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ANGELO GAJA (R.) Er ist oft zu Gast im »Antica Torre« in Barbaresco GENIALE KOMBINATION Tajarin, Lasagnette und weißer Alba-Trüffel Köstliches Piemont Piemont ist nicht nur die Heimat großer Weine. In dem Landstrich um Barolo und Barbaresco lässt es sich auch wunderbar schlemmen. Im Herbst ist das Piemont ein besonders lohnendes Reiseziel, denn im Oktober und November wird in den Wäldern um Alba Jagd auf eine besonders begehrte Knolle gemacht: die weiße Alba-Trüffel. Wir baten zehn Spitzenwinzer, uns in ihr Lieblingslokal zu begleiten. Text und Fotos von Othmar Kiem

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ANGELO GAJA (R.)Er ist oft zu Gast im »Antica Torre« in Barbaresco

GENIALE KOMBINATIONTajarin, Lasagnette und weißer Alba-Trüffel

KöstlichesPiemontPiemont ist nicht nur die Heimat großer Weine.

In dem Landstrich um Barolo und Barbaresco

lässt es sich auch wunderbar schlemmen.

Im Herbst ist das Piemont ein besonders

lohnendes Reiseziel, denn im Oktober und

November wird in den Wäldern um Alba

Jagd auf eine besonders begehrte Knolle

gemacht: die weiße Alba-Trüffel.

Wir baten zehn Spitzenwinzer, uns

in ihr Lieblingslokal zu begleiten.

Text und Fotos von Othmar Kiem

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EINTRETEN UNDSICH WOHLFÜHLEN

Die Osteria »Murivecchi« in Bra

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In den ersten Jahren meiner Piemont-Besuche war die»Trattoria della Posta« stets ein Fixpunkt in meinem Pro-gramm. Diese kleine Trattoria im Herzen von Monfortekonnte nur durch die Küche betreten werden. Eine ge-

schriebene Speisekarte gab es nicht, und so bot sich an, beimEintritt gleich in die Töpfe zu schauen. In der Küche regier-te die Mamma, das Essen war gut, die Weinauswahl grandi-os. Ende der Achtzigerjahre fanden wir hier alte Barolos, vondenen wir bisher immer nur gehört hatten. Hier standen sieauf der Karte, und das auch noch zu durchaus erschwingli-chen Preisen. Noch lebhaft kann ich mich an einen Barolo1978 von Bartolo Mascarello erinnern. Auch wenn es nichtdem Kanon der empfohlenen Wein-Speisen-Kombinationentsprach,mundete er zuEi imTeigmantelmit Trüffel so gut,dass wir zu zweit problemlos eine Magnumflasche leerten.

Von der Trattoria zum RistoranteIn den Neunzigerjahren wuchs mit dem Barolo-Boom derAndrang auf diewenigenPlätze der »Trattoria della Posta« ste-tig an. Im Jahr 2000 entschloss sich SohnGianfrancoMassoli-no, der derMutter in der Küche schon seit Langem zurHandgegangen war, zum entscheidenden Schritt: Er verlegte denaus allenNähten platzendenBetrieb in ein restauriertes Land-haus außerhalb vonMonforte. Dort treffe ich mich mit Gui-do Fantino, dem »önologischen« Part des ErfolgsbetriebesCon-terno Fantino.Wir entscheiden uns für das »Menù della Tra-dizione«, das eine ganzeReihe der Piemont-Klassiker enthält.DerReigen beginntmit »Carne battuta«, einemTatar aus demFleisch des Fassona-Rindes, das mit dem Messer klein ge-schnitten und mit Olivenöl und Gewürzen abgeschmecktwird. Dazu trinken wir einen Barbera Vignota von ConternoFantino. Mit seiner saftigen Frucht und dem geschmeidigenTannin passt er wunderbar dazu. Es folgt ein weiterer Klassi-ker der piemontesischen Küche, Vitello Tonnato (dünneScheibenKalbfleischmit einerThunfisch-Kapern-Mayonnai-se). Das Fleisch ist schmackhaft, und die Sauce zeigt intensi-venThunfischgeschmack, überdeckt dabei aber denEigenge-schmack des Fleisches nicht. Als nächster Gang folgt »Uovoin camicia con fonduta« (pochiertes EimitKäsesauce).Das isteinGericht, das förmlich nachTrüffeln schreit, undGianfran-co Massolino hobelt uns eine Extraportion von einer großenKnolle. Ei und Käsesauce in Verbindung mit dem kräftigenAroma der Trüffel sind einfach köstlich. AlsHauptgang folgt– wie könnte es bei einemTraditionsmenü anders sein – »Bra-sato al Barolo«, eine Kalbsstelze, die in Barolo eingelegt undim Rohr geschmort wurde. Dazu muss es natürlich Barolosein. Wir probieren gleich zwei von Conterno Fantino aus:den Sori Ginestra und denMosconi, der aus einer neu hinzu-

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Piemont Kulinarische Rundreise

SEPTEMBER/OKTOBER 5/2009 FALSTAFF

GROSSE LAGENAusblick auf Barolo und La Morra

GIANFRANCO MASSOLINO UND GUIDO FANTINOEin Prosit auf große Küche und große Weine

POCHIERTES EI MIT KÄSESAUCE UND TRÜFFELEine kulinarische Offenbarung

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gekommenen Lage stammt. Der erste ist tiefgründiger, gibtsich imMoment aber auch verschlossener, der Mosconi hin-gegen ist geschmeidiger und feiner und passt wunderbar zumBrasato. AlsNachtisch folgt Panna cotta.DiesesDessert wirdderzeit überall angeboten, der Geschmack aber lässt oft sehrzuwünschen übrig. Eine gute Panna cottamuss intensiv nachSahne schmecken und einen leichten Vanilleduft aufweisen.DieKonsistenz darf nicht zu fest sein, die Panna cotta darf al-so keinesfalls zu viel Gelatine enthalten, der aufgesetzte Löf-fel muss ohne weiteren Druck leicht in die Masse einsinken,dann eröffnet sich amGaumen dieser wunderbar cremigeGe-schmack. Gianfranco Massolino versteht es, solch eine Pan-na cotta zu machen. Das Essen in der »Trattoria della Posta«war auf jeden Fall ein überaus gelungener Einstieg in unsere»Tour de Force« durch die Küchen der Langhe, wie das Ge-biet um Alba auch genannt wird.

FamilientraditionMitLuciano Sandrone verbindetmich eine lange Freundschaft,er hat mich schon auf viele gute Restaurants in den Langheaufmerksam gemacht. Dieses Mal will er mich in ein Restau-rant führen, das schon außerhalb der Langhe liegt, ins »Anti-ca Corona Reale da Renzo« in Cervere. Das Haus war frühereine Poststation auf der Strecke Turin–Alba. Seit 1830 befin-det es sich im Besitz der Familie Vivalda. PapaRenzomachtedas Restaurant weitum bekannt, Sohn Gian PieroVivalda verpasste der traditionellen Küche den nötigenFeinschliff.Was er an der »AnticaCoronaReale daRenzoso«schätzt, frage ich Luciano Sandrone: Hier könneman alle be-kannten Gerichte genießen, die die piemontesische Kücheberühmt gemacht haben, allerdings in erneuerter, deutlichleichterer Form. Dasselbe könnte man auch über Sandrones

Weine sagen, denke ichmir dabei. Sie stehen klar in der Tra-dition der großen Gewächse der Langhe, haben dabei aberSchliff und Eleganz. Bei Tisch begrüßt uns Renzo, der Seni-orchef, herzlich.DerReigen beginntmit einemHours d’Œuv-re, einem herzhaften Cotechino (gekochteWurst aus Speck,Schwarten und gehacktem Fleisch vom Schwein) auf Kartof-felpüree. Die nahe gelegene Ortschaft Cherasco ist berühmtfürWeinbergschnecken, Cervere selbst für seinen Lauch, derhier auf sandigem Boden wächst und besonders mild ist. Zudiesen Zutaten gibt Gian Piero Vivalda Apfelstückchen undzaubert daraus einwunderbaresGericht: »Lumache ai porri diCervere emele renette«. Grandios ist auch der nächsteGang:»Ravioli al Plin« (hauchdünne Teigtaschen, mit einer Mi-schung aus Kalbfleisch, Schweinefleisch und Spinat gefüllt).Bei Renzo werden sie auf einer Serviette angerichtet und oh-ne Sauce serviert. Im Mund zergehen sie wie schmackhafteBonbons. Als Hauptgang folgt ein Gericht, das nur mehr inwenigenOrten angeboten wird, die »Finanziera« (Eintopf ausFleisch, Bries und Hirn vom Kalb mit gebackenen Hühner-kämmen). Dieses Gericht kann sehr deftig und schwer sein,bei Renzo ist es zwar intensiv imGeschmack, wirkt dann abersehr leicht. Vielleicht liegt das auch am Barolo Cannubi Bos-chis von Sandrone, der dazu sowunderbar über die Zunge glei-tet. Zum Abschluss lassen wir uns noch ein »Flan di Giandu-ja su salsa di Tonda Gentile« (Nougattörtchen auf einer Sau-ce aus piemontesischenHaselnüssen) auf der Zunge zergehen.

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WEINBERGSCHNECKEN, LAUCH UND APFELEine köstliche Kombination im »Antica Corona Reale da Renzo«

HOCHKARÄTIGE RUNDE Gian Piero (l.) und RenzoVivalda (vorne) mit Winzer Luciano Sandrone (r.)

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Piemont Kulinarische Rundreise

SEPTEMBER/OKTOBER 5/2009 FALSTAFF

Essen beim WinzerAuf der Straße von Annunziata hinauf nach La Morra siehtman linker Hand ein Hinweisschild, das »Agriturismo Tor-riglione« anzeigt. In einem in sattemRot gestrichenenHaushaben die Gagliassos seit einigen Jahren auch eine kleineOsteria eingerichtet. Mamma Gagliasso kocht da groß auf.Auf der Karte stehen die traditionellen Gerichte der Lang-he: Salami, Tajarin (dünne Eierteignudeln) mit Fleischragoutund Ravioli al Plin. Als Hauptgang folgen Brasato al Barolo,Hühner aus Freilandhaltung oder auch Finanziera. AnWei-nen stehen nur jene von Gagliasso zur Verfügung, aber diesind so gut, dass einem die anderen gar nicht abgehen.Ein anderer Ortsteil von LaMorra trägt denNamen San-

ta Maria. Dort treffe ich mich mitAlberto Cordero di Monte-zemolo zumMittagessen in der Osteria del Vignaiolo. Alber-to gehört der jungenGeneration der Langhe-Winzer an und

leitet seit einigen Jahren gemeinsam mit seinem Vater Gio-vanni und seinem Onkel Enrico Cordero di Montezemolo dasWeingutMonfalletto in LaMorra. Die »Osteria del Vignaio-lo« besucht er gerne, sagt er, weil man hier jede Menge Leu-te treffen kann, auch viele Winzer. Die Atmosphäre istlocker und kommunikativ, eben wie in einer richtigenOste-ria. Seit zwölf Jahren führt Koch LucianoMarengo dieses Lo-kal. Im Saal wird er vonMassimo Dassena unterstützt. Vieletypische Gerichte der Langhe stehen zur Auswahl. Ich ent-scheide mich für ein »Tortino di Topinambur e Fonduta«.Dafür werdenTopinamburscheiben – dieses Knollengewächssteht im Piemont seit jeher hoch im Kurs – mit einer Käse-sauce in einem Mürbteigkörbchen gratiniert. Zum Haupt-gang folgt ein Lammkarree aus demRohr, zu demwir uns ei-nen Barolo BriccoGattera 2005 vonMonfalletto schmeckenlassen – ein herrliches Duett!

Professor auf AbwegenAls ich Roberto Voerzio in der Vorbereitung für diesen Arti-kel kontaktierte und ihn fragte, ob er mich in eines seinerLieblingsrestaurants begleiten wolle, sagte er sofort zu. Al-lerdings, so Roberto, würde er mich gerne in ein recht unbe-kanntes Haus begleiten, das sein Schwager führe. Ob das inOrdnung ginge. Selbstverständlich, auch ich bin immer ge-spannt darauf, Neues zu entdecken. Das »Locanda del Prof«liegt in Roreto bei Cherasco. Lassen Sie sich nicht vom rechtkühlen Äußeren des Lokals täuschen, es liegt im Erdgeschoßeines Wohngebäudes aus den Achtzigerjahren. Innen gehtes wesentlich wärmer und herzlicher zu. Voerzios Schwager,Tino Ferrondi,war Lehrer, hatte aber immer schon eine Vor-liebe für gutes Essen. 2001 verabschiedete er sich von seinemLehrberuf und eröffnete das Restaurant. Seine FrauRita, dieim Übrigen aus Zürich stammt und selbstverständlich auchDeutsch spricht, arbeitet im Saal mit, Sohn Umberto Ferron-di steht in der Küche. Geboten werden auch hier die typi-schen Gerichte des Piemont. Die Weinkarte bietet allerleiWeine von Roberto Voerzio – auch ältere Jahrgänge –, abernicht nur. Zur Vorspeise gibt es »Cardo gobbo con fondutae tartuffi«, Blattstiele von der Karde, einer artischockenähn-lichenDistelpflanze, die im Piemont häufig angeboten wird,dazu würzige Käsesauce und Trüffel – zur Abwechslung ein-mal nicht weiße, sondern schwarze. Eine Spezialität der Ge-gend sind auch Froschschenkel, die hier in der Pfanne frit-tiert werden. Als Hauptgang folgt ein wunderbar weichesKalbswangerl mit Barolo und zum süßen Abschluss »Bonet«,ein köstlicher Pudding aus geriebenenMandelmakronen, Ei-ern und Schokolade. Am Ende des Abends steht fest: DieWeine von Roberto Voerzio und die Küche von UmbertoFerrondi sind ein gutes Gespann.

Kulinarisches GesamtkunstwerkBra ist eine nette Kleinstadt knapp zwanzig Kilometer öst-lich von Alba und wurde als Gründungsort von »Slow Food«bekannt. Mitten in der Stadt gibt es aber auch eine renom-mierte Weinkellerei: Ascheri. Über ihr wurde vor einigenJahren ein feines Designhotel eingerichtet, und über dem

CAPOCOLLO IN DER OSTERIA »MURIVECCHI«Wer sagt, dass Fett nicht gut ist?

MAURO UND LUCA GAGLIASSODer »Agriturismo Torriglione« ist ein Geheimtipp in La Morra

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Hof liegt die Osteria »Murivecchi«. Dort bin ich mitMatteoAscheri, gut zweiMeter groß und nicht viel weniger breit, ver-abredet. Hotel und Osteria entstanden aus der Idee heraus,dem Gast auch als Weinbaubetrieb ein Gesamterlebnis an-bieten zu können. Die urig eingerichtete Osteria wird vonMatteos SchwesterMariateresa und deren Ehemann PaoloSorcio geleitet. VomAntipasto bis zumDessert, alles ist haus-gemacht. Als Appetithäppchen gibt es immer die berühmteSalsiccia di Bra, dünne Würstchen aus Kalbfleisch, die täg-lich frisch gemacht und nicht etwamit demMesser, sondernmit der Schere geschnitten werden. Auch die Nudeln wer-den selbst gemacht. Besonders empfehlenswert sind die »Ta-jarin con fegatini di pollo e salsiccia di Bra« (dünne Band-nudeln mit einem Ragout aus Hühnerleber und Wurst-stückchen).

Im Zentrum des GenussesPriocca liegt etwas außerhalb von Alba, an der Straße nachAsti. Etwas unterhalb dermächtigen Burganlage befindet sichdas Ristorante »Il Centro«. Hier bin ich mit Giorgio Rivettivom Weingut La Spinetta zum Mittagessen verabredet.Er schätzt dieses traditionsreiche Restaurant sehr. Hier, sobetont er, wird authentischeKüche geboten,mit wahremGe-schmack, geradlinig und klar, ohne überflüssigen Schnick-schnack. Seit 1956 wird das Lokal von der Familie Corderogeleitet. Heute zeichnet Elide Cordero für die Küche verant-

ROBERTO VOERZIO (L.) UND UMBERTO FERRONDI (BILD L.) Der Winzerstar und sein kochender NeffeGIORGIO RIVETTI (L.) UND ENRICO CORDERO (BILD R.) Im »Il Centro« in Priocca wird große piemontesische Küche zelebriert

wortlich, ihr Mann Enrico Cordero steht im Saal und erklärtdort nicht nur fachmännisch die Speisen, sondern findet auchstets den passendenWein zu den Gerichten. Diese lagern ineinem sehenswertenKeller imUntergeschoß. Barolo undBar-baresco sowie dem Roero sind jeweils eigene Räume gewid-met. In der Schatzkammer lagernWeine aus den Fünfziger-,Sechziger- und Siebzigerjahren. Nach dem Gruß aus derKüche, »Crema di Lenticchie con cotechino« (gekochteWurst auf Linsencreme) kommt gleich ein herrlichesGerichtauf den Tisch: »Salatina di lepre con uva Barbera e melogra-no« (Salat vomHasenfleischmit Barbaratrauben undGranat-apfelkernen). Der Hase wird dafür in Wein und Gewürzengeschmort und dann kalt angerichtet. Das Gericht ist nichtnur für den Gaumen ein Hochgenuss, auch die visuelle Prä-sentation ist sehr ansprechend. Nach einer Kostprobe voneingelegten Paprika, weich und süß, folgt ein »Risotto conragù di faraona« (RisottomitRagout vomPerlhuhn).DerReisist perfekt auf den Punkt gegart, der Geschmack des Perl-huhns kommt schön durch.Dazumundet vorzüglich ein Bar-baresco Starderi 1999 von La Spinetta. Der Wein begleitetuns auch bei den nächsten beidenGängen: »Pancetta con pu-rea di patate« (Schweinebauch aufKartoffelpüree) und »Fega-to di Coniglio con salsa al vino rosso« (Kaninchenleber inRotweinsauce). Beide sind geschmacklich sehr intensive Ge-richte, aber doch erstaunlich leicht gehalten. ZumAbschlussfolgt eine köstliche »Meringa con crema di gianduja«

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Piemont Kulinarische Rundreise

SEPTEMBER/OKTOBER 5/2009 FALSTAFF

(Baiser auf Nougatcreme). Die ideale Begleitung dazu bildetder Moscato Bricco Quaglia von La Spinetta.

Vom Kindergarten zum WirtshausGroße Verabredung für den Abend:Angelo Gaja führt michin einWirtshaus seiner Wahl und sucht dafür die Trattoria»Antica Torre« in Barbaresco aus, keine 100 Schritte vonGa-jas Weingut entfernt. Früher war in diesem Gebäude derKindergarten untergebracht, meint Angelo Gaja, erst vorzehn Jahren wurde es in eine Trattoria umfunktioniert. Sei-ne Tochter Gaia sei hier noch in den Kindergarten gegan-gen. Die Karte des »Antica Torre« ist klein und enthält diebekanntenGerichte der Langhe.Hauptgrund für den Besuchwar, zu sehen, wie die echten »Tajarin« hergestellt werden.Das sind die typischen dünnen Eierteig-Bandnudeln, diemanhier überall angeboten bekommt. ChefkochMaurizio Alba-rello ist ein Meister seines Faches, was Tajarin angeht. ImDurchschnitt verbraucht er pro Woche 70 Kilo dieser gelbglänzenden Nudeln. Auf ein Kilo Mehl nimmt er 22 (!) Ei-gelb und formt daraus einen geschmeidigen Teig. Der wirdzuerst dünn ausgewälzt und anschließend mit dem großenKüchenmesser in dünne Streifen geschnitten.Maurizio führtes vor. Blitzschnell gleitet das Messer über den gefaltetenTeig und schneidet Streifen von konstanter Breite. Die Nu-deln kommen für ein paar Minuten in sprudelndes, gut ge-salzenes Wasser, werden anschließend auf dem Teller mitFleischragout durchmischt, und fertig ist ein so einfaches wie

BARBARESCO VON ANGELO GAJA Hier zu gekochtem HuhnMAURIZIO ALBARELLO Meister der Tajarin

TRATTORIA DELLA POSTA – MONFORTE D’ALBALoc. S. Anna 87, MonforteTel.: +39/0173/781 20, www.trattoriadellaposta.it

RISTORANTE ANTICA CORONA REALE DA RENZO –CERVEREVia Fossano 13, Tel.: +39/0172/47 41 32

AGRITURISMO IL TORRIGLIONE – LA MORRABorgata Torriglione, Tel.: +39/0173/501 80, www.gagliassovini.it

L’OSTERIA DEL VIGNAIOLO – LA MORRAFraz. Santa Maria, Tel.: +39/0173/503 35

LOCANDA DEL PROF – RORETO DI CHERASCOVia Bra 33, Tel.: +39/0172/49 51 36

OSTERIA MURIVECCHI – BRAVia G. Piumatti 19, Tel.: +39/0172/43 10 08, www.ascherivini.it

RISTORANTE IL CENTRO – PRIOCCAVia Umberto I 5, Tel.: +39/0173/61 61 12www.ristoranteilcentro.com

TRATTORIA ANTICA TORRE – BARBARESCOVia Torino 8, Barbareso, Tel.: +39/0173/63 51 70

RISTORANTE LE TORRI – CASTIGLIONE FALLETTOPiazza Vittorio Veneto 10Tel.: +39/0173/628 49, www.ristoranteletorri.it

VILLA CONTESSA ROSA, CESARE GIACCONE –SERRALUNGA D’ALBATenimenti FontanafreddaTel.: +39/0173/62 61 91 und 62 61 84www.villacontessarosa.com (Reservierung unerlässlich!)

Restaurants

TRATTORIA »ANTICA TORRE« IN BARBARESCODer heutige Genusstempel war einst ein Kindergarten

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überaus schmackhaftes Gericht. Als Hauptgang folgt einweiterer Klassiker: »Gallina lessa«, gekochtes Huhn. DieHühner hier kommen alle aus Freilandhaltung undschmecken noch nach etwas – kein Vergleich zu den Tierenaus den großen Mastbatterien, die zwar schön weich sind,aber geschmacklich absolut nichts hergeben. Apropos Ge-schmack: Ein Barbaresco von Gaja schmeckt auch zu Huhnvorzüglich.

Im Schatten der TürmeDer vierte und letzte Tag meiner kulinarischen Rundreisedurch die Langhe ist angebrochen.Mein nächster Zielort istCastiglione Falletto. Das Weingut vonMarco Parusso liegtbereits auf demGemeindegebiet vonMonforte, ist aber nurwenige Hundert Meter vom Ortszentrum von CastiglioneFalletto entfernt. Zunächst probiere ich bei ihm einigeWei-ne aus den neuen Jahrgängen, anschließend begleitet er michzum Ristorante »Le Torri«. 2006 wurde dieses schön gele-gene Restaurant, von dessen Terrasse aus man einen herrli-chen Ausblick auf La Morra und Barolo hat, von einem jun-gen Paar übernommen.Maria Cristina Rinaudi zog von Tu-rin hierher aufs Land. Sie ist leidenschaftliche Köchin undganz der Kochtradition der Langhe verpflichtet, dennochaber auch für den einen oder anderen kulinarischen Ausflugzu haben. So finden sich auf der Karte immer wieder Einflüs-se aus Apulien, von dort stammt nämlich ihr Mann, AngeloSibilla. Er liebt die Weine der Langhe und zeigt bei seinenWeinempfehlungen große Kompetenz. Da die Zeit etwasknapp wird, nehmen wir nur zwei Gerichte. Als Erstes ser-viert Angelo »Carciofi con fonduta« (Artischocken mit Kä-sesauce). Für den Wein, einen 2005er Barolo von Parusso,kein leichtes Spiel. DerGeschmack vonArtischocke undKä-se ist aber einfach herrlich. Der zweiteWein hat es dann we-sentlich leichter. Zum 1999er Barolo Riserva Oro kommen»Tajarin al Ragù di salsiccia di Bra« (Bandnudeln mit einerSauce aus Bra-Würstchen) auf den Tisch. Das Gericht duf-tet und schmeckt herrlich, der Wein spielt dazu groß auf.

Gran ChefCesare Giaccone ist eine Legende unter den piemontesischenKöchen. Im abgelegenen Albaretto Torre in der Alta Lan-ga schaffte es der Autodidakt schon in den Achtzigerjahren,eine derart hochstehende Küche zu kreieren, dass Fein-schmecker aus nah und fern in Scharen zum ihm pilgerten.Zu seinen Stammgästen zählten nicht nur Berufsgourmetswie Luigi Veronelli oder Carlo Petrini, auch Giovanni Agnelliging bei Cesare ein und aus. Oscar Farinetti, neuer Haupt-eigentümer von Fontanafredda, konnte Cesare Giaccone imvergangenen Jahr dazu überreden, sein abgelegenes Berg-nest zu verlassen und etwas weiter in Richtung Zivilisationzu kommen. Seit Dezember vergangenen Jahres kocht Ce-sare nun in der »Villa Contessa Rosin«, einer historischenVilla inmitten des Betriebsgeländes von Fontanafredda. ImErdgeschoß, dem sogenannten »Infernotto«, ist das Restau-rant mit 30 Plätzen eingerichtet. Direkt im Saal, hinter ei-nem nagelneuen Molteni-Küchenblock, werkt nun auch

Cesare. Für jeweils drei Monate dürfen ihm sechs Jung-köche aus der ganzenWelt über die Schultern schauen undseine Küche kennenlernen. Zum Auftakt gibt es Salat vonrohen Artischocken, Kutteln und Parmesan. Der DolcettoLa Lepre passt erstaunlich gut dazu. Hervorragend ist auchdie »Polentina con salsa di castagne e fonduta« (Maisgries-törtchen mit Kastanien- und Käsesauce). Zum Hauptgangfolgt »Coniglio allo spiedo con patate« (Kaninchen vomSpieß mit Kartoffeln). Die Küche hält sich eindeutig ansEssenzielle. Dazu schmeckt Fontanafreddas Barolo La Ro-sa wirklich bestens. Zum süßen Schluss folgen noch »Perecotte con lo zabaione«, Birnen mit Weinschaum, zu demCesare stets etwas Moscato gibt – ein wirklich gelungenerAbschluss unserer Schlemmertour!

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CASTIGLIONE FALLETTODer malerische Ort liegt im Zentrum des Barolo-Gebietes

VERBOTEN GUT Pochierte Birne mit Weinschaum, gefülltenDatteln und Zwetschken in Rotwein von Cesare Giaccone

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Piemont Kulinarische Rundreise

SEPTEMBER/OKTOBER 5/2009 FALSTAFF

ALIMENTARI – LEBENSMITTEL

SALAMI UND CO.

AGRISALUMERIA LUISET – ALBAPiazza S. Francesco,www.agrisalumeria.itGleich hinter dem Marktplatz in Alba gibt eseine Verkaufsstelle dieser Metzgerei, die inFerrere bei Asti eine eigene Schweinezuchthat und daraus eine ganze Palette an ver-schiedensten köstlichen Würsten erzeugt.

MACELLERIA DA MASINO – BRAPiazza Roma 20, Tel.: +39/0172/41 25 77Hier gibt es sie, die unvergleichlichenWürstchen von Bra (Salsicce di Bra). In derMacelleria da Masino werden sie täglichfrisch zubereitet. Am besten genießt mandie Würstchen roh, aber auch als Basis fürein Ragout eignen sie sich vorzüglich.

MACELLERIA CAVIOLA –MONTELUPO ALBESEVia della Langa 9In der Macelleria Caviola im kleinen OrtMontelupo Albese gibt es hervorragendeSchinken, Salami und andere Würste inallen Varianten.

SÜSSES

RELANGHE – ALBACorso Bra 105, Tel.: +39/0173/29 04 20www.relanghe.comTorrone, türkischer Honig mit köstlichenHaselnüssen, ist eine Spezialität von Alba. Denbesten macht Relanghe, wo ausschließlich dieechte piemontesische Haselnuss, die »TondaGentile«, verwendet wird. Relanghe erzeugtaber auch Schokolade und andere köstlicheSüßigkeiten.

KÄSE

POLLERIA RATTI – ALBAVia V. Emanuele, 18Tel.: +39/0173/44 01 66Winziges Geschäft an der Haupteinkaufsstraße,in dem es nicht nur – wie der Name nahelegenwürde – Geflügel gibt, sondern auch wunder-bar gereiften Käse und andere Delikatessen.

GIOLITO – BRAVia Montegrappa 6, Tel.: +39/0172/41 29 20www.giolitocheese.itEs gibt keinen Käse im Piemont, den Fioren-zo Giolito nicht hätte, ein wahres Käsepara-dies tut sich da auf! Vor allem sind die Käseauch richtig gelagert und schön reif. Sehrkompetenter Service.

WEIN

ENOTECA FRACCHIA & BERCHIALLA –ALBAVia Vernazza 9, Tel.: +39/0173/44 05 08Schon seit vielen Jahren die bestsortierteVinothek in Alba und Umgebung. Breitge-fächertes Angebot, nicht nur aus dem Piemont.

I PIACERI DEL GUSTO – ALBAVia V. Emanuele II 25, Tel.: +39/0173/44 01 66Der Laden von Gigi Marchisio ist eine anspre-chende Mischung aus Buchhandlung und Vino-thek. Gigi hat immer zahlreiche Tipps auf Lager.

WOHNEN

LOCANDA DEL PILONE – ALBAStrada Loreto (Madonna di Como) 34Tel.: +39/0173/36 66 16www.locandadelpilone.comGepflegtes Landhaus in den Hügeln hinter derStadt. Ruhig und doch verkehrsgünstig gele-gen. Im Erdgeschoß gibt es auch einfeines Restaurant.

CASCINA BARAC – ALBAFraz. San Rocco Seno d’Elvio 40Tel.: +39/0173/36 64 18, www.barac.itZu Füßen der Ortschaft Treiso, wunderbar in-mitten von Weinbergen gelegener Agriturismo.Zehn gemütlich eingerichtete Zimmer ladenzum Verweilen ein. Ruhig und abgeschieden,und doch liegt Alba gleich um die Ecke.

RELAIS VILLA D’AMELIA – BENEVELLOFraz. Manera, Tel.: +39/0173/52 92 25www.villadamelia.comZu einem kleinen Luxushotel umgebauter Guts-hof, 15 Kilometer von Alba in den Hügeln derAlta Langa gelegen. Mit gutem Restaurant,Wellnesszentrum und allem Drum und Dranausgestattet.

VILLA TIBOLDI – CANALECase Sparse 127, Tel.: +39/0173/97 03 88www.villatiboldi.itWunderbar inmitten von Weinbergen gelege-nes Hotel, das in den Räumlichkeiten einer his-torischen Villa untergebracht ist. Es beherbergtauch ein sehr gutes Restaurant. Das Hotelgehört Roberto Damonte vom Weingut Mal-virà, das gleich unterhalb der Villa Tiboldi liegt.Für den Weinnachschub ist somit gesorgt.

CORTE GONDINA – LA MORRAVia Roma 100, Tel.: +39/0173/50 97 81www.cortegondina.itMit viel Liebe zum Detail eingerichtetes kleinesHotel an der Hauptstraße von La Morra. ImSommer sorgt ein Pool für Erfrischung.

VILLA BECCARIS – MONFORTE D’ALBAVia Beccaris 1Tel.: +39/0173/781 51 www.villabeccaris.itFeines Hotel im historischen Ortskern vonMonforte im ehemaligen Palazzo einesGenerals. Gerade mal 23 luxuriös ausge-stattete Zimmer garantieren Ruhe. An son-nigen Tagen einmaliger Rundblick auf denAlpenbogen!

Weitere Genusstipps in den Langhe

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