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41 F KUS Radiologie kompakt BESUCHEN SIE UNS IM INTERNET · WWW.RADIOLOGIE.BAYER.DE Berichte vom RSNA 2016 MRI Symposium Garmisch 2017 Mit einem Bein in Stadelheim – rechtliche Aspekte in der Radiologie und der MRT Haftungsrisiken in der Radiologie diskutierte Tonja Gaibler, Fachanwältin für Medizinrecht aus München. Tonja Gaibler Ulsenheimer-Friedrich Rechtsanwälte, München Prostata-Protokoll klinischer Fragestellung anpassen Der Ansatz für das optimale Prostata-MR-Protokoll hat sich in den letzten Jahren geändert – weg von einem Protokoll für Alles hin zu mehreren Protokollen, die sich genauer auf die klinische Fragestellung beziehen. Evis Sala Memorial Sloan-Kettering Cancer Center, New York, NY/USA Prinzipien der Kontrastmittelgabe Grundprinzipien der Kontrastmittelgabe und Empfehlungen für ein Standardprotokoll für die CT-Angiographie der abdominalen Aorta. Eric E. Williamson Mayo Clinic, Rochester, MS/USA Vier Regeln für gute Kontrastmittel- Protokolle CT-Kontrastmittel-Protokolle müssen nicht kompliziert sein. Voraussetzung ist, dass bestimmte Regeln eingehalten werden, die die Physiologie der Kontrastmittelaufnahme und -verteilung im Körper berücksichtigen. Dominik Fleischmann Stanford University, CA/USA

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41F KUSRa d i o l o g i e k o m p a k t

B E S U C H E N S I E U N S I M I N T E R N E T · W W W. R A D I O L O G I E . B AY E R . D E

Berichte vom RSNA 2016

MRI Symposium Garmisch 2017

Mit einem Bein in Stadelheim – rechtliche Aspekte in der Radiologie und der MRT Haftungsrisiken in der Radiologie diskutierte Tonja Gaibler, Fachanwältin für Medizinrecht aus München.

Tonja GaiblerUlsenheimer-Friedrich Rechtsanwälte, München

Prostata-Protokoll klinischerFragestellung anpassen Der Ansatz für das optimale Prostata-MR-Protokoll hat sich in den letzten Jahren geändert – weg von einem Protokoll für Alles hin zu mehreren Protokollen, die sich genauer auf die klinische Fragestellung beziehen.

Evis SalaMemorial Sloan-Kettering Cancer Center, New York, NY/USA

Prinzipien der KontrastmittelgabeGrundprinzipien der Kontrastmittelgabe und Empfehlungen für ein Standardprotokoll für die CT-Angiographie der abdominalen Aorta.

Eric E. WilliamsonMayo Clinic, Rochester, MS/USA

Vier Regeln für gute Kontrastmittel-ProtokolleCT-Kontrastmittel-Protokolle müssen nicht kompliziert sein. Voraussetzung ist, dass bestimmte Regeln eingehalten werden, die die Physiologie der Kontrastmittelaufnahme und -verteilung im Körper berücksichtigen.

Dominik FleischmannStanford University, CA/USA

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SONSTIGES SONSTIGES

„Nutzen Sie die verfügbaren Tools zum Dosis-Monitoring und arbeiten Sie mit Ihrem Medizinphysiker zusammen.“

Der Medizinphysiker Madan M. Rehani arbeitete lange für die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEA) in Wien. Beim RSNA 2016 definierte er Szenarien einer „idealen Sicherheit“ für Patienten und Personal und zeigte entsprechende Handlungsmöglichkeiten auf.

1. Keine strahleninduzierten Hautverletzungen mehr, weder bei Patienten noch beim Personal, und kein Kata-rakt beim Personal

„Wir müssen aus unseren Erfahrun-gen lernen und uns fragen: Warum ist dieses oder jenes

passiert?“ sagte Rehani und benannte die wesentlichen Ursachen für strahleninduzierte Hautverletzungen:• Fehlendes Dosis-Monitoring („Nutzen Sie die

verfügbaren Tools zum Dosis-Monitoring!“)• Unzureichendes Verständnis von Dosis-Quantitäten

(„Arbeiten Sie mit Ihrem Medizinphysiker zusammen!“)

• Mangelhafte Kenntnis der potenziellen Auswirkungen („Wir sehen langsam Verbesserungen, aber hier müssen die Fachgesellschaften das Heft in die Hand nehmen.“)

• Zu geringer Einsatz verfügbarer technischer Möglichkeiten und in der Folge unnötig hohe Dosen („Machen Sie sich und Ihr Personal mit den eingebauten Features zur automatischen Dosiskontrolle vertraut und beanspruchen Sie auch Ihren Medizinphysiker.“)

Außerdem ermahnte Rehani seine Zuhörer, Schutzbril-len zu tragen.

2. Jede Untersuchung ist begründet – und dies tri!t auch für sich wiederholende Untersuchungen zu

„Elektronische Überweisungen zur nahtlosen Übertra-gung patientenbezogener Informationen und Systeme zum Clinical Decision Support (CDS) scheinen recht gut zu funktionieren“, so Rehani in Kürze, um dies Thema ei-nem anderen Redner zu überlassen.

3. Jede Untersuchung wird genau bei dem Dosislevel durchgeführt, das benötigt wird, um die gewünschte In-formation zu erhalten – und nicht mehr.

„Automatic Exposure Control und Modulation der Röhrenspannung haben große Fortschritte gemacht“, so Rehani. Er sah in diesen Features die am schnellsten fortschreitende Methodik zur Dosisreduktion, da An-wender wie auch Hersteller ein hohes Interesse an der Weiterentwicklung hätten. Zielsetzungen für die nä-here Zukunft seien das Abschätzen der Dosis vor einer Untersuchung und Dosis-Benchmarking für individuelle Anatomien.

4. Jeder Patient ist zufrieden, dass seine Untersuchung mit der für die Fragestellung geringstmöglichen Dosis durchgeführt wurde – und es gibt keinerlei Besorgnis wegen karzinogener E!ekte.

„Wenn die Dosis einer Untersuchung nahe jener der Hintergrundstrahlung ist, wie heute bereits bei einigen Röntgenaufnahmen, wird es leichter, das den Patienten zu kommunizieren und sie zu überzeugen.“

5. Keine Untersuchungen mit hoher Dosis mehr.

„Die kardiale CT ist bereits so weit“, sagte Rehani. Weite-rer Fortschritt hin zur Niedrig-Dosis-Bildgebung sei vor-wiegend eine technische Angelegenheit und es bestehe Grund zum Optimismus.

FazitAbschließend machte Rehani darauf aufmerksam, dass es niemals zuvor tausende von Patienten gegeben habe, deren individuelle Dosis durch diagnostische Bildge-bung selbst Werte von 100 mSv überschritten. „Und denken Sie daran: Auch wenn die e!ektive Dosis mit nur einigen Millisievert gering scheinen mag, muss das nicht auf die Organdosis zutre!en – die kann trotzdem zweistellige Milligray-Werte erreichen.“

Diskussion„Müssen wir davon ausgehen, dass die Rechtfertigung einer Untersuchung Gegenstand der Gesetzgebung wird?“ fragte ein Zuhörer. Rehani bejahte dies: Nachdem die Dokumentation der Dosis verpflichtend geworden sei, dürfte dies der nächste Schritt der Legislative sein. Er ermunterte seine Zuhörer, in der Auseinandersetzung mit dem Thema auch unkonventionelle Denkansätze zuzulassen und sich dabei um Unabhängigkeit von den täglichen Schwierigkeiten zu bemühen.

Zielsetzungen zur besseren Sicherheit für Patienten und PersonalMadan M. Rehani, Harvard Medical School, Boston, MA/USA RSNA 2016

Tonja Gaibler, Fachanwältin für Medizinrecht aus Mün-chen, schilderte unterschiedliche Haftungsrisiken in der Radiologie und stand den Fragen der Zuhörerschaft Rede und Antwort.

Unterscheidung Strafrecht / ZivilrechtTonja Gaibler klärte zunächst über die Unterscheidung zwischen Strafrecht und Zivilrecht im Zusammenhang mit Medizinhaftungsfragen auf:

Zivilrechtlich verhandelt werden Forderungen nach Schmerzensgeld und Schadensersatz. Diese sind im Haf-tungsfall durch die Haftpflichtversicherung abgedeckt. Zivilklagen sind leicht am gelben Kuvert zu erkennen, in dem sie zugestellt werden. Das Zustellungsdatum ist wichtig, denn ab diesem läuft die zweiwöchige Frist um zu erklären, ob man sich verteidigen möchte. „Leiten Sie das Schreiben also schnell an Ihre Haftpflichtversicherung weiter und besorgen Sie sich einen Anwalt“, riet Gaibler.

Strafrechtlich verhandelt werden persönliche Schuld-vorwürfe, etwa der Vorwurf fahrlässiger Körperverlet-zung oder fahrlässiger Tötung. Eventuell verhängte Geldstrafen sind nicht durch die Haftpflichtversicherung abgedeckt. Dass das Strafrecht zur Anwendung kommt, ist am Einsatz der Polizei zu erkennen – beispielsweise wenn diese kommt, um in der Praxis Patientenunterla-gen sicherzustellen. „In einer solchen Situation müssen Sie der Polizei gegenüber keine Angaben zur Sache ma-chen, und Sie sollten das auch nicht tun, selbst wenn die Beamten nett und verständnisvoll sind“, riet Gaibler, denn die Polizeibeamten seien in dieser Situation be-reits ermittelnde Beamte. Bei strafrechtlichen Verfahren sollte man sich sofort einen juristischen Beistand holen.

Kasuistik: Trümmerfraktur im MRTGaibler schilderte den dramatischen Fall einer 75-jähri-gen Patientin, die zur MRT der Schulter kam und beim Aufklärungsgespräch angab, sie habe in der Schulter ei-nige Schrauben. Dass sie jedoch unter der langen Hose eine metallene Orthese vom Knöchel bis zum Hüftge-lenk trug, hatte sie nicht angegeben, auch nicht auf die wiederholte Nachfrage nach Metall im oder am Körper. Beim Einfahren in den MR-Scanner wurde die Orthese mit dem Bein vom Magneten unkontrolliert angezogen, die Patientin erlitt dadurch eine Trümmerfraktur des Oberschenkels und konnte nur unter großem Kraftauf-wand aus der misslichen Lage befreit werden.

Nachdem die Patientin Klage eingereicht hatte, ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen die MTRA, die die Untersu-chung durchgeführt hatte. Der Radiologe wurde als Zeuge befragt. Der Staatsanwalt holte Sachverständige hinzu, unter anderem zur Frage der Erkennbarkeit der Orthese trotz langer Hose. Die gelangten zu der Ansicht, man habe die Orthese am Knöchel zwar sehen können, aber nicht unbedingt sehen müssen. Für die MTRA ging es gut aus, da die Radiologie ausreichend darlegen konnte, dass die Prozesse rund um Aufklärung und Untersuchung gut or-ganisiert und dokumentiert waren.

Haftungsrisiko BehandlungsfehlerNur wenn tatsächlich ein Behandlungsfehler nachgewie-sen wird, kommt es zur Haftung des medizinischen Perso-nals. Als Messlatte für diese Entscheidung gilt der so ge-nannte Facharztstandard, den der behandelnde Arzt dem Patienten schuldet: „Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein aner-kannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht anderes vereinbart ist.“ Der Facharztstandard ist Maßstab für das sorgfaltspflichtgerechte Vorgehen des Arztes. Zur Beurteilung zieht das Gericht Sachverständige heran, die bei ihrem Urteil an Leitlinien und anderweitigen medizini-schen Standards orientieren. Eine Unterschreitung dieses Standards gilt als Behandlungsfehler.

Im Zivilrecht kann es zu einer Umkehr der Beweislast kom-men, etwa wenn ein grober Behandlungsfehler vermutet wird. Für den Radiologen bzw. das medizinische Personal unangenehm, denn dann müssen sie nachweisen, dass sie nicht fehlerhaft gehandelt haben.

Im Zusammenhang mit der diagnostischen Bildgebung spielt der Befunderhebungsfehler eine besondere Rolle. Um über einen solchen zu entscheiden, sind diese Fragen zu beantworten:• Wurde ein notwendiger, evtl. auch ergänzender Befund

nicht oder nicht rechtzeitig erhoben?• War ein hypothetischer Befund „überwiegend

wahrscheinlich reaktionspflichtig“ (über 50 %)?• Ist die aufgrund des Befunds unterbliebene Reaktion

grob fehlerhaft?

Mit einem Bein in Stadelheim – rechtliche Aspekte in der Radiologie und der MRTTonja Gaibler, Ulsenheimer-Friedrich Rechtsanwälte, München Internationales MRI Symposium 2017

Fortsetzung Seite 30

Die Zusammenfassung dieses Vortrags stellt in keinem Fall eine Rechtsberatung dar. Im Einzelfall ist stets eine Rechtsberatung einzuholen.

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SONSTIGES SONSTIGES

Werden diese Fragen mit Ja beantwortet, kommt es zu Beweislastumkehr. Ein Haftungsrisiko für den Radiolo-gen liegt im Unterlassen von Hinweisen auf ergänzen-de, besser geeignete radiologische Diagnoseverfahren – insbesondere wenn eine Unsicherheit verbleibt. „Sie als Radiologe müssen sagen, welche Diagnostik erfor-derlich ist“, erläuterte Gaibler.

Haftungsfehler Delegation„Für die Delegierbarkeit radiologischer Leistungen gibt es keine klaren Vorgaben“, sagte Gaibler. Grundsätzlich gilt: Radiologische „Kernleistungen“, die der ärztliche Leistung ihr „besonderes Gepräge“ geben, sind nicht delegationsfähig. Zu diesem Kernleistungen zählen Dia-gnostik, Di!erentialdiagnostik, Beratung, Therapie und Aufklärung.

Als Kennzeichen ärztlicher Kernleistungen gelten• Schwierigkeit der Behandlungsmaßnahmen• Gefährlichkeit• Unvorhersehbarkeit etwaiger Reaktionen

„Es gibt hier aber keine allgemein-gültigen Defini-tionen, insofern

haben wir dazu in der Rechtsprechung nur Einzelfallent-scheidungen“, so Gaibler. Was bei einem relativ gesun-den Patienten eine delegierbare Handlung sei, dürfe bei einem anderen Patienten mit anderen Grunderkrankun-gen vielleicht nicht delegiert werden.

Kasuistik: Nervenläsion durch Technetium-InjektionEine intravenöse Technetium-Injektion durch eine MTRA zur Vorbereitung einer Schilddrüsen-Szintigraphie führ-te zu einer Nervenläsion. Der Patient klagte gegen den Radiologen wegen Delegationsverschuldens. Die Vor-würfe: Derartige Leistungen seien grundsätzlich nicht delegierbar, die MTRA sei nicht erfahren genug gewesen, und die Aufklärung sei nicht ausreichend gewesen.

Das Oberlandgericht Dresden urteilte, dass das Dele-gieren an die MTRA rechtens war, denn die MTRA war kompetent und das ließ sich anhand eines Befähigungs-nachweis darlegen. Außerdem gab es klar definierte Handlungsanweisungen für Zwischenfälle, und der Ra-diologe war in der Praxis anwesend. Zur Urteilsfindung zog das OLG auch das Curriculum für die MTRA-Ausbil-

dung und Aussagen der Bundesärztekammer heran. Der Sachverständige kam zu der Ansicht, die Tätigkeit sei nicht so schwierig, dass sie unbedingt durch einen Arzt ausgeführt werden müsse. Das Gericht unterstrich dabei die Hinweispflicht auf das Risiko von Nervenläsi-onen.

Haftungsrisiko AufklärungsfehlerDie Aufklärung des Patienten über eine diagnostische oder therapeutische Maßnahme ist nicht delegations-fähig. „Die Aufklärung ist eine genuin ärztliche Pflicht“, sagte Gaibler. Allerdings darf sich der Arzt dabei unter-stützen lassen, beispielsweise durch Vorabinformation des Patienten bei der Sicherungsaufklärung. Diese Un-terstützung darf aber das Gespräch mit dem Arzt nicht ersetzen. Fehlerhaftes Verhalten des Arztes kann zu strafrechtlichen Konsequenzen führen.

Vor Gericht sei häufig der Vorwurf zu hören, man habe als Patient den Arzt überhaupt nicht zu Gesicht be-kommen, schilderte Gaibler. Die Beweislast für eine ordnungsgemäße Aufklärung liegt beim Arzt. Wird die Aufklärung nicht ausreichend dokumentiert, geht dies zu Lasten des Arztes.

Zur Haftung des Radiologen kann es aber nur dann kom-men, wenn der Patient plausibel darlegen kann, dass er sich im Falle korrekter Aufklärung eventuell anders ent-scheiden hätte. Bei medizinischen Notfällen fehlt in der Regel die Zeit für eine Aufklärung oder der Patient ist gar nicht einwilligungsfähig; daher spielen diese Fälle juristisch kaum eine Rolle, so Gaibler.

Im Patientenrechtegesetz werden die Bestandteile der Aufklärungspflicht detailliert genannt, darunter auch die „Eignung und Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Diagnose und Therapie“. Auf alternative Verfahren sei ausdrücklich hinzuweisen.

Entscheidend sei immer das vertrauensvolle Arzt-Pa-tienten-Gespräch, sagte Gaibler, „es hat den höchsten Wert vor Gericht.“ Generell werde aber noch zu schlecht dokumentiert. Ein Aufklärungsbogen kann das Ge-spräch nicht ersetzen. Sehr sinnvoll ist es, handschrift-liche Anmerkungen in den beim Gespräch verwendeten Aufklärungsbogen einzutragen, um gegebenenfalls nachzuweisen, dass bestimmte Aspekte thematisiert wurden. Gaibler warnte vor der fachfremden Aufklä-

rung: „Wenn ein Kind für eine Untersuchung durch den Anästhesisten sediert werden muss, muss dieser auch zwingend die Aufklärung übernehmen.“ Und wer eine Sedierung, Untersuchung oder Therapie durchführt und darüber aufklärt, ist auch für die Dokumentation verantwortlich.

Ö!entliche DiskussionAuf Nachfrage zum richtigen Zeitpunkt der Aufklärung sagte Gaibler, diese müsse so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient in keine „Entscheidungsenge“ gerate. Bei stationärer Versorgung müsse die Aufklärung am Vor-tag erfolgen, für die Aufklärung durch den Anästhesis-ten sei auch der Vorabend ausreichend. Bei größeren Eingri!en wie einer Herzkatheter-Untersuchung sei ein Tag vorher jedoch nicht frühzeitig genug. Bei ambulan-ten und rein diagnostischen Untersuchungen könne die Aufklärung am Untersuchungstag erfolgen.

Bei welchen diagnostischen Maßnahmen die Aufklä-rung schriftlich erfolgen müsse, wollte ein Zuhörer wissen, und ob dies beispielsweise auch bei einfachen Röntgenuntersuchungen notwendig sei. „Aufklärung heißt, Sie müssen über die Risiken sprechen“, so Gaibler. Das müsse nicht unbedingt schriftlich erfolgen, aber der Arzt müsse ggf. beweisen können, dass er mit dem Pati-enten darüber gesprochen hat. Dazu müsse man zumin-dest entsprechende Notizen anfertigen.

Gibt es eine Pflicht, dem Patienten eine Kopie des Aufklä-rungsbogens auszuhändigen? Und gibt es Fälle, in denen es zur Beweislastumkehr kam, weil dem Patienten der Bogen nicht mitgegeben wurde? Ja, das Aushändigen sei Pflicht, sagte Gaibler. Ob dies bei Nichtberücksichti-gung zu einer Umkehr der Beweislast führen könne, sei nicht geklärt, bislang sei ihr kein solcher Fall bekannt, aber der Richter würde dies mit Sicherheit „würdigen“. Es sei durchaus möglich, dass ein Arzt dann nachweisen müsse, was in dem Bogen dringestanden habe.

Zum Umgang mit fremdsprachigen Patienten sagte Gaibler, es sei sinnvoll, beim Aufklärungsgespräch als Sprachmittler möglichst einen eigenen Mitarbeiter da-bei zu haben. Dieser könne im Streitfall als Zeuge aus-sagen. Wenn der Mitarbeiter die Sprache des Patienten spreche, dürfe man sich auf dessen Sprachmittlung ver-lassen. Problematisch sei es – unabhängig davon, wer die übersetzende Person ist – wenn die Übersetzungen

au!ällig kürzer ausfallen als die Erläuterungen des Arz-tes. Dann gelte es nachzuhaken, ob wirklich alles über-setzt worden sei. Wenn ein Patient keinen ausreichend kompetenten Sprachmittler mitbringe und niemand sonst verfügbar sei, müsse man den Patienten nachhau-se schicken und ihn bitten, in kompetenterer Begleitung wiederzukommen. Auch dies sollte in der Patientenakte dokumentiert werden.

Der Session-Vorsit-zende Bernd Tom-bach, Osnabrück, befragte Gaibler nach der Aufklärungspflicht bei Verwendung Gadoli-nium-haltiger Kontrastmittel angesichts der aktuellen Thematik von Gadolinium-Ablagerungen im Gehirn. „Juristisch ist das bei uns noch nicht angekommen“, sagte Gaibler, es gebe aber Rechtsprechung zu unbe-kannten Risiken. Der Arzt müsse den Patienten daher auf neuartige Risiken hinweisen. Dies gelte dann, wenn „gewichtige Stimmen in der medizinischen Wissen-schaft ernsthafte Warnungen ausgesprochen“ hätten. Das Thema der Gadolinium-Ablagerungen gehöre in die Aufklärungsbögen hinein. Solange dies nicht der Fall sei, müsse es mündlich angesprochen und dies schrift-lich dokumentiert werden. Dies gelte auf jeden Fall für die Patienten, die sich wiederholt Untersuchungen mit Gd-haltigem Kontrastmittel unterziehen müssten.

Ein Zuhörer fragte nach der Dauer der ärztlichen Verant-wortung und schilderte den Fall einer älteren Patientin. Diese hatte zur Untersuchung ein Sedativum erhalten, war anschließend von ihrer Tochter abgeholt und nach-hause gebracht worden und sei dort gestürzt. „Die Haf-tungsfrage wird hier nicht anders beantwortet als bei einem Anästhesisten“, sagte Gaibler, „in diesem Fall die Sicherungsaufklärung entscheidend.“ Darin müsse dar-über aufgeklärt werden, über welche Dauer ein erhöh-tes Risiko bestehe.

Zur Frage der digitalen Archivierung der Aufklärungs-dokumentation sagte Gaibler, dass dies erlaubt sei, dass aber auch hier eine Aufbewahrungspflicht von zehn Jahren gelte. Noch nicht entschieden sei darüber, ob die gescannten Unterlagen für einen Prozess ausreichend seien oder ob die Originalunterlagen aufzubewahren seien. Häufig werde vom Gericht zumindest Farbscans der Dokumente verlangt.

Fortsetzung

„Eine Unterschreitung des Facharztstandards gilt als Behandlungsfehler.“

„Das Thema der Gadolinium-Ablagerungen gehört in die Aufklärungsbögen hinein.“