. F 1.2.3, F1.2.4, F1.2.5 undunter Beachten von Gestaltungsgrundlagen (s. F1.4) auf un-terschiedliche Konkretisierungsstufen �bertragen. Er gliedertsich in die Hauptphasen Kl�ren der Aufgabenstellung, Konzi-pieren, Entwerfen und Ausarbeiten.

1.3.1 Kl�ren der Aufgabenstellung

Diese Phase dient zur Beschaffung von Informationen �berdie Anforderungen, die an die L�sung gestellt werden, sowiedie bestehenden Bedingungen und ihre Bedeutung. Sie f�hrtzum Erarbeiten einer Anforderungsliste. Als Aufgabenstel-lung sind auch Lasten- oder Pflichtenhefte bekannt. Sie ent-halten aber in der Regel nur Anforderungen des Kunden undsind nicht in der Sprache des Konstrukteurs gehalten.

Anforderungsliste

Sie enth�lt die Ziele und Bedingungen (Anforderungen) derzu l�senden Aufgabe in Form von Forderungen und W�n-schen:– Forderungen m�ssen unter allen Umst�nden erf�llt werden

(Mindestforderungen sind zu formulieren und anzugeben,z.B. P> 20 kW; L % 400 mmÞ:

– W�nsche (mit unterschiedlicher Bedeutung) sollten nachM�glichkeit ber�cksichtigt werden, eventuell mit dem Zu-gest�ndnis, daß ein begrenzter Mehraufwand dabei zul�ssigist.

Ohne bereits eine bestimmte L�sung festzulegen, sind dieForderungen und W�nsche mit Angaben zur Quantit�t (An-zahl, St�ckzahl, Losgr�ße usw.) und Qualit�t (zul�ssige Ab-weichungen, tropenfest usw.) zu versehen. Erst dadurch er-gibt sich eine ausreichende Information. Zweckm�ßigerweisewird auch die Quelle angegeben, aufgrund der die Forderun-gen oder W�nsche entstanden sind.

�nderungen und Erg�nzungen der Aufgabenstellung, wie siesich im Laufe der Entwicklung nach besserer Kenntnis derL�sungsm�glichkeiten oder infolge zeitbedingter Verschie-bung der Schwerpunkte ergeben k�nnen, m�ssen stets in derAnforderungsliste nachgetragen werden.

Aufstellung der Anforderungen

Als Hilfe zum Erkennen von Anforderungen wird eine Haupt-merkmalliste (Tab. 7) empfohlen. Sie bewirkt beim Bearbei-ter eine Assoziation, indem er die dort angegebenen Begriffeauf die vorliegende konkrete Problemstellung �bertr�gt undFragen stellt, zu denen er eine Antwort ben�tigt. Die notwen-digen Funktionen und die spezifischen Bedingungen werdenim Zusammenhang mit dem Energie-, Stoff- und Signalum-satz erfaßt (Merkmale Geometrie, Kinematik, Kr�fte, Ener-gie, Stoff, Signal). Die anderen Merkmale ber�cksichtigendie sonst noch bestehenden allgemeinen und spezifischen Be-dingungen. Die Begriffszusammenstellung hilft, Wesentlichesnicht zu vergessen.Die nachfolgend dargestellte Struktur von Arbeitsschritten istals ein idealtypischer Leitfaden zum zielf�hrenden Handelnzu verstehen, der sicherstellt, daß prinzipiell folgerichtig vor-gegangen wird und keine wesentlichen Schritte unber�cksich-tigt bleiben. Der wirkliche Arbeitsablauf wird immer von der

Tabelle 7. Leitlinie mit Hauptmerkmalen zum Aufstellen einer Anfor-derungsliste

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F 12 Grundlagen der Konstruktionstechnik – 1 Grundlagen technischer Systeme und des methodischen Vorgehens

F

jeweiligen Problem- und Ausgangslage bestimmt und ist ent-sprechend anzupassen. So k�nnen bestimmte Arbeitsschritteentfallen oder in anderer Reihenfolge zweckm�ßiger sein.Wie in den Bildern angedeutet, sind Vor- oder R�ckspr�ngeoder/und iterative Schleifen innerhalb eines Ablaufs notwen-dig oder zweckm�ßig. Auch k�nnen erzielte Arbeitsergebnis-se oder unvorhersehbare Ereignisse zu einer �nderung desVorgehens zwingen. Der Denkprozeß des Konstrukteurs wirdmit dieser Struktur nicht abgebildet. Er ist viel komplexer undlebt von Anregungen und Assoziationen sowie von bewußtenund unbewußten Denkschritten, die von der Erfahrung und ei-ner st�ndigen Reflexion der Teilergebnisse beeinflußt werden.Ungeachtet dessen ist die Beachtung des vorgestellten Vorge-hens immer ein wichtiger Anhalt und zielf�hrend, wenn nichtbranchen- oder problemspezifische Aufgaben in einer festge-legten Organisation einen anderen Weg nahelegen.

1.3.2 Konzipieren

Konzipieren (Bild 11) ist der Teil des Konstruierens, der nachKl�ren der Aufgabenstellung durch Abstrahieren, Aufstellenvon Funktionsstrukturen und Suchen nach geeigneten L�-sungsprinzipien und deren Kombination den grunds�tzlichenL�sungsweg mit dem Erarbeiten eines L�sungskonzepts fest-legt.Das Abstrahieren zum Erkennen der wesentlichen Problemedient dazu, den Wesenskern der Aufgabe hervortreten zu las-sen und sich von festen Vorstellungen sowie konventionellenL�sungen zu befreien, damit neue und zweckm�ßigereL�sungswege erkennbar werden. Die Gesamtfunktion

(s. F 1.1.2) wird dann unter Bezug auf den Energie-, Stoff-und Signalumsatz m�glichst konkret mit den beteiligten Ein-gangs- und Ausgangsgr�ßen l�sungsneutral definiert und inerkennbare Teilfunktionen aufgel�st (Funktionsstruktur).Danach folgt die Suche nach den die einzelnen Teilfunktionenerf�llenden Wirkprinzipien (s. F 1.1.3 u. F1.1.4). Diese wer-den dann anhand der Funktionsstruktur so kombiniert, daß sievertr�glich sind, die Forderungen der Anforderungsliste erf�l-len und einen noch zul�ssigen Aufwand erwarten lassen. DieAuswahl erfolgt mit einem Auswahlverfahren (s. F 1.2.5).Die am geeignetsten erscheinenden Kombinationen werdenanschließend so weit zu prinzipiellen L�sungsvarianten kon-kretisiert, daß sie beurteilbar und bewertbar werden(s. F1.2.5). Dabei m�ssen ihre wesentlichen technischen undwirtschaftlichen Eigenschaften offenbar werden.

1.3.3 Entwerfen

Unter Entwerfen wird der Teil des Konstruierens verstanden,der f�r ein technisches Gebilde von der Wirkstruktur bzw.prinzipiellen L�sung ausgehend die Baustruktur nach techni-schen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten eindeutig undvollst�ndig erarbeitet.Die T�tigkeit des Entwerfens erfordert neben kreativen auchsehr viele korrektive Arbeitsschritte, wobei Vorg�nge derAnalyse und Synthese einander abwechseln. Auch hier gehtman vom Qualitativen zum Quantitativen, d. h. von der Grob-gestaltung zur Feingestaltung. Bild 12 zeigt Arbeitsschritte,die je nach Komplexit�t des L�sungskonzepts mehr oder we-niger vollst�ndig zu durchlaufen sind.Das Gestalten ist von einem �berlegungs- und �berpr�fungs-vorgang gekennzeichnet, der durch Befolgen der LeitlinieTab. 8 wirksam unterst�tzt wird. Das jeweils vorhergehendeHauptmerkmal sollte in der Regel erst beachtet sein, bevordas folgende intensiver bearbeitet oder �berpr�ft wird. DieseReihenfolge hat nichts mit der Bedeutung der Merkmale zutun, sondern dient arbeitssparendem Vorgehen.

1.3.4 Ausarbeiten

Unter Ausarbeiten wird der Teil des Konstruierens verstan-den, der den Entwurf eines technischen Gebildes durch end-g�ltige Vorschriften f�r Anordnung, Form, Bemessung undOberfl�chenbeschaffenheit aller Einzelteile, Festlegen allerWerkstoffe, �berpr�fung der Herstellungsm�glichkeiten so-wie der Kosten erg�nzt und die verbindlichen zeichnerischenund sonstigen Unterlagen f�r seine stoffliche Verwirklichungund Nutzung schafft [37].Schwerpunkt ist das Erarbeiten der Fertigungsunterlagen, be-sonders der Einzelteil-Zeichnungen, ferner von Gruppen- undGesamt-Zeichnungen sowie der St�ckliste. Daneben k�nnenVorschriften f�r Fertigung, Montage und Gebrauch notwen-dig werden. Eine Kontrolle auf Vollst�ndigkeit und Richtig-keit sowie auf interne und externe Normenanwendung schlie-ßen diese Phase ab (Bild 13). Mit zunehmendem CAD-Ein-satz, insbesondere von 3D-Modellen, ist nicht immer die Er-stellung von klassischen technischen Zeichnungen erforder-lich. Die produktdefinierenden Daten k�nnen auch nur imrechnerinternen Modell gespeichert sein. Je nach Notwendig-keit werden dann nur Teilinformationen, zweckdienliche Bil-der und/oder angepaßte Darstellungen ausgegeben bzw. auf-gerufen. In absehbarer Zeit werden hiervon auch die Zeich-nungsnormen betroffen sein und an ihrer Stelle rechnerspezi-fische Pr�sentationsarten Platz greifen. Die Handhabung inder Industrie ist im Fluß und daher nicht einheitlich be-schreibbar.Wie zwischen Konzept- und Entwurfphase �berschneidensich auch oft Arbeitsschritte der Entwurfs- und Ausarbei-tungsphase.Bild 11. Arbeitsschritte beim Konzipieren

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I1.3 Konstruktionsprozeß F 13

F

1.3.5 Effektive Organisationsformen

Der Prozess des Planes und Konstruierens wird als ein inte-grierter und interdisziplin�rer Produktentwicklungsprozessverstanden (vgl. [38, 39]). Die Schlagworte dazu heißen: Si-multaneous Engineering oder Concurrent Engineering. Hier-unter wird eine zielgerichtete, interdisziplin�re (abteilungs-�bergreifende) Zusammen- und Parallelarbeit in der gesamtenProdukt-, Produktions- und Vertriebsentwicklung f�r denvollst�ndigen Produktlebenslauf verstanden. Die Aktivit�tender einzelnen Bereiche verlaufen weitgehend parallel oder�berlappen sich mindestens mit intensiven Kontakten zumKunden unter Einbeziehung der Zulieferer. Dar�ber hinauserfolgt eine Produkt�berwachung bis zum Lebensende desProdukts (vgl. Bild 14). Ziele sind k�rzere Entwicklungszei-

Bild 12. Arbeitsschritte beim Entwerfen. Hauptfunktionstr�ger: Ein-zelteile und Baugruppen, die eine Hauptfunktion erf�llen; Nebenfunk-tionstr�ger: Einzelteile und Baugruppen, die eine unterst�tzende Ne-benfunktion erf�llen

Tabelle 8. Leitlinie mit Hauptmerkmalen beim Gestalten

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F 14 Grundlagen der Konstruktionstechnik – 1 Grundlagen technischer Systeme und des methodischen Vorgehens

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ten, schnellere Produkterstellung, Kostenreduktion am Pro-dukt und in der Produktentwicklung sowie eine Qualit�tsver-besserung.Ein Entwicklungsteam, das zeitlich befristet zusammengesetztist, arbeitet unter der Leitung eines Projektmanagers selbst�n-dig und verantwortet seine Entscheidungen gegen�ber dertechnischen Entwicklungsleitung selbst. Die Abteilungsgren-zen werden dadurch �berwunden. Zweckm�ßigerweise wirdein kleineres Kernteam gebildet, das verantwortliche Fachleu-te aus der Konstruktion, Arbeitsvorbereitung, Marketing undVertrieb umfaßt. Die Zusammensetzung ist von der Problem-stellung und von der Produktart abh�ngig. Erg�nzt wird dasKernteam je nach Bedarf durch Fachleute aus der Qualit�ts-sicherung, Montage, Steuerung und Regelung, dem Recycling

und der Umweltproblematik u.�., die nur zeit- oder ab-schnittsweise im Team mitarbeiten.Die Zusammenarbeit des Teams muß geplant vor sich gehenund richtet sich zweckm�ßigerweise nach dem zuvor be-schriebenen methodischen Konstruieren. Viele der eingesetz-ten Einzelmethoden erfordern ohnehin die Bildung von inter-disziplin�ren Gruppen.Die Teamarbeit konzentriert sich damit auf die Hauptarbeits-schritte mit gruppendynamischen Effekten, wie solche derAufgabenkl�rung, der L�sungssuche (Brainstorming, Galerie-methode u. a.), der L�sungsbeurteilung mittels Auswahl- undBewertungsverfahren, der Fehlerbaumanalyse, der Risikoab-sch�tzung sowie dem Festlegen von Abl�ufen und Terminen.Der �berwiegende Zeitanteil der Konstruktions- und Entwick-lungsarbeit wird weiterhin in Einzelarbeit geleistet, wie z. B.Berechnen und das Erstellen von Festigkeitsnachweisen, Un-tersuchung von bestimmten Sachverhalten, Ausarbeitung undDarstellung von L�sungsvorschl�gen und Details, Informati-onsgewinnung, Normenanwendung und -pr�fung, Vorberei-tung von Teamsitzungen und von Kundenbesprechungen.Probleme der F�hrung und des Teamverhaltens vgl. [39, 40].

1.3.6 Rapid Prototyping

Zwecks Verk�rzung von Entwicklungszeiten und raschererMarkteinf�hrung ( Rapid Product Development RPD) beginntsich parallel zum Konstruktionsprozeß die mitlaufende undschnelle Herstellung von Modellen zur Anschauung und Va-riation, zur Funktions- und Maß�berpr�fung sowie als Urmo-dell f�r nachfolgende Abgießverfahren durchzusetzen. RapidPrototyping (RP) als ein generatives Herstellverfahren vonfreigeformten K�rpern (Solid Freeform Manufacturing SFM)ist eine hervorragende Erg�nzung von abteilungs�bergreifen-den Entwicklungen, wie sie z. B. unter Simultaneous Enginee-ring ablaufen (vgl. F1.3.5).Voraussetzungen f�r RP ist ein vollst�ndiges und konsistentes3D-CAD-Modell auf einem leistungsf�higen Rechner, die ex-akte Beherrschung numerischer Steuerungstechnik und dieAnwendung von Lasertechnologie sowie die Auswahl geeig-neter Materialien f�r das Modell. Als Modellmaterial kom-men z.Z. unter Temperatur aush�rtbare Kunststoffe in Formvon Fl�ssigkeiten, Pulver, Folien, getr�nktem Papier oderStrangmaterial in Frage. Entwicklungstrends gehen auch da-hin, direkt Metallmodelle zu erzeugen.Allen Verfahren ist gemeinsam, daß aus dem rechnerinternen3D-Modell senkrecht zur Herstellebene d�nne Querschnitte(Schnitte) abgerufen werden, die von einem Laserstrahl nach-

Bild 13. Arbeitsschritte beim Ausarbeiten

Bild 14. Produktentstehungs- und -verfolgungsprozeß unter Simultaneous Engineering mit mindestens �berlappenden Bereichsaktivit�ten, Bildungeines Projektteams und engen Kontakten zu Kunden und Zulieferern

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I1.4 Gestaltung F 15

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gefahren und im jeweiligen Kunststoffmaterial durch Aush�r-tung unter Temperatur schichtweise den K�rper aufbauen. Jenach Verfahren sind Schichtdicken zwischen 0,05 bis 0,3 mmund Spurbreiten zwischen 0,25 bis 2,5 mm m�glich. DieMaßgenauigkeit und Oberfl�cheng�te des entstandenen Mo-dells reicht an die Qualit�t konventionell gefertigter Verfah-ren heran. Unter entsprechenden Umst�nden (Festigkeit,Temperatur) kann das Modell auch als Fertigteil eingesetztwerden (vgl. S5.5 und [41, 42]).

1.3.7 Konstruktionsarten

Nicht immer ist das Durchlaufen aller Hauptphasen f�r dasgesamte technische System erforderlich. Vielfach ergibt sicheine Neukonstruktion nur f�r bestimmte Baugruppen oderAnlagenteile. In anderen F�llen gen�gt eine Anpassung an an-dere Gegebenheiten, ohne das L�sungsprinzip �ndern zu m�s-sen, oder innerhalb eines vorausgedachten Systems nur Ab-messungen oder Anordnungen zu variieren.Hieraus leiten sich drei Konstruktionsarten ab, deren Grenzenhinsichtlich der Bearbeitung einer Aufgabe fließend sein k�n-nen:– Neukonstruktion. Erarbeiten eines neuen L�sungsprinzips

bei gleicher, ver�nderter oder neuer Aufgabenstellung f�rein System (Anlage, Apparat, Maschine oder Baugruppe).

– Anpassungskonstruktion. Anpassen der Gestaltung (Gestaltund Werkstoff) eines bekannten Systems (L�sungsprinzipbleibt gleich) an eine ver�nderte Aufgabenstellung; dabeiauch Hinausschieben bisheriger Grenzen. Neukonstruktioneinzelner Baugruppen oder -teile oft n�tig.

– Variantenkonstruktion. Variieren von Gr�ße und/oder An-ordnung innerhalb der Grenzen vorausgedachter Systeme.Funktion, L�sungsprinzip und Gestaltung bleiben im we-sentlichen erhalten.

1.4 Gestaltung

1.4.1 Grundregeln

Die Grundregeln eindeutig, einfach und sicher sind Anwei-sungen zur Gestaltung und leiten sich aus der generellen Ziel-setzung ab (s. F1.1.5, vgl. auch VDI-Richtlinie 2223: Metho-disches Entwerfen technischer Produkte).Eindeutig: Wirkung, Verhalten klar und gut erkennbar vor-aussagen (Erf�llung der technischen Funktion).Einfach: Gestaltung durch wenig zusammengesetzte, �ber-sichtlich gestaltete Formen anstreben und den Fertigungsauf-wand klein halten (wirtschaftliche Realisierung).Sicher: Haltbarkeit, Zuverl�ssigkeit, Unfallfreiheit und Um-weltschutz beim Gestaltungsvorgang gemeinsam erfassen (Si-cherheit f�r Mensch und Umgebung).Werden diese Grundregeln bei der Gestaltung zusammen be-achtet, ist eine gute Realisierung zu erwarten.Die Verkn�pfung der Leitlinie (s. Tab. 8 ) mit den Grundre-geln gibt Anregungen f�r Fragestellungen und ist eine Hilfe,Wichtiges nicht unbeachtet zu lassen und ein gutes Ergebniszu erzielen.

1.4.2 Gestaltungsprinzipien

Gestaltungsprinzipien stellen Strategien dar, die nicht totalanwendbar sind.

Prinzip der Aufgabenteilung

Beim Gestalten ergibt sich f�r die zu erf�llenden Funktionendie Frage nach der zweckm�ßigen Wahl und Zuordnung vonFunktionstr�gern: Welche Teilfunktionen k�nnen gemeinsammit nur einem Funktionstr�ger erf�llt werden und welcheTeilfunktionen m�ssen mit einem jeweils zugeordneten, alsogetrennten Funktionstr�ger erf�llt werden?

Allgemein wird angestrebt, viele Funktionen mit nur weni-gen Funktionstr�gern zu verwirklichen. Funktionsanalysen,Schwachstellen- und Fehlersuche k�nnen jedoch Hinweisegeben, ob Einschr�nkungen oder gegenseitige Behinderungenbzw. St�rungen entstehen. Das ist meist der Fall, wenn Grenz-leistungen angestrebt werden oder das Verhalten des Funkti-onstr�gers hinsichtlich wichtiger Bedingungen eindeutig undunbeeinflußt bleiben muß. In solchen F�llen ist eine Aufga-benteilung zweckm�ßig, bei der die jeweilige Funktion voneinem eigenen darauf abgestimmten Funktionstr�ger erf�lltwird.Das Prinzip der Aufgabenteilung, nach dem jeder Funktionein besonderer Funktionstr�ger zugeordnet wird, ergibt einebessere Ausnutzung aufgrund eindeutiger Berechenbarkeit(�bersichtlichkeit), eine h�here Leistungsf�higkeit durch Er-reichen absoluter Grenzen, wenn diese allein maßgebendsind, ein eindeutiges Verhalten im Betrieb (Funktionserf�l-lung, Eigenschaften, Lebensdauer usw.) und einen besserenFertigungs- und Montageablauf (einfacher, parallel). VonNachteil ist, daß der bauliche Aufwand meist gr�ßer wird,was eine h�here Wirtschaftlichkeit oder Sicherheit ausglei-chen muß.

Beispiel: (Bild 15) Gestaltung des Rotorkopfs eines Hubschraubers.– Die Zentrifugalkraft wird allein �ber das torsionsnachgiebige GliedZ vom Rotorblatt auf das mittige Herzst�ck geleitet. Das aus der aero-dynamischen Belastung herr�hrende Biegemoment wird allein �berTeil B auf die Rollenlager im Rotorkopf abgest�tzt. Damit konnte je-des Bauteil seiner Aufgabe entsprechend optimal gestaltet werden.

Weitere Beispiele sind die Trennung der Radial- und Axialkraftauf-nahme bei Festlagern; die Ausf�hrung von Beh�ltern der Verfahrens-technik mit austenitischem Futterrohr gegen Korrosion, kombiniertmit einer ferritischen Beh�lterwand zur Druckaufnahme; Keilriemenmit inneren Zugstr�ngen zur Zugkraftaufnahme, die in Gummi einge-bettet sind und bei denen die Oberfl�che dieser Schicht einen hohenReibwert zur Leistungs�bertragung aufweist.

Prinzip der Selbsthilfe

Nach diesem Prinzip wird versucht, im System selbst einesich gegenseitig unterst�tzende Wirkung zu erzielen, die dieFunktion besser zu erf�llen und bei �berlast Sch�den zu ver-meiden hilft.Das Prinzip gewinnt die erforderliche Gesamtwirkung aus ei-ner Ursprungswirkung und einer Hilfswirkung (Beispiel:Bild 16). Gleiche konstruktive Mittel k�nnen je nach Anord-nung selbsthelfend oder selbstschadend wirken. Solange indem Beh�lter ein gegen�ber dem Außendruck h�herer Druckherrscht, ist die linke Anordnung selbsthelfend. Herrscht da-gegen im Beh�lter Unterdruck, ist die linke Anordnung selbst-schadend, die rechte selbsthelfend. Man unterscheidet:

Selbstverst�rkende L�sungen. Bei Normallast ergibt sichdie Hilfswirkung in fester Zuordnung aus der Haupt- oder Ne-

Bild 15. Rotorblattbefestigung eines Hubschraubers nach dem Prinzipder Aufgabenteilung (Bauart Messerschmitt-B�lkow)