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Fachtagung: „Aufwachsen auf der Überholspur“Marpingen-Alsweiler (Pfarrsaal)
12. November 2015
Prof. Dr. Waldemar VogelgesangUniversität Trier
FB IV - Soziologie
Jung sein auf dem Land: Schicksal oder Chance?Ergebnisse einer regionalen Jugendstudie
1
Thematische Gliederung
1. Jugendsurvey 2000 und Replikationsstudie 2011
2. Bildung, Zukunftssicht und Verantwortung
3. Freizeitmuster
4. Strukturwandel von Jugendeinrichtungen
5. Bleibeorientierung und Abwanderungstendenzen
6. Fazit: Landjugend heute – eine „pragmatische Generation“
2
1) Jugendsurvey 2000 und Replikationsstudie 2011
3
Forschungsdesign
Repräsentativbefragungen von 14- bis 25-Jährigen Zielsetzung
Porträt der jugendlichen Lebenswelt / Zukunftsplanung thematische Schwerpunkte (u.a. Bleibeorientierung) Vergleich: Befunde des 2000er- und 2011er-Jugendsurveys
Stichprobengröße n = 1.728 (2000er Survey)
n = 2.728 (2011er Survey); davon Trier (1026), Bitburg-Prüm (794), Trier-Saarburg (908)
Ausschöpfungsquote: 27,3%
Erhebungsregionen Stadt Trier Landkreise: Bitburg-Prüm, Trier-Saarburg
Ergebnispräsentation (Marpingen-Alsweiler;12.11.2015)
Nur Jugendliche aus den ländlichen Regionen (2000: n = 1189; 2011: n = 1702)
4
Untersuchungsthemen• I. Freizeit, Medien und Konsum• Freizeitaktivitäten• Mobilität• Verein• Brauchtum• Jugendszenen• Medien• Konsum, Markenorientierung• Mediennutzung und Jugendszenen
• II. Ziele, Orientierung und Zukunft• Wertbindung• Lebensziele• Partnerschaft, Heirat, Kinderwunsch• Beziehung zwischen Jung und Alt• Beziehung zwischen Einheimischen und Ausländern• Gesellschaftliche Problemlagen• Zukunftseinschätzung• Migration und Integration
• III. Kirche, Glauben und Religion• Konfession• Kirchlichkeit
• Religiosität, Jenseitsglaube• Alltagsrelevanz von Religion• Weltjugendtag 2005 in Köln• Spiritismus• Neue religiöse Glaubens- und Sozialformen
• IV. Politik und soziales Engagement• politisches Interesse / Engagement• Freiwilligenarbeit / Ehrenamt• Vertrauen in Institutionen• Ortsbindung und Abwanderungstendenzen• Lebensweltliche Beteiligungskultur / Bleibeorientierung
• V. Angaben zur Person • Geschlecht• Alter• Familienstand• Nationalität• Wohnort• Eltern, Geschwister• Wohnen, Haushalt• (Aus-)Bildung/ Beschäftigung
5
2) Bildung, Zukunftssicht und Verantwortung
6
Bildungsniveau2000 und 2011 im Vergleich
7
Erhebungszeitpunkt
Bildung nach Geschlecht2000 und 2011 im Vergleich
Bildung
82000 2011
Bildung nach Nationalität2000 und 2011 im Vergleich
92000 2011
„Bildungsmentalität“: Indikatoren2011er Survey
• Einstellungsebene („normative Haltungen“)– Wissen und Bildung: 83% („Stimme zu“)– Eigene Fähigkeiten entwickeln: 86% („Stimme zu“)– Etwas leisten: 85% („Stimme zu“)– Keine Zeit für ehrenamtliches Engagement wg. Schule/Ausbildung: 68%
(„der Nichtengagierten“)• Handlungsebene („aktive Umsetzung“)
– Lernen in der Freizeit für Schule/Ausbildung: 47% („oft“)– Internet als Wissensbörse: 56% („täglich/mehrmals die Woche“)– Doppelqualifikation: 8% der Azubis und 16% der Studierenden haben
eine abgeschlossene Berufsausbildung– Jugendszenen als Lernorte: 25% („Szenemitglieder“)
10
Zukunftssicht2000 und 2011 im Vergleich
Zukunftssicht
Erhebungszeitpunkt
11
Zukunftssicht nach Region2011er Survey
Zukunftssicht
Region 12
Zukunftssicht nach „Verantwortungsquelle“2011er Survey
6% 1% 1%
45%38%
21%
49%61%
78%
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Extern Teils-teils Intern
Eher zuversichtlichMal so mal soEher düster
„Verantwortungsquelle“
Zukunftssicht
13
Ehrenamtliches Engagement2000 und 2011 im Vergleich
22%
39%
78%
61%
0%
20%
40%
60%
80%
100%
2000 2011
JaNein
Erhebungszeitpunkt
Engagement
14
„Ehrenamtshindernisse“2000 und 2011 im Vergleich
15
Was hält dich von ehrenamtlichem Engagement ab?
Prozentuierungsbasis: nicht ehrenamtlich Engagierte (2000: n=839; 2011: n=1045)
Zwischenfazit: Bildung, Zukunftssicht und Verantwortung
• Der gesamtgesellschaftliche Trend zu immer höheren Bildungsabschlüssen lässt sich auch für die in ländlichen Regionen wohnenden Jugendlichen nachweisen, wobei sich auch hier die „Bildungsschere“ zwischen Jungen und Mädchen vergrößert, zwischen Einheimischen und Migrantenjugendliche dagegen verringert hat.
• Die Zukunftssicht der Jugendlichen ist ungebrochen optimistisch. Während sich nach Geschlecht und Alter keine Unterschiede nachweisen lassen, sind Jugendliche mit einer hohen Eigenverant-wortung und auf dem Land lebende Jugendliche deutlich optimistischer eingestellt.
• Die Jugendlichen sehen sich durch die Wandlungsdynamik in der heutigen Zeit zwar herausgefordert, aber nicht überfordert. Die überwiegende Mehrheit (ca. 80%) ist davon überzeugt, das vor ihnen liegende Leben zu meistern, weil sie sich selbst für ihren Erfolg (und Misserfolg) verantwortlich fühlen.
16
3) Freizeitmuster
17
Mediennutzung2000 und 2011 im Vergleich
87%
2%
25%
12%
87%
9%
24%
84%
25%
42%
67%
89%
0%
3%
12%
11%
9%
24%
22%
34%
38%
82%
84%
89%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Handy/Smartphone
Kino
Spielkonsolen
Video/DVD
Internet
Zeitschriften
Bücher
Computer
Zeitung
(Web-)Radio
CD/MP3
Fernseher
2000
2011
Antwortkategorie: „täglich/mehrmals pro Woche“18
Freizeitaktivitäten 2000 und 2011 im Vergleich
8%
19%
37%
28%
49%
8%
9%
23%
59%
31%
87%
19%
23%
22%
24%
37%
47%
25%
31%
45%
65%
89%
0% 20% 40% 60% 80% 100%
Ins Jugendhaus gehenSportveranstaltungen besuchen
Etwas mit der Familie…Künstl.-musische Beschäftigung
Faulenzen/NichtstunDiscos besuchen
In Kneipen gehenMofa/Motorrad/Auto fahren
Sport treibenAuf Parties gehen
Freunde treffen
20002011
Antwortkategorie: „oft“19
Mitgliedschaft in Institutionen2000 und 2011 im Vergleich
20
2000 2011
Sportverein 41% 60%
Musikverein 16% 17%
Freiwillige Hilfsorganisation 15% 17%
Kirchliche/ Religiöse Gruppe 10% 25%
Jugendverband 5% 7%
Politische Organisationen 1% 2%
Mitgliedschaft gesamt 61% 81%
Zwischenfazit: Mediale und kommunikative Freizeit
• Die heutigen Jugendlichen lassen sich als die „erste Vollmedien-Generation“ bezeichnen. Sie lernen von Beginn an Kultur als Medienkultur kennen. In ihrem Medien-Potpourri haben Computer und Internet als „neue Leitmedien“ Fernsehen und Radio abgelöst.
• Auch wenn gesellige Aktivitäten nach wie vor die höchste Priorität im Freizeitverhalten der Eifel-Jugendlichen haben, so hat doch eine Verlagerung der damit verbundenen Handlungsmuster stattgefunden: Während das regelmäßige Treffen mit Freunden („Peer-Gruppen“) nichts von seiner Intensität und Bedeutung für die Jugendlichen eingebüßt hat, ist dagegen die „Party-, Kneipen- und Disco-Häufigkeit“ deutlich rückläufig.
• Bei den institutionalisierten Freizeit- und Engagementformen haben im Vergleich zur Situation im Jahr 2000 Vereine und ehrenamtliche Einrichtungen an Zuspruch gewonnen, wobei prozentual kirchlich-religiöse Gruppen und Sportvereine den größten Mitgliederanstieg zu verzeichnen haben („Bedeutungszunahme organisierter Lebensräume“).
21
4) Strukturwandel von Jugendeinrichtungen
22
Besuch von Jugendeinrichtungen2000 und 2011 im Vergleich
51%69%
30%
23%
19%8%
0%
20%
40%
60%
80%
100%
2000 2011
OftSeltenNie
Besuchsintensität
Erhebungszeitpunkt23
Besuch von Jugendeinrichtungen nach Alter2000 und 2011 im Vergleich
44%60% 66%
75%
32%
27%25%
21%24%13% 9% 4%
0%
20%
40%
60%
80%
100%
14-16 Jahre 17-18 Jahre 14-16 Jahre 17-18 Jahre
OftSeltenNie
Besuchsintensität
242000 2011
Besuch und Mitwirkung im HdJ Bitburg
25
„Was die Besucher in unserem Jugendhaus betrifft, so werden die immer jünger und damit verlagert sich unser Angebot auch immer mehr in den Kinderstufenbereich und auf die Teenie-Altersgruppe der 10- bis 14-Jährigen. Da hat sich aber durch die Ganztagsschulen ganz viel geändert.“(…)„Die Besucherstruktur im offenen Bereich bricht weg, aber die Zahl derjenigen, die sich ehrenamtlich engagieren, ist konstant geblieben und zum Teil sogar leicht nach oben gegangen.“ (…)„Man sollte eigentlich annehmen, wenn der Besucherstamm zurückgeht, geht auch genauso das Engagement in der Freizeit zurück, wenn es an der knappen Freizeit liegt. Für mich ist es ein Phänomen, das ich mir nicht erklären kann. Vielleicht ist ehrenamtliches Engagement so ein Stück Ausgleich.“
G. Wanken, HdJ Bitburg
Zwischenfazit: Strukturwandel von Jugendeinrichtungen
1) Der sich seit Anfang der 1990er Jahre bundesweit abzeichnende Besucherrückgang in Jugendeinrichtungen hat sich im Zeitraum von 2000 bis 2011 weiter fortgesetzt – und zwar gleichermaßen in städtischen Regionen wie in ländlichen Gebieten. Rückläufig ist dabei sowohl die Besucherrate insgesamt als auch die Besuchsintensität.
2) Die sozialdemografische Aufschlüsselung der Besucherstruktur verdeutlicht, dass das Geschlecht und die Ortsansässigkeit einen, wenn auch geringen, Einfluss auf die Besuchshäufigkeit ausüben. Entscheidender ist das Alter der Jugendlichen. Denn es sind vor allem die jüngeren Jahrgänge („Teenies“), die Angebote in Jugendeinrichtungen wahrnehmen.
3) Angesichts der zunehmenden leistungsmäßigen und zeitlichen Beanspruchungen in Schule, Ausbildung und Beruf brauchen junge Menschen vermehrt „jugend-pädagogische Freiräume und Treffpunkte“, in denen sie freiwillig und selbstbestimmt ihre Interessen und Neigungen verwirklichen können und wo ihnen „Jugendarbeiter als Entwicklungsbegleiter“ Impulse und Rat geben, den schwierigen Weg der Selbstverantwortung und des Erwachsenenwerdens in Angriff nehmen zu können („Jugendeinrichtungen als Orte der Selbstfindung“).
26
5) Bleibeorientierung und Abwanderungstendenzen
27
Bleibeorientierung2000 und 2011 im Vergleich
Erhebungszeitpunkt28
Bleibeorientierung nach Region2011er Survey
26%16%
51%50%
23%34%
0%
20%
40%
60%
80%
100%
Stadt Land
HochMittelNiedrig
Bleibeorientierung
Region29
Bleibeorientierung2011er Survey
Stärke der Bedingungsfaktoren
+++- Selbstverantwortung für Wohlfühlen im Wohnort- Bildung- Ausbildungs-/Berufstätigkeit- Ortsansässigkeit- Partnerschaft- Religionsgemeinschaft
+++Ausbildungs-/BerufstätigkeitPartnerschaftOrtsansässigkeitBildungSelbstverantwortung für Wohlfühlen im Wohnort
++Interesse an LokalpolitikZufriedenheit mit FreizeitangebotGeschlechtNationalität
Religionsgemeinschaft
+ZukunftssichtAlterVereinszugehörigkeit
0EhrenamtKontrollüberzeugung
30
Einschätzung der Berufsperspektiven in der Region2011er Survey
Gut Teils-teils Schlecht0%
20%
40%
60%
80%
100%
24%
35%41%
31
Einschätzung der Berufsperspektiven in der Region nach Wissenstand über Berufs- und Ausbildungsmöglichkeit
2011er Survey
Hoch Mittel Niedrig0%
20%
40%
60%
80%
100%
35%46%
60%
35%
41%30%
30%13% 10%
GutTeils-teilsSchlecht
32
Wissensstand über regionale Berufs- und Ausbildungsmöglichkeiten
Berufsperspektiven
Einschätzung der Berufsperspektiven in der Region nach Bleibeorientierung
2011er Survey
Gut Teils-teils Schlecht0%
20%
40%
60%
80%
100%
13% 20% 24%
43%47%
50%
44%33% 26%
HochMittelNiedrig
Bleibeorientierung
33
Einschätzung der Berufsperspektiven in der Region
Luxemburg als potenzieller Arbeitsort2000er Survey
Ja Nein0%
20%
40%
60%
80%
100%
30%
70%
In welchem Ort/Land möchtest du gerne berufstätig sein?
34
Luxemburg
Entfernungen zum Arbeitsplatz: tatsächlich und zukünftig
2011er Survey
tatsächlich zukünftig0%
20%
40%
60%
80%
100%
51%
8%
23%15%14%
24%
11%
53% 1-10km11-20km21-30km31km und mehr
Ø = 15km Ø = 40km
Entfernung in km
35
Rückkehrabsicht 2011er Survey
Könntest Du Dir vorstellen, später wieder in Deinen Heimatort zurückzukehren?
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Zwischenfazit: Bleibeorientierung und Abwanderungstendenzen
• Die Hälfte der Jugendlichen geht im Jahr 2000 genauso wie 2011 mit der Wanderungsfrage sehr pragmatisch um: man hält sie – und damit für sich auch unter-schiedliche Optionen – offen. In diesem „Optionenraum“ sehen sich junge Menschen, die auf dem Land wohnen, gegenüber ihren Altersgenossen aus der Stadt keineswegs benachteiligt.
• Zahlreiche Kriterien spielen hier eine Rolle („polyvalente Entscheidung“), die sich in folgende „Bedingungskategorien“ bündeln lassen:– biographische Faktoren (Ortsansässigkeit, Geschlecht, Alter, Bildung)– soziale Faktoren (Eltern, Freund/Partner, Vereinszugehörigkeit, ehrenamtliche/
politische/ kirchliche Aktivitäten)– emotionale Faktoren (Ortsbindung, Zugehörigkeitsgefühl, Heimatliebe) – infrastrukturelle Faktoren (Schule, Ausbildung, Beruf, Freizeit/Kultur) – Mobilitätsinvestitionen (Fahrzeit zum Ausbildungs- resp. Arbeitsplatz)
• Vielen Jugendlichen ist die Bandbreite vorhandener Ausbildungsgänge und Tätigkeitsfelder sowie die damit verbundenen Perspektiven in ihrer Heimatregion nicht bekannt. Dies beeinflusst die persönliche Zukunftsplanung und Bleibeorientierung.
• Ländliche Lebenswelten sind für viele Jugendliche – auch nach einer Abwanderung – eine Art emotionaler Lebensmittelpunkt („Distanzbindung“), an den man in späteren Jahren durchaus wieder zurückkehren möchte („Rückkehrabsicht“).
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6) Fazit: Landjugend heute – eine „pragmatische Generation“
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Fazit: Landjugend heute – eine „pragmatische Generation“
• Die Lebensplanung der heutigen Landjugendlichen – und zwar ganz gleich ob an der Mosel, in der Eifel oder im Hunsrück – lässt sich als optimistisch, bildungsorientiert, selbstverantwortlich und zukunftsorientiert umschreiben. Ihnen ist zwar bewusst, dass es in der „Multioptionsgesellschaft“ keine Gewissheit mehr gibt, ob sie einen Beruf finden und eine Familie gründen können, also einmal die klassischen Insignien des Erwachsenenseins einnehmen werden. Aber sie sind zuversichtlich und trauen sich dies zu. Leistungsstreben, Lernbereitschaft, Gemeinschafts- und Familienorientierung bilden – in Verbindung mit einer hohen Anpassungsbereitschaft und Flexibilität – das „motivationale Fundament“ einer Generation von Landjugendlichen, für den die Devise gilt: Die objektive Lage ist zwar schwierig, aber ich kann mich durch eigene Anstrengungen ihrem Abwärtssog entziehen („pragmatische Lebenskünstler“).
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Landjugend und Zukunft: Herausforderung „ja“ – Verzweiflung „nein“
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41
JUGENDin der EIFELBettina Bartzen
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
ppt-Folien: www.waldemar-vogelgesang.de