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Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

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Page 1: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

B Bahr J Resag K Riebe Faszinierende Physik DOI 101007978-3-642-37812-6_6 copy Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

++ndash

ndash

Was ist die Wellenfunktion und was die Unschaumlrferelation Was ist

das Quantenvakuum und wie verhalten sich Suprafluumlssigkeiten Und

werden wir bald Quantencomputer verwenden Diese und andere Fra-

gen lassen sich mithilfe der Quantenmechanik behandeln und teilweise

auch beantworten

Die Quantenmechanik verbluumlfft uns bis heute mit ihren vielen raumltsel-

haften Facetten Da verhalten sich Teilchen wie Wellen und Wellen

wie Teilchen da nehmen Elektronen scheinbar mehrere Wege auf

einmal und das Vakuum ist nicht mehr leer Teilchen uumlberwinden

Barrieren obwohl sie eigentlich nicht genuumlgend Energie dafuumlr ha-

ben und der Zufall entpuppt sich als fundamentales Prinzip der

Natur Unsere klassische Intuition wird hier auf den Kopf gestellt

In diesem Teil des Buches schauen wir uns an warum Materie sta-

bil ist was der Spin des Elektrons ist und warum er sich nur sehr un-

vollstaumlndig als Eigenrotation verstehen laumlsst Auch makroskopische

Phaumlnomene wie Supraleitung oder Suprafluiditaumlt wollen wir vorstellen

Nicht zuletzt werden wir den Laser genauer betrachten und auch den

Quantencomputer Alle diese Phaumlnomene lassen sich mit der Quanten-

mechanik praumlzise beschreiben minus doch was die Quantenmechanik fuumlr

unser Verstaumlndnis der physikalischen Realitaumlt bedeutet daruumlber

herrscht auch fast einhundert Jahre nach ihrer Entstehung

noch keine Einigkeit

6 Atome und Quantenmechanik

172 6 Atome und Quantenmechanik

Demokrit

Nicht nur in der Antike auch zu Daltons Zeiten stellte man sich vor dass Atombindungen durch Haken und Oumlsen realisiert wuumlrden

Demokrit und Leukipp stellten sich Atome als geome-trische Objekte mit verschiedensten Formen vor

W Heisenberg Der Teil und das Ganze Gespraumlche im Umkreis der Atomphysik Piper Taschenbuch 9 Auflage 2001H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

Die Vorstellung dass die Materie die uns umgibt aus

kleinen unteilbaren Bausteinen aufgebaut sei ist schon

uumlber 2400 Jahre alt Damals waren es der Philosoph

Leukipp und sein Schuumller Demokrit die annahmen

dass es unvorstellbar kleine nicht weiter unterteilbare

Bausteine gibt die sie Atome nannten (vom griechi-

schen ἄτομος bdquodas Unteilbareldquo) Sie stellten sich vor

dass diese Atome von denen es verschiedene Sorten

geben sollte mit Haken und Oumlsen ausgestattet sind

sodass sie sich miteinander verbinden aber sich auch

wieder voneinander loumlsen konnten So wuumlrde z B aus

lauter winzigen bdquoSteinatomenldquo ein fester Stein

Natuumlrlich war das zu dieser

Zeit reine Spekulation denn

ein Atom hatte noch niemand

direkt gesehen Auch deshalb

wurde Demokrit damals von

Zeitgenossen (wie Sokrates)

verspottet Und so geriet das

Modell fuumlr lange Zeit in Ver-

gessenheit

Erst Anfang des 19 Jahrhun-

derts mit dem Aufkommen

der Chemie fanden die modernen Naturwissenschaft-

ler zuruumlck zur Atomtheorie Es war John Dalton der

annahm dass es zu allen damals bekannten chemi-

schen Stoffen entsprechende Atomsorten gab die sich

nur in ganz bestimmten Verhaumlltnissen miteinander

verbinden konnten Diese Hypothese konnte bereits

eine Menge von chemischen Beobachtungen erklaumlren

aber eine wirkliche Vorstellung von Atomen hatte man

damit immer noch nicht erlangt

Erst zu Anfang des 20 Jahrhunderts als man begann

durch immer genauere Experimente die Struktur des

Atoms selbst zu entschluumlsseln fanden Physiker wie

J J Thomson und Ernest Rutherford heraus dass das

Atom ein positiv geladenes Zentrum besitzt das von

negativ geladenen Elektronen umgeben ist

Im Jahre 1913 stellte der daumlnische Physiker Niels Bohr

dann sein bis heute beruumlhmtes Atommodell vor Das

Atom besteht dabei aus einem positiv geladenen Kern

Das Bohrrsquosche Atommodell Wie kann man sich ein Atom vorstellen

173 Das Bohrrsquosche Atommodell

Die Experimente Thomsons zeigten dass Atome negativ gelade-nen Teilchen enthalten muumlssen Man stellte sich vor dass diese Elektronen im Atom eingebettet waren wie Rosinen im Kuchen (links) Erst Bohr formte die Vorstellung eines positiv geladenen Kerns der von den negativ geladenen Elektronen umkreist wird (rechts)

Die Flagge der Internationalen Atom-energiebehoumlrde (IAEA)

Daumlnische Briefmarke zum 50-jaumlh-rigen Geburtstag des Bohrrsquoschen Atommodells

Wellenfunktion S 180Das Pauli-Prinzip S 188

der fast die gesamte Masse in sich vereint und von

Elektronen auf stabilen Kreisbahnen umrundet wird ndash

fast wie ein winziges Planetensystem

Dabei sind nur ganz bestimmte Abstaumlnde zwischen

Kern und Elektron erlaubt und je nach Abstand be-

sitzen die Elektronen unterschiedliche Energien Alle

Elektronen desselben Abstandes gehoumlren zu einer soge-

nannten Schale und in jede Schale passen

nur eine gewisse Anzahl von Elektronen

Dieses Modell konnte nicht nur das Ver-

halten einer ganzen Reihe von Atomen

(naumlmlich denen der sogenannten Haupt-

gruppen) erklaumlren sondern war auch so an-

schaulich dass dieses Bild bis heute unsere

Atomvorstellungen praumlgt So findet es sich

zum Beispiel in der Flagge der Internatio-

nalen Atomenergiebehoumlrde IAEA

Teilweise konnte das Bohrrsquosche Atommodell sogar er-

klaumlren warum sich z B ein Wasserstoff (H) und ein

Chloratom (Cl) zu Salzsaumlure (HCl) verbinden koumln-

nen Das Wasserstoffatom besitzt ein Elektron ndash dem

Chloratom fehlt genau ein Elektron um seine aumluszligerste

Schale ganz zu fuumlllen ndash und so ist es energetisch guumlns-

tig wenn beide sich verbinden Zwischen ihnen kann

dabei ein Elektron den Besitzer wechseln und der posi-

tiv geladenen Wasserstoffkern (H+) und das negativ ge-

ladene Chloratom (Clminus) bleiben einfach aufgrund der

elektrostatischen Anziehungskraft aneinander haumlngen

Das Bohrrsquosche Atommodell hatte allerdings immer

noch Erklaumlrungsluumlcken Warum durften die negativ ge-

ladenen Elektronen den positiven Kern nur in ganz be-

stimmten Abstaumlnden umkreisen Und was hinderte sie

daran aufgrund der elektrostatischen Anziehungskraft

einfach in der Kern hineinzufallen Diese Fragen konn-

ten erst spaumlter in einer umfassenden quantenmecha-

nischen Beschreibung der Atome geklaumlrt werden ( )

Leider bedeutet die quantenmechanische Behandlung

dass ein gewisser Anteil der Anschauung der Atome

verlorengeht

174 6 Atome und Quantenmechanik

Sowohl Pro-tonen als auch

Neutronen beste-hen aus drei Quarks

Die starke Wechselwirkung zweier Nukleonen kann man durch den Austausch eines Mesons veranschaulichen

Das Bohrrsquosche Atommodell S 172Radioaktiver Zerfall S 176Die starke Wechselwirkung S 224

Waumlhrend viele Physiker um 1900 das Atom noch als

eine fundamentale Einheit betrachteten gelangte man

mit den Experimenten von Rutherford im Jahre 1911

zu der Erkenntnis dass ein Atom selbst auch eine

Struktur besitzt und aus einem positiv gela-

denen Kern besteht der von im Vergleich

dazu sehr leichten Elektronen umgeben ist

(Bohrrsquosches Atommodell ) Auch wenn

man relativ einfach einzelne Elektronen

aus dieser Huumllle entfernen oder dazu hin-

zufuumlgen konnte so blieb der Atomkern in

dem rund 9995 der Masse des Atoms

enthalten ist davon unbeein-

flusst Insofern passte diese

Einsicht weiterhin gut mit der

Vorstellung der bdquoUnteilbar-

keitldquo der Atome zusammen

Erst 1917 wies Ernest Ruther-

ford durch weitere Experimente nach dass auch Atom-

kerne veraumlnderbar waren indem er durch Beschuss

mit Alphateilchen (Heliumkernen) Stickstoffkerne in

Sauerstoffkerne umwandelte Dass Atomkerne in der

Tat nicht ganz unveraumlnderlich waren hatte man zwar

schon durch die Entdeckung der Radioaktivitaumlt ( )

einige Jahre zuvor vermutet aber Rutherfords Experi-

mente waren der erste direkte Nachweis

Bei dieser Gelegenheit entdeckte Rutherford auch

dass Atomkerne wiederum eine Substruktur besitzen

und mehrere Protonen enthalten ndash und zwar gerade

so viele wie sich Elektronen in der Huumllle befinden

Im Jahre 1932 entdeckte dann James Chadwick den

zweiten noch fehlenden Baustein in den Atomkernen

das Neutron Diese beiden Nukleonen formen zusam-

men den Atomkern

Doch was genau haumllt Protonen und Neu-

tronen im Kern zusammen Letztere

sind elektrisch neutral die Protonen

aber sind allesamt positiv geladen

sollten sich also abstoszligen Die Ant-

wort liegt in einer weiteren Substruktur

die die sogenannte Kernkraft erzeugt

(nicht zu verwechseln mit der Energie

die in Kernkraftwerken aus z B Uran

gewonnen wird) Diese Kernkraft ist das

Uumlberbleibsel der starken Kraft die zwi-

schen den Bestandteilen der Protonen

und Neutronen ndash den Quarks ndash wirkt

( starke WW )

Atomkerne Seit hundert Jahren bekannt und doch nicht im Ganzen verstanden

175 Atomkerne

Die Luumlcken zwischen den Energieniveaus im Atomkern trennen die einzelnen Schalen voneinander Kerne deren Protonen undoder Neutronenzahl bdquomagischldquo ist (die entsprechenden Schalen also vollkommen gefuumlllt haben) sind besonders stabil

B Povh K Rith C Scholz F Zetsche Teilchen und Kerne Eine Einfuumlhrung in die physikalischen Konzepte Springer Verlag 8 Auflage 2009

Die Kernkraft fuumlhrt letztlich zu einer Anziehung der

farbneutralen Nukleonen untereinander Sie hat nur

eine sehr kurze Reichweite ist allerdings deutlich staumlr-

ker als die abstoszligende elektrische Kraft Daher halten

Atomkerne auch zusammen und fliegen trotz der posi-

tiven Ladungen der Protonen nicht auseinander

Obwohl es heute bereits hinreichend gute mathema-

tische Beschreibungen der Kernkraft gibt ist sie nicht

bis ins letzte Detail verstanden Und so ist die genaue

Struktur der Atomkerne zum Beispiel die Frage wie

sich die einzelnen Nukleonen im Kern zueinander an-

ordnen bis heute nicht vollstaumlndig bekannt Zwar weiszlig

man dass Atomkerne genau wie auch die Elektronen

in der Huumllle diskrete Energieniveaus haben sodass sie

zu ndash im Vergleich zu diesen etwa 1000 bis 10 000 Mal

energiereicheren ndash Quantenspruumlngen angeregt werden

koumlnnen Aber die exakte Berechnung dieser Energieni-

veaus gestaltet sich sehr schwierig denn der Kern als

Ganzes ist ein sehr komplexes System aus stark mitei-

nander wechselwirkenden Einzelteilen So gibt es zwar

verschiedenen vereinfachende Modelle die jeweils ge-

wisse Aspekte der Kerne gut erklaumlren aber keines ist

vollstaumlndig und beschreibt den Kern in seiner Gaumlnze

In dem sogenannten Troumlpfchenmodell zum Beispiel

wird angenommen dass sich die Nukleonen im Kern

wie eine tropfenfoumlrmige positiv geladenen Fluumlssigkeit

verhalten Obwohl dieses Modell erst einmal sehr naiv

anmutet kann man mit seiner Hilfe recht genau be-

rechnen welche Atomkerne stabil und welche instabil

also radioaktiv sind

Im Schalenmodell hingegen wird angenommen dass

sich die Protonen und Neutronen genau wie auch die

Elektronen der Huumllle auf Schalen anordnen Ein Kern

nimmt dabei Energie auf indem ein Nukleon von einer

niedrigeren Schale in eine noch nicht vollstaumlndig gefuumlll-

te houmlhere Schale uumlbergeht Obwohl dieses Modell auch

mit starken Vereinfachungen arbeitet (im Gegensatz zu

den Elektronen spuumlren die Nukleonen ja kein gelade-

nes Zentrum um das sie sich herum anordnen muumlss-

ten) lassen sich hieraus in einigen Faumlllen passable Wer-

te fuumlr die Bindungsenergien und die Energieniveaus im

Kern berechnen

176 6 Atome und Quantenmechanik

Beim α-Zerfall sendet der Kern einen Heli-umkern (α-Teilchen) aus

Beim βminus-Zerfall wandelt sich im Kern ein Neutron in ein Proton ein Antineutrino und ein Elektron um wobei die letzteren beiden den Kern als Strahlung verlassen

Beim γ-Zerfall geht der Kern von einem angeregten in einen stabilen Zustand uumlber ndash die uumlberschuumlssige Energie wird in Form eines hochenergetischen Photons abgegeben

Atomkerne S 174Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182

Obwohl sich das Wort bdquoAtomldquo vom griechischen

ἄτομος (bdquodas Unteilbareldquo) ableitet kann man Atome

ndash mit dem entsprechenden Aufwand ndash in ihre Bestand-

teile zerlegen oder ineinander umwandeln Einige Ato-

me sind dazu jedoch auch von allein in der Lage Ende

des 19 Jahrhunderts entdeckte man Elemente wie

Uran oder Thorium die von sich aus eine ionisierende

Strahlung abgeben Noch bevor Rutherford die Exis-

tenz der Atomkerne explizit nachweisen konnte stellte

er daher bereits die Hypothese auf dass diese radio-

aktive Strahlung wie Marie Curie sie getauft hatte

durch die Umwandlung einer Atomsorte in eine andere

verursacht wird

Heute wissen wir dass radioaktive Strahlung entsteht

wenn ein instabiler Atomkern ( ) in einen stabileren

Zustand uumlbergeht Da die Menge des urspruumlnglichen

Stoffes bei diesem Prozess abnimmt spricht man hier-

bei auch von radioaktivem Zerfall Es gibt im Wesent-

lichen drei Arten radioaktiver Strahlung entsprechend

der drei verschiedenen Arten auf die ein Atomkern

spontan zerfallen kann

Der so genannte α-Zerfall tritt bei Atomkernen auf

die sehr schwer sind und eine groszlige Anzahl an Pro-

tonen besitzen Diese positiv geladenen Protonen im

Kern muumlssten sich eigentlich abstoszligen werden jedoch

von der kurzreichweitigen Kernkraft zusammenge-

halten die um einiges staumlrker ist als die abstoszligende

elektrische Kraft wobei Letztere jedoch eine deut-

lich houmlhere Reichweite hat Da durch die Effekte der

Quantenmechanik ( ) die Nukleonen im Kern keinen

festen Ort haben sondern uumlber einen gewissen Auf-

enthaltsbereich verschmiert sind gibt es eine gewisse

Wahrscheinlichkeit dass sich zwei Protonen und zwei

Neutronen ndash eine in sich sehr stabile Kombination

entsprechend einem Heliumkern auch α-Teilchen

genannt ndash so weit vom Rest der Kernteilchen entfer-

nen dass sie die anziehende Kernkraft nicht mehr stark

genug spuumlren sondern hauptsaumlchlich die abstoszligende

elektrische Kraft Das α-Teilchen durchtunnelt dadurch

die Potentialbarriere des Kerns und wird mit einer Ge-

schwindigkeit von einigen Prozent der Lichtgeschwin-

digkeit aus dem Kern ausgestoszligen ( Tunneleffekt )

Radioaktiver Zerfall Atomkerne aus dem Gleichgewicht

177 Radioaktiver Zerfall

Halbwertszeiten der bekannten Isotope Jedes Quadrat entspricht einem Kern mit Z Protonen und N Nukleonen (Protonen und Neu-tronen)

W Stolz Radioaktivitaumlt Grundlagen ndash Messung ndash Anwendungen Teubner 5 Aufl 2005H Krieger Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes Vieweg+Teubner 2007K Bethge Kernphysik Springer Verlag 1996

hen Dichte haumllt Blei dabei die γ-Strahlen am effektivs-

ten auf es werden jedoch je nach Strahlungsenergie

einige Millimeter bis Zentimeter fuumlr eine vollstaumlndige

Abschirmung benoumltigt Dies macht gerade Letztere fuumlr

Lebewesen besonders gefaumlhrlich denn tief in Gewebe

eindringende Strahlung kann nicht nur Verbrennungen

an der Hautoberflaumlche sondern auch Mutationen in

den Zellen und der DNA verursachen

Der β-Zerfall wiederum tritt in Kernen mit einem un-

guumlnstigen Verhaumlltnis zwischen Protonen und Neutro-

nen auf Hat ein Kern einen deutlichen Uumlberschuss an

Neutronen so kann sich eines davon durch die schwa-

che Wechselwirkung spontan in ein Proton ein Elekt-

ron und ein Antielektronneutrino umwandeln Wenn

dies geschieht dann verbleibt das Proton im Kern und

Neutrino und Elektron werden abgestrahlt Diese ne-

gativ geladenen Elektronen werden dabei als β minus-Strah-

lung bezeichnet

Die Regeln der schwachen Wechselwirkung lassen al-

lerdings auch den (etwas selteneren) spiegelbildlichen

Prozess zu In Kernen mit einem Uumlberschuss an Pro-

tonen kann sich eines in ein Neutron ein Antielektron

und ein Elektronneutrino umwandeln Das hierbei

ausgesendete positiv geladene Antielektron ( Positron)

bezeichnet man dabei als β +-Strahlung

Der γ-Zerfall schlieszliglich bezeichnet den Uumlbergang

eines Atomkerns von einem angeregten Zustand in

einen stabileren Zustand mit niedrigerer Energie Die

uumlberschuumlssige Energie wird in Form von energiereichen

Photonen abgestrahlt die man auch als γ-Quanten be-

zeichnet Weil angeregte Atomkerne meist eine Folge-

erscheinung von Kernspaltungen oder anderen voran-

gegangenen Zerfaumlllen sind tritt γ-Strahlung meist in

Begleitung von anderen radioaktiven Vorgaumlngen auf

Die Unterteilung in α β und γ bezieht sich auf die

Eindringtiefe der jeweiligen Strahlung in feste Materie

Waumlhrend α-Strahlung bereits nach fuumlnf Zentimetern

durch die Luft oder durch ein einfaches Blatt Papier

aufgehalten werden kann benoumltigt man bei β-Strahlung

bereits eine duumlnne Metallplatte γ-Strahlung hingegen

kann sehr tief in Materie eindringen Wegen seiner ho-

178 6 Atome und Quantenmechanik

Photoeffekt

Wellenlaumlngen und zugehoumlri-ge Photon-Energien fuumlr das sichtbare Lichtspektrum

Bild in der Mitte (Briefmarke) mit freundlicher Genehmigung von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityR P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Wellen und Teilchen haumlngen in der Quantenmechanik

eng miteinander zusammen So ist Licht einerseits eine

elektromagnetische Welle wie Interferenzexperimen-

te zeigen bei denen Lichtwellenberge auf -berge oder

-taumller treffen und sich verstaumlrken oder ausloumlschen An-

dererseits kann Licht beim sogenannten Photoeffekt

einzelne Elektronen aus einer Metalloberflaumlche he-

rausschlagen wobei dies mit umso groumlszligerer Wucht

geschieht je kuumlrzer die Lichtwellenlaumlnge ist ndash ein Ver-

halten das sich nur durch den Teilchencharakter des

Lichtes verstehen laumlsst

Licht besteht also aus

einem Strom einzelner

Teilchen (sogenannter

Photonen) welche die

Elektronen aus der Ober-

flaumlche herausstoszligen

Fuumlr die genaue Ausarbei-

tung dieser Erkenntnis

erhielt Albert Einstein im

Jahr 1921 den Nobelpreis

fuumlr Physik ndash er hatte sie be-

reits im Jahr 1905 in seiner

Doktorarbeit formuliert

Frequenz f und Wellenlaumlnge λ der elektromagnetischen

Lichtwelle legen dabei die Energie E und den Impuls p

der Photonen fest

E = h∙f und λ = hp

Hier ist h = 6626 ∙ 10ndash34 J∙s eine Naturkonstante deren

Wert im Experiment bestimmt werden muss Sie heiszligt

Planckrsquosches Wirkungsquantum und verknuumlpft Teil-

chen- mit Welleneigenschaften

So wie Photonen mit Lichtwellen zusammenhaumlngen

so haumlngen auch beispielsweise Elektronen mit Elektro-

nenwellen zusammen und zwar nach genau denselben

Formeln wie bei den Photonen und auch allen anderen

Teilchen Wenn man beispielsweise einen Elektronen-

strahl durch einen sehr feinen Doppelspalt schickt so

findet man auf einer Flaumlche dahinter ein Interferenz-

muster aus Streifen mit vielen und mit wenigen Elekt-

ronentreffern ganz analog zum Intensitaumltsmuster von

Laserlicht hinter einem solchen Doppelspalt

Offenbar muss man den Durchgang der Elektronen

durch den Doppelspalt wie bei Licht durch eine Wel-

le beschreiben wobei eine hohe Wellenintensitaumlt einer

hohen Wahrscheinlichkeit entspricht ein Elektron an-

zutreffen

Welle-Teilchen-Dualismus Teilchen bewegen sich in Wellen

179 Welle-Teilchen-Dualismus

Das Buckminster-Fulleren C60

Reales Doppelspaltexperiment mit 11 (a) 200 (b) 6000 (c) 40 000 (d) und 140 000 (e) Elektronen

Doppelspaltexperiment mit Elektronen Interferenz von Wellen hinter einem Doppelspalt

Wellenfunktion S 180J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Im Experiment kann man naumlmlich beobachten wie auf der Flaumlche hinter

dem Doppelspalt nach und nach immer mehr einzelne Elektronen wie

zufaumlllig an verschiedenen Stellen auftreffen wobei sich schlieszliglich das

streifenfoumlrmige Interferenzmuster herausbildet

Teilchenbahnen gibt es dabei nicht mehr Alles was die Quantenmecha-

nik tun kann ist die Auftreffwahrscheinlichkeiten fuumlr die Elektronen zu

berechnen Der Ort eines einzelnen Elektrons ist dagegen in der Natur

grundsaumltzlich nicht festgelegt d h der Wahrscheinlichkeitscharakter der

Quantenmechanik ist grundsaumltzlicher Natur und hat nichts mit unge-

nauen Messungen zu tun (siehe Wellenfunktion )

Mittlerweile konnten Interferenzmuster

auch beispielsweise fuumlr Fullerenmolekuumlle

nachgewiesen werden die immerhin aus

60 Kohlenstoffatomen bestehen (Anton

Zeilinger 1999) Auch fuumlr sie gilt also der

Welle-Teilchen-Dualismus

180 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Wellenfunktion die senkrecht zu ihrer Flugrichtung im Ort be-schraumlnkt wird (z B indem man sie durch einen engen Spalt schickt) erhaumllt dadurch eine groszlige Impulsunschaumlrfe in dieselbe Richtung wodurch sie sich ausbreitet

Zwei Schwingungszustaumlnde der Wel-lenfunktion eines Elektrons im Wasser-stoffatom Die Farbe gibt die ortsabhaumln-gige Phase der Wellenfunktion an

Bild rechts oben und links mit freundlicher Genehmigung von Bernd Thaller Universitaumlt von Graz Institut fuumlr Mathematik und Wissenschaftliches RechnenB Thaller Visual Quantum Mechanics httpvqmuni-grazatindexhtml Galerie mit Darstellungen von Wellenfunktionen

Anfang des 20 Jahrhunderts haumluften sich die Hinweise dass die Materie aus

kleinen Bausteinen Elementarteilchen genannt aufgebaut ist Zuerst nahm

man an dass die Elementarteilchen kleinen Kugeln aumlhnelten die sich aumlhn-

lich wie alle Objekte unserer Erfahrungswelt auf Flugbahnen bewegen kol-

lidieren und voneinander abprallen Als man aber begann experimentell

tiefer in die Bereiche des Mikrokosmos vorzudringen wurde schnell

klar dass Elementarteilchen ganz anderen Gesetzen folgen als sagen

wir einmal Murmeln oder Steine

Eine Murmel kann man (zumindest im Prinzip) zu

jedem Zeitpunkt vollstaumlndig durch einige wenige Zahlen beschreiben

zum Beispiel Ort und Geschwindigkeit Drehimpuls etc Bei Elementar-

teilchen ist dies nicht mehr moumlglich stattdessen beschreibt man sie durch

ein raumlumlich ausgedehntes Feld Die Bewegungsgleichungen fuumlr dieses

Feld aumlhneln denen von (zum Beispiel elektromagnetischen) Wellen wes-

wegen das Feld Wellenfunktion genannt wird

Durch die Wellennatur der Teilchen gehen

jedoch typische Teilcheneigenschaften verloren

Man kann uumlber die physikalischen Groumlszligen die ein klassisches Teil-

chen beschreiben wuumlrden nur noch statistische Aussagen treffen

Auszligerdem sind gewisse Groumlszligen wie zum Beispiel Ort und Ge-

schwindigkeit des Teilchens zueinander komplementaumlr

Wellenfunktion Verschmierte Teilchen

181 Wellenfunktion

Der Franck-Hertz-Versuch S 184A Zeilinger Einsteins Schleier Die neue Welt der Quantenphysik Goldmann 2003

Die Komplementaritaumlt von Ort und Impuls

Die Komplementaritaumlt von Messgroumlszligen wie Ort und Ge-

schwindigkeit ist nicht wie oft behauptet eine Folge

von ungenauen Messungen sondern eine fun-

damentale Eigenschaft der Wellenfunktionen

An den Stellen an denen das Betragsquadrat

der Wellenfunktion groszlig ist besteht eine hohe

Wahrscheinlichkeit das Elementarteilchen anzutreffen

wenn man danach sucht Die Geschwindigkeit des Teilchens hin-

gegen ist mit der Wellenlaumlnge der Welle verknuumlpft

Um nun einer Welle eine genaue Wellenlaumlnge zuzuordnen muss

sie uumlber einen groszligen Bereich ausgebreitet sein Eine genau be-

stimmte Geschwindigkeit fuumlhrt so zu einem sehr unbestimmten

Ort

Je staumlrker hingegen die Welle an einem Ort kon-

zentriert ist desto weniger genau kann man ihr

eine Wellenlaumlnge zuschreiben weswegen ein

genau bestimmter Ort zu einer sehr ungenau be-

stimmten Geschwindigkeit fuumlhrt

Das bedeutet Je genauer der Ort des Teilchens be-

kannt ist desto ungenauer ist seine Geschwindigkeit

bestimmt und umgekehrt

Die Welleneigenschaften der kleinsten Bausteine wer-

den ganz besonders bei den Elektronen deutlich die

sich in einem Atom befinden Anders als die haumlufig

benutzte Analogie zum Sonnensystem vermuten laumlsst

umkreisen Elektronen den Atomkern nicht denn da-

fuumlr muumlssten sie gleichzeitig einen scharf definierten Ort

und eine scharfe Geschwindigkeit besitzen Stattdessen

kann man sich die Wellenfunktion des Elektrons als

dreidimensionale stehende Welle vorstellen Ebenso

wie bei einer schwingenden Instrumenten-Saite gibt es

im Atom nur bestimmte bdquoerlaubteldquo Schwingungsmo-

den der Wellenfunktion Deswegen sind fuumlr das Elek-

tron im Atom nur bestimmte Energieniveaus erlaubt

zwischen denen es jedoch per bdquo Quantensprungldquo hin-

und herwechseln kann wenn es z B durch einen Licht-

strahl dazu angeregt wird (Franck-Hertz-Versuch )

182 6 Atome und Quantenmechanik

Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt

Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen

Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral

fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-

tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt

besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich

zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-

stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf

einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige

Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-

keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es

den Raumbereich einfach nicht betreten

Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das

Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-

ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr

sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei

werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt

ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash

ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt

die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-

tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst

ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel

am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der

Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von

Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-

berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern

auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-

federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann

man mit dem Konzept des Potentials begreifen

Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der

Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-

sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-

teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte

nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter

Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als

uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )

die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens

angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-

mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-

tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an

einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je

houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in

einem Tal als auf einem Bergldquo

Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-

lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der

klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-

Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis

183 Der Tunneleffekt

Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert

Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html

tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch

waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch

verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit

das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie

ist nicht exakt null

Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-

nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-

hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-

tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit

geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf

es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen

nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-

den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber

den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je

houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den

beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-

lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein

mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-

botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch

den Berg ins naumlchste Tal gelangen

Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-

waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-

nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-

lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum

Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um

so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der

Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie

deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-

steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln

Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und

klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer

Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle

nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die

Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-

det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt

die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich

ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen

durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis

ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng

genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr

hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-

schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne

sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es

ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon

eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-

versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-

scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische

Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum

vorkommt

184 6 Atome und Quantenmechanik

Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben

Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)

Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178

Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-

perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-

drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock

Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich

ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-

tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben

Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-

aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und

hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-

nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James

Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-

ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige

Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann

sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige

den sogenannten Quanten

Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und

Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum

zwischen einer negativ geladenen

Gluumlhkathode und einer positiven

Anode ausfuumlllt An der Kathode

treten staumlndig Elektronen aus die

wegen der angelegten Spannung

in Richtung der Anode beschleu-

nigt werden Auf ihrem Weg da-

hin durchqueren die Elektronen

das Gas und stoszligen dabei staumln-

dig mit den Quecksilberatomen

zusammen An der Anode misst

man durch die Gegenspannungs-

methode die Geschwindigkeit der

ankommenden Elektronen So kann man beobachten

um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-

men verlangsamt werden

Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches

fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-

lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode

zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur

elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei

nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-

nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die

an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast

voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man

auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann

kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu

leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-

den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich

schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die

Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet

Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen

185 Der Franck-Hertz-Versuch

Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu

Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden

Schichten ihre Energie

Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen

Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-

der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende

Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter

man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten

entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-

ben

Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur

in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-

sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen

sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein

Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von

Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann

diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf

das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen

Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe

und wird dann von der angelegten Spannung wieder

aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine

Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt

es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein

Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat

Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man

also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben

Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-

tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-

gie ist dabei von Element zu Element verschieden und

muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-

ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-

huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies

mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur

Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden

war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung

der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch

bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-

niveaus in Atomen

Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-

rigens nicht lange sondern geben sie in Form von

Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die

Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von

47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau

dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-

roumlhre als Leuchten erkennen kann

186 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

Magnetfeld

Rota

tions

achs

e

Praumlzession

magnetischeKraft

Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-

chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein

halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten

Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen

muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-

zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen

Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der

Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach

seine Eigenschaften zu verstehen

Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden

Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin

eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der

Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-

gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon

Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen

und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur

Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen

Spin besitzen

Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-

allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-

nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist

so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen

magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-

netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem

senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese

insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der

Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach

oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher

Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-

feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen

die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was

aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer

Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt

(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen

Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-

nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach

dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld

unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt

Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach

diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-

nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12

aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld

schlugen sich die Silberatome nieder

Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln

187 Der Spin eines Teilchens

Spinrichtung

θ = 0deg

θ = 45deg

θ = 90deg

θ = 135deg

θ = 180deg

θ

N

S

Silberatomstrahl

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter

Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend

einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-

tationsachsen

Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-

berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-

lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das

Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die

Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel

dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in

oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild

der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-

vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens

Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-

sche Beschreibung des Spins aus Angenommen

der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die

um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist

In einem parallel zum Spin ausgerichteten

inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen

also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt

sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht

orientierten inhomogenen Magnetfeld Es

wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2

nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit

sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik

durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)

d h der Spin ist nach der Messung mit die-

sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach

oben oder nach unten orientiert Und das ist

auch schon im Wesentlichen alles was gesagt

werden kann denn die Quantenmechanik

kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen

sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen

bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der

Begriff der klassischen Rotationsachse in der

Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche

Ungleichung )

188 6 Atome und Quantenmechanik

-2-1 0 1 2 3

-3-2

-1 0

1 2

3

-1-08-06-04-02

0 02 04 06 08

1

x

y

f(xy)

Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der

Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische

Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem

Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-

scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an

einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches

man angetroffen hat

In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit

ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes

Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das

Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man

auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude

oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )

bezeichnet (genau genommen ist f(xy)

eine komplexe Zahl doch das ist hier

nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-

ronen ununterscheidbar sind darf sich

diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern

wenn wir die beiden Elektronen mitei-

nander vertauschen also das erste Elek-

tron am Ort y und das zweite Elektron

am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2

= |f(yx)|2 sein

Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)

selbst kann beim Vertauschen entweder

ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie

wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-

zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt

f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)

Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt

der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-

ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise

Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische

Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten

Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-

tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen

Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin

zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-

gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip

Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-

trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude

Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden

189 Das Pauli-Prinzip

1s

2s

2p

3s

3p

3d

18

Ener

gie

n=1

n=2

n=3

8

2

3dxsup2-ysup2

3pz 3px 3py

3s

2pz

2s

1s

3dxz 3dxy

2py

3dz2 3dyz

2px

Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)

Bosonen Fermionen

810 nK

510 nK

240 nK

Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom

Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2

Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich

zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-

nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich

f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man

in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen

mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht

am selben Ort aufhalten

Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen

derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht

denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man

beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts

Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit

ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-

mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)

groumlszligere Abstaumlnde beibehalten

Das Pauli-Prinzip stellt si-

cher dass sich in der Elek-

tronenhuumllle der Atome

eine stabile Schalenstruk-

tur ausbildet Jeder moumlgli-

che Schwingungszustand der Wellenfunktion

kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-

den die entgegengesetzte Spinausrichtung

aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-

nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige

Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken

ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip

Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-

ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es

wird durch ein subtiles Zusammenspiel von

Quantenmechanik und spezieller Relativi-

taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief

in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler

der modernen Physik begruumlndet

190 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

N

S

Magnet A

Teilchenquelle

Magnet B

Der Spin eines Teilchens S 186

In der klassischen Physik sind wir es normalerweise

gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige

Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit

diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch

Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-

spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen

haben

Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden

und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig

d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen

Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur

unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er

gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-

tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-

dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz

EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die

uumlberarbeitete Version von David Bohm)

Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-

len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen

ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-

gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst

man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht

orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird

immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein

Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-

den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash

welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist

nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall

Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-

ander verhalten werden

Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-

den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte

Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder

Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-

gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann

das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim

Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine

Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide

Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-

der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten

laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat

der Zufall Spin up entschiedenldquo

koumlnnte sich aber maximal mit

Lichtgeschwindigkeit ausbrei-

ten

Einstein Po-

dolsky und Rosen

sprachen daher von einer

bdquospukhaften Fernwirkungldquo und

folgerten dass jedes der beiden Teil-

chen doch eine verborgene lokale Eigen-

schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse

besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits

im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten

waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-

saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet

Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-

cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie

die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig

191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung

S

S

N

N

Magnet AKippwinkel 45deg

Magnet BKippwinkel 0deg

Gruppe 1(0darr 45uarr)

Teilchenquelle

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90degGruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3

0deg 45deg 90deg

J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und

ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-

rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr

1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich

diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein

Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand

gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-

nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-

rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide

Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt

werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-

gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg

Wenn die Teilchen nun doch eine

lokale innere Eigenschaft besaumlszligen

die ihr Verhalten im Magnetfeld

von vornherein festlegte so wird

es beispielsweise einige darunter

geben die bei 0deg zum Suumldpol bei

45deg zum Nordpol und bei 90deg

ebenfalls zum Nordpol abgelenkt

wuumlrden sodass wir sie mit (0

45 90 ) kennzeichnen koumln-

nen Die zugehoumlrigen Part-

nerteilchen wuumlrden sich

dabei genau entgegenge-

setzt verhalten

Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-

chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde

beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten

zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen

im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol

abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45

verhaumllt

Analog bilden wir Grup-

pe 2 als alle die Teilchen-

paare bei denen ein Teil-

chen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 45

sowie 90 besitzt sowie

Gruppe 3 als alle die Teil-

chenpaare bei denen ein

Teilchen zugleich die bei-

den Kennzeichnungen 0

sowie 90 besitzt

Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare

von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also

muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-

wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten

zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-

send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)

Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-

scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt

sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-

scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-

men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche

Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung

vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen

uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere

Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky

und Rosen wurden widerlegt

Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass

die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung

erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-

greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt

egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze

ist mehr als die Summe seiner Teile

192 6 Atome und Quantenmechanik

Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie

Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012

Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-

orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische

Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-

theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik

jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich

zufriedenstellend beantwortet sind

Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur

grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-

lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-

lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische

Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-

wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-

scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen

instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise

Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also

durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus

dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-

ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der

sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927

u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-

beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber

welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder

dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-

on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-

ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft

die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)

sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-

lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten

Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei

nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da

es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird

Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten

193 Die Interpretation der Quantenmechanik

Tritium

Wellenfunktion = +

Helium-3

ElektronAntineutrino

Detektormisst

Zerfall

makroskopische Realitaumlt

Gift

oder

Gift

Tritiumintakt

Tritiumzerfallen

Wellenfunktion =

+

Dekohaumlrenz

makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2

Gift Gift

Tritium Helium-3

ElektronAntineutrino

Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24

Doch wann genau findet eine solche Messung statt

Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin

Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches

Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem

zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die

zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste

eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet

dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-

tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit

Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers

Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-

digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der

erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-

schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der

quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die

klassische Realitaumlt der Katze

Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-

chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute

tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-

zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-

tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-

elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man

den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in

den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die

sogenannte Viele-Welten-Interpretation

Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom

weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-

same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-

tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie

bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze

jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-

vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in

Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur

sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-

de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung

mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-

abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts

mehr voneinander sodass man sie als verschiedene

Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-

der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der

Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht

In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion

des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-

ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten

verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation

zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-

lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt

im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung

des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung

zwischen Mikro- und Makrokosmos

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 2: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

++ndash

ndash

Was ist die Wellenfunktion und was die Unschaumlrferelation Was ist

das Quantenvakuum und wie verhalten sich Suprafluumlssigkeiten Und

werden wir bald Quantencomputer verwenden Diese und andere Fra-

gen lassen sich mithilfe der Quantenmechanik behandeln und teilweise

auch beantworten

Die Quantenmechanik verbluumlfft uns bis heute mit ihren vielen raumltsel-

haften Facetten Da verhalten sich Teilchen wie Wellen und Wellen

wie Teilchen da nehmen Elektronen scheinbar mehrere Wege auf

einmal und das Vakuum ist nicht mehr leer Teilchen uumlberwinden

Barrieren obwohl sie eigentlich nicht genuumlgend Energie dafuumlr ha-

ben und der Zufall entpuppt sich als fundamentales Prinzip der

Natur Unsere klassische Intuition wird hier auf den Kopf gestellt

In diesem Teil des Buches schauen wir uns an warum Materie sta-

bil ist was der Spin des Elektrons ist und warum er sich nur sehr un-

vollstaumlndig als Eigenrotation verstehen laumlsst Auch makroskopische

Phaumlnomene wie Supraleitung oder Suprafluiditaumlt wollen wir vorstellen

Nicht zuletzt werden wir den Laser genauer betrachten und auch den

Quantencomputer Alle diese Phaumlnomene lassen sich mit der Quanten-

mechanik praumlzise beschreiben minus doch was die Quantenmechanik fuumlr

unser Verstaumlndnis der physikalischen Realitaumlt bedeutet daruumlber

herrscht auch fast einhundert Jahre nach ihrer Entstehung

noch keine Einigkeit

6 Atome und Quantenmechanik

172 6 Atome und Quantenmechanik

Demokrit

Nicht nur in der Antike auch zu Daltons Zeiten stellte man sich vor dass Atombindungen durch Haken und Oumlsen realisiert wuumlrden

Demokrit und Leukipp stellten sich Atome als geome-trische Objekte mit verschiedensten Formen vor

W Heisenberg Der Teil und das Ganze Gespraumlche im Umkreis der Atomphysik Piper Taschenbuch 9 Auflage 2001H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

Die Vorstellung dass die Materie die uns umgibt aus

kleinen unteilbaren Bausteinen aufgebaut sei ist schon

uumlber 2400 Jahre alt Damals waren es der Philosoph

Leukipp und sein Schuumller Demokrit die annahmen

dass es unvorstellbar kleine nicht weiter unterteilbare

Bausteine gibt die sie Atome nannten (vom griechi-

schen ἄτομος bdquodas Unteilbareldquo) Sie stellten sich vor

dass diese Atome von denen es verschiedene Sorten

geben sollte mit Haken und Oumlsen ausgestattet sind

sodass sie sich miteinander verbinden aber sich auch

wieder voneinander loumlsen konnten So wuumlrde z B aus

lauter winzigen bdquoSteinatomenldquo ein fester Stein

Natuumlrlich war das zu dieser

Zeit reine Spekulation denn

ein Atom hatte noch niemand

direkt gesehen Auch deshalb

wurde Demokrit damals von

Zeitgenossen (wie Sokrates)

verspottet Und so geriet das

Modell fuumlr lange Zeit in Ver-

gessenheit

Erst Anfang des 19 Jahrhun-

derts mit dem Aufkommen

der Chemie fanden die modernen Naturwissenschaft-

ler zuruumlck zur Atomtheorie Es war John Dalton der

annahm dass es zu allen damals bekannten chemi-

schen Stoffen entsprechende Atomsorten gab die sich

nur in ganz bestimmten Verhaumlltnissen miteinander

verbinden konnten Diese Hypothese konnte bereits

eine Menge von chemischen Beobachtungen erklaumlren

aber eine wirkliche Vorstellung von Atomen hatte man

damit immer noch nicht erlangt

Erst zu Anfang des 20 Jahrhunderts als man begann

durch immer genauere Experimente die Struktur des

Atoms selbst zu entschluumlsseln fanden Physiker wie

J J Thomson und Ernest Rutherford heraus dass das

Atom ein positiv geladenes Zentrum besitzt das von

negativ geladenen Elektronen umgeben ist

Im Jahre 1913 stellte der daumlnische Physiker Niels Bohr

dann sein bis heute beruumlhmtes Atommodell vor Das

Atom besteht dabei aus einem positiv geladenen Kern

Das Bohrrsquosche Atommodell Wie kann man sich ein Atom vorstellen

173 Das Bohrrsquosche Atommodell

Die Experimente Thomsons zeigten dass Atome negativ gelade-nen Teilchen enthalten muumlssen Man stellte sich vor dass diese Elektronen im Atom eingebettet waren wie Rosinen im Kuchen (links) Erst Bohr formte die Vorstellung eines positiv geladenen Kerns der von den negativ geladenen Elektronen umkreist wird (rechts)

Die Flagge der Internationalen Atom-energiebehoumlrde (IAEA)

Daumlnische Briefmarke zum 50-jaumlh-rigen Geburtstag des Bohrrsquoschen Atommodells

Wellenfunktion S 180Das Pauli-Prinzip S 188

der fast die gesamte Masse in sich vereint und von

Elektronen auf stabilen Kreisbahnen umrundet wird ndash

fast wie ein winziges Planetensystem

Dabei sind nur ganz bestimmte Abstaumlnde zwischen

Kern und Elektron erlaubt und je nach Abstand be-

sitzen die Elektronen unterschiedliche Energien Alle

Elektronen desselben Abstandes gehoumlren zu einer soge-

nannten Schale und in jede Schale passen

nur eine gewisse Anzahl von Elektronen

Dieses Modell konnte nicht nur das Ver-

halten einer ganzen Reihe von Atomen

(naumlmlich denen der sogenannten Haupt-

gruppen) erklaumlren sondern war auch so an-

schaulich dass dieses Bild bis heute unsere

Atomvorstellungen praumlgt So findet es sich

zum Beispiel in der Flagge der Internatio-

nalen Atomenergiebehoumlrde IAEA

Teilweise konnte das Bohrrsquosche Atommodell sogar er-

klaumlren warum sich z B ein Wasserstoff (H) und ein

Chloratom (Cl) zu Salzsaumlure (HCl) verbinden koumln-

nen Das Wasserstoffatom besitzt ein Elektron ndash dem

Chloratom fehlt genau ein Elektron um seine aumluszligerste

Schale ganz zu fuumlllen ndash und so ist es energetisch guumlns-

tig wenn beide sich verbinden Zwischen ihnen kann

dabei ein Elektron den Besitzer wechseln und der posi-

tiv geladenen Wasserstoffkern (H+) und das negativ ge-

ladene Chloratom (Clminus) bleiben einfach aufgrund der

elektrostatischen Anziehungskraft aneinander haumlngen

Das Bohrrsquosche Atommodell hatte allerdings immer

noch Erklaumlrungsluumlcken Warum durften die negativ ge-

ladenen Elektronen den positiven Kern nur in ganz be-

stimmten Abstaumlnden umkreisen Und was hinderte sie

daran aufgrund der elektrostatischen Anziehungskraft

einfach in der Kern hineinzufallen Diese Fragen konn-

ten erst spaumlter in einer umfassenden quantenmecha-

nischen Beschreibung der Atome geklaumlrt werden ( )

Leider bedeutet die quantenmechanische Behandlung

dass ein gewisser Anteil der Anschauung der Atome

verlorengeht

174 6 Atome und Quantenmechanik

Sowohl Pro-tonen als auch

Neutronen beste-hen aus drei Quarks

Die starke Wechselwirkung zweier Nukleonen kann man durch den Austausch eines Mesons veranschaulichen

Das Bohrrsquosche Atommodell S 172Radioaktiver Zerfall S 176Die starke Wechselwirkung S 224

Waumlhrend viele Physiker um 1900 das Atom noch als

eine fundamentale Einheit betrachteten gelangte man

mit den Experimenten von Rutherford im Jahre 1911

zu der Erkenntnis dass ein Atom selbst auch eine

Struktur besitzt und aus einem positiv gela-

denen Kern besteht der von im Vergleich

dazu sehr leichten Elektronen umgeben ist

(Bohrrsquosches Atommodell ) Auch wenn

man relativ einfach einzelne Elektronen

aus dieser Huumllle entfernen oder dazu hin-

zufuumlgen konnte so blieb der Atomkern in

dem rund 9995 der Masse des Atoms

enthalten ist davon unbeein-

flusst Insofern passte diese

Einsicht weiterhin gut mit der

Vorstellung der bdquoUnteilbar-

keitldquo der Atome zusammen

Erst 1917 wies Ernest Ruther-

ford durch weitere Experimente nach dass auch Atom-

kerne veraumlnderbar waren indem er durch Beschuss

mit Alphateilchen (Heliumkernen) Stickstoffkerne in

Sauerstoffkerne umwandelte Dass Atomkerne in der

Tat nicht ganz unveraumlnderlich waren hatte man zwar

schon durch die Entdeckung der Radioaktivitaumlt ( )

einige Jahre zuvor vermutet aber Rutherfords Experi-

mente waren der erste direkte Nachweis

Bei dieser Gelegenheit entdeckte Rutherford auch

dass Atomkerne wiederum eine Substruktur besitzen

und mehrere Protonen enthalten ndash und zwar gerade

so viele wie sich Elektronen in der Huumllle befinden

Im Jahre 1932 entdeckte dann James Chadwick den

zweiten noch fehlenden Baustein in den Atomkernen

das Neutron Diese beiden Nukleonen formen zusam-

men den Atomkern

Doch was genau haumllt Protonen und Neu-

tronen im Kern zusammen Letztere

sind elektrisch neutral die Protonen

aber sind allesamt positiv geladen

sollten sich also abstoszligen Die Ant-

wort liegt in einer weiteren Substruktur

die die sogenannte Kernkraft erzeugt

(nicht zu verwechseln mit der Energie

die in Kernkraftwerken aus z B Uran

gewonnen wird) Diese Kernkraft ist das

Uumlberbleibsel der starken Kraft die zwi-

schen den Bestandteilen der Protonen

und Neutronen ndash den Quarks ndash wirkt

( starke WW )

Atomkerne Seit hundert Jahren bekannt und doch nicht im Ganzen verstanden

175 Atomkerne

Die Luumlcken zwischen den Energieniveaus im Atomkern trennen die einzelnen Schalen voneinander Kerne deren Protonen undoder Neutronenzahl bdquomagischldquo ist (die entsprechenden Schalen also vollkommen gefuumlllt haben) sind besonders stabil

B Povh K Rith C Scholz F Zetsche Teilchen und Kerne Eine Einfuumlhrung in die physikalischen Konzepte Springer Verlag 8 Auflage 2009

Die Kernkraft fuumlhrt letztlich zu einer Anziehung der

farbneutralen Nukleonen untereinander Sie hat nur

eine sehr kurze Reichweite ist allerdings deutlich staumlr-

ker als die abstoszligende elektrische Kraft Daher halten

Atomkerne auch zusammen und fliegen trotz der posi-

tiven Ladungen der Protonen nicht auseinander

Obwohl es heute bereits hinreichend gute mathema-

tische Beschreibungen der Kernkraft gibt ist sie nicht

bis ins letzte Detail verstanden Und so ist die genaue

Struktur der Atomkerne zum Beispiel die Frage wie

sich die einzelnen Nukleonen im Kern zueinander an-

ordnen bis heute nicht vollstaumlndig bekannt Zwar weiszlig

man dass Atomkerne genau wie auch die Elektronen

in der Huumllle diskrete Energieniveaus haben sodass sie

zu ndash im Vergleich zu diesen etwa 1000 bis 10 000 Mal

energiereicheren ndash Quantenspruumlngen angeregt werden

koumlnnen Aber die exakte Berechnung dieser Energieni-

veaus gestaltet sich sehr schwierig denn der Kern als

Ganzes ist ein sehr komplexes System aus stark mitei-

nander wechselwirkenden Einzelteilen So gibt es zwar

verschiedenen vereinfachende Modelle die jeweils ge-

wisse Aspekte der Kerne gut erklaumlren aber keines ist

vollstaumlndig und beschreibt den Kern in seiner Gaumlnze

In dem sogenannten Troumlpfchenmodell zum Beispiel

wird angenommen dass sich die Nukleonen im Kern

wie eine tropfenfoumlrmige positiv geladenen Fluumlssigkeit

verhalten Obwohl dieses Modell erst einmal sehr naiv

anmutet kann man mit seiner Hilfe recht genau be-

rechnen welche Atomkerne stabil und welche instabil

also radioaktiv sind

Im Schalenmodell hingegen wird angenommen dass

sich die Protonen und Neutronen genau wie auch die

Elektronen der Huumllle auf Schalen anordnen Ein Kern

nimmt dabei Energie auf indem ein Nukleon von einer

niedrigeren Schale in eine noch nicht vollstaumlndig gefuumlll-

te houmlhere Schale uumlbergeht Obwohl dieses Modell auch

mit starken Vereinfachungen arbeitet (im Gegensatz zu

den Elektronen spuumlren die Nukleonen ja kein gelade-

nes Zentrum um das sie sich herum anordnen muumlss-

ten) lassen sich hieraus in einigen Faumlllen passable Wer-

te fuumlr die Bindungsenergien und die Energieniveaus im

Kern berechnen

176 6 Atome und Quantenmechanik

Beim α-Zerfall sendet der Kern einen Heli-umkern (α-Teilchen) aus

Beim βminus-Zerfall wandelt sich im Kern ein Neutron in ein Proton ein Antineutrino und ein Elektron um wobei die letzteren beiden den Kern als Strahlung verlassen

Beim γ-Zerfall geht der Kern von einem angeregten in einen stabilen Zustand uumlber ndash die uumlberschuumlssige Energie wird in Form eines hochenergetischen Photons abgegeben

Atomkerne S 174Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182

Obwohl sich das Wort bdquoAtomldquo vom griechischen

ἄτομος (bdquodas Unteilbareldquo) ableitet kann man Atome

ndash mit dem entsprechenden Aufwand ndash in ihre Bestand-

teile zerlegen oder ineinander umwandeln Einige Ato-

me sind dazu jedoch auch von allein in der Lage Ende

des 19 Jahrhunderts entdeckte man Elemente wie

Uran oder Thorium die von sich aus eine ionisierende

Strahlung abgeben Noch bevor Rutherford die Exis-

tenz der Atomkerne explizit nachweisen konnte stellte

er daher bereits die Hypothese auf dass diese radio-

aktive Strahlung wie Marie Curie sie getauft hatte

durch die Umwandlung einer Atomsorte in eine andere

verursacht wird

Heute wissen wir dass radioaktive Strahlung entsteht

wenn ein instabiler Atomkern ( ) in einen stabileren

Zustand uumlbergeht Da die Menge des urspruumlnglichen

Stoffes bei diesem Prozess abnimmt spricht man hier-

bei auch von radioaktivem Zerfall Es gibt im Wesent-

lichen drei Arten radioaktiver Strahlung entsprechend

der drei verschiedenen Arten auf die ein Atomkern

spontan zerfallen kann

Der so genannte α-Zerfall tritt bei Atomkernen auf

die sehr schwer sind und eine groszlige Anzahl an Pro-

tonen besitzen Diese positiv geladenen Protonen im

Kern muumlssten sich eigentlich abstoszligen werden jedoch

von der kurzreichweitigen Kernkraft zusammenge-

halten die um einiges staumlrker ist als die abstoszligende

elektrische Kraft wobei Letztere jedoch eine deut-

lich houmlhere Reichweite hat Da durch die Effekte der

Quantenmechanik ( ) die Nukleonen im Kern keinen

festen Ort haben sondern uumlber einen gewissen Auf-

enthaltsbereich verschmiert sind gibt es eine gewisse

Wahrscheinlichkeit dass sich zwei Protonen und zwei

Neutronen ndash eine in sich sehr stabile Kombination

entsprechend einem Heliumkern auch α-Teilchen

genannt ndash so weit vom Rest der Kernteilchen entfer-

nen dass sie die anziehende Kernkraft nicht mehr stark

genug spuumlren sondern hauptsaumlchlich die abstoszligende

elektrische Kraft Das α-Teilchen durchtunnelt dadurch

die Potentialbarriere des Kerns und wird mit einer Ge-

schwindigkeit von einigen Prozent der Lichtgeschwin-

digkeit aus dem Kern ausgestoszligen ( Tunneleffekt )

Radioaktiver Zerfall Atomkerne aus dem Gleichgewicht

177 Radioaktiver Zerfall

Halbwertszeiten der bekannten Isotope Jedes Quadrat entspricht einem Kern mit Z Protonen und N Nukleonen (Protonen und Neu-tronen)

W Stolz Radioaktivitaumlt Grundlagen ndash Messung ndash Anwendungen Teubner 5 Aufl 2005H Krieger Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes Vieweg+Teubner 2007K Bethge Kernphysik Springer Verlag 1996

hen Dichte haumllt Blei dabei die γ-Strahlen am effektivs-

ten auf es werden jedoch je nach Strahlungsenergie

einige Millimeter bis Zentimeter fuumlr eine vollstaumlndige

Abschirmung benoumltigt Dies macht gerade Letztere fuumlr

Lebewesen besonders gefaumlhrlich denn tief in Gewebe

eindringende Strahlung kann nicht nur Verbrennungen

an der Hautoberflaumlche sondern auch Mutationen in

den Zellen und der DNA verursachen

Der β-Zerfall wiederum tritt in Kernen mit einem un-

guumlnstigen Verhaumlltnis zwischen Protonen und Neutro-

nen auf Hat ein Kern einen deutlichen Uumlberschuss an

Neutronen so kann sich eines davon durch die schwa-

che Wechselwirkung spontan in ein Proton ein Elekt-

ron und ein Antielektronneutrino umwandeln Wenn

dies geschieht dann verbleibt das Proton im Kern und

Neutrino und Elektron werden abgestrahlt Diese ne-

gativ geladenen Elektronen werden dabei als β minus-Strah-

lung bezeichnet

Die Regeln der schwachen Wechselwirkung lassen al-

lerdings auch den (etwas selteneren) spiegelbildlichen

Prozess zu In Kernen mit einem Uumlberschuss an Pro-

tonen kann sich eines in ein Neutron ein Antielektron

und ein Elektronneutrino umwandeln Das hierbei

ausgesendete positiv geladene Antielektron ( Positron)

bezeichnet man dabei als β +-Strahlung

Der γ-Zerfall schlieszliglich bezeichnet den Uumlbergang

eines Atomkerns von einem angeregten Zustand in

einen stabileren Zustand mit niedrigerer Energie Die

uumlberschuumlssige Energie wird in Form von energiereichen

Photonen abgestrahlt die man auch als γ-Quanten be-

zeichnet Weil angeregte Atomkerne meist eine Folge-

erscheinung von Kernspaltungen oder anderen voran-

gegangenen Zerfaumlllen sind tritt γ-Strahlung meist in

Begleitung von anderen radioaktiven Vorgaumlngen auf

Die Unterteilung in α β und γ bezieht sich auf die

Eindringtiefe der jeweiligen Strahlung in feste Materie

Waumlhrend α-Strahlung bereits nach fuumlnf Zentimetern

durch die Luft oder durch ein einfaches Blatt Papier

aufgehalten werden kann benoumltigt man bei β-Strahlung

bereits eine duumlnne Metallplatte γ-Strahlung hingegen

kann sehr tief in Materie eindringen Wegen seiner ho-

178 6 Atome und Quantenmechanik

Photoeffekt

Wellenlaumlngen und zugehoumlri-ge Photon-Energien fuumlr das sichtbare Lichtspektrum

Bild in der Mitte (Briefmarke) mit freundlicher Genehmigung von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityR P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Wellen und Teilchen haumlngen in der Quantenmechanik

eng miteinander zusammen So ist Licht einerseits eine

elektromagnetische Welle wie Interferenzexperimen-

te zeigen bei denen Lichtwellenberge auf -berge oder

-taumller treffen und sich verstaumlrken oder ausloumlschen An-

dererseits kann Licht beim sogenannten Photoeffekt

einzelne Elektronen aus einer Metalloberflaumlche he-

rausschlagen wobei dies mit umso groumlszligerer Wucht

geschieht je kuumlrzer die Lichtwellenlaumlnge ist ndash ein Ver-

halten das sich nur durch den Teilchencharakter des

Lichtes verstehen laumlsst

Licht besteht also aus

einem Strom einzelner

Teilchen (sogenannter

Photonen) welche die

Elektronen aus der Ober-

flaumlche herausstoszligen

Fuumlr die genaue Ausarbei-

tung dieser Erkenntnis

erhielt Albert Einstein im

Jahr 1921 den Nobelpreis

fuumlr Physik ndash er hatte sie be-

reits im Jahr 1905 in seiner

Doktorarbeit formuliert

Frequenz f und Wellenlaumlnge λ der elektromagnetischen

Lichtwelle legen dabei die Energie E und den Impuls p

der Photonen fest

E = h∙f und λ = hp

Hier ist h = 6626 ∙ 10ndash34 J∙s eine Naturkonstante deren

Wert im Experiment bestimmt werden muss Sie heiszligt

Planckrsquosches Wirkungsquantum und verknuumlpft Teil-

chen- mit Welleneigenschaften

So wie Photonen mit Lichtwellen zusammenhaumlngen

so haumlngen auch beispielsweise Elektronen mit Elektro-

nenwellen zusammen und zwar nach genau denselben

Formeln wie bei den Photonen und auch allen anderen

Teilchen Wenn man beispielsweise einen Elektronen-

strahl durch einen sehr feinen Doppelspalt schickt so

findet man auf einer Flaumlche dahinter ein Interferenz-

muster aus Streifen mit vielen und mit wenigen Elekt-

ronentreffern ganz analog zum Intensitaumltsmuster von

Laserlicht hinter einem solchen Doppelspalt

Offenbar muss man den Durchgang der Elektronen

durch den Doppelspalt wie bei Licht durch eine Wel-

le beschreiben wobei eine hohe Wellenintensitaumlt einer

hohen Wahrscheinlichkeit entspricht ein Elektron an-

zutreffen

Welle-Teilchen-Dualismus Teilchen bewegen sich in Wellen

179 Welle-Teilchen-Dualismus

Das Buckminster-Fulleren C60

Reales Doppelspaltexperiment mit 11 (a) 200 (b) 6000 (c) 40 000 (d) und 140 000 (e) Elektronen

Doppelspaltexperiment mit Elektronen Interferenz von Wellen hinter einem Doppelspalt

Wellenfunktion S 180J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Im Experiment kann man naumlmlich beobachten wie auf der Flaumlche hinter

dem Doppelspalt nach und nach immer mehr einzelne Elektronen wie

zufaumlllig an verschiedenen Stellen auftreffen wobei sich schlieszliglich das

streifenfoumlrmige Interferenzmuster herausbildet

Teilchenbahnen gibt es dabei nicht mehr Alles was die Quantenmecha-

nik tun kann ist die Auftreffwahrscheinlichkeiten fuumlr die Elektronen zu

berechnen Der Ort eines einzelnen Elektrons ist dagegen in der Natur

grundsaumltzlich nicht festgelegt d h der Wahrscheinlichkeitscharakter der

Quantenmechanik ist grundsaumltzlicher Natur und hat nichts mit unge-

nauen Messungen zu tun (siehe Wellenfunktion )

Mittlerweile konnten Interferenzmuster

auch beispielsweise fuumlr Fullerenmolekuumlle

nachgewiesen werden die immerhin aus

60 Kohlenstoffatomen bestehen (Anton

Zeilinger 1999) Auch fuumlr sie gilt also der

Welle-Teilchen-Dualismus

180 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Wellenfunktion die senkrecht zu ihrer Flugrichtung im Ort be-schraumlnkt wird (z B indem man sie durch einen engen Spalt schickt) erhaumllt dadurch eine groszlige Impulsunschaumlrfe in dieselbe Richtung wodurch sie sich ausbreitet

Zwei Schwingungszustaumlnde der Wel-lenfunktion eines Elektrons im Wasser-stoffatom Die Farbe gibt die ortsabhaumln-gige Phase der Wellenfunktion an

Bild rechts oben und links mit freundlicher Genehmigung von Bernd Thaller Universitaumlt von Graz Institut fuumlr Mathematik und Wissenschaftliches RechnenB Thaller Visual Quantum Mechanics httpvqmuni-grazatindexhtml Galerie mit Darstellungen von Wellenfunktionen

Anfang des 20 Jahrhunderts haumluften sich die Hinweise dass die Materie aus

kleinen Bausteinen Elementarteilchen genannt aufgebaut ist Zuerst nahm

man an dass die Elementarteilchen kleinen Kugeln aumlhnelten die sich aumlhn-

lich wie alle Objekte unserer Erfahrungswelt auf Flugbahnen bewegen kol-

lidieren und voneinander abprallen Als man aber begann experimentell

tiefer in die Bereiche des Mikrokosmos vorzudringen wurde schnell

klar dass Elementarteilchen ganz anderen Gesetzen folgen als sagen

wir einmal Murmeln oder Steine

Eine Murmel kann man (zumindest im Prinzip) zu

jedem Zeitpunkt vollstaumlndig durch einige wenige Zahlen beschreiben

zum Beispiel Ort und Geschwindigkeit Drehimpuls etc Bei Elementar-

teilchen ist dies nicht mehr moumlglich stattdessen beschreibt man sie durch

ein raumlumlich ausgedehntes Feld Die Bewegungsgleichungen fuumlr dieses

Feld aumlhneln denen von (zum Beispiel elektromagnetischen) Wellen wes-

wegen das Feld Wellenfunktion genannt wird

Durch die Wellennatur der Teilchen gehen

jedoch typische Teilcheneigenschaften verloren

Man kann uumlber die physikalischen Groumlszligen die ein klassisches Teil-

chen beschreiben wuumlrden nur noch statistische Aussagen treffen

Auszligerdem sind gewisse Groumlszligen wie zum Beispiel Ort und Ge-

schwindigkeit des Teilchens zueinander komplementaumlr

Wellenfunktion Verschmierte Teilchen

181 Wellenfunktion

Der Franck-Hertz-Versuch S 184A Zeilinger Einsteins Schleier Die neue Welt der Quantenphysik Goldmann 2003

Die Komplementaritaumlt von Ort und Impuls

Die Komplementaritaumlt von Messgroumlszligen wie Ort und Ge-

schwindigkeit ist nicht wie oft behauptet eine Folge

von ungenauen Messungen sondern eine fun-

damentale Eigenschaft der Wellenfunktionen

An den Stellen an denen das Betragsquadrat

der Wellenfunktion groszlig ist besteht eine hohe

Wahrscheinlichkeit das Elementarteilchen anzutreffen

wenn man danach sucht Die Geschwindigkeit des Teilchens hin-

gegen ist mit der Wellenlaumlnge der Welle verknuumlpft

Um nun einer Welle eine genaue Wellenlaumlnge zuzuordnen muss

sie uumlber einen groszligen Bereich ausgebreitet sein Eine genau be-

stimmte Geschwindigkeit fuumlhrt so zu einem sehr unbestimmten

Ort

Je staumlrker hingegen die Welle an einem Ort kon-

zentriert ist desto weniger genau kann man ihr

eine Wellenlaumlnge zuschreiben weswegen ein

genau bestimmter Ort zu einer sehr ungenau be-

stimmten Geschwindigkeit fuumlhrt

Das bedeutet Je genauer der Ort des Teilchens be-

kannt ist desto ungenauer ist seine Geschwindigkeit

bestimmt und umgekehrt

Die Welleneigenschaften der kleinsten Bausteine wer-

den ganz besonders bei den Elektronen deutlich die

sich in einem Atom befinden Anders als die haumlufig

benutzte Analogie zum Sonnensystem vermuten laumlsst

umkreisen Elektronen den Atomkern nicht denn da-

fuumlr muumlssten sie gleichzeitig einen scharf definierten Ort

und eine scharfe Geschwindigkeit besitzen Stattdessen

kann man sich die Wellenfunktion des Elektrons als

dreidimensionale stehende Welle vorstellen Ebenso

wie bei einer schwingenden Instrumenten-Saite gibt es

im Atom nur bestimmte bdquoerlaubteldquo Schwingungsmo-

den der Wellenfunktion Deswegen sind fuumlr das Elek-

tron im Atom nur bestimmte Energieniveaus erlaubt

zwischen denen es jedoch per bdquo Quantensprungldquo hin-

und herwechseln kann wenn es z B durch einen Licht-

strahl dazu angeregt wird (Franck-Hertz-Versuch )

182 6 Atome und Quantenmechanik

Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt

Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen

Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral

fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-

tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt

besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich

zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-

stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf

einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige

Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-

keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es

den Raumbereich einfach nicht betreten

Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das

Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-

ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr

sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei

werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt

ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash

ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt

die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-

tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst

ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel

am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der

Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von

Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-

berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern

auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-

federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann

man mit dem Konzept des Potentials begreifen

Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der

Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-

sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-

teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte

nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter

Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als

uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )

die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens

angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-

mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-

tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an

einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je

houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in

einem Tal als auf einem Bergldquo

Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-

lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der

klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-

Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis

183 Der Tunneleffekt

Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert

Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html

tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch

waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch

verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit

das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie

ist nicht exakt null

Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-

nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-

hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-

tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit

geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf

es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen

nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-

den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber

den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je

houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den

beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-

lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein

mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-

botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch

den Berg ins naumlchste Tal gelangen

Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-

waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-

nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-

lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum

Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um

so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der

Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie

deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-

steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln

Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und

klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer

Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle

nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die

Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-

det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt

die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich

ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen

durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis

ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng

genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr

hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-

schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne

sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es

ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon

eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-

versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-

scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische

Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum

vorkommt

184 6 Atome und Quantenmechanik

Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben

Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)

Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178

Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-

perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-

drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock

Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich

ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-

tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben

Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-

aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und

hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-

nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James

Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-

ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige

Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann

sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige

den sogenannten Quanten

Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und

Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum

zwischen einer negativ geladenen

Gluumlhkathode und einer positiven

Anode ausfuumlllt An der Kathode

treten staumlndig Elektronen aus die

wegen der angelegten Spannung

in Richtung der Anode beschleu-

nigt werden Auf ihrem Weg da-

hin durchqueren die Elektronen

das Gas und stoszligen dabei staumln-

dig mit den Quecksilberatomen

zusammen An der Anode misst

man durch die Gegenspannungs-

methode die Geschwindigkeit der

ankommenden Elektronen So kann man beobachten

um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-

men verlangsamt werden

Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches

fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-

lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode

zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur

elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei

nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-

nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die

an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast

voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man

auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann

kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu

leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-

den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich

schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die

Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet

Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen

185 Der Franck-Hertz-Versuch

Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu

Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden

Schichten ihre Energie

Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen

Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-

der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende

Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter

man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten

entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-

ben

Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur

in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-

sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen

sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein

Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von

Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann

diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf

das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen

Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe

und wird dann von der angelegten Spannung wieder

aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine

Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt

es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein

Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat

Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man

also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben

Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-

tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-

gie ist dabei von Element zu Element verschieden und

muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-

ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-

huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies

mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur

Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden

war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung

der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch

bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-

niveaus in Atomen

Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-

rigens nicht lange sondern geben sie in Form von

Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die

Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von

47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau

dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-

roumlhre als Leuchten erkennen kann

186 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

Magnetfeld

Rota

tions

achs

e

Praumlzession

magnetischeKraft

Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-

chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein

halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten

Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen

muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-

zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen

Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der

Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach

seine Eigenschaften zu verstehen

Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden

Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin

eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der

Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-

gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon

Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen

und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur

Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen

Spin besitzen

Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-

allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-

nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist

so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen

magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-

netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem

senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese

insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der

Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach

oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher

Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-

feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen

die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was

aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer

Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt

(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen

Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-

nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach

dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld

unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt

Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach

diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-

nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12

aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld

schlugen sich die Silberatome nieder

Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln

187 Der Spin eines Teilchens

Spinrichtung

θ = 0deg

θ = 45deg

θ = 90deg

θ = 135deg

θ = 180deg

θ

N

S

Silberatomstrahl

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter

Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend

einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-

tationsachsen

Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-

berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-

lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das

Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die

Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel

dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in

oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild

der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-

vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens

Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-

sche Beschreibung des Spins aus Angenommen

der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die

um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist

In einem parallel zum Spin ausgerichteten

inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen

also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt

sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht

orientierten inhomogenen Magnetfeld Es

wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2

nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit

sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik

durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)

d h der Spin ist nach der Messung mit die-

sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach

oben oder nach unten orientiert Und das ist

auch schon im Wesentlichen alles was gesagt

werden kann denn die Quantenmechanik

kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen

sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen

bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der

Begriff der klassischen Rotationsachse in der

Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche

Ungleichung )

188 6 Atome und Quantenmechanik

-2-1 0 1 2 3

-3-2

-1 0

1 2

3

-1-08-06-04-02

0 02 04 06 08

1

x

y

f(xy)

Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der

Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische

Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem

Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-

scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an

einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches

man angetroffen hat

In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit

ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes

Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das

Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man

auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude

oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )

bezeichnet (genau genommen ist f(xy)

eine komplexe Zahl doch das ist hier

nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-

ronen ununterscheidbar sind darf sich

diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern

wenn wir die beiden Elektronen mitei-

nander vertauschen also das erste Elek-

tron am Ort y und das zweite Elektron

am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2

= |f(yx)|2 sein

Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)

selbst kann beim Vertauschen entweder

ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie

wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-

zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt

f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)

Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt

der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-

ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise

Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische

Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten

Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-

tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen

Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin

zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-

gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip

Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-

trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude

Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden

189 Das Pauli-Prinzip

1s

2s

2p

3s

3p

3d

18

Ener

gie

n=1

n=2

n=3

8

2

3dxsup2-ysup2

3pz 3px 3py

3s

2pz

2s

1s

3dxz 3dxy

2py

3dz2 3dyz

2px

Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)

Bosonen Fermionen

810 nK

510 nK

240 nK

Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom

Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2

Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich

zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-

nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich

f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man

in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen

mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht

am selben Ort aufhalten

Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen

derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht

denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man

beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts

Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit

ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-

mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)

groumlszligere Abstaumlnde beibehalten

Das Pauli-Prinzip stellt si-

cher dass sich in der Elek-

tronenhuumllle der Atome

eine stabile Schalenstruk-

tur ausbildet Jeder moumlgli-

che Schwingungszustand der Wellenfunktion

kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-

den die entgegengesetzte Spinausrichtung

aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-

nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige

Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken

ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip

Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-

ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es

wird durch ein subtiles Zusammenspiel von

Quantenmechanik und spezieller Relativi-

taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief

in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler

der modernen Physik begruumlndet

190 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

N

S

Magnet A

Teilchenquelle

Magnet B

Der Spin eines Teilchens S 186

In der klassischen Physik sind wir es normalerweise

gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige

Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit

diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch

Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-

spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen

haben

Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden

und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig

d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen

Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur

unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er

gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-

tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-

dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz

EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die

uumlberarbeitete Version von David Bohm)

Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-

len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen

ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-

gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst

man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht

orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird

immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein

Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-

den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash

welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist

nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall

Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-

ander verhalten werden

Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-

den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte

Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder

Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-

gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann

das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim

Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine

Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide

Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-

der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten

laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat

der Zufall Spin up entschiedenldquo

koumlnnte sich aber maximal mit

Lichtgeschwindigkeit ausbrei-

ten

Einstein Po-

dolsky und Rosen

sprachen daher von einer

bdquospukhaften Fernwirkungldquo und

folgerten dass jedes der beiden Teil-

chen doch eine verborgene lokale Eigen-

schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse

besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits

im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten

waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-

saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet

Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-

cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie

die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig

191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung

S

S

N

N

Magnet AKippwinkel 45deg

Magnet BKippwinkel 0deg

Gruppe 1(0darr 45uarr)

Teilchenquelle

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90degGruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3

0deg 45deg 90deg

J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und

ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-

rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr

1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich

diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein

Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand

gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-

nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-

rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide

Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt

werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-

gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg

Wenn die Teilchen nun doch eine

lokale innere Eigenschaft besaumlszligen

die ihr Verhalten im Magnetfeld

von vornherein festlegte so wird

es beispielsweise einige darunter

geben die bei 0deg zum Suumldpol bei

45deg zum Nordpol und bei 90deg

ebenfalls zum Nordpol abgelenkt

wuumlrden sodass wir sie mit (0

45 90 ) kennzeichnen koumln-

nen Die zugehoumlrigen Part-

nerteilchen wuumlrden sich

dabei genau entgegenge-

setzt verhalten

Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-

chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde

beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten

zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen

im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol

abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45

verhaumllt

Analog bilden wir Grup-

pe 2 als alle die Teilchen-

paare bei denen ein Teil-

chen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 45

sowie 90 besitzt sowie

Gruppe 3 als alle die Teil-

chenpaare bei denen ein

Teilchen zugleich die bei-

den Kennzeichnungen 0

sowie 90 besitzt

Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare

von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also

muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-

wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten

zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-

send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)

Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-

scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt

sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-

scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-

men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche

Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung

vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen

uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere

Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky

und Rosen wurden widerlegt

Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass

die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung

erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-

greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt

egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze

ist mehr als die Summe seiner Teile

192 6 Atome und Quantenmechanik

Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie

Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012

Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-

orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische

Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-

theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik

jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich

zufriedenstellend beantwortet sind

Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur

grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-

lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-

lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische

Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-

wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-

scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen

instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise

Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also

durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus

dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-

ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der

sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927

u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-

beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber

welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder

dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-

on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-

ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft

die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)

sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-

lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten

Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei

nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da

es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird

Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten

193 Die Interpretation der Quantenmechanik

Tritium

Wellenfunktion = +

Helium-3

ElektronAntineutrino

Detektormisst

Zerfall

makroskopische Realitaumlt

Gift

oder

Gift

Tritiumintakt

Tritiumzerfallen

Wellenfunktion =

+

Dekohaumlrenz

makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2

Gift Gift

Tritium Helium-3

ElektronAntineutrino

Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24

Doch wann genau findet eine solche Messung statt

Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin

Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches

Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem

zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die

zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste

eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet

dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-

tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit

Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers

Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-

digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der

erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-

schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der

quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die

klassische Realitaumlt der Katze

Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-

chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute

tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-

zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-

tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-

elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man

den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in

den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die

sogenannte Viele-Welten-Interpretation

Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom

weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-

same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-

tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie

bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze

jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-

vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in

Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur

sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-

de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung

mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-

abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts

mehr voneinander sodass man sie als verschiedene

Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-

der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der

Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht

In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion

des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-

ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten

verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation

zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-

lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt

im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung

des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung

zwischen Mikro- und Makrokosmos

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 3: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

172 6 Atome und Quantenmechanik

Demokrit

Nicht nur in der Antike auch zu Daltons Zeiten stellte man sich vor dass Atombindungen durch Haken und Oumlsen realisiert wuumlrden

Demokrit und Leukipp stellten sich Atome als geome-trische Objekte mit verschiedensten Formen vor

W Heisenberg Der Teil und das Ganze Gespraumlche im Umkreis der Atomphysik Piper Taschenbuch 9 Auflage 2001H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

Die Vorstellung dass die Materie die uns umgibt aus

kleinen unteilbaren Bausteinen aufgebaut sei ist schon

uumlber 2400 Jahre alt Damals waren es der Philosoph

Leukipp und sein Schuumller Demokrit die annahmen

dass es unvorstellbar kleine nicht weiter unterteilbare

Bausteine gibt die sie Atome nannten (vom griechi-

schen ἄτομος bdquodas Unteilbareldquo) Sie stellten sich vor

dass diese Atome von denen es verschiedene Sorten

geben sollte mit Haken und Oumlsen ausgestattet sind

sodass sie sich miteinander verbinden aber sich auch

wieder voneinander loumlsen konnten So wuumlrde z B aus

lauter winzigen bdquoSteinatomenldquo ein fester Stein

Natuumlrlich war das zu dieser

Zeit reine Spekulation denn

ein Atom hatte noch niemand

direkt gesehen Auch deshalb

wurde Demokrit damals von

Zeitgenossen (wie Sokrates)

verspottet Und so geriet das

Modell fuumlr lange Zeit in Ver-

gessenheit

Erst Anfang des 19 Jahrhun-

derts mit dem Aufkommen

der Chemie fanden die modernen Naturwissenschaft-

ler zuruumlck zur Atomtheorie Es war John Dalton der

annahm dass es zu allen damals bekannten chemi-

schen Stoffen entsprechende Atomsorten gab die sich

nur in ganz bestimmten Verhaumlltnissen miteinander

verbinden konnten Diese Hypothese konnte bereits

eine Menge von chemischen Beobachtungen erklaumlren

aber eine wirkliche Vorstellung von Atomen hatte man

damit immer noch nicht erlangt

Erst zu Anfang des 20 Jahrhunderts als man begann

durch immer genauere Experimente die Struktur des

Atoms selbst zu entschluumlsseln fanden Physiker wie

J J Thomson und Ernest Rutherford heraus dass das

Atom ein positiv geladenes Zentrum besitzt das von

negativ geladenen Elektronen umgeben ist

Im Jahre 1913 stellte der daumlnische Physiker Niels Bohr

dann sein bis heute beruumlhmtes Atommodell vor Das

Atom besteht dabei aus einem positiv geladenen Kern

Das Bohrrsquosche Atommodell Wie kann man sich ein Atom vorstellen

173 Das Bohrrsquosche Atommodell

Die Experimente Thomsons zeigten dass Atome negativ gelade-nen Teilchen enthalten muumlssen Man stellte sich vor dass diese Elektronen im Atom eingebettet waren wie Rosinen im Kuchen (links) Erst Bohr formte die Vorstellung eines positiv geladenen Kerns der von den negativ geladenen Elektronen umkreist wird (rechts)

Die Flagge der Internationalen Atom-energiebehoumlrde (IAEA)

Daumlnische Briefmarke zum 50-jaumlh-rigen Geburtstag des Bohrrsquoschen Atommodells

Wellenfunktion S 180Das Pauli-Prinzip S 188

der fast die gesamte Masse in sich vereint und von

Elektronen auf stabilen Kreisbahnen umrundet wird ndash

fast wie ein winziges Planetensystem

Dabei sind nur ganz bestimmte Abstaumlnde zwischen

Kern und Elektron erlaubt und je nach Abstand be-

sitzen die Elektronen unterschiedliche Energien Alle

Elektronen desselben Abstandes gehoumlren zu einer soge-

nannten Schale und in jede Schale passen

nur eine gewisse Anzahl von Elektronen

Dieses Modell konnte nicht nur das Ver-

halten einer ganzen Reihe von Atomen

(naumlmlich denen der sogenannten Haupt-

gruppen) erklaumlren sondern war auch so an-

schaulich dass dieses Bild bis heute unsere

Atomvorstellungen praumlgt So findet es sich

zum Beispiel in der Flagge der Internatio-

nalen Atomenergiebehoumlrde IAEA

Teilweise konnte das Bohrrsquosche Atommodell sogar er-

klaumlren warum sich z B ein Wasserstoff (H) und ein

Chloratom (Cl) zu Salzsaumlure (HCl) verbinden koumln-

nen Das Wasserstoffatom besitzt ein Elektron ndash dem

Chloratom fehlt genau ein Elektron um seine aumluszligerste

Schale ganz zu fuumlllen ndash und so ist es energetisch guumlns-

tig wenn beide sich verbinden Zwischen ihnen kann

dabei ein Elektron den Besitzer wechseln und der posi-

tiv geladenen Wasserstoffkern (H+) und das negativ ge-

ladene Chloratom (Clminus) bleiben einfach aufgrund der

elektrostatischen Anziehungskraft aneinander haumlngen

Das Bohrrsquosche Atommodell hatte allerdings immer

noch Erklaumlrungsluumlcken Warum durften die negativ ge-

ladenen Elektronen den positiven Kern nur in ganz be-

stimmten Abstaumlnden umkreisen Und was hinderte sie

daran aufgrund der elektrostatischen Anziehungskraft

einfach in der Kern hineinzufallen Diese Fragen konn-

ten erst spaumlter in einer umfassenden quantenmecha-

nischen Beschreibung der Atome geklaumlrt werden ( )

Leider bedeutet die quantenmechanische Behandlung

dass ein gewisser Anteil der Anschauung der Atome

verlorengeht

174 6 Atome und Quantenmechanik

Sowohl Pro-tonen als auch

Neutronen beste-hen aus drei Quarks

Die starke Wechselwirkung zweier Nukleonen kann man durch den Austausch eines Mesons veranschaulichen

Das Bohrrsquosche Atommodell S 172Radioaktiver Zerfall S 176Die starke Wechselwirkung S 224

Waumlhrend viele Physiker um 1900 das Atom noch als

eine fundamentale Einheit betrachteten gelangte man

mit den Experimenten von Rutherford im Jahre 1911

zu der Erkenntnis dass ein Atom selbst auch eine

Struktur besitzt und aus einem positiv gela-

denen Kern besteht der von im Vergleich

dazu sehr leichten Elektronen umgeben ist

(Bohrrsquosches Atommodell ) Auch wenn

man relativ einfach einzelne Elektronen

aus dieser Huumllle entfernen oder dazu hin-

zufuumlgen konnte so blieb der Atomkern in

dem rund 9995 der Masse des Atoms

enthalten ist davon unbeein-

flusst Insofern passte diese

Einsicht weiterhin gut mit der

Vorstellung der bdquoUnteilbar-

keitldquo der Atome zusammen

Erst 1917 wies Ernest Ruther-

ford durch weitere Experimente nach dass auch Atom-

kerne veraumlnderbar waren indem er durch Beschuss

mit Alphateilchen (Heliumkernen) Stickstoffkerne in

Sauerstoffkerne umwandelte Dass Atomkerne in der

Tat nicht ganz unveraumlnderlich waren hatte man zwar

schon durch die Entdeckung der Radioaktivitaumlt ( )

einige Jahre zuvor vermutet aber Rutherfords Experi-

mente waren der erste direkte Nachweis

Bei dieser Gelegenheit entdeckte Rutherford auch

dass Atomkerne wiederum eine Substruktur besitzen

und mehrere Protonen enthalten ndash und zwar gerade

so viele wie sich Elektronen in der Huumllle befinden

Im Jahre 1932 entdeckte dann James Chadwick den

zweiten noch fehlenden Baustein in den Atomkernen

das Neutron Diese beiden Nukleonen formen zusam-

men den Atomkern

Doch was genau haumllt Protonen und Neu-

tronen im Kern zusammen Letztere

sind elektrisch neutral die Protonen

aber sind allesamt positiv geladen

sollten sich also abstoszligen Die Ant-

wort liegt in einer weiteren Substruktur

die die sogenannte Kernkraft erzeugt

(nicht zu verwechseln mit der Energie

die in Kernkraftwerken aus z B Uran

gewonnen wird) Diese Kernkraft ist das

Uumlberbleibsel der starken Kraft die zwi-

schen den Bestandteilen der Protonen

und Neutronen ndash den Quarks ndash wirkt

( starke WW )

Atomkerne Seit hundert Jahren bekannt und doch nicht im Ganzen verstanden

175 Atomkerne

Die Luumlcken zwischen den Energieniveaus im Atomkern trennen die einzelnen Schalen voneinander Kerne deren Protonen undoder Neutronenzahl bdquomagischldquo ist (die entsprechenden Schalen also vollkommen gefuumlllt haben) sind besonders stabil

B Povh K Rith C Scholz F Zetsche Teilchen und Kerne Eine Einfuumlhrung in die physikalischen Konzepte Springer Verlag 8 Auflage 2009

Die Kernkraft fuumlhrt letztlich zu einer Anziehung der

farbneutralen Nukleonen untereinander Sie hat nur

eine sehr kurze Reichweite ist allerdings deutlich staumlr-

ker als die abstoszligende elektrische Kraft Daher halten

Atomkerne auch zusammen und fliegen trotz der posi-

tiven Ladungen der Protonen nicht auseinander

Obwohl es heute bereits hinreichend gute mathema-

tische Beschreibungen der Kernkraft gibt ist sie nicht

bis ins letzte Detail verstanden Und so ist die genaue

Struktur der Atomkerne zum Beispiel die Frage wie

sich die einzelnen Nukleonen im Kern zueinander an-

ordnen bis heute nicht vollstaumlndig bekannt Zwar weiszlig

man dass Atomkerne genau wie auch die Elektronen

in der Huumllle diskrete Energieniveaus haben sodass sie

zu ndash im Vergleich zu diesen etwa 1000 bis 10 000 Mal

energiereicheren ndash Quantenspruumlngen angeregt werden

koumlnnen Aber die exakte Berechnung dieser Energieni-

veaus gestaltet sich sehr schwierig denn der Kern als

Ganzes ist ein sehr komplexes System aus stark mitei-

nander wechselwirkenden Einzelteilen So gibt es zwar

verschiedenen vereinfachende Modelle die jeweils ge-

wisse Aspekte der Kerne gut erklaumlren aber keines ist

vollstaumlndig und beschreibt den Kern in seiner Gaumlnze

In dem sogenannten Troumlpfchenmodell zum Beispiel

wird angenommen dass sich die Nukleonen im Kern

wie eine tropfenfoumlrmige positiv geladenen Fluumlssigkeit

verhalten Obwohl dieses Modell erst einmal sehr naiv

anmutet kann man mit seiner Hilfe recht genau be-

rechnen welche Atomkerne stabil und welche instabil

also radioaktiv sind

Im Schalenmodell hingegen wird angenommen dass

sich die Protonen und Neutronen genau wie auch die

Elektronen der Huumllle auf Schalen anordnen Ein Kern

nimmt dabei Energie auf indem ein Nukleon von einer

niedrigeren Schale in eine noch nicht vollstaumlndig gefuumlll-

te houmlhere Schale uumlbergeht Obwohl dieses Modell auch

mit starken Vereinfachungen arbeitet (im Gegensatz zu

den Elektronen spuumlren die Nukleonen ja kein gelade-

nes Zentrum um das sie sich herum anordnen muumlss-

ten) lassen sich hieraus in einigen Faumlllen passable Wer-

te fuumlr die Bindungsenergien und die Energieniveaus im

Kern berechnen

176 6 Atome und Quantenmechanik

Beim α-Zerfall sendet der Kern einen Heli-umkern (α-Teilchen) aus

Beim βminus-Zerfall wandelt sich im Kern ein Neutron in ein Proton ein Antineutrino und ein Elektron um wobei die letzteren beiden den Kern als Strahlung verlassen

Beim γ-Zerfall geht der Kern von einem angeregten in einen stabilen Zustand uumlber ndash die uumlberschuumlssige Energie wird in Form eines hochenergetischen Photons abgegeben

Atomkerne S 174Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182

Obwohl sich das Wort bdquoAtomldquo vom griechischen

ἄτομος (bdquodas Unteilbareldquo) ableitet kann man Atome

ndash mit dem entsprechenden Aufwand ndash in ihre Bestand-

teile zerlegen oder ineinander umwandeln Einige Ato-

me sind dazu jedoch auch von allein in der Lage Ende

des 19 Jahrhunderts entdeckte man Elemente wie

Uran oder Thorium die von sich aus eine ionisierende

Strahlung abgeben Noch bevor Rutherford die Exis-

tenz der Atomkerne explizit nachweisen konnte stellte

er daher bereits die Hypothese auf dass diese radio-

aktive Strahlung wie Marie Curie sie getauft hatte

durch die Umwandlung einer Atomsorte in eine andere

verursacht wird

Heute wissen wir dass radioaktive Strahlung entsteht

wenn ein instabiler Atomkern ( ) in einen stabileren

Zustand uumlbergeht Da die Menge des urspruumlnglichen

Stoffes bei diesem Prozess abnimmt spricht man hier-

bei auch von radioaktivem Zerfall Es gibt im Wesent-

lichen drei Arten radioaktiver Strahlung entsprechend

der drei verschiedenen Arten auf die ein Atomkern

spontan zerfallen kann

Der so genannte α-Zerfall tritt bei Atomkernen auf

die sehr schwer sind und eine groszlige Anzahl an Pro-

tonen besitzen Diese positiv geladenen Protonen im

Kern muumlssten sich eigentlich abstoszligen werden jedoch

von der kurzreichweitigen Kernkraft zusammenge-

halten die um einiges staumlrker ist als die abstoszligende

elektrische Kraft wobei Letztere jedoch eine deut-

lich houmlhere Reichweite hat Da durch die Effekte der

Quantenmechanik ( ) die Nukleonen im Kern keinen

festen Ort haben sondern uumlber einen gewissen Auf-

enthaltsbereich verschmiert sind gibt es eine gewisse

Wahrscheinlichkeit dass sich zwei Protonen und zwei

Neutronen ndash eine in sich sehr stabile Kombination

entsprechend einem Heliumkern auch α-Teilchen

genannt ndash so weit vom Rest der Kernteilchen entfer-

nen dass sie die anziehende Kernkraft nicht mehr stark

genug spuumlren sondern hauptsaumlchlich die abstoszligende

elektrische Kraft Das α-Teilchen durchtunnelt dadurch

die Potentialbarriere des Kerns und wird mit einer Ge-

schwindigkeit von einigen Prozent der Lichtgeschwin-

digkeit aus dem Kern ausgestoszligen ( Tunneleffekt )

Radioaktiver Zerfall Atomkerne aus dem Gleichgewicht

177 Radioaktiver Zerfall

Halbwertszeiten der bekannten Isotope Jedes Quadrat entspricht einem Kern mit Z Protonen und N Nukleonen (Protonen und Neu-tronen)

W Stolz Radioaktivitaumlt Grundlagen ndash Messung ndash Anwendungen Teubner 5 Aufl 2005H Krieger Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes Vieweg+Teubner 2007K Bethge Kernphysik Springer Verlag 1996

hen Dichte haumllt Blei dabei die γ-Strahlen am effektivs-

ten auf es werden jedoch je nach Strahlungsenergie

einige Millimeter bis Zentimeter fuumlr eine vollstaumlndige

Abschirmung benoumltigt Dies macht gerade Letztere fuumlr

Lebewesen besonders gefaumlhrlich denn tief in Gewebe

eindringende Strahlung kann nicht nur Verbrennungen

an der Hautoberflaumlche sondern auch Mutationen in

den Zellen und der DNA verursachen

Der β-Zerfall wiederum tritt in Kernen mit einem un-

guumlnstigen Verhaumlltnis zwischen Protonen und Neutro-

nen auf Hat ein Kern einen deutlichen Uumlberschuss an

Neutronen so kann sich eines davon durch die schwa-

che Wechselwirkung spontan in ein Proton ein Elekt-

ron und ein Antielektronneutrino umwandeln Wenn

dies geschieht dann verbleibt das Proton im Kern und

Neutrino und Elektron werden abgestrahlt Diese ne-

gativ geladenen Elektronen werden dabei als β minus-Strah-

lung bezeichnet

Die Regeln der schwachen Wechselwirkung lassen al-

lerdings auch den (etwas selteneren) spiegelbildlichen

Prozess zu In Kernen mit einem Uumlberschuss an Pro-

tonen kann sich eines in ein Neutron ein Antielektron

und ein Elektronneutrino umwandeln Das hierbei

ausgesendete positiv geladene Antielektron ( Positron)

bezeichnet man dabei als β +-Strahlung

Der γ-Zerfall schlieszliglich bezeichnet den Uumlbergang

eines Atomkerns von einem angeregten Zustand in

einen stabileren Zustand mit niedrigerer Energie Die

uumlberschuumlssige Energie wird in Form von energiereichen

Photonen abgestrahlt die man auch als γ-Quanten be-

zeichnet Weil angeregte Atomkerne meist eine Folge-

erscheinung von Kernspaltungen oder anderen voran-

gegangenen Zerfaumlllen sind tritt γ-Strahlung meist in

Begleitung von anderen radioaktiven Vorgaumlngen auf

Die Unterteilung in α β und γ bezieht sich auf die

Eindringtiefe der jeweiligen Strahlung in feste Materie

Waumlhrend α-Strahlung bereits nach fuumlnf Zentimetern

durch die Luft oder durch ein einfaches Blatt Papier

aufgehalten werden kann benoumltigt man bei β-Strahlung

bereits eine duumlnne Metallplatte γ-Strahlung hingegen

kann sehr tief in Materie eindringen Wegen seiner ho-

178 6 Atome und Quantenmechanik

Photoeffekt

Wellenlaumlngen und zugehoumlri-ge Photon-Energien fuumlr das sichtbare Lichtspektrum

Bild in der Mitte (Briefmarke) mit freundlicher Genehmigung von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityR P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Wellen und Teilchen haumlngen in der Quantenmechanik

eng miteinander zusammen So ist Licht einerseits eine

elektromagnetische Welle wie Interferenzexperimen-

te zeigen bei denen Lichtwellenberge auf -berge oder

-taumller treffen und sich verstaumlrken oder ausloumlschen An-

dererseits kann Licht beim sogenannten Photoeffekt

einzelne Elektronen aus einer Metalloberflaumlche he-

rausschlagen wobei dies mit umso groumlszligerer Wucht

geschieht je kuumlrzer die Lichtwellenlaumlnge ist ndash ein Ver-

halten das sich nur durch den Teilchencharakter des

Lichtes verstehen laumlsst

Licht besteht also aus

einem Strom einzelner

Teilchen (sogenannter

Photonen) welche die

Elektronen aus der Ober-

flaumlche herausstoszligen

Fuumlr die genaue Ausarbei-

tung dieser Erkenntnis

erhielt Albert Einstein im

Jahr 1921 den Nobelpreis

fuumlr Physik ndash er hatte sie be-

reits im Jahr 1905 in seiner

Doktorarbeit formuliert

Frequenz f und Wellenlaumlnge λ der elektromagnetischen

Lichtwelle legen dabei die Energie E und den Impuls p

der Photonen fest

E = h∙f und λ = hp

Hier ist h = 6626 ∙ 10ndash34 J∙s eine Naturkonstante deren

Wert im Experiment bestimmt werden muss Sie heiszligt

Planckrsquosches Wirkungsquantum und verknuumlpft Teil-

chen- mit Welleneigenschaften

So wie Photonen mit Lichtwellen zusammenhaumlngen

so haumlngen auch beispielsweise Elektronen mit Elektro-

nenwellen zusammen und zwar nach genau denselben

Formeln wie bei den Photonen und auch allen anderen

Teilchen Wenn man beispielsweise einen Elektronen-

strahl durch einen sehr feinen Doppelspalt schickt so

findet man auf einer Flaumlche dahinter ein Interferenz-

muster aus Streifen mit vielen und mit wenigen Elekt-

ronentreffern ganz analog zum Intensitaumltsmuster von

Laserlicht hinter einem solchen Doppelspalt

Offenbar muss man den Durchgang der Elektronen

durch den Doppelspalt wie bei Licht durch eine Wel-

le beschreiben wobei eine hohe Wellenintensitaumlt einer

hohen Wahrscheinlichkeit entspricht ein Elektron an-

zutreffen

Welle-Teilchen-Dualismus Teilchen bewegen sich in Wellen

179 Welle-Teilchen-Dualismus

Das Buckminster-Fulleren C60

Reales Doppelspaltexperiment mit 11 (a) 200 (b) 6000 (c) 40 000 (d) und 140 000 (e) Elektronen

Doppelspaltexperiment mit Elektronen Interferenz von Wellen hinter einem Doppelspalt

Wellenfunktion S 180J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Im Experiment kann man naumlmlich beobachten wie auf der Flaumlche hinter

dem Doppelspalt nach und nach immer mehr einzelne Elektronen wie

zufaumlllig an verschiedenen Stellen auftreffen wobei sich schlieszliglich das

streifenfoumlrmige Interferenzmuster herausbildet

Teilchenbahnen gibt es dabei nicht mehr Alles was die Quantenmecha-

nik tun kann ist die Auftreffwahrscheinlichkeiten fuumlr die Elektronen zu

berechnen Der Ort eines einzelnen Elektrons ist dagegen in der Natur

grundsaumltzlich nicht festgelegt d h der Wahrscheinlichkeitscharakter der

Quantenmechanik ist grundsaumltzlicher Natur und hat nichts mit unge-

nauen Messungen zu tun (siehe Wellenfunktion )

Mittlerweile konnten Interferenzmuster

auch beispielsweise fuumlr Fullerenmolekuumlle

nachgewiesen werden die immerhin aus

60 Kohlenstoffatomen bestehen (Anton

Zeilinger 1999) Auch fuumlr sie gilt also der

Welle-Teilchen-Dualismus

180 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Wellenfunktion die senkrecht zu ihrer Flugrichtung im Ort be-schraumlnkt wird (z B indem man sie durch einen engen Spalt schickt) erhaumllt dadurch eine groszlige Impulsunschaumlrfe in dieselbe Richtung wodurch sie sich ausbreitet

Zwei Schwingungszustaumlnde der Wel-lenfunktion eines Elektrons im Wasser-stoffatom Die Farbe gibt die ortsabhaumln-gige Phase der Wellenfunktion an

Bild rechts oben und links mit freundlicher Genehmigung von Bernd Thaller Universitaumlt von Graz Institut fuumlr Mathematik und Wissenschaftliches RechnenB Thaller Visual Quantum Mechanics httpvqmuni-grazatindexhtml Galerie mit Darstellungen von Wellenfunktionen

Anfang des 20 Jahrhunderts haumluften sich die Hinweise dass die Materie aus

kleinen Bausteinen Elementarteilchen genannt aufgebaut ist Zuerst nahm

man an dass die Elementarteilchen kleinen Kugeln aumlhnelten die sich aumlhn-

lich wie alle Objekte unserer Erfahrungswelt auf Flugbahnen bewegen kol-

lidieren und voneinander abprallen Als man aber begann experimentell

tiefer in die Bereiche des Mikrokosmos vorzudringen wurde schnell

klar dass Elementarteilchen ganz anderen Gesetzen folgen als sagen

wir einmal Murmeln oder Steine

Eine Murmel kann man (zumindest im Prinzip) zu

jedem Zeitpunkt vollstaumlndig durch einige wenige Zahlen beschreiben

zum Beispiel Ort und Geschwindigkeit Drehimpuls etc Bei Elementar-

teilchen ist dies nicht mehr moumlglich stattdessen beschreibt man sie durch

ein raumlumlich ausgedehntes Feld Die Bewegungsgleichungen fuumlr dieses

Feld aumlhneln denen von (zum Beispiel elektromagnetischen) Wellen wes-

wegen das Feld Wellenfunktion genannt wird

Durch die Wellennatur der Teilchen gehen

jedoch typische Teilcheneigenschaften verloren

Man kann uumlber die physikalischen Groumlszligen die ein klassisches Teil-

chen beschreiben wuumlrden nur noch statistische Aussagen treffen

Auszligerdem sind gewisse Groumlszligen wie zum Beispiel Ort und Ge-

schwindigkeit des Teilchens zueinander komplementaumlr

Wellenfunktion Verschmierte Teilchen

181 Wellenfunktion

Der Franck-Hertz-Versuch S 184A Zeilinger Einsteins Schleier Die neue Welt der Quantenphysik Goldmann 2003

Die Komplementaritaumlt von Ort und Impuls

Die Komplementaritaumlt von Messgroumlszligen wie Ort und Ge-

schwindigkeit ist nicht wie oft behauptet eine Folge

von ungenauen Messungen sondern eine fun-

damentale Eigenschaft der Wellenfunktionen

An den Stellen an denen das Betragsquadrat

der Wellenfunktion groszlig ist besteht eine hohe

Wahrscheinlichkeit das Elementarteilchen anzutreffen

wenn man danach sucht Die Geschwindigkeit des Teilchens hin-

gegen ist mit der Wellenlaumlnge der Welle verknuumlpft

Um nun einer Welle eine genaue Wellenlaumlnge zuzuordnen muss

sie uumlber einen groszligen Bereich ausgebreitet sein Eine genau be-

stimmte Geschwindigkeit fuumlhrt so zu einem sehr unbestimmten

Ort

Je staumlrker hingegen die Welle an einem Ort kon-

zentriert ist desto weniger genau kann man ihr

eine Wellenlaumlnge zuschreiben weswegen ein

genau bestimmter Ort zu einer sehr ungenau be-

stimmten Geschwindigkeit fuumlhrt

Das bedeutet Je genauer der Ort des Teilchens be-

kannt ist desto ungenauer ist seine Geschwindigkeit

bestimmt und umgekehrt

Die Welleneigenschaften der kleinsten Bausteine wer-

den ganz besonders bei den Elektronen deutlich die

sich in einem Atom befinden Anders als die haumlufig

benutzte Analogie zum Sonnensystem vermuten laumlsst

umkreisen Elektronen den Atomkern nicht denn da-

fuumlr muumlssten sie gleichzeitig einen scharf definierten Ort

und eine scharfe Geschwindigkeit besitzen Stattdessen

kann man sich die Wellenfunktion des Elektrons als

dreidimensionale stehende Welle vorstellen Ebenso

wie bei einer schwingenden Instrumenten-Saite gibt es

im Atom nur bestimmte bdquoerlaubteldquo Schwingungsmo-

den der Wellenfunktion Deswegen sind fuumlr das Elek-

tron im Atom nur bestimmte Energieniveaus erlaubt

zwischen denen es jedoch per bdquo Quantensprungldquo hin-

und herwechseln kann wenn es z B durch einen Licht-

strahl dazu angeregt wird (Franck-Hertz-Versuch )

182 6 Atome und Quantenmechanik

Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt

Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen

Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral

fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-

tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt

besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich

zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-

stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf

einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige

Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-

keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es

den Raumbereich einfach nicht betreten

Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das

Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-

ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr

sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei

werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt

ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash

ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt

die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-

tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst

ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel

am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der

Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von

Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-

berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern

auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-

federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann

man mit dem Konzept des Potentials begreifen

Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der

Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-

sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-

teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte

nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter

Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als

uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )

die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens

angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-

mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-

tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an

einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je

houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in

einem Tal als auf einem Bergldquo

Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-

lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der

klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-

Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis

183 Der Tunneleffekt

Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert

Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html

tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch

waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch

verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit

das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie

ist nicht exakt null

Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-

nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-

hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-

tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit

geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf

es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen

nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-

den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber

den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je

houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den

beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-

lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein

mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-

botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch

den Berg ins naumlchste Tal gelangen

Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-

waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-

nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-

lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum

Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um

so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der

Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie

deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-

steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln

Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und

klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer

Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle

nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die

Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-

det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt

die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich

ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen

durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis

ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng

genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr

hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-

schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne

sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es

ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon

eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-

versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-

scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische

Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum

vorkommt

184 6 Atome und Quantenmechanik

Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben

Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)

Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178

Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-

perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-

drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock

Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich

ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-

tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben

Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-

aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und

hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-

nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James

Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-

ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige

Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann

sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige

den sogenannten Quanten

Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und

Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum

zwischen einer negativ geladenen

Gluumlhkathode und einer positiven

Anode ausfuumlllt An der Kathode

treten staumlndig Elektronen aus die

wegen der angelegten Spannung

in Richtung der Anode beschleu-

nigt werden Auf ihrem Weg da-

hin durchqueren die Elektronen

das Gas und stoszligen dabei staumln-

dig mit den Quecksilberatomen

zusammen An der Anode misst

man durch die Gegenspannungs-

methode die Geschwindigkeit der

ankommenden Elektronen So kann man beobachten

um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-

men verlangsamt werden

Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches

fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-

lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode

zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur

elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei

nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-

nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die

an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast

voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man

auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann

kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu

leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-

den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich

schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die

Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet

Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen

185 Der Franck-Hertz-Versuch

Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu

Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden

Schichten ihre Energie

Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen

Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-

der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende

Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter

man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten

entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-

ben

Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur

in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-

sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen

sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein

Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von

Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann

diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf

das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen

Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe

und wird dann von der angelegten Spannung wieder

aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine

Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt

es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein

Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat

Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man

also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben

Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-

tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-

gie ist dabei von Element zu Element verschieden und

muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-

ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-

huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies

mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur

Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden

war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung

der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch

bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-

niveaus in Atomen

Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-

rigens nicht lange sondern geben sie in Form von

Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die

Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von

47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau

dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-

roumlhre als Leuchten erkennen kann

186 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

Magnetfeld

Rota

tions

achs

e

Praumlzession

magnetischeKraft

Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-

chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein

halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten

Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen

muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-

zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen

Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der

Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach

seine Eigenschaften zu verstehen

Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden

Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin

eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der

Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-

gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon

Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen

und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur

Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen

Spin besitzen

Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-

allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-

nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist

so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen

magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-

netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem

senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese

insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der

Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach

oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher

Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-

feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen

die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was

aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer

Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt

(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen

Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-

nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach

dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld

unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt

Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach

diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-

nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12

aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld

schlugen sich die Silberatome nieder

Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln

187 Der Spin eines Teilchens

Spinrichtung

θ = 0deg

θ = 45deg

θ = 90deg

θ = 135deg

θ = 180deg

θ

N

S

Silberatomstrahl

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter

Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend

einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-

tationsachsen

Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-

berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-

lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das

Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die

Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel

dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in

oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild

der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-

vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens

Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-

sche Beschreibung des Spins aus Angenommen

der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die

um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist

In einem parallel zum Spin ausgerichteten

inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen

also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt

sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht

orientierten inhomogenen Magnetfeld Es

wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2

nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit

sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik

durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)

d h der Spin ist nach der Messung mit die-

sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach

oben oder nach unten orientiert Und das ist

auch schon im Wesentlichen alles was gesagt

werden kann denn die Quantenmechanik

kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen

sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen

bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der

Begriff der klassischen Rotationsachse in der

Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche

Ungleichung )

188 6 Atome und Quantenmechanik

-2-1 0 1 2 3

-3-2

-1 0

1 2

3

-1-08-06-04-02

0 02 04 06 08

1

x

y

f(xy)

Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der

Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische

Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem

Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-

scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an

einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches

man angetroffen hat

In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit

ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes

Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das

Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man

auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude

oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )

bezeichnet (genau genommen ist f(xy)

eine komplexe Zahl doch das ist hier

nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-

ronen ununterscheidbar sind darf sich

diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern

wenn wir die beiden Elektronen mitei-

nander vertauschen also das erste Elek-

tron am Ort y und das zweite Elektron

am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2

= |f(yx)|2 sein

Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)

selbst kann beim Vertauschen entweder

ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie

wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-

zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt

f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)

Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt

der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-

ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise

Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische

Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten

Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-

tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen

Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin

zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-

gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip

Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-

trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude

Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden

189 Das Pauli-Prinzip

1s

2s

2p

3s

3p

3d

18

Ener

gie

n=1

n=2

n=3

8

2

3dxsup2-ysup2

3pz 3px 3py

3s

2pz

2s

1s

3dxz 3dxy

2py

3dz2 3dyz

2px

Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)

Bosonen Fermionen

810 nK

510 nK

240 nK

Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom

Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2

Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich

zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-

nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich

f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man

in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen

mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht

am selben Ort aufhalten

Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen

derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht

denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man

beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts

Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit

ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-

mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)

groumlszligere Abstaumlnde beibehalten

Das Pauli-Prinzip stellt si-

cher dass sich in der Elek-

tronenhuumllle der Atome

eine stabile Schalenstruk-

tur ausbildet Jeder moumlgli-

che Schwingungszustand der Wellenfunktion

kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-

den die entgegengesetzte Spinausrichtung

aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-

nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige

Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken

ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip

Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-

ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es

wird durch ein subtiles Zusammenspiel von

Quantenmechanik und spezieller Relativi-

taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief

in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler

der modernen Physik begruumlndet

190 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

N

S

Magnet A

Teilchenquelle

Magnet B

Der Spin eines Teilchens S 186

In der klassischen Physik sind wir es normalerweise

gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige

Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit

diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch

Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-

spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen

haben

Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden

und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig

d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen

Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur

unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er

gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-

tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-

dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz

EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die

uumlberarbeitete Version von David Bohm)

Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-

len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen

ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-

gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst

man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht

orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird

immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein

Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-

den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash

welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist

nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall

Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-

ander verhalten werden

Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-

den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte

Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder

Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-

gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann

das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim

Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine

Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide

Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-

der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten

laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat

der Zufall Spin up entschiedenldquo

koumlnnte sich aber maximal mit

Lichtgeschwindigkeit ausbrei-

ten

Einstein Po-

dolsky und Rosen

sprachen daher von einer

bdquospukhaften Fernwirkungldquo und

folgerten dass jedes der beiden Teil-

chen doch eine verborgene lokale Eigen-

schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse

besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits

im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten

waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-

saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet

Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-

cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie

die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig

191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung

S

S

N

N

Magnet AKippwinkel 45deg

Magnet BKippwinkel 0deg

Gruppe 1(0darr 45uarr)

Teilchenquelle

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90degGruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3

0deg 45deg 90deg

J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und

ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-

rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr

1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich

diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein

Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand

gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-

nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-

rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide

Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt

werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-

gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg

Wenn die Teilchen nun doch eine

lokale innere Eigenschaft besaumlszligen

die ihr Verhalten im Magnetfeld

von vornherein festlegte so wird

es beispielsweise einige darunter

geben die bei 0deg zum Suumldpol bei

45deg zum Nordpol und bei 90deg

ebenfalls zum Nordpol abgelenkt

wuumlrden sodass wir sie mit (0

45 90 ) kennzeichnen koumln-

nen Die zugehoumlrigen Part-

nerteilchen wuumlrden sich

dabei genau entgegenge-

setzt verhalten

Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-

chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde

beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten

zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen

im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol

abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45

verhaumllt

Analog bilden wir Grup-

pe 2 als alle die Teilchen-

paare bei denen ein Teil-

chen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 45

sowie 90 besitzt sowie

Gruppe 3 als alle die Teil-

chenpaare bei denen ein

Teilchen zugleich die bei-

den Kennzeichnungen 0

sowie 90 besitzt

Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare

von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also

muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-

wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten

zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-

send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)

Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-

scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt

sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-

scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-

men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche

Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung

vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen

uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere

Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky

und Rosen wurden widerlegt

Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass

die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung

erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-

greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt

egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze

ist mehr als die Summe seiner Teile

192 6 Atome und Quantenmechanik

Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie

Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012

Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-

orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische

Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-

theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik

jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich

zufriedenstellend beantwortet sind

Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur

grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-

lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-

lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische

Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-

wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-

scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen

instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise

Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also

durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus

dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-

ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der

sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927

u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-

beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber

welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder

dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-

on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-

ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft

die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)

sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-

lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten

Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei

nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da

es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird

Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten

193 Die Interpretation der Quantenmechanik

Tritium

Wellenfunktion = +

Helium-3

ElektronAntineutrino

Detektormisst

Zerfall

makroskopische Realitaumlt

Gift

oder

Gift

Tritiumintakt

Tritiumzerfallen

Wellenfunktion =

+

Dekohaumlrenz

makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2

Gift Gift

Tritium Helium-3

ElektronAntineutrino

Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24

Doch wann genau findet eine solche Messung statt

Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin

Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches

Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem

zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die

zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste

eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet

dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-

tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit

Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers

Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-

digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der

erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-

schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der

quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die

klassische Realitaumlt der Katze

Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-

chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute

tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-

zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-

tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-

elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man

den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in

den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die

sogenannte Viele-Welten-Interpretation

Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom

weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-

same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-

tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie

bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze

jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-

vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in

Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur

sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-

de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung

mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-

abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts

mehr voneinander sodass man sie als verschiedene

Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-

der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der

Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht

In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion

des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-

ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten

verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation

zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-

lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt

im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung

des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung

zwischen Mikro- und Makrokosmos

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 4: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

173 Das Bohrrsquosche Atommodell

Die Experimente Thomsons zeigten dass Atome negativ gelade-nen Teilchen enthalten muumlssen Man stellte sich vor dass diese Elektronen im Atom eingebettet waren wie Rosinen im Kuchen (links) Erst Bohr formte die Vorstellung eines positiv geladenen Kerns der von den negativ geladenen Elektronen umkreist wird (rechts)

Die Flagge der Internationalen Atom-energiebehoumlrde (IAEA)

Daumlnische Briefmarke zum 50-jaumlh-rigen Geburtstag des Bohrrsquoschen Atommodells

Wellenfunktion S 180Das Pauli-Prinzip S 188

der fast die gesamte Masse in sich vereint und von

Elektronen auf stabilen Kreisbahnen umrundet wird ndash

fast wie ein winziges Planetensystem

Dabei sind nur ganz bestimmte Abstaumlnde zwischen

Kern und Elektron erlaubt und je nach Abstand be-

sitzen die Elektronen unterschiedliche Energien Alle

Elektronen desselben Abstandes gehoumlren zu einer soge-

nannten Schale und in jede Schale passen

nur eine gewisse Anzahl von Elektronen

Dieses Modell konnte nicht nur das Ver-

halten einer ganzen Reihe von Atomen

(naumlmlich denen der sogenannten Haupt-

gruppen) erklaumlren sondern war auch so an-

schaulich dass dieses Bild bis heute unsere

Atomvorstellungen praumlgt So findet es sich

zum Beispiel in der Flagge der Internatio-

nalen Atomenergiebehoumlrde IAEA

Teilweise konnte das Bohrrsquosche Atommodell sogar er-

klaumlren warum sich z B ein Wasserstoff (H) und ein

Chloratom (Cl) zu Salzsaumlure (HCl) verbinden koumln-

nen Das Wasserstoffatom besitzt ein Elektron ndash dem

Chloratom fehlt genau ein Elektron um seine aumluszligerste

Schale ganz zu fuumlllen ndash und so ist es energetisch guumlns-

tig wenn beide sich verbinden Zwischen ihnen kann

dabei ein Elektron den Besitzer wechseln und der posi-

tiv geladenen Wasserstoffkern (H+) und das negativ ge-

ladene Chloratom (Clminus) bleiben einfach aufgrund der

elektrostatischen Anziehungskraft aneinander haumlngen

Das Bohrrsquosche Atommodell hatte allerdings immer

noch Erklaumlrungsluumlcken Warum durften die negativ ge-

ladenen Elektronen den positiven Kern nur in ganz be-

stimmten Abstaumlnden umkreisen Und was hinderte sie

daran aufgrund der elektrostatischen Anziehungskraft

einfach in der Kern hineinzufallen Diese Fragen konn-

ten erst spaumlter in einer umfassenden quantenmecha-

nischen Beschreibung der Atome geklaumlrt werden ( )

Leider bedeutet die quantenmechanische Behandlung

dass ein gewisser Anteil der Anschauung der Atome

verlorengeht

174 6 Atome und Quantenmechanik

Sowohl Pro-tonen als auch

Neutronen beste-hen aus drei Quarks

Die starke Wechselwirkung zweier Nukleonen kann man durch den Austausch eines Mesons veranschaulichen

Das Bohrrsquosche Atommodell S 172Radioaktiver Zerfall S 176Die starke Wechselwirkung S 224

Waumlhrend viele Physiker um 1900 das Atom noch als

eine fundamentale Einheit betrachteten gelangte man

mit den Experimenten von Rutherford im Jahre 1911

zu der Erkenntnis dass ein Atom selbst auch eine

Struktur besitzt und aus einem positiv gela-

denen Kern besteht der von im Vergleich

dazu sehr leichten Elektronen umgeben ist

(Bohrrsquosches Atommodell ) Auch wenn

man relativ einfach einzelne Elektronen

aus dieser Huumllle entfernen oder dazu hin-

zufuumlgen konnte so blieb der Atomkern in

dem rund 9995 der Masse des Atoms

enthalten ist davon unbeein-

flusst Insofern passte diese

Einsicht weiterhin gut mit der

Vorstellung der bdquoUnteilbar-

keitldquo der Atome zusammen

Erst 1917 wies Ernest Ruther-

ford durch weitere Experimente nach dass auch Atom-

kerne veraumlnderbar waren indem er durch Beschuss

mit Alphateilchen (Heliumkernen) Stickstoffkerne in

Sauerstoffkerne umwandelte Dass Atomkerne in der

Tat nicht ganz unveraumlnderlich waren hatte man zwar

schon durch die Entdeckung der Radioaktivitaumlt ( )

einige Jahre zuvor vermutet aber Rutherfords Experi-

mente waren der erste direkte Nachweis

Bei dieser Gelegenheit entdeckte Rutherford auch

dass Atomkerne wiederum eine Substruktur besitzen

und mehrere Protonen enthalten ndash und zwar gerade

so viele wie sich Elektronen in der Huumllle befinden

Im Jahre 1932 entdeckte dann James Chadwick den

zweiten noch fehlenden Baustein in den Atomkernen

das Neutron Diese beiden Nukleonen formen zusam-

men den Atomkern

Doch was genau haumllt Protonen und Neu-

tronen im Kern zusammen Letztere

sind elektrisch neutral die Protonen

aber sind allesamt positiv geladen

sollten sich also abstoszligen Die Ant-

wort liegt in einer weiteren Substruktur

die die sogenannte Kernkraft erzeugt

(nicht zu verwechseln mit der Energie

die in Kernkraftwerken aus z B Uran

gewonnen wird) Diese Kernkraft ist das

Uumlberbleibsel der starken Kraft die zwi-

schen den Bestandteilen der Protonen

und Neutronen ndash den Quarks ndash wirkt

( starke WW )

Atomkerne Seit hundert Jahren bekannt und doch nicht im Ganzen verstanden

175 Atomkerne

Die Luumlcken zwischen den Energieniveaus im Atomkern trennen die einzelnen Schalen voneinander Kerne deren Protonen undoder Neutronenzahl bdquomagischldquo ist (die entsprechenden Schalen also vollkommen gefuumlllt haben) sind besonders stabil

B Povh K Rith C Scholz F Zetsche Teilchen und Kerne Eine Einfuumlhrung in die physikalischen Konzepte Springer Verlag 8 Auflage 2009

Die Kernkraft fuumlhrt letztlich zu einer Anziehung der

farbneutralen Nukleonen untereinander Sie hat nur

eine sehr kurze Reichweite ist allerdings deutlich staumlr-

ker als die abstoszligende elektrische Kraft Daher halten

Atomkerne auch zusammen und fliegen trotz der posi-

tiven Ladungen der Protonen nicht auseinander

Obwohl es heute bereits hinreichend gute mathema-

tische Beschreibungen der Kernkraft gibt ist sie nicht

bis ins letzte Detail verstanden Und so ist die genaue

Struktur der Atomkerne zum Beispiel die Frage wie

sich die einzelnen Nukleonen im Kern zueinander an-

ordnen bis heute nicht vollstaumlndig bekannt Zwar weiszlig

man dass Atomkerne genau wie auch die Elektronen

in der Huumllle diskrete Energieniveaus haben sodass sie

zu ndash im Vergleich zu diesen etwa 1000 bis 10 000 Mal

energiereicheren ndash Quantenspruumlngen angeregt werden

koumlnnen Aber die exakte Berechnung dieser Energieni-

veaus gestaltet sich sehr schwierig denn der Kern als

Ganzes ist ein sehr komplexes System aus stark mitei-

nander wechselwirkenden Einzelteilen So gibt es zwar

verschiedenen vereinfachende Modelle die jeweils ge-

wisse Aspekte der Kerne gut erklaumlren aber keines ist

vollstaumlndig und beschreibt den Kern in seiner Gaumlnze

In dem sogenannten Troumlpfchenmodell zum Beispiel

wird angenommen dass sich die Nukleonen im Kern

wie eine tropfenfoumlrmige positiv geladenen Fluumlssigkeit

verhalten Obwohl dieses Modell erst einmal sehr naiv

anmutet kann man mit seiner Hilfe recht genau be-

rechnen welche Atomkerne stabil und welche instabil

also radioaktiv sind

Im Schalenmodell hingegen wird angenommen dass

sich die Protonen und Neutronen genau wie auch die

Elektronen der Huumllle auf Schalen anordnen Ein Kern

nimmt dabei Energie auf indem ein Nukleon von einer

niedrigeren Schale in eine noch nicht vollstaumlndig gefuumlll-

te houmlhere Schale uumlbergeht Obwohl dieses Modell auch

mit starken Vereinfachungen arbeitet (im Gegensatz zu

den Elektronen spuumlren die Nukleonen ja kein gelade-

nes Zentrum um das sie sich herum anordnen muumlss-

ten) lassen sich hieraus in einigen Faumlllen passable Wer-

te fuumlr die Bindungsenergien und die Energieniveaus im

Kern berechnen

176 6 Atome und Quantenmechanik

Beim α-Zerfall sendet der Kern einen Heli-umkern (α-Teilchen) aus

Beim βminus-Zerfall wandelt sich im Kern ein Neutron in ein Proton ein Antineutrino und ein Elektron um wobei die letzteren beiden den Kern als Strahlung verlassen

Beim γ-Zerfall geht der Kern von einem angeregten in einen stabilen Zustand uumlber ndash die uumlberschuumlssige Energie wird in Form eines hochenergetischen Photons abgegeben

Atomkerne S 174Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182

Obwohl sich das Wort bdquoAtomldquo vom griechischen

ἄτομος (bdquodas Unteilbareldquo) ableitet kann man Atome

ndash mit dem entsprechenden Aufwand ndash in ihre Bestand-

teile zerlegen oder ineinander umwandeln Einige Ato-

me sind dazu jedoch auch von allein in der Lage Ende

des 19 Jahrhunderts entdeckte man Elemente wie

Uran oder Thorium die von sich aus eine ionisierende

Strahlung abgeben Noch bevor Rutherford die Exis-

tenz der Atomkerne explizit nachweisen konnte stellte

er daher bereits die Hypothese auf dass diese radio-

aktive Strahlung wie Marie Curie sie getauft hatte

durch die Umwandlung einer Atomsorte in eine andere

verursacht wird

Heute wissen wir dass radioaktive Strahlung entsteht

wenn ein instabiler Atomkern ( ) in einen stabileren

Zustand uumlbergeht Da die Menge des urspruumlnglichen

Stoffes bei diesem Prozess abnimmt spricht man hier-

bei auch von radioaktivem Zerfall Es gibt im Wesent-

lichen drei Arten radioaktiver Strahlung entsprechend

der drei verschiedenen Arten auf die ein Atomkern

spontan zerfallen kann

Der so genannte α-Zerfall tritt bei Atomkernen auf

die sehr schwer sind und eine groszlige Anzahl an Pro-

tonen besitzen Diese positiv geladenen Protonen im

Kern muumlssten sich eigentlich abstoszligen werden jedoch

von der kurzreichweitigen Kernkraft zusammenge-

halten die um einiges staumlrker ist als die abstoszligende

elektrische Kraft wobei Letztere jedoch eine deut-

lich houmlhere Reichweite hat Da durch die Effekte der

Quantenmechanik ( ) die Nukleonen im Kern keinen

festen Ort haben sondern uumlber einen gewissen Auf-

enthaltsbereich verschmiert sind gibt es eine gewisse

Wahrscheinlichkeit dass sich zwei Protonen und zwei

Neutronen ndash eine in sich sehr stabile Kombination

entsprechend einem Heliumkern auch α-Teilchen

genannt ndash so weit vom Rest der Kernteilchen entfer-

nen dass sie die anziehende Kernkraft nicht mehr stark

genug spuumlren sondern hauptsaumlchlich die abstoszligende

elektrische Kraft Das α-Teilchen durchtunnelt dadurch

die Potentialbarriere des Kerns und wird mit einer Ge-

schwindigkeit von einigen Prozent der Lichtgeschwin-

digkeit aus dem Kern ausgestoszligen ( Tunneleffekt )

Radioaktiver Zerfall Atomkerne aus dem Gleichgewicht

177 Radioaktiver Zerfall

Halbwertszeiten der bekannten Isotope Jedes Quadrat entspricht einem Kern mit Z Protonen und N Nukleonen (Protonen und Neu-tronen)

W Stolz Radioaktivitaumlt Grundlagen ndash Messung ndash Anwendungen Teubner 5 Aufl 2005H Krieger Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes Vieweg+Teubner 2007K Bethge Kernphysik Springer Verlag 1996

hen Dichte haumllt Blei dabei die γ-Strahlen am effektivs-

ten auf es werden jedoch je nach Strahlungsenergie

einige Millimeter bis Zentimeter fuumlr eine vollstaumlndige

Abschirmung benoumltigt Dies macht gerade Letztere fuumlr

Lebewesen besonders gefaumlhrlich denn tief in Gewebe

eindringende Strahlung kann nicht nur Verbrennungen

an der Hautoberflaumlche sondern auch Mutationen in

den Zellen und der DNA verursachen

Der β-Zerfall wiederum tritt in Kernen mit einem un-

guumlnstigen Verhaumlltnis zwischen Protonen und Neutro-

nen auf Hat ein Kern einen deutlichen Uumlberschuss an

Neutronen so kann sich eines davon durch die schwa-

che Wechselwirkung spontan in ein Proton ein Elekt-

ron und ein Antielektronneutrino umwandeln Wenn

dies geschieht dann verbleibt das Proton im Kern und

Neutrino und Elektron werden abgestrahlt Diese ne-

gativ geladenen Elektronen werden dabei als β minus-Strah-

lung bezeichnet

Die Regeln der schwachen Wechselwirkung lassen al-

lerdings auch den (etwas selteneren) spiegelbildlichen

Prozess zu In Kernen mit einem Uumlberschuss an Pro-

tonen kann sich eines in ein Neutron ein Antielektron

und ein Elektronneutrino umwandeln Das hierbei

ausgesendete positiv geladene Antielektron ( Positron)

bezeichnet man dabei als β +-Strahlung

Der γ-Zerfall schlieszliglich bezeichnet den Uumlbergang

eines Atomkerns von einem angeregten Zustand in

einen stabileren Zustand mit niedrigerer Energie Die

uumlberschuumlssige Energie wird in Form von energiereichen

Photonen abgestrahlt die man auch als γ-Quanten be-

zeichnet Weil angeregte Atomkerne meist eine Folge-

erscheinung von Kernspaltungen oder anderen voran-

gegangenen Zerfaumlllen sind tritt γ-Strahlung meist in

Begleitung von anderen radioaktiven Vorgaumlngen auf

Die Unterteilung in α β und γ bezieht sich auf die

Eindringtiefe der jeweiligen Strahlung in feste Materie

Waumlhrend α-Strahlung bereits nach fuumlnf Zentimetern

durch die Luft oder durch ein einfaches Blatt Papier

aufgehalten werden kann benoumltigt man bei β-Strahlung

bereits eine duumlnne Metallplatte γ-Strahlung hingegen

kann sehr tief in Materie eindringen Wegen seiner ho-

178 6 Atome und Quantenmechanik

Photoeffekt

Wellenlaumlngen und zugehoumlri-ge Photon-Energien fuumlr das sichtbare Lichtspektrum

Bild in der Mitte (Briefmarke) mit freundlicher Genehmigung von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityR P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Wellen und Teilchen haumlngen in der Quantenmechanik

eng miteinander zusammen So ist Licht einerseits eine

elektromagnetische Welle wie Interferenzexperimen-

te zeigen bei denen Lichtwellenberge auf -berge oder

-taumller treffen und sich verstaumlrken oder ausloumlschen An-

dererseits kann Licht beim sogenannten Photoeffekt

einzelne Elektronen aus einer Metalloberflaumlche he-

rausschlagen wobei dies mit umso groumlszligerer Wucht

geschieht je kuumlrzer die Lichtwellenlaumlnge ist ndash ein Ver-

halten das sich nur durch den Teilchencharakter des

Lichtes verstehen laumlsst

Licht besteht also aus

einem Strom einzelner

Teilchen (sogenannter

Photonen) welche die

Elektronen aus der Ober-

flaumlche herausstoszligen

Fuumlr die genaue Ausarbei-

tung dieser Erkenntnis

erhielt Albert Einstein im

Jahr 1921 den Nobelpreis

fuumlr Physik ndash er hatte sie be-

reits im Jahr 1905 in seiner

Doktorarbeit formuliert

Frequenz f und Wellenlaumlnge λ der elektromagnetischen

Lichtwelle legen dabei die Energie E und den Impuls p

der Photonen fest

E = h∙f und λ = hp

Hier ist h = 6626 ∙ 10ndash34 J∙s eine Naturkonstante deren

Wert im Experiment bestimmt werden muss Sie heiszligt

Planckrsquosches Wirkungsquantum und verknuumlpft Teil-

chen- mit Welleneigenschaften

So wie Photonen mit Lichtwellen zusammenhaumlngen

so haumlngen auch beispielsweise Elektronen mit Elektro-

nenwellen zusammen und zwar nach genau denselben

Formeln wie bei den Photonen und auch allen anderen

Teilchen Wenn man beispielsweise einen Elektronen-

strahl durch einen sehr feinen Doppelspalt schickt so

findet man auf einer Flaumlche dahinter ein Interferenz-

muster aus Streifen mit vielen und mit wenigen Elekt-

ronentreffern ganz analog zum Intensitaumltsmuster von

Laserlicht hinter einem solchen Doppelspalt

Offenbar muss man den Durchgang der Elektronen

durch den Doppelspalt wie bei Licht durch eine Wel-

le beschreiben wobei eine hohe Wellenintensitaumlt einer

hohen Wahrscheinlichkeit entspricht ein Elektron an-

zutreffen

Welle-Teilchen-Dualismus Teilchen bewegen sich in Wellen

179 Welle-Teilchen-Dualismus

Das Buckminster-Fulleren C60

Reales Doppelspaltexperiment mit 11 (a) 200 (b) 6000 (c) 40 000 (d) und 140 000 (e) Elektronen

Doppelspaltexperiment mit Elektronen Interferenz von Wellen hinter einem Doppelspalt

Wellenfunktion S 180J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Im Experiment kann man naumlmlich beobachten wie auf der Flaumlche hinter

dem Doppelspalt nach und nach immer mehr einzelne Elektronen wie

zufaumlllig an verschiedenen Stellen auftreffen wobei sich schlieszliglich das

streifenfoumlrmige Interferenzmuster herausbildet

Teilchenbahnen gibt es dabei nicht mehr Alles was die Quantenmecha-

nik tun kann ist die Auftreffwahrscheinlichkeiten fuumlr die Elektronen zu

berechnen Der Ort eines einzelnen Elektrons ist dagegen in der Natur

grundsaumltzlich nicht festgelegt d h der Wahrscheinlichkeitscharakter der

Quantenmechanik ist grundsaumltzlicher Natur und hat nichts mit unge-

nauen Messungen zu tun (siehe Wellenfunktion )

Mittlerweile konnten Interferenzmuster

auch beispielsweise fuumlr Fullerenmolekuumlle

nachgewiesen werden die immerhin aus

60 Kohlenstoffatomen bestehen (Anton

Zeilinger 1999) Auch fuumlr sie gilt also der

Welle-Teilchen-Dualismus

180 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Wellenfunktion die senkrecht zu ihrer Flugrichtung im Ort be-schraumlnkt wird (z B indem man sie durch einen engen Spalt schickt) erhaumllt dadurch eine groszlige Impulsunschaumlrfe in dieselbe Richtung wodurch sie sich ausbreitet

Zwei Schwingungszustaumlnde der Wel-lenfunktion eines Elektrons im Wasser-stoffatom Die Farbe gibt die ortsabhaumln-gige Phase der Wellenfunktion an

Bild rechts oben und links mit freundlicher Genehmigung von Bernd Thaller Universitaumlt von Graz Institut fuumlr Mathematik und Wissenschaftliches RechnenB Thaller Visual Quantum Mechanics httpvqmuni-grazatindexhtml Galerie mit Darstellungen von Wellenfunktionen

Anfang des 20 Jahrhunderts haumluften sich die Hinweise dass die Materie aus

kleinen Bausteinen Elementarteilchen genannt aufgebaut ist Zuerst nahm

man an dass die Elementarteilchen kleinen Kugeln aumlhnelten die sich aumlhn-

lich wie alle Objekte unserer Erfahrungswelt auf Flugbahnen bewegen kol-

lidieren und voneinander abprallen Als man aber begann experimentell

tiefer in die Bereiche des Mikrokosmos vorzudringen wurde schnell

klar dass Elementarteilchen ganz anderen Gesetzen folgen als sagen

wir einmal Murmeln oder Steine

Eine Murmel kann man (zumindest im Prinzip) zu

jedem Zeitpunkt vollstaumlndig durch einige wenige Zahlen beschreiben

zum Beispiel Ort und Geschwindigkeit Drehimpuls etc Bei Elementar-

teilchen ist dies nicht mehr moumlglich stattdessen beschreibt man sie durch

ein raumlumlich ausgedehntes Feld Die Bewegungsgleichungen fuumlr dieses

Feld aumlhneln denen von (zum Beispiel elektromagnetischen) Wellen wes-

wegen das Feld Wellenfunktion genannt wird

Durch die Wellennatur der Teilchen gehen

jedoch typische Teilcheneigenschaften verloren

Man kann uumlber die physikalischen Groumlszligen die ein klassisches Teil-

chen beschreiben wuumlrden nur noch statistische Aussagen treffen

Auszligerdem sind gewisse Groumlszligen wie zum Beispiel Ort und Ge-

schwindigkeit des Teilchens zueinander komplementaumlr

Wellenfunktion Verschmierte Teilchen

181 Wellenfunktion

Der Franck-Hertz-Versuch S 184A Zeilinger Einsteins Schleier Die neue Welt der Quantenphysik Goldmann 2003

Die Komplementaritaumlt von Ort und Impuls

Die Komplementaritaumlt von Messgroumlszligen wie Ort und Ge-

schwindigkeit ist nicht wie oft behauptet eine Folge

von ungenauen Messungen sondern eine fun-

damentale Eigenschaft der Wellenfunktionen

An den Stellen an denen das Betragsquadrat

der Wellenfunktion groszlig ist besteht eine hohe

Wahrscheinlichkeit das Elementarteilchen anzutreffen

wenn man danach sucht Die Geschwindigkeit des Teilchens hin-

gegen ist mit der Wellenlaumlnge der Welle verknuumlpft

Um nun einer Welle eine genaue Wellenlaumlnge zuzuordnen muss

sie uumlber einen groszligen Bereich ausgebreitet sein Eine genau be-

stimmte Geschwindigkeit fuumlhrt so zu einem sehr unbestimmten

Ort

Je staumlrker hingegen die Welle an einem Ort kon-

zentriert ist desto weniger genau kann man ihr

eine Wellenlaumlnge zuschreiben weswegen ein

genau bestimmter Ort zu einer sehr ungenau be-

stimmten Geschwindigkeit fuumlhrt

Das bedeutet Je genauer der Ort des Teilchens be-

kannt ist desto ungenauer ist seine Geschwindigkeit

bestimmt und umgekehrt

Die Welleneigenschaften der kleinsten Bausteine wer-

den ganz besonders bei den Elektronen deutlich die

sich in einem Atom befinden Anders als die haumlufig

benutzte Analogie zum Sonnensystem vermuten laumlsst

umkreisen Elektronen den Atomkern nicht denn da-

fuumlr muumlssten sie gleichzeitig einen scharf definierten Ort

und eine scharfe Geschwindigkeit besitzen Stattdessen

kann man sich die Wellenfunktion des Elektrons als

dreidimensionale stehende Welle vorstellen Ebenso

wie bei einer schwingenden Instrumenten-Saite gibt es

im Atom nur bestimmte bdquoerlaubteldquo Schwingungsmo-

den der Wellenfunktion Deswegen sind fuumlr das Elek-

tron im Atom nur bestimmte Energieniveaus erlaubt

zwischen denen es jedoch per bdquo Quantensprungldquo hin-

und herwechseln kann wenn es z B durch einen Licht-

strahl dazu angeregt wird (Franck-Hertz-Versuch )

182 6 Atome und Quantenmechanik

Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt

Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen

Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral

fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-

tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt

besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich

zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-

stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf

einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige

Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-

keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es

den Raumbereich einfach nicht betreten

Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das

Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-

ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr

sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei

werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt

ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash

ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt

die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-

tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst

ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel

am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der

Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von

Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-

berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern

auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-

federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann

man mit dem Konzept des Potentials begreifen

Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der

Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-

sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-

teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte

nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter

Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als

uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )

die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens

angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-

mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-

tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an

einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je

houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in

einem Tal als auf einem Bergldquo

Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-

lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der

klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-

Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis

183 Der Tunneleffekt

Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert

Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html

tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch

waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch

verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit

das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie

ist nicht exakt null

Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-

nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-

hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-

tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit

geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf

es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen

nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-

den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber

den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je

houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den

beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-

lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein

mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-

botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch

den Berg ins naumlchste Tal gelangen

Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-

waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-

nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-

lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum

Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um

so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der

Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie

deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-

steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln

Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und

klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer

Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle

nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die

Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-

det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt

die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich

ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen

durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis

ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng

genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr

hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-

schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne

sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es

ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon

eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-

versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-

scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische

Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum

vorkommt

184 6 Atome und Quantenmechanik

Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben

Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)

Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178

Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-

perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-

drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock

Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich

ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-

tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben

Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-

aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und

hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-

nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James

Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-

ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige

Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann

sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige

den sogenannten Quanten

Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und

Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum

zwischen einer negativ geladenen

Gluumlhkathode und einer positiven

Anode ausfuumlllt An der Kathode

treten staumlndig Elektronen aus die

wegen der angelegten Spannung

in Richtung der Anode beschleu-

nigt werden Auf ihrem Weg da-

hin durchqueren die Elektronen

das Gas und stoszligen dabei staumln-

dig mit den Quecksilberatomen

zusammen An der Anode misst

man durch die Gegenspannungs-

methode die Geschwindigkeit der

ankommenden Elektronen So kann man beobachten

um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-

men verlangsamt werden

Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches

fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-

lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode

zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur

elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei

nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-

nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die

an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast

voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man

auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann

kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu

leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-

den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich

schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die

Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet

Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen

185 Der Franck-Hertz-Versuch

Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu

Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden

Schichten ihre Energie

Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen

Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-

der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende

Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter

man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten

entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-

ben

Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur

in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-

sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen

sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein

Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von

Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann

diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf

das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen

Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe

und wird dann von der angelegten Spannung wieder

aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine

Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt

es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein

Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat

Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man

also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben

Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-

tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-

gie ist dabei von Element zu Element verschieden und

muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-

ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-

huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies

mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur

Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden

war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung

der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch

bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-

niveaus in Atomen

Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-

rigens nicht lange sondern geben sie in Form von

Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die

Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von

47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau

dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-

roumlhre als Leuchten erkennen kann

186 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

Magnetfeld

Rota

tions

achs

e

Praumlzession

magnetischeKraft

Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-

chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein

halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten

Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen

muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-

zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen

Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der

Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach

seine Eigenschaften zu verstehen

Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden

Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin

eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der

Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-

gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon

Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen

und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur

Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen

Spin besitzen

Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-

allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-

nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist

so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen

magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-

netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem

senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese

insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der

Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach

oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher

Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-

feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen

die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was

aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer

Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt

(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen

Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-

nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach

dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld

unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt

Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach

diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-

nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12

aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld

schlugen sich die Silberatome nieder

Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln

187 Der Spin eines Teilchens

Spinrichtung

θ = 0deg

θ = 45deg

θ = 90deg

θ = 135deg

θ = 180deg

θ

N

S

Silberatomstrahl

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter

Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend

einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-

tationsachsen

Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-

berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-

lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das

Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die

Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel

dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in

oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild

der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-

vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens

Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-

sche Beschreibung des Spins aus Angenommen

der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die

um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist

In einem parallel zum Spin ausgerichteten

inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen

also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt

sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht

orientierten inhomogenen Magnetfeld Es

wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2

nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit

sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik

durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)

d h der Spin ist nach der Messung mit die-

sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach

oben oder nach unten orientiert Und das ist

auch schon im Wesentlichen alles was gesagt

werden kann denn die Quantenmechanik

kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen

sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen

bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der

Begriff der klassischen Rotationsachse in der

Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche

Ungleichung )

188 6 Atome und Quantenmechanik

-2-1 0 1 2 3

-3-2

-1 0

1 2

3

-1-08-06-04-02

0 02 04 06 08

1

x

y

f(xy)

Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der

Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische

Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem

Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-

scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an

einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches

man angetroffen hat

In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit

ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes

Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das

Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man

auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude

oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )

bezeichnet (genau genommen ist f(xy)

eine komplexe Zahl doch das ist hier

nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-

ronen ununterscheidbar sind darf sich

diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern

wenn wir die beiden Elektronen mitei-

nander vertauschen also das erste Elek-

tron am Ort y und das zweite Elektron

am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2

= |f(yx)|2 sein

Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)

selbst kann beim Vertauschen entweder

ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie

wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-

zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt

f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)

Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt

der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-

ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise

Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische

Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten

Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-

tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen

Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin

zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-

gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip

Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-

trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude

Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden

189 Das Pauli-Prinzip

1s

2s

2p

3s

3p

3d

18

Ener

gie

n=1

n=2

n=3

8

2

3dxsup2-ysup2

3pz 3px 3py

3s

2pz

2s

1s

3dxz 3dxy

2py

3dz2 3dyz

2px

Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)

Bosonen Fermionen

810 nK

510 nK

240 nK

Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom

Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2

Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich

zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-

nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich

f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man

in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen

mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht

am selben Ort aufhalten

Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen

derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht

denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man

beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts

Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit

ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-

mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)

groumlszligere Abstaumlnde beibehalten

Das Pauli-Prinzip stellt si-

cher dass sich in der Elek-

tronenhuumllle der Atome

eine stabile Schalenstruk-

tur ausbildet Jeder moumlgli-

che Schwingungszustand der Wellenfunktion

kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-

den die entgegengesetzte Spinausrichtung

aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-

nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige

Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken

ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip

Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-

ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es

wird durch ein subtiles Zusammenspiel von

Quantenmechanik und spezieller Relativi-

taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief

in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler

der modernen Physik begruumlndet

190 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

N

S

Magnet A

Teilchenquelle

Magnet B

Der Spin eines Teilchens S 186

In der klassischen Physik sind wir es normalerweise

gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige

Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit

diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch

Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-

spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen

haben

Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden

und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig

d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen

Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur

unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er

gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-

tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-

dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz

EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die

uumlberarbeitete Version von David Bohm)

Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-

len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen

ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-

gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst

man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht

orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird

immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein

Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-

den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash

welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist

nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall

Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-

ander verhalten werden

Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-

den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte

Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder

Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-

gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann

das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim

Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine

Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide

Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-

der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten

laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat

der Zufall Spin up entschiedenldquo

koumlnnte sich aber maximal mit

Lichtgeschwindigkeit ausbrei-

ten

Einstein Po-

dolsky und Rosen

sprachen daher von einer

bdquospukhaften Fernwirkungldquo und

folgerten dass jedes der beiden Teil-

chen doch eine verborgene lokale Eigen-

schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse

besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits

im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten

waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-

saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet

Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-

cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie

die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig

191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung

S

S

N

N

Magnet AKippwinkel 45deg

Magnet BKippwinkel 0deg

Gruppe 1(0darr 45uarr)

Teilchenquelle

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90degGruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3

0deg 45deg 90deg

J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und

ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-

rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr

1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich

diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein

Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand

gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-

nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-

rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide

Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt

werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-

gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg

Wenn die Teilchen nun doch eine

lokale innere Eigenschaft besaumlszligen

die ihr Verhalten im Magnetfeld

von vornherein festlegte so wird

es beispielsweise einige darunter

geben die bei 0deg zum Suumldpol bei

45deg zum Nordpol und bei 90deg

ebenfalls zum Nordpol abgelenkt

wuumlrden sodass wir sie mit (0

45 90 ) kennzeichnen koumln-

nen Die zugehoumlrigen Part-

nerteilchen wuumlrden sich

dabei genau entgegenge-

setzt verhalten

Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-

chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde

beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten

zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen

im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol

abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45

verhaumllt

Analog bilden wir Grup-

pe 2 als alle die Teilchen-

paare bei denen ein Teil-

chen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 45

sowie 90 besitzt sowie

Gruppe 3 als alle die Teil-

chenpaare bei denen ein

Teilchen zugleich die bei-

den Kennzeichnungen 0

sowie 90 besitzt

Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare

von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also

muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-

wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten

zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-

send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)

Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-

scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt

sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-

scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-

men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche

Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung

vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen

uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere

Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky

und Rosen wurden widerlegt

Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass

die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung

erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-

greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt

egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze

ist mehr als die Summe seiner Teile

192 6 Atome und Quantenmechanik

Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie

Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012

Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-

orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische

Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-

theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik

jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich

zufriedenstellend beantwortet sind

Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur

grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-

lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-

lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische

Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-

wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-

scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen

instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise

Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also

durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus

dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-

ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der

sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927

u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-

beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber

welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder

dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-

on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-

ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft

die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)

sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-

lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten

Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei

nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da

es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird

Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten

193 Die Interpretation der Quantenmechanik

Tritium

Wellenfunktion = +

Helium-3

ElektronAntineutrino

Detektormisst

Zerfall

makroskopische Realitaumlt

Gift

oder

Gift

Tritiumintakt

Tritiumzerfallen

Wellenfunktion =

+

Dekohaumlrenz

makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2

Gift Gift

Tritium Helium-3

ElektronAntineutrino

Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24

Doch wann genau findet eine solche Messung statt

Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin

Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches

Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem

zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die

zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste

eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet

dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-

tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit

Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers

Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-

digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der

erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-

schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der

quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die

klassische Realitaumlt der Katze

Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-

chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute

tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-

zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-

tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-

elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man

den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in

den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die

sogenannte Viele-Welten-Interpretation

Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom

weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-

same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-

tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie

bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze

jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-

vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in

Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur

sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-

de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung

mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-

abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts

mehr voneinander sodass man sie als verschiedene

Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-

der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der

Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht

In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion

des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-

ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten

verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation

zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-

lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt

im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung

des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung

zwischen Mikro- und Makrokosmos

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 5: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

174 6 Atome und Quantenmechanik

Sowohl Pro-tonen als auch

Neutronen beste-hen aus drei Quarks

Die starke Wechselwirkung zweier Nukleonen kann man durch den Austausch eines Mesons veranschaulichen

Das Bohrrsquosche Atommodell S 172Radioaktiver Zerfall S 176Die starke Wechselwirkung S 224

Waumlhrend viele Physiker um 1900 das Atom noch als

eine fundamentale Einheit betrachteten gelangte man

mit den Experimenten von Rutherford im Jahre 1911

zu der Erkenntnis dass ein Atom selbst auch eine

Struktur besitzt und aus einem positiv gela-

denen Kern besteht der von im Vergleich

dazu sehr leichten Elektronen umgeben ist

(Bohrrsquosches Atommodell ) Auch wenn

man relativ einfach einzelne Elektronen

aus dieser Huumllle entfernen oder dazu hin-

zufuumlgen konnte so blieb der Atomkern in

dem rund 9995 der Masse des Atoms

enthalten ist davon unbeein-

flusst Insofern passte diese

Einsicht weiterhin gut mit der

Vorstellung der bdquoUnteilbar-

keitldquo der Atome zusammen

Erst 1917 wies Ernest Ruther-

ford durch weitere Experimente nach dass auch Atom-

kerne veraumlnderbar waren indem er durch Beschuss

mit Alphateilchen (Heliumkernen) Stickstoffkerne in

Sauerstoffkerne umwandelte Dass Atomkerne in der

Tat nicht ganz unveraumlnderlich waren hatte man zwar

schon durch die Entdeckung der Radioaktivitaumlt ( )

einige Jahre zuvor vermutet aber Rutherfords Experi-

mente waren der erste direkte Nachweis

Bei dieser Gelegenheit entdeckte Rutherford auch

dass Atomkerne wiederum eine Substruktur besitzen

und mehrere Protonen enthalten ndash und zwar gerade

so viele wie sich Elektronen in der Huumllle befinden

Im Jahre 1932 entdeckte dann James Chadwick den

zweiten noch fehlenden Baustein in den Atomkernen

das Neutron Diese beiden Nukleonen formen zusam-

men den Atomkern

Doch was genau haumllt Protonen und Neu-

tronen im Kern zusammen Letztere

sind elektrisch neutral die Protonen

aber sind allesamt positiv geladen

sollten sich also abstoszligen Die Ant-

wort liegt in einer weiteren Substruktur

die die sogenannte Kernkraft erzeugt

(nicht zu verwechseln mit der Energie

die in Kernkraftwerken aus z B Uran

gewonnen wird) Diese Kernkraft ist das

Uumlberbleibsel der starken Kraft die zwi-

schen den Bestandteilen der Protonen

und Neutronen ndash den Quarks ndash wirkt

( starke WW )

Atomkerne Seit hundert Jahren bekannt und doch nicht im Ganzen verstanden

175 Atomkerne

Die Luumlcken zwischen den Energieniveaus im Atomkern trennen die einzelnen Schalen voneinander Kerne deren Protonen undoder Neutronenzahl bdquomagischldquo ist (die entsprechenden Schalen also vollkommen gefuumlllt haben) sind besonders stabil

B Povh K Rith C Scholz F Zetsche Teilchen und Kerne Eine Einfuumlhrung in die physikalischen Konzepte Springer Verlag 8 Auflage 2009

Die Kernkraft fuumlhrt letztlich zu einer Anziehung der

farbneutralen Nukleonen untereinander Sie hat nur

eine sehr kurze Reichweite ist allerdings deutlich staumlr-

ker als die abstoszligende elektrische Kraft Daher halten

Atomkerne auch zusammen und fliegen trotz der posi-

tiven Ladungen der Protonen nicht auseinander

Obwohl es heute bereits hinreichend gute mathema-

tische Beschreibungen der Kernkraft gibt ist sie nicht

bis ins letzte Detail verstanden Und so ist die genaue

Struktur der Atomkerne zum Beispiel die Frage wie

sich die einzelnen Nukleonen im Kern zueinander an-

ordnen bis heute nicht vollstaumlndig bekannt Zwar weiszlig

man dass Atomkerne genau wie auch die Elektronen

in der Huumllle diskrete Energieniveaus haben sodass sie

zu ndash im Vergleich zu diesen etwa 1000 bis 10 000 Mal

energiereicheren ndash Quantenspruumlngen angeregt werden

koumlnnen Aber die exakte Berechnung dieser Energieni-

veaus gestaltet sich sehr schwierig denn der Kern als

Ganzes ist ein sehr komplexes System aus stark mitei-

nander wechselwirkenden Einzelteilen So gibt es zwar

verschiedenen vereinfachende Modelle die jeweils ge-

wisse Aspekte der Kerne gut erklaumlren aber keines ist

vollstaumlndig und beschreibt den Kern in seiner Gaumlnze

In dem sogenannten Troumlpfchenmodell zum Beispiel

wird angenommen dass sich die Nukleonen im Kern

wie eine tropfenfoumlrmige positiv geladenen Fluumlssigkeit

verhalten Obwohl dieses Modell erst einmal sehr naiv

anmutet kann man mit seiner Hilfe recht genau be-

rechnen welche Atomkerne stabil und welche instabil

also radioaktiv sind

Im Schalenmodell hingegen wird angenommen dass

sich die Protonen und Neutronen genau wie auch die

Elektronen der Huumllle auf Schalen anordnen Ein Kern

nimmt dabei Energie auf indem ein Nukleon von einer

niedrigeren Schale in eine noch nicht vollstaumlndig gefuumlll-

te houmlhere Schale uumlbergeht Obwohl dieses Modell auch

mit starken Vereinfachungen arbeitet (im Gegensatz zu

den Elektronen spuumlren die Nukleonen ja kein gelade-

nes Zentrum um das sie sich herum anordnen muumlss-

ten) lassen sich hieraus in einigen Faumlllen passable Wer-

te fuumlr die Bindungsenergien und die Energieniveaus im

Kern berechnen

176 6 Atome und Quantenmechanik

Beim α-Zerfall sendet der Kern einen Heli-umkern (α-Teilchen) aus

Beim βminus-Zerfall wandelt sich im Kern ein Neutron in ein Proton ein Antineutrino und ein Elektron um wobei die letzteren beiden den Kern als Strahlung verlassen

Beim γ-Zerfall geht der Kern von einem angeregten in einen stabilen Zustand uumlber ndash die uumlberschuumlssige Energie wird in Form eines hochenergetischen Photons abgegeben

Atomkerne S 174Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182

Obwohl sich das Wort bdquoAtomldquo vom griechischen

ἄτομος (bdquodas Unteilbareldquo) ableitet kann man Atome

ndash mit dem entsprechenden Aufwand ndash in ihre Bestand-

teile zerlegen oder ineinander umwandeln Einige Ato-

me sind dazu jedoch auch von allein in der Lage Ende

des 19 Jahrhunderts entdeckte man Elemente wie

Uran oder Thorium die von sich aus eine ionisierende

Strahlung abgeben Noch bevor Rutherford die Exis-

tenz der Atomkerne explizit nachweisen konnte stellte

er daher bereits die Hypothese auf dass diese radio-

aktive Strahlung wie Marie Curie sie getauft hatte

durch die Umwandlung einer Atomsorte in eine andere

verursacht wird

Heute wissen wir dass radioaktive Strahlung entsteht

wenn ein instabiler Atomkern ( ) in einen stabileren

Zustand uumlbergeht Da die Menge des urspruumlnglichen

Stoffes bei diesem Prozess abnimmt spricht man hier-

bei auch von radioaktivem Zerfall Es gibt im Wesent-

lichen drei Arten radioaktiver Strahlung entsprechend

der drei verschiedenen Arten auf die ein Atomkern

spontan zerfallen kann

Der so genannte α-Zerfall tritt bei Atomkernen auf

die sehr schwer sind und eine groszlige Anzahl an Pro-

tonen besitzen Diese positiv geladenen Protonen im

Kern muumlssten sich eigentlich abstoszligen werden jedoch

von der kurzreichweitigen Kernkraft zusammenge-

halten die um einiges staumlrker ist als die abstoszligende

elektrische Kraft wobei Letztere jedoch eine deut-

lich houmlhere Reichweite hat Da durch die Effekte der

Quantenmechanik ( ) die Nukleonen im Kern keinen

festen Ort haben sondern uumlber einen gewissen Auf-

enthaltsbereich verschmiert sind gibt es eine gewisse

Wahrscheinlichkeit dass sich zwei Protonen und zwei

Neutronen ndash eine in sich sehr stabile Kombination

entsprechend einem Heliumkern auch α-Teilchen

genannt ndash so weit vom Rest der Kernteilchen entfer-

nen dass sie die anziehende Kernkraft nicht mehr stark

genug spuumlren sondern hauptsaumlchlich die abstoszligende

elektrische Kraft Das α-Teilchen durchtunnelt dadurch

die Potentialbarriere des Kerns und wird mit einer Ge-

schwindigkeit von einigen Prozent der Lichtgeschwin-

digkeit aus dem Kern ausgestoszligen ( Tunneleffekt )

Radioaktiver Zerfall Atomkerne aus dem Gleichgewicht

177 Radioaktiver Zerfall

Halbwertszeiten der bekannten Isotope Jedes Quadrat entspricht einem Kern mit Z Protonen und N Nukleonen (Protonen und Neu-tronen)

W Stolz Radioaktivitaumlt Grundlagen ndash Messung ndash Anwendungen Teubner 5 Aufl 2005H Krieger Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes Vieweg+Teubner 2007K Bethge Kernphysik Springer Verlag 1996

hen Dichte haumllt Blei dabei die γ-Strahlen am effektivs-

ten auf es werden jedoch je nach Strahlungsenergie

einige Millimeter bis Zentimeter fuumlr eine vollstaumlndige

Abschirmung benoumltigt Dies macht gerade Letztere fuumlr

Lebewesen besonders gefaumlhrlich denn tief in Gewebe

eindringende Strahlung kann nicht nur Verbrennungen

an der Hautoberflaumlche sondern auch Mutationen in

den Zellen und der DNA verursachen

Der β-Zerfall wiederum tritt in Kernen mit einem un-

guumlnstigen Verhaumlltnis zwischen Protonen und Neutro-

nen auf Hat ein Kern einen deutlichen Uumlberschuss an

Neutronen so kann sich eines davon durch die schwa-

che Wechselwirkung spontan in ein Proton ein Elekt-

ron und ein Antielektronneutrino umwandeln Wenn

dies geschieht dann verbleibt das Proton im Kern und

Neutrino und Elektron werden abgestrahlt Diese ne-

gativ geladenen Elektronen werden dabei als β minus-Strah-

lung bezeichnet

Die Regeln der schwachen Wechselwirkung lassen al-

lerdings auch den (etwas selteneren) spiegelbildlichen

Prozess zu In Kernen mit einem Uumlberschuss an Pro-

tonen kann sich eines in ein Neutron ein Antielektron

und ein Elektronneutrino umwandeln Das hierbei

ausgesendete positiv geladene Antielektron ( Positron)

bezeichnet man dabei als β +-Strahlung

Der γ-Zerfall schlieszliglich bezeichnet den Uumlbergang

eines Atomkerns von einem angeregten Zustand in

einen stabileren Zustand mit niedrigerer Energie Die

uumlberschuumlssige Energie wird in Form von energiereichen

Photonen abgestrahlt die man auch als γ-Quanten be-

zeichnet Weil angeregte Atomkerne meist eine Folge-

erscheinung von Kernspaltungen oder anderen voran-

gegangenen Zerfaumlllen sind tritt γ-Strahlung meist in

Begleitung von anderen radioaktiven Vorgaumlngen auf

Die Unterteilung in α β und γ bezieht sich auf die

Eindringtiefe der jeweiligen Strahlung in feste Materie

Waumlhrend α-Strahlung bereits nach fuumlnf Zentimetern

durch die Luft oder durch ein einfaches Blatt Papier

aufgehalten werden kann benoumltigt man bei β-Strahlung

bereits eine duumlnne Metallplatte γ-Strahlung hingegen

kann sehr tief in Materie eindringen Wegen seiner ho-

178 6 Atome und Quantenmechanik

Photoeffekt

Wellenlaumlngen und zugehoumlri-ge Photon-Energien fuumlr das sichtbare Lichtspektrum

Bild in der Mitte (Briefmarke) mit freundlicher Genehmigung von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityR P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Wellen und Teilchen haumlngen in der Quantenmechanik

eng miteinander zusammen So ist Licht einerseits eine

elektromagnetische Welle wie Interferenzexperimen-

te zeigen bei denen Lichtwellenberge auf -berge oder

-taumller treffen und sich verstaumlrken oder ausloumlschen An-

dererseits kann Licht beim sogenannten Photoeffekt

einzelne Elektronen aus einer Metalloberflaumlche he-

rausschlagen wobei dies mit umso groumlszligerer Wucht

geschieht je kuumlrzer die Lichtwellenlaumlnge ist ndash ein Ver-

halten das sich nur durch den Teilchencharakter des

Lichtes verstehen laumlsst

Licht besteht also aus

einem Strom einzelner

Teilchen (sogenannter

Photonen) welche die

Elektronen aus der Ober-

flaumlche herausstoszligen

Fuumlr die genaue Ausarbei-

tung dieser Erkenntnis

erhielt Albert Einstein im

Jahr 1921 den Nobelpreis

fuumlr Physik ndash er hatte sie be-

reits im Jahr 1905 in seiner

Doktorarbeit formuliert

Frequenz f und Wellenlaumlnge λ der elektromagnetischen

Lichtwelle legen dabei die Energie E und den Impuls p

der Photonen fest

E = h∙f und λ = hp

Hier ist h = 6626 ∙ 10ndash34 J∙s eine Naturkonstante deren

Wert im Experiment bestimmt werden muss Sie heiszligt

Planckrsquosches Wirkungsquantum und verknuumlpft Teil-

chen- mit Welleneigenschaften

So wie Photonen mit Lichtwellen zusammenhaumlngen

so haumlngen auch beispielsweise Elektronen mit Elektro-

nenwellen zusammen und zwar nach genau denselben

Formeln wie bei den Photonen und auch allen anderen

Teilchen Wenn man beispielsweise einen Elektronen-

strahl durch einen sehr feinen Doppelspalt schickt so

findet man auf einer Flaumlche dahinter ein Interferenz-

muster aus Streifen mit vielen und mit wenigen Elekt-

ronentreffern ganz analog zum Intensitaumltsmuster von

Laserlicht hinter einem solchen Doppelspalt

Offenbar muss man den Durchgang der Elektronen

durch den Doppelspalt wie bei Licht durch eine Wel-

le beschreiben wobei eine hohe Wellenintensitaumlt einer

hohen Wahrscheinlichkeit entspricht ein Elektron an-

zutreffen

Welle-Teilchen-Dualismus Teilchen bewegen sich in Wellen

179 Welle-Teilchen-Dualismus

Das Buckminster-Fulleren C60

Reales Doppelspaltexperiment mit 11 (a) 200 (b) 6000 (c) 40 000 (d) und 140 000 (e) Elektronen

Doppelspaltexperiment mit Elektronen Interferenz von Wellen hinter einem Doppelspalt

Wellenfunktion S 180J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Im Experiment kann man naumlmlich beobachten wie auf der Flaumlche hinter

dem Doppelspalt nach und nach immer mehr einzelne Elektronen wie

zufaumlllig an verschiedenen Stellen auftreffen wobei sich schlieszliglich das

streifenfoumlrmige Interferenzmuster herausbildet

Teilchenbahnen gibt es dabei nicht mehr Alles was die Quantenmecha-

nik tun kann ist die Auftreffwahrscheinlichkeiten fuumlr die Elektronen zu

berechnen Der Ort eines einzelnen Elektrons ist dagegen in der Natur

grundsaumltzlich nicht festgelegt d h der Wahrscheinlichkeitscharakter der

Quantenmechanik ist grundsaumltzlicher Natur und hat nichts mit unge-

nauen Messungen zu tun (siehe Wellenfunktion )

Mittlerweile konnten Interferenzmuster

auch beispielsweise fuumlr Fullerenmolekuumlle

nachgewiesen werden die immerhin aus

60 Kohlenstoffatomen bestehen (Anton

Zeilinger 1999) Auch fuumlr sie gilt also der

Welle-Teilchen-Dualismus

180 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Wellenfunktion die senkrecht zu ihrer Flugrichtung im Ort be-schraumlnkt wird (z B indem man sie durch einen engen Spalt schickt) erhaumllt dadurch eine groszlige Impulsunschaumlrfe in dieselbe Richtung wodurch sie sich ausbreitet

Zwei Schwingungszustaumlnde der Wel-lenfunktion eines Elektrons im Wasser-stoffatom Die Farbe gibt die ortsabhaumln-gige Phase der Wellenfunktion an

Bild rechts oben und links mit freundlicher Genehmigung von Bernd Thaller Universitaumlt von Graz Institut fuumlr Mathematik und Wissenschaftliches RechnenB Thaller Visual Quantum Mechanics httpvqmuni-grazatindexhtml Galerie mit Darstellungen von Wellenfunktionen

Anfang des 20 Jahrhunderts haumluften sich die Hinweise dass die Materie aus

kleinen Bausteinen Elementarteilchen genannt aufgebaut ist Zuerst nahm

man an dass die Elementarteilchen kleinen Kugeln aumlhnelten die sich aumlhn-

lich wie alle Objekte unserer Erfahrungswelt auf Flugbahnen bewegen kol-

lidieren und voneinander abprallen Als man aber begann experimentell

tiefer in die Bereiche des Mikrokosmos vorzudringen wurde schnell

klar dass Elementarteilchen ganz anderen Gesetzen folgen als sagen

wir einmal Murmeln oder Steine

Eine Murmel kann man (zumindest im Prinzip) zu

jedem Zeitpunkt vollstaumlndig durch einige wenige Zahlen beschreiben

zum Beispiel Ort und Geschwindigkeit Drehimpuls etc Bei Elementar-

teilchen ist dies nicht mehr moumlglich stattdessen beschreibt man sie durch

ein raumlumlich ausgedehntes Feld Die Bewegungsgleichungen fuumlr dieses

Feld aumlhneln denen von (zum Beispiel elektromagnetischen) Wellen wes-

wegen das Feld Wellenfunktion genannt wird

Durch die Wellennatur der Teilchen gehen

jedoch typische Teilcheneigenschaften verloren

Man kann uumlber die physikalischen Groumlszligen die ein klassisches Teil-

chen beschreiben wuumlrden nur noch statistische Aussagen treffen

Auszligerdem sind gewisse Groumlszligen wie zum Beispiel Ort und Ge-

schwindigkeit des Teilchens zueinander komplementaumlr

Wellenfunktion Verschmierte Teilchen

181 Wellenfunktion

Der Franck-Hertz-Versuch S 184A Zeilinger Einsteins Schleier Die neue Welt der Quantenphysik Goldmann 2003

Die Komplementaritaumlt von Ort und Impuls

Die Komplementaritaumlt von Messgroumlszligen wie Ort und Ge-

schwindigkeit ist nicht wie oft behauptet eine Folge

von ungenauen Messungen sondern eine fun-

damentale Eigenschaft der Wellenfunktionen

An den Stellen an denen das Betragsquadrat

der Wellenfunktion groszlig ist besteht eine hohe

Wahrscheinlichkeit das Elementarteilchen anzutreffen

wenn man danach sucht Die Geschwindigkeit des Teilchens hin-

gegen ist mit der Wellenlaumlnge der Welle verknuumlpft

Um nun einer Welle eine genaue Wellenlaumlnge zuzuordnen muss

sie uumlber einen groszligen Bereich ausgebreitet sein Eine genau be-

stimmte Geschwindigkeit fuumlhrt so zu einem sehr unbestimmten

Ort

Je staumlrker hingegen die Welle an einem Ort kon-

zentriert ist desto weniger genau kann man ihr

eine Wellenlaumlnge zuschreiben weswegen ein

genau bestimmter Ort zu einer sehr ungenau be-

stimmten Geschwindigkeit fuumlhrt

Das bedeutet Je genauer der Ort des Teilchens be-

kannt ist desto ungenauer ist seine Geschwindigkeit

bestimmt und umgekehrt

Die Welleneigenschaften der kleinsten Bausteine wer-

den ganz besonders bei den Elektronen deutlich die

sich in einem Atom befinden Anders als die haumlufig

benutzte Analogie zum Sonnensystem vermuten laumlsst

umkreisen Elektronen den Atomkern nicht denn da-

fuumlr muumlssten sie gleichzeitig einen scharf definierten Ort

und eine scharfe Geschwindigkeit besitzen Stattdessen

kann man sich die Wellenfunktion des Elektrons als

dreidimensionale stehende Welle vorstellen Ebenso

wie bei einer schwingenden Instrumenten-Saite gibt es

im Atom nur bestimmte bdquoerlaubteldquo Schwingungsmo-

den der Wellenfunktion Deswegen sind fuumlr das Elek-

tron im Atom nur bestimmte Energieniveaus erlaubt

zwischen denen es jedoch per bdquo Quantensprungldquo hin-

und herwechseln kann wenn es z B durch einen Licht-

strahl dazu angeregt wird (Franck-Hertz-Versuch )

182 6 Atome und Quantenmechanik

Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt

Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen

Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral

fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-

tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt

besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich

zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-

stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf

einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige

Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-

keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es

den Raumbereich einfach nicht betreten

Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das

Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-

ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr

sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei

werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt

ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash

ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt

die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-

tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst

ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel

am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der

Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von

Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-

berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern

auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-

federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann

man mit dem Konzept des Potentials begreifen

Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der

Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-

sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-

teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte

nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter

Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als

uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )

die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens

angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-

mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-

tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an

einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je

houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in

einem Tal als auf einem Bergldquo

Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-

lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der

klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-

Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis

183 Der Tunneleffekt

Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert

Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html

tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch

waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch

verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit

das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie

ist nicht exakt null

Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-

nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-

hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-

tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit

geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf

es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen

nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-

den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber

den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je

houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den

beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-

lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein

mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-

botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch

den Berg ins naumlchste Tal gelangen

Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-

waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-

nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-

lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum

Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um

so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der

Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie

deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-

steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln

Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und

klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer

Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle

nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die

Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-

det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt

die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich

ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen

durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis

ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng

genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr

hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-

schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne

sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es

ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon

eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-

versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-

scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische

Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum

vorkommt

184 6 Atome und Quantenmechanik

Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben

Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)

Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178

Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-

perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-

drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock

Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich

ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-

tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben

Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-

aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und

hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-

nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James

Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-

ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige

Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann

sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige

den sogenannten Quanten

Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und

Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum

zwischen einer negativ geladenen

Gluumlhkathode und einer positiven

Anode ausfuumlllt An der Kathode

treten staumlndig Elektronen aus die

wegen der angelegten Spannung

in Richtung der Anode beschleu-

nigt werden Auf ihrem Weg da-

hin durchqueren die Elektronen

das Gas und stoszligen dabei staumln-

dig mit den Quecksilberatomen

zusammen An der Anode misst

man durch die Gegenspannungs-

methode die Geschwindigkeit der

ankommenden Elektronen So kann man beobachten

um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-

men verlangsamt werden

Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches

fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-

lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode

zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur

elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei

nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-

nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die

an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast

voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man

auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann

kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu

leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-

den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich

schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die

Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet

Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen

185 Der Franck-Hertz-Versuch

Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu

Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden

Schichten ihre Energie

Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen

Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-

der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende

Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter

man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten

entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-

ben

Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur

in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-

sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen

sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein

Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von

Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann

diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf

das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen

Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe

und wird dann von der angelegten Spannung wieder

aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine

Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt

es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein

Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat

Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man

also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben

Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-

tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-

gie ist dabei von Element zu Element verschieden und

muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-

ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-

huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies

mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur

Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden

war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung

der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch

bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-

niveaus in Atomen

Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-

rigens nicht lange sondern geben sie in Form von

Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die

Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von

47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau

dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-

roumlhre als Leuchten erkennen kann

186 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

Magnetfeld

Rota

tions

achs

e

Praumlzession

magnetischeKraft

Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-

chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein

halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten

Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen

muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-

zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen

Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der

Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach

seine Eigenschaften zu verstehen

Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden

Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin

eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der

Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-

gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon

Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen

und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur

Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen

Spin besitzen

Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-

allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-

nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist

so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen

magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-

netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem

senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese

insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der

Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach

oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher

Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-

feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen

die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was

aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer

Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt

(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen

Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-

nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach

dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld

unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt

Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach

diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-

nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12

aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld

schlugen sich die Silberatome nieder

Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln

187 Der Spin eines Teilchens

Spinrichtung

θ = 0deg

θ = 45deg

θ = 90deg

θ = 135deg

θ = 180deg

θ

N

S

Silberatomstrahl

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter

Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend

einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-

tationsachsen

Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-

berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-

lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das

Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die

Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel

dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in

oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild

der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-

vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens

Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-

sche Beschreibung des Spins aus Angenommen

der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die

um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist

In einem parallel zum Spin ausgerichteten

inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen

also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt

sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht

orientierten inhomogenen Magnetfeld Es

wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2

nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit

sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik

durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)

d h der Spin ist nach der Messung mit die-

sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach

oben oder nach unten orientiert Und das ist

auch schon im Wesentlichen alles was gesagt

werden kann denn die Quantenmechanik

kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen

sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen

bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der

Begriff der klassischen Rotationsachse in der

Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche

Ungleichung )

188 6 Atome und Quantenmechanik

-2-1 0 1 2 3

-3-2

-1 0

1 2

3

-1-08-06-04-02

0 02 04 06 08

1

x

y

f(xy)

Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der

Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische

Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem

Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-

scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an

einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches

man angetroffen hat

In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit

ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes

Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das

Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man

auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude

oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )

bezeichnet (genau genommen ist f(xy)

eine komplexe Zahl doch das ist hier

nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-

ronen ununterscheidbar sind darf sich

diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern

wenn wir die beiden Elektronen mitei-

nander vertauschen also das erste Elek-

tron am Ort y und das zweite Elektron

am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2

= |f(yx)|2 sein

Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)

selbst kann beim Vertauschen entweder

ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie

wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-

zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt

f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)

Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt

der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-

ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise

Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische

Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten

Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-

tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen

Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin

zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-

gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip

Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-

trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude

Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden

189 Das Pauli-Prinzip

1s

2s

2p

3s

3p

3d

18

Ener

gie

n=1

n=2

n=3

8

2

3dxsup2-ysup2

3pz 3px 3py

3s

2pz

2s

1s

3dxz 3dxy

2py

3dz2 3dyz

2px

Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)

Bosonen Fermionen

810 nK

510 nK

240 nK

Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom

Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2

Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich

zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-

nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich

f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man

in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen

mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht

am selben Ort aufhalten

Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen

derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht

denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man

beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts

Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit

ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-

mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)

groumlszligere Abstaumlnde beibehalten

Das Pauli-Prinzip stellt si-

cher dass sich in der Elek-

tronenhuumllle der Atome

eine stabile Schalenstruk-

tur ausbildet Jeder moumlgli-

che Schwingungszustand der Wellenfunktion

kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-

den die entgegengesetzte Spinausrichtung

aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-

nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige

Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken

ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip

Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-

ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es

wird durch ein subtiles Zusammenspiel von

Quantenmechanik und spezieller Relativi-

taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief

in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler

der modernen Physik begruumlndet

190 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

N

S

Magnet A

Teilchenquelle

Magnet B

Der Spin eines Teilchens S 186

In der klassischen Physik sind wir es normalerweise

gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige

Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit

diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch

Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-

spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen

haben

Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden

und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig

d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen

Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur

unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er

gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-

tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-

dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz

EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die

uumlberarbeitete Version von David Bohm)

Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-

len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen

ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-

gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst

man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht

orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird

immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein

Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-

den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash

welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist

nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall

Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-

ander verhalten werden

Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-

den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte

Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder

Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-

gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann

das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim

Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine

Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide

Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-

der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten

laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat

der Zufall Spin up entschiedenldquo

koumlnnte sich aber maximal mit

Lichtgeschwindigkeit ausbrei-

ten

Einstein Po-

dolsky und Rosen

sprachen daher von einer

bdquospukhaften Fernwirkungldquo und

folgerten dass jedes der beiden Teil-

chen doch eine verborgene lokale Eigen-

schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse

besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits

im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten

waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-

saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet

Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-

cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie

die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig

191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung

S

S

N

N

Magnet AKippwinkel 45deg

Magnet BKippwinkel 0deg

Gruppe 1(0darr 45uarr)

Teilchenquelle

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90degGruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3

0deg 45deg 90deg

J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und

ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-

rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr

1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich

diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein

Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand

gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-

nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-

rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide

Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt

werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-

gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg

Wenn die Teilchen nun doch eine

lokale innere Eigenschaft besaumlszligen

die ihr Verhalten im Magnetfeld

von vornherein festlegte so wird

es beispielsweise einige darunter

geben die bei 0deg zum Suumldpol bei

45deg zum Nordpol und bei 90deg

ebenfalls zum Nordpol abgelenkt

wuumlrden sodass wir sie mit (0

45 90 ) kennzeichnen koumln-

nen Die zugehoumlrigen Part-

nerteilchen wuumlrden sich

dabei genau entgegenge-

setzt verhalten

Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-

chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde

beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten

zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen

im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol

abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45

verhaumllt

Analog bilden wir Grup-

pe 2 als alle die Teilchen-

paare bei denen ein Teil-

chen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 45

sowie 90 besitzt sowie

Gruppe 3 als alle die Teil-

chenpaare bei denen ein

Teilchen zugleich die bei-

den Kennzeichnungen 0

sowie 90 besitzt

Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare

von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also

muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-

wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten

zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-

send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)

Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-

scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt

sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-

scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-

men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche

Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung

vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen

uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere

Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky

und Rosen wurden widerlegt

Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass

die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung

erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-

greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt

egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze

ist mehr als die Summe seiner Teile

192 6 Atome und Quantenmechanik

Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie

Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012

Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-

orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische

Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-

theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik

jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich

zufriedenstellend beantwortet sind

Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur

grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-

lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-

lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische

Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-

wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-

scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen

instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise

Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also

durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus

dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-

ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der

sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927

u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-

beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber

welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder

dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-

on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-

ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft

die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)

sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-

lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten

Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei

nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da

es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird

Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten

193 Die Interpretation der Quantenmechanik

Tritium

Wellenfunktion = +

Helium-3

ElektronAntineutrino

Detektormisst

Zerfall

makroskopische Realitaumlt

Gift

oder

Gift

Tritiumintakt

Tritiumzerfallen

Wellenfunktion =

+

Dekohaumlrenz

makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2

Gift Gift

Tritium Helium-3

ElektronAntineutrino

Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24

Doch wann genau findet eine solche Messung statt

Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin

Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches

Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem

zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die

zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste

eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet

dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-

tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit

Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers

Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-

digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der

erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-

schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der

quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die

klassische Realitaumlt der Katze

Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-

chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute

tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-

zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-

tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-

elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man

den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in

den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die

sogenannte Viele-Welten-Interpretation

Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom

weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-

same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-

tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie

bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze

jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-

vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in

Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur

sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-

de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung

mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-

abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts

mehr voneinander sodass man sie als verschiedene

Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-

der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der

Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht

In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion

des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-

ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten

verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation

zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-

lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt

im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung

des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung

zwischen Mikro- und Makrokosmos

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 6: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

175 Atomkerne

Die Luumlcken zwischen den Energieniveaus im Atomkern trennen die einzelnen Schalen voneinander Kerne deren Protonen undoder Neutronenzahl bdquomagischldquo ist (die entsprechenden Schalen also vollkommen gefuumlllt haben) sind besonders stabil

B Povh K Rith C Scholz F Zetsche Teilchen und Kerne Eine Einfuumlhrung in die physikalischen Konzepte Springer Verlag 8 Auflage 2009

Die Kernkraft fuumlhrt letztlich zu einer Anziehung der

farbneutralen Nukleonen untereinander Sie hat nur

eine sehr kurze Reichweite ist allerdings deutlich staumlr-

ker als die abstoszligende elektrische Kraft Daher halten

Atomkerne auch zusammen und fliegen trotz der posi-

tiven Ladungen der Protonen nicht auseinander

Obwohl es heute bereits hinreichend gute mathema-

tische Beschreibungen der Kernkraft gibt ist sie nicht

bis ins letzte Detail verstanden Und so ist die genaue

Struktur der Atomkerne zum Beispiel die Frage wie

sich die einzelnen Nukleonen im Kern zueinander an-

ordnen bis heute nicht vollstaumlndig bekannt Zwar weiszlig

man dass Atomkerne genau wie auch die Elektronen

in der Huumllle diskrete Energieniveaus haben sodass sie

zu ndash im Vergleich zu diesen etwa 1000 bis 10 000 Mal

energiereicheren ndash Quantenspruumlngen angeregt werden

koumlnnen Aber die exakte Berechnung dieser Energieni-

veaus gestaltet sich sehr schwierig denn der Kern als

Ganzes ist ein sehr komplexes System aus stark mitei-

nander wechselwirkenden Einzelteilen So gibt es zwar

verschiedenen vereinfachende Modelle die jeweils ge-

wisse Aspekte der Kerne gut erklaumlren aber keines ist

vollstaumlndig und beschreibt den Kern in seiner Gaumlnze

In dem sogenannten Troumlpfchenmodell zum Beispiel

wird angenommen dass sich die Nukleonen im Kern

wie eine tropfenfoumlrmige positiv geladenen Fluumlssigkeit

verhalten Obwohl dieses Modell erst einmal sehr naiv

anmutet kann man mit seiner Hilfe recht genau be-

rechnen welche Atomkerne stabil und welche instabil

also radioaktiv sind

Im Schalenmodell hingegen wird angenommen dass

sich die Protonen und Neutronen genau wie auch die

Elektronen der Huumllle auf Schalen anordnen Ein Kern

nimmt dabei Energie auf indem ein Nukleon von einer

niedrigeren Schale in eine noch nicht vollstaumlndig gefuumlll-

te houmlhere Schale uumlbergeht Obwohl dieses Modell auch

mit starken Vereinfachungen arbeitet (im Gegensatz zu

den Elektronen spuumlren die Nukleonen ja kein gelade-

nes Zentrum um das sie sich herum anordnen muumlss-

ten) lassen sich hieraus in einigen Faumlllen passable Wer-

te fuumlr die Bindungsenergien und die Energieniveaus im

Kern berechnen

176 6 Atome und Quantenmechanik

Beim α-Zerfall sendet der Kern einen Heli-umkern (α-Teilchen) aus

Beim βminus-Zerfall wandelt sich im Kern ein Neutron in ein Proton ein Antineutrino und ein Elektron um wobei die letzteren beiden den Kern als Strahlung verlassen

Beim γ-Zerfall geht der Kern von einem angeregten in einen stabilen Zustand uumlber ndash die uumlberschuumlssige Energie wird in Form eines hochenergetischen Photons abgegeben

Atomkerne S 174Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182

Obwohl sich das Wort bdquoAtomldquo vom griechischen

ἄτομος (bdquodas Unteilbareldquo) ableitet kann man Atome

ndash mit dem entsprechenden Aufwand ndash in ihre Bestand-

teile zerlegen oder ineinander umwandeln Einige Ato-

me sind dazu jedoch auch von allein in der Lage Ende

des 19 Jahrhunderts entdeckte man Elemente wie

Uran oder Thorium die von sich aus eine ionisierende

Strahlung abgeben Noch bevor Rutherford die Exis-

tenz der Atomkerne explizit nachweisen konnte stellte

er daher bereits die Hypothese auf dass diese radio-

aktive Strahlung wie Marie Curie sie getauft hatte

durch die Umwandlung einer Atomsorte in eine andere

verursacht wird

Heute wissen wir dass radioaktive Strahlung entsteht

wenn ein instabiler Atomkern ( ) in einen stabileren

Zustand uumlbergeht Da die Menge des urspruumlnglichen

Stoffes bei diesem Prozess abnimmt spricht man hier-

bei auch von radioaktivem Zerfall Es gibt im Wesent-

lichen drei Arten radioaktiver Strahlung entsprechend

der drei verschiedenen Arten auf die ein Atomkern

spontan zerfallen kann

Der so genannte α-Zerfall tritt bei Atomkernen auf

die sehr schwer sind und eine groszlige Anzahl an Pro-

tonen besitzen Diese positiv geladenen Protonen im

Kern muumlssten sich eigentlich abstoszligen werden jedoch

von der kurzreichweitigen Kernkraft zusammenge-

halten die um einiges staumlrker ist als die abstoszligende

elektrische Kraft wobei Letztere jedoch eine deut-

lich houmlhere Reichweite hat Da durch die Effekte der

Quantenmechanik ( ) die Nukleonen im Kern keinen

festen Ort haben sondern uumlber einen gewissen Auf-

enthaltsbereich verschmiert sind gibt es eine gewisse

Wahrscheinlichkeit dass sich zwei Protonen und zwei

Neutronen ndash eine in sich sehr stabile Kombination

entsprechend einem Heliumkern auch α-Teilchen

genannt ndash so weit vom Rest der Kernteilchen entfer-

nen dass sie die anziehende Kernkraft nicht mehr stark

genug spuumlren sondern hauptsaumlchlich die abstoszligende

elektrische Kraft Das α-Teilchen durchtunnelt dadurch

die Potentialbarriere des Kerns und wird mit einer Ge-

schwindigkeit von einigen Prozent der Lichtgeschwin-

digkeit aus dem Kern ausgestoszligen ( Tunneleffekt )

Radioaktiver Zerfall Atomkerne aus dem Gleichgewicht

177 Radioaktiver Zerfall

Halbwertszeiten der bekannten Isotope Jedes Quadrat entspricht einem Kern mit Z Protonen und N Nukleonen (Protonen und Neu-tronen)

W Stolz Radioaktivitaumlt Grundlagen ndash Messung ndash Anwendungen Teubner 5 Aufl 2005H Krieger Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes Vieweg+Teubner 2007K Bethge Kernphysik Springer Verlag 1996

hen Dichte haumllt Blei dabei die γ-Strahlen am effektivs-

ten auf es werden jedoch je nach Strahlungsenergie

einige Millimeter bis Zentimeter fuumlr eine vollstaumlndige

Abschirmung benoumltigt Dies macht gerade Letztere fuumlr

Lebewesen besonders gefaumlhrlich denn tief in Gewebe

eindringende Strahlung kann nicht nur Verbrennungen

an der Hautoberflaumlche sondern auch Mutationen in

den Zellen und der DNA verursachen

Der β-Zerfall wiederum tritt in Kernen mit einem un-

guumlnstigen Verhaumlltnis zwischen Protonen und Neutro-

nen auf Hat ein Kern einen deutlichen Uumlberschuss an

Neutronen so kann sich eines davon durch die schwa-

che Wechselwirkung spontan in ein Proton ein Elekt-

ron und ein Antielektronneutrino umwandeln Wenn

dies geschieht dann verbleibt das Proton im Kern und

Neutrino und Elektron werden abgestrahlt Diese ne-

gativ geladenen Elektronen werden dabei als β minus-Strah-

lung bezeichnet

Die Regeln der schwachen Wechselwirkung lassen al-

lerdings auch den (etwas selteneren) spiegelbildlichen

Prozess zu In Kernen mit einem Uumlberschuss an Pro-

tonen kann sich eines in ein Neutron ein Antielektron

und ein Elektronneutrino umwandeln Das hierbei

ausgesendete positiv geladene Antielektron ( Positron)

bezeichnet man dabei als β +-Strahlung

Der γ-Zerfall schlieszliglich bezeichnet den Uumlbergang

eines Atomkerns von einem angeregten Zustand in

einen stabileren Zustand mit niedrigerer Energie Die

uumlberschuumlssige Energie wird in Form von energiereichen

Photonen abgestrahlt die man auch als γ-Quanten be-

zeichnet Weil angeregte Atomkerne meist eine Folge-

erscheinung von Kernspaltungen oder anderen voran-

gegangenen Zerfaumlllen sind tritt γ-Strahlung meist in

Begleitung von anderen radioaktiven Vorgaumlngen auf

Die Unterteilung in α β und γ bezieht sich auf die

Eindringtiefe der jeweiligen Strahlung in feste Materie

Waumlhrend α-Strahlung bereits nach fuumlnf Zentimetern

durch die Luft oder durch ein einfaches Blatt Papier

aufgehalten werden kann benoumltigt man bei β-Strahlung

bereits eine duumlnne Metallplatte γ-Strahlung hingegen

kann sehr tief in Materie eindringen Wegen seiner ho-

178 6 Atome und Quantenmechanik

Photoeffekt

Wellenlaumlngen und zugehoumlri-ge Photon-Energien fuumlr das sichtbare Lichtspektrum

Bild in der Mitte (Briefmarke) mit freundlicher Genehmigung von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityR P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Wellen und Teilchen haumlngen in der Quantenmechanik

eng miteinander zusammen So ist Licht einerseits eine

elektromagnetische Welle wie Interferenzexperimen-

te zeigen bei denen Lichtwellenberge auf -berge oder

-taumller treffen und sich verstaumlrken oder ausloumlschen An-

dererseits kann Licht beim sogenannten Photoeffekt

einzelne Elektronen aus einer Metalloberflaumlche he-

rausschlagen wobei dies mit umso groumlszligerer Wucht

geschieht je kuumlrzer die Lichtwellenlaumlnge ist ndash ein Ver-

halten das sich nur durch den Teilchencharakter des

Lichtes verstehen laumlsst

Licht besteht also aus

einem Strom einzelner

Teilchen (sogenannter

Photonen) welche die

Elektronen aus der Ober-

flaumlche herausstoszligen

Fuumlr die genaue Ausarbei-

tung dieser Erkenntnis

erhielt Albert Einstein im

Jahr 1921 den Nobelpreis

fuumlr Physik ndash er hatte sie be-

reits im Jahr 1905 in seiner

Doktorarbeit formuliert

Frequenz f und Wellenlaumlnge λ der elektromagnetischen

Lichtwelle legen dabei die Energie E und den Impuls p

der Photonen fest

E = h∙f und λ = hp

Hier ist h = 6626 ∙ 10ndash34 J∙s eine Naturkonstante deren

Wert im Experiment bestimmt werden muss Sie heiszligt

Planckrsquosches Wirkungsquantum und verknuumlpft Teil-

chen- mit Welleneigenschaften

So wie Photonen mit Lichtwellen zusammenhaumlngen

so haumlngen auch beispielsweise Elektronen mit Elektro-

nenwellen zusammen und zwar nach genau denselben

Formeln wie bei den Photonen und auch allen anderen

Teilchen Wenn man beispielsweise einen Elektronen-

strahl durch einen sehr feinen Doppelspalt schickt so

findet man auf einer Flaumlche dahinter ein Interferenz-

muster aus Streifen mit vielen und mit wenigen Elekt-

ronentreffern ganz analog zum Intensitaumltsmuster von

Laserlicht hinter einem solchen Doppelspalt

Offenbar muss man den Durchgang der Elektronen

durch den Doppelspalt wie bei Licht durch eine Wel-

le beschreiben wobei eine hohe Wellenintensitaumlt einer

hohen Wahrscheinlichkeit entspricht ein Elektron an-

zutreffen

Welle-Teilchen-Dualismus Teilchen bewegen sich in Wellen

179 Welle-Teilchen-Dualismus

Das Buckminster-Fulleren C60

Reales Doppelspaltexperiment mit 11 (a) 200 (b) 6000 (c) 40 000 (d) und 140 000 (e) Elektronen

Doppelspaltexperiment mit Elektronen Interferenz von Wellen hinter einem Doppelspalt

Wellenfunktion S 180J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Im Experiment kann man naumlmlich beobachten wie auf der Flaumlche hinter

dem Doppelspalt nach und nach immer mehr einzelne Elektronen wie

zufaumlllig an verschiedenen Stellen auftreffen wobei sich schlieszliglich das

streifenfoumlrmige Interferenzmuster herausbildet

Teilchenbahnen gibt es dabei nicht mehr Alles was die Quantenmecha-

nik tun kann ist die Auftreffwahrscheinlichkeiten fuumlr die Elektronen zu

berechnen Der Ort eines einzelnen Elektrons ist dagegen in der Natur

grundsaumltzlich nicht festgelegt d h der Wahrscheinlichkeitscharakter der

Quantenmechanik ist grundsaumltzlicher Natur und hat nichts mit unge-

nauen Messungen zu tun (siehe Wellenfunktion )

Mittlerweile konnten Interferenzmuster

auch beispielsweise fuumlr Fullerenmolekuumlle

nachgewiesen werden die immerhin aus

60 Kohlenstoffatomen bestehen (Anton

Zeilinger 1999) Auch fuumlr sie gilt also der

Welle-Teilchen-Dualismus

180 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Wellenfunktion die senkrecht zu ihrer Flugrichtung im Ort be-schraumlnkt wird (z B indem man sie durch einen engen Spalt schickt) erhaumllt dadurch eine groszlige Impulsunschaumlrfe in dieselbe Richtung wodurch sie sich ausbreitet

Zwei Schwingungszustaumlnde der Wel-lenfunktion eines Elektrons im Wasser-stoffatom Die Farbe gibt die ortsabhaumln-gige Phase der Wellenfunktion an

Bild rechts oben und links mit freundlicher Genehmigung von Bernd Thaller Universitaumlt von Graz Institut fuumlr Mathematik und Wissenschaftliches RechnenB Thaller Visual Quantum Mechanics httpvqmuni-grazatindexhtml Galerie mit Darstellungen von Wellenfunktionen

Anfang des 20 Jahrhunderts haumluften sich die Hinweise dass die Materie aus

kleinen Bausteinen Elementarteilchen genannt aufgebaut ist Zuerst nahm

man an dass die Elementarteilchen kleinen Kugeln aumlhnelten die sich aumlhn-

lich wie alle Objekte unserer Erfahrungswelt auf Flugbahnen bewegen kol-

lidieren und voneinander abprallen Als man aber begann experimentell

tiefer in die Bereiche des Mikrokosmos vorzudringen wurde schnell

klar dass Elementarteilchen ganz anderen Gesetzen folgen als sagen

wir einmal Murmeln oder Steine

Eine Murmel kann man (zumindest im Prinzip) zu

jedem Zeitpunkt vollstaumlndig durch einige wenige Zahlen beschreiben

zum Beispiel Ort und Geschwindigkeit Drehimpuls etc Bei Elementar-

teilchen ist dies nicht mehr moumlglich stattdessen beschreibt man sie durch

ein raumlumlich ausgedehntes Feld Die Bewegungsgleichungen fuumlr dieses

Feld aumlhneln denen von (zum Beispiel elektromagnetischen) Wellen wes-

wegen das Feld Wellenfunktion genannt wird

Durch die Wellennatur der Teilchen gehen

jedoch typische Teilcheneigenschaften verloren

Man kann uumlber die physikalischen Groumlszligen die ein klassisches Teil-

chen beschreiben wuumlrden nur noch statistische Aussagen treffen

Auszligerdem sind gewisse Groumlszligen wie zum Beispiel Ort und Ge-

schwindigkeit des Teilchens zueinander komplementaumlr

Wellenfunktion Verschmierte Teilchen

181 Wellenfunktion

Der Franck-Hertz-Versuch S 184A Zeilinger Einsteins Schleier Die neue Welt der Quantenphysik Goldmann 2003

Die Komplementaritaumlt von Ort und Impuls

Die Komplementaritaumlt von Messgroumlszligen wie Ort und Ge-

schwindigkeit ist nicht wie oft behauptet eine Folge

von ungenauen Messungen sondern eine fun-

damentale Eigenschaft der Wellenfunktionen

An den Stellen an denen das Betragsquadrat

der Wellenfunktion groszlig ist besteht eine hohe

Wahrscheinlichkeit das Elementarteilchen anzutreffen

wenn man danach sucht Die Geschwindigkeit des Teilchens hin-

gegen ist mit der Wellenlaumlnge der Welle verknuumlpft

Um nun einer Welle eine genaue Wellenlaumlnge zuzuordnen muss

sie uumlber einen groszligen Bereich ausgebreitet sein Eine genau be-

stimmte Geschwindigkeit fuumlhrt so zu einem sehr unbestimmten

Ort

Je staumlrker hingegen die Welle an einem Ort kon-

zentriert ist desto weniger genau kann man ihr

eine Wellenlaumlnge zuschreiben weswegen ein

genau bestimmter Ort zu einer sehr ungenau be-

stimmten Geschwindigkeit fuumlhrt

Das bedeutet Je genauer der Ort des Teilchens be-

kannt ist desto ungenauer ist seine Geschwindigkeit

bestimmt und umgekehrt

Die Welleneigenschaften der kleinsten Bausteine wer-

den ganz besonders bei den Elektronen deutlich die

sich in einem Atom befinden Anders als die haumlufig

benutzte Analogie zum Sonnensystem vermuten laumlsst

umkreisen Elektronen den Atomkern nicht denn da-

fuumlr muumlssten sie gleichzeitig einen scharf definierten Ort

und eine scharfe Geschwindigkeit besitzen Stattdessen

kann man sich die Wellenfunktion des Elektrons als

dreidimensionale stehende Welle vorstellen Ebenso

wie bei einer schwingenden Instrumenten-Saite gibt es

im Atom nur bestimmte bdquoerlaubteldquo Schwingungsmo-

den der Wellenfunktion Deswegen sind fuumlr das Elek-

tron im Atom nur bestimmte Energieniveaus erlaubt

zwischen denen es jedoch per bdquo Quantensprungldquo hin-

und herwechseln kann wenn es z B durch einen Licht-

strahl dazu angeregt wird (Franck-Hertz-Versuch )

182 6 Atome und Quantenmechanik

Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt

Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen

Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral

fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-

tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt

besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich

zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-

stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf

einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige

Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-

keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es

den Raumbereich einfach nicht betreten

Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das

Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-

ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr

sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei

werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt

ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash

ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt

die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-

tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst

ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel

am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der

Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von

Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-

berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern

auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-

federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann

man mit dem Konzept des Potentials begreifen

Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der

Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-

sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-

teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte

nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter

Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als

uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )

die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens

angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-

mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-

tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an

einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je

houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in

einem Tal als auf einem Bergldquo

Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-

lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der

klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-

Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis

183 Der Tunneleffekt

Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert

Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html

tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch

waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch

verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit

das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie

ist nicht exakt null

Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-

nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-

hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-

tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit

geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf

es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen

nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-

den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber

den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je

houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den

beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-

lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein

mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-

botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch

den Berg ins naumlchste Tal gelangen

Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-

waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-

nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-

lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum

Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um

so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der

Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie

deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-

steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln

Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und

klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer

Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle

nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die

Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-

det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt

die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich

ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen

durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis

ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng

genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr

hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-

schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne

sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es

ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon

eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-

versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-

scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische

Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum

vorkommt

184 6 Atome und Quantenmechanik

Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben

Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)

Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178

Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-

perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-

drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock

Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich

ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-

tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben

Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-

aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und

hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-

nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James

Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-

ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige

Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann

sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige

den sogenannten Quanten

Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und

Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum

zwischen einer negativ geladenen

Gluumlhkathode und einer positiven

Anode ausfuumlllt An der Kathode

treten staumlndig Elektronen aus die

wegen der angelegten Spannung

in Richtung der Anode beschleu-

nigt werden Auf ihrem Weg da-

hin durchqueren die Elektronen

das Gas und stoszligen dabei staumln-

dig mit den Quecksilberatomen

zusammen An der Anode misst

man durch die Gegenspannungs-

methode die Geschwindigkeit der

ankommenden Elektronen So kann man beobachten

um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-

men verlangsamt werden

Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches

fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-

lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode

zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur

elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei

nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-

nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die

an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast

voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man

auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann

kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu

leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-

den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich

schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die

Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet

Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen

185 Der Franck-Hertz-Versuch

Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu

Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden

Schichten ihre Energie

Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen

Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-

der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende

Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter

man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten

entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-

ben

Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur

in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-

sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen

sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein

Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von

Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann

diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf

das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen

Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe

und wird dann von der angelegten Spannung wieder

aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine

Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt

es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein

Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat

Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man

also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben

Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-

tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-

gie ist dabei von Element zu Element verschieden und

muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-

ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-

huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies

mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur

Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden

war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung

der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch

bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-

niveaus in Atomen

Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-

rigens nicht lange sondern geben sie in Form von

Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die

Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von

47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau

dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-

roumlhre als Leuchten erkennen kann

186 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

Magnetfeld

Rota

tions

achs

e

Praumlzession

magnetischeKraft

Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-

chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein

halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten

Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen

muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-

zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen

Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der

Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach

seine Eigenschaften zu verstehen

Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden

Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin

eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der

Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-

gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon

Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen

und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur

Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen

Spin besitzen

Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-

allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-

nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist

so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen

magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-

netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem

senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese

insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der

Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach

oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher

Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-

feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen

die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was

aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer

Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt

(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen

Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-

nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach

dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld

unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt

Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach

diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-

nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12

aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld

schlugen sich die Silberatome nieder

Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln

187 Der Spin eines Teilchens

Spinrichtung

θ = 0deg

θ = 45deg

θ = 90deg

θ = 135deg

θ = 180deg

θ

N

S

Silberatomstrahl

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter

Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend

einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-

tationsachsen

Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-

berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-

lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das

Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die

Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel

dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in

oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild

der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-

vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens

Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-

sche Beschreibung des Spins aus Angenommen

der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die

um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist

In einem parallel zum Spin ausgerichteten

inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen

also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt

sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht

orientierten inhomogenen Magnetfeld Es

wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2

nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit

sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik

durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)

d h der Spin ist nach der Messung mit die-

sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach

oben oder nach unten orientiert Und das ist

auch schon im Wesentlichen alles was gesagt

werden kann denn die Quantenmechanik

kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen

sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen

bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der

Begriff der klassischen Rotationsachse in der

Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche

Ungleichung )

188 6 Atome und Quantenmechanik

-2-1 0 1 2 3

-3-2

-1 0

1 2

3

-1-08-06-04-02

0 02 04 06 08

1

x

y

f(xy)

Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der

Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische

Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem

Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-

scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an

einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches

man angetroffen hat

In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit

ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes

Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das

Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man

auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude

oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )

bezeichnet (genau genommen ist f(xy)

eine komplexe Zahl doch das ist hier

nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-

ronen ununterscheidbar sind darf sich

diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern

wenn wir die beiden Elektronen mitei-

nander vertauschen also das erste Elek-

tron am Ort y und das zweite Elektron

am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2

= |f(yx)|2 sein

Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)

selbst kann beim Vertauschen entweder

ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie

wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-

zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt

f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)

Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt

der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-

ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise

Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische

Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten

Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-

tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen

Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin

zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-

gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip

Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-

trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude

Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden

189 Das Pauli-Prinzip

1s

2s

2p

3s

3p

3d

18

Ener

gie

n=1

n=2

n=3

8

2

3dxsup2-ysup2

3pz 3px 3py

3s

2pz

2s

1s

3dxz 3dxy

2py

3dz2 3dyz

2px

Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)

Bosonen Fermionen

810 nK

510 nK

240 nK

Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom

Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2

Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich

zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-

nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich

f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man

in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen

mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht

am selben Ort aufhalten

Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen

derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht

denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man

beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts

Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit

ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-

mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)

groumlszligere Abstaumlnde beibehalten

Das Pauli-Prinzip stellt si-

cher dass sich in der Elek-

tronenhuumllle der Atome

eine stabile Schalenstruk-

tur ausbildet Jeder moumlgli-

che Schwingungszustand der Wellenfunktion

kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-

den die entgegengesetzte Spinausrichtung

aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-

nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige

Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken

ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip

Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-

ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es

wird durch ein subtiles Zusammenspiel von

Quantenmechanik und spezieller Relativi-

taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief

in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler

der modernen Physik begruumlndet

190 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

N

S

Magnet A

Teilchenquelle

Magnet B

Der Spin eines Teilchens S 186

In der klassischen Physik sind wir es normalerweise

gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige

Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit

diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch

Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-

spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen

haben

Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden

und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig

d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen

Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur

unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er

gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-

tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-

dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz

EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die

uumlberarbeitete Version von David Bohm)

Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-

len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen

ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-

gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst

man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht

orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird

immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein

Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-

den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash

welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist

nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall

Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-

ander verhalten werden

Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-

den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte

Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder

Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-

gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann

das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim

Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine

Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide

Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-

der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten

laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat

der Zufall Spin up entschiedenldquo

koumlnnte sich aber maximal mit

Lichtgeschwindigkeit ausbrei-

ten

Einstein Po-

dolsky und Rosen

sprachen daher von einer

bdquospukhaften Fernwirkungldquo und

folgerten dass jedes der beiden Teil-

chen doch eine verborgene lokale Eigen-

schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse

besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits

im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten

waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-

saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet

Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-

cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie

die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig

191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung

S

S

N

N

Magnet AKippwinkel 45deg

Magnet BKippwinkel 0deg

Gruppe 1(0darr 45uarr)

Teilchenquelle

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90degGruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3

0deg 45deg 90deg

J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und

ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-

rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr

1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich

diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein

Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand

gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-

nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-

rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide

Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt

werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-

gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg

Wenn die Teilchen nun doch eine

lokale innere Eigenschaft besaumlszligen

die ihr Verhalten im Magnetfeld

von vornherein festlegte so wird

es beispielsweise einige darunter

geben die bei 0deg zum Suumldpol bei

45deg zum Nordpol und bei 90deg

ebenfalls zum Nordpol abgelenkt

wuumlrden sodass wir sie mit (0

45 90 ) kennzeichnen koumln-

nen Die zugehoumlrigen Part-

nerteilchen wuumlrden sich

dabei genau entgegenge-

setzt verhalten

Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-

chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde

beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten

zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen

im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol

abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45

verhaumllt

Analog bilden wir Grup-

pe 2 als alle die Teilchen-

paare bei denen ein Teil-

chen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 45

sowie 90 besitzt sowie

Gruppe 3 als alle die Teil-

chenpaare bei denen ein

Teilchen zugleich die bei-

den Kennzeichnungen 0

sowie 90 besitzt

Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare

von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also

muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-

wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten

zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-

send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)

Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-

scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt

sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-

scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-

men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche

Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung

vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen

uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere

Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky

und Rosen wurden widerlegt

Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass

die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung

erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-

greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt

egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze

ist mehr als die Summe seiner Teile

192 6 Atome und Quantenmechanik

Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie

Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012

Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-

orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische

Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-

theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik

jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich

zufriedenstellend beantwortet sind

Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur

grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-

lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-

lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische

Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-

wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-

scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen

instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise

Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also

durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus

dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-

ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der

sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927

u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-

beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber

welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder

dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-

on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-

ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft

die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)

sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-

lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten

Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei

nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da

es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird

Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten

193 Die Interpretation der Quantenmechanik

Tritium

Wellenfunktion = +

Helium-3

ElektronAntineutrino

Detektormisst

Zerfall

makroskopische Realitaumlt

Gift

oder

Gift

Tritiumintakt

Tritiumzerfallen

Wellenfunktion =

+

Dekohaumlrenz

makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2

Gift Gift

Tritium Helium-3

ElektronAntineutrino

Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24

Doch wann genau findet eine solche Messung statt

Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin

Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches

Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem

zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die

zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste

eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet

dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-

tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit

Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers

Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-

digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der

erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-

schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der

quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die

klassische Realitaumlt der Katze

Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-

chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute

tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-

zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-

tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-

elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man

den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in

den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die

sogenannte Viele-Welten-Interpretation

Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom

weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-

same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-

tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie

bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze

jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-

vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in

Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur

sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-

de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung

mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-

abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts

mehr voneinander sodass man sie als verschiedene

Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-

der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der

Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht

In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion

des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-

ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten

verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation

zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-

lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt

im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung

des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung

zwischen Mikro- und Makrokosmos

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
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Page 7: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

176 6 Atome und Quantenmechanik

Beim α-Zerfall sendet der Kern einen Heli-umkern (α-Teilchen) aus

Beim βminus-Zerfall wandelt sich im Kern ein Neutron in ein Proton ein Antineutrino und ein Elektron um wobei die letzteren beiden den Kern als Strahlung verlassen

Beim γ-Zerfall geht der Kern von einem angeregten in einen stabilen Zustand uumlber ndash die uumlberschuumlssige Energie wird in Form eines hochenergetischen Photons abgegeben

Atomkerne S 174Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182

Obwohl sich das Wort bdquoAtomldquo vom griechischen

ἄτομος (bdquodas Unteilbareldquo) ableitet kann man Atome

ndash mit dem entsprechenden Aufwand ndash in ihre Bestand-

teile zerlegen oder ineinander umwandeln Einige Ato-

me sind dazu jedoch auch von allein in der Lage Ende

des 19 Jahrhunderts entdeckte man Elemente wie

Uran oder Thorium die von sich aus eine ionisierende

Strahlung abgeben Noch bevor Rutherford die Exis-

tenz der Atomkerne explizit nachweisen konnte stellte

er daher bereits die Hypothese auf dass diese radio-

aktive Strahlung wie Marie Curie sie getauft hatte

durch die Umwandlung einer Atomsorte in eine andere

verursacht wird

Heute wissen wir dass radioaktive Strahlung entsteht

wenn ein instabiler Atomkern ( ) in einen stabileren

Zustand uumlbergeht Da die Menge des urspruumlnglichen

Stoffes bei diesem Prozess abnimmt spricht man hier-

bei auch von radioaktivem Zerfall Es gibt im Wesent-

lichen drei Arten radioaktiver Strahlung entsprechend

der drei verschiedenen Arten auf die ein Atomkern

spontan zerfallen kann

Der so genannte α-Zerfall tritt bei Atomkernen auf

die sehr schwer sind und eine groszlige Anzahl an Pro-

tonen besitzen Diese positiv geladenen Protonen im

Kern muumlssten sich eigentlich abstoszligen werden jedoch

von der kurzreichweitigen Kernkraft zusammenge-

halten die um einiges staumlrker ist als die abstoszligende

elektrische Kraft wobei Letztere jedoch eine deut-

lich houmlhere Reichweite hat Da durch die Effekte der

Quantenmechanik ( ) die Nukleonen im Kern keinen

festen Ort haben sondern uumlber einen gewissen Auf-

enthaltsbereich verschmiert sind gibt es eine gewisse

Wahrscheinlichkeit dass sich zwei Protonen und zwei

Neutronen ndash eine in sich sehr stabile Kombination

entsprechend einem Heliumkern auch α-Teilchen

genannt ndash so weit vom Rest der Kernteilchen entfer-

nen dass sie die anziehende Kernkraft nicht mehr stark

genug spuumlren sondern hauptsaumlchlich die abstoszligende

elektrische Kraft Das α-Teilchen durchtunnelt dadurch

die Potentialbarriere des Kerns und wird mit einer Ge-

schwindigkeit von einigen Prozent der Lichtgeschwin-

digkeit aus dem Kern ausgestoszligen ( Tunneleffekt )

Radioaktiver Zerfall Atomkerne aus dem Gleichgewicht

177 Radioaktiver Zerfall

Halbwertszeiten der bekannten Isotope Jedes Quadrat entspricht einem Kern mit Z Protonen und N Nukleonen (Protonen und Neu-tronen)

W Stolz Radioaktivitaumlt Grundlagen ndash Messung ndash Anwendungen Teubner 5 Aufl 2005H Krieger Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes Vieweg+Teubner 2007K Bethge Kernphysik Springer Verlag 1996

hen Dichte haumllt Blei dabei die γ-Strahlen am effektivs-

ten auf es werden jedoch je nach Strahlungsenergie

einige Millimeter bis Zentimeter fuumlr eine vollstaumlndige

Abschirmung benoumltigt Dies macht gerade Letztere fuumlr

Lebewesen besonders gefaumlhrlich denn tief in Gewebe

eindringende Strahlung kann nicht nur Verbrennungen

an der Hautoberflaumlche sondern auch Mutationen in

den Zellen und der DNA verursachen

Der β-Zerfall wiederum tritt in Kernen mit einem un-

guumlnstigen Verhaumlltnis zwischen Protonen und Neutro-

nen auf Hat ein Kern einen deutlichen Uumlberschuss an

Neutronen so kann sich eines davon durch die schwa-

che Wechselwirkung spontan in ein Proton ein Elekt-

ron und ein Antielektronneutrino umwandeln Wenn

dies geschieht dann verbleibt das Proton im Kern und

Neutrino und Elektron werden abgestrahlt Diese ne-

gativ geladenen Elektronen werden dabei als β minus-Strah-

lung bezeichnet

Die Regeln der schwachen Wechselwirkung lassen al-

lerdings auch den (etwas selteneren) spiegelbildlichen

Prozess zu In Kernen mit einem Uumlberschuss an Pro-

tonen kann sich eines in ein Neutron ein Antielektron

und ein Elektronneutrino umwandeln Das hierbei

ausgesendete positiv geladene Antielektron ( Positron)

bezeichnet man dabei als β +-Strahlung

Der γ-Zerfall schlieszliglich bezeichnet den Uumlbergang

eines Atomkerns von einem angeregten Zustand in

einen stabileren Zustand mit niedrigerer Energie Die

uumlberschuumlssige Energie wird in Form von energiereichen

Photonen abgestrahlt die man auch als γ-Quanten be-

zeichnet Weil angeregte Atomkerne meist eine Folge-

erscheinung von Kernspaltungen oder anderen voran-

gegangenen Zerfaumlllen sind tritt γ-Strahlung meist in

Begleitung von anderen radioaktiven Vorgaumlngen auf

Die Unterteilung in α β und γ bezieht sich auf die

Eindringtiefe der jeweiligen Strahlung in feste Materie

Waumlhrend α-Strahlung bereits nach fuumlnf Zentimetern

durch die Luft oder durch ein einfaches Blatt Papier

aufgehalten werden kann benoumltigt man bei β-Strahlung

bereits eine duumlnne Metallplatte γ-Strahlung hingegen

kann sehr tief in Materie eindringen Wegen seiner ho-

178 6 Atome und Quantenmechanik

Photoeffekt

Wellenlaumlngen und zugehoumlri-ge Photon-Energien fuumlr das sichtbare Lichtspektrum

Bild in der Mitte (Briefmarke) mit freundlicher Genehmigung von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityR P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Wellen und Teilchen haumlngen in der Quantenmechanik

eng miteinander zusammen So ist Licht einerseits eine

elektromagnetische Welle wie Interferenzexperimen-

te zeigen bei denen Lichtwellenberge auf -berge oder

-taumller treffen und sich verstaumlrken oder ausloumlschen An-

dererseits kann Licht beim sogenannten Photoeffekt

einzelne Elektronen aus einer Metalloberflaumlche he-

rausschlagen wobei dies mit umso groumlszligerer Wucht

geschieht je kuumlrzer die Lichtwellenlaumlnge ist ndash ein Ver-

halten das sich nur durch den Teilchencharakter des

Lichtes verstehen laumlsst

Licht besteht also aus

einem Strom einzelner

Teilchen (sogenannter

Photonen) welche die

Elektronen aus der Ober-

flaumlche herausstoszligen

Fuumlr die genaue Ausarbei-

tung dieser Erkenntnis

erhielt Albert Einstein im

Jahr 1921 den Nobelpreis

fuumlr Physik ndash er hatte sie be-

reits im Jahr 1905 in seiner

Doktorarbeit formuliert

Frequenz f und Wellenlaumlnge λ der elektromagnetischen

Lichtwelle legen dabei die Energie E und den Impuls p

der Photonen fest

E = h∙f und λ = hp

Hier ist h = 6626 ∙ 10ndash34 J∙s eine Naturkonstante deren

Wert im Experiment bestimmt werden muss Sie heiszligt

Planckrsquosches Wirkungsquantum und verknuumlpft Teil-

chen- mit Welleneigenschaften

So wie Photonen mit Lichtwellen zusammenhaumlngen

so haumlngen auch beispielsweise Elektronen mit Elektro-

nenwellen zusammen und zwar nach genau denselben

Formeln wie bei den Photonen und auch allen anderen

Teilchen Wenn man beispielsweise einen Elektronen-

strahl durch einen sehr feinen Doppelspalt schickt so

findet man auf einer Flaumlche dahinter ein Interferenz-

muster aus Streifen mit vielen und mit wenigen Elekt-

ronentreffern ganz analog zum Intensitaumltsmuster von

Laserlicht hinter einem solchen Doppelspalt

Offenbar muss man den Durchgang der Elektronen

durch den Doppelspalt wie bei Licht durch eine Wel-

le beschreiben wobei eine hohe Wellenintensitaumlt einer

hohen Wahrscheinlichkeit entspricht ein Elektron an-

zutreffen

Welle-Teilchen-Dualismus Teilchen bewegen sich in Wellen

179 Welle-Teilchen-Dualismus

Das Buckminster-Fulleren C60

Reales Doppelspaltexperiment mit 11 (a) 200 (b) 6000 (c) 40 000 (d) und 140 000 (e) Elektronen

Doppelspaltexperiment mit Elektronen Interferenz von Wellen hinter einem Doppelspalt

Wellenfunktion S 180J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Im Experiment kann man naumlmlich beobachten wie auf der Flaumlche hinter

dem Doppelspalt nach und nach immer mehr einzelne Elektronen wie

zufaumlllig an verschiedenen Stellen auftreffen wobei sich schlieszliglich das

streifenfoumlrmige Interferenzmuster herausbildet

Teilchenbahnen gibt es dabei nicht mehr Alles was die Quantenmecha-

nik tun kann ist die Auftreffwahrscheinlichkeiten fuumlr die Elektronen zu

berechnen Der Ort eines einzelnen Elektrons ist dagegen in der Natur

grundsaumltzlich nicht festgelegt d h der Wahrscheinlichkeitscharakter der

Quantenmechanik ist grundsaumltzlicher Natur und hat nichts mit unge-

nauen Messungen zu tun (siehe Wellenfunktion )

Mittlerweile konnten Interferenzmuster

auch beispielsweise fuumlr Fullerenmolekuumlle

nachgewiesen werden die immerhin aus

60 Kohlenstoffatomen bestehen (Anton

Zeilinger 1999) Auch fuumlr sie gilt also der

Welle-Teilchen-Dualismus

180 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Wellenfunktion die senkrecht zu ihrer Flugrichtung im Ort be-schraumlnkt wird (z B indem man sie durch einen engen Spalt schickt) erhaumllt dadurch eine groszlige Impulsunschaumlrfe in dieselbe Richtung wodurch sie sich ausbreitet

Zwei Schwingungszustaumlnde der Wel-lenfunktion eines Elektrons im Wasser-stoffatom Die Farbe gibt die ortsabhaumln-gige Phase der Wellenfunktion an

Bild rechts oben und links mit freundlicher Genehmigung von Bernd Thaller Universitaumlt von Graz Institut fuumlr Mathematik und Wissenschaftliches RechnenB Thaller Visual Quantum Mechanics httpvqmuni-grazatindexhtml Galerie mit Darstellungen von Wellenfunktionen

Anfang des 20 Jahrhunderts haumluften sich die Hinweise dass die Materie aus

kleinen Bausteinen Elementarteilchen genannt aufgebaut ist Zuerst nahm

man an dass die Elementarteilchen kleinen Kugeln aumlhnelten die sich aumlhn-

lich wie alle Objekte unserer Erfahrungswelt auf Flugbahnen bewegen kol-

lidieren und voneinander abprallen Als man aber begann experimentell

tiefer in die Bereiche des Mikrokosmos vorzudringen wurde schnell

klar dass Elementarteilchen ganz anderen Gesetzen folgen als sagen

wir einmal Murmeln oder Steine

Eine Murmel kann man (zumindest im Prinzip) zu

jedem Zeitpunkt vollstaumlndig durch einige wenige Zahlen beschreiben

zum Beispiel Ort und Geschwindigkeit Drehimpuls etc Bei Elementar-

teilchen ist dies nicht mehr moumlglich stattdessen beschreibt man sie durch

ein raumlumlich ausgedehntes Feld Die Bewegungsgleichungen fuumlr dieses

Feld aumlhneln denen von (zum Beispiel elektromagnetischen) Wellen wes-

wegen das Feld Wellenfunktion genannt wird

Durch die Wellennatur der Teilchen gehen

jedoch typische Teilcheneigenschaften verloren

Man kann uumlber die physikalischen Groumlszligen die ein klassisches Teil-

chen beschreiben wuumlrden nur noch statistische Aussagen treffen

Auszligerdem sind gewisse Groumlszligen wie zum Beispiel Ort und Ge-

schwindigkeit des Teilchens zueinander komplementaumlr

Wellenfunktion Verschmierte Teilchen

181 Wellenfunktion

Der Franck-Hertz-Versuch S 184A Zeilinger Einsteins Schleier Die neue Welt der Quantenphysik Goldmann 2003

Die Komplementaritaumlt von Ort und Impuls

Die Komplementaritaumlt von Messgroumlszligen wie Ort und Ge-

schwindigkeit ist nicht wie oft behauptet eine Folge

von ungenauen Messungen sondern eine fun-

damentale Eigenschaft der Wellenfunktionen

An den Stellen an denen das Betragsquadrat

der Wellenfunktion groszlig ist besteht eine hohe

Wahrscheinlichkeit das Elementarteilchen anzutreffen

wenn man danach sucht Die Geschwindigkeit des Teilchens hin-

gegen ist mit der Wellenlaumlnge der Welle verknuumlpft

Um nun einer Welle eine genaue Wellenlaumlnge zuzuordnen muss

sie uumlber einen groszligen Bereich ausgebreitet sein Eine genau be-

stimmte Geschwindigkeit fuumlhrt so zu einem sehr unbestimmten

Ort

Je staumlrker hingegen die Welle an einem Ort kon-

zentriert ist desto weniger genau kann man ihr

eine Wellenlaumlnge zuschreiben weswegen ein

genau bestimmter Ort zu einer sehr ungenau be-

stimmten Geschwindigkeit fuumlhrt

Das bedeutet Je genauer der Ort des Teilchens be-

kannt ist desto ungenauer ist seine Geschwindigkeit

bestimmt und umgekehrt

Die Welleneigenschaften der kleinsten Bausteine wer-

den ganz besonders bei den Elektronen deutlich die

sich in einem Atom befinden Anders als die haumlufig

benutzte Analogie zum Sonnensystem vermuten laumlsst

umkreisen Elektronen den Atomkern nicht denn da-

fuumlr muumlssten sie gleichzeitig einen scharf definierten Ort

und eine scharfe Geschwindigkeit besitzen Stattdessen

kann man sich die Wellenfunktion des Elektrons als

dreidimensionale stehende Welle vorstellen Ebenso

wie bei einer schwingenden Instrumenten-Saite gibt es

im Atom nur bestimmte bdquoerlaubteldquo Schwingungsmo-

den der Wellenfunktion Deswegen sind fuumlr das Elek-

tron im Atom nur bestimmte Energieniveaus erlaubt

zwischen denen es jedoch per bdquo Quantensprungldquo hin-

und herwechseln kann wenn es z B durch einen Licht-

strahl dazu angeregt wird (Franck-Hertz-Versuch )

182 6 Atome und Quantenmechanik

Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt

Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen

Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral

fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-

tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt

besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich

zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-

stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf

einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige

Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-

keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es

den Raumbereich einfach nicht betreten

Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das

Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-

ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr

sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei

werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt

ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash

ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt

die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-

tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst

ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel

am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der

Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von

Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-

berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern

auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-

federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann

man mit dem Konzept des Potentials begreifen

Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der

Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-

sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-

teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte

nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter

Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als

uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )

die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens

angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-

mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-

tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an

einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je

houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in

einem Tal als auf einem Bergldquo

Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-

lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der

klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-

Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis

183 Der Tunneleffekt

Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert

Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html

tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch

waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch

verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit

das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie

ist nicht exakt null

Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-

nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-

hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-

tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit

geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf

es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen

nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-

den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber

den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je

houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den

beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-

lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein

mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-

botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch

den Berg ins naumlchste Tal gelangen

Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-

waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-

nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-

lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum

Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um

so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der

Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie

deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-

steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln

Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und

klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer

Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle

nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die

Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-

det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt

die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich

ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen

durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis

ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng

genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr

hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-

schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne

sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es

ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon

eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-

versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-

scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische

Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum

vorkommt

184 6 Atome und Quantenmechanik

Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben

Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)

Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178

Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-

perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-

drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock

Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich

ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-

tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben

Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-

aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und

hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-

nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James

Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-

ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige

Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann

sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige

den sogenannten Quanten

Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und

Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum

zwischen einer negativ geladenen

Gluumlhkathode und einer positiven

Anode ausfuumlllt An der Kathode

treten staumlndig Elektronen aus die

wegen der angelegten Spannung

in Richtung der Anode beschleu-

nigt werden Auf ihrem Weg da-

hin durchqueren die Elektronen

das Gas und stoszligen dabei staumln-

dig mit den Quecksilberatomen

zusammen An der Anode misst

man durch die Gegenspannungs-

methode die Geschwindigkeit der

ankommenden Elektronen So kann man beobachten

um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-

men verlangsamt werden

Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches

fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-

lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode

zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur

elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei

nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-

nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die

an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast

voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man

auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann

kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu

leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-

den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich

schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die

Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet

Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen

185 Der Franck-Hertz-Versuch

Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu

Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden

Schichten ihre Energie

Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen

Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-

der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende

Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter

man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten

entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-

ben

Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur

in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-

sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen

sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein

Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von

Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann

diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf

das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen

Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe

und wird dann von der angelegten Spannung wieder

aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine

Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt

es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein

Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat

Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man

also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben

Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-

tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-

gie ist dabei von Element zu Element verschieden und

muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-

ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-

huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies

mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur

Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden

war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung

der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch

bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-

niveaus in Atomen

Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-

rigens nicht lange sondern geben sie in Form von

Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die

Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von

47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau

dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-

roumlhre als Leuchten erkennen kann

186 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

Magnetfeld

Rota

tions

achs

e

Praumlzession

magnetischeKraft

Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-

chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein

halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten

Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen

muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-

zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen

Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der

Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach

seine Eigenschaften zu verstehen

Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden

Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin

eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der

Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-

gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon

Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen

und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur

Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen

Spin besitzen

Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-

allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-

nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist

so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen

magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-

netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem

senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese

insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der

Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach

oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher

Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-

feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen

die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was

aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer

Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt

(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen

Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-

nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach

dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld

unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt

Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach

diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-

nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12

aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld

schlugen sich die Silberatome nieder

Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln

187 Der Spin eines Teilchens

Spinrichtung

θ = 0deg

θ = 45deg

θ = 90deg

θ = 135deg

θ = 180deg

θ

N

S

Silberatomstrahl

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter

Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend

einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-

tationsachsen

Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-

berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-

lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das

Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die

Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel

dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in

oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild

der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-

vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens

Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-

sche Beschreibung des Spins aus Angenommen

der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die

um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist

In einem parallel zum Spin ausgerichteten

inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen

also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt

sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht

orientierten inhomogenen Magnetfeld Es

wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2

nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit

sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik

durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)

d h der Spin ist nach der Messung mit die-

sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach

oben oder nach unten orientiert Und das ist

auch schon im Wesentlichen alles was gesagt

werden kann denn die Quantenmechanik

kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen

sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen

bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der

Begriff der klassischen Rotationsachse in der

Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche

Ungleichung )

188 6 Atome und Quantenmechanik

-2-1 0 1 2 3

-3-2

-1 0

1 2

3

-1-08-06-04-02

0 02 04 06 08

1

x

y

f(xy)

Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der

Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische

Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem

Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-

scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an

einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches

man angetroffen hat

In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit

ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes

Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das

Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man

auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude

oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )

bezeichnet (genau genommen ist f(xy)

eine komplexe Zahl doch das ist hier

nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-

ronen ununterscheidbar sind darf sich

diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern

wenn wir die beiden Elektronen mitei-

nander vertauschen also das erste Elek-

tron am Ort y und das zweite Elektron

am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2

= |f(yx)|2 sein

Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)

selbst kann beim Vertauschen entweder

ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie

wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-

zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt

f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)

Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt

der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-

ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise

Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische

Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten

Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-

tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen

Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin

zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-

gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip

Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-

trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude

Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden

189 Das Pauli-Prinzip

1s

2s

2p

3s

3p

3d

18

Ener

gie

n=1

n=2

n=3

8

2

3dxsup2-ysup2

3pz 3px 3py

3s

2pz

2s

1s

3dxz 3dxy

2py

3dz2 3dyz

2px

Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)

Bosonen Fermionen

810 nK

510 nK

240 nK

Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom

Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2

Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich

zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-

nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich

f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man

in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen

mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht

am selben Ort aufhalten

Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen

derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht

denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man

beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts

Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit

ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-

mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)

groumlszligere Abstaumlnde beibehalten

Das Pauli-Prinzip stellt si-

cher dass sich in der Elek-

tronenhuumllle der Atome

eine stabile Schalenstruk-

tur ausbildet Jeder moumlgli-

che Schwingungszustand der Wellenfunktion

kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-

den die entgegengesetzte Spinausrichtung

aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-

nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige

Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken

ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip

Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-

ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es

wird durch ein subtiles Zusammenspiel von

Quantenmechanik und spezieller Relativi-

taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief

in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler

der modernen Physik begruumlndet

190 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

N

S

Magnet A

Teilchenquelle

Magnet B

Der Spin eines Teilchens S 186

In der klassischen Physik sind wir es normalerweise

gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige

Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit

diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch

Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-

spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen

haben

Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden

und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig

d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen

Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur

unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er

gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-

tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-

dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz

EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die

uumlberarbeitete Version von David Bohm)

Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-

len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen

ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-

gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst

man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht

orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird

immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein

Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-

den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash

welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist

nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall

Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-

ander verhalten werden

Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-

den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte

Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder

Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-

gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann

das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim

Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine

Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide

Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-

der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten

laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat

der Zufall Spin up entschiedenldquo

koumlnnte sich aber maximal mit

Lichtgeschwindigkeit ausbrei-

ten

Einstein Po-

dolsky und Rosen

sprachen daher von einer

bdquospukhaften Fernwirkungldquo und

folgerten dass jedes der beiden Teil-

chen doch eine verborgene lokale Eigen-

schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse

besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits

im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten

waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-

saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet

Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-

cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie

die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig

191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung

S

S

N

N

Magnet AKippwinkel 45deg

Magnet BKippwinkel 0deg

Gruppe 1(0darr 45uarr)

Teilchenquelle

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90degGruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3

0deg 45deg 90deg

J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und

ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-

rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr

1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich

diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein

Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand

gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-

nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-

rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide

Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt

werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-

gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg

Wenn die Teilchen nun doch eine

lokale innere Eigenschaft besaumlszligen

die ihr Verhalten im Magnetfeld

von vornherein festlegte so wird

es beispielsweise einige darunter

geben die bei 0deg zum Suumldpol bei

45deg zum Nordpol und bei 90deg

ebenfalls zum Nordpol abgelenkt

wuumlrden sodass wir sie mit (0

45 90 ) kennzeichnen koumln-

nen Die zugehoumlrigen Part-

nerteilchen wuumlrden sich

dabei genau entgegenge-

setzt verhalten

Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-

chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde

beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten

zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen

im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol

abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45

verhaumllt

Analog bilden wir Grup-

pe 2 als alle die Teilchen-

paare bei denen ein Teil-

chen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 45

sowie 90 besitzt sowie

Gruppe 3 als alle die Teil-

chenpaare bei denen ein

Teilchen zugleich die bei-

den Kennzeichnungen 0

sowie 90 besitzt

Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare

von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also

muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-

wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten

zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-

send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)

Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-

scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt

sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-

scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-

men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche

Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung

vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen

uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere

Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky

und Rosen wurden widerlegt

Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass

die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung

erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-

greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt

egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze

ist mehr als die Summe seiner Teile

192 6 Atome und Quantenmechanik

Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie

Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012

Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-

orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische

Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-

theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik

jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich

zufriedenstellend beantwortet sind

Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur

grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-

lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-

lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische

Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-

wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-

scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen

instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise

Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also

durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus

dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-

ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der

sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927

u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-

beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber

welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder

dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-

on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-

ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft

die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)

sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-

lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten

Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei

nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da

es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird

Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten

193 Die Interpretation der Quantenmechanik

Tritium

Wellenfunktion = +

Helium-3

ElektronAntineutrino

Detektormisst

Zerfall

makroskopische Realitaumlt

Gift

oder

Gift

Tritiumintakt

Tritiumzerfallen

Wellenfunktion =

+

Dekohaumlrenz

makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2

Gift Gift

Tritium Helium-3

ElektronAntineutrino

Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24

Doch wann genau findet eine solche Messung statt

Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin

Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches

Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem

zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die

zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste

eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet

dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-

tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit

Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers

Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-

digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der

erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-

schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der

quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die

klassische Realitaumlt der Katze

Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-

chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute

tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-

zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-

tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-

elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man

den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in

den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die

sogenannte Viele-Welten-Interpretation

Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom

weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-

same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-

tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie

bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze

jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-

vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in

Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur

sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-

de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung

mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-

abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts

mehr voneinander sodass man sie als verschiedene

Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-

der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der

Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht

In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion

des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-

ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten

verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation

zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-

lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt

im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung

des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung

zwischen Mikro- und Makrokosmos

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 8: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

177 Radioaktiver Zerfall

Halbwertszeiten der bekannten Isotope Jedes Quadrat entspricht einem Kern mit Z Protonen und N Nukleonen (Protonen und Neu-tronen)

W Stolz Radioaktivitaumlt Grundlagen ndash Messung ndash Anwendungen Teubner 5 Aufl 2005H Krieger Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes Vieweg+Teubner 2007K Bethge Kernphysik Springer Verlag 1996

hen Dichte haumllt Blei dabei die γ-Strahlen am effektivs-

ten auf es werden jedoch je nach Strahlungsenergie

einige Millimeter bis Zentimeter fuumlr eine vollstaumlndige

Abschirmung benoumltigt Dies macht gerade Letztere fuumlr

Lebewesen besonders gefaumlhrlich denn tief in Gewebe

eindringende Strahlung kann nicht nur Verbrennungen

an der Hautoberflaumlche sondern auch Mutationen in

den Zellen und der DNA verursachen

Der β-Zerfall wiederum tritt in Kernen mit einem un-

guumlnstigen Verhaumlltnis zwischen Protonen und Neutro-

nen auf Hat ein Kern einen deutlichen Uumlberschuss an

Neutronen so kann sich eines davon durch die schwa-

che Wechselwirkung spontan in ein Proton ein Elekt-

ron und ein Antielektronneutrino umwandeln Wenn

dies geschieht dann verbleibt das Proton im Kern und

Neutrino und Elektron werden abgestrahlt Diese ne-

gativ geladenen Elektronen werden dabei als β minus-Strah-

lung bezeichnet

Die Regeln der schwachen Wechselwirkung lassen al-

lerdings auch den (etwas selteneren) spiegelbildlichen

Prozess zu In Kernen mit einem Uumlberschuss an Pro-

tonen kann sich eines in ein Neutron ein Antielektron

und ein Elektronneutrino umwandeln Das hierbei

ausgesendete positiv geladene Antielektron ( Positron)

bezeichnet man dabei als β +-Strahlung

Der γ-Zerfall schlieszliglich bezeichnet den Uumlbergang

eines Atomkerns von einem angeregten Zustand in

einen stabileren Zustand mit niedrigerer Energie Die

uumlberschuumlssige Energie wird in Form von energiereichen

Photonen abgestrahlt die man auch als γ-Quanten be-

zeichnet Weil angeregte Atomkerne meist eine Folge-

erscheinung von Kernspaltungen oder anderen voran-

gegangenen Zerfaumlllen sind tritt γ-Strahlung meist in

Begleitung von anderen radioaktiven Vorgaumlngen auf

Die Unterteilung in α β und γ bezieht sich auf die

Eindringtiefe der jeweiligen Strahlung in feste Materie

Waumlhrend α-Strahlung bereits nach fuumlnf Zentimetern

durch die Luft oder durch ein einfaches Blatt Papier

aufgehalten werden kann benoumltigt man bei β-Strahlung

bereits eine duumlnne Metallplatte γ-Strahlung hingegen

kann sehr tief in Materie eindringen Wegen seiner ho-

178 6 Atome und Quantenmechanik

Photoeffekt

Wellenlaumlngen und zugehoumlri-ge Photon-Energien fuumlr das sichtbare Lichtspektrum

Bild in der Mitte (Briefmarke) mit freundlicher Genehmigung von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityR P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Wellen und Teilchen haumlngen in der Quantenmechanik

eng miteinander zusammen So ist Licht einerseits eine

elektromagnetische Welle wie Interferenzexperimen-

te zeigen bei denen Lichtwellenberge auf -berge oder

-taumller treffen und sich verstaumlrken oder ausloumlschen An-

dererseits kann Licht beim sogenannten Photoeffekt

einzelne Elektronen aus einer Metalloberflaumlche he-

rausschlagen wobei dies mit umso groumlszligerer Wucht

geschieht je kuumlrzer die Lichtwellenlaumlnge ist ndash ein Ver-

halten das sich nur durch den Teilchencharakter des

Lichtes verstehen laumlsst

Licht besteht also aus

einem Strom einzelner

Teilchen (sogenannter

Photonen) welche die

Elektronen aus der Ober-

flaumlche herausstoszligen

Fuumlr die genaue Ausarbei-

tung dieser Erkenntnis

erhielt Albert Einstein im

Jahr 1921 den Nobelpreis

fuumlr Physik ndash er hatte sie be-

reits im Jahr 1905 in seiner

Doktorarbeit formuliert

Frequenz f und Wellenlaumlnge λ der elektromagnetischen

Lichtwelle legen dabei die Energie E und den Impuls p

der Photonen fest

E = h∙f und λ = hp

Hier ist h = 6626 ∙ 10ndash34 J∙s eine Naturkonstante deren

Wert im Experiment bestimmt werden muss Sie heiszligt

Planckrsquosches Wirkungsquantum und verknuumlpft Teil-

chen- mit Welleneigenschaften

So wie Photonen mit Lichtwellen zusammenhaumlngen

so haumlngen auch beispielsweise Elektronen mit Elektro-

nenwellen zusammen und zwar nach genau denselben

Formeln wie bei den Photonen und auch allen anderen

Teilchen Wenn man beispielsweise einen Elektronen-

strahl durch einen sehr feinen Doppelspalt schickt so

findet man auf einer Flaumlche dahinter ein Interferenz-

muster aus Streifen mit vielen und mit wenigen Elekt-

ronentreffern ganz analog zum Intensitaumltsmuster von

Laserlicht hinter einem solchen Doppelspalt

Offenbar muss man den Durchgang der Elektronen

durch den Doppelspalt wie bei Licht durch eine Wel-

le beschreiben wobei eine hohe Wellenintensitaumlt einer

hohen Wahrscheinlichkeit entspricht ein Elektron an-

zutreffen

Welle-Teilchen-Dualismus Teilchen bewegen sich in Wellen

179 Welle-Teilchen-Dualismus

Das Buckminster-Fulleren C60

Reales Doppelspaltexperiment mit 11 (a) 200 (b) 6000 (c) 40 000 (d) und 140 000 (e) Elektronen

Doppelspaltexperiment mit Elektronen Interferenz von Wellen hinter einem Doppelspalt

Wellenfunktion S 180J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Im Experiment kann man naumlmlich beobachten wie auf der Flaumlche hinter

dem Doppelspalt nach und nach immer mehr einzelne Elektronen wie

zufaumlllig an verschiedenen Stellen auftreffen wobei sich schlieszliglich das

streifenfoumlrmige Interferenzmuster herausbildet

Teilchenbahnen gibt es dabei nicht mehr Alles was die Quantenmecha-

nik tun kann ist die Auftreffwahrscheinlichkeiten fuumlr die Elektronen zu

berechnen Der Ort eines einzelnen Elektrons ist dagegen in der Natur

grundsaumltzlich nicht festgelegt d h der Wahrscheinlichkeitscharakter der

Quantenmechanik ist grundsaumltzlicher Natur und hat nichts mit unge-

nauen Messungen zu tun (siehe Wellenfunktion )

Mittlerweile konnten Interferenzmuster

auch beispielsweise fuumlr Fullerenmolekuumlle

nachgewiesen werden die immerhin aus

60 Kohlenstoffatomen bestehen (Anton

Zeilinger 1999) Auch fuumlr sie gilt also der

Welle-Teilchen-Dualismus

180 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Wellenfunktion die senkrecht zu ihrer Flugrichtung im Ort be-schraumlnkt wird (z B indem man sie durch einen engen Spalt schickt) erhaumllt dadurch eine groszlige Impulsunschaumlrfe in dieselbe Richtung wodurch sie sich ausbreitet

Zwei Schwingungszustaumlnde der Wel-lenfunktion eines Elektrons im Wasser-stoffatom Die Farbe gibt die ortsabhaumln-gige Phase der Wellenfunktion an

Bild rechts oben und links mit freundlicher Genehmigung von Bernd Thaller Universitaumlt von Graz Institut fuumlr Mathematik und Wissenschaftliches RechnenB Thaller Visual Quantum Mechanics httpvqmuni-grazatindexhtml Galerie mit Darstellungen von Wellenfunktionen

Anfang des 20 Jahrhunderts haumluften sich die Hinweise dass die Materie aus

kleinen Bausteinen Elementarteilchen genannt aufgebaut ist Zuerst nahm

man an dass die Elementarteilchen kleinen Kugeln aumlhnelten die sich aumlhn-

lich wie alle Objekte unserer Erfahrungswelt auf Flugbahnen bewegen kol-

lidieren und voneinander abprallen Als man aber begann experimentell

tiefer in die Bereiche des Mikrokosmos vorzudringen wurde schnell

klar dass Elementarteilchen ganz anderen Gesetzen folgen als sagen

wir einmal Murmeln oder Steine

Eine Murmel kann man (zumindest im Prinzip) zu

jedem Zeitpunkt vollstaumlndig durch einige wenige Zahlen beschreiben

zum Beispiel Ort und Geschwindigkeit Drehimpuls etc Bei Elementar-

teilchen ist dies nicht mehr moumlglich stattdessen beschreibt man sie durch

ein raumlumlich ausgedehntes Feld Die Bewegungsgleichungen fuumlr dieses

Feld aumlhneln denen von (zum Beispiel elektromagnetischen) Wellen wes-

wegen das Feld Wellenfunktion genannt wird

Durch die Wellennatur der Teilchen gehen

jedoch typische Teilcheneigenschaften verloren

Man kann uumlber die physikalischen Groumlszligen die ein klassisches Teil-

chen beschreiben wuumlrden nur noch statistische Aussagen treffen

Auszligerdem sind gewisse Groumlszligen wie zum Beispiel Ort und Ge-

schwindigkeit des Teilchens zueinander komplementaumlr

Wellenfunktion Verschmierte Teilchen

181 Wellenfunktion

Der Franck-Hertz-Versuch S 184A Zeilinger Einsteins Schleier Die neue Welt der Quantenphysik Goldmann 2003

Die Komplementaritaumlt von Ort und Impuls

Die Komplementaritaumlt von Messgroumlszligen wie Ort und Ge-

schwindigkeit ist nicht wie oft behauptet eine Folge

von ungenauen Messungen sondern eine fun-

damentale Eigenschaft der Wellenfunktionen

An den Stellen an denen das Betragsquadrat

der Wellenfunktion groszlig ist besteht eine hohe

Wahrscheinlichkeit das Elementarteilchen anzutreffen

wenn man danach sucht Die Geschwindigkeit des Teilchens hin-

gegen ist mit der Wellenlaumlnge der Welle verknuumlpft

Um nun einer Welle eine genaue Wellenlaumlnge zuzuordnen muss

sie uumlber einen groszligen Bereich ausgebreitet sein Eine genau be-

stimmte Geschwindigkeit fuumlhrt so zu einem sehr unbestimmten

Ort

Je staumlrker hingegen die Welle an einem Ort kon-

zentriert ist desto weniger genau kann man ihr

eine Wellenlaumlnge zuschreiben weswegen ein

genau bestimmter Ort zu einer sehr ungenau be-

stimmten Geschwindigkeit fuumlhrt

Das bedeutet Je genauer der Ort des Teilchens be-

kannt ist desto ungenauer ist seine Geschwindigkeit

bestimmt und umgekehrt

Die Welleneigenschaften der kleinsten Bausteine wer-

den ganz besonders bei den Elektronen deutlich die

sich in einem Atom befinden Anders als die haumlufig

benutzte Analogie zum Sonnensystem vermuten laumlsst

umkreisen Elektronen den Atomkern nicht denn da-

fuumlr muumlssten sie gleichzeitig einen scharf definierten Ort

und eine scharfe Geschwindigkeit besitzen Stattdessen

kann man sich die Wellenfunktion des Elektrons als

dreidimensionale stehende Welle vorstellen Ebenso

wie bei einer schwingenden Instrumenten-Saite gibt es

im Atom nur bestimmte bdquoerlaubteldquo Schwingungsmo-

den der Wellenfunktion Deswegen sind fuumlr das Elek-

tron im Atom nur bestimmte Energieniveaus erlaubt

zwischen denen es jedoch per bdquo Quantensprungldquo hin-

und herwechseln kann wenn es z B durch einen Licht-

strahl dazu angeregt wird (Franck-Hertz-Versuch )

182 6 Atome und Quantenmechanik

Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt

Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen

Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral

fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-

tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt

besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich

zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-

stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf

einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige

Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-

keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es

den Raumbereich einfach nicht betreten

Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das

Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-

ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr

sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei

werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt

ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash

ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt

die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-

tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst

ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel

am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der

Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von

Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-

berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern

auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-

federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann

man mit dem Konzept des Potentials begreifen

Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der

Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-

sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-

teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte

nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter

Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als

uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )

die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens

angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-

mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-

tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an

einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je

houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in

einem Tal als auf einem Bergldquo

Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-

lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der

klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-

Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis

183 Der Tunneleffekt

Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert

Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html

tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch

waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch

verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit

das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie

ist nicht exakt null

Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-

nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-

hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-

tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit

geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf

es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen

nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-

den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber

den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je

houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den

beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-

lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein

mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-

botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch

den Berg ins naumlchste Tal gelangen

Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-

waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-

nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-

lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum

Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um

so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der

Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie

deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-

steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln

Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und

klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer

Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle

nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die

Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-

det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt

die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich

ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen

durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis

ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng

genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr

hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-

schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne

sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es

ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon

eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-

versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-

scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische

Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum

vorkommt

184 6 Atome und Quantenmechanik

Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben

Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)

Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178

Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-

perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-

drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock

Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich

ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-

tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben

Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-

aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und

hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-

nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James

Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-

ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige

Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann

sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige

den sogenannten Quanten

Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und

Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum

zwischen einer negativ geladenen

Gluumlhkathode und einer positiven

Anode ausfuumlllt An der Kathode

treten staumlndig Elektronen aus die

wegen der angelegten Spannung

in Richtung der Anode beschleu-

nigt werden Auf ihrem Weg da-

hin durchqueren die Elektronen

das Gas und stoszligen dabei staumln-

dig mit den Quecksilberatomen

zusammen An der Anode misst

man durch die Gegenspannungs-

methode die Geschwindigkeit der

ankommenden Elektronen So kann man beobachten

um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-

men verlangsamt werden

Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches

fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-

lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode

zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur

elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei

nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-

nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die

an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast

voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man

auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann

kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu

leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-

den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich

schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die

Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet

Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen

185 Der Franck-Hertz-Versuch

Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu

Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden

Schichten ihre Energie

Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen

Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-

der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende

Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter

man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten

entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-

ben

Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur

in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-

sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen

sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein

Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von

Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann

diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf

das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen

Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe

und wird dann von der angelegten Spannung wieder

aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine

Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt

es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein

Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat

Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man

also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben

Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-

tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-

gie ist dabei von Element zu Element verschieden und

muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-

ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-

huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies

mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur

Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden

war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung

der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch

bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-

niveaus in Atomen

Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-

rigens nicht lange sondern geben sie in Form von

Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die

Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von

47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau

dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-

roumlhre als Leuchten erkennen kann

186 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

Magnetfeld

Rota

tions

achs

e

Praumlzession

magnetischeKraft

Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-

chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein

halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten

Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen

muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-

zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen

Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der

Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach

seine Eigenschaften zu verstehen

Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden

Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin

eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der

Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-

gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon

Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen

und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur

Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen

Spin besitzen

Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-

allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-

nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist

so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen

magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-

netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem

senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese

insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der

Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach

oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher

Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-

feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen

die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was

aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer

Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt

(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen

Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-

nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach

dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld

unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt

Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach

diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-

nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12

aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld

schlugen sich die Silberatome nieder

Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln

187 Der Spin eines Teilchens

Spinrichtung

θ = 0deg

θ = 45deg

θ = 90deg

θ = 135deg

θ = 180deg

θ

N

S

Silberatomstrahl

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter

Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend

einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-

tationsachsen

Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-

berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-

lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das

Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die

Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel

dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in

oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild

der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-

vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens

Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-

sche Beschreibung des Spins aus Angenommen

der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die

um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist

In einem parallel zum Spin ausgerichteten

inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen

also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt

sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht

orientierten inhomogenen Magnetfeld Es

wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2

nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit

sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik

durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)

d h der Spin ist nach der Messung mit die-

sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach

oben oder nach unten orientiert Und das ist

auch schon im Wesentlichen alles was gesagt

werden kann denn die Quantenmechanik

kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen

sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen

bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der

Begriff der klassischen Rotationsachse in der

Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche

Ungleichung )

188 6 Atome und Quantenmechanik

-2-1 0 1 2 3

-3-2

-1 0

1 2

3

-1-08-06-04-02

0 02 04 06 08

1

x

y

f(xy)

Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der

Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische

Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem

Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-

scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an

einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches

man angetroffen hat

In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit

ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes

Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das

Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man

auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude

oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )

bezeichnet (genau genommen ist f(xy)

eine komplexe Zahl doch das ist hier

nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-

ronen ununterscheidbar sind darf sich

diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern

wenn wir die beiden Elektronen mitei-

nander vertauschen also das erste Elek-

tron am Ort y und das zweite Elektron

am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2

= |f(yx)|2 sein

Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)

selbst kann beim Vertauschen entweder

ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie

wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-

zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt

f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)

Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt

der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-

ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise

Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische

Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten

Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-

tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen

Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin

zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-

gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip

Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-

trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude

Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden

189 Das Pauli-Prinzip

1s

2s

2p

3s

3p

3d

18

Ener

gie

n=1

n=2

n=3

8

2

3dxsup2-ysup2

3pz 3px 3py

3s

2pz

2s

1s

3dxz 3dxy

2py

3dz2 3dyz

2px

Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)

Bosonen Fermionen

810 nK

510 nK

240 nK

Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom

Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2

Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich

zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-

nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich

f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man

in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen

mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht

am selben Ort aufhalten

Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen

derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht

denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man

beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts

Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit

ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-

mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)

groumlszligere Abstaumlnde beibehalten

Das Pauli-Prinzip stellt si-

cher dass sich in der Elek-

tronenhuumllle der Atome

eine stabile Schalenstruk-

tur ausbildet Jeder moumlgli-

che Schwingungszustand der Wellenfunktion

kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-

den die entgegengesetzte Spinausrichtung

aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-

nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige

Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken

ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip

Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-

ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es

wird durch ein subtiles Zusammenspiel von

Quantenmechanik und spezieller Relativi-

taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief

in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler

der modernen Physik begruumlndet

190 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

N

S

Magnet A

Teilchenquelle

Magnet B

Der Spin eines Teilchens S 186

In der klassischen Physik sind wir es normalerweise

gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige

Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit

diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch

Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-

spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen

haben

Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden

und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig

d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen

Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur

unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er

gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-

tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-

dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz

EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die

uumlberarbeitete Version von David Bohm)

Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-

len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen

ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-

gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst

man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht

orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird

immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein

Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-

den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash

welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist

nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall

Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-

ander verhalten werden

Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-

den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte

Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder

Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-

gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann

das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim

Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine

Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide

Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-

der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten

laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat

der Zufall Spin up entschiedenldquo

koumlnnte sich aber maximal mit

Lichtgeschwindigkeit ausbrei-

ten

Einstein Po-

dolsky und Rosen

sprachen daher von einer

bdquospukhaften Fernwirkungldquo und

folgerten dass jedes der beiden Teil-

chen doch eine verborgene lokale Eigen-

schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse

besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits

im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten

waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-

saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet

Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-

cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie

die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig

191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung

S

S

N

N

Magnet AKippwinkel 45deg

Magnet BKippwinkel 0deg

Gruppe 1(0darr 45uarr)

Teilchenquelle

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90degGruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3

0deg 45deg 90deg

J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und

ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-

rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr

1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich

diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein

Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand

gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-

nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-

rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide

Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt

werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-

gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg

Wenn die Teilchen nun doch eine

lokale innere Eigenschaft besaumlszligen

die ihr Verhalten im Magnetfeld

von vornherein festlegte so wird

es beispielsweise einige darunter

geben die bei 0deg zum Suumldpol bei

45deg zum Nordpol und bei 90deg

ebenfalls zum Nordpol abgelenkt

wuumlrden sodass wir sie mit (0

45 90 ) kennzeichnen koumln-

nen Die zugehoumlrigen Part-

nerteilchen wuumlrden sich

dabei genau entgegenge-

setzt verhalten

Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-

chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde

beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten

zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen

im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol

abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45

verhaumllt

Analog bilden wir Grup-

pe 2 als alle die Teilchen-

paare bei denen ein Teil-

chen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 45

sowie 90 besitzt sowie

Gruppe 3 als alle die Teil-

chenpaare bei denen ein

Teilchen zugleich die bei-

den Kennzeichnungen 0

sowie 90 besitzt

Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare

von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also

muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-

wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten

zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-

send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)

Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-

scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt

sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-

scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-

men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche

Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung

vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen

uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere

Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky

und Rosen wurden widerlegt

Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass

die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung

erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-

greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt

egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze

ist mehr als die Summe seiner Teile

192 6 Atome und Quantenmechanik

Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie

Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012

Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-

orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische

Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-

theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik

jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich

zufriedenstellend beantwortet sind

Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur

grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-

lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-

lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische

Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-

wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-

scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen

instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise

Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also

durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus

dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-

ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der

sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927

u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-

beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber

welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder

dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-

on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-

ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft

die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)

sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-

lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten

Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei

nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da

es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird

Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten

193 Die Interpretation der Quantenmechanik

Tritium

Wellenfunktion = +

Helium-3

ElektronAntineutrino

Detektormisst

Zerfall

makroskopische Realitaumlt

Gift

oder

Gift

Tritiumintakt

Tritiumzerfallen

Wellenfunktion =

+

Dekohaumlrenz

makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2

Gift Gift

Tritium Helium-3

ElektronAntineutrino

Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24

Doch wann genau findet eine solche Messung statt

Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin

Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches

Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem

zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die

zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste

eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet

dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-

tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit

Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers

Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-

digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der

erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-

schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der

quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die

klassische Realitaumlt der Katze

Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-

chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute

tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-

zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-

tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-

elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man

den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in

den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die

sogenannte Viele-Welten-Interpretation

Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom

weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-

same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-

tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie

bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze

jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-

vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in

Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur

sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-

de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung

mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-

abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts

mehr voneinander sodass man sie als verschiedene

Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-

der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der

Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht

In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion

des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-

ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten

verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation

zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-

lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt

im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung

des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung

zwischen Mikro- und Makrokosmos

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 9: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

178 6 Atome und Quantenmechanik

Photoeffekt

Wellenlaumlngen und zugehoumlri-ge Photon-Energien fuumlr das sichtbare Lichtspektrum

Bild in der Mitte (Briefmarke) mit freundlicher Genehmigung von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityR P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Wellen und Teilchen haumlngen in der Quantenmechanik

eng miteinander zusammen So ist Licht einerseits eine

elektromagnetische Welle wie Interferenzexperimen-

te zeigen bei denen Lichtwellenberge auf -berge oder

-taumller treffen und sich verstaumlrken oder ausloumlschen An-

dererseits kann Licht beim sogenannten Photoeffekt

einzelne Elektronen aus einer Metalloberflaumlche he-

rausschlagen wobei dies mit umso groumlszligerer Wucht

geschieht je kuumlrzer die Lichtwellenlaumlnge ist ndash ein Ver-

halten das sich nur durch den Teilchencharakter des

Lichtes verstehen laumlsst

Licht besteht also aus

einem Strom einzelner

Teilchen (sogenannter

Photonen) welche die

Elektronen aus der Ober-

flaumlche herausstoszligen

Fuumlr die genaue Ausarbei-

tung dieser Erkenntnis

erhielt Albert Einstein im

Jahr 1921 den Nobelpreis

fuumlr Physik ndash er hatte sie be-

reits im Jahr 1905 in seiner

Doktorarbeit formuliert

Frequenz f und Wellenlaumlnge λ der elektromagnetischen

Lichtwelle legen dabei die Energie E und den Impuls p

der Photonen fest

E = h∙f und λ = hp

Hier ist h = 6626 ∙ 10ndash34 J∙s eine Naturkonstante deren

Wert im Experiment bestimmt werden muss Sie heiszligt

Planckrsquosches Wirkungsquantum und verknuumlpft Teil-

chen- mit Welleneigenschaften

So wie Photonen mit Lichtwellen zusammenhaumlngen

so haumlngen auch beispielsweise Elektronen mit Elektro-

nenwellen zusammen und zwar nach genau denselben

Formeln wie bei den Photonen und auch allen anderen

Teilchen Wenn man beispielsweise einen Elektronen-

strahl durch einen sehr feinen Doppelspalt schickt so

findet man auf einer Flaumlche dahinter ein Interferenz-

muster aus Streifen mit vielen und mit wenigen Elekt-

ronentreffern ganz analog zum Intensitaumltsmuster von

Laserlicht hinter einem solchen Doppelspalt

Offenbar muss man den Durchgang der Elektronen

durch den Doppelspalt wie bei Licht durch eine Wel-

le beschreiben wobei eine hohe Wellenintensitaumlt einer

hohen Wahrscheinlichkeit entspricht ein Elektron an-

zutreffen

Welle-Teilchen-Dualismus Teilchen bewegen sich in Wellen

179 Welle-Teilchen-Dualismus

Das Buckminster-Fulleren C60

Reales Doppelspaltexperiment mit 11 (a) 200 (b) 6000 (c) 40 000 (d) und 140 000 (e) Elektronen

Doppelspaltexperiment mit Elektronen Interferenz von Wellen hinter einem Doppelspalt

Wellenfunktion S 180J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Im Experiment kann man naumlmlich beobachten wie auf der Flaumlche hinter

dem Doppelspalt nach und nach immer mehr einzelne Elektronen wie

zufaumlllig an verschiedenen Stellen auftreffen wobei sich schlieszliglich das

streifenfoumlrmige Interferenzmuster herausbildet

Teilchenbahnen gibt es dabei nicht mehr Alles was die Quantenmecha-

nik tun kann ist die Auftreffwahrscheinlichkeiten fuumlr die Elektronen zu

berechnen Der Ort eines einzelnen Elektrons ist dagegen in der Natur

grundsaumltzlich nicht festgelegt d h der Wahrscheinlichkeitscharakter der

Quantenmechanik ist grundsaumltzlicher Natur und hat nichts mit unge-

nauen Messungen zu tun (siehe Wellenfunktion )

Mittlerweile konnten Interferenzmuster

auch beispielsweise fuumlr Fullerenmolekuumlle

nachgewiesen werden die immerhin aus

60 Kohlenstoffatomen bestehen (Anton

Zeilinger 1999) Auch fuumlr sie gilt also der

Welle-Teilchen-Dualismus

180 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Wellenfunktion die senkrecht zu ihrer Flugrichtung im Ort be-schraumlnkt wird (z B indem man sie durch einen engen Spalt schickt) erhaumllt dadurch eine groszlige Impulsunschaumlrfe in dieselbe Richtung wodurch sie sich ausbreitet

Zwei Schwingungszustaumlnde der Wel-lenfunktion eines Elektrons im Wasser-stoffatom Die Farbe gibt die ortsabhaumln-gige Phase der Wellenfunktion an

Bild rechts oben und links mit freundlicher Genehmigung von Bernd Thaller Universitaumlt von Graz Institut fuumlr Mathematik und Wissenschaftliches RechnenB Thaller Visual Quantum Mechanics httpvqmuni-grazatindexhtml Galerie mit Darstellungen von Wellenfunktionen

Anfang des 20 Jahrhunderts haumluften sich die Hinweise dass die Materie aus

kleinen Bausteinen Elementarteilchen genannt aufgebaut ist Zuerst nahm

man an dass die Elementarteilchen kleinen Kugeln aumlhnelten die sich aumlhn-

lich wie alle Objekte unserer Erfahrungswelt auf Flugbahnen bewegen kol-

lidieren und voneinander abprallen Als man aber begann experimentell

tiefer in die Bereiche des Mikrokosmos vorzudringen wurde schnell

klar dass Elementarteilchen ganz anderen Gesetzen folgen als sagen

wir einmal Murmeln oder Steine

Eine Murmel kann man (zumindest im Prinzip) zu

jedem Zeitpunkt vollstaumlndig durch einige wenige Zahlen beschreiben

zum Beispiel Ort und Geschwindigkeit Drehimpuls etc Bei Elementar-

teilchen ist dies nicht mehr moumlglich stattdessen beschreibt man sie durch

ein raumlumlich ausgedehntes Feld Die Bewegungsgleichungen fuumlr dieses

Feld aumlhneln denen von (zum Beispiel elektromagnetischen) Wellen wes-

wegen das Feld Wellenfunktion genannt wird

Durch die Wellennatur der Teilchen gehen

jedoch typische Teilcheneigenschaften verloren

Man kann uumlber die physikalischen Groumlszligen die ein klassisches Teil-

chen beschreiben wuumlrden nur noch statistische Aussagen treffen

Auszligerdem sind gewisse Groumlszligen wie zum Beispiel Ort und Ge-

schwindigkeit des Teilchens zueinander komplementaumlr

Wellenfunktion Verschmierte Teilchen

181 Wellenfunktion

Der Franck-Hertz-Versuch S 184A Zeilinger Einsteins Schleier Die neue Welt der Quantenphysik Goldmann 2003

Die Komplementaritaumlt von Ort und Impuls

Die Komplementaritaumlt von Messgroumlszligen wie Ort und Ge-

schwindigkeit ist nicht wie oft behauptet eine Folge

von ungenauen Messungen sondern eine fun-

damentale Eigenschaft der Wellenfunktionen

An den Stellen an denen das Betragsquadrat

der Wellenfunktion groszlig ist besteht eine hohe

Wahrscheinlichkeit das Elementarteilchen anzutreffen

wenn man danach sucht Die Geschwindigkeit des Teilchens hin-

gegen ist mit der Wellenlaumlnge der Welle verknuumlpft

Um nun einer Welle eine genaue Wellenlaumlnge zuzuordnen muss

sie uumlber einen groszligen Bereich ausgebreitet sein Eine genau be-

stimmte Geschwindigkeit fuumlhrt so zu einem sehr unbestimmten

Ort

Je staumlrker hingegen die Welle an einem Ort kon-

zentriert ist desto weniger genau kann man ihr

eine Wellenlaumlnge zuschreiben weswegen ein

genau bestimmter Ort zu einer sehr ungenau be-

stimmten Geschwindigkeit fuumlhrt

Das bedeutet Je genauer der Ort des Teilchens be-

kannt ist desto ungenauer ist seine Geschwindigkeit

bestimmt und umgekehrt

Die Welleneigenschaften der kleinsten Bausteine wer-

den ganz besonders bei den Elektronen deutlich die

sich in einem Atom befinden Anders als die haumlufig

benutzte Analogie zum Sonnensystem vermuten laumlsst

umkreisen Elektronen den Atomkern nicht denn da-

fuumlr muumlssten sie gleichzeitig einen scharf definierten Ort

und eine scharfe Geschwindigkeit besitzen Stattdessen

kann man sich die Wellenfunktion des Elektrons als

dreidimensionale stehende Welle vorstellen Ebenso

wie bei einer schwingenden Instrumenten-Saite gibt es

im Atom nur bestimmte bdquoerlaubteldquo Schwingungsmo-

den der Wellenfunktion Deswegen sind fuumlr das Elek-

tron im Atom nur bestimmte Energieniveaus erlaubt

zwischen denen es jedoch per bdquo Quantensprungldquo hin-

und herwechseln kann wenn es z B durch einen Licht-

strahl dazu angeregt wird (Franck-Hertz-Versuch )

182 6 Atome und Quantenmechanik

Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt

Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen

Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral

fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-

tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt

besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich

zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-

stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf

einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige

Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-

keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es

den Raumbereich einfach nicht betreten

Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das

Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-

ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr

sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei

werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt

ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash

ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt

die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-

tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst

ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel

am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der

Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von

Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-

berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern

auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-

federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann

man mit dem Konzept des Potentials begreifen

Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der

Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-

sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-

teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte

nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter

Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als

uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )

die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens

angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-

mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-

tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an

einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je

houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in

einem Tal als auf einem Bergldquo

Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-

lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der

klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-

Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis

183 Der Tunneleffekt

Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert

Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html

tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch

waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch

verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit

das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie

ist nicht exakt null

Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-

nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-

hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-

tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit

geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf

es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen

nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-

den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber

den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je

houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den

beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-

lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein

mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-

botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch

den Berg ins naumlchste Tal gelangen

Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-

waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-

nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-

lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum

Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um

so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der

Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie

deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-

steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln

Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und

klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer

Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle

nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die

Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-

det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt

die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich

ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen

durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis

ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng

genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr

hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-

schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne

sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es

ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon

eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-

versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-

scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische

Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum

vorkommt

184 6 Atome und Quantenmechanik

Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben

Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)

Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178

Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-

perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-

drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock

Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich

ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-

tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben

Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-

aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und

hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-

nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James

Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-

ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige

Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann

sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige

den sogenannten Quanten

Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und

Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum

zwischen einer negativ geladenen

Gluumlhkathode und einer positiven

Anode ausfuumlllt An der Kathode

treten staumlndig Elektronen aus die

wegen der angelegten Spannung

in Richtung der Anode beschleu-

nigt werden Auf ihrem Weg da-

hin durchqueren die Elektronen

das Gas und stoszligen dabei staumln-

dig mit den Quecksilberatomen

zusammen An der Anode misst

man durch die Gegenspannungs-

methode die Geschwindigkeit der

ankommenden Elektronen So kann man beobachten

um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-

men verlangsamt werden

Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches

fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-

lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode

zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur

elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei

nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-

nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die

an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast

voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man

auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann

kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu

leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-

den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich

schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die

Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet

Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen

185 Der Franck-Hertz-Versuch

Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu

Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden

Schichten ihre Energie

Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen

Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-

der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende

Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter

man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten

entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-

ben

Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur

in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-

sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen

sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein

Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von

Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann

diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf

das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen

Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe

und wird dann von der angelegten Spannung wieder

aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine

Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt

es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein

Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat

Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man

also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben

Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-

tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-

gie ist dabei von Element zu Element verschieden und

muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-

ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-

huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies

mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur

Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden

war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung

der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch

bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-

niveaus in Atomen

Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-

rigens nicht lange sondern geben sie in Form von

Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die

Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von

47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau

dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-

roumlhre als Leuchten erkennen kann

186 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

Magnetfeld

Rota

tions

achs

e

Praumlzession

magnetischeKraft

Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-

chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein

halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten

Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen

muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-

zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen

Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der

Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach

seine Eigenschaften zu verstehen

Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden

Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin

eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der

Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-

gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon

Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen

und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur

Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen

Spin besitzen

Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-

allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-

nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist

so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen

magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-

netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem

senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese

insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der

Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach

oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher

Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-

feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen

die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was

aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer

Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt

(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen

Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-

nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach

dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld

unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt

Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach

diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-

nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12

aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld

schlugen sich die Silberatome nieder

Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln

187 Der Spin eines Teilchens

Spinrichtung

θ = 0deg

θ = 45deg

θ = 90deg

θ = 135deg

θ = 180deg

θ

N

S

Silberatomstrahl

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter

Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend

einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-

tationsachsen

Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-

berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-

lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das

Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die

Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel

dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in

oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild

der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-

vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens

Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-

sche Beschreibung des Spins aus Angenommen

der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die

um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist

In einem parallel zum Spin ausgerichteten

inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen

also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt

sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht

orientierten inhomogenen Magnetfeld Es

wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2

nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit

sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik

durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)

d h der Spin ist nach der Messung mit die-

sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach

oben oder nach unten orientiert Und das ist

auch schon im Wesentlichen alles was gesagt

werden kann denn die Quantenmechanik

kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen

sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen

bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der

Begriff der klassischen Rotationsachse in der

Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche

Ungleichung )

188 6 Atome und Quantenmechanik

-2-1 0 1 2 3

-3-2

-1 0

1 2

3

-1-08-06-04-02

0 02 04 06 08

1

x

y

f(xy)

Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der

Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische

Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem

Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-

scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an

einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches

man angetroffen hat

In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit

ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes

Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das

Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man

auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude

oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )

bezeichnet (genau genommen ist f(xy)

eine komplexe Zahl doch das ist hier

nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-

ronen ununterscheidbar sind darf sich

diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern

wenn wir die beiden Elektronen mitei-

nander vertauschen also das erste Elek-

tron am Ort y und das zweite Elektron

am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2

= |f(yx)|2 sein

Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)

selbst kann beim Vertauschen entweder

ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie

wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-

zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt

f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)

Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt

der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-

ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise

Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische

Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten

Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-

tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen

Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin

zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-

gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip

Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-

trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude

Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden

189 Das Pauli-Prinzip

1s

2s

2p

3s

3p

3d

18

Ener

gie

n=1

n=2

n=3

8

2

3dxsup2-ysup2

3pz 3px 3py

3s

2pz

2s

1s

3dxz 3dxy

2py

3dz2 3dyz

2px

Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)

Bosonen Fermionen

810 nK

510 nK

240 nK

Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom

Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2

Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich

zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-

nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich

f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man

in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen

mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht

am selben Ort aufhalten

Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen

derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht

denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man

beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts

Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit

ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-

mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)

groumlszligere Abstaumlnde beibehalten

Das Pauli-Prinzip stellt si-

cher dass sich in der Elek-

tronenhuumllle der Atome

eine stabile Schalenstruk-

tur ausbildet Jeder moumlgli-

che Schwingungszustand der Wellenfunktion

kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-

den die entgegengesetzte Spinausrichtung

aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-

nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige

Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken

ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip

Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-

ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es

wird durch ein subtiles Zusammenspiel von

Quantenmechanik und spezieller Relativi-

taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief

in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler

der modernen Physik begruumlndet

190 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

N

S

Magnet A

Teilchenquelle

Magnet B

Der Spin eines Teilchens S 186

In der klassischen Physik sind wir es normalerweise

gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige

Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit

diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch

Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-

spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen

haben

Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden

und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig

d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen

Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur

unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er

gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-

tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-

dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz

EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die

uumlberarbeitete Version von David Bohm)

Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-

len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen

ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-

gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst

man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht

orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird

immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein

Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-

den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash

welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist

nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall

Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-

ander verhalten werden

Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-

den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte

Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder

Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-

gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann

das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim

Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine

Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide

Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-

der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten

laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat

der Zufall Spin up entschiedenldquo

koumlnnte sich aber maximal mit

Lichtgeschwindigkeit ausbrei-

ten

Einstein Po-

dolsky und Rosen

sprachen daher von einer

bdquospukhaften Fernwirkungldquo und

folgerten dass jedes der beiden Teil-

chen doch eine verborgene lokale Eigen-

schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse

besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits

im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten

waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-

saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet

Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-

cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie

die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig

191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung

S

S

N

N

Magnet AKippwinkel 45deg

Magnet BKippwinkel 0deg

Gruppe 1(0darr 45uarr)

Teilchenquelle

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90degGruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3

0deg 45deg 90deg

J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und

ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-

rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr

1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich

diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein

Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand

gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-

nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-

rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide

Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt

werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-

gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg

Wenn die Teilchen nun doch eine

lokale innere Eigenschaft besaumlszligen

die ihr Verhalten im Magnetfeld

von vornherein festlegte so wird

es beispielsweise einige darunter

geben die bei 0deg zum Suumldpol bei

45deg zum Nordpol und bei 90deg

ebenfalls zum Nordpol abgelenkt

wuumlrden sodass wir sie mit (0

45 90 ) kennzeichnen koumln-

nen Die zugehoumlrigen Part-

nerteilchen wuumlrden sich

dabei genau entgegenge-

setzt verhalten

Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-

chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde

beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten

zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen

im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol

abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45

verhaumllt

Analog bilden wir Grup-

pe 2 als alle die Teilchen-

paare bei denen ein Teil-

chen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 45

sowie 90 besitzt sowie

Gruppe 3 als alle die Teil-

chenpaare bei denen ein

Teilchen zugleich die bei-

den Kennzeichnungen 0

sowie 90 besitzt

Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare

von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also

muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-

wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten

zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-

send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)

Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-

scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt

sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-

scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-

men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche

Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung

vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen

uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere

Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky

und Rosen wurden widerlegt

Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass

die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung

erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-

greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt

egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze

ist mehr als die Summe seiner Teile

192 6 Atome und Quantenmechanik

Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie

Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012

Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-

orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische

Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-

theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik

jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich

zufriedenstellend beantwortet sind

Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur

grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-

lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-

lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische

Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-

wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-

scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen

instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise

Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also

durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus

dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-

ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der

sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927

u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-

beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber

welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder

dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-

on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-

ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft

die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)

sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-

lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten

Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei

nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da

es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird

Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten

193 Die Interpretation der Quantenmechanik

Tritium

Wellenfunktion = +

Helium-3

ElektronAntineutrino

Detektormisst

Zerfall

makroskopische Realitaumlt

Gift

oder

Gift

Tritiumintakt

Tritiumzerfallen

Wellenfunktion =

+

Dekohaumlrenz

makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2

Gift Gift

Tritium Helium-3

ElektronAntineutrino

Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24

Doch wann genau findet eine solche Messung statt

Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin

Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches

Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem

zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die

zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste

eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet

dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-

tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit

Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers

Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-

digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der

erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-

schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der

quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die

klassische Realitaumlt der Katze

Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-

chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute

tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-

zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-

tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-

elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man

den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in

den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die

sogenannte Viele-Welten-Interpretation

Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom

weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-

same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-

tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie

bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze

jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-

vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in

Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur

sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-

de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung

mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-

abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts

mehr voneinander sodass man sie als verschiedene

Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-

der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der

Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht

In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion

des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-

ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten

verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation

zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-

lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt

im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung

des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung

zwischen Mikro- und Makrokosmos

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 10: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

179 Welle-Teilchen-Dualismus

Das Buckminster-Fulleren C60

Reales Doppelspaltexperiment mit 11 (a) 200 (b) 6000 (c) 40 000 (d) und 140 000 (e) Elektronen

Doppelspaltexperiment mit Elektronen Interferenz von Wellen hinter einem Doppelspalt

Wellenfunktion S 180J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Im Experiment kann man naumlmlich beobachten wie auf der Flaumlche hinter

dem Doppelspalt nach und nach immer mehr einzelne Elektronen wie

zufaumlllig an verschiedenen Stellen auftreffen wobei sich schlieszliglich das

streifenfoumlrmige Interferenzmuster herausbildet

Teilchenbahnen gibt es dabei nicht mehr Alles was die Quantenmecha-

nik tun kann ist die Auftreffwahrscheinlichkeiten fuumlr die Elektronen zu

berechnen Der Ort eines einzelnen Elektrons ist dagegen in der Natur

grundsaumltzlich nicht festgelegt d h der Wahrscheinlichkeitscharakter der

Quantenmechanik ist grundsaumltzlicher Natur und hat nichts mit unge-

nauen Messungen zu tun (siehe Wellenfunktion )

Mittlerweile konnten Interferenzmuster

auch beispielsweise fuumlr Fullerenmolekuumlle

nachgewiesen werden die immerhin aus

60 Kohlenstoffatomen bestehen (Anton

Zeilinger 1999) Auch fuumlr sie gilt also der

Welle-Teilchen-Dualismus

180 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Wellenfunktion die senkrecht zu ihrer Flugrichtung im Ort be-schraumlnkt wird (z B indem man sie durch einen engen Spalt schickt) erhaumllt dadurch eine groszlige Impulsunschaumlrfe in dieselbe Richtung wodurch sie sich ausbreitet

Zwei Schwingungszustaumlnde der Wel-lenfunktion eines Elektrons im Wasser-stoffatom Die Farbe gibt die ortsabhaumln-gige Phase der Wellenfunktion an

Bild rechts oben und links mit freundlicher Genehmigung von Bernd Thaller Universitaumlt von Graz Institut fuumlr Mathematik und Wissenschaftliches RechnenB Thaller Visual Quantum Mechanics httpvqmuni-grazatindexhtml Galerie mit Darstellungen von Wellenfunktionen

Anfang des 20 Jahrhunderts haumluften sich die Hinweise dass die Materie aus

kleinen Bausteinen Elementarteilchen genannt aufgebaut ist Zuerst nahm

man an dass die Elementarteilchen kleinen Kugeln aumlhnelten die sich aumlhn-

lich wie alle Objekte unserer Erfahrungswelt auf Flugbahnen bewegen kol-

lidieren und voneinander abprallen Als man aber begann experimentell

tiefer in die Bereiche des Mikrokosmos vorzudringen wurde schnell

klar dass Elementarteilchen ganz anderen Gesetzen folgen als sagen

wir einmal Murmeln oder Steine

Eine Murmel kann man (zumindest im Prinzip) zu

jedem Zeitpunkt vollstaumlndig durch einige wenige Zahlen beschreiben

zum Beispiel Ort und Geschwindigkeit Drehimpuls etc Bei Elementar-

teilchen ist dies nicht mehr moumlglich stattdessen beschreibt man sie durch

ein raumlumlich ausgedehntes Feld Die Bewegungsgleichungen fuumlr dieses

Feld aumlhneln denen von (zum Beispiel elektromagnetischen) Wellen wes-

wegen das Feld Wellenfunktion genannt wird

Durch die Wellennatur der Teilchen gehen

jedoch typische Teilcheneigenschaften verloren

Man kann uumlber die physikalischen Groumlszligen die ein klassisches Teil-

chen beschreiben wuumlrden nur noch statistische Aussagen treffen

Auszligerdem sind gewisse Groumlszligen wie zum Beispiel Ort und Ge-

schwindigkeit des Teilchens zueinander komplementaumlr

Wellenfunktion Verschmierte Teilchen

181 Wellenfunktion

Der Franck-Hertz-Versuch S 184A Zeilinger Einsteins Schleier Die neue Welt der Quantenphysik Goldmann 2003

Die Komplementaritaumlt von Ort und Impuls

Die Komplementaritaumlt von Messgroumlszligen wie Ort und Ge-

schwindigkeit ist nicht wie oft behauptet eine Folge

von ungenauen Messungen sondern eine fun-

damentale Eigenschaft der Wellenfunktionen

An den Stellen an denen das Betragsquadrat

der Wellenfunktion groszlig ist besteht eine hohe

Wahrscheinlichkeit das Elementarteilchen anzutreffen

wenn man danach sucht Die Geschwindigkeit des Teilchens hin-

gegen ist mit der Wellenlaumlnge der Welle verknuumlpft

Um nun einer Welle eine genaue Wellenlaumlnge zuzuordnen muss

sie uumlber einen groszligen Bereich ausgebreitet sein Eine genau be-

stimmte Geschwindigkeit fuumlhrt so zu einem sehr unbestimmten

Ort

Je staumlrker hingegen die Welle an einem Ort kon-

zentriert ist desto weniger genau kann man ihr

eine Wellenlaumlnge zuschreiben weswegen ein

genau bestimmter Ort zu einer sehr ungenau be-

stimmten Geschwindigkeit fuumlhrt

Das bedeutet Je genauer der Ort des Teilchens be-

kannt ist desto ungenauer ist seine Geschwindigkeit

bestimmt und umgekehrt

Die Welleneigenschaften der kleinsten Bausteine wer-

den ganz besonders bei den Elektronen deutlich die

sich in einem Atom befinden Anders als die haumlufig

benutzte Analogie zum Sonnensystem vermuten laumlsst

umkreisen Elektronen den Atomkern nicht denn da-

fuumlr muumlssten sie gleichzeitig einen scharf definierten Ort

und eine scharfe Geschwindigkeit besitzen Stattdessen

kann man sich die Wellenfunktion des Elektrons als

dreidimensionale stehende Welle vorstellen Ebenso

wie bei einer schwingenden Instrumenten-Saite gibt es

im Atom nur bestimmte bdquoerlaubteldquo Schwingungsmo-

den der Wellenfunktion Deswegen sind fuumlr das Elek-

tron im Atom nur bestimmte Energieniveaus erlaubt

zwischen denen es jedoch per bdquo Quantensprungldquo hin-

und herwechseln kann wenn es z B durch einen Licht-

strahl dazu angeregt wird (Franck-Hertz-Versuch )

182 6 Atome und Quantenmechanik

Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt

Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen

Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral

fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-

tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt

besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich

zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-

stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf

einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige

Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-

keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es

den Raumbereich einfach nicht betreten

Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das

Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-

ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr

sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei

werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt

ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash

ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt

die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-

tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst

ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel

am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der

Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von

Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-

berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern

auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-

federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann

man mit dem Konzept des Potentials begreifen

Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der

Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-

sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-

teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte

nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter

Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als

uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )

die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens

angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-

mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-

tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an

einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je

houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in

einem Tal als auf einem Bergldquo

Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-

lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der

klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-

Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis

183 Der Tunneleffekt

Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert

Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html

tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch

waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch

verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit

das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie

ist nicht exakt null

Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-

nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-

hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-

tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit

geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf

es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen

nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-

den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber

den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je

houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den

beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-

lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein

mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-

botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch

den Berg ins naumlchste Tal gelangen

Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-

waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-

nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-

lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum

Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um

so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der

Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie

deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-

steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln

Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und

klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer

Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle

nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die

Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-

det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt

die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich

ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen

durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis

ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng

genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr

hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-

schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne

sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es

ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon

eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-

versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-

scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische

Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum

vorkommt

184 6 Atome und Quantenmechanik

Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben

Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)

Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178

Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-

perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-

drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock

Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich

ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-

tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben

Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-

aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und

hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-

nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James

Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-

ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige

Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann

sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige

den sogenannten Quanten

Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und

Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum

zwischen einer negativ geladenen

Gluumlhkathode und einer positiven

Anode ausfuumlllt An der Kathode

treten staumlndig Elektronen aus die

wegen der angelegten Spannung

in Richtung der Anode beschleu-

nigt werden Auf ihrem Weg da-

hin durchqueren die Elektronen

das Gas und stoszligen dabei staumln-

dig mit den Quecksilberatomen

zusammen An der Anode misst

man durch die Gegenspannungs-

methode die Geschwindigkeit der

ankommenden Elektronen So kann man beobachten

um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-

men verlangsamt werden

Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches

fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-

lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode

zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur

elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei

nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-

nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die

an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast

voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man

auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann

kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu

leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-

den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich

schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die

Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet

Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen

185 Der Franck-Hertz-Versuch

Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu

Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden

Schichten ihre Energie

Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen

Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-

der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende

Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter

man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten

entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-

ben

Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur

in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-

sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen

sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein

Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von

Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann

diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf

das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen

Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe

und wird dann von der angelegten Spannung wieder

aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine

Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt

es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein

Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat

Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man

also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben

Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-

tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-

gie ist dabei von Element zu Element verschieden und

muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-

ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-

huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies

mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur

Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden

war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung

der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch

bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-

niveaus in Atomen

Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-

rigens nicht lange sondern geben sie in Form von

Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die

Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von

47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau

dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-

roumlhre als Leuchten erkennen kann

186 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

Magnetfeld

Rota

tions

achs

e

Praumlzession

magnetischeKraft

Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-

chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein

halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten

Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen

muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-

zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen

Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der

Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach

seine Eigenschaften zu verstehen

Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden

Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin

eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der

Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-

gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon

Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen

und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur

Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen

Spin besitzen

Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-

allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-

nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist

so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen

magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-

netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem

senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese

insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der

Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach

oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher

Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-

feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen

die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was

aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer

Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt

(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen

Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-

nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach

dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld

unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt

Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach

diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-

nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12

aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld

schlugen sich die Silberatome nieder

Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln

187 Der Spin eines Teilchens

Spinrichtung

θ = 0deg

θ = 45deg

θ = 90deg

θ = 135deg

θ = 180deg

θ

N

S

Silberatomstrahl

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter

Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend

einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-

tationsachsen

Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-

berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-

lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das

Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die

Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel

dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in

oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild

der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-

vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens

Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-

sche Beschreibung des Spins aus Angenommen

der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die

um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist

In einem parallel zum Spin ausgerichteten

inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen

also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt

sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht

orientierten inhomogenen Magnetfeld Es

wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2

nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit

sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik

durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)

d h der Spin ist nach der Messung mit die-

sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach

oben oder nach unten orientiert Und das ist

auch schon im Wesentlichen alles was gesagt

werden kann denn die Quantenmechanik

kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen

sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen

bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der

Begriff der klassischen Rotationsachse in der

Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche

Ungleichung )

188 6 Atome und Quantenmechanik

-2-1 0 1 2 3

-3-2

-1 0

1 2

3

-1-08-06-04-02

0 02 04 06 08

1

x

y

f(xy)

Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der

Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische

Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem

Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-

scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an

einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches

man angetroffen hat

In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit

ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes

Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das

Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man

auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude

oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )

bezeichnet (genau genommen ist f(xy)

eine komplexe Zahl doch das ist hier

nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-

ronen ununterscheidbar sind darf sich

diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern

wenn wir die beiden Elektronen mitei-

nander vertauschen also das erste Elek-

tron am Ort y und das zweite Elektron

am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2

= |f(yx)|2 sein

Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)

selbst kann beim Vertauschen entweder

ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie

wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-

zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt

f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)

Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt

der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-

ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise

Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische

Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten

Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-

tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen

Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin

zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-

gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip

Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-

trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude

Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden

189 Das Pauli-Prinzip

1s

2s

2p

3s

3p

3d

18

Ener

gie

n=1

n=2

n=3

8

2

3dxsup2-ysup2

3pz 3px 3py

3s

2pz

2s

1s

3dxz 3dxy

2py

3dz2 3dyz

2px

Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)

Bosonen Fermionen

810 nK

510 nK

240 nK

Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom

Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2

Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich

zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-

nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich

f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man

in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen

mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht

am selben Ort aufhalten

Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen

derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht

denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man

beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts

Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit

ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-

mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)

groumlszligere Abstaumlnde beibehalten

Das Pauli-Prinzip stellt si-

cher dass sich in der Elek-

tronenhuumllle der Atome

eine stabile Schalenstruk-

tur ausbildet Jeder moumlgli-

che Schwingungszustand der Wellenfunktion

kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-

den die entgegengesetzte Spinausrichtung

aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-

nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige

Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken

ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip

Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-

ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es

wird durch ein subtiles Zusammenspiel von

Quantenmechanik und spezieller Relativi-

taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief

in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler

der modernen Physik begruumlndet

190 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

N

S

Magnet A

Teilchenquelle

Magnet B

Der Spin eines Teilchens S 186

In der klassischen Physik sind wir es normalerweise

gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige

Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit

diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch

Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-

spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen

haben

Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden

und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig

d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen

Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur

unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er

gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-

tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-

dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz

EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die

uumlberarbeitete Version von David Bohm)

Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-

len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen

ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-

gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst

man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht

orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird

immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein

Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-

den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash

welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist

nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall

Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-

ander verhalten werden

Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-

den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte

Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder

Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-

gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann

das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim

Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine

Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide

Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-

der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten

laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat

der Zufall Spin up entschiedenldquo

koumlnnte sich aber maximal mit

Lichtgeschwindigkeit ausbrei-

ten

Einstein Po-

dolsky und Rosen

sprachen daher von einer

bdquospukhaften Fernwirkungldquo und

folgerten dass jedes der beiden Teil-

chen doch eine verborgene lokale Eigen-

schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse

besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits

im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten

waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-

saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet

Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-

cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie

die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig

191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung

S

S

N

N

Magnet AKippwinkel 45deg

Magnet BKippwinkel 0deg

Gruppe 1(0darr 45uarr)

Teilchenquelle

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90degGruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3

0deg 45deg 90deg

J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und

ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-

rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr

1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich

diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein

Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand

gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-

nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-

rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide

Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt

werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-

gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg

Wenn die Teilchen nun doch eine

lokale innere Eigenschaft besaumlszligen

die ihr Verhalten im Magnetfeld

von vornherein festlegte so wird

es beispielsweise einige darunter

geben die bei 0deg zum Suumldpol bei

45deg zum Nordpol und bei 90deg

ebenfalls zum Nordpol abgelenkt

wuumlrden sodass wir sie mit (0

45 90 ) kennzeichnen koumln-

nen Die zugehoumlrigen Part-

nerteilchen wuumlrden sich

dabei genau entgegenge-

setzt verhalten

Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-

chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde

beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten

zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen

im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol

abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45

verhaumllt

Analog bilden wir Grup-

pe 2 als alle die Teilchen-

paare bei denen ein Teil-

chen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 45

sowie 90 besitzt sowie

Gruppe 3 als alle die Teil-

chenpaare bei denen ein

Teilchen zugleich die bei-

den Kennzeichnungen 0

sowie 90 besitzt

Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare

von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also

muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-

wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten

zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-

send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)

Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-

scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt

sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-

scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-

men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche

Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung

vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen

uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere

Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky

und Rosen wurden widerlegt

Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass

die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung

erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-

greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt

egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze

ist mehr als die Summe seiner Teile

192 6 Atome und Quantenmechanik

Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie

Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012

Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-

orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische

Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-

theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik

jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich

zufriedenstellend beantwortet sind

Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur

grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-

lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-

lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische

Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-

wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-

scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen

instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise

Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also

durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus

dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-

ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der

sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927

u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-

beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber

welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder

dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-

on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-

ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft

die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)

sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-

lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten

Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei

nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da

es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird

Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten

193 Die Interpretation der Quantenmechanik

Tritium

Wellenfunktion = +

Helium-3

ElektronAntineutrino

Detektormisst

Zerfall

makroskopische Realitaumlt

Gift

oder

Gift

Tritiumintakt

Tritiumzerfallen

Wellenfunktion =

+

Dekohaumlrenz

makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2

Gift Gift

Tritium Helium-3

ElektronAntineutrino

Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24

Doch wann genau findet eine solche Messung statt

Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin

Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches

Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem

zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die

zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste

eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet

dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-

tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit

Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers

Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-

digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der

erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-

schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der

quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die

klassische Realitaumlt der Katze

Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-

chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute

tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-

zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-

tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-

elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man

den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in

den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die

sogenannte Viele-Welten-Interpretation

Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom

weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-

same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-

tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie

bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze

jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-

vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in

Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur

sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-

de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung

mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-

abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts

mehr voneinander sodass man sie als verschiedene

Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-

der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der

Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht

In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion

des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-

ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten

verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation

zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-

lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt

im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung

des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung

zwischen Mikro- und Makrokosmos

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 11: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

180 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Wellenfunktion die senkrecht zu ihrer Flugrichtung im Ort be-schraumlnkt wird (z B indem man sie durch einen engen Spalt schickt) erhaumllt dadurch eine groszlige Impulsunschaumlrfe in dieselbe Richtung wodurch sie sich ausbreitet

Zwei Schwingungszustaumlnde der Wel-lenfunktion eines Elektrons im Wasser-stoffatom Die Farbe gibt die ortsabhaumln-gige Phase der Wellenfunktion an

Bild rechts oben und links mit freundlicher Genehmigung von Bernd Thaller Universitaumlt von Graz Institut fuumlr Mathematik und Wissenschaftliches RechnenB Thaller Visual Quantum Mechanics httpvqmuni-grazatindexhtml Galerie mit Darstellungen von Wellenfunktionen

Anfang des 20 Jahrhunderts haumluften sich die Hinweise dass die Materie aus

kleinen Bausteinen Elementarteilchen genannt aufgebaut ist Zuerst nahm

man an dass die Elementarteilchen kleinen Kugeln aumlhnelten die sich aumlhn-

lich wie alle Objekte unserer Erfahrungswelt auf Flugbahnen bewegen kol-

lidieren und voneinander abprallen Als man aber begann experimentell

tiefer in die Bereiche des Mikrokosmos vorzudringen wurde schnell

klar dass Elementarteilchen ganz anderen Gesetzen folgen als sagen

wir einmal Murmeln oder Steine

Eine Murmel kann man (zumindest im Prinzip) zu

jedem Zeitpunkt vollstaumlndig durch einige wenige Zahlen beschreiben

zum Beispiel Ort und Geschwindigkeit Drehimpuls etc Bei Elementar-

teilchen ist dies nicht mehr moumlglich stattdessen beschreibt man sie durch

ein raumlumlich ausgedehntes Feld Die Bewegungsgleichungen fuumlr dieses

Feld aumlhneln denen von (zum Beispiel elektromagnetischen) Wellen wes-

wegen das Feld Wellenfunktion genannt wird

Durch die Wellennatur der Teilchen gehen

jedoch typische Teilcheneigenschaften verloren

Man kann uumlber die physikalischen Groumlszligen die ein klassisches Teil-

chen beschreiben wuumlrden nur noch statistische Aussagen treffen

Auszligerdem sind gewisse Groumlszligen wie zum Beispiel Ort und Ge-

schwindigkeit des Teilchens zueinander komplementaumlr

Wellenfunktion Verschmierte Teilchen

181 Wellenfunktion

Der Franck-Hertz-Versuch S 184A Zeilinger Einsteins Schleier Die neue Welt der Quantenphysik Goldmann 2003

Die Komplementaritaumlt von Ort und Impuls

Die Komplementaritaumlt von Messgroumlszligen wie Ort und Ge-

schwindigkeit ist nicht wie oft behauptet eine Folge

von ungenauen Messungen sondern eine fun-

damentale Eigenschaft der Wellenfunktionen

An den Stellen an denen das Betragsquadrat

der Wellenfunktion groszlig ist besteht eine hohe

Wahrscheinlichkeit das Elementarteilchen anzutreffen

wenn man danach sucht Die Geschwindigkeit des Teilchens hin-

gegen ist mit der Wellenlaumlnge der Welle verknuumlpft

Um nun einer Welle eine genaue Wellenlaumlnge zuzuordnen muss

sie uumlber einen groszligen Bereich ausgebreitet sein Eine genau be-

stimmte Geschwindigkeit fuumlhrt so zu einem sehr unbestimmten

Ort

Je staumlrker hingegen die Welle an einem Ort kon-

zentriert ist desto weniger genau kann man ihr

eine Wellenlaumlnge zuschreiben weswegen ein

genau bestimmter Ort zu einer sehr ungenau be-

stimmten Geschwindigkeit fuumlhrt

Das bedeutet Je genauer der Ort des Teilchens be-

kannt ist desto ungenauer ist seine Geschwindigkeit

bestimmt und umgekehrt

Die Welleneigenschaften der kleinsten Bausteine wer-

den ganz besonders bei den Elektronen deutlich die

sich in einem Atom befinden Anders als die haumlufig

benutzte Analogie zum Sonnensystem vermuten laumlsst

umkreisen Elektronen den Atomkern nicht denn da-

fuumlr muumlssten sie gleichzeitig einen scharf definierten Ort

und eine scharfe Geschwindigkeit besitzen Stattdessen

kann man sich die Wellenfunktion des Elektrons als

dreidimensionale stehende Welle vorstellen Ebenso

wie bei einer schwingenden Instrumenten-Saite gibt es

im Atom nur bestimmte bdquoerlaubteldquo Schwingungsmo-

den der Wellenfunktion Deswegen sind fuumlr das Elek-

tron im Atom nur bestimmte Energieniveaus erlaubt

zwischen denen es jedoch per bdquo Quantensprungldquo hin-

und herwechseln kann wenn es z B durch einen Licht-

strahl dazu angeregt wird (Franck-Hertz-Versuch )

182 6 Atome und Quantenmechanik

Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt

Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen

Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral

fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-

tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt

besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich

zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-

stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf

einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige

Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-

keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es

den Raumbereich einfach nicht betreten

Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das

Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-

ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr

sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei

werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt

ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash

ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt

die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-

tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst

ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel

am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der

Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von

Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-

berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern

auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-

federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann

man mit dem Konzept des Potentials begreifen

Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der

Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-

sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-

teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte

nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter

Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als

uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )

die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens

angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-

mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-

tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an

einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je

houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in

einem Tal als auf einem Bergldquo

Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-

lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der

klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-

Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis

183 Der Tunneleffekt

Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert

Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html

tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch

waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch

verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit

das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie

ist nicht exakt null

Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-

nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-

hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-

tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit

geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf

es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen

nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-

den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber

den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je

houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den

beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-

lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein

mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-

botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch

den Berg ins naumlchste Tal gelangen

Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-

waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-

nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-

lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum

Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um

so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der

Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie

deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-

steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln

Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und

klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer

Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle

nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die

Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-

det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt

die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich

ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen

durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis

ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng

genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr

hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-

schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne

sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es

ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon

eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-

versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-

scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische

Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum

vorkommt

184 6 Atome und Quantenmechanik

Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben

Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)

Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178

Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-

perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-

drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock

Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich

ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-

tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben

Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-

aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und

hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-

nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James

Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-

ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige

Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann

sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige

den sogenannten Quanten

Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und

Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum

zwischen einer negativ geladenen

Gluumlhkathode und einer positiven

Anode ausfuumlllt An der Kathode

treten staumlndig Elektronen aus die

wegen der angelegten Spannung

in Richtung der Anode beschleu-

nigt werden Auf ihrem Weg da-

hin durchqueren die Elektronen

das Gas und stoszligen dabei staumln-

dig mit den Quecksilberatomen

zusammen An der Anode misst

man durch die Gegenspannungs-

methode die Geschwindigkeit der

ankommenden Elektronen So kann man beobachten

um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-

men verlangsamt werden

Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches

fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-

lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode

zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur

elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei

nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-

nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die

an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast

voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man

auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann

kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu

leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-

den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich

schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die

Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet

Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen

185 Der Franck-Hertz-Versuch

Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu

Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden

Schichten ihre Energie

Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen

Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-

der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende

Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter

man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten

entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-

ben

Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur

in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-

sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen

sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein

Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von

Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann

diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf

das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen

Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe

und wird dann von der angelegten Spannung wieder

aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine

Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt

es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein

Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat

Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man

also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben

Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-

tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-

gie ist dabei von Element zu Element verschieden und

muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-

ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-

huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies

mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur

Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden

war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung

der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch

bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-

niveaus in Atomen

Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-

rigens nicht lange sondern geben sie in Form von

Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die

Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von

47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau

dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-

roumlhre als Leuchten erkennen kann

186 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

Magnetfeld

Rota

tions

achs

e

Praumlzession

magnetischeKraft

Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-

chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein

halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten

Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen

muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-

zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen

Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der

Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach

seine Eigenschaften zu verstehen

Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden

Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin

eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der

Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-

gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon

Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen

und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur

Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen

Spin besitzen

Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-

allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-

nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist

so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen

magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-

netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem

senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese

insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der

Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach

oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher

Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-

feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen

die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was

aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer

Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt

(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen

Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-

nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach

dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld

unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt

Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach

diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-

nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12

aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld

schlugen sich die Silberatome nieder

Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln

187 Der Spin eines Teilchens

Spinrichtung

θ = 0deg

θ = 45deg

θ = 90deg

θ = 135deg

θ = 180deg

θ

N

S

Silberatomstrahl

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter

Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend

einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-

tationsachsen

Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-

berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-

lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das

Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die

Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel

dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in

oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild

der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-

vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens

Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-

sche Beschreibung des Spins aus Angenommen

der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die

um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist

In einem parallel zum Spin ausgerichteten

inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen

also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt

sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht

orientierten inhomogenen Magnetfeld Es

wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2

nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit

sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik

durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)

d h der Spin ist nach der Messung mit die-

sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach

oben oder nach unten orientiert Und das ist

auch schon im Wesentlichen alles was gesagt

werden kann denn die Quantenmechanik

kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen

sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen

bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der

Begriff der klassischen Rotationsachse in der

Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche

Ungleichung )

188 6 Atome und Quantenmechanik

-2-1 0 1 2 3

-3-2

-1 0

1 2

3

-1-08-06-04-02

0 02 04 06 08

1

x

y

f(xy)

Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der

Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische

Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem

Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-

scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an

einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches

man angetroffen hat

In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit

ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes

Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das

Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man

auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude

oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )

bezeichnet (genau genommen ist f(xy)

eine komplexe Zahl doch das ist hier

nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-

ronen ununterscheidbar sind darf sich

diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern

wenn wir die beiden Elektronen mitei-

nander vertauschen also das erste Elek-

tron am Ort y und das zweite Elektron

am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2

= |f(yx)|2 sein

Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)

selbst kann beim Vertauschen entweder

ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie

wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-

zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt

f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)

Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt

der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-

ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise

Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische

Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten

Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-

tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen

Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin

zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-

gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip

Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-

trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude

Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden

189 Das Pauli-Prinzip

1s

2s

2p

3s

3p

3d

18

Ener

gie

n=1

n=2

n=3

8

2

3dxsup2-ysup2

3pz 3px 3py

3s

2pz

2s

1s

3dxz 3dxy

2py

3dz2 3dyz

2px

Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)

Bosonen Fermionen

810 nK

510 nK

240 nK

Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom

Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2

Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich

zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-

nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich

f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man

in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen

mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht

am selben Ort aufhalten

Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen

derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht

denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man

beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts

Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit

ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-

mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)

groumlszligere Abstaumlnde beibehalten

Das Pauli-Prinzip stellt si-

cher dass sich in der Elek-

tronenhuumllle der Atome

eine stabile Schalenstruk-

tur ausbildet Jeder moumlgli-

che Schwingungszustand der Wellenfunktion

kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-

den die entgegengesetzte Spinausrichtung

aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-

nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige

Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken

ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip

Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-

ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es

wird durch ein subtiles Zusammenspiel von

Quantenmechanik und spezieller Relativi-

taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief

in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler

der modernen Physik begruumlndet

190 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

N

S

Magnet A

Teilchenquelle

Magnet B

Der Spin eines Teilchens S 186

In der klassischen Physik sind wir es normalerweise

gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige

Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit

diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch

Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-

spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen

haben

Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden

und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig

d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen

Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur

unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er

gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-

tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-

dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz

EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die

uumlberarbeitete Version von David Bohm)

Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-

len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen

ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-

gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst

man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht

orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird

immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein

Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-

den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash

welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist

nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall

Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-

ander verhalten werden

Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-

den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte

Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder

Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-

gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann

das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim

Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine

Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide

Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-

der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten

laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat

der Zufall Spin up entschiedenldquo

koumlnnte sich aber maximal mit

Lichtgeschwindigkeit ausbrei-

ten

Einstein Po-

dolsky und Rosen

sprachen daher von einer

bdquospukhaften Fernwirkungldquo und

folgerten dass jedes der beiden Teil-

chen doch eine verborgene lokale Eigen-

schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse

besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits

im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten

waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-

saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet

Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-

cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie

die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig

191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung

S

S

N

N

Magnet AKippwinkel 45deg

Magnet BKippwinkel 0deg

Gruppe 1(0darr 45uarr)

Teilchenquelle

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90degGruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3

0deg 45deg 90deg

J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und

ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-

rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr

1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich

diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein

Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand

gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-

nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-

rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide

Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt

werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-

gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg

Wenn die Teilchen nun doch eine

lokale innere Eigenschaft besaumlszligen

die ihr Verhalten im Magnetfeld

von vornherein festlegte so wird

es beispielsweise einige darunter

geben die bei 0deg zum Suumldpol bei

45deg zum Nordpol und bei 90deg

ebenfalls zum Nordpol abgelenkt

wuumlrden sodass wir sie mit (0

45 90 ) kennzeichnen koumln-

nen Die zugehoumlrigen Part-

nerteilchen wuumlrden sich

dabei genau entgegenge-

setzt verhalten

Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-

chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde

beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten

zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen

im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol

abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45

verhaumllt

Analog bilden wir Grup-

pe 2 als alle die Teilchen-

paare bei denen ein Teil-

chen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 45

sowie 90 besitzt sowie

Gruppe 3 als alle die Teil-

chenpaare bei denen ein

Teilchen zugleich die bei-

den Kennzeichnungen 0

sowie 90 besitzt

Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare

von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also

muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-

wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten

zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-

send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)

Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-

scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt

sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-

scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-

men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche

Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung

vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen

uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere

Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky

und Rosen wurden widerlegt

Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass

die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung

erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-

greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt

egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze

ist mehr als die Summe seiner Teile

192 6 Atome und Quantenmechanik

Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie

Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012

Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-

orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische

Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-

theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik

jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich

zufriedenstellend beantwortet sind

Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur

grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-

lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-

lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische

Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-

wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-

scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen

instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise

Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also

durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus

dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-

ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der

sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927

u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-

beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber

welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder

dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-

on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-

ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft

die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)

sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-

lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten

Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei

nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da

es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird

Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten

193 Die Interpretation der Quantenmechanik

Tritium

Wellenfunktion = +

Helium-3

ElektronAntineutrino

Detektormisst

Zerfall

makroskopische Realitaumlt

Gift

oder

Gift

Tritiumintakt

Tritiumzerfallen

Wellenfunktion =

+

Dekohaumlrenz

makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2

Gift Gift

Tritium Helium-3

ElektronAntineutrino

Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24

Doch wann genau findet eine solche Messung statt

Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin

Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches

Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem

zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die

zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste

eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet

dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-

tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit

Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers

Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-

digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der

erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-

schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der

quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die

klassische Realitaumlt der Katze

Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-

chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute

tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-

zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-

tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-

elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man

den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in

den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die

sogenannte Viele-Welten-Interpretation

Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom

weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-

same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-

tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie

bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze

jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-

vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in

Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur

sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-

de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung

mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-

abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts

mehr voneinander sodass man sie als verschiedene

Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-

der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der

Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht

In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion

des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-

ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten

verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation

zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-

lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt

im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung

des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung

zwischen Mikro- und Makrokosmos

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 12: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

181 Wellenfunktion

Der Franck-Hertz-Versuch S 184A Zeilinger Einsteins Schleier Die neue Welt der Quantenphysik Goldmann 2003

Die Komplementaritaumlt von Ort und Impuls

Die Komplementaritaumlt von Messgroumlszligen wie Ort und Ge-

schwindigkeit ist nicht wie oft behauptet eine Folge

von ungenauen Messungen sondern eine fun-

damentale Eigenschaft der Wellenfunktionen

An den Stellen an denen das Betragsquadrat

der Wellenfunktion groszlig ist besteht eine hohe

Wahrscheinlichkeit das Elementarteilchen anzutreffen

wenn man danach sucht Die Geschwindigkeit des Teilchens hin-

gegen ist mit der Wellenlaumlnge der Welle verknuumlpft

Um nun einer Welle eine genaue Wellenlaumlnge zuzuordnen muss

sie uumlber einen groszligen Bereich ausgebreitet sein Eine genau be-

stimmte Geschwindigkeit fuumlhrt so zu einem sehr unbestimmten

Ort

Je staumlrker hingegen die Welle an einem Ort kon-

zentriert ist desto weniger genau kann man ihr

eine Wellenlaumlnge zuschreiben weswegen ein

genau bestimmter Ort zu einer sehr ungenau be-

stimmten Geschwindigkeit fuumlhrt

Das bedeutet Je genauer der Ort des Teilchens be-

kannt ist desto ungenauer ist seine Geschwindigkeit

bestimmt und umgekehrt

Die Welleneigenschaften der kleinsten Bausteine wer-

den ganz besonders bei den Elektronen deutlich die

sich in einem Atom befinden Anders als die haumlufig

benutzte Analogie zum Sonnensystem vermuten laumlsst

umkreisen Elektronen den Atomkern nicht denn da-

fuumlr muumlssten sie gleichzeitig einen scharf definierten Ort

und eine scharfe Geschwindigkeit besitzen Stattdessen

kann man sich die Wellenfunktion des Elektrons als

dreidimensionale stehende Welle vorstellen Ebenso

wie bei einer schwingenden Instrumenten-Saite gibt es

im Atom nur bestimmte bdquoerlaubteldquo Schwingungsmo-

den der Wellenfunktion Deswegen sind fuumlr das Elek-

tron im Atom nur bestimmte Energieniveaus erlaubt

zwischen denen es jedoch per bdquo Quantensprungldquo hin-

und herwechseln kann wenn es z B durch einen Licht-

strahl dazu angeregt wird (Franck-Hertz-Versuch )

182 6 Atome und Quantenmechanik

Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt

Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen

Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral

fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-

tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt

besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich

zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-

stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf

einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige

Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-

keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es

den Raumbereich einfach nicht betreten

Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das

Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-

ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr

sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei

werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt

ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash

ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt

die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-

tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst

ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel

am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der

Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von

Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-

berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern

auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-

federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann

man mit dem Konzept des Potentials begreifen

Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der

Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-

sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-

teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte

nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter

Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als

uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )

die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens

angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-

mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-

tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an

einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je

houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in

einem Tal als auf einem Bergldquo

Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-

lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der

klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-

Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis

183 Der Tunneleffekt

Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert

Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html

tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch

waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch

verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit

das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie

ist nicht exakt null

Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-

nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-

hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-

tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit

geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf

es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen

nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-

den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber

den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je

houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den

beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-

lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein

mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-

botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch

den Berg ins naumlchste Tal gelangen

Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-

waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-

nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-

lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum

Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um

so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der

Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie

deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-

steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln

Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und

klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer

Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle

nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die

Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-

det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt

die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich

ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen

durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis

ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng

genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr

hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-

schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne

sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es

ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon

eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-

versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-

scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische

Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum

vorkommt

184 6 Atome und Quantenmechanik

Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben

Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)

Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178

Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-

perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-

drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock

Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich

ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-

tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben

Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-

aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und

hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-

nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James

Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-

ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige

Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann

sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige

den sogenannten Quanten

Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und

Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum

zwischen einer negativ geladenen

Gluumlhkathode und einer positiven

Anode ausfuumlllt An der Kathode

treten staumlndig Elektronen aus die

wegen der angelegten Spannung

in Richtung der Anode beschleu-

nigt werden Auf ihrem Weg da-

hin durchqueren die Elektronen

das Gas und stoszligen dabei staumln-

dig mit den Quecksilberatomen

zusammen An der Anode misst

man durch die Gegenspannungs-

methode die Geschwindigkeit der

ankommenden Elektronen So kann man beobachten

um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-

men verlangsamt werden

Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches

fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-

lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode

zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur

elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei

nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-

nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die

an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast

voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man

auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann

kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu

leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-

den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich

schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die

Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet

Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen

185 Der Franck-Hertz-Versuch

Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu

Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden

Schichten ihre Energie

Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen

Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-

der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende

Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter

man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten

entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-

ben

Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur

in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-

sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen

sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein

Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von

Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann

diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf

das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen

Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe

und wird dann von der angelegten Spannung wieder

aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine

Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt

es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein

Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat

Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man

also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben

Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-

tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-

gie ist dabei von Element zu Element verschieden und

muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-

ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-

huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies

mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur

Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden

war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung

der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch

bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-

niveaus in Atomen

Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-

rigens nicht lange sondern geben sie in Form von

Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die

Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von

47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau

dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-

roumlhre als Leuchten erkennen kann

186 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

Magnetfeld

Rota

tions

achs

e

Praumlzession

magnetischeKraft

Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-

chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein

halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten

Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen

muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-

zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen

Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der

Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach

seine Eigenschaften zu verstehen

Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden

Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin

eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der

Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-

gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon

Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen

und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur

Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen

Spin besitzen

Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-

allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-

nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist

so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen

magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-

netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem

senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese

insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der

Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach

oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher

Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-

feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen

die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was

aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer

Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt

(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen

Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-

nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach

dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld

unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt

Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach

diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-

nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12

aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld

schlugen sich die Silberatome nieder

Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln

187 Der Spin eines Teilchens

Spinrichtung

θ = 0deg

θ = 45deg

θ = 90deg

θ = 135deg

θ = 180deg

θ

N

S

Silberatomstrahl

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter

Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend

einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-

tationsachsen

Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-

berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-

lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das

Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die

Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel

dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in

oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild

der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-

vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens

Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-

sche Beschreibung des Spins aus Angenommen

der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die

um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist

In einem parallel zum Spin ausgerichteten

inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen

also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt

sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht

orientierten inhomogenen Magnetfeld Es

wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2

nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit

sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik

durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)

d h der Spin ist nach der Messung mit die-

sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach

oben oder nach unten orientiert Und das ist

auch schon im Wesentlichen alles was gesagt

werden kann denn die Quantenmechanik

kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen

sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen

bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der

Begriff der klassischen Rotationsachse in der

Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche

Ungleichung )

188 6 Atome und Quantenmechanik

-2-1 0 1 2 3

-3-2

-1 0

1 2

3

-1-08-06-04-02

0 02 04 06 08

1

x

y

f(xy)

Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der

Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische

Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem

Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-

scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an

einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches

man angetroffen hat

In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit

ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes

Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das

Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man

auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude

oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )

bezeichnet (genau genommen ist f(xy)

eine komplexe Zahl doch das ist hier

nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-

ronen ununterscheidbar sind darf sich

diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern

wenn wir die beiden Elektronen mitei-

nander vertauschen also das erste Elek-

tron am Ort y und das zweite Elektron

am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2

= |f(yx)|2 sein

Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)

selbst kann beim Vertauschen entweder

ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie

wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-

zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt

f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)

Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt

der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-

ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise

Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische

Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten

Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-

tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen

Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin

zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-

gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip

Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-

trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude

Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden

189 Das Pauli-Prinzip

1s

2s

2p

3s

3p

3d

18

Ener

gie

n=1

n=2

n=3

8

2

3dxsup2-ysup2

3pz 3px 3py

3s

2pz

2s

1s

3dxz 3dxy

2py

3dz2 3dyz

2px

Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)

Bosonen Fermionen

810 nK

510 nK

240 nK

Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom

Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2

Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich

zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-

nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich

f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man

in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen

mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht

am selben Ort aufhalten

Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen

derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht

denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man

beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts

Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit

ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-

mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)

groumlszligere Abstaumlnde beibehalten

Das Pauli-Prinzip stellt si-

cher dass sich in der Elek-

tronenhuumllle der Atome

eine stabile Schalenstruk-

tur ausbildet Jeder moumlgli-

che Schwingungszustand der Wellenfunktion

kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-

den die entgegengesetzte Spinausrichtung

aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-

nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige

Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken

ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip

Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-

ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es

wird durch ein subtiles Zusammenspiel von

Quantenmechanik und spezieller Relativi-

taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief

in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler

der modernen Physik begruumlndet

190 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

N

S

Magnet A

Teilchenquelle

Magnet B

Der Spin eines Teilchens S 186

In der klassischen Physik sind wir es normalerweise

gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige

Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit

diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch

Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-

spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen

haben

Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden

und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig

d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen

Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur

unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er

gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-

tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-

dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz

EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die

uumlberarbeitete Version von David Bohm)

Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-

len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen

ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-

gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst

man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht

orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird

immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein

Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-

den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash

welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist

nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall

Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-

ander verhalten werden

Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-

den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte

Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder

Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-

gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann

das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim

Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine

Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide

Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-

der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten

laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat

der Zufall Spin up entschiedenldquo

koumlnnte sich aber maximal mit

Lichtgeschwindigkeit ausbrei-

ten

Einstein Po-

dolsky und Rosen

sprachen daher von einer

bdquospukhaften Fernwirkungldquo und

folgerten dass jedes der beiden Teil-

chen doch eine verborgene lokale Eigen-

schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse

besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits

im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten

waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-

saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet

Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-

cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie

die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig

191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung

S

S

N

N

Magnet AKippwinkel 45deg

Magnet BKippwinkel 0deg

Gruppe 1(0darr 45uarr)

Teilchenquelle

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90degGruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3

0deg 45deg 90deg

J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und

ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-

rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr

1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich

diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein

Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand

gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-

nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-

rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide

Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt

werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-

gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg

Wenn die Teilchen nun doch eine

lokale innere Eigenschaft besaumlszligen

die ihr Verhalten im Magnetfeld

von vornherein festlegte so wird

es beispielsweise einige darunter

geben die bei 0deg zum Suumldpol bei

45deg zum Nordpol und bei 90deg

ebenfalls zum Nordpol abgelenkt

wuumlrden sodass wir sie mit (0

45 90 ) kennzeichnen koumln-

nen Die zugehoumlrigen Part-

nerteilchen wuumlrden sich

dabei genau entgegenge-

setzt verhalten

Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-

chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde

beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten

zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen

im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol

abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45

verhaumllt

Analog bilden wir Grup-

pe 2 als alle die Teilchen-

paare bei denen ein Teil-

chen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 45

sowie 90 besitzt sowie

Gruppe 3 als alle die Teil-

chenpaare bei denen ein

Teilchen zugleich die bei-

den Kennzeichnungen 0

sowie 90 besitzt

Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare

von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also

muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-

wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten

zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-

send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)

Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-

scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt

sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-

scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-

men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche

Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung

vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen

uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere

Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky

und Rosen wurden widerlegt

Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass

die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung

erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-

greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt

egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze

ist mehr als die Summe seiner Teile

192 6 Atome und Quantenmechanik

Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie

Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012

Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-

orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische

Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-

theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik

jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich

zufriedenstellend beantwortet sind

Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur

grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-

lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-

lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische

Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-

wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-

scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen

instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise

Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also

durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus

dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-

ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der

sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927

u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-

beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber

welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder

dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-

on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-

ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft

die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)

sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-

lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten

Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei

nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da

es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird

Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten

193 Die Interpretation der Quantenmechanik

Tritium

Wellenfunktion = +

Helium-3

ElektronAntineutrino

Detektormisst

Zerfall

makroskopische Realitaumlt

Gift

oder

Gift

Tritiumintakt

Tritiumzerfallen

Wellenfunktion =

+

Dekohaumlrenz

makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2

Gift Gift

Tritium Helium-3

ElektronAntineutrino

Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24

Doch wann genau findet eine solche Messung statt

Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin

Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches

Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem

zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die

zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste

eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet

dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-

tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit

Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers

Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-

digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der

erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-

schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der

quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die

klassische Realitaumlt der Katze

Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-

chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute

tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-

zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-

tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-

elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man

den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in

den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die

sogenannte Viele-Welten-Interpretation

Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom

weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-

same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-

tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie

bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze

jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-

vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in

Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur

sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-

de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung

mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-

abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts

mehr voneinander sodass man sie als verschiedene

Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-

der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der

Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht

In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion

des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-

ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten

verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation

zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-

lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt

im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung

des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung

zwischen Mikro- und Makrokosmos

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 13: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

182 6 Atome und Quantenmechanik

Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt

Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen

Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral

fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-

tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt

besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich

zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-

stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf

einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige

Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-

keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es

den Raumbereich einfach nicht betreten

Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das

Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-

ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr

sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei

werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt

ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash

ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt

die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-

tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst

ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel

am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der

Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von

Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-

berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern

auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-

federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann

man mit dem Konzept des Potentials begreifen

Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der

Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-

sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-

teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte

nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter

Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als

uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )

die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens

angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-

mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-

tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an

einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je

houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in

einem Tal als auf einem Bergldquo

Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-

lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der

klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-

Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis

183 Der Tunneleffekt

Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert

Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html

tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch

waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch

verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit

das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie

ist nicht exakt null

Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-

nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-

hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-

tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit

geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf

es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen

nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-

den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber

den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je

houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den

beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-

lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein

mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-

botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch

den Berg ins naumlchste Tal gelangen

Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-

waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-

nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-

lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum

Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um

so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der

Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie

deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-

steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln

Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und

klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer

Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle

nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die

Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-

det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt

die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich

ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen

durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis

ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng

genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr

hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-

schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne

sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es

ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon

eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-

versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-

scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische

Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum

vorkommt

184 6 Atome und Quantenmechanik

Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben

Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)

Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178

Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-

perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-

drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock

Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich

ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-

tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben

Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-

aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und

hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-

nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James

Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-

ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige

Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann

sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige

den sogenannten Quanten

Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und

Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum

zwischen einer negativ geladenen

Gluumlhkathode und einer positiven

Anode ausfuumlllt An der Kathode

treten staumlndig Elektronen aus die

wegen der angelegten Spannung

in Richtung der Anode beschleu-

nigt werden Auf ihrem Weg da-

hin durchqueren die Elektronen

das Gas und stoszligen dabei staumln-

dig mit den Quecksilberatomen

zusammen An der Anode misst

man durch die Gegenspannungs-

methode die Geschwindigkeit der

ankommenden Elektronen So kann man beobachten

um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-

men verlangsamt werden

Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches

fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-

lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode

zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur

elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei

nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-

nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die

an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast

voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man

auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann

kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu

leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-

den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich

schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die

Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet

Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen

185 Der Franck-Hertz-Versuch

Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu

Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden

Schichten ihre Energie

Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen

Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-

der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende

Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter

man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten

entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-

ben

Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur

in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-

sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen

sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein

Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von

Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann

diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf

das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen

Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe

und wird dann von der angelegten Spannung wieder

aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine

Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt

es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein

Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat

Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man

also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben

Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-

tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-

gie ist dabei von Element zu Element verschieden und

muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-

ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-

huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies

mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur

Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden

war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung

der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch

bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-

niveaus in Atomen

Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-

rigens nicht lange sondern geben sie in Form von

Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die

Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von

47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau

dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-

roumlhre als Leuchten erkennen kann

186 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

Magnetfeld

Rota

tions

achs

e

Praumlzession

magnetischeKraft

Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-

chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein

halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten

Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen

muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-

zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen

Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der

Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach

seine Eigenschaften zu verstehen

Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden

Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin

eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der

Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-

gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon

Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen

und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur

Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen

Spin besitzen

Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-

allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-

nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist

so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen

magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-

netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem

senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese

insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der

Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach

oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher

Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-

feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen

die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was

aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer

Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt

(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen

Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-

nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach

dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld

unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt

Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach

diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-

nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12

aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld

schlugen sich die Silberatome nieder

Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln

187 Der Spin eines Teilchens

Spinrichtung

θ = 0deg

θ = 45deg

θ = 90deg

θ = 135deg

θ = 180deg

θ

N

S

Silberatomstrahl

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter

Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend

einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-

tationsachsen

Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-

berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-

lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das

Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die

Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel

dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in

oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild

der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-

vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens

Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-

sche Beschreibung des Spins aus Angenommen

der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die

um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist

In einem parallel zum Spin ausgerichteten

inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen

also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt

sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht

orientierten inhomogenen Magnetfeld Es

wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2

nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit

sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik

durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)

d h der Spin ist nach der Messung mit die-

sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach

oben oder nach unten orientiert Und das ist

auch schon im Wesentlichen alles was gesagt

werden kann denn die Quantenmechanik

kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen

sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen

bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der

Begriff der klassischen Rotationsachse in der

Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche

Ungleichung )

188 6 Atome und Quantenmechanik

-2-1 0 1 2 3

-3-2

-1 0

1 2

3

-1-08-06-04-02

0 02 04 06 08

1

x

y

f(xy)

Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der

Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische

Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem

Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-

scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an

einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches

man angetroffen hat

In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit

ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes

Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das

Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man

auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude

oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )

bezeichnet (genau genommen ist f(xy)

eine komplexe Zahl doch das ist hier

nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-

ronen ununterscheidbar sind darf sich

diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern

wenn wir die beiden Elektronen mitei-

nander vertauschen also das erste Elek-

tron am Ort y und das zweite Elektron

am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2

= |f(yx)|2 sein

Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)

selbst kann beim Vertauschen entweder

ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie

wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-

zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt

f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)

Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt

der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-

ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise

Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische

Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten

Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-

tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen

Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin

zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-

gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip

Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-

trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude

Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden

189 Das Pauli-Prinzip

1s

2s

2p

3s

3p

3d

18

Ener

gie

n=1

n=2

n=3

8

2

3dxsup2-ysup2

3pz 3px 3py

3s

2pz

2s

1s

3dxz 3dxy

2py

3dz2 3dyz

2px

Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)

Bosonen Fermionen

810 nK

510 nK

240 nK

Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom

Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2

Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich

zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-

nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich

f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man

in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen

mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht

am selben Ort aufhalten

Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen

derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht

denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man

beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts

Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit

ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-

mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)

groumlszligere Abstaumlnde beibehalten

Das Pauli-Prinzip stellt si-

cher dass sich in der Elek-

tronenhuumllle der Atome

eine stabile Schalenstruk-

tur ausbildet Jeder moumlgli-

che Schwingungszustand der Wellenfunktion

kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-

den die entgegengesetzte Spinausrichtung

aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-

nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige

Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken

ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip

Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-

ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es

wird durch ein subtiles Zusammenspiel von

Quantenmechanik und spezieller Relativi-

taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief

in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler

der modernen Physik begruumlndet

190 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

N

S

Magnet A

Teilchenquelle

Magnet B

Der Spin eines Teilchens S 186

In der klassischen Physik sind wir es normalerweise

gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige

Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit

diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch

Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-

spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen

haben

Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden

und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig

d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen

Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur

unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er

gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-

tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-

dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz

EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die

uumlberarbeitete Version von David Bohm)

Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-

len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen

ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-

gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst

man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht

orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird

immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein

Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-

den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash

welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist

nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall

Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-

ander verhalten werden

Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-

den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte

Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder

Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-

gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann

das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim

Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine

Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide

Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-

der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten

laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat

der Zufall Spin up entschiedenldquo

koumlnnte sich aber maximal mit

Lichtgeschwindigkeit ausbrei-

ten

Einstein Po-

dolsky und Rosen

sprachen daher von einer

bdquospukhaften Fernwirkungldquo und

folgerten dass jedes der beiden Teil-

chen doch eine verborgene lokale Eigen-

schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse

besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits

im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten

waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-

saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet

Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-

cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie

die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig

191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung

S

S

N

N

Magnet AKippwinkel 45deg

Magnet BKippwinkel 0deg

Gruppe 1(0darr 45uarr)

Teilchenquelle

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90degGruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3

0deg 45deg 90deg

J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und

ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-

rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr

1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich

diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein

Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand

gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-

nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-

rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide

Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt

werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-

gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg

Wenn die Teilchen nun doch eine

lokale innere Eigenschaft besaumlszligen

die ihr Verhalten im Magnetfeld

von vornherein festlegte so wird

es beispielsweise einige darunter

geben die bei 0deg zum Suumldpol bei

45deg zum Nordpol und bei 90deg

ebenfalls zum Nordpol abgelenkt

wuumlrden sodass wir sie mit (0

45 90 ) kennzeichnen koumln-

nen Die zugehoumlrigen Part-

nerteilchen wuumlrden sich

dabei genau entgegenge-

setzt verhalten

Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-

chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde

beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten

zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen

im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol

abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45

verhaumllt

Analog bilden wir Grup-

pe 2 als alle die Teilchen-

paare bei denen ein Teil-

chen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 45

sowie 90 besitzt sowie

Gruppe 3 als alle die Teil-

chenpaare bei denen ein

Teilchen zugleich die bei-

den Kennzeichnungen 0

sowie 90 besitzt

Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare

von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also

muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-

wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten

zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-

send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)

Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-

scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt

sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-

scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-

men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche

Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung

vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen

uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere

Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky

und Rosen wurden widerlegt

Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass

die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung

erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-

greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt

egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze

ist mehr als die Summe seiner Teile

192 6 Atome und Quantenmechanik

Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie

Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012

Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-

orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische

Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-

theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik

jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich

zufriedenstellend beantwortet sind

Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur

grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-

lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-

lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische

Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-

wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-

scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen

instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise

Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also

durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus

dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-

ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der

sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927

u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-

beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber

welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder

dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-

on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-

ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft

die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)

sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-

lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten

Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei

nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da

es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird

Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten

193 Die Interpretation der Quantenmechanik

Tritium

Wellenfunktion = +

Helium-3

ElektronAntineutrino

Detektormisst

Zerfall

makroskopische Realitaumlt

Gift

oder

Gift

Tritiumintakt

Tritiumzerfallen

Wellenfunktion =

+

Dekohaumlrenz

makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2

Gift Gift

Tritium Helium-3

ElektronAntineutrino

Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24

Doch wann genau findet eine solche Messung statt

Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin

Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches

Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem

zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die

zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste

eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet

dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-

tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit

Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers

Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-

digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der

erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-

schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der

quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die

klassische Realitaumlt der Katze

Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-

chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute

tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-

zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-

tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-

elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man

den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in

den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die

sogenannte Viele-Welten-Interpretation

Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom

weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-

same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-

tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie

bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze

jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-

vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in

Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur

sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-

de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung

mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-

abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts

mehr voneinander sodass man sie als verschiedene

Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-

der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der

Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht

In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion

des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-

ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten

verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation

zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-

lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt

im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung

des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung

zwischen Mikro- und Makrokosmos

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 14: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

183 Der Tunneleffekt

Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert

Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html

tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch

waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch

verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit

das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie

ist nicht exakt null

Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-

nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-

hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-

tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit

geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf

es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen

nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-

den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber

den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je

houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den

beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-

lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein

mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-

botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch

den Berg ins naumlchste Tal gelangen

Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-

waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-

nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-

lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum

Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um

so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der

Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie

deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-

steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln

Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und

klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer

Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle

nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die

Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-

det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt

die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich

ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen

durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis

ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng

genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr

hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-

schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne

sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es

ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon

eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-

versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-

scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische

Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum

vorkommt

184 6 Atome und Quantenmechanik

Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben

Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)

Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178

Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-

perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-

drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock

Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich

ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-

tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben

Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-

aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und

hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-

nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James

Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-

ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige

Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann

sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige

den sogenannten Quanten

Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und

Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum

zwischen einer negativ geladenen

Gluumlhkathode und einer positiven

Anode ausfuumlllt An der Kathode

treten staumlndig Elektronen aus die

wegen der angelegten Spannung

in Richtung der Anode beschleu-

nigt werden Auf ihrem Weg da-

hin durchqueren die Elektronen

das Gas und stoszligen dabei staumln-

dig mit den Quecksilberatomen

zusammen An der Anode misst

man durch die Gegenspannungs-

methode die Geschwindigkeit der

ankommenden Elektronen So kann man beobachten

um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-

men verlangsamt werden

Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches

fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-

lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode

zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur

elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei

nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-

nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die

an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast

voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man

auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann

kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu

leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-

den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich

schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die

Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet

Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen

185 Der Franck-Hertz-Versuch

Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu

Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden

Schichten ihre Energie

Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen

Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-

der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende

Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter

man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten

entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-

ben

Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur

in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-

sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen

sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein

Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von

Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann

diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf

das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen

Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe

und wird dann von der angelegten Spannung wieder

aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine

Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt

es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein

Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat

Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man

also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben

Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-

tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-

gie ist dabei von Element zu Element verschieden und

muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-

ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-

huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies

mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur

Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden

war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung

der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch

bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-

niveaus in Atomen

Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-

rigens nicht lange sondern geben sie in Form von

Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die

Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von

47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau

dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-

roumlhre als Leuchten erkennen kann

186 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

Magnetfeld

Rota

tions

achs

e

Praumlzession

magnetischeKraft

Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-

chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein

halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten

Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen

muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-

zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen

Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der

Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach

seine Eigenschaften zu verstehen

Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden

Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin

eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der

Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-

gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon

Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen

und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur

Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen

Spin besitzen

Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-

allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-

nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist

so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen

magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-

netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem

senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese

insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der

Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach

oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher

Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-

feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen

die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was

aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer

Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt

(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen

Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-

nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach

dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld

unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt

Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach

diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-

nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12

aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld

schlugen sich die Silberatome nieder

Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln

187 Der Spin eines Teilchens

Spinrichtung

θ = 0deg

θ = 45deg

θ = 90deg

θ = 135deg

θ = 180deg

θ

N

S

Silberatomstrahl

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter

Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend

einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-

tationsachsen

Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-

berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-

lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das

Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die

Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel

dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in

oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild

der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-

vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens

Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-

sche Beschreibung des Spins aus Angenommen

der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die

um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist

In einem parallel zum Spin ausgerichteten

inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen

also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt

sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht

orientierten inhomogenen Magnetfeld Es

wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2

nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit

sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik

durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)

d h der Spin ist nach der Messung mit die-

sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach

oben oder nach unten orientiert Und das ist

auch schon im Wesentlichen alles was gesagt

werden kann denn die Quantenmechanik

kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen

sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen

bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der

Begriff der klassischen Rotationsachse in der

Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche

Ungleichung )

188 6 Atome und Quantenmechanik

-2-1 0 1 2 3

-3-2

-1 0

1 2

3

-1-08-06-04-02

0 02 04 06 08

1

x

y

f(xy)

Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der

Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische

Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem

Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-

scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an

einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches

man angetroffen hat

In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit

ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes

Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das

Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man

auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude

oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )

bezeichnet (genau genommen ist f(xy)

eine komplexe Zahl doch das ist hier

nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-

ronen ununterscheidbar sind darf sich

diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern

wenn wir die beiden Elektronen mitei-

nander vertauschen also das erste Elek-

tron am Ort y und das zweite Elektron

am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2

= |f(yx)|2 sein

Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)

selbst kann beim Vertauschen entweder

ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie

wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-

zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt

f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)

Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt

der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-

ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise

Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische

Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten

Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-

tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen

Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin

zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-

gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip

Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-

trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude

Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden

189 Das Pauli-Prinzip

1s

2s

2p

3s

3p

3d

18

Ener

gie

n=1

n=2

n=3

8

2

3dxsup2-ysup2

3pz 3px 3py

3s

2pz

2s

1s

3dxz 3dxy

2py

3dz2 3dyz

2px

Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)

Bosonen Fermionen

810 nK

510 nK

240 nK

Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom

Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2

Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich

zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-

nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich

f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man

in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen

mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht

am selben Ort aufhalten

Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen

derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht

denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man

beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts

Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit

ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-

mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)

groumlszligere Abstaumlnde beibehalten

Das Pauli-Prinzip stellt si-

cher dass sich in der Elek-

tronenhuumllle der Atome

eine stabile Schalenstruk-

tur ausbildet Jeder moumlgli-

che Schwingungszustand der Wellenfunktion

kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-

den die entgegengesetzte Spinausrichtung

aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-

nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige

Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken

ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip

Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-

ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es

wird durch ein subtiles Zusammenspiel von

Quantenmechanik und spezieller Relativi-

taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief

in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler

der modernen Physik begruumlndet

190 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

N

S

Magnet A

Teilchenquelle

Magnet B

Der Spin eines Teilchens S 186

In der klassischen Physik sind wir es normalerweise

gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige

Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit

diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch

Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-

spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen

haben

Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden

und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig

d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen

Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur

unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er

gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-

tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-

dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz

EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die

uumlberarbeitete Version von David Bohm)

Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-

len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen

ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-

gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst

man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht

orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird

immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein

Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-

den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash

welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist

nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall

Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-

ander verhalten werden

Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-

den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte

Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder

Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-

gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann

das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim

Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine

Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide

Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-

der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten

laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat

der Zufall Spin up entschiedenldquo

koumlnnte sich aber maximal mit

Lichtgeschwindigkeit ausbrei-

ten

Einstein Po-

dolsky und Rosen

sprachen daher von einer

bdquospukhaften Fernwirkungldquo und

folgerten dass jedes der beiden Teil-

chen doch eine verborgene lokale Eigen-

schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse

besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits

im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten

waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-

saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet

Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-

cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie

die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig

191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung

S

S

N

N

Magnet AKippwinkel 45deg

Magnet BKippwinkel 0deg

Gruppe 1(0darr 45uarr)

Teilchenquelle

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90degGruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3

0deg 45deg 90deg

J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und

ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-

rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr

1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich

diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein

Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand

gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-

nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-

rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide

Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt

werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-

gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg

Wenn die Teilchen nun doch eine

lokale innere Eigenschaft besaumlszligen

die ihr Verhalten im Magnetfeld

von vornherein festlegte so wird

es beispielsweise einige darunter

geben die bei 0deg zum Suumldpol bei

45deg zum Nordpol und bei 90deg

ebenfalls zum Nordpol abgelenkt

wuumlrden sodass wir sie mit (0

45 90 ) kennzeichnen koumln-

nen Die zugehoumlrigen Part-

nerteilchen wuumlrden sich

dabei genau entgegenge-

setzt verhalten

Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-

chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde

beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten

zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen

im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol

abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45

verhaumllt

Analog bilden wir Grup-

pe 2 als alle die Teilchen-

paare bei denen ein Teil-

chen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 45

sowie 90 besitzt sowie

Gruppe 3 als alle die Teil-

chenpaare bei denen ein

Teilchen zugleich die bei-

den Kennzeichnungen 0

sowie 90 besitzt

Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare

von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also

muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-

wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten

zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-

send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)

Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-

scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt

sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-

scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-

men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche

Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung

vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen

uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere

Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky

und Rosen wurden widerlegt

Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass

die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung

erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-

greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt

egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze

ist mehr als die Summe seiner Teile

192 6 Atome und Quantenmechanik

Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie

Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012

Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-

orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische

Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-

theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik

jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich

zufriedenstellend beantwortet sind

Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur

grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-

lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-

lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische

Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-

wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-

scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen

instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise

Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also

durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus

dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-

ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der

sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927

u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-

beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber

welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder

dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-

on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-

ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft

die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)

sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-

lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten

Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei

nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da

es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird

Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten

193 Die Interpretation der Quantenmechanik

Tritium

Wellenfunktion = +

Helium-3

ElektronAntineutrino

Detektormisst

Zerfall

makroskopische Realitaumlt

Gift

oder

Gift

Tritiumintakt

Tritiumzerfallen

Wellenfunktion =

+

Dekohaumlrenz

makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2

Gift Gift

Tritium Helium-3

ElektronAntineutrino

Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24

Doch wann genau findet eine solche Messung statt

Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin

Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches

Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem

zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die

zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste

eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet

dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-

tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit

Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers

Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-

digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der

erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-

schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der

quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die

klassische Realitaumlt der Katze

Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-

chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute

tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-

zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-

tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-

elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man

den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in

den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die

sogenannte Viele-Welten-Interpretation

Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom

weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-

same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-

tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie

bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze

jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-

vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in

Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur

sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-

de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung

mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-

abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts

mehr voneinander sodass man sie als verschiedene

Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-

der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der

Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht

In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion

des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-

ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten

verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation

zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-

lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt

im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung

des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung

zwischen Mikro- und Makrokosmos

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 15: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

184 6 Atome und Quantenmechanik

Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben

Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)

Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178

Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-

perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-

drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock

Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich

ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-

tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben

Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-

aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und

hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-

nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James

Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-

ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige

Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann

sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige

den sogenannten Quanten

Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und

Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum

zwischen einer negativ geladenen

Gluumlhkathode und einer positiven

Anode ausfuumlllt An der Kathode

treten staumlndig Elektronen aus die

wegen der angelegten Spannung

in Richtung der Anode beschleu-

nigt werden Auf ihrem Weg da-

hin durchqueren die Elektronen

das Gas und stoszligen dabei staumln-

dig mit den Quecksilberatomen

zusammen An der Anode misst

man durch die Gegenspannungs-

methode die Geschwindigkeit der

ankommenden Elektronen So kann man beobachten

um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-

men verlangsamt werden

Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches

fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-

lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode

zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur

elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei

nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-

nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die

an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast

voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man

auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann

kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu

leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-

den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich

schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die

Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet

Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen

185 Der Franck-Hertz-Versuch

Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu

Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden

Schichten ihre Energie

Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen

Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-

der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende

Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter

man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten

entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-

ben

Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur

in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-

sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen

sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein

Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von

Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann

diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf

das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen

Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe

und wird dann von der angelegten Spannung wieder

aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine

Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt

es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein

Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat

Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man

also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben

Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-

tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-

gie ist dabei von Element zu Element verschieden und

muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-

ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-

huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies

mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur

Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden

war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung

der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch

bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-

niveaus in Atomen

Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-

rigens nicht lange sondern geben sie in Form von

Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die

Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von

47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau

dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-

roumlhre als Leuchten erkennen kann

186 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

Magnetfeld

Rota

tions

achs

e

Praumlzession

magnetischeKraft

Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-

chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein

halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten

Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen

muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-

zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen

Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der

Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach

seine Eigenschaften zu verstehen

Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden

Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin

eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der

Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-

gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon

Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen

und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur

Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen

Spin besitzen

Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-

allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-

nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist

so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen

magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-

netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem

senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese

insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der

Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach

oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher

Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-

feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen

die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was

aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer

Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt

(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen

Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-

nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach

dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld

unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt

Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach

diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-

nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12

aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld

schlugen sich die Silberatome nieder

Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln

187 Der Spin eines Teilchens

Spinrichtung

θ = 0deg

θ = 45deg

θ = 90deg

θ = 135deg

θ = 180deg

θ

N

S

Silberatomstrahl

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter

Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend

einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-

tationsachsen

Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-

berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-

lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das

Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die

Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel

dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in

oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild

der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-

vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens

Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-

sche Beschreibung des Spins aus Angenommen

der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die

um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist

In einem parallel zum Spin ausgerichteten

inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen

also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt

sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht

orientierten inhomogenen Magnetfeld Es

wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2

nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit

sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik

durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)

d h der Spin ist nach der Messung mit die-

sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach

oben oder nach unten orientiert Und das ist

auch schon im Wesentlichen alles was gesagt

werden kann denn die Quantenmechanik

kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen

sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen

bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der

Begriff der klassischen Rotationsachse in der

Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche

Ungleichung )

188 6 Atome und Quantenmechanik

-2-1 0 1 2 3

-3-2

-1 0

1 2

3

-1-08-06-04-02

0 02 04 06 08

1

x

y

f(xy)

Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der

Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische

Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem

Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-

scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an

einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches

man angetroffen hat

In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit

ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes

Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das

Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man

auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude

oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )

bezeichnet (genau genommen ist f(xy)

eine komplexe Zahl doch das ist hier

nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-

ronen ununterscheidbar sind darf sich

diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern

wenn wir die beiden Elektronen mitei-

nander vertauschen also das erste Elek-

tron am Ort y und das zweite Elektron

am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2

= |f(yx)|2 sein

Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)

selbst kann beim Vertauschen entweder

ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie

wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-

zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt

f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)

Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt

der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-

ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise

Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische

Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten

Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-

tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen

Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin

zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-

gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip

Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-

trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude

Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden

189 Das Pauli-Prinzip

1s

2s

2p

3s

3p

3d

18

Ener

gie

n=1

n=2

n=3

8

2

3dxsup2-ysup2

3pz 3px 3py

3s

2pz

2s

1s

3dxz 3dxy

2py

3dz2 3dyz

2px

Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)

Bosonen Fermionen

810 nK

510 nK

240 nK

Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom

Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2

Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich

zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-

nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich

f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man

in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen

mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht

am selben Ort aufhalten

Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen

derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht

denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man

beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts

Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit

ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-

mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)

groumlszligere Abstaumlnde beibehalten

Das Pauli-Prinzip stellt si-

cher dass sich in der Elek-

tronenhuumllle der Atome

eine stabile Schalenstruk-

tur ausbildet Jeder moumlgli-

che Schwingungszustand der Wellenfunktion

kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-

den die entgegengesetzte Spinausrichtung

aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-

nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige

Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken

ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip

Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-

ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es

wird durch ein subtiles Zusammenspiel von

Quantenmechanik und spezieller Relativi-

taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief

in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler

der modernen Physik begruumlndet

190 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

N

S

Magnet A

Teilchenquelle

Magnet B

Der Spin eines Teilchens S 186

In der klassischen Physik sind wir es normalerweise

gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige

Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit

diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch

Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-

spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen

haben

Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden

und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig

d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen

Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur

unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er

gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-

tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-

dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz

EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die

uumlberarbeitete Version von David Bohm)

Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-

len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen

ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-

gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst

man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht

orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird

immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein

Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-

den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash

welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist

nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall

Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-

ander verhalten werden

Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-

den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte

Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder

Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-

gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann

das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim

Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine

Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide

Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-

der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten

laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat

der Zufall Spin up entschiedenldquo

koumlnnte sich aber maximal mit

Lichtgeschwindigkeit ausbrei-

ten

Einstein Po-

dolsky und Rosen

sprachen daher von einer

bdquospukhaften Fernwirkungldquo und

folgerten dass jedes der beiden Teil-

chen doch eine verborgene lokale Eigen-

schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse

besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits

im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten

waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-

saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet

Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-

cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie

die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig

191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung

S

S

N

N

Magnet AKippwinkel 45deg

Magnet BKippwinkel 0deg

Gruppe 1(0darr 45uarr)

Teilchenquelle

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90degGruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3

0deg 45deg 90deg

J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und

ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-

rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr

1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich

diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein

Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand

gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-

nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-

rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide

Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt

werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-

gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg

Wenn die Teilchen nun doch eine

lokale innere Eigenschaft besaumlszligen

die ihr Verhalten im Magnetfeld

von vornherein festlegte so wird

es beispielsweise einige darunter

geben die bei 0deg zum Suumldpol bei

45deg zum Nordpol und bei 90deg

ebenfalls zum Nordpol abgelenkt

wuumlrden sodass wir sie mit (0

45 90 ) kennzeichnen koumln-

nen Die zugehoumlrigen Part-

nerteilchen wuumlrden sich

dabei genau entgegenge-

setzt verhalten

Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-

chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde

beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten

zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen

im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol

abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45

verhaumllt

Analog bilden wir Grup-

pe 2 als alle die Teilchen-

paare bei denen ein Teil-

chen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 45

sowie 90 besitzt sowie

Gruppe 3 als alle die Teil-

chenpaare bei denen ein

Teilchen zugleich die bei-

den Kennzeichnungen 0

sowie 90 besitzt

Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare

von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also

muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-

wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten

zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-

send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)

Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-

scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt

sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-

scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-

men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche

Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung

vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen

uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere

Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky

und Rosen wurden widerlegt

Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass

die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung

erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-

greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt

egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze

ist mehr als die Summe seiner Teile

192 6 Atome und Quantenmechanik

Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie

Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012

Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-

orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische

Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-

theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik

jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich

zufriedenstellend beantwortet sind

Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur

grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-

lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-

lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische

Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-

wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-

scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen

instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise

Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also

durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus

dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-

ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der

sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927

u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-

beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber

welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder

dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-

on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-

ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft

die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)

sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-

lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten

Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei

nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da

es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird

Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten

193 Die Interpretation der Quantenmechanik

Tritium

Wellenfunktion = +

Helium-3

ElektronAntineutrino

Detektormisst

Zerfall

makroskopische Realitaumlt

Gift

oder

Gift

Tritiumintakt

Tritiumzerfallen

Wellenfunktion =

+

Dekohaumlrenz

makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2

Gift Gift

Tritium Helium-3

ElektronAntineutrino

Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24

Doch wann genau findet eine solche Messung statt

Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin

Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches

Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem

zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die

zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste

eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet

dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-

tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit

Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers

Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-

digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der

erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-

schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der

quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die

klassische Realitaumlt der Katze

Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-

chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute

tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-

zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-

tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-

elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man

den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in

den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die

sogenannte Viele-Welten-Interpretation

Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom

weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-

same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-

tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie

bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze

jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-

vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in

Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur

sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-

de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung

mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-

abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts

mehr voneinander sodass man sie als verschiedene

Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-

der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der

Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht

In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion

des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-

ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten

verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation

zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-

lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt

im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung

des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung

zwischen Mikro- und Makrokosmos

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 16: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

185 Der Franck-Hertz-Versuch

Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu

Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden

Schichten ihre Energie

Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen

Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-

der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende

Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter

man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten

entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-

ben

Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur

in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-

sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen

sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein

Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von

Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann

diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf

das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen

Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe

und wird dann von der angelegten Spannung wieder

aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine

Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt

es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein

Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat

Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man

also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben

Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-

tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-

gie ist dabei von Element zu Element verschieden und

muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-

ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-

huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies

mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur

Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden

war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung

der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch

bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-

niveaus in Atomen

Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-

rigens nicht lange sondern geben sie in Form von

Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die

Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von

47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau

dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-

roumlhre als Leuchten erkennen kann

186 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

Magnetfeld

Rota

tions

achs

e

Praumlzession

magnetischeKraft

Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-

chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein

halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten

Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen

muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-

zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen

Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der

Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach

seine Eigenschaften zu verstehen

Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden

Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin

eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der

Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-

gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon

Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen

und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur

Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen

Spin besitzen

Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-

allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-

nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist

so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen

magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-

netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem

senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese

insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der

Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach

oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher

Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-

feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen

die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was

aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer

Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt

(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen

Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-

nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach

dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld

unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt

Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach

diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-

nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12

aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld

schlugen sich die Silberatome nieder

Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln

187 Der Spin eines Teilchens

Spinrichtung

θ = 0deg

θ = 45deg

θ = 90deg

θ = 135deg

θ = 180deg

θ

N

S

Silberatomstrahl

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter

Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend

einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-

tationsachsen

Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-

berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-

lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das

Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die

Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel

dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in

oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild

der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-

vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens

Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-

sche Beschreibung des Spins aus Angenommen

der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die

um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist

In einem parallel zum Spin ausgerichteten

inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen

also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt

sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht

orientierten inhomogenen Magnetfeld Es

wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2

nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit

sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik

durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)

d h der Spin ist nach der Messung mit die-

sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach

oben oder nach unten orientiert Und das ist

auch schon im Wesentlichen alles was gesagt

werden kann denn die Quantenmechanik

kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen

sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen

bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der

Begriff der klassischen Rotationsachse in der

Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche

Ungleichung )

188 6 Atome und Quantenmechanik

-2-1 0 1 2 3

-3-2

-1 0

1 2

3

-1-08-06-04-02

0 02 04 06 08

1

x

y

f(xy)

Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der

Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische

Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem

Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-

scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an

einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches

man angetroffen hat

In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit

ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes

Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das

Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man

auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude

oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )

bezeichnet (genau genommen ist f(xy)

eine komplexe Zahl doch das ist hier

nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-

ronen ununterscheidbar sind darf sich

diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern

wenn wir die beiden Elektronen mitei-

nander vertauschen also das erste Elek-

tron am Ort y und das zweite Elektron

am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2

= |f(yx)|2 sein

Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)

selbst kann beim Vertauschen entweder

ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie

wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-

zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt

f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)

Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt

der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-

ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise

Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische

Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten

Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-

tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen

Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin

zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-

gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip

Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-

trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude

Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden

189 Das Pauli-Prinzip

1s

2s

2p

3s

3p

3d

18

Ener

gie

n=1

n=2

n=3

8

2

3dxsup2-ysup2

3pz 3px 3py

3s

2pz

2s

1s

3dxz 3dxy

2py

3dz2 3dyz

2px

Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)

Bosonen Fermionen

810 nK

510 nK

240 nK

Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom

Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2

Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich

zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-

nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich

f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man

in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen

mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht

am selben Ort aufhalten

Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen

derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht

denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man

beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts

Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit

ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-

mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)

groumlszligere Abstaumlnde beibehalten

Das Pauli-Prinzip stellt si-

cher dass sich in der Elek-

tronenhuumllle der Atome

eine stabile Schalenstruk-

tur ausbildet Jeder moumlgli-

che Schwingungszustand der Wellenfunktion

kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-

den die entgegengesetzte Spinausrichtung

aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-

nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige

Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken

ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip

Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-

ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es

wird durch ein subtiles Zusammenspiel von

Quantenmechanik und spezieller Relativi-

taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief

in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler

der modernen Physik begruumlndet

190 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

N

S

Magnet A

Teilchenquelle

Magnet B

Der Spin eines Teilchens S 186

In der klassischen Physik sind wir es normalerweise

gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige

Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit

diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch

Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-

spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen

haben

Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden

und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig

d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen

Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur

unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er

gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-

tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-

dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz

EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die

uumlberarbeitete Version von David Bohm)

Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-

len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen

ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-

gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst

man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht

orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird

immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein

Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-

den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash

welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist

nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall

Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-

ander verhalten werden

Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-

den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte

Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder

Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-

gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann

das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim

Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine

Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide

Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-

der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten

laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat

der Zufall Spin up entschiedenldquo

koumlnnte sich aber maximal mit

Lichtgeschwindigkeit ausbrei-

ten

Einstein Po-

dolsky und Rosen

sprachen daher von einer

bdquospukhaften Fernwirkungldquo und

folgerten dass jedes der beiden Teil-

chen doch eine verborgene lokale Eigen-

schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse

besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits

im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten

waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-

saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet

Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-

cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie

die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig

191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung

S

S

N

N

Magnet AKippwinkel 45deg

Magnet BKippwinkel 0deg

Gruppe 1(0darr 45uarr)

Teilchenquelle

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90degGruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3

0deg 45deg 90deg

J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und

ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-

rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr

1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich

diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein

Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand

gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-

nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-

rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide

Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt

werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-

gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg

Wenn die Teilchen nun doch eine

lokale innere Eigenschaft besaumlszligen

die ihr Verhalten im Magnetfeld

von vornherein festlegte so wird

es beispielsweise einige darunter

geben die bei 0deg zum Suumldpol bei

45deg zum Nordpol und bei 90deg

ebenfalls zum Nordpol abgelenkt

wuumlrden sodass wir sie mit (0

45 90 ) kennzeichnen koumln-

nen Die zugehoumlrigen Part-

nerteilchen wuumlrden sich

dabei genau entgegenge-

setzt verhalten

Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-

chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde

beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten

zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen

im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol

abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45

verhaumllt

Analog bilden wir Grup-

pe 2 als alle die Teilchen-

paare bei denen ein Teil-

chen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 45

sowie 90 besitzt sowie

Gruppe 3 als alle die Teil-

chenpaare bei denen ein

Teilchen zugleich die bei-

den Kennzeichnungen 0

sowie 90 besitzt

Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare

von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also

muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-

wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten

zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-

send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)

Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-

scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt

sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-

scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-

men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche

Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung

vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen

uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere

Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky

und Rosen wurden widerlegt

Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass

die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung

erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-

greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt

egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze

ist mehr als die Summe seiner Teile

192 6 Atome und Quantenmechanik

Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie

Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012

Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-

orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische

Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-

theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik

jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich

zufriedenstellend beantwortet sind

Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur

grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-

lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-

lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische

Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-

wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-

scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen

instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise

Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also

durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus

dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-

ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der

sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927

u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-

beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber

welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder

dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-

on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-

ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft

die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)

sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-

lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten

Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei

nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da

es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird

Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten

193 Die Interpretation der Quantenmechanik

Tritium

Wellenfunktion = +

Helium-3

ElektronAntineutrino

Detektormisst

Zerfall

makroskopische Realitaumlt

Gift

oder

Gift

Tritiumintakt

Tritiumzerfallen

Wellenfunktion =

+

Dekohaumlrenz

makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2

Gift Gift

Tritium Helium-3

ElektronAntineutrino

Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24

Doch wann genau findet eine solche Messung statt

Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin

Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches

Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem

zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die

zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste

eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet

dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-

tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit

Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers

Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-

digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der

erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-

schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der

quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die

klassische Realitaumlt der Katze

Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-

chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute

tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-

zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-

tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-

elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man

den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in

den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die

sogenannte Viele-Welten-Interpretation

Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom

weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-

same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-

tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie

bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze

jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-

vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in

Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur

sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-

de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung

mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-

abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts

mehr voneinander sodass man sie als verschiedene

Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-

der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der

Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht

In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion

des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-

ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten

verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation

zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-

lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt

im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung

des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung

zwischen Mikro- und Makrokosmos

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 17: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

186 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

Magnetfeld

Rota

tions

achs

e

Praumlzession

magnetischeKraft

Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-

chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein

halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten

Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen

muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-

zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen

Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der

Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach

seine Eigenschaften zu verstehen

Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden

Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin

eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der

Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-

gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon

Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen

und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur

Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen

Spin besitzen

Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-

allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-

nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist

so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen

magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-

netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem

senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese

insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der

Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach

oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher

Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-

feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen

die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was

aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer

Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt

(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen

Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-

nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach

dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld

unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt

Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach

diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-

nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12

aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld

schlugen sich die Silberatome nieder

Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln

187 Der Spin eines Teilchens

Spinrichtung

θ = 0deg

θ = 45deg

θ = 90deg

θ = 135deg

θ = 180deg

θ

N

S

Silberatomstrahl

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter

Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend

einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-

tationsachsen

Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-

berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-

lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das

Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die

Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel

dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in

oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild

der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-

vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens

Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-

sche Beschreibung des Spins aus Angenommen

der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die

um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist

In einem parallel zum Spin ausgerichteten

inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen

also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt

sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht

orientierten inhomogenen Magnetfeld Es

wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2

nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit

sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik

durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)

d h der Spin ist nach der Messung mit die-

sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach

oben oder nach unten orientiert Und das ist

auch schon im Wesentlichen alles was gesagt

werden kann denn die Quantenmechanik

kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen

sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen

bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der

Begriff der klassischen Rotationsachse in der

Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche

Ungleichung )

188 6 Atome und Quantenmechanik

-2-1 0 1 2 3

-3-2

-1 0

1 2

3

-1-08-06-04-02

0 02 04 06 08

1

x

y

f(xy)

Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der

Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische

Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem

Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-

scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an

einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches

man angetroffen hat

In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit

ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes

Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das

Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man

auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude

oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )

bezeichnet (genau genommen ist f(xy)

eine komplexe Zahl doch das ist hier

nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-

ronen ununterscheidbar sind darf sich

diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern

wenn wir die beiden Elektronen mitei-

nander vertauschen also das erste Elek-

tron am Ort y und das zweite Elektron

am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2

= |f(yx)|2 sein

Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)

selbst kann beim Vertauschen entweder

ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie

wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-

zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt

f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)

Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt

der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-

ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise

Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische

Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten

Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-

tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen

Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin

zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-

gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip

Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-

trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude

Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden

189 Das Pauli-Prinzip

1s

2s

2p

3s

3p

3d

18

Ener

gie

n=1

n=2

n=3

8

2

3dxsup2-ysup2

3pz 3px 3py

3s

2pz

2s

1s

3dxz 3dxy

2py

3dz2 3dyz

2px

Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)

Bosonen Fermionen

810 nK

510 nK

240 nK

Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom

Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2

Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich

zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-

nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich

f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man

in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen

mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht

am selben Ort aufhalten

Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen

derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht

denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man

beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts

Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit

ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-

mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)

groumlszligere Abstaumlnde beibehalten

Das Pauli-Prinzip stellt si-

cher dass sich in der Elek-

tronenhuumllle der Atome

eine stabile Schalenstruk-

tur ausbildet Jeder moumlgli-

che Schwingungszustand der Wellenfunktion

kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-

den die entgegengesetzte Spinausrichtung

aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-

nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige

Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken

ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip

Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-

ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es

wird durch ein subtiles Zusammenspiel von

Quantenmechanik und spezieller Relativi-

taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief

in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler

der modernen Physik begruumlndet

190 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

N

S

Magnet A

Teilchenquelle

Magnet B

Der Spin eines Teilchens S 186

In der klassischen Physik sind wir es normalerweise

gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige

Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit

diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch

Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-

spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen

haben

Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden

und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig

d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen

Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur

unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er

gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-

tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-

dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz

EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die

uumlberarbeitete Version von David Bohm)

Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-

len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen

ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-

gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst

man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht

orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird

immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein

Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-

den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash

welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist

nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall

Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-

ander verhalten werden

Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-

den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte

Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder

Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-

gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann

das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim

Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine

Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide

Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-

der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten

laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat

der Zufall Spin up entschiedenldquo

koumlnnte sich aber maximal mit

Lichtgeschwindigkeit ausbrei-

ten

Einstein Po-

dolsky und Rosen

sprachen daher von einer

bdquospukhaften Fernwirkungldquo und

folgerten dass jedes der beiden Teil-

chen doch eine verborgene lokale Eigen-

schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse

besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits

im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten

waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-

saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet

Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-

cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie

die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig

191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung

S

S

N

N

Magnet AKippwinkel 45deg

Magnet BKippwinkel 0deg

Gruppe 1(0darr 45uarr)

Teilchenquelle

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90degGruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3

0deg 45deg 90deg

J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und

ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-

rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr

1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich

diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein

Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand

gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-

nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-

rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide

Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt

werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-

gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg

Wenn die Teilchen nun doch eine

lokale innere Eigenschaft besaumlszligen

die ihr Verhalten im Magnetfeld

von vornherein festlegte so wird

es beispielsweise einige darunter

geben die bei 0deg zum Suumldpol bei

45deg zum Nordpol und bei 90deg

ebenfalls zum Nordpol abgelenkt

wuumlrden sodass wir sie mit (0

45 90 ) kennzeichnen koumln-

nen Die zugehoumlrigen Part-

nerteilchen wuumlrden sich

dabei genau entgegenge-

setzt verhalten

Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-

chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde

beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten

zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen

im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol

abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45

verhaumllt

Analog bilden wir Grup-

pe 2 als alle die Teilchen-

paare bei denen ein Teil-

chen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 45

sowie 90 besitzt sowie

Gruppe 3 als alle die Teil-

chenpaare bei denen ein

Teilchen zugleich die bei-

den Kennzeichnungen 0

sowie 90 besitzt

Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare

von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also

muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-

wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten

zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-

send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)

Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-

scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt

sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-

scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-

men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche

Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung

vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen

uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere

Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky

und Rosen wurden widerlegt

Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass

die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung

erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-

greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt

egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze

ist mehr als die Summe seiner Teile

192 6 Atome und Quantenmechanik

Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie

Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012

Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-

orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische

Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-

theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik

jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich

zufriedenstellend beantwortet sind

Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur

grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-

lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-

lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische

Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-

wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-

scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen

instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise

Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also

durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus

dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-

ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der

sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927

u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-

beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber

welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder

dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-

on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-

ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft

die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)

sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-

lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten

Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei

nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da

es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird

Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten

193 Die Interpretation der Quantenmechanik

Tritium

Wellenfunktion = +

Helium-3

ElektronAntineutrino

Detektormisst

Zerfall

makroskopische Realitaumlt

Gift

oder

Gift

Tritiumintakt

Tritiumzerfallen

Wellenfunktion =

+

Dekohaumlrenz

makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2

Gift Gift

Tritium Helium-3

ElektronAntineutrino

Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24

Doch wann genau findet eine solche Messung statt

Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin

Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches

Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem

zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die

zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste

eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet

dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-

tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit

Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers

Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-

digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der

erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-

schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der

quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die

klassische Realitaumlt der Katze

Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-

chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute

tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-

zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-

tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-

elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man

den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in

den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die

sogenannte Viele-Welten-Interpretation

Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom

weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-

same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-

tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie

bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze

jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-

vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in

Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur

sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-

de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung

mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-

abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts

mehr voneinander sodass man sie als verschiedene

Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-

der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der

Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht

In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion

des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-

ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten

verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation

zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-

lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt

im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung

des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung

zwischen Mikro- und Makrokosmos

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 18: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

187 Der Spin eines Teilchens

Spinrichtung

θ = 0deg

θ = 45deg

θ = 90deg

θ = 135deg

θ = 180deg

θ

N

S

Silberatomstrahl

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter

Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend

einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-

tationsachsen

Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-

berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-

lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das

Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die

Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel

dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in

oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild

der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-

vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens

Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-

sche Beschreibung des Spins aus Angenommen

der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die

um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist

In einem parallel zum Spin ausgerichteten

inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen

also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt

sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht

orientierten inhomogenen Magnetfeld Es

wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2

nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit

sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik

durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)

d h der Spin ist nach der Messung mit die-

sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach

oben oder nach unten orientiert Und das ist

auch schon im Wesentlichen alles was gesagt

werden kann denn die Quantenmechanik

kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen

sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen

bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der

Begriff der klassischen Rotationsachse in der

Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche

Ungleichung )

188 6 Atome und Quantenmechanik

-2-1 0 1 2 3

-3-2

-1 0

1 2

3

-1-08-06-04-02

0 02 04 06 08

1

x

y

f(xy)

Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der

Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische

Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem

Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-

scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an

einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches

man angetroffen hat

In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit

ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes

Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das

Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man

auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude

oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )

bezeichnet (genau genommen ist f(xy)

eine komplexe Zahl doch das ist hier

nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-

ronen ununterscheidbar sind darf sich

diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern

wenn wir die beiden Elektronen mitei-

nander vertauschen also das erste Elek-

tron am Ort y und das zweite Elektron

am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2

= |f(yx)|2 sein

Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)

selbst kann beim Vertauschen entweder

ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie

wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-

zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt

f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)

Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt

der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-

ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise

Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische

Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten

Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-

tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen

Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin

zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-

gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip

Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-

trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude

Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden

189 Das Pauli-Prinzip

1s

2s

2p

3s

3p

3d

18

Ener

gie

n=1

n=2

n=3

8

2

3dxsup2-ysup2

3pz 3px 3py

3s

2pz

2s

1s

3dxz 3dxy

2py

3dz2 3dyz

2px

Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)

Bosonen Fermionen

810 nK

510 nK

240 nK

Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom

Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2

Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich

zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-

nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich

f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man

in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen

mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht

am selben Ort aufhalten

Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen

derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht

denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man

beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts

Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit

ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-

mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)

groumlszligere Abstaumlnde beibehalten

Das Pauli-Prinzip stellt si-

cher dass sich in der Elek-

tronenhuumllle der Atome

eine stabile Schalenstruk-

tur ausbildet Jeder moumlgli-

che Schwingungszustand der Wellenfunktion

kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-

den die entgegengesetzte Spinausrichtung

aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-

nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige

Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken

ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip

Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-

ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es

wird durch ein subtiles Zusammenspiel von

Quantenmechanik und spezieller Relativi-

taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief

in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler

der modernen Physik begruumlndet

190 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

N

S

Magnet A

Teilchenquelle

Magnet B

Der Spin eines Teilchens S 186

In der klassischen Physik sind wir es normalerweise

gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige

Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit

diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch

Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-

spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen

haben

Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden

und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig

d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen

Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur

unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er

gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-

tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-

dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz

EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die

uumlberarbeitete Version von David Bohm)

Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-

len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen

ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-

gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst

man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht

orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird

immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein

Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-

den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash

welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist

nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall

Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-

ander verhalten werden

Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-

den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte

Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder

Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-

gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann

das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim

Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine

Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide

Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-

der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten

laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat

der Zufall Spin up entschiedenldquo

koumlnnte sich aber maximal mit

Lichtgeschwindigkeit ausbrei-

ten

Einstein Po-

dolsky und Rosen

sprachen daher von einer

bdquospukhaften Fernwirkungldquo und

folgerten dass jedes der beiden Teil-

chen doch eine verborgene lokale Eigen-

schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse

besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits

im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten

waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-

saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet

Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-

cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie

die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig

191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung

S

S

N

N

Magnet AKippwinkel 45deg

Magnet BKippwinkel 0deg

Gruppe 1(0darr 45uarr)

Teilchenquelle

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90degGruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3

0deg 45deg 90deg

J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und

ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-

rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr

1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich

diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein

Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand

gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-

nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-

rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide

Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt

werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-

gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg

Wenn die Teilchen nun doch eine

lokale innere Eigenschaft besaumlszligen

die ihr Verhalten im Magnetfeld

von vornherein festlegte so wird

es beispielsweise einige darunter

geben die bei 0deg zum Suumldpol bei

45deg zum Nordpol und bei 90deg

ebenfalls zum Nordpol abgelenkt

wuumlrden sodass wir sie mit (0

45 90 ) kennzeichnen koumln-

nen Die zugehoumlrigen Part-

nerteilchen wuumlrden sich

dabei genau entgegenge-

setzt verhalten

Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-

chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde

beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten

zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen

im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol

abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45

verhaumllt

Analog bilden wir Grup-

pe 2 als alle die Teilchen-

paare bei denen ein Teil-

chen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 45

sowie 90 besitzt sowie

Gruppe 3 als alle die Teil-

chenpaare bei denen ein

Teilchen zugleich die bei-

den Kennzeichnungen 0

sowie 90 besitzt

Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare

von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also

muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-

wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten

zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-

send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)

Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-

scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt

sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-

scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-

men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche

Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung

vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen

uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere

Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky

und Rosen wurden widerlegt

Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass

die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung

erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-

greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt

egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze

ist mehr als die Summe seiner Teile

192 6 Atome und Quantenmechanik

Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie

Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012

Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-

orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische

Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-

theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik

jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich

zufriedenstellend beantwortet sind

Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur

grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-

lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-

lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische

Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-

wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-

scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen

instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise

Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also

durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus

dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-

ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der

sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927

u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-

beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber

welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder

dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-

on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-

ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft

die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)

sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-

lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten

Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei

nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da

es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird

Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten

193 Die Interpretation der Quantenmechanik

Tritium

Wellenfunktion = +

Helium-3

ElektronAntineutrino

Detektormisst

Zerfall

makroskopische Realitaumlt

Gift

oder

Gift

Tritiumintakt

Tritiumzerfallen

Wellenfunktion =

+

Dekohaumlrenz

makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2

Gift Gift

Tritium Helium-3

ElektronAntineutrino

Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24

Doch wann genau findet eine solche Messung statt

Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin

Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches

Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem

zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die

zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste

eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet

dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-

tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit

Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers

Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-

digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der

erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-

schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der

quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die

klassische Realitaumlt der Katze

Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-

chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute

tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-

zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-

tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-

elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man

den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in

den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die

sogenannte Viele-Welten-Interpretation

Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom

weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-

same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-

tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie

bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze

jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-

vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in

Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur

sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-

de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung

mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-

abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts

mehr voneinander sodass man sie als verschiedene

Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-

der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der

Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht

In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion

des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-

ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten

verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation

zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-

lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt

im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung

des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung

zwischen Mikro- und Makrokosmos

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 19: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

188 6 Atome und Quantenmechanik

-2-1 0 1 2 3

-3-2

-1 0

1 2

3

-1-08-06-04-02

0 02 04 06 08

1

x

y

f(xy)

Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999

Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der

Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische

Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem

Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-

scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an

einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches

man angetroffen hat

In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit

ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes

Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das

Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man

auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude

oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )

bezeichnet (genau genommen ist f(xy)

eine komplexe Zahl doch das ist hier

nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-

ronen ununterscheidbar sind darf sich

diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern

wenn wir die beiden Elektronen mitei-

nander vertauschen also das erste Elek-

tron am Ort y und das zweite Elektron

am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2

= |f(yx)|2 sein

Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)

selbst kann beim Vertauschen entweder

ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie

wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-

zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt

f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)

Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt

der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-

ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise

Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische

Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten

Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-

tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen

Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin

zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-

gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip

Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-

trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude

Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden

189 Das Pauli-Prinzip

1s

2s

2p

3s

3p

3d

18

Ener

gie

n=1

n=2

n=3

8

2

3dxsup2-ysup2

3pz 3px 3py

3s

2pz

2s

1s

3dxz 3dxy

2py

3dz2 3dyz

2px

Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)

Bosonen Fermionen

810 nK

510 nK

240 nK

Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom

Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2

Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich

zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-

nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich

f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man

in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen

mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht

am selben Ort aufhalten

Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen

derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht

denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man

beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts

Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit

ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-

mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)

groumlszligere Abstaumlnde beibehalten

Das Pauli-Prinzip stellt si-

cher dass sich in der Elek-

tronenhuumllle der Atome

eine stabile Schalenstruk-

tur ausbildet Jeder moumlgli-

che Schwingungszustand der Wellenfunktion

kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-

den die entgegengesetzte Spinausrichtung

aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-

nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige

Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken

ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip

Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-

ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es

wird durch ein subtiles Zusammenspiel von

Quantenmechanik und spezieller Relativi-

taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief

in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler

der modernen Physik begruumlndet

190 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

N

S

Magnet A

Teilchenquelle

Magnet B

Der Spin eines Teilchens S 186

In der klassischen Physik sind wir es normalerweise

gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige

Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit

diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch

Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-

spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen

haben

Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden

und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig

d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen

Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur

unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er

gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-

tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-

dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz

EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die

uumlberarbeitete Version von David Bohm)

Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-

len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen

ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-

gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst

man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht

orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird

immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein

Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-

den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash

welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist

nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall

Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-

ander verhalten werden

Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-

den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte

Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder

Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-

gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann

das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim

Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine

Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide

Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-

der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten

laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat

der Zufall Spin up entschiedenldquo

koumlnnte sich aber maximal mit

Lichtgeschwindigkeit ausbrei-

ten

Einstein Po-

dolsky und Rosen

sprachen daher von einer

bdquospukhaften Fernwirkungldquo und

folgerten dass jedes der beiden Teil-

chen doch eine verborgene lokale Eigen-

schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse

besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits

im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten

waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-

saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet

Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-

cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie

die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig

191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung

S

S

N

N

Magnet AKippwinkel 45deg

Magnet BKippwinkel 0deg

Gruppe 1(0darr 45uarr)

Teilchenquelle

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90degGruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3

0deg 45deg 90deg

J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und

ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-

rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr

1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich

diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein

Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand

gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-

nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-

rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide

Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt

werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-

gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg

Wenn die Teilchen nun doch eine

lokale innere Eigenschaft besaumlszligen

die ihr Verhalten im Magnetfeld

von vornherein festlegte so wird

es beispielsweise einige darunter

geben die bei 0deg zum Suumldpol bei

45deg zum Nordpol und bei 90deg

ebenfalls zum Nordpol abgelenkt

wuumlrden sodass wir sie mit (0

45 90 ) kennzeichnen koumln-

nen Die zugehoumlrigen Part-

nerteilchen wuumlrden sich

dabei genau entgegenge-

setzt verhalten

Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-

chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde

beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten

zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen

im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol

abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45

verhaumllt

Analog bilden wir Grup-

pe 2 als alle die Teilchen-

paare bei denen ein Teil-

chen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 45

sowie 90 besitzt sowie

Gruppe 3 als alle die Teil-

chenpaare bei denen ein

Teilchen zugleich die bei-

den Kennzeichnungen 0

sowie 90 besitzt

Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare

von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also

muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-

wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten

zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-

send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)

Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-

scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt

sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-

scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-

men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche

Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung

vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen

uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere

Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky

und Rosen wurden widerlegt

Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass

die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung

erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-

greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt

egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze

ist mehr als die Summe seiner Teile

192 6 Atome und Quantenmechanik

Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie

Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012

Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-

orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische

Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-

theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik

jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich

zufriedenstellend beantwortet sind

Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur

grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-

lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-

lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische

Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-

wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-

scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen

instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise

Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also

durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus

dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-

ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der

sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927

u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-

beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber

welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder

dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-

on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-

ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft

die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)

sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-

lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten

Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei

nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da

es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird

Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten

193 Die Interpretation der Quantenmechanik

Tritium

Wellenfunktion = +

Helium-3

ElektronAntineutrino

Detektormisst

Zerfall

makroskopische Realitaumlt

Gift

oder

Gift

Tritiumintakt

Tritiumzerfallen

Wellenfunktion =

+

Dekohaumlrenz

makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2

Gift Gift

Tritium Helium-3

ElektronAntineutrino

Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24

Doch wann genau findet eine solche Messung statt

Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin

Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches

Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem

zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die

zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste

eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet

dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-

tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit

Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers

Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-

digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der

erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-

schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der

quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die

klassische Realitaumlt der Katze

Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-

chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute

tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-

zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-

tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-

elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man

den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in

den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die

sogenannte Viele-Welten-Interpretation

Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom

weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-

same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-

tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie

bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze

jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-

vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in

Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur

sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-

de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung

mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-

abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts

mehr voneinander sodass man sie als verschiedene

Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-

der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der

Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht

In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion

des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-

ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten

verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation

zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-

lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt

im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung

des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung

zwischen Mikro- und Makrokosmos

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 20: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

189 Das Pauli-Prinzip

1s

2s

2p

3s

3p

3d

18

Ener

gie

n=1

n=2

n=3

8

2

3dxsup2-ysup2

3pz 3px 3py

3s

2pz

2s

1s

3dxz 3dxy

2py

3dz2 3dyz

2px

Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)

Bosonen Fermionen

810 nK

510 nK

240 nK

Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom

Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2

Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich

zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-

nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich

f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man

in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen

mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht

am selben Ort aufhalten

Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen

derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht

denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man

beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts

Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit

ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-

mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)

groumlszligere Abstaumlnde beibehalten

Das Pauli-Prinzip stellt si-

cher dass sich in der Elek-

tronenhuumllle der Atome

eine stabile Schalenstruk-

tur ausbildet Jeder moumlgli-

che Schwingungszustand der Wellenfunktion

kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-

den die entgegengesetzte Spinausrichtung

aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-

nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige

Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken

ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip

Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-

ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es

wird durch ein subtiles Zusammenspiel von

Quantenmechanik und spezieller Relativi-

taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief

in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler

der modernen Physik begruumlndet

190 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

N

S

Magnet A

Teilchenquelle

Magnet B

Der Spin eines Teilchens S 186

In der klassischen Physik sind wir es normalerweise

gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige

Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit

diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch

Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-

spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen

haben

Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden

und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig

d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen

Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur

unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er

gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-

tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-

dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz

EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die

uumlberarbeitete Version von David Bohm)

Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-

len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen

ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-

gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst

man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht

orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird

immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein

Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-

den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash

welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist

nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall

Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-

ander verhalten werden

Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-

den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte

Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder

Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-

gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann

das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim

Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine

Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide

Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-

der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten

laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat

der Zufall Spin up entschiedenldquo

koumlnnte sich aber maximal mit

Lichtgeschwindigkeit ausbrei-

ten

Einstein Po-

dolsky und Rosen

sprachen daher von einer

bdquospukhaften Fernwirkungldquo und

folgerten dass jedes der beiden Teil-

chen doch eine verborgene lokale Eigen-

schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse

besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits

im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten

waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-

saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet

Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-

cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie

die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig

191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung

S

S

N

N

Magnet AKippwinkel 45deg

Magnet BKippwinkel 0deg

Gruppe 1(0darr 45uarr)

Teilchenquelle

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90degGruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3

0deg 45deg 90deg

J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und

ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-

rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr

1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich

diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein

Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand

gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-

nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-

rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide

Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt

werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-

gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg

Wenn die Teilchen nun doch eine

lokale innere Eigenschaft besaumlszligen

die ihr Verhalten im Magnetfeld

von vornherein festlegte so wird

es beispielsweise einige darunter

geben die bei 0deg zum Suumldpol bei

45deg zum Nordpol und bei 90deg

ebenfalls zum Nordpol abgelenkt

wuumlrden sodass wir sie mit (0

45 90 ) kennzeichnen koumln-

nen Die zugehoumlrigen Part-

nerteilchen wuumlrden sich

dabei genau entgegenge-

setzt verhalten

Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-

chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde

beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten

zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen

im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol

abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45

verhaumllt

Analog bilden wir Grup-

pe 2 als alle die Teilchen-

paare bei denen ein Teil-

chen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 45

sowie 90 besitzt sowie

Gruppe 3 als alle die Teil-

chenpaare bei denen ein

Teilchen zugleich die bei-

den Kennzeichnungen 0

sowie 90 besitzt

Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare

von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also

muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-

wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten

zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-

send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)

Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-

scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt

sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-

scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-

men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche

Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung

vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen

uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere

Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky

und Rosen wurden widerlegt

Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass

die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung

erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-

greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt

egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze

ist mehr als die Summe seiner Teile

192 6 Atome und Quantenmechanik

Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie

Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012

Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-

orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische

Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-

theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik

jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich

zufriedenstellend beantwortet sind

Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur

grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-

lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-

lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische

Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-

wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-

scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen

instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise

Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also

durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus

dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-

ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der

sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927

u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-

beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber

welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder

dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-

on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-

ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft

die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)

sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-

lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten

Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei

nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da

es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird

Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten

193 Die Interpretation der Quantenmechanik

Tritium

Wellenfunktion = +

Helium-3

ElektronAntineutrino

Detektormisst

Zerfall

makroskopische Realitaumlt

Gift

oder

Gift

Tritiumintakt

Tritiumzerfallen

Wellenfunktion =

+

Dekohaumlrenz

makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2

Gift Gift

Tritium Helium-3

ElektronAntineutrino

Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24

Doch wann genau findet eine solche Messung statt

Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin

Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches

Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem

zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die

zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste

eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet

dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-

tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit

Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers

Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-

digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der

erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-

schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der

quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die

klassische Realitaumlt der Katze

Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-

chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute

tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-

zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-

tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-

elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man

den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in

den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die

sogenannte Viele-Welten-Interpretation

Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom

weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-

same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-

tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie

bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze

jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-

vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in

Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur

sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-

de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung

mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-

abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts

mehr voneinander sodass man sie als verschiedene

Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-

der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der

Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht

In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion

des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-

ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten

verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation

zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-

lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt

im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung

des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung

zwischen Mikro- und Makrokosmos

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 21: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

190 6 Atome und Quantenmechanik

N

S

N

S

Magnet A

Teilchenquelle

Magnet B

Der Spin eines Teilchens S 186

In der klassischen Physik sind wir es normalerweise

gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige

Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit

diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch

Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-

spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen

haben

Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden

und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig

d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen

Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur

unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er

gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-

tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-

dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz

EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die

uumlberarbeitete Version von David Bohm)

Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-

len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen

ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-

gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst

man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht

orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird

immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein

Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-

den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash

welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist

nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall

Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-

ander verhalten werden

Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-

den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte

Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder

Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-

gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann

das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim

Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine

Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide

Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-

der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten

laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat

der Zufall Spin up entschiedenldquo

koumlnnte sich aber maximal mit

Lichtgeschwindigkeit ausbrei-

ten

Einstein Po-

dolsky und Rosen

sprachen daher von einer

bdquospukhaften Fernwirkungldquo und

folgerten dass jedes der beiden Teil-

chen doch eine verborgene lokale Eigen-

schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse

besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits

im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten

waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-

saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet

Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-

cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie

die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen

EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig

191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung

S

S

N

N

Magnet AKippwinkel 45deg

Magnet BKippwinkel 0deg

Gruppe 1(0darr 45uarr)

Teilchenquelle

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90degGruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3

0deg 45deg 90deg

J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und

ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-

rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr

1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich

diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein

Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand

gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-

nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-

rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide

Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt

werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-

gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg

Wenn die Teilchen nun doch eine

lokale innere Eigenschaft besaumlszligen

die ihr Verhalten im Magnetfeld

von vornherein festlegte so wird

es beispielsweise einige darunter

geben die bei 0deg zum Suumldpol bei

45deg zum Nordpol und bei 90deg

ebenfalls zum Nordpol abgelenkt

wuumlrden sodass wir sie mit (0

45 90 ) kennzeichnen koumln-

nen Die zugehoumlrigen Part-

nerteilchen wuumlrden sich

dabei genau entgegenge-

setzt verhalten

Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-

chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde

beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten

zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen

im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol

abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45

verhaumllt

Analog bilden wir Grup-

pe 2 als alle die Teilchen-

paare bei denen ein Teil-

chen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 45

sowie 90 besitzt sowie

Gruppe 3 als alle die Teil-

chenpaare bei denen ein

Teilchen zugleich die bei-

den Kennzeichnungen 0

sowie 90 besitzt

Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare

von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also

muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-

wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten

zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-

send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)

Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-

scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt

sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-

scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-

men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche

Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung

vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen

uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere

Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky

und Rosen wurden widerlegt

Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass

die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung

erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-

greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt

egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze

ist mehr als die Summe seiner Teile

192 6 Atome und Quantenmechanik

Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie

Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012

Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-

orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische

Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-

theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik

jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich

zufriedenstellend beantwortet sind

Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur

grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-

lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-

lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische

Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-

wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-

scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen

instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise

Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also

durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus

dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-

ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der

sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927

u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-

beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber

welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder

dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-

on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-

ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft

die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)

sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-

lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten

Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei

nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da

es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird

Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten

193 Die Interpretation der Quantenmechanik

Tritium

Wellenfunktion = +

Helium-3

ElektronAntineutrino

Detektormisst

Zerfall

makroskopische Realitaumlt

Gift

oder

Gift

Tritiumintakt

Tritiumzerfallen

Wellenfunktion =

+

Dekohaumlrenz

makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2

Gift Gift

Tritium Helium-3

ElektronAntineutrino

Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24

Doch wann genau findet eine solche Messung statt

Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin

Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches

Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem

zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die

zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste

eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet

dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-

tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit

Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers

Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-

digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der

erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-

schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der

quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die

klassische Realitaumlt der Katze

Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-

chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute

tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-

zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-

tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-

elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man

den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in

den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die

sogenannte Viele-Welten-Interpretation

Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom

weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-

same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-

tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie

bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze

jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-

vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in

Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur

sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-

de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung

mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-

abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts

mehr voneinander sodass man sie als verschiedene

Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-

der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der

Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht

In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion

des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-

ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten

verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation

zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-

lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt

im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung

des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung

zwischen Mikro- und Makrokosmos

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 22: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung

S

S

N

N

Magnet AKippwinkel 45deg

Magnet BKippwinkel 0deg

Gruppe 1(0darr 45uarr)

Teilchenquelle

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90deg

0deg 45deg 90degGruppe 1

Gruppe 2

Gruppe 3

0deg 45deg 90deg

J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010

Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und

ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-

rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr

1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich

diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein

Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand

gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-

nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-

rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide

Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt

werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-

gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg

Wenn die Teilchen nun doch eine

lokale innere Eigenschaft besaumlszligen

die ihr Verhalten im Magnetfeld

von vornherein festlegte so wird

es beispielsweise einige darunter

geben die bei 0deg zum Suumldpol bei

45deg zum Nordpol und bei 90deg

ebenfalls zum Nordpol abgelenkt

wuumlrden sodass wir sie mit (0

45 90 ) kennzeichnen koumln-

nen Die zugehoumlrigen Part-

nerteilchen wuumlrden sich

dabei genau entgegenge-

setzt verhalten

Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-

chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde

beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten

zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen

im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol

abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45

verhaumllt

Analog bilden wir Grup-

pe 2 als alle die Teilchen-

paare bei denen ein Teil-

chen zugleich die beiden

Kennzeichnungen 45

sowie 90 besitzt sowie

Gruppe 3 als alle die Teil-

chenpaare bei denen ein

Teilchen zugleich die bei-

den Kennzeichnungen 0

sowie 90 besitzt

Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare

von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also

muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-

wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten

zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-

send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)

Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-

scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt

sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-

scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-

men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche

Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung

vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen

uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere

Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky

und Rosen wurden widerlegt

Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass

die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung

erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-

greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt

egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze

ist mehr als die Summe seiner Teile

192 6 Atome und Quantenmechanik

Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie

Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012

Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-

orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische

Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-

theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik

jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich

zufriedenstellend beantwortet sind

Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur

grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-

lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-

lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische

Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-

wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-

scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen

instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise

Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also

durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus

dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-

ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der

sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927

u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-

beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber

welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder

dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-

on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-

ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft

die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)

sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-

lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten

Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei

nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da

es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird

Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten

193 Die Interpretation der Quantenmechanik

Tritium

Wellenfunktion = +

Helium-3

ElektronAntineutrino

Detektormisst

Zerfall

makroskopische Realitaumlt

Gift

oder

Gift

Tritiumintakt

Tritiumzerfallen

Wellenfunktion =

+

Dekohaumlrenz

makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2

Gift Gift

Tritium Helium-3

ElektronAntineutrino

Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24

Doch wann genau findet eine solche Messung statt

Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin

Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches

Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem

zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die

zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste

eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet

dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-

tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit

Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers

Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-

digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der

erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-

schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der

quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die

klassische Realitaumlt der Katze

Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-

chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute

tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-

zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-

tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-

elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man

den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in

den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die

sogenannte Viele-Welten-Interpretation

Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom

weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-

same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-

tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie

bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze

jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-

vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in

Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur

sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-

de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung

mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-

abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts

mehr voneinander sodass man sie als verschiedene

Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-

der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der

Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht

In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion

des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-

ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten

verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation

zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-

lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt

im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung

des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung

zwischen Mikro- und Makrokosmos

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
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Page 23: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

192 6 Atome und Quantenmechanik

Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie

Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012

Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-

orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische

Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-

theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik

jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich

zufriedenstellend beantwortet sind

Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur

grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-

lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-

lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische

Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-

wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-

scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen

instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise

Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also

durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus

dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-

ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der

sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927

u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-

beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber

welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder

dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-

on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-

ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft

die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)

sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-

lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten

Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei

nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da

es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird

Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten

193 Die Interpretation der Quantenmechanik

Tritium

Wellenfunktion = +

Helium-3

ElektronAntineutrino

Detektormisst

Zerfall

makroskopische Realitaumlt

Gift

oder

Gift

Tritiumintakt

Tritiumzerfallen

Wellenfunktion =

+

Dekohaumlrenz

makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2

Gift Gift

Tritium Helium-3

ElektronAntineutrino

Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24

Doch wann genau findet eine solche Messung statt

Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin

Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches

Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem

zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die

zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste

eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet

dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-

tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit

Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers

Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-

digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der

erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-

schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der

quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die

klassische Realitaumlt der Katze

Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-

chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute

tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-

zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-

tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-

elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man

den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in

den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die

sogenannte Viele-Welten-Interpretation

Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom

weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-

same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-

tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie

bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze

jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-

vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in

Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur

sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-

de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung

mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-

abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts

mehr voneinander sodass man sie als verschiedene

Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-

der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der

Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht

In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion

des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-

ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten

verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation

zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-

lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt

im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung

des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung

zwischen Mikro- und Makrokosmos

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 24: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

193 Die Interpretation der Quantenmechanik

Tritium

Wellenfunktion = +

Helium-3

ElektronAntineutrino

Detektormisst

Zerfall

makroskopische Realitaumlt

Gift

oder

Gift

Tritiumintakt

Tritiumzerfallen

Wellenfunktion =

+

Dekohaumlrenz

makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2

Gift Gift

Tritium Helium-3

ElektronAntineutrino

Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24

Doch wann genau findet eine solche Messung statt

Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin

Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches

Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem

zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die

zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste

eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet

dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-

tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit

Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers

Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-

digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der

erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-

schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der

quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die

klassische Realitaumlt der Katze

Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-

chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute

tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-

zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-

tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-

elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man

den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in

den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die

sogenannte Viele-Welten-Interpretation

Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom

weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-

same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-

tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie

bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze

jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-

vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in

Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur

sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-

de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung

mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-

abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts

mehr voneinander sodass man sie als verschiedene

Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-

der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der

Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht

In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion

des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-

ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten

verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation

zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-

lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt

im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung

des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung

zwischen Mikro- und Makrokosmos

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 25: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

194 6 Atome und Quantenmechanik

TemperaturEnergie

+

ndash+

ndash+

ndash

ndash

ndashndash

+

++ndash

ndashProton

Elektron Neutron

Atom

fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)

Plasma als vierter Aggregatszustand

Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt

Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf

Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei

gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese

Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die

enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder

eher weniger beweglich sind

Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-

men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne

sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind

derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil

der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die

Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche

positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand

wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde

Geschoumlpf) genannt

Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich

verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen

ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von

einem vierten Aggregatzustand sprechen kann

Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-

traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-

ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch

neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-

faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es

reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-

tromagnetischer Felder die es lenken verformen und

sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen

Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um

magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel

benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-

zusperren ( )

Plasma Der vierte Aggregatzustand

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 26: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

195 Plasma

Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette

Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission

Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel

Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60

Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im

Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die

Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-

plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei

Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut

erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma

entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-

nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl

Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-

turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-

nation verhindern

Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung

von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen

Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich

gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-

ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung

haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal

leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker

beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger

als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht

im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal

genannt

Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma

Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben

koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und

zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-

uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-

blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler

Plasmen

Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich

in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-

gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen

kann man sogar anfassen

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 27: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

196 6 Atome und Quantenmechanik

Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen

Plasma S 194

Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der

Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden

bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem

groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr

leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne

so ist die Energieausbeute deutlich houmlher

als bei der Kernspaltung Deshalb

wird seit Langem versucht

diese Prozesse auch auf

der Erde zur Energiege-

winnung zu nutzen

Um zwei Kerne

zu verschmelzen

muss man sie ex-

trem nahe zusam-

menfuumlhren Dies

geschieht am ehes-

ten wenn sich die

Elemente im vierten

Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash

befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv

geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-

sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug

zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie

zusammenschweiszligt

Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in

ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur

und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da

die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde

hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden

Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen

Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-

gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren

Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der

heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150

Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im

Inneren der Sonne

Damit die geladenen Teil-

chen des Plasmas ndash man

verwendet hierfuumlr meis-

tens Deuterium und

Tritium weil diese Ma-

terialien in Uumlberfluss

vorhanden oder leicht

herzustellen sind und

bei ihnen die Energieaus-

beute sehr hoch ist ndash nicht

in Kontakt mit den Reak-

torwaumlnden gelangen und

diese sofort zum Schmel-

zen bringen werden sie

durch extrem starke Mag-

netfelder eingesperrt

Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-

schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ

Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind

sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-

zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger

Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-

ma fuumlhrt

Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 28: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

197 Fusionsreaktoren

Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen

Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)

Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor

3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire

Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist

extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-

reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus

dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-

schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint

European Torus) ein experimenteller Fusi-

onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die

Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer

Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht

aber das reicht nicht zur Energiegewinnung

Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-

findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein

7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich

2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion

bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten

werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International

Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-

struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-

aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das

fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten

koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so

viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas

aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster

Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-

baren Maszligstab zu erzeugen

Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-

gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-

schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-

zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 29: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

198 6 Atome und Quantenmechanik

Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK

Ein Bose-Einstein-Kondensat

(BEK) entsteht

Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml

Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-

sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie

unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei

Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man

Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )

uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren

eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr

Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-

de der Materie deren

Erreichen nicht nur

extreme aumluszligere

Bedingungen erfor-

dert sondern die in

ihrer Art so sehr auf der

Quantennatur der einzel-

nen Atome beruhen dass

sie fuumlr Menschen nur schwer

anschaulich vorstellbar sind

Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-

nannte Bose-Einstein-Kondensat

(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )

Dieser quantenhafte Materiezustand wur-

de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein

theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen

zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen

die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht

Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu

Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-

digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum

anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-

runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis

ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat

im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-

nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-

atome aus denen das erste Kondensat bestand auf

die erforderlichen 170 Nanokelvin

(17middot10-7 K) abzukuumlhlen

Wie aber muss man sich ein

Bose-Einstein-Kondensat

vorstellen Zunaumlchst

werden alle ein-

zelnen Atome im

Stoff durch die ext-

rem niedrigen Tempe-

raturen in den Zustand mit

der niedrigstmoumlglichen Energie

uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-

chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich

alle zur selben Zeit im selben Zustand der

niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-

sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-

stand

Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 30: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

199 Bose-Einstein-Kondensate

Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei

Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt

Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden

Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch

In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt

der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-

me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt

ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man

findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben

Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet

ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen

Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom

Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr

Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-

genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern

kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind

es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-

kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat

in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch

eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-

romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig

erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen

Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-

funden haben sind auch die emittierten Atome alle

noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben

damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 31: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

200 6 Atome und Quantenmechanik

Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen

Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden

Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen

Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004

In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-

tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-

trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-

radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt

Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um

Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-

leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-

er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-

tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )

In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei

Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-

gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie

staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche

Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome

auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-

tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-

menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen

Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt

dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren

nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-

kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-

lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-

selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab

Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas

wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-

lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen

Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig

geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms

benoumltigt

Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 32: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

201 Laserkuumlhlung

hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt

Materie in der Magnetfalle

Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)

Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml

tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses

Photon aber genau die Energie tragen muss die dem

Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig

mehr Energie als die restlichen Photonen

Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige

Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms

zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte

man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen

dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger

und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat

Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas

insgesamt ein bisschen kaumllter

Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann

wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem

niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-

tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines

Bose-Einstein-Kondensates ( )

Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar

nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp

nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-

nen angeregten Zustand zu versetzen

Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat

bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-

schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen

Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-

nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom

aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-

menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-

ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht

das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht

dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-

ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom

geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und

kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 33: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

202 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter

Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188

Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-

kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser

leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-

kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst

die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit

fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte

Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-

lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen

Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich

groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei

Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-

leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur

die geringsten Leistungsverluste leiten

Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-

lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik

erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es

ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches

supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde

und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie

das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste

befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der

Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-

deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)

Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-

dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und

dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-

nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum

Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen

genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen

an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes

Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-

fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu

wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-

wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die

beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht

anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer

zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-

tes Cooper-Paar

Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-

zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1

je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-

ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen

zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall

Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in

demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-

gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen

zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-

Supraleitung Widerstand ist zwecklos

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 34: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

203 Supraleitung

Hochtempera-tursupraleiter

wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind

oft sehr komplexe Gebilde

Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete

Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf

kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie

die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-

mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der

Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare

einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall

wird supraleitend

Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-

schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus

ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-

sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen

sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme

ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes

Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-

ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des

Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen

Feldlinien

Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-

nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt

zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-

raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-

gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren

herauszuhalten

Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-

den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-

den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte

Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden

je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend

was technische Anwendungen deutlich erleichtert

Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-

talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel

schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren

Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre

nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-

stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der

Hochtemperatursupraleitung

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 35: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

204 6 Atome und Quantenmechanik

Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus

Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten

httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten

Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf

eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte

er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-

tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein

Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde

empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen

Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-

kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit

(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo

fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-

ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-

sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-

dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc

ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-

denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist

diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren

Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht

wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-

schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu

widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am

besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer

klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo

Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-

nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null

Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch

keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde

ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht

langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-

tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige

Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend

geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund

aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen

koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten

erfahren eine Anziehung durch die Atome

im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-

lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung

die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von

sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn

das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und

waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-

he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die

Oberflaumlchenspannung so gewinnt das

Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-

terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange

bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in

der Waage befinden Bis es soweit ist ist

Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 36: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

205 Suprafluumlssigkeiten

Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt

Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden

Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html

die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem

Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr

alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium

Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-

sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich

wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die

Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden

sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen

Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-

tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem

schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie

unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit

Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar

nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-

haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer

verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert

nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich

kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus

die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen

Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-

prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in

Ruhe

Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-

sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-

nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-

ums in der suprafluumlssigen Phase

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 37: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

206 6 Atome und Quantenmechanik

A

B

C

D

Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen

Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2

Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-

rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-

ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum

wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als

Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist

dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-

chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem

Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen

Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im

Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren

Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-

um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-

geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die

Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den

in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch

von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt

zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-

aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres

Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses

Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr

kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-

orie ( ) zu verletzen

Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist

dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-

chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe

sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden

brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von

alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den

Physikern Vakuumfluktuationen genannt

Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 38: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

207 Quantenvakuum

Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt

Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare

H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15

Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer

direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-

lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten

Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der

ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt

macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-

fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-

teilchen zunutze

Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-

nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-

ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die

Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-

licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im

Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls

virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-

tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete

De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen

den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert

annehmen sondern muss derart sein dass die Welle

auch als stehende Welle in den Zwischen-

raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also

ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-

Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein

Im Innenraum zwischen den beiden Platten

entstehen somit also nicht alle moumlglichen

sondern nur einige virtuelle Teilchen und

somit weniger als auszligerhalb einfach weil

nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-

en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren

der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb

ein Unterdruck Der Druck der von auszligen

stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die

Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie

auch sein mag kann man in der Tat messen

So hat man einen beeindruckenden Nachweis

der quantenhaften Eigenschaften des Nichts

gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-

rer Raum bei Weitem nicht leer ist

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 39: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

208 6 Atome und Quantenmechanik

Der Strahlengang im Elektronenmikroskop

Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995

Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-

loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen

Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann

man nichts erkennen was kleiner als eben genau

diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten

einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei

Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend

mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine

gewisse technische Grenze Verkleinert man

die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes

immer weiter so begibt man sich irgend-

wann in Bereiche bei denen man das zu

beobachtende Objekt verschmort anstatt

es abzubilden

Ein hervorragender Ausweg ist daher von

Licht- auf Materiewellen auszuweichen

Aufgrund der Prinzipien der Quanten-

mechanik verhalten sich zum Beispiel

auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-

genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt

sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung

von Bruchteilen von Nanometern Obwohl

metallische Bauteile im Mikroskop den

Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-

einflussen und man deswegen diese theo-

retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht

ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop

immer noch eine rund tausendfach houmlhere

Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope

Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast

genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann

sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten

Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei

einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-

weite solcher Elektronenlinsen

laumlsst sich spontan veraumlndern

indem man die Magnetfelder

neu einstellt

Am weitesten verbreitet ist das so-

genannte Rasterelektronenmikros-

kop (REM) In einem REM werden

Elektronen durch eine Spannung

von rund 100 000 Volt auf etwa halbe

Lichtgeschwindigkeit beschleunigt

Diese hohen Energien fuumlhren zu

geringen Wellenlaumlngen wodurch

man eine hohe Aufloumlsung erzielt

Durch Magnetspulen werden sie

auf einen Punkt des zu beobachten-

den Gegenstandes fokussiert Wenn der

Gegenstand elektrisch leit-

faumlhig ist dann katapultie-

ren die einschlagenden

Elektronen sogenannte

Sekundaumlrelektronen aus

der Oberflaumlche heraus die ein Detektor

wahrnehmen kann

Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 40: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

209 Elektronenmikroskopie

Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten

Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen

Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)

Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen

Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory

Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in

schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren

Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus

der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-

nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der

Oberflaumlche schlieszligen

Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch

leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend

machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-

nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten

kann

All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die

hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-

den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen

zusammenstoszligen wuumlrden

Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch

sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und

spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr

wegzudenken ist

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 41: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

210 6 Atome und Quantenmechanik

Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt

Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch

Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-

haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an

In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der

Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie

viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-

flaumlche zu einem Haufen zusammen

Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-

ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um

Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind

muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so

weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt

beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-

nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist

Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet

Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner

Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-

heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie

kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-

wendung

Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-

spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige

Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an

eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht

Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und

Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-

ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich

kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die

Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es

herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-

funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen

bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-

ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-

lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der

Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn

das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man

nachweisen kann

Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln

zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem

stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand

zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um

nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die

Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an

Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

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    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
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    • Supraleitung
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    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 42: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

211 Rastertunnelmikroskopie

Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop

Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren

Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)

Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006

Eine Oberflaumlche kann man daher

in einem Rasterverfahren untersu-

chen Der Bereich den die Spitze

dabei abrastert ist allerdings um ein

Vielfaches kleiner als beim Elektro-

nenmikroskop

Mit diesem Verfahren kann man

einzelne Atome (genauer gesagt

ihre Elektronenwolken) in der

Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-

stellen entdecken und einzelne

Fremdatome die sich auf der Ober-

flaumlche abgelagert haben finden Das

RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd

Binning und Heinrich Rohrer 1986

den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten

ndash hat so in den letzten Jahren faszi-

nierende Einblicke in die Physik der

Oberflaumlchen geboten

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 43: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

212 6 Atome und Quantenmechanik

1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre

Ein Bit aus 12 Atomen

Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml

Nanowelten umfassen Strukturen die

Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-

liardstel Meter) aufweisen und damit

deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-

ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man

dringt hier in einen Bereich vor in dem

einzelne Atome sowie Quanteneffek-

te wichtig werden ndash die Atome selbst

sind einige Zehntel Nanometer groszlig

Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar

sodass man Elektronenmikroskope ( )

oder andere Techniken zum Erkennen

von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es

gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala

zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-

geben sich ungeahnte technische Moumlg-

lichkeiten

Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten

machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der

am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel

bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine

Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-

nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines

Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn

man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige

der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf

dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz

Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 44: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

213 Nanowelten

Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums

Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix

Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht

Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml

Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn

man nicht nur die Oberflaumlche sondern

auch das Innere der Materie nutzen

kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-

cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell

in einem Staubkorn Platz Dass solche

Informationsdichten auch in der Realitaumlt

moumlglich sind beweist die Natur wenn

sie den kompletten genetischen Code

eines Lebewesens in Form eng verpack-

ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-

zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro

Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-

me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-

Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern

Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen

noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert

fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-

bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-

ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-

beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit

bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden

Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also

bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald

von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen

Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der

Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und

Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren

oder Nano-Schichten (Graphen)

Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots

sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik

Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem

Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede

einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der

Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel

(das Flagellum) von Bakterien die von ei-

nem winzigen Nanomotor mit rotierender

Achse wie eine Schiffschraube in Drehung

versetzt wird

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 45: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

214 6 Atome und Quantenmechanik

Emission

Absorption

stimulierte Emission

Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008

Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum

Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock

als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum

Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-

rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-

ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es

zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe

Um dies zu verstehen muss

man sich die Eigenschaften von

Lichtteilchen ( Photonen) ein-

mal genauer ansehen Sie sind

laut Quantenmechanik zugleich

Lichtwellen ndash also Schwingun-

gen im elektromagnetischen Feld

je schneller sie dabei oszillieren

desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz

bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes

Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es

doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-

malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-

terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-

aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die

Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-

hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig

auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-

cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke

nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine

feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei

Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die

Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer

Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann

also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen

in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-

der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht

und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den

zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-

rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-

schierender Soldaten vor

Wie aber erzeugt man solch

kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr

macht man sich die Existenz

der diskreten Energieniveaus

(Frank-Hertz-Versuch ) in

Atomen zunutze Ein ausge-

suchtes Element wird (meist

in Gasform es gibt aber auch

Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum

zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-

genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-

tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-

ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im

entsprechenden Element besitzen

Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es

nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm

aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das

Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand

uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings

nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt

er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der

entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-

zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine

Laser Lichtteilchen im Gleichschritt

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 46: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

215 Laser

Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen

Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond

dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-

ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen

Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es

dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()

wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt

das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene

Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)

Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-

ziehung zueinander

Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-

schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-

geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine

Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden

Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-

dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie

durch die stimulierte Emission nach und nach in eine

feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet

man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen

dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen

Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese

stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-

men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-

plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu

deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission

von Strahlungldquo

Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum

Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt

fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener

Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000

Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal

auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von

Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-

sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der

exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am

Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-

nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und

Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen

werden

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 47: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

216 6 Atome und Quantenmechanik

Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon

Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits

Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244

Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-

onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht

mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-

ne in denen ein Computer Information darstellt sind

Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt

nicht) annehmen koumlnnen

In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man

uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit

klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann

(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-

tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin

( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann

dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur

die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt

nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige

Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden

Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen

Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der

man alle komplexeren Operationen wie z B Addition

oder Negation durch Kombination konstruieren kann

lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)

Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert

als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert

1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn

beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines

1 ist

Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit

Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden

Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-

nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND

nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-

netfeldes langsam von unten nach oben

Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend

dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-

richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-

selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum

Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung

wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-

meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-

mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach

oben

Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer
Page 48: Faszinierende Physik || Atome und Quantenmechanik

217 Quantencomputer

D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten

E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011

Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die

entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also

zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-

ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung

zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem

Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)

Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach

unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-

gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht

dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am

Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand

ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-

selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also

nach oben (beide Qubits gleich 1)

Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide

Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus

dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-

ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist

genau die NAND Operation

Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt

daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern

auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen

koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-

schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-

terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-

tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man

zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-

szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu

zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten

Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-

logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale

Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-

ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also

der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-

lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren

entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit

entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen

so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-

alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang

noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-

ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr

als vierzehn Qubits

  • 6 Atome und Quantenmechanik
    • Das Bohrrsquosche Atommodell
    • Atomkerne
    • Radioaktiver Zerfall
    • Welle-Teilchen-Dualismus
    • Wellenfunktion
    • Der Tunneleffekt
    • Der Franck-Hertz-Versuch
    • Der Spin eines Teilchens
    • Das Pauli-Prinzip
    • EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
    • Die Interpretation der Quantenmechanik
    • Plasma
    • Fusionsreaktoren
    • Bose-Einstein-Kondensate
    • Laserkuumlhlung
    • Supraleitung
    • Suprafluumlssigkeiten
    • Quantenvakuum
    • Elektronenmikroskopie
    • Rastertunnelmikroskopie
    • Nanowelten
    • Laser
    • Quantencomputer