Fall Kampusch

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  • 5/11/2018 Fall Kampusch

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    Dr. Johann RzeszutPrasident des Obersten Gerichtshofes i.R.

    p.A, OGHPrilsidiumJustizpalast, Schmerlingplatz 1011

    1016 WienTel.Nr.: +43(0) 6765081005

    HerrnDr. Josef CAPObmann des Klubs der sozialdemokratischen Abgeordneten zum NationalratBermKarlheinz KOPFObmann des Parlamentsklubs der Osterreichischen VolksparteiHerrnHeinz-Christian STRACHEObmann des Freiheitlichen ParlamentsklubsFrauMag. Dr. Eva GLAWISCHNIG - PIESCZEKObfrau des Grunen Klubs im ParlamentHerrn Josef BUCHERObmann des Parlamentsklubs des Bz6durchwegs Parlament, Dr. Karl Renner - Ring 3I017Wien

    Wien, am 29. September 2010Sehr geehrte Frau Dr. Glawischnig,sehr geehrte Herren Klubobmanner !

    Betrifft: Art. 52 B-VG - Sachverhaltsmitteilung zum staatsanwaltschaftlichenErmittlungsverfahren im Abgangigkeitsfall Natascha Kampusch

    Das vorliegende Schreiben fallt mit nicht leicht, als ehemaligem Staatsanwalt undauch im Ruhestand mit der Justiz bleibend verbundenem Richter sogar extrem schwer, aberdas Gewicht und die grundsatzliche Bedeutung der zum EntfUhrungs- und AbgangigkeitsfallNatascha Kampusch im Bereich staatsanwaltschaftlicher Verantwortung praktiziertenatypischen, sachlich nicht nachvollziehbaren Vorgangsweisen und die in diesemZusammenhang Ieider gemachte Erfahrung, dass eine sachdienliche ressortinterne Abhilfeauch in oberster Ebene nicht zu erwirken war, machen es mit mit Blick auf Art. 52 B-VOzur Pflicht, die Fiihrungsverantwortung der Klubs der im Parlament vertretenen Parteienentsprechend zu informieren. Dies umso mehr als man nach allem, was dazu bekannt wurde,nicht umhin kann, den tragischen Sefbstmord von Polizeioberst Franz Kroll, des fruherenLeiters des Landeskriminalamtes Steiermark und zuletzt fiihrenden Ermittlers der mit dem

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    "Fall Kampusch" betrauten operativen Sonderkommission des Bundeskriminalamtes, alsVerzweiflungstat zu verstehen, die nicht unwesentlich durch eine unverstandlich beharrlicheResistenz der staatsanwaltschaftlichen Ermitthmgsleitung gegeni.ibersicherheitsbehordlichem Ermittlungsfortschritt entscheidend mitausgelost wurde.

    Vorweg: Ginge es aliein urn ein Opfer, das im Alter von 10 Jahren - damalserwiesenermaben gegen semen Willen - entfiihrt wurde und in der Folge unter Bedingungenzu einer jungen Frau heranwuchs, die m it nonnaler Kindheit nichts zu tun hatten, ware diestrafrechtliche Seite des Falls mit dem Ableben des vom Opfer bezeichneten angeblichenAlleintaters abgeschlossen und Opferinteressen an einem ehestmoglichen Abklingenbelastender Kindheitserfahrungen uneingeschrankt zu respektieren. Was in der Foigeangesprochen wird, ist das - auch wirksamen Opferschutz einschliefsende - offentlicheInteresse an sachkompetenter und pflichtgemafser Wahrnehmung staatsanwaltschaftlicherVerantwortung, das insbesondere im Bereich kapitaler Delinquenz akzentuiertes Gewicht hatund es vorliegend nicht zulasst, mit Stillschweigen daruber hinwegzugehen, was imFolgenden aufgezeigt wird.

    Die fachlich plausibel nieht zu erkldrenden Besonderheiten desstaatsanwaltschaftlfchen Ermitthmgsverfahrens zum sog. Fall Kampusch liegen:

    1.) - in einer kensequenten und beharrlich fortgesetzten Vernachlassigungentseheidender pohzeilicher Ermittluugsergebnlsse, insbesondere der Angaben dereinzigen unbetelligten Tatzeugin Ischtar Rahel Akcan, die nach dem Inhalt derpolizeilichen Errnittlungsakten in der Zeit vom 3. Marz 1998 bis 31. August 2006 beiinsgesamt sechs akteakundigen Befragungen durch Beamte unterschiedlicherSicherheitsbehorden durchwegs mit Bestimmtheit bekraftigte, beim Zugriff auf dasTatopfer zwel mannfiche Tater ( neben dem handanlegenden Gewalttater - gleichzeitig -auch einen am Fahrersitz wartenden und in der Folge das Fahrzeug lenkenden Komplizen)wahrgenommen zu haben. Obwohl die Angaben der Tatzeugin seit teilweise Hinger als achtJahren aktenkundig waren, wurde das Anwesen des Wolfgang Priklopil in StraBhof auf derBasis allein der Opferangaben i.iber nur einen (am 23. August 2006 aus dem Lebengeschiedenen) Entfiihrer justizie]! umgehend zur teilweisen Raumung freigegeben und dasEnnittlungsverfahren (zunachst bereits) nach wenigen Wochen finalisiert, Dass im Anwesendes Nachrichtentechnikers Wolfgang Priklopil in der Folge keine wie immer gearteteelektronische telekommunikative Ausrustung, insbesondere auch kein einschlagigesSpeichermaterial gefunden wurde, musste daher nicht verwundem. Auf derselben Linie lages, dass es von staatsanwaltschaftlicher Seite unter anderem auch nicht der Millie wertbefunden wurde, die (sparer als aussagerelevant verifizierten) Ergebnisse einerRufdatenruckerfassung, die hinsichtlich sichergestellter Mobiltelefone angeordnet wordenwar, uberhaupt nur zu sichten, geschweige denn auszuwerten.

    2.) - in der langfristigen Verzdgerung bzw. bis zuletzt ganzlichen Unterlassungnachhaltigst indizierter wesentlicher Ermittlungssehritte, deren entscheidendeBedeutung von allem Anfang an auf der Hand lag und die am 30. April 2008 imBundesministerium fU r Inneres bei einer Besprechung detailliert erertert wurden. An dieserermittlungsstrategischen Besprechung, die tiber Initiative der Evaluierungskommission desBundesministeriums fur Inneres zustande kam, nahmen als fiihrende Vertreter derOberstaatsanwaltschaft Wien deren Leitender Oberstaatsanwalt Dr. Werner Pleischl und

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    einer seiner Vertreter, fi1r die Staatsanwaltschaft Wien deren Leitender Staarsanwalt Dr.Otto Schneider und der den konkreten Fall bearbeitende Staatsanwalt Mag. Hans-PeterKronawetter, femer die Mitglieder der Evaluierungskommission (mit Ausnahme desdamals verhinderten Kommissionsvorsitzenden) und Beamte des Bundeskriminalamtes teil.Bei dieser Besprechung wurde den staatsanwaltschaftlichen Verantwortungstragern dieVideeaufzeiehnuag der unter Beiziehung der Tatzeugin durchgeftlhrten Tatrekonstruknonprasentiert und jedern von ihnen ein (unter fuhrender Mitwirkung von Oberst Franz Krollerstelltes) Kompendium wesentlicher Aktenteile ausgefolgt. Nach dem einveraehmltehenBesprechungsergebnis sollte das Ermittlungsverfahren demnach mit der Bildung einesaus Vertretern der Staatsanwaltschaft Wien und des Bundeskriminalamteszusammengesetzten Teams wieder aufgenommen, dieses Vorhaben jedoch vorerststaatsanwaltschaftlich der damaligen Justizministerin berichtet werden. Noch im Zuge dieserSitzung wurde die staatsanwaltschaftliche Seite daruber informiert, dass (ua auch) OberstKroll :fiir das ins Auge gefasste Ermittlungsteam von sonstigen Aufgaben freigestellt werde.Naeh wochenlangem Zuwarten auf die angektmdigten staatsanwaltschaftlichenVeranlassungen zu der in Aussicht genommenen Teambildung musste durch entsprechendeNachfragen (bei der Oberstaatsanwaltschaft Wien und beim Bundesministerium fiir Justiz )in Erfahrung gebracht werden, dass die Staatsanwaltschaft Wien und dieOberstaatsanwaitsehaft Wien entgegen dem einverstandlichen BespreehungsergebnisYom 30. April 2008 (und ohne jedwede Information fur die fallspezifisch bereitsfreigestellten Beamten des Bundeskriminalamtes) dem Bundesministerium fur Justizberiehtet hatten, ein weiterer fallbezogener Ermittlungsbedarf ware nieM zu ersehen.Dies stand damit im Einklang, dass es sowohl LOStA Dr. Pleischl (und sein Vertreter), alsauch LStA Dr. Schneider nicht fur notig erachteten, das ihnen zur Unterstutzung ihrerAufsichtspflicht vorbereitete Aktenkompendium am 30. April 2008 nach Sitzungsabschlussmitzunehmen und so1cherart wenigstens eine Anscheinsoptik pflichtgemalsen Fallinteresseszu wahren (die Unterlagen wurden von den durchwegs Leitungsverantwortlichen mit demBemerken retourniert, der Sachbearbeiter Mag. Kronawetter ver:fiige ohnedies uber einentsprechendes Exemplar).

    3.) - in einer wesentlichen und langfristigen Behinderung der vom Innenressortangeordneten Evaluierung sicherheitsbehordlicher ErmittlungsmaJ3nahmen, indem derEvaluierungskommission und damit dem Innenressort die Einsichtnahme in die justiziellunter Verschluss gehaltenen polizeilichen Niederschriften mit Natascha Kampusch unddamit die Wahrnehmung der ressortintemen Fachaufsicht verwehrt wurde.

    4.) - in der medialen Verbreitung krass wahrheitswidriger Infermationen zumErmittlungsverfahren und zu angeblichen Verzogerungsursachen.

    5.) - in einer sachlieh nicht vertretbaren Druckausfibung auf [enenPohzelbeamten, der zuletzt vom Bundeskriminalamt fuhrend mit den fallbezogenenErmittlungen beauftragt war. Es handelte sich dabei urn den dem Bundeskriminalamtzugeteilten vormaligen Leiter des Landeskriminalamtes Steiermark, Oberst Franz Kroll,dey in seinem beruflichen Umfeld (nicht nur bei den Mitgliedern deyEvaluierungskcmmission im Rahmen nahezu zweijahriger enger Zusammenarbeit) als injeder Hinsicht vorbildlicher, extrem gewissenhafter, sachkompetenter und loyaler Beamterhochgeschatzt war. Er wurde in der Schlussphase des Ermittlungsverfahrens, insbesondereim Anschluss an effie (unter Beteiligung von aStA Dr.Thomas Muhlbacher, der Mitglieder

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    der Evaluierungskommission sowie der Polizeibeamten Oberst Kroll und ChefinspektorLinzer abgehaltenen) Bespreehung des damals aktuellen Ermittlungsstandes am 20,November 2009, unter Druck gesetzt, indem man ibm (nach seinen eigenen Worten)"unmissverstandlich nahe legte", den Ermittlungsakt zwecks Durchflihrung einer finalenPressekonferenz umgehend zu schlielsen. Diese Pressekonferenz, bei der die Offentlichkeit -wie dann im Janner dieses Jahres tatsachlich geschehen - uber eine Entkraftung desVerdachtes der Tatbeteiligung eines oder mehrerer Entfuhrungskomplizen des WolfgangPriklopil informiert werden sollte, war laut Aviso Dris, Miihlbacher in letzterwahnterSitzung von staatsanwaltschaftlicher Seite bereits fur die erste Dezemberhalfte 2009 geplant.Dieses staatsanwaltschaftliche Vorhaben kam fU r die Mitglieder derEvaluierungskommission und fur Oberst Franz Kroll umso unerwarteter, als sich kurz zuvorweiterer akzentuierter Aufklarungsbedarf ergeben hatte. Laut einem krfminaltechntscheaUntersuchungsbericht vom 18. November 2009 weist eine angeblich von WolfgangPriklopil begonnene Abschiedszuschrift an seine Mutter, die von seinem Freund undGeschaftspartner prasentiert worden war, keine Ubereinstimmung mit der Handschrift desbehaupteten Verfassers, dafur aber teilweise eine nennenswerte Affinitat zur Handschrift desGeschaftspartners auf. Erst auf Grund des nachdrucklichen Vorhalts aus derEvaluierungskommission, dass neben anderen justiziellen Versaumnissen noch nicht einmaldie aus nahe gelegenen Grunden primar unabdingbare Gegennberstellung der (justiziell imUbrigen bis heute noch nie vemommenen) Tatzeugin Ischtar Rahel Akcan mit NataschaKampusch vorgenommen worden war, lief Dr. Muhlbacher eine entsprechende Bereitschaftmit dem Bemerken anklingen, dass die Pressekonferenz "dann eben Anfang Janner 2010stattfinden" werde. Bezeichnender Weise verst and er sich zu dieser Erklarung gegenuber denKornmissionsmitgliedern, obwohl es damals als vollig offen zu gelten hatte, welchesErgebnis die reklamierte Gegenuberstellung zeitigen wurde. Aus staatsanwaltsehaftlicherSteht stand semit der Ermittlungsabschluss bereits am 20. November 2010 deflfiitivfest.

    Was anschlieBend geschah, war eine konsequente Umsetzung dieses Vorhabens:Ohne class es in der Folge zu einer den gesetzlichen Vorgaben gemaf 163 Abs. 3 StPOentsprechenden Gegemtberstellung der beiden Tatzeuginnen mit gravierendenAussagedivergenzen kam, beugte sich Oberst Kroll den unmissverstandlich zum Ausdruckgebrachten abweichenden staatsanwaltschaftlichen Intentionen ( 99 Abs.l, 103 Abs.lStPO) am 3. und 4. Dezember 2009 in einer Weise, die seiner mit denKommissionsmitgliedern (insbesondere auch in Einzelgesprachen mit dem Gefertigten)immer wieder erorterten personlichen Beurteilung des Ermittlungsstandes und deranstehenden Ermittlungsschritte krass widersprach. An Stelle der sachlich langst (seit mehrals drei Jahren) als Beweisaufnahme auf justizieller Ebene uberfalligenZeugengegenuberstellung kam es am 3. Dezember 2009 unter Beiziehung jeweiligerBegleitpersonen zum Arrangement eines inform ellen Gesprachskontakts zwischen denbeiden jungen Frauen, dessen Ablauf und Inhalt Oberst Kroll am Folgetag lediglich ineinem Amtsvermerk festhielt (Naheres unten ad 5.) Daraus ist ersichtlich, dass das (inAnwesenheit von Natascha Kampusch, ihres Rechtsbeistands und ihres psychologischenBetreuers, sowie ferner der Zeugin Ischtar Rahel Akcan, ihrer Mutter Rosa Akcan und derbeiden Polizeibeamten Oberst Kroll und Chefmspektor Linzer abgelaufene) Gesprach invoUig atypischer nod krass einseitig-suggestiver Einflussnahme auf Ischtar Rahel Akcanausschliefslich darauf ausgerichtet war, die langjahrig konstanten Angaben dieser Zeugintiber den Entfiihrungskomplizen des Wolfgang Priklopil, die den staatsanwaltschaftlichen

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    Einstellungsintentionen hinderlich entgegenstanden, zu beseitigen. Oberst Kroll wurde mitdieser vorgegebenen Vorgangsweise, bei der wesentliche, der massivenZeugenbeeinflussung krass widerstreitende Ermittlungsergebnisse gezielt und ohnejedweden Vorhalt unerwahnt blieben, in der Folge seelisch nicht fertig und verubteschliefslich (nach monatelangen Selbstvorwurfen) am 25. Juni dieses Jahres Selbstmord,indem er sich erschoss. Nach allem, was dazu aus seinem privaten und dienstlichen Umfeldbekannt wurde, kommen fUr diese Verzweiflungstat ausschiie8lich dienstliche Grfiude inBetraeht, die mit dem angesprochenen Ermittlungsverfahren und dessen vonstaatsanwaltschaftlieher Seite in fachlich nicht naebvollziehbarer Weise geleaktemAbschluss zusammenhangen (dazu Naheres: unten Ad 5.).

    Dazu im Folgenden die wesentlichen Sachverhaltsdetails:Am 10. Februar 2008 setzte der damalige Innenminister zur Evaluierung der

    sicherheitsbehordlichen Behandlung des "Fanes Natascha Kampusch" eine weisungsfreigestellte Evaluierungskommission ein, die beauftragt wurde, die sicherheitsbehordlicheFallbearbeitung nachzuvollziehen, Moglichkeiten zu allfalligen Strukturverbesserungen inder polizeilichen Arbeit zu sondieren und gegebenenfalls entsprechende Vorschlageauszuarbeiten. Die damit verbundene Beschaftigung mit dem sicherheitsbehordlichenErmittlungsverfahren eroffnete zwangslaufig aueh einen kontextabhangigen Einblick in diejustizielle, insbesondere staatsanwaltschaftliche Fallbehandlung, deren Bewertung derEvaluierungskommission des Innenressorts naturgemaf entzogen war.

    Was allerdings dazu wahrend eines Zeitraums von rund zwei Jahren an atypischenBesonderheiten hervorkam bzw. praktiziert wurde (siehe unten zu 1. und 2.), gab aus nochdarzulegenden Grunden gravierenden Anlass zu im Ergebnis letztlich erfolglos gebliebenenVersuehen, innerhalb des Justizressorts die gebotene kompetente Abhilfe zu erwirken. Diesgeschah zunachst durch personliche Gesprachskontakte des Gefertigten mit JustizministerinDr. Bandion - Ortner (Juni/Juli 2009), die in die Zusage einer eingehenden ministeriellenPriifung der staatsanwaltsehaftliehen Fallbehandlung miindeten und zunachst immerhin damfuhrten, dass der (damals der Oberstaatsanwaltsehaft Graz angehorende) OberstaatsanwaltDr. Thomas Muhlbacher zunachst mit der Klarung der Frage befasst wurde, ob derEvaluierungskommission die ihr von justizieller, insbesondere staatsanwaltschaftlieher Seitelangfristig verwehrte Einsicht in die unter Versehluss gehaltenen polizeilichenNiedersehriften mit Nataseha Kampusch zu eroffnen sei. Unter dem Eindruck eines imWoehenmagazin "prom" veroffentlichten Interviews mit dem Leitenden OberstaatsanwaltDr. Werner Pleischl (Oberstaatsanwaltschaft Wien) richtete der Gefertigte (alsehrenamtliches Mitglied der Evaluierungskommission) am 24. Juli 2009 ein ( in seinemWortlaut der Beilage 1zu entnehmendes) Schreiben an die Justizministerin Dr. Bandion-Ortner, in dem jene gravierenden Grunde angefuhrt wurden, die eine ehestmogliche, naehkonkreten verfahrensaktuellen Erfahrungen im Interesse eines saehdienliehenVerfahrensfortganges unabdingbare Ubertragung der weiteren justiziellen Fallbearbeitungaus dem Verantwortungsbereieh der Oberstaatsanwaltsehaft Wien an eine andere, ihremEinfluss nicht unterliegende staatsanwaltsehaftliche Ermittlungsverantwortung dringendnahe legten. Dem Kabinettschef des Justizministeriums Mag. Georg Krakow ging per Maileine entsprechende Vorausinformation zu (Beilage 2). Initiativen zur Ubertragung derleitenden Ermittlungsverantwortung aus dem Kompetenzbereieh der OberstaatsanwaltsehaftWien zu einer ihrem Einfluss nicht unterliegenden Ermittlungsleitung sind in der Folge nicht

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    bekannt geworden, Man beschrankte sich lediglich auf die Veranlassung einer partiellenUnterstutzung der staatsanwaltschaftlichen Fallbearbeitung, indem OStA Dr. Mtihlbachermit einem Teil seiner Arbeitskraft fur das weitere, in der fuhrenden Verantwortung derOberstaatsanwaltschaft Wien belassene Ermittlungsverfahren freigestellt wurde.

    Bei den eingangs zu den Punkten 1. bis 5. angesprochenen Auffalligkeiten in derWahrnehmung staatsanwaltschaftlicher Verantwortung handelt es sich im Einzelnen umfolgende aktenkundige Fakten:Ad 1.uno 2.):a) Beharrliche Nichtbeachtung der Angaben der einztgen unbeteillgten Zeugin IschtarRabel AKCAN zum Tathergang am 2.Man 1998

    Die damals zehnjahrige Natascha Kampusch wurde bekanntlich am 2. Marz 1998kurz nach 7 Uhr in Wien 22., Rennbahnweg, auf dem Schulweg in einen weiBenKastenwagen gezerrt und war in der Folge bis zum Fruhnachmittag des 23. August 2006abgangig, Der Taterzugriff und der Abtransport des Tatopfers wurden von einer (der nebenNatascha Kampusch einzigen) Tatzeugin unmittelbar wahrgenommen, Es bandelte sichdabei urn die damals zwolfjahrige Schtilerin Ischtar Rahel AKCAN, die das (aus seinerZufahrtsrichtung gesehen am rechten Fahrbahnrand) geparkte Tatfahrzeug zum Tatzeitpunktauf dem gegenuberliegenden Gehsteig in zur Opferannaherung entgegengesetzterGehrichtung passierte. Ihre von Anfang an wesentlichen Angaben tiber die unmittelbareTatbeteiligung zweier mannlicher Personen , die der spateren Darstellung der NataschaKampusch, sic sei lediglich von Wolfgang Priklopil ohne Beteiligung eines Komplizenentfiihrt worden, unvereinbar zuwiderlaufen, fanden in den sicherheitsbehordlichenErmittlungsakten nachangeflihrten Niederschlag, auf dessen detaillierte Wiedergabe hierwegen seiner besonderen Bedeutung nicht verzichtet werden kann :

    Am 3. Marz 1998 meldete sich Ischtar Rahel AKeAN in Begleitung ihrer MutterRosa AKCAN am Polizeiwachzimmer 1220 Wien, Rennbahnweg 27, und machte Angabenzum Tathergang, die mit polizeiliehem Berieht vom selben Tag inhaltlich festgehaltenwurden. Die Tatzeugin bekundete dabei ausdrUcklich und unrnissverstandlich dieBeteiligung zweier Tater, namlich die Handanlegung durch einen von ihr detailliertbeschriebenen (sparer als Wolfgang Priklopil identifizierten) Tater und die Fahrzeuglenkungdurch eine zweite, jedenfalls mannliche Person, die sie infolge dunkler Fahrzeugverglasung" nicht richtig sehen" konnte:" ...Erinnerlich ist mir, dass der Mann, der das Madchen ins Auto zerrte, ca. 30 Jahre altwar, ca. 175 em groll, schwarzes kurzes Haar, nach ruckwarts frisiert mit einzelnen blondenStrahnen, sudlicher Typ, bekleidet mit buntem T-Shirt und daruber einem einfarbigen hellenHemd. Den Fahrer konnte ich aujgrund der dunklen Scheibenfarbung nicht richtig sehen.Ich nahm nur wahr, dass sich eine mannliche Person auf dem Fahrersitz befand. ... "Das Tatfahrzeug beschrieb die Zeugin als weiBen Kastenwagen mit einem an der Heckseiteauffallenden "Buckel". Sie gab weiters an, das Tatfahrzeug kurz darauf nochmalswahrgenommen zu haben: " ..Jch ging meinen Weg weiter und fuhr das Auto einige Minutensparer an mir vorbei in Richtung Schwimmbad ... ". Ischtar Rahel AKCAN, die das fur bisdahin personlich nicht, lediglich vom Sehen her bekannt gewesene Tatopfer objektiv

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    zutreffend als ca. zehnjahrig einstufte, wurde dabei polizeilich ausdrucklich "glaubwfudigerEindruck" bescheinigt.

    Laut Bericht des Slcherheitsbftros vom 5.Mn1998 bekraftigte die Tatzeugin ihreAngaben vom 3. Marz 1998 zwei Tage danach als mit Sicherheit richtig und hielt lautgleichfalls aktenkundigem Bericht des Slcherheitsbures anlasslich einer erganzendenBefragung am 17. Man, 1998 erneut daran fest. Dementsprechend wurde die von IschtarRahel AKeAN fortgesetzt bekundete Tatausfuhrung durch zwei mannliche Tater, von deneneiner das Tatfahrzeug lenkte, der andere das Opfer ill den Kastenwagen zerrte, vomSicherheitsburo auch als Grundlage der am 18. Man 1998 in Umlauf gesetztenfernsehriftllchen Tatbeschreibung iibernommen. Laut Bericht des Sieberheitsburos vom19. Man 1998 wurde die Tatzeugin an diesem Tag nochmals erganzend befragt, wobei siekeine neuen Angaben machte und es abermals als "sicher" zum Ausdruck brachte, dass essich bei jenem weillen Kastenwagen, der ihren fortgesetzten Schulweg auf einerFolgekreuzung querte und von fur dabei erneut (auch von der Frontseite her)wahrgenomrnen wurde, urn das (mit zwei mannlichen Personen besetzte) Tatfahrzeughandelte.

    Nachdem samtliche Ermittlungsinitiativen des zunachst durch einen Zeitraum vonmehr als vier Jahren fallbefassten Sicherheitsburos zur Taterausforschung scheiterten, wurdedie weitere Bearbeitung des Abgangigkeitsfalls Natascha Kampusch ab 18. Juli 2002 demLandesgendarmertekommando Burgenland ubertragen.

    Laut Aktenvermerk der Kriminalabteihmg des LandesgendarmeriekommandosBurgenland VOID 15. November 2002 wurde Ischtar Rahel Akcan an diesem Tag vonBearnten dieser Dienststelle tiber we Wahrnehmungen zum Tathergang befragt. Diewesentlichen Passagen ihrer Angaben wurden dabei Cab der Wahrnehmung des auf dergegenuberliegenden Fahrbahnseite mit der Frontseite gegen ihre Gehrichtung geparktenTatfahrzeugs) inhaltlich wortlich wie folgt zusammengefasst:

    " . .Am Fahrersitz sajJ unbeweglich ein Mann und blickte nach vorne. Auf der ihr (derZeugin) abgewandten Fahrzeugseite offnete sich eine Schiebetur, ein Mann sprang herausund lief von ihr gesehen in Richtung rechts zu einem Madchen. Er packte dieses und zerrtedieses mit Gewalt in das Fahrzeug. Dabei schrie das Madchen laut und der Mann blickte,wahrend er das Madchen zerrte, zu ihr, so dass sie sein Gesicht von vorne sehen konnte .... ..'Da sie selbst grofie Angst hatte, verbarg sie sich hinter einer Gebuschreihe bei derHundewiese. Ischtar harte noch, wie die Schiebetur des Fahrzeuges zuschlug und sah, dassdas Fahrzeug wackelte ...Sie ist sich sicher, dass es sicb um 2 Manner gehandelt hatte, dader eine die ganze Zeit am Fahrersitz sitzen blieb. Nachdem die Schiebetur geschlossenwurde, fuhr das Fahrzeug sofort in Richtung Kreisverkehr und bog dart nach links ab ... Siebemerkte, als sie ihren Schulweg fortsetzte, class dieses Fahrzeug bei der ersten Gasse nachder Hundewiese wieder nach rechts in den Rennbahnweg einbog und in Richtung zweitenKreisverkehr davonfuhr Aufgefallen ist ihr nur, dass dieser grofie weij3e Wagen ander Ruckseite einen grofien "Buckel" hatte ...." .

    Am 27. August 2006 , somit bereits nach dem Ende der (bis 23. August 2006wahrenden) Abgangigkeit der Natascha Kampusch, wurde mit Ischtar Rahel AKeAN von

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    Beamten des Landeskriminalamtes Burgenland eine Niederschrift aufgenommen, dienachangefuhrten Wortlaut hat:

    .Jch. werde noch einmal mit dem Tag der Entfuhrung der Natascha Kampuschkonfrontiert, insbesondere mit dem Umstand, dass von mir 2 Personen im Fahrzeugwahrgenommen worden sind

    Ich gebe an, dass ich im Rahmen meiner Beobachtungen des damaligenFluchtfahrzeuges 2 Personen gesehen habe. Beide Personen saj3en vorne. Einer amFahrersitz, einer beifahrerseitig. Die ganze Sache habe ich allerdings bereits im Rahmenmeiner oftmaligen Einvernahmen genauestens angegeben.

    Noch einmal gebe ich an, dass ich das Tatfahrzeug von der Sette im Vorbeigehengesehen habe. Zu diesem Zei tpunkt war es mit 2 Personen besetzt. Ich muss aber anfuhren,dass das Fahrzeug, welches ich im Fernsehen gesehen habe, nicht hundertprozentig demFahrzeug entspricht, welches tch damals gesehen habe. Das Fahrzeug, das im Fernsehengezeigt wurde, hat hinten offene Scheiben, das Fahrzeug, das ich damals gesehen habe, warhinten verdun kelt. AufJerdem hat das Fahrzeug hinten am Heck eine Art" Buckel" gehabt,von der Dachoberkante bis zur Mitte Hohe des Aufbaues. Dieser Buckel ist mir bereits daserste Mal aufgefallen, als das Fahrzeug gestanden ist und auch beim zweiten Kreisverkehr,als es auf micb zugekommen ist. Auch dieser Buckel fehlt bet dem gezeigten Tatjahrzeug.

    Den Tater kann ich anhand der Bilder eindeutig als damaligen Beifahreridenttfizieren: Die Person vom Fahrersitz hatte ganz kurze Haare, eine Stoppelglatze. DieZeit vom ersten Mal, als ich den Bus gesehen habe, his zur Enifuhrung, also wo ich dieNatascha schreien gehort habe, hat etwa 2-5Minuien gedauert.Bei der Entfuhrung selbst, das heiJ3tzum Zeitpunkt, wo Natascha geschrieen hat undich die Turen des Fahrzeuges horte, habe ich nur eine Person am Fahrersitzwahrgenommen. Bet dieser Person konnte ich nur den seitlichen Kopfbereici i wahrnehmen.Db zu diesem Zeitpunkt jemand im Laderaum bei Natascha war, kann ich nicht sagen.Ich denke, dass ich das Fahrzeug dann kurz daraufnoch einmal gesehen habe, als esbei einem zweiten Kreisverkehr nochmals be; mir vorbeigefahren ist. Dabei habe ich jedochPriklopil nicht erkannt, da hatte er Brillen auf, auch hatte er die Haare irgendwie anders.Ich habe das Fahrzeug ein kurzes Stuck vorne gesehen, da es aus der zum Kreisverkehrfuhrenden Strasse in meine Richtung gefahren ist. Dieses Fahrzeug hatte auch den " Buckel"und die verdunkelten Scheiben.

    Ansonsten verweise ich. insbesondere mit den Beschreibungen etc., auf die bereitsgemachten Protokolle, das Ganze ist ja schon 8 % Jahre her, ich bin mir trotzdem sicher,dass eine zweite Person dabei war.

    Jch mochte anfuhren, dass ich Priklopil eindeutig anhand del' Bilder erkannt habe,auch als diese das erste Mal im Fernsehen waren, bin icb sofort aufgesprungen und (war)ganz aufgeregt. Das hat auch meine Mutter mitbekommen (Anmerkung: Mutter gibt an, dassTochter bei Erscheinen des Bildes im TV ganz aufgeregt war und sofort sagte, dass das diePerson vom Auto(Bus) war.) Ich schliefie aus, dass hinter dem von mir gesehenen Bus nocheiner gestanden ist, ich bin mir sicher, dass das der Bus der Entfuhrung war.

    Auch wenn mir gesagt wird, dass Natascha Kampusch aussagt, dass nur eine Persondie Entfuhrung gemacht hat, bin ich mir sicher, dass in dem Bus, welchen ich gesehen habe,2 Personen gesessen sind. Priklopil habe ich eindeutig erkannt, zur zweiten Person habe ichbereits Personenbeschreibung abgegeben. Dezidiert schliej3e ich.aus, dass Priklopil alleinein dem von mir gesehenen Bus war.

    Mehr kann ich dazu nichi sagen. "

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    Diese hier vollstandig und wortlich wiedergegebene, mit 27. August 2006 (!) datierteNiederschrift vor dem Landeskriminalamt Burgenland ist nach dem Informationsstand derEvaluierungskommission das erstefl) und bis heute einzige(!) von der Tatzeugin IschtarAKCAN unterfertigte Protekoll, das im Zuge des gesamten pelizeillcheu und justiziellenErmjttlungsverfahreas angefertigt wurde.

    Am 31. August 2006 wurde schlielslich von Beamten des LandeskriminalamtesBurgenland am Tatort Wien 22., Rennbahnweg (nahe der Kreuzung Melangasse) illBeiseinder inzwischen knapp 21-jahrigen Tatzeugin AKCAN nach deren Angaben und unterEinbeziehung des seinerzeitigen Tatfahrzeuges cine mit Videoaufzeichnung dokumentierteTatrekoustruktion durchgefiihrt, deren Ergebnis in einem Aktenvermerk vom selben Tagwie folgt festgehalten wurde:

    "Das Tatfahrzeug. der sichergestellte Mercedes ME 100-D-L, weifllackiert, ...wurdezum Rekonstruktionsort iiberstellt und dort in Fahrtrichtung Kubin Platz laut Angaben derZeugin Ischtar Rahel AKCAN geparkt. Da am Fahrzeug in der Zwischenzett die dunklenFolien der Fenster bereits entfernt wurden, erfolgte zusatzlich eine Identifizierung uberLichtbilder aus dem Jahre 1998. Ischtar Rahel AKCAN erkannte aufgrund dieser Lichtbilderund des geparkten Fahrzeuges mit grofter Sicherheit dieses als Tatfahrzeug wieder.Lediglich am Heck des Fahrzeuges Jehle dieser bereits mehrmals von ihr angegebene"Buckel". Dabei sol! es sich um eine schwarze Abdeckung fiber beide hinteren Heckfensterhandeln, welche ca 20 bis 30 em tiber das Fahrzeugheck hinausragte und die Formeines'iB" hatte. Dies habe sie damals beim geparkten Fahrzeug als auch bei ihrer zweitenBegegnung mit diesem Fahrzeug beim nachsten Kreisverkehr deutlich gesehen.Mit Ischtar Rahel AKCAN wurden anschliefiend der Schulweg, die Erstwahrnehmungdes Fahrzeuges sowie die weiteren Beobachtungen im Zuge der Entfuhrung besprochen undrekonstruiert. Dabei gab sie an, dass der ihr nun namentlich bekannte Wolfgang Priklopil imFahrzeug am Beifahrersitz saj3 und mit einem weiteren Mann, welchen sie nur seitlichgenauer gesehen habe, gesprochen hat. Dieser zweite Mann hatte ganz kurze braunlicheHaare (Burstenhaarschnitt - keine Glatze oder Glatzenansatz) gehabt und trug keinen Bart.Nachdem sie am Fahrzeug auf der gegenuberliegenden Seite in Richtung Wagramer StraJ3evorbeiging, habe sie die ih r vom Sehen her bekannte Natascha aus RichtungRennbahnwegsiedlung kommend auf der Strafsenseite des Fahrzeuges wahrgenommen;Plotzlich horte sie eine Schiebetur, blieb stehen, drehte sich zum Fahrzeug zuruck undkonnte sehen, wie Natascha durch Hande gepackt und zuruck zum Fahrzeug gezogen wurde.Gleichzeitig sah sie den Lenker im Fahrzeug sitzen, welcher seinen Kopf zur Seitenscheibegeneigt hatte. Danach bekam sie Angst und lief hinter die Busche der Hundewiese. Nachdemdas Fahrzeug unmittelbar danach in Richtung Kubin Platz weggefahren war, setzte sieaufgeregt ihren Weg in Richtung Wagramer StrajJe fort. Beim nachsten Kreisverkehr musstesie bei der Strofsenuberquerung stehen bleiben, da dieses Fahrzeug mit erhohterGeschwindigkeit von rechts kam und nach links weiterfuhr. Auch dabei habe sie die beidenManner wieder eindeutig gesehen, wobei Wolfgang Priklopil wieder am Beifahrersitz sichbe/and und der zweite Mann das Fahrzeug lenkte. Das Fahrzeug hatte mit Sicherheitruckseitig ein Kennzeichen angebracht, welches konne siejedoch nicht angeben.

    1m Zuge der Rekonstruktion wurde auch die Variante ohne Beifahrer und stattdiesem eine Jacke auf dem Sitz ausprobiert. Die Zeugin verblieb aber bei ihrer Aussage,dass zwei Manner sich im Fahrzeug befanden.

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    '" Abschliefiend wird angefuhrt, dass die Mutter Rosa AKCAN angab, dass als das ersteMal das Foto des Wolfgang Priklopil im Fernsehen gezeigt wurde, ihre Tochter sofortaufgeschrieen hatte und diesen als Entfuhrer der Natascha wieder erkanni hat. lschtarschlafe seitdem sehr unruhig und wird immer wieder nachts wack"

    Die polizeilichen Ermittlungsergebnisse beinhalten eine die Angaben der ZeuginIschtar Rahel AKCAN zeichnerisch festhaltende Skizze, auf welcher die Zeugin wegieichzeitige Wahrnehmung sowohl des Fahrzeuglenkers als allen des handanlegendenKomplizen mit strichlierten Sichtlinien veranschaulichte und dies auch mit einementsprechenden handschriftlichen Zusatz betonte.

    Diesen Zeugenangaben, die im inhaltlichen Kernbereich trotz langfristiger zeitlicherStreuung konstant und in ihrem zentralen Aussagewert von vereinzelten missverstandlichenDetails ihrer sicherheitsbehordlichen Dokumentation unbenihrt blieben, schenkte diestaatsanwaltschaftliche Verantwortung beider Instanzen konsequent keine Beachtung undlief immer wieder verlauten, dass es keinen Hinweis auf Tatkomplizen gabe.

    Obwohl es sowohl nach alter (bis 31.Dezember 2007 geltender) als auch nach neuerRechtslage zum strafprozessualen Einmaleins zahlt, wesentliche Widerspruche insicherheitsbehordlichen Ermittlungsergebnissen auf justizieller Ebene (fiiiherUntersuchungsrichter, jetzt Staatsanwaltschaft und/oder Ermittlungsrichter) abzuklaren,wurde Ischtar Rabel AKCAN von justjzieller Seite bis heute nichr ein einziges Malvern emmen. Was von justizieller, insbesondere staatsanwaltsehaftlicher Seite anVernehmungsinitiativen entfaltet wurde, beschrankte sich auf Befragungen der NataschaKampusch durch OStA Dr. Muhlbacher mit Unterstutzung durch eine weitere Staatsanwaltinim Herbst 2009 (I), bei denen noch dazu das von polizeiiicher Seite (Oberst Krell)vorbereitete Fragenprogramm nicht in allen Punkten erfullt wurde, und auf eine partielleTeilnahme von OStA Dr. Muhlbacher und der fun begleitenden Staatsanwaltin an derkriminalpolizeilichen Befragung des im Ermittlungskontext in vielfacher Hinsicht miterdruckendem detailliertem Ermittlungsbedarf auffallig gewordenen einzigen langjahrigenFreund und Geschaftspartner des Wolfgang Priklopil am 13. November 2009.

    Mit dem Ende der Abgangigkeit der Natascha Kampusch am 23. August 2006 (somitmehr als acht Jahre nach den oben wiedergegebenen aktenkundigen Erstangaben derunbeteiligten Tatzeugin) und dem Tod des von fur als Alleintater bezeichneten WolfgangPriklopil wurde dessen Anwesen Straflhof Heinestrasse 60, von justizieller Seiteunverznglich zur teilweisen, nukontrollierten Raumung durch den Freund undGeschaftspartner des Toten fretgegeben. Dieser berief sich bei der (noch wahrend dersicherheitsbehordlichen Tatortaufnahme einsetzenden umtriebigen) Wegschaffung nichtrnehr feststellbarer Objekte auf eine angebliche mundliche Bevollmachtigung durch dieMutter des Verstorbenen, die - dazu in der Folge befragt - eine derartigeGesprachseinlassung und eine Auftragserteilung der behaupteten Art nicht bestatigte. Selbsteine derartige, nach dem damaligen (und auch spateren) Ermittlungsstand fachlich nichtnachvollziehbare unkritische Preisgabe wesentlicher Beweismoglichkeiten und ein allfalligesBemuhen, die Bedeutung dieser Fehlleistung nachtraglich zu minimieren, reichen fu r sichallein nicht aus, die beharrliche Konsequenz schlussig zu erklaren, mit der sich diestaatsanwaltschaftliche Verantwortung seither jedem Ermittlungsansatz widersetzte, dergeeignet war, die Opferangaben tiber den angeblichen Alleintater kritisch zu hlnterfragen.Die staatsanwaltschaftliche Haltung ist auch aus der Sicht von Opferschutzinteressen umso

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    unverstandlicher, als eine Vielzahl unbestrittener Ermittlungsergebnisse ins Auge sprang(und seitens der fU r staatsanwaltliche Belange nicht zustandigen Evaluierungskommissionauch wiederholt mundlich wie schriftlich angesprochen wurde), die weiterenEnnittlungsbedarf zu einem unmittelbar beteiligten Entflihrungskomplizen unterstrich (dazuNaheres unten).

    Dies alles wurde den fuhrenden staatsanwaltschaftliehen Vertretem in der abenerwahnten Besprechung am 30. April 2008 nahe gebracht, die dann entgegen dem darterzieIten Einvernehmen dem Bundesministerium fur Justiz einen negativenVorhabensbericht in Richtung Verfahrensfinalisierung erstatteten. Es bedurfteanschlielsender Interventionen bis hin zur Inanspruchnahme der Hilfe derBundesministerinnen fiir Inneres und fur Justiz, urn die Oberstaatsanwaltschaft Wien unddie Staatsanwaltschaft Wien schlieBlich im Herbst 2008 zu.m Uberdenken ihres negativenBerichtsvorhabens zu bewegen. Das Ergebnis einer letztlich am 8.0ktober 2008 erwirktenSitzung li n Bundesministerium fur Inneres, an der auf justizieller Seite Vertreter derOberstaatsanwaltschaft Wien und der Staatanwaltschaft Wien teilnahmen, war ein nach Lagedes Falles (insbesondere mit Blick auf einen umfassenden polizeilichen Zwischenberichtvom 22. Oktober 2008 mit detailliert konkretisierten Verdaehtsaspekten) denkbar vagegehaltenes, mit 7. November 2008 datiertes Schreiben der Staatsanwaltsehaft Wien mit deman das Bundeskriminalamt gerichteten Auftrag, "im Rahmen von zweekdienliehenErkundigungen" bei vier namentlich genannten Personen ,~abzuk1iiren, obVerdachtsmomente in Riehtung 207a StGB konkretisiert werden konnen."

    Am 12. Dezember 2008 verfugte die Bundesministerin fU r Inneres erneWeiterfuhrung der Evaluierungskommlssion mit dem Ziel einer interdisziplinarenbegleitenden Unterstutzung der Kriminalpolizei, im Besonderen aueh der Evaluierungallfalliger weiterer VorwUrfe im Zusammenhang mit der bisherigen Bearbeitung des "FallesKampusch" wie aueh weiterfUhrender Ermittlungen jedweder Art. Auch dieFolgeerfahrungen zeigten, dass die gebotene sachgerechte kriminalpolizeilicheAusschopfung der verfugbaren Ermittlungsansatze keinen gr6Beren Widerstand zuuberwinden hatte, als die beharrliche Weigerung der staatsanwaltschaftlichen Verantwortungin beiden Instanzen, die zur Beteiligung eines Entflihrungskomplizen insgesamterdruckende Beweislage zur Kenntnis zu nehmen und insoweit zwangslaufig dieOpferangaben kritiseh zu hinterfragen. In diesem Zusammenhang seheute man sieh nicht,die Offentlichkeit (teils krass) wahrheitswidrig zu inforrnieren (dazu unten 4.).

    b) Sachhch nicht naehvollziehbare Alleinortentierung an den Angaben derNatascha Kampuseh zum Tathergang am 2. Marz 1998

    Was den Angaben der Nataseha Kampusch zur Frage eines von Wolfgang Priklopilversehiedenen Fahrzeuglenkers zu entnehmen ist, widerspricht der Darstellung der ZeuginAKeAN. Der von Kampuseh bekundete Ablauf ihrer Entfiihrung am 2. Marz 1998 stelltsich so dar, dass sie in (heckseitiger) Annaherung an das Tatfahrzeug bereits :.lUS einigerEntfernung reehts neben dem nachmaligen Tatfuhrzeug am Gehsteig' einen Mannwahrgenornmen, dabei ein .nngutes Gefuhl" gehabt und daher zunachst beabsichtigt hatte,die Strafienseite zu wechseln, Davon harte sie jedoch letztlich Abstand genommen, sei dannauf Fahrzeughohe von dem Tater erfasst und in das Fahrzeug gezerrt worden. Der Tater sei

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    dann auf den Fahrersitz geklettert und m it fur inder Folge langere Zeit in der Umgebung desTatorts umhergefahren .

    Die Frage nach Komplizen des Taters beantwortete Kampusch zunachst anlasslicheines informellen Gesprachs mit ihrer polizeilichen Erstbetreuerin am 23. August 2006(damals allerdings noeh ohne konkrete Bezugnahme auf einen Fahrzeuglenker) mit .Jchweill keine Namen", zu spateren Befragungsanlassen zunachst dahin, dass sie auBerWolfgang Priklopil keine weitere Person im Tatfahrzeug wahrgenommen habe, bis sieschliefslich zuletzt einen von Priklopil verschiedenen Fahrzeuglenker mit Bestimmtheitausschloss.

    Die Aussagedivergenzen zwischen den Zeuginnen Kampusch und Akean sind inihrem wesentlichen Kern (einerseits definitiver Ausschluss eines Komplizen alsFahrzeuglenker durch das Opfer als Wageninsassin, andererseits gieichzeitigeWahrnehmung einer mannlichen Person am Fahrersitz und eines weiteren, unmittelbarGewalt anwendenden Taters durch die unbeteiligte Zeugin) plausibel nicht mit bloBenWahrnelunungsfehlern, schlussig vielmehr nur mit partiell bewusst unwahren Angaben einerder beiden Seiten zu erklaren (dafur ausschlaggebende Motive liegen allein auf derOpferseite nahe). Dam fallt (von staatsanwaltsehaftlieher Seite erneut unbeachtet) auf, dassdie Darstellungen beider Zeuginnen, soweit sie sieh hinsichtlich der aus entgegengesetzterRichtung gleichzeitigen Annaherung an den Tatort wechselseitig unberuhrt lassen, imKentext eindeutig die Beteiligung zweier mannlicher Personen beststigen: Wenn sichnamlich Kampuseh dem Tatfahrzeug von dessen Heckseite her naherte und dabei den sparerals Wolfgang Priklopil identifizierten Tater schon aus einiger Entfernung rechts neben demFahrzeug am Gehstei12:stehend wahrgenornmen hat, drumwar die gleiehzeitig von Akcan ausder Gegenrichtung von der gegenuber liegenden Strafienseite her am Fahrersitzwahrgenommene mannliche Person notwendiger Weise em von (dem dutch das Fahrzeugzunachst ihrer Sicht entzogenen) Wolfgang Priklopil verschiedener Komplize. Nur dann,wenn der Zeugin Akean ohne jede Ermittlungsgrundlage unterstellt wird, sie hatte sich beiihrer Annaherung an die Frontseite des Tatfahrzeuges in der Wahrnehmung einermannlichen Person am Lenkersitz geirrt, bliebe Raum fiir die von Kampusch vorgebrachteEintaterversion. Ein derartiger Irrtum wurde der Tatzeugin nicht einmal bei der nochdarzulegenden inhaltlicben Inszenierung des Kontaktgesprachs zwischen fur und NataschaKampusch am 3. Dezember 2009 insinuiert.

    Die Anfuhrung samtlicher aktenkundiger Grunde, die hinreichenden Anlass gabenund geben, die Zuverlassigkeit der Angaben (aueh) der tatbetroffenen Zeugin kritisch zuhinterfragen, wurde hier zu weit fiihren, Lediglich beispielsweise sei angefuhrt, dass

    Natascha Kampusch aktenkundigen Ermittlungsergebnissen zufolge jahrelangmannigfaltige Gelegenheiten, mundlich oder (beispielsweise durch verdeckteAblage eines entsprechenden Zettels) schriftlich auf sich aufmerksam zumaehen, ungenutzt vorubergehen lieB, wie sommerliche und winterlicheAusfluge mit Wolfgang Priklopil mit zahlreichen, ihren eigenen Angaben zuentnehmende und teilweise auch durch Zeugenaussagen (zB fur Sommer 2004in Lackenhof) bestatigte Moglichkeiten zu Drittkontakten (Gastronomic,Skiverleih, Skilift, Toilettenbesuche etc), Einkaufstatigkeiten in Super- undBaumarkten wie auch an Tankstellen und in einer Apotheke,Nachbarschaftskontakte (zB wiederkehrende Benutzung des nachbarlichen

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    Swimming-Pools III Strafihof), Hilfeleistungen bei Arbeiten zurWohnungsrenovierung, Aufsuchen der Wohnung von Priklopils Mutter,Radausfluge, Ausflugsfahrt nach Orth an der Donau, durch Zeugen bestatigtesca. halbstandiges unbeaufsichtigtes Zuwarten auf Wolfgang Priklopil in dessenPKW vor der von ihm mitbetriebenen Veranstaltungshalle in Wien 23.,etc. bishin zu einer polizetltehen Verkehrskontrnlle, bei der sie als Beifahrerin desWolfgang Priklopil sogar unmittelbaren Pohzeikontakt hatte, sich jedoch aufblofses "Augenrollen" beschrankt haben will;Natascha Kampusch zum Ende ihrer Abgangigkeit eine seelisehe Verfassuug

    zeigte, die dem Bild eines jahrelang gefangen gehaltenen und gepeinigtenEntfuhrungsopfers krass widersprach, indem sie beispielsweise trotz angeblicherachtjahriger Gefangenschaft zum Ende ihrer Abgangigkeit ehestmoglichenKontakt weder zu ihrerMutter, noch zu ihrem Vater suchte, vielmehrausschliehlich an der aktuellen Lebenssituation ihrer GroHmutter interessiertwar, sie ferner Stolz daruber auBerte, seelisch starker als ihr Entfilhrer gewesenzu sein, und schon nach kurzem Primarkontakt einen Wechsel in der Person ihres(von ih r als unertraglich abgelehnten) Rechtsbeistands forderte und damit emVerhalten zeigte, das eher fur intaktes jugendliches Selbstbewusstsein als fureine schicksalsbedingt geknickte oder angeschlagene Personlichkeit spricht;die Tur des so genannten Verlieses mit einer gewindeabhangigenSperreinrichtung ohne Mithilfe von der Innenseite (Gegendruck) nichtkomplikationsfrei (bloB zufallsabhangig) abgeschlossen werden konnte;Natascha Kampusch sich im Zusammenhang mit ihrer Ruckkehr aus derAbgangigkeit nach der Beschaffenheit der flir sic angeblich neuen "Euro"-Mtlnze erkundigte und sich eine solche zeigen lieE, obwohl sie (nebenzahlreichen personlichen Einkaufserfahrungen) ohnedies selbst tiber Euro-Munzen und -Banknoten verfugte, wie sich bei der Sichtung ihrer im sog."Verlies" verwahrten Gegenstande herausstellte;Iaut polizeilichem Bericht vom 1. September 2006 (!) bereits damals geplant war,Natascha Kampusch unverzuglich nach dem Ende ihrer Abgangigkeit (23. August2006) durch wen schon damals bevollmachtigten Rechtsbeistand (RechtsanwaltDr. Gabriel Lansky) vom Ort ihrer damaligen Unterbringung (im AllgemeinenKrankenhaus Wien) "wcgzubringcn, da sic verschiedene Vertrage mitverschiedenen Medlen in Osterreich und Deutschland hat", was in der Folgeerst durch sicherheitsbehordliches Einschreiten im AKH- Bereich verhindertwerden konnte; dazu stellt sich die Frage, wie em versierter Rechtsanwalt, dertatsachlich an eine langer als acht Jahre wahrende Verlies-Anhaltung eines imEntfUhrungszeitpunkt 10-jahrigen Kindes glaubt, uberhaupt eine zurVollmachtserteilung taugliche Geschaftsfahigkeit der mittlerweile Jugendlichenannehmen kann;Natascha Kampusch die f U r ein Tatopfer ungewohnliche Interviewerklarungabgab, "ihr Fallwurde nie ganz geklart werden";sie we (mehr als drei Jahre nach Ende ihrer Abgangigkeit veranlasste)staatsanwaltschaftliche Vernehmung auffallig atypisch unterbrach, um sich mitihrem Rechtsvertreter uber die Tragweite ihrer unmittelbar vorangegangenenBekundung zu beraten, dass fur Entfilhrer das Tatfahrzeug auch an dem von ihrerMutter betriebenen Geschaftslokal vorbeigelenkt harte;

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    ein Kind ohne die Erfahrung funktionierender familiarer Geborgenheit sehr baldgeneigt sein kann, sich im Entfiihrungsfall mit del' Taterseite zu arrangierenund deren Angebot zu einer verlockend dargestellten, familienfernenLebensalternative anzunehmen, um schliefilich spater, etwa beim Eintritt in dieGroBjahrigkeit, die Tragweite fehlender Identitat und den Stellenwert einermoglichst opportunen Ruckkehr aus der Abgangigkeit samt entsprechendemHandlungsbedarf vo11zu erfassen;etc.,ete

    c) Staatsanwaltsehaftliche Vernaehlassigung weiterer ErmttrlungsansatzeHinzu kamen zahlreiche aktenkundige Ermittlungsansatze, die den langjihrigen

    Freund und Geschaftspartner des Wolfgang Priklopil, betreffen und vonstaatsanwaltschaftlicher Seite (bis heute) weder einzeln, geschweige denn in ihremkontextbedingten Beweiswert zum Anlass genommen wurden, ih n auf justizieller Ebene mitden gebotenen detaillierten Vorhalten zu vernehmen, wie dies seitens derEvaluierungskommission wiederholt (zuletzt sogar unter Hinweis auf stichhaltige Griindeftir eine Antragstellung auf Anordnung der Untersuchungshaft) angeregt wurde.

    1. Bei einer unmittelbaren Tatbeteiligung zweier Tater (umfassend tauglicheBeweisgrundlage: Zeugin Akcan) ist es nicht bloB nahe liegend, vielmebr zwingend, dassjener Tater, dem das gemeinsame Opfer spater entweicht, unverzuglich danach semenKomplizen kontaktiert (sofortiger Handlungsbedarf wegen der grundlegenden Anderungder Situation durch Kontrollverlust tiber das Opfer bei anlaufender Fahndung nach demnunmehr polizeibekannten der heiden Tater ). Vorliegend war es sein einziger langjahrigerFreund und Geschaftspartner, den Wolfgang Priklopil unverzuglich nach detn Enrweichender Nataseha Kampusch telefonisch kontaktierte. Priklopil hatte nach gesichertemErmittlungsstand em auBerst begrenztes personliches Umfeld, aus dem lediglich eine einzige(mannliche) Person fU r jenes Vertrauensverhaltnis in Betracht kam (und kommt), das flireine Deliktsaus:fiihrung der in Rede stehenden Art unabdingbar war: namlich sein einzigerenger langjahriger Freund und Geschaftspartner.

    Demgegenuber harte ein ohnedies bereits polizeibekannter Einzeltater, dem das Opferzur Polizei entwichen ist, ohne tatbeteiligtem Kornplizen (Version Kampusch) und ohnedem Erfordemis einer driugenden unverzuglichen Ubergabe belastenden Materials ausseiner Unterknnft keinen Grund, sich aus der unmittelbar fahndungsgefahrdetenUmgebung seines PKWs abholen zu lassen, wenn er gleichzeitig die wenigerfahndungsgefahrdete Anonymitat der U-Bahn (Station Kagran-Donauzentrum) zurVerfiigung hatte (Priklopil war nach dem Ergebnis der polizeilichen Tatortaufuahme ausseinem Haus unter Begleitumstanden zum Donauzentrum gefluchtet, die ein iibersffirztesIetztmaliges Anfsucben des sog. Verlieses belegten: umgesturzter Tresor vor offenerVerliestur, am Boden verstreute Sachwerte wie Schmuck, Bargeld, Sparbuch etc.;versehentliches Zurucklassen von Bargeld und Handy). Priklopil war Nachrichtentechniker,in seiner Unterkunft konnte (ein langst veraltetes Commodore-Modell fltrSpielverwendungen ausgenommen) keine elektronische Ausrustung (PC,Speicherinstrumentarium etc) sichergestellt werden.

    Im Ubrigen hatte die Planung einer gewaltsamen Kindesentfuhrung durch einenAlleintater ohne Komplizenuntersttttzung in verbautem Gebiet eine Fahrzeuglenkung samtgleichzeitiger Opferkontrolle und Verhinderung von Drittwahmehmungen (verkehrsbedingte

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    Anhaltephasen zB bei Rotlicht etc.) einzukalkulieren gehabt. Sie ware demnach a prioriohne realistische Erfolgsaussicht gewesen,

    2. Der erwahnte Geschaftspartner zeigte in unmittelbarem Zusammenhang mit demeigenmachtigen Entweichen der Zeugin Kampusch vom Anwesen Priklopils in StrafihofHeinest ra f se 60 , s inn fal li ge , flir e in en a ngeb lic h ta tu nb ete ilig te n F re un d u nd Gesc ha ftsp artn ervoUig atypische Auffalligkciten:a) Er lief Priklopil beim Donauzentrum, wo der Fltichtende seinen bereitspolizeibekannten PKW geparkt hatte, in semen eigenen PKW einsteigen, verbrachteanschlielsend mehr als mnl Stunden in unmittelbarer Nine des Ortes, wo er den damalsaus seiner Sicht mehrfach hilfsbedurftigen Freund und Geschaftspartner ohne Geld, Telefonund vor polizeilicher Nachforschung sicherer Unterkunft aus seinem Fahrzeug aussteigenlief und wo dieser kurz daraufvon einem Zug geradert wurde.

    b) Er entfernte ebenso unverztiglieh wie behdrdlich unbehindert nicht mehrkonkretisierbare Objekte aus dem Anwesen Priklopils, berief sich dabei auf eine angeblichmtindliche Ermachtigung durch die Mutter des Wolfgang Priklopil und erklarte diesesVorgehen sparer mit der Abholung von Werkzeug, das er an Priklopil angeblich verliehenhatte; dass die Mutter des Verstorbenen die Erteilung einer derartigen Ermachtigungverneinte, fugt sich in.das Bild,

    e) Er organisierte (als zuletzt angeblich nur sporadische Kontakte unterhaltenderFreund) innerhalb weniger Tage eine Pressekonferenz, bei der er eine von seiner Schwesterkonzipierte, inhaltlieh unrichttge Erklarung verlas und strikt hinzufugte, filr dariiberhinaus gehende Auskunfte nicht zur Verfugung zu stehen.

    d) Er prasentierte - nach entsprechender Einmahnung durch seine Schwester (derAntorin seiner tatsachenwidrigen Presseerklarung) - einen Zettel mit demhandschriftlichen Schriftzug "Mama" als angeblichen Versuch des Wolfgang Priklopil,Abschiedsworte zwecks Ubergabe an seine (Priklopils) Mutter zu verfassen. Einerwachsener Mann, der seinem Freund einen ausschliehlich mit "Mama" beschriebenenZettel als angeblichen Abschiedsgruf m it dem Ersuchen ubergibt, ibn im Ernstfall an dieMutter weiterzuleiten, widerspri ch t jedweder Lebenserfahrung.

    Es war daher nicht verwunderlich, dass laut kriminaltechnischemUntersuehungsberieht des Bundeskriminalamts - Abteilung Handschriften undUrkunden - vom 18. November 2009 dieser Schriftzug nach Ma13gabe verfugbarerVergleichshandschriften keinen Anhaltspunkt fltr eine Urheberschaft des Wolfgang Priklopilaufweist, dafur aber "einzelne aufzeigenswerte graphisehe Ubereinstimmungen" mit derHandschrift des befreundeten Geschaftspartners. Dem daraus folgenden gravierendenFalschungsverdacht mit nahe Iiegendem neuem und erweitertem Ermittlungsbedarf schenktedie damals (wie auch bereits langerfristig zuvor) zum Ermittlungsabbruch entschlosseneStaatsanwaltschaft (vgl. Ignorierung des ill Innenministerium erarbeitetenBesprechungsergebnisses vorn 30. April 20 08 d urch den negativen staatsanwaltschaftlichenVorhabensbericht an das Bundesministerium fU r Justiz; profit-Interview LOStA Dr. Pleischlaus Juli 2009 - dazu Beilage 1) keine wie immer geartete Beachtung, Die Staatsanwaltschaftging vielmehr mit dem illFolgenden zu 5.) behandelten Errnittlungsabschluss vor, dessenVerwirklichung eine gezielte Entscharfung der akzentuierten Angaben der Tatzeugin IschtarRahel Akcan fiber die Beteiligung zweier Tatkomplizen zur unabdingbaren Voraussetzunghatte.

    e) Der befreundete Geschaftspartner wurde kurz nach der Auffindung des totenWolfgang Priklopil bei einer mit diesem gemeinsam gewerblich genutzten Halle polizeilich

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    bei der Verbringung (gleichfalls) nicht naher festgestellter Gegenstande betreten und verlordabei ohne vorangegangene Konkretisierung des sicherheitsbehordlichen Einsatzgrundes ineinem fur die intervenierende Polizeibeamtin massivst alarmierenden AusmaB die Fassung(Schweiliausbruch, Gesichtsblasse, Zittern), wobei ibm die spontane Frage "Hot er'stle)nmbroeht., entglitt (die entsprechende Festnahmeanregung der lediglich fU r die Sicherungdes Einsatzortes zustandigen Polizeibeamtin CI Wipfler blieb seitens der operativensicherheitsbehordlichen Einsatzverantwortung unbeachtet).

    Der vorerwahnten Fragestellung, ordnet man ihr eine Ausrichtung auf NataschaKampusch zu, kornmt aus der Sicht keiner der vom in Rede stehenden Geschaftspartnerangebotenen Versionen seiner letzten Kontakte zu Wolfgang Priklopil schlussigeSinnhaftigkeit zu:

    Nach der Erstversion, Priklopil harte ihm gegenuber die Flucht vor der Polizeilediglich mit krass vorschriftswidrigern Verkehrsverhalten begrundet, konnte derGeschaftspartner von den Zusammenhangen Priklopil - Kampusch keine Kenntnis besitzen,Die polizeilich bekundete Fragestellung nach einer Totung der EntfUhrten war daher zumNachteil des Fragenden massiv belastend. Nach dem Wechsel seines Rechtsbeistandes imHerbst 2009 ersetzte er dann (mit einer Verspatung von mehr als drei Jahren nach dem Endeder Abgangigkeit der Natascha Kampusch) seine bisherige Einlassung durch cineZweitvariante, wonach Wolfgang Priklopil nach seiner Abholung vom Donauzentrum eine.Lebensbeichte" mit dem Eingestandnis der EntfUhrung samt anschlieBender achtjahrigerAnhaltung der Natascha Kampusch eroffnet hatte. Das damit ersichtlich verbundene Ziel,den belastenden Aussagewert der Angaben der Polizeibeamtin Chefinspektorin Wipfler zuder erwahnten Verbalreaktion (Hot er' s umbrocht?") plausibel zu entkraften, wurde damitjedoch nicht erreicht: die Frage nach einer allfalligen zwischenzeitigen Totung des Opfers,das inhaltlich der angeblichen, kurz zuvor erfahrenen Lebensbeichte des Taters zurfahndenden Polizei gefluchtet und damit auch nach dem Wissensstand des Geschliftspartnersdem Taterzugriff entzogen war, macht nicht mehr Sinn, als die versehentlich unterlaufeneBekundung eines Informationsstandes, den er nach eigener Erstversion gar nicht habenkonnte.

    Nahe Iiegender schlussiger Sinn kommt der Fragestellung hingegen zu, wenn sie inWahrheit - mit identem dialektgepragtem Ausspracheeffekt "Hot er'si umbracht 1" - aufWolfgang Priklopil selbst ausgerichtet war. Verdachtsmornente in der Richtung, dassjemand, der allenfalls Grund zur Falschung ansatzweiser Abschiedszeilen eines in derFoige auf Bahngleisen geradert Vorgefundenen an seine Mutter gefunden haben kann(kriminaltechnischer graphologischer Untersuchungsbericht vom 18. November 2009) ,auchdaran interessiert gewesen sein konnte, anlaufende sicherheitsbehordlicheErmittlungsinitiativen in Richtung Selbstmord zu kanalisieren, sind zumindest vorweg nichtvon der Hand zu weisen und demzufolge jedenfalls aufklarungsbedurftig. Aus potentiellerTatersicht waren ein paar Buchstaben, die planmaBig als abgebrochene Initiative zu einemAbschiedsbrief an die Mutter ins Treffen gefiihrt werden, unschwer als graphologischweniger verfanglich zu erkennen, als eine allfallige Komplettfalschung eines ganzen odermehrerer vollstandiger Satze.

    Dass der Priklopil-Geschliftspartner als Zeuge vor dem Bezirksgericht Gleisdorf (vondamals anwesenden Mitgliedem der Evaluierungskommission personlich wahrgenommenund teilweise auch mitnotiert, wenn auch ohne Niederschlag im geraffien gerichtlichenVerhandlungsprotokoll) im Widerspruch zu den aktenkundigen Angaben del' erwahntenPolizeibeamtin defmitiv abstritt, eine derartige Fragestellung ("Hot er's umbrocht ?")uberhaupt geaufsert zu haben, sei nur zur Abrundung hinzugefiigt.

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    f) Nachdem bekannt geworden war, dass Natascha Kampusch am 2. Marz 1998 miteinem weill lackierten Kastenwagen entfuhrt worden war, hat der Priklopil- Freund undGeschaftspartner seinen eigenen Angaben zufolge gemeinsam mit dem befreundetenRudolf Hurner Uberlegungen in der Richtung angestellt, ob Wolfgang Priklopil, urndessen gleichartigen Kastenwagen sie wussten, als Titer in Betracht kommen konnte,Diesen Gedanken will er gemeinsam mit dem genannten Freund, der dies bestatigt, jedochverworfen haben.

    Gleichzeitig gibt er aber zu, in unmittelbarem zeltlichem Umfeld zurEntfUhrungder Natascha Kampusch einen Bagger auf das von Wolfgang Priklopil bewohnte AnwesenStraBhof, HeinestraBe 60, verbracht, filr entsprechende Arbeiten des Priklopil dort bis zumAbtransport zum elterlichen Besitz in Mistelbach im Mai 1998 belassen und mit dem Geratauch selbst gelegenthch auf dem Grundstdck - wie er sagt - "geiibt" zu haben. ImKontext mit der (auch durch die Angaben der Natascha Kampusch belegten) Tatsache, dassdas so genannte Verlies im Zeitpunkt der Entfiihrung noch nicht fUr eine lingerfristigeBewohnbarkeit ausgestattet war, insbesondere auch die Installation der in einenHeckenabschnitt mundenden Ent- und Belhftungseinriehtung mit nachtraglichenErdbewegungen verbunden war, der Priklopil-Geschaftspartner , teilweise durchaktenkundige Lichtbilder belegt, sowohl vor als auch nach dem 2. Marz 1998 an Umbauteninund an dem von Priklopil bewohnten Haus (teils auch durch Bereitstellung von Arbeitern)beteiligt war , bestand und bestunde nach wie vor sinnfalliger Aufklarungsbedarf in derRichtung, aus welchem Grund die damals aktuellen Baggerarbeiten auf demgesprachsweise als allfallige Tater- und Opferunterkunft in Betracht gezogenen Anwesenbei den erwahnten, auch von Rudolf Hilmer bestatigten, gemeinsamen Uberlegungen keineRolle gespielt haben sollen.

    g) Auffallig waren und sind auch Veranlassungen des Geschaftspartners und seinerabdem Wiederauftreten der Natascha Kampusch atypiseh umtriebigen Sehwester, einerJuristin, welche in zeitlicher Nahe zum Ableben des Wolfgang Priklopil dessen Mutterbetrafen. Diese Juristin erwirkte bei der Mutter des Wolfgang Priklopil die Erteilung einerweitgehenden Vollmacht, auf deren rechtlicher Basis sie namens der Vollmachtgeberin zweideren verstorbenem Sohn gehorige Eigentumswohnungen an ihren Bruder, den Priklopil-Freund, verkaufte, wobei der Kaufpreis inhaltlich der Vertragstextierung jeweils durchGegenverrechnung mit angeblich noch offenen geschaftlichen Geldforderungen des Kaufersan Wolfgang Priklopil als bezahlt zu gelten harte. Diese Geldforderungen waren in keinerWeise belegt. Mag es auch zutreffen, dass die durch den Tad ihres Sohnes naturgemafmassiv getroffene Mutter Primarsorgen hatte, die vermogensrechtliche Belange in denHintergrund treten lieBen, eine unkritische Bereitschaft, erhebliche Teile des ih r vortragischem Hintergrund zufallenden Vermogens in groI3em Stil zu verschenken, ist wederwen aktenkundigen Angaben, noch sonstigen Ermittlungsergebnissen zu entnehmen.Vielmehr hat sie wen Angaben zufolge den Geschaftspartner ihres Sohnes imZusanunenhang mit dessen Ableben nach dem aufrechten Bestand von Geschafts- odersonstigen Schulden ihres verstorbenen Sohnes gefragt, was vom Angesprochenen mit derAuBerung "Nein, im Gegenteil ... " verneint worden sei.

    Nach polizeilichen Ermittlungen verfugte der Priklopil-Freund und Firmenpartnerbereits zuvor fiber mehr als zehn Eigentumswohnungen, die er zum Teil an junge Frauen ausOsteuropa vermietete.

    Die vorerwahnte Juristin erledigte ferner fiir ihre Vollmachtgeberin zurHintanhaltung weiterer Kontaktversuche von Medienvertretem (ihren Angaben zufolge aus

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    Mitleid bzw. menschlichen Grunden) die Formalitaten einer Namensanderung und denAnkauf einer Wohnung in einem anderen Wiener Gemeindebezirk, zu welcher erneut ih rBruder als grnndbucherhcher Eigentiimer ausgewiesen ist, wahrend die den Kaufpreisaufbringende Mutter Wolfgang Priklopils lediglich e m lebenslanges Wohnrecht eingeraumterhalten hat. Die Juristin und Schwester des Priklopil-Freundes war es auch, die trotz bisdahin lediglich sporadischer Kontakte zur Familie Priklopil umgehend das Begrabnis(Urnenbeisetzung 7) fur Wolfgang Priklopil organisierte und es veranlasste, dass derVerstorbene unter einem seine wahre Identitat verschleiernden Namen auf dem Friedhofihres Wohnortes Laxenburg beigesetzt wurde.

    Entsprechende Zwischenberichte des Bundeskriminalamts an die StaatsanwaltschaftWien waren nicht geeignet, dortige Reaktionen, geschweige denn weiteresErmittlungsinteresse auszulo sen

    3. Natascha Kampusch vollendete am 17. Februar 2006 ih r 18. Lebensjahr.Wo lfgang Priklopil schenkte ih r zu diesem Anlass eine mit entsprechender Aufschriftversehene Geburtstagsorte, die der Geschaftspartner tiber Ersuchen Priklopils durch seineEhegattin anfertigen Iiefl, Da sich Wolfgang Priklopil damit - unter der Annahme seinerAlleintaterschaft bei der Kampusch- Entfiihrung - im Verhaltnis zu seinem diesfallsuneingeweihten Freund und Geschaftspartner einem belastenden Erklarungsbedarfausgesetzt harte, der fO r ihn durch eine unverfangliche Tortenbeschaffung von dritter Seiteleicht vermeidbar gewesen ware, kommt der gewahlten Vorgangsweise gleichfalls einekontextabrundende Indizwirkung zu,

    4. Die Verfahrenseinlassung des ermitthmgsbetrcffenen Geschaftspartnerserfuhr in zeitlichem Zusammenhang mit dem Vollmachtswechsel in seiner Rechtsvertretungeine (neben der die Lebensbeichte Priklopils betreffenden Letztversion) weitere wesentlicheAnderung. Den Geldtransfer im Ausmaf von rund einer halben Million Schilling, der imMarz 1998 uber ein auf den Namen der Mutter des Wolfgang Priklopil lautendes Kontoruckabgewickelt wurde, erklarte der Priklopil-Firmenpartner bis Herbst 2009 damit, dass erPriklopil (ohne jede schriftliche Absicherung) fU r einen von diesern ins Auge gefasstenAnkauf eines PKWs der Marke POTScheern Darlehen in der erwahnten Hohe gewahrt hatte.Der Ankauf ware in der Folge gescheitert und er harte das Darlehen auf dem besagtenUberweisungsweg zuruckerbalten. Dieser Erstversion lief zuwider, class Priklopilerwiesenermafsen erst kurz zuvor einen teuren BMW der Serie 850 gekauft harte und derGeschaftspartner nicht imstande war, den mit der behaupteten Darlehensgewahrungangeblich zusammenhangenden Porsche-Ankauf aueh nur ansatzweise durch entsprechendeKontakthinweise zu konkretisieren. Der Geldtransfer wird von ibm daher seit Herbst 2009 ineiner von der Erstversion abweichenden Variante, namlich mit rein fiskalischenZielsetzungen erklart, schhtssig jedoch ebenso wenig begriindet wie uberhaupt dieseAnderung seiner Verantwortung.

    Schlussig zu erklaren ware der Geldtransfer hingegen mit der Ruckabwickhmg einesbereits in Angriff genommenen, aus welchen Grunden auch immer abgebrochenenkriminellen Geschaftskontaktes (zB Entgeltriickzah1ung nach unterbliebenerInanspruchnahme einer vereinbarten Leistung). Dass das sog. Verlies am Tag derEntfilhrung noch weitgehend adaptierungsbedurftig und fu r erne Iangere Anhaltung nichteingerichtet war, spricht ebenso fU r eine ursprUnglich tatplangemaBe Weiterfiihrung desOpfers zu einem kriminellen Abnehmerkreis, wie einzelne Komponenten des von Kampuschbeschriebenen Verhaltens des Wolfgang Priklopil im Anschluss an ihre Entfllhrung,

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    5. Aus staatsanwaltschaftlicher Sicht konnte es auch als nicht ausschlaggebend aufsich beruhen, dass besagter Geschaftspartner nach aktenkundigen Ermittlungsergebnissenein Zusammentreffen mit Wolfgang Priklopil und Natascha Kampuseh, das zumindestfur den Bereich einer gemeinsam betriebenen Veranstaltungshalle unbestrittenermafsenerwiesen ist, bei seiner polizeilichen Befragung damit erklart hat, Priklopil hatte ibm dasMadchen als Helferin aus seiner Nachbarschaft vorgestellt, wahrend er Natascha Kampuschauf die Frage eines Mitarbeiters, urn wen es sich bei dem Madchen handle, als Verwandteaus einer fruheren Ehe bezeichnete.

    6. Der Priklopil-Freund hat Natascha Kampusch, die ibm bis dahin angeblich nur vondem oben erwahnten einmaligen Streifkontakt bei der Veranstaltungshalle im 23. WienerGemeindebezirk bekannt war, kurz nach dem Ende ihrer Abgangigkeit im AllgemeinenKrankenhaus in Wien besucht und mit ihr in den Folgewochen an die einhundertTelefonare gefiihrt, die zum Teil stundenlang andauerten. Sinn und Zweck dieserTelefonate wird beiderseits mit dem Bestreben erklart, das jeweils eigene Personlichkeitsbildvon Wolfgang Priklopil mit Hilfe des anderen Gesprachspartners zu vervollstandigen undabzurunden.

    Was der Geschaftspartner und Freund Priklopils bei seinen spateren polizeilichenBefragungen an begrenztem Einblick in die Lebensfiihrung Wolfgang Priklopils preisgab,lasst mit wenigen Ausnahmen sein Bemuhen erkennen, die Kampusch- Angaben nicht zukonterkarieren.7. Auf Grund der Aufzeichnung einer Ubcrwachungskamera am Informationsschalterdes Donauzentrums ist erwiesen, dass der flnchtende Wolfgang Priklopil denFahrzeugschliissel zu seinem BMW 850 in der Weise mit sich fuhrte, class der Schlusselmit einem Anhanger bzw. Etui verbunden war. Bei der Leiche des Wolfgang Priklopilwurde der Schlussel jedoch ohne jedes Zubehor vorgefunden, wahrend das von derOberwachungskarnera festgehaltene Zubehor im Handschuhfachjenes Wagens sichergestelltwerden konnte, mit dem ihn sein Geschaftspartner vom Donauzentrum abgeholt hatte.

    Dazu befragt gab Letzterer zunachst an, er konne sich daran erinnern, dassWolfgang Priklopil als Beifahrer in seinem PKW mit seinem eigenen Fahrzeugschlttsselgespielt, dabei moglicherweise den Anhanger und das Etui vom Schlussel gelost und imHandschuhfach hinterlegt habe. Die Frage nach dem wesentlich auffalligerem Detail, obnamlich mit dem Zusteigen des Priklopil in seinen PKW auch ein Umladen vonGegenstanden verbunden gewesen ware, beantwortete er demgegeniiber damit, er konnesich an einen derartigen Vorgang nieht erinnern. Zuletzt brachte er am 13. November 2009vor, den Schlusselanhanger von Priklopil als personliches Erinnerungsstuck geschenkterhalten zu haben.

    Ad 3.): Langfristige staatsanwaltsehaftliche Behinderung des Innenressorts beider ressortinternen Faehaufsieht und Evalulerung der steherhettsbehdrdhchenFallbehandhmg

    Natascha Kampusch wurde, durchwegs polizeilich, am 24., 30. und 31. August 2006,ferner am 2., 3., 7. und 15. September 2006 vernommen, wobei dieVernehmungsniederschriften aus Opferschutzinteressen ab dem 30. August 2006 jeweils nureinfach im Original ausgefertigt und unverzuglich unter justiziellen Verschluss genommenwurden. Anlass fiir diese damals nachvollziehbare und sachlich auch zu rechtfertigendeMaBnahme war die nicht unbegriindete Sorge vor unbefugtem medialem Zugriff auf sensible

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    Aussagepassagen und denkbarer, damit verbundener Verletzungen der Intimsphare desEntftlhrungsopfers.

    Die evaluierungsessentielle Prilfung der Frage, ob kriminalpolizeilich samtlicheverfilgbaren Ermittlungsansatze sachdienlich erfasst und behandelt wurden, setztzwangslaufig auch eine umfassende Kenntnis der polizeHichen Niederschriften mitNataseha Kampusch voraus. Es bedurfte mehr als einjaliriger Bemiihungen und letztlichder Abhilfe durch die aktuelle Bundesministerin fur Justiz, bis schliefilich Ende Juli 2009(wenn auch unter schikanosen Rahmenbedingungen) zwei Beamten desBundeskriminalamtes (Oberst Kroll und Chefinspektor Linzer) eine entsprechendeEinsichtnahme gewahrt wurde, wobei die Beamten lediglich Notizen machen, keine Kopienanfertigen und wahrend der Einsicht auch kein Handy benutzen durften. Den eingesehenenNiederschriften war unter anderem auch zu entnehmen, dass Natascha Kampusch wahrendder Zeit ihrer Abgangigkeit nicht nur zahlreiche und vielfaltige Moglichkeiten, auf sichaufmerksam zu machen, ungeniitzt lieB, sondern dazu auch optimal geeignete Zwischenfalle,wie zum Beispiel die bereits vorerwahnte pohzeiliehe Verkehrskontrolle, der sie alsBeifahrerin des Fahrzeuglenkers Wolfgang Priklopil beiwohnte.

    Ad 4.): Mediale Verbreitung krass wahrheitswidriger Infermatienen:Die ab Herbst 2008 zur weiteren Fallbearbeitung eingesetzte operative

    Sonderkommission des Bundeskriminalamtes erstattete der Staatsanwaltschaft Wien zumErmittlungsfortgang in der Zeit vom 4. Februar 2009 bis 14. Juti 2009 insgesamt sechsZwisehenberichre, denen insbesondere die Ergebnisse der Befragungen von insgesamt102 Person en und zwei Zeugenvernebmungen zugrunde lagen (dazu der von Oberst Krollverfasste Bericht - Beilage 3). Obwohl diesen kriminalpolizeilichen Berichten wiederholtweiterer ermittlungsstrategischer Handiungsbedarf zu entnehmen war, unterbheb dazuseitens der im Ermittlungsverfahren Ieitungsbefugten Staatsanwaltschaft Wien jedwederRuckkontakt bzw, jedwede Reaktion.

    Dessenungeachtet verstieg sich der damalige Mediensprecher dieser Behorde,Staatsanwalt Dr. Gerhard Jaroseh, in sommerlichen Zeitungsinterviews zu den dieRealitat krass verkehrenden Behauptungen, "dass die Kriminalisten in acht Monaten nureine einzige Einvernahme durchgefuhrt haben, was nicht eben viel" sei (TageszeitungKurier) bzw. "Wir hatten der SOKO schon im November 2008 den Auftrag gegeben, vierPersonen einzuvernehmen - eine wurde davon tatsachlich befragt" (Tageszeitung Heute). InWahrheit mussten die Oberstaatsanwaltschaft Wien und die Staatsanwaltschaft Wien illvorangegangenen Jahr monatelang zur FortfUhrung des Ermittlungsverfahrens gedrangtwerden, bis ihr dann (mit Unterstiitzung auf Ministerebene) im November 2008 derkursorische Auftrag zu bloBen zweckdienlichen .Erkundigungen' (ohne auch nur eineneinzigen Vernehmungsauftrag) abgerungen werden konnte,

    Nicht anders verhalt es sich mit jenen medialen Stellungnahmen des LeitendenOberstaatsanwalts Dr. Pleischl, in denen er den "Fall Kampusch" als "bis zum .Geht nichtmehr' ermittelt" bezeichnete, obwohl bis dahin von justizieller Seite sachdienlicheErmittlungsbeitrage nieht einmal versucht worden waren,

    Samtliche oben angesprochenen Errnittlungsdetails sind federfuhrend dem Einsatzund den krirninalistischen Fahigkeiten von Polizeioberst Franz Kroll zu verdanken, der inseinem Wirken bis Sommer 2009 durch ein dreikopfiges Team unterstntzt wurde, das ausdem Bundeskriminalamt zugeteilten, gleichfalls hochqualifizierten und ambitioniertenBeamten bestand, Die Mitglieder der Evaluierungskommission, die ab ihrer weiterfnhrenden

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    Neubestellung im Dezember 2008 mit dem operativen Ermittlungsteam desBundeskriminalamtes in fortgesetztem engen Kontakt standen, konnten sich unmittelbar vonden frustrierenden Auswirkungen uberzeugen, die das Fehlen jedwederstaatsanwaltschaftlichen Reaktion auf die polizeilichen Zwischenberichte welcher Art auchimmer bei den ermittelnden Beamten auslosten, Dass diese Frustration dann mit den obenerwahnten absurden staatsanwaltschaftlichen Presseerklarungen mas siver Fassungslosigkeitwich, versteht sich von selbst.

    Ad 5.): Staatsanwaltschaftliche Dmckausubung auf Oberst Kroll in RichtungErmittlungselnstellang per Jabresende 2009

    Die Ergebnisse der illJabr 2009 intensivierten Ermittlungen brachten auf der Basisvor allem der Angaben der Zeugin Ischtar Rahel Akcan, der besonderen Auffalligkeiten imobjektivierten Verhalten des Freundes und Geschaftspartners von Wolfgang Priklopil, dermehrfachen Widerspruche in seiner in wesentlichen Punkten widerlegtenVerfahrenseinlassung, wie auch m it der Singularitat seines Naheverhaltnisses zu WolfgangPriklopil eine sinnfallige Verdichtung und Abrundung des Verdachtes mit sich, dass es sichbei ihm urn den von der genannten Zeugin beobachteten Entfiihrungskomplizen handelt.Hinzu kam schlielslich, wie oben dargelegt, der graphologische Untersuchungsbericht desBundeskriminalamtes vorn 18. November 2009 mit dem diesen Verdachtigen zusatzlichbelastenden Aussagewert, dass es sich bei dem von ihm als angebliche Zuscbrift desWolfgang Priklopil an seine Mutter ausgegebenen Schriftzug mit hoher Wahrscheinlichkeiturn eine Falschung handelt. Bei der am 20. November 2009 durchgefiihrten Ererterungdes Ermitthmgsstandes dureh die Mitglieder der Evaluierungskommission und OStADr. MUhlbacher war unter anderem auch Oberst Franz Kroll als operativer Leiter derSonderkommission des Bundeskriminalamts anwesend. Dabei musste er ebenso wie dieMitglieder der Evaluierungskommission emeut zur Kenntnis nehmen, dass vonstaatsanwaltschaftlicher Seite keine Ermittlungsbereitschaft hestand, die daruberhinausgegangen ware, was (die ab Austritt aus ihrer Abgangigkeit von denRechtsanwaltspartnern Dr. LanskylDr. Ganzger vertretene) Natascha Kampusch zumVerfahrensgegenstand vorgebracht hatte. Zum wesentlichen Besprechungsablauf ist auf obenbereits Gesagtes und insbesondere nochmals darauf zu verweisen, dass aStA Dr.Miihlbacher dabei trotz des offenen Ausgangs der (erst nach entsprechender nachdrucklicherReklamation letztlich doch) in Aussicht genommenen Gegenuberstellung der divergierendaussagenden Tatzeuginnen bereits am 20. November 2009 mit vorgefasster inhaltlicherBestimmtheit von der flnalen Pressekonferenz Anfang JanDer 2010 ausging. Diesestaatsanwaltschaftliche Sperrhaltung gegenuber den kriminalpolizeilichenErmittlungsfortschritten veranlasste Oberst Kroll nach dem Ende der Besprechung im Zugeeines kurzen Meinungsaustauschs mit dem Gefertigten zu massiver Resignation ("sinnlosesAnrennen gegen Betonwand"). Diese war umso verstandlicher, als zum damaligen Zeitpunkteine gleichfalls mit fubrendem Ermittlungsverdienst von Oberst Kroll erarbeiteteStrafanzetge vom 30. Janner 2009, die (ohne unmittelbarem Konnex zum "FallKampusch") mit schwerer Korperverletzung eines potentiellen weiblichen Mibbrauchsopfersund schwerem Betrug zwei Kapitalverbrechen (samt einem Antrag auf Konfooffrnmg) zumGegenstand hatte, seit nahezu einem Jain auf eine staatsanwaltschaftliche Erledigungwartete.

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    Was dann allerdings am 3. Dezember 2009 unter der Etikette "GegeniibersteUung'&unter der formalen Leitung von Oberst Kroll ablief und von fum am Folgetag in einemAmtsvermerk ( 95 StPO) auch festgehalten wurde (Beilage 4), hatte mit der vonMitgliedern der Evaluierungskornmission nicht erst am 20. November 2009 als unabdingbarreklamierten Gegenuberstellung der beiden Tatzeuginnen im Sinn des 163 Abs. 3 StPOnichts zu tun und stand in diametralem Gegensatz zu all jenen Grundsatzen undvemehmungstechnischen Gepflogenheiten, von denen das einschlsgige Wirken dieses injeder Hinsicht vorbildlichen Polizeibeamten bis dahin regelmafsig bestimmt war. Die ohnejede Bezugnahme auf die zahlreichen vorangegangenen Angaben der Zeugin Akean zu demvon fur neben Wolfgang Priklopil gleichzeitig wahrgenommenen Fahrzeuglenkerpraktizierte suggestive .Llmpohmg" der Genannten auf eine vdllig unkritische Danksagungan Natascha Kampusch dafur, dass sie ih r "die Angst vor einem zweiten Tater nehmeund sie nun wieder ruhig schlafen konne", ist vor dem Hintergrund der besonderenFachqualifikation, der detaillierten Aktenkenntnis und der aufsergewchnlichenGewissenhaftigkeit, die Oberst Kroll in seinem polizeilichen Werdegang stets auszeichneten,nur als Vorgabe schlussig zu erklaren, zu deren Umsetzung sich Oberst Kroll in Kapitulationvor der bereits rund zwei Jahre wahrenden staatsanwaltschaftlichen Ignorierung seinesErmitthmgseinsatzes und der dabei erzielten Erfolge letztlich gegen seine Uberzeugungverstanden hat. Dass die aus nahe liegenden Grunden tiber die Gesprachsentwicklungverwunderte und ansatzweise dagegen auftretende Mutter der Zeugin Ischtar Rahe 1Akcan,Rosa Akcan, deswegen auch noch ausdriicklich abgemahnt wurde, rundet das Gesamtbildder Inszenierung vom 3. Dezember 2009 ab, die letztlich darin gipfelte, dass der Tatzeuginentgegen ihrer ausdrucklichen wiederholten Identifizierung des Tatfahrzeuges an dematypischen heckseitigen .Buckel" die Moglichkeit eingeredet wurde, dass es sich bei dem aneiner der Folgekreuzungen neuerlich wahrgenommenen weiBen Kastenwagen mitverdunkelten Seitenscheiben urn einen vom Tatfahrzeug verschiedenen Wagen gehandelthaben konnte.

    Oberst Franz Kroll war die Tragweite der objektiv pfliehtwidngenGegenllberstellaugsfaece vom 3. Dezember 2009 als Grundlage desstaatsanwaltschaftlichen Ermittlungsabschlusses voll bewusst. Im Gegensatz zu seinersonstigen Geptlogenheit, vor wichtigen Ermittlungsschritten, insbesondere auch bei derErarbeitung von Fragenprogrammen, mit denen er anstehende Befragungen undVernehmungen akzentuierter Bedeutung regelmafiig vorbereitete, personlichen beratendenKontakt zu Personen seines Vertrauens zu suchen, vermied er in Anbahnung der sogenannten "Gegeniiberstellung" vern 3. Dezember 2009, die in dieser Form (insbesondereohne umnittelbare Einbindung der Justizebene) weder am 20. November 2009 angesprochenwurde, noch akzeptiert worden ware, jedwede derartige Kontaktaufuahme. In einemkollegialen Mail vom 16. Dezember 2009 brachte Oberst Kroll zum Ausdruck, dass ihm dieBeendigung des Ermittlnngsverfahrens "unmissverstandlich nahe gelegt" worden war.Dem Mail ist auch zu entnehmen, class er kollegiale Kritik in Erwagung zog, die - so derWortlaut des Mails vom 16. Dezember 2009 - sein .weiteres Leben in einem Siechenheimerforderlich machen konnte". Obwohl er die operative Sonderkommission desBundeskriminalamtes geleitet harte, lehnte er es abo sich fur die planmiillige abschliefsendePressekonferenz im Janner 2010 zur Verfiigung zu stellen, deren inhaltlicher Ablauf fiirjeden, der die tatsachlichen Ermittlungsergebnisse kannte, unverstandlich war. In denFolgemonaten auBerte Oberst Kroll immer wieder Selbstvorwtirfe in der Richtung, dasnegative Endergebnis des Ermittlungsverfahrens zum "Fall Kampusch" verschuldet zuhaben, bis er sich letztlich am 25. Juni 2010 mit einer alten Dienstpistole das Leben nahm.

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    SehlussbemerkungWie eingangs erwahnt fallt es mir nicht leicht, dieses Schreiben an Sie, sehr geehrte

    Frau Dr. Glawischnig, und Sie; sehr geehrte Herren Klubobmanner der Parlamentsparteien,zu richten, Es widerstrebt mir massivst, als der Justiz nach wie vor engst verbundenerehemaliger Verantwortungstrager mit den vorstehenden Ausfuhrungen dazu beizutragen,dass mein frtiheres berufliches Umfeld in ein negatives Licht geruckt wird. Dies umso mehrals es die Gesamtheit der in richterlicher und staatsanwaltschaftlicher Funktion regelmaBigund tlberwiegend ausgezeichnete Arbeit leistenden Kollegenschaft ist, die erfahrungsgemafvorschnellen Vorurteilen und ungerechtfertigten Generalisierungen ausgesetzt ist.

    Was hier jedoch aus dominierendem offentlichem Interesse aufgezeigt werdenmusste, ist die fachlich nieht nachvollziehbare Pfliehtverwelgerung flibrenderstaatsaawaltsehaftlicher Verantwcrtungstrager und das Scheitern des Versuchs, dienach Lage des Falles gebotene Abhilfe an insoweit oberster Verantwortungsebene znerwirken. Defizite einer Justiz, in der es moglich ist, class im Bereich der KapitaldelinquenzBeweisgrundlagen von (isoliert betrachtet wie auch kontextbedingt) schlagender Qualitat(aus welchen Grunden auch imrner) solange mit methodischer Beharrlichkeit unter den Tischgekehrt werden, bis sich ein damit konfrontierter vorbildlich pflichtbewusster Beamter ausResignation und Frustration gezwungen sieht, seine Ermittlungsbemuhungen im Sinnubergeordaeter Weichenstellungen zu finalisieren und sich in der Folge mit Selbstvorwurfensoweit unter Druck zu setzen, dass er keinen anderen Ausweg als den Freitod sieht, wahrendes exponierten Verdachtstragem mit jahrelanger tatenloser Duldung vonstaatsanwaltschaftlicher Seite ermoglicht wird, mogliche Beweisgrundlagen zuneutralisieren und vorgebrachte Exkulpierungsvarianten ohne jede Nachteilsfolgen naehBelieben und nach jeweils aktuellem Bedarf zu adaptieren, kann nicht mit StillschweigenIlbergangen werden.

    Hinzuzufugen ist, dass jene justiziellen Erfahrungen, die der Vorsitzende derEvaluierungskommission, Prasident des Verfassungsgerichtshofes i.R. Univ.-Prof. Dr.Ludwig Adamovich, bisher im Zusammenhang mit dem von der Mutter der NataschaKampusch gegen ibn angestrengten Privatanklageverfahren machen musste, nicht geeignetsind, zu gesteigertem Vertrauen in die aktuelle justizielle Strafrechtspflege zu errnutigen.DaBS er in erster Instanz (wenn auch noch nicht rechtskraftig) von einer Richterin, die dieTochter des in fuhrender Mitverantwortung im Ermittlungsverfahren zum "Fall Kampusch"tatig gewesenen (inzwischen in den dauernden Ruhestand ubergetretenen) Leiters derStaatsanwaltschaft Wien ist und deshalb im unmittelbaren Umfeld gesetzlicherAusgeschlossenheit ( 43 Abs 1 Z 1 StPO) jedenfalls im Interesse der gebotenen objektivenAnscheinsvermeidung zur Erklarung ihrer Befangenheit verpflichtet gewesen ware, am 24.Dezember 2009 (I) des Vergehens der ublen Nachrede schuldig erkannt wurde, kann zwarnaturgemaf nicht in der Verantwortung der Bundesministerin fur Justiz liegen, fiigt sich abernach MaBgabe der dieses Urteil und das vorangegangene erstinstanzliche Verfahrenpragenden Modalitaten nahtlos in die Fassungslosigkeit, die eine fachkundigeNachbetraehtung des gesamten Ermittlungskomplexes auslosen muss. Vor dem Hintergrundder oben nur angerissenen Ermittlungsergebnisse, beurteilte die Erstrichterin in fugenloserAnknupfung an das staatsanwaltschaftliche Fallengagement im Hauptverfahren (beigleichzeitiger Abweisung von Beweisantragen) die .Feststellungen zur Entfiibrung undGefangenschaft der Natascha Kampusch" in der Begrnndung ihres Urteils als .notorisch",

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    weil sie "Gegenstand weltweiter Berichterstattung" waren und "sogar Eingang in dieenzyklopadische Webseite wikipedia" gefunden haben, Dazu erubrigt sich jeder Kommentar.Aus menschlicher Sicht ist es verstandlich, einer (heute) jungen Frau, die alszehnjahriges Kind unbestrittenennaI3en aus schwieriger familiarer Umgebung entfithrt, inwet weiteren Entwicklung mit jedenfalls atypischen Rahmenbedingungen belastet wurdeund schon deshalb personlich nicht dafur verantwortlich gemacht werden kann, was dieinhaltliche Ausrichtung ihrer aktuellen Offentlichkeitskontakte bestimmt, rnoglichstschonend zu begegnen. Die exklusive Rucksichtnahme auf Opferinteressen hat aber dort ihreZulassigkeitsgrenze, wo sinnfallige Ermittlungsansatze den Verdacht schwerkriminellerKomplizenschaft von dritter Seite und erne Prufung der Frage nahe legen, ob die inmehrfacher Hinsicht mit objektivierten Ermittlungsergebnissen schlussig nicht in Einklangzu bringende (teils vom Opfer selbst widerspruchlich und mit wechselnden Detailangabenbegrundete) Behauptung, durch mehr als acht Jahre in einem Kellerverlies wehrlos einemabnorm veranlagten Peiniger ausgeliefert gewesen zu sein, ihren Ursprung weniger in einerso erlebten Realitat, als in einem kalkulierten Sachzwang hat, der sich aus einer bisher nichtoffen gelegten anderen Realitat ergibt (ein durch acht Jahre "bewohnter" Verliesraum hattenach der Einschatzung eines erfahrenen fallbefassten Tatortspezialisten andere als die dortfestgestellten Gebrauchsspuren). Dass ein entfuhrtes Kind ohne wirksame familiareBindung der Versuchung eines allfalligen (von welcher Motivation auch immer geleiteten)Taterangebots, familiare Trostlosigkeit gegen ern ,,familienfreies" und individuellorganisiertes Leben zu tauschen, in relativ kurzer Zeit unterliegen kann, ist schon mit Blickauf die immer wiederkehrenden Falle, wo Heranwachsende ih r Elternhaus ausEigeninitiative verlassen, unschwer einsichtig. Ebenso einsichtig ist es, dass erne inlangfristiger Anonymitat lebende Abgangige irgendwann (zB mit dem Eintritt in dieGroBjahrigkeit) zwangslaufig die Notwendigkeit empfindet, wieder eine (vorzugsweise ihreeigene) Identitat anzunehmen. Die Begleitumstande, unter denen Natascha Kampusch imkonkreten Fall ihre Iangjahrige Abgangigkeit beendet hat, und we dazu abgegebenenErklarungen konnen auch als eine Ausstiegsvariante gesehen werden, die sowohl ihrenpersonlichen ( auch verstandlichen wirtschaftlichen) Interessen, als auch jenen (denkmoglichin zahlreichen, teils stundenlangen Telefonaten abgestimmten) Interessen optimal Rechnungtragt, die gegebenenfalls ein ehemals entfuhrungsbeteiligter Dritter an fortgesetztemEinvernehrnen mit dem seinerzeitigen Entfiihrungsopfer haben kann.

    Was jedenfalls, besonders aber im Bereich schwerer Kriminalitat, weder gesetzlichgedeckt, noch sonst in offemlichem Interesse geiegen oder m it den Grundsatzenverantwortungsvollen Opferschutzes vereinbar ist, ist die im konkreten Fall vonstaatsanwaltschaftlicher Seite aller Ebenen praktizierte Grundhaltung, alles beharrlich zuignorieren, was mit den Angaben des seinerzeitigen Entfuhrungsopfers unvereinbar ist oderes im Ermittlungsfall sein konnte. Sie indiziert Defizite aktueller staatsanwaltschaftlicherStrafrechtspflege, die zwar in erster Linie mit dem individuellen Funktionsverstsndniseinzelner Verantwortungstrager zusammenhangen, zum Teil aber auch erst durchsysteminharente Elemente des neuen staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrensermoglicht werden. Eine - wie hier - von Anfang an beharrlich durchgezogenestaatsanwaltschaftliche Einaugigkeit in der Fallbehandlung ware bei traditionelleruntersuchungsrichterlicher Einbindung und der damit verbundenen, informationsbedingtzwangslaufig "ill justizieller Augenhohe" kontrollierenden Ermittlungsbegleitungausgeschlossen gewesen.

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    Wenn vorliegend auf der Basis von Art. 52 B-VG parlamentarische Verantwortungangesprochen wird, so kann hier ein Vorwurf nicht unerwidert bleiben, der von einemParlamentarier - nicht erst jungst (Ausgabe der Tagezeitung "Osterreich" vom 12. September2010) - gegen die Mitglieder der Evaluierungskommission erhoben wurde. Es geht dabeiurn den Vorwurf die Mitglieder der ( als .ziemlicher Schmarrn' hingestellten -"Osterreich"vom 30. August 2009) Evaluierungskommission, von denen nach dem Eindruck desParlamentariers nicht ein einziges "serios gearbeitet hat", batten wiederholt an einerparteipolitisch motivierten "Vertuschung" kriminalpolizeilicher Fehlleistungen imZusammenhang mit dem Mitte April 1998 (somit wenige Wochen nach der Entfiihrung derNatascha Kampusch) eingegangenen Hinweis eines polizeilichen Hundefiihrers auf denBewohner des Hauses Strafshof Heinestralie 60 (Anwesen Wolfgang Priklopil), mitgewirkt.Mit der konsequenten Niehtbeachtung der Ausfuhrungen der Evaluierungskommission imersten Zwischenbericht vom 25. Februar 2008 (Seiten 5 und 10), im zweitenZwischenbericht vom 9. Mai 2008 (Seiten 7 bis 10), im Abschlussbericht der erstenWirkungsphase Yom 9. Juni 2008 (Seiten 20, 39 bis 41, 47 und 48, 52) und imAbschlussbericht der zweiten Wirkungsphase vom 15. Janner 2010 (Seiten 7 und 8) durftesich der in Rede stehende parlamentarische Kommissionskritiker die oben dargelegtenModalitaten des staatsanwaltschaftlichen Umgangs mit den kriminalpolizeilichenErmittlungsergebnissen zum Beispiel genommen haben. Mehr als eine detaillierteDokumentation der kriminalpolizeilichen Behandlung des sog. .Hundefuhrerhinweises.,samt der Anfuhrung samtlicher dafur ausschlaggebender (insbesondere in derErmittlungsanlaufphase extreme Ausnahmebelastungen, aber auch organisatorische MangeleinschlieBender) Rahmenbedingungen und Ursachen war der Evaluierungskornmissionweder moglich, noch abzufordem. Dass es aus der Sieht einer parteipolitischen Strategienicht schltlssig ware, eine Fehlleistung, die unter der Ressortverantwortung eines politischenMitbewerbers unterlaufen ist, nachtraglich zu "vertuschen", ist allgemein einsichtig undmusste nieht naher begrtmdet werden. Richtig ist zwar, dass der sog. "Fall Kampusch" dengrundsatzlich dankenswerten Einsatz freier .Aufdecker-Kapazitaten" vertragen hatte,Soweit sieh solche jedoch darauf beschranken, die Seriositat der Evaluierungskommissionohne Detailbefassung mit ihrem Wirken zu problematisieren, setzen sie sich der Gefahr aus,die erhobenen Vorwurfe gegen sich selbst zu kehren.

    AbsehlieBend darf ich Sie, sehr geehrte Frau Dr. Glawischnig, und Sie, sehr geehrteHerren Klubobmanner, urn Verstandnis dafiir ersuchen, dass ich dies alles nicht mitStillschweigen iibergehen konnte und mit dies em Schreiben Ihr Zeitmanagement zusatzlichbelaste. Ich war in den in Rede stehenden Fall zwar nur am Rande als ad hoc ersuchtes,ehrenamtliches Mitglied der Evaluierungskommission des Innenministeriums eingebunden,aber nach (immerhin tiber zwei Jahre erstreckter) Kenntnisnahme all der dargelegtenEinzelheiten aus meinem ehemaligen beruflichen Aufgabengebiet, die dem reprasentativenVerantwortungs- und Funktionsverstandnis krass zuwiderlaufen und leider auch tragischeFolgen naeh sich gezogen haben, war mir stillschweigende Untatigkeit nicht moglich. In 42Justiz-Dienstjahren habe ich Vergleichbares nicht erlebt.

    Mit r e S ~ b v r ; : ? nRzeszut)

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    Dr. Johann Rzeszut

    TeI.Nr.: 06765081005

    Wien, am 24. Juli 2009FrauBundesministerin fur JustizMag. Claudia Bandion-OrtnerBundesministerium fur JustizNeustiftgasse 21070 Wien

    Betrifft: "profil"- Nr. 30/09 vom 20.07.2009Fall Kampusch -Interview- Leitender Oberstaatsanwalt Dr. Werner Pleischl

    Sehr geehrte Frau Bundesministerin !Vorweg darf ich versichern, dass mir die neuerliche Kontaktaufnahme zum sog."Fall Kampusch" im Bewusstsein des belasteten Zeitmana