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Fallbeispiel „China vs. Tibet“ Seminar Menschenrechtsdiskurs in der deutschen Außenpolitik Bielefeld 21.06.2008 Dr. J. Fruchtmann

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Fallbeispiel „China vs. Tibet“

Seminar Menschenrechtsdiskurs in der deutschen Außenpolitik

Bielefeld 21.06.2008

Dr. J. Fruchtmann

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Gliederung1. Der Menschenrechtsdiskurs in den

Medien2. Der Menschenrechtsdiskurs in der

Diplomatie3. Der Grund des „China-Bashing“: Die

Interessen des Westens und ihre Widersprüche

4. Olympia – dabei sein ist noch längst nicht alles

5. (Zusatz): Die Strategie des Dalai Lama

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Vorüberlegung (Rekapitulation)

• Menschenrecht = Dienst des Staates am „Menschen“– Geht das als staatl. Entscheidung?– „Mensch“ – Was ist das?– Betrifft ein Kernelement staatl. Souveränität:

das Verhältnis Staat/Volk– Erklärt sich für zu- und den betr. Staat für

unzuständig– Dessen Gewalt macht keine Fehler sondern

ist einer!

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1. Die Medienkampagne

• Die Berichterstattung zu den Unruhen ist mehr als deutlich parteilich:– Wie wird Gewalt perspektiviert?– Wie wird der religiöse Hintergrund der

Proteste perspektiviert?– Wie wird das Autonomiestreben dargestellt?– Wie werden die kulturellen Eigenheiten der

Tibeter dargestellt?

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• Ein Beispiel: die westliche Berichterstattung

• http://video.google.de/videoplay?docid=8014365409974829761&q=tibet+&ei=8EJcSJWOO4u22wKplsBt&hl=de

• Charakterisieren Sie die Perspektivierung der Gewalt in diesem Report (hier sind Sprachkenntnisse nicht erforderlich…)

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• Als Gegenbeispiel: die chinesische Berichterstattung

http://youtube.com/watch?v=pW9tTmev8Fw&feature=related

• Charakterisieren Sie die Perspektivierung

der Gewalt in diesem Report des CCTV (Englisch-Kenntnisse nicht zwingend erforderlich – die Bilder sprechen auch hier für sich)

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1. Die Medienkampagne

• Einige Beispiele zur Berichterstattung über die Olympiade in China:– Luftverschmutzung in Peking– Kein Mindestlohn beim Stadionbau– Katzenfresser

• Wie wird China in der Berichterstattung dargestellt?– Handelt es sich um „Verfehlungen“ eines eigtl.

guten Staates oder um Beispiele für seine generelle Verwerflichkeit?

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1. Die Medienkampagne

• Welche Proteste, die in gewalttätige Auseinandersetzungen mit der Staatsgewalt mündeten kennen Sie? Vergleichen Sie diese Fälle mit den Geschehnissen in Tibet.

• Welche religiös-politischen Führer kennen Sie? Vergleichen Sie diese Fälle mit den Geschehnissen in Tibet.

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1. Die Medienkampagne

• Welche Autonomiebestrebungen kennen Sie in Westeuropa? Vergleichen Sie diese Fälle mit den Geschehnissen in Tibet.

• Zählen Sie nicht-chinesische Politiker auf, die in ihrem Land keine Parallelgesellschaften dulden wollen. Welche Beispiele kennen Sie konkret aus Deutschland?

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1. Die Medienkampagne

• Was wissen Sie über die Protestierenden? Eine Auseinandersetzung mit den Motiven der Protestierenden ist in den Medien nicht auszumachen

• Zählen Sie nicht-chinesische Politiker auf, die in ihrem Land keine „Parallelgesellschaften“ dulden wollen. Welche Beispiele kennen Sie konkret aus Deutschland?

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2. Menschenrechte in der Diplomatie

1. „Gewalt darf kein Mittel der Politik sein“

2. „Friedliches Vorgehen von beiden Seiten“

3. „Aufnahme von Verhandlungen mit dem Dalai Lama“

4. Generalurteil: „Menschenrechte“

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2. Menschenrechte in der Diplomatie

These: Der Menschenrechtsvorwurf ist

1. Unsachlich

2. Parteilich

3. Geheuchelt

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2. Menschenrechte in der Diplomatie

Unsachlich:• „Unterdrückung“ ist genauso wenig ein

Staatszweck, wie „Menschheitsdienst“• Staatl. Gewalt ist nie Selbstzweck

(„Sadismus“), sondern auch in China Mittel zum Zweck:

• Exporterfolge • Devisenreserven • Ausdehnung von Einflusszonen in Asien oder Afrika

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2. Menschenrechte in der Diplomatie

Parteilich:

• Staaten üben ständig Gewalt aus – das ist kein Geheimnis.

• Wann gilt diese als „Unterdrückung“?• Diskutieren Sie verschiedene Beispiele

staatlicher Gewaltausübung• Können Sie objektiv ausmachen, wann es

sich dabei um „Unterdrückung“ handelt?

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2. Menschenrechte in der Diplomatie

Geheuchelt:

• Heuchelei = Auseinanderfallen von Gesagtem und Gemeintem

• Gesagt: „Zweckfreie Gewaltausübung!“• Gemeint: Diejenige Gewaltausübung, die

uns in unseren Interessen behindert / stört!

• Was also ist der wirkliche Grund des „China-Bashing“?

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3. Der Grund des „China-Bashing“

Einerseits: Neue Märkte – neue Chancen1. Billige Produkte zur eigenen Kostensenkung

2. Ein riesiger Exportmarkt

3. Investitionsgelegenheiten

4. Beides mit Expansionsmöglichkeiten, wie es sie sonst kaum noch gibt

5. Kontext: Zunehmend „enge“ Märkte mangelnde Expansionsmöglichkeiten

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3. Der Grund des „China-Bashing“

Andererseits aber: Zu reich…1. Neuer, potenter Markt-Konkurrent

1. Z.B.: günstige elektronische Waren, Billigautomobile

2. macht europäischen „Global Players“ Marktanteile streitig

3. Staatsfonds

2. Das Ausland will an China verdienen, nicht umgekehrt soll es sein!

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3. Der Grund des „China-Bashing“

…und zu mächtig!1. Marktmacht und –expansion erfordert

Aufsicht und Kontrollmacht1. Z.B.: chinesische „Energiesicherheit“: mit Sudan,

Iran oder Venezuela (!) 2. Gutes Geld und wenig reingeredet: eine günstige

Alternative! Einflusszuwachs auf Kosten des Westens

2. Verschiebung des weltweiten politischen Kräfteverhältnisses: die gewünschte Stärkung an China gerät zu einer von China

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3. Der Grund des „China-Bashing“

China hat nicht Subjekt, sondern Objekt politischer Kontrolle zu sein – so das Ideal westlicher China-Politik

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3. Der Grund des „China-Bashing“

Widersprüche:1. Die Unterordnung Chinas soll seine Benutzung nicht

einschränken!

2. Weil es um die Benutzung China‘s im eigenen Interesse geht, sind die Gemeinsamkeiten westlicher Interessen gegenüber China relativ:

1. Gemeinsamkeit: China soll sich nicht der Nutzung und Aufsicht entziehen

2. Differenz: Zu wessen Gunsten soll China sich hergeben?

3. China ist einfach zu groß, um sich ohne weiteres kontrollieren zu lassen

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3. Der Grund des „China-Bashing“

„Doppeldiplomatie“:1. Einspruchstitel und protokollarische Eklats

provozieren…2. und zugleich ein wenig zurücknehmen:

Anfeindung mit dosierter Anerkennung 1. Keine Forderung nach Separation Tibets, „Ein-

China-Politik“ wird bekräftigt2. Aber Gebietsfrage wird offen gehalten,

Forderung nach Autonomie der Tibeter3. Dalai Lama empfangen – aber von Angela, nicht

von Merkel!

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Erläutern Sie das ewige Hin und Her deutscher China-Politik:

„Menschenrechte“ vs. „Wirtschaftsinteressen“

– sind das zwei ggstzl. Positionen?

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Analysieren Sie die Bilder vom Fackellauf (youtube)

Was ist das Risiko an der Nutzung einer Teilnahme für

politische Statements der Sportler?

Beziehen Sie diesen Gedanken auf die Frage nach der Teilnahme

an den olympischen Spielen

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5. Die Strategie des Dalai Lama

• Zur Einstimmung:

Der kritische Panorama-Bericht zum Dalai Lama

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5. Die Strategie des Dalai Lama

• Die chinesische Tibet-Politik– „Autonome Region Tibet“ – Neuer Religionsboom in China: Keine

Gegnerschaft zur Religion als solcher, auch nicht in Tibet

– Zugleich: Beschränkung der Anzahl der Mönche

– „patriotische Erziehungskampagnen“

Buddhismus als vorstaatliche Volkseinheit

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5. Die Strategie des Dalai Lama

• Ist der Dalai Lama eine unpolitische, moralische Autorität eines bloß kulturellen Anliegens?– Gottkönig – Exilregierung (Dharamsala, Indien)– „Tibetische Verfassung“ (1963)– Vorwurf „Sinisierung“, Tibet-Eisenbahn bringt (Han-)

Überfremdung; „kultureller Genozid“ – Störend nicht die Armut der Bauern vs.

Beutelschneiderei der Händler, sondern – deren Ethnos

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5. Die Strategie des Dalai Lama

• „Bloss Autonomie“

• „Truppenabzug“

• Geschickte Mediennutzung

• Timing (Olympia)

• Nutzung von NGOs

• Geschickte Imagepflege

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Exkurs: Der „olympische Gedanke“

• Inszenierung von „Völkerfreundschaft“ als Sportfest

• Konkurrenz der Nationen mal nur als sportlich harmlose Frage

• Feier des nationalen „Wir“ + Gütezeichen „Sportnation“

Fordert Anerkennung – eine Frage der nationalen Ehre