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B Bahr J Resag K Riebe Faszinierende Physik DOI 101007978-3-642-37812-6_6 copy Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
++ndash
ndash
Was ist die Wellenfunktion und was die Unschaumlrferelation Was ist
das Quantenvakuum und wie verhalten sich Suprafluumlssigkeiten Und
werden wir bald Quantencomputer verwenden Diese und andere Fra-
gen lassen sich mithilfe der Quantenmechanik behandeln und teilweise
auch beantworten
Die Quantenmechanik verbluumlfft uns bis heute mit ihren vielen raumltsel-
haften Facetten Da verhalten sich Teilchen wie Wellen und Wellen
wie Teilchen da nehmen Elektronen scheinbar mehrere Wege auf
einmal und das Vakuum ist nicht mehr leer Teilchen uumlberwinden
Barrieren obwohl sie eigentlich nicht genuumlgend Energie dafuumlr ha-
ben und der Zufall entpuppt sich als fundamentales Prinzip der
Natur Unsere klassische Intuition wird hier auf den Kopf gestellt
In diesem Teil des Buches schauen wir uns an warum Materie sta-
bil ist was der Spin des Elektrons ist und warum er sich nur sehr un-
vollstaumlndig als Eigenrotation verstehen laumlsst Auch makroskopische
Phaumlnomene wie Supraleitung oder Suprafluiditaumlt wollen wir vorstellen
Nicht zuletzt werden wir den Laser genauer betrachten und auch den
Quantencomputer Alle diese Phaumlnomene lassen sich mit der Quanten-
mechanik praumlzise beschreiben minus doch was die Quantenmechanik fuumlr
unser Verstaumlndnis der physikalischen Realitaumlt bedeutet daruumlber
herrscht auch fast einhundert Jahre nach ihrer Entstehung
noch keine Einigkeit
6 Atome und Quantenmechanik
172 6 Atome und Quantenmechanik
Demokrit
Nicht nur in der Antike auch zu Daltons Zeiten stellte man sich vor dass Atombindungen durch Haken und Oumlsen realisiert wuumlrden
Demokrit und Leukipp stellten sich Atome als geome-trische Objekte mit verschiedensten Formen vor
W Heisenberg Der Teil und das Ganze Gespraumlche im Umkreis der Atomphysik Piper Taschenbuch 9 Auflage 2001H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
Die Vorstellung dass die Materie die uns umgibt aus
kleinen unteilbaren Bausteinen aufgebaut sei ist schon
uumlber 2400 Jahre alt Damals waren es der Philosoph
Leukipp und sein Schuumller Demokrit die annahmen
dass es unvorstellbar kleine nicht weiter unterteilbare
Bausteine gibt die sie Atome nannten (vom griechi-
schen ἄτομος bdquodas Unteilbareldquo) Sie stellten sich vor
dass diese Atome von denen es verschiedene Sorten
geben sollte mit Haken und Oumlsen ausgestattet sind
sodass sie sich miteinander verbinden aber sich auch
wieder voneinander loumlsen konnten So wuumlrde z B aus
lauter winzigen bdquoSteinatomenldquo ein fester Stein
Natuumlrlich war das zu dieser
Zeit reine Spekulation denn
ein Atom hatte noch niemand
direkt gesehen Auch deshalb
wurde Demokrit damals von
Zeitgenossen (wie Sokrates)
verspottet Und so geriet das
Modell fuumlr lange Zeit in Ver-
gessenheit
Erst Anfang des 19 Jahrhun-
derts mit dem Aufkommen
der Chemie fanden die modernen Naturwissenschaft-
ler zuruumlck zur Atomtheorie Es war John Dalton der
annahm dass es zu allen damals bekannten chemi-
schen Stoffen entsprechende Atomsorten gab die sich
nur in ganz bestimmten Verhaumlltnissen miteinander
verbinden konnten Diese Hypothese konnte bereits
eine Menge von chemischen Beobachtungen erklaumlren
aber eine wirkliche Vorstellung von Atomen hatte man
damit immer noch nicht erlangt
Erst zu Anfang des 20 Jahrhunderts als man begann
durch immer genauere Experimente die Struktur des
Atoms selbst zu entschluumlsseln fanden Physiker wie
J J Thomson und Ernest Rutherford heraus dass das
Atom ein positiv geladenes Zentrum besitzt das von
negativ geladenen Elektronen umgeben ist
Im Jahre 1913 stellte der daumlnische Physiker Niels Bohr
dann sein bis heute beruumlhmtes Atommodell vor Das
Atom besteht dabei aus einem positiv geladenen Kern
Das Bohrrsquosche Atommodell Wie kann man sich ein Atom vorstellen
173 Das Bohrrsquosche Atommodell
Die Experimente Thomsons zeigten dass Atome negativ gelade-nen Teilchen enthalten muumlssen Man stellte sich vor dass diese Elektronen im Atom eingebettet waren wie Rosinen im Kuchen (links) Erst Bohr formte die Vorstellung eines positiv geladenen Kerns der von den negativ geladenen Elektronen umkreist wird (rechts)
Die Flagge der Internationalen Atom-energiebehoumlrde (IAEA)
Daumlnische Briefmarke zum 50-jaumlh-rigen Geburtstag des Bohrrsquoschen Atommodells
Wellenfunktion S 180Das Pauli-Prinzip S 188
der fast die gesamte Masse in sich vereint und von
Elektronen auf stabilen Kreisbahnen umrundet wird ndash
fast wie ein winziges Planetensystem
Dabei sind nur ganz bestimmte Abstaumlnde zwischen
Kern und Elektron erlaubt und je nach Abstand be-
sitzen die Elektronen unterschiedliche Energien Alle
Elektronen desselben Abstandes gehoumlren zu einer soge-
nannten Schale und in jede Schale passen
nur eine gewisse Anzahl von Elektronen
Dieses Modell konnte nicht nur das Ver-
halten einer ganzen Reihe von Atomen
(naumlmlich denen der sogenannten Haupt-
gruppen) erklaumlren sondern war auch so an-
schaulich dass dieses Bild bis heute unsere
Atomvorstellungen praumlgt So findet es sich
zum Beispiel in der Flagge der Internatio-
nalen Atomenergiebehoumlrde IAEA
Teilweise konnte das Bohrrsquosche Atommodell sogar er-
klaumlren warum sich z B ein Wasserstoff (H) und ein
Chloratom (Cl) zu Salzsaumlure (HCl) verbinden koumln-
nen Das Wasserstoffatom besitzt ein Elektron ndash dem
Chloratom fehlt genau ein Elektron um seine aumluszligerste
Schale ganz zu fuumlllen ndash und so ist es energetisch guumlns-
tig wenn beide sich verbinden Zwischen ihnen kann
dabei ein Elektron den Besitzer wechseln und der posi-
tiv geladenen Wasserstoffkern (H+) und das negativ ge-
ladene Chloratom (Clminus) bleiben einfach aufgrund der
elektrostatischen Anziehungskraft aneinander haumlngen
Das Bohrrsquosche Atommodell hatte allerdings immer
noch Erklaumlrungsluumlcken Warum durften die negativ ge-
ladenen Elektronen den positiven Kern nur in ganz be-
stimmten Abstaumlnden umkreisen Und was hinderte sie
daran aufgrund der elektrostatischen Anziehungskraft
einfach in der Kern hineinzufallen Diese Fragen konn-
ten erst spaumlter in einer umfassenden quantenmecha-
nischen Beschreibung der Atome geklaumlrt werden ( )
Leider bedeutet die quantenmechanische Behandlung
dass ein gewisser Anteil der Anschauung der Atome
verlorengeht
174 6 Atome und Quantenmechanik
Sowohl Pro-tonen als auch
Neutronen beste-hen aus drei Quarks
Die starke Wechselwirkung zweier Nukleonen kann man durch den Austausch eines Mesons veranschaulichen
Das Bohrrsquosche Atommodell S 172Radioaktiver Zerfall S 176Die starke Wechselwirkung S 224
Waumlhrend viele Physiker um 1900 das Atom noch als
eine fundamentale Einheit betrachteten gelangte man
mit den Experimenten von Rutherford im Jahre 1911
zu der Erkenntnis dass ein Atom selbst auch eine
Struktur besitzt und aus einem positiv gela-
denen Kern besteht der von im Vergleich
dazu sehr leichten Elektronen umgeben ist
(Bohrrsquosches Atommodell ) Auch wenn
man relativ einfach einzelne Elektronen
aus dieser Huumllle entfernen oder dazu hin-
zufuumlgen konnte so blieb der Atomkern in
dem rund 9995 der Masse des Atoms
enthalten ist davon unbeein-
flusst Insofern passte diese
Einsicht weiterhin gut mit der
Vorstellung der bdquoUnteilbar-
keitldquo der Atome zusammen
Erst 1917 wies Ernest Ruther-
ford durch weitere Experimente nach dass auch Atom-
kerne veraumlnderbar waren indem er durch Beschuss
mit Alphateilchen (Heliumkernen) Stickstoffkerne in
Sauerstoffkerne umwandelte Dass Atomkerne in der
Tat nicht ganz unveraumlnderlich waren hatte man zwar
schon durch die Entdeckung der Radioaktivitaumlt ( )
einige Jahre zuvor vermutet aber Rutherfords Experi-
mente waren der erste direkte Nachweis
Bei dieser Gelegenheit entdeckte Rutherford auch
dass Atomkerne wiederum eine Substruktur besitzen
und mehrere Protonen enthalten ndash und zwar gerade
so viele wie sich Elektronen in der Huumllle befinden
Im Jahre 1932 entdeckte dann James Chadwick den
zweiten noch fehlenden Baustein in den Atomkernen
das Neutron Diese beiden Nukleonen formen zusam-
men den Atomkern
Doch was genau haumllt Protonen und Neu-
tronen im Kern zusammen Letztere
sind elektrisch neutral die Protonen
aber sind allesamt positiv geladen
sollten sich also abstoszligen Die Ant-
wort liegt in einer weiteren Substruktur
die die sogenannte Kernkraft erzeugt
(nicht zu verwechseln mit der Energie
die in Kernkraftwerken aus z B Uran
gewonnen wird) Diese Kernkraft ist das
Uumlberbleibsel der starken Kraft die zwi-
schen den Bestandteilen der Protonen
und Neutronen ndash den Quarks ndash wirkt
( starke WW )
Atomkerne Seit hundert Jahren bekannt und doch nicht im Ganzen verstanden
175 Atomkerne
Die Luumlcken zwischen den Energieniveaus im Atomkern trennen die einzelnen Schalen voneinander Kerne deren Protonen undoder Neutronenzahl bdquomagischldquo ist (die entsprechenden Schalen also vollkommen gefuumlllt haben) sind besonders stabil
B Povh K Rith C Scholz F Zetsche Teilchen und Kerne Eine Einfuumlhrung in die physikalischen Konzepte Springer Verlag 8 Auflage 2009
Die Kernkraft fuumlhrt letztlich zu einer Anziehung der
farbneutralen Nukleonen untereinander Sie hat nur
eine sehr kurze Reichweite ist allerdings deutlich staumlr-
ker als die abstoszligende elektrische Kraft Daher halten
Atomkerne auch zusammen und fliegen trotz der posi-
tiven Ladungen der Protonen nicht auseinander
Obwohl es heute bereits hinreichend gute mathema-
tische Beschreibungen der Kernkraft gibt ist sie nicht
bis ins letzte Detail verstanden Und so ist die genaue
Struktur der Atomkerne zum Beispiel die Frage wie
sich die einzelnen Nukleonen im Kern zueinander an-
ordnen bis heute nicht vollstaumlndig bekannt Zwar weiszlig
man dass Atomkerne genau wie auch die Elektronen
in der Huumllle diskrete Energieniveaus haben sodass sie
zu ndash im Vergleich zu diesen etwa 1000 bis 10 000 Mal
energiereicheren ndash Quantenspruumlngen angeregt werden
koumlnnen Aber die exakte Berechnung dieser Energieni-
veaus gestaltet sich sehr schwierig denn der Kern als
Ganzes ist ein sehr komplexes System aus stark mitei-
nander wechselwirkenden Einzelteilen So gibt es zwar
verschiedenen vereinfachende Modelle die jeweils ge-
wisse Aspekte der Kerne gut erklaumlren aber keines ist
vollstaumlndig und beschreibt den Kern in seiner Gaumlnze
In dem sogenannten Troumlpfchenmodell zum Beispiel
wird angenommen dass sich die Nukleonen im Kern
wie eine tropfenfoumlrmige positiv geladenen Fluumlssigkeit
verhalten Obwohl dieses Modell erst einmal sehr naiv
anmutet kann man mit seiner Hilfe recht genau be-
rechnen welche Atomkerne stabil und welche instabil
also radioaktiv sind
Im Schalenmodell hingegen wird angenommen dass
sich die Protonen und Neutronen genau wie auch die
Elektronen der Huumllle auf Schalen anordnen Ein Kern
nimmt dabei Energie auf indem ein Nukleon von einer
niedrigeren Schale in eine noch nicht vollstaumlndig gefuumlll-
te houmlhere Schale uumlbergeht Obwohl dieses Modell auch
mit starken Vereinfachungen arbeitet (im Gegensatz zu
den Elektronen spuumlren die Nukleonen ja kein gelade-
nes Zentrum um das sie sich herum anordnen muumlss-
ten) lassen sich hieraus in einigen Faumlllen passable Wer-
te fuumlr die Bindungsenergien und die Energieniveaus im
Kern berechnen
176 6 Atome und Quantenmechanik
Beim α-Zerfall sendet der Kern einen Heli-umkern (α-Teilchen) aus
Beim βminus-Zerfall wandelt sich im Kern ein Neutron in ein Proton ein Antineutrino und ein Elektron um wobei die letzteren beiden den Kern als Strahlung verlassen
Beim γ-Zerfall geht der Kern von einem angeregten in einen stabilen Zustand uumlber ndash die uumlberschuumlssige Energie wird in Form eines hochenergetischen Photons abgegeben
Atomkerne S 174Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182
Obwohl sich das Wort bdquoAtomldquo vom griechischen
ἄτομος (bdquodas Unteilbareldquo) ableitet kann man Atome
ndash mit dem entsprechenden Aufwand ndash in ihre Bestand-
teile zerlegen oder ineinander umwandeln Einige Ato-
me sind dazu jedoch auch von allein in der Lage Ende
des 19 Jahrhunderts entdeckte man Elemente wie
Uran oder Thorium die von sich aus eine ionisierende
Strahlung abgeben Noch bevor Rutherford die Exis-
tenz der Atomkerne explizit nachweisen konnte stellte
er daher bereits die Hypothese auf dass diese radio-
aktive Strahlung wie Marie Curie sie getauft hatte
durch die Umwandlung einer Atomsorte in eine andere
verursacht wird
Heute wissen wir dass radioaktive Strahlung entsteht
wenn ein instabiler Atomkern ( ) in einen stabileren
Zustand uumlbergeht Da die Menge des urspruumlnglichen
Stoffes bei diesem Prozess abnimmt spricht man hier-
bei auch von radioaktivem Zerfall Es gibt im Wesent-
lichen drei Arten radioaktiver Strahlung entsprechend
der drei verschiedenen Arten auf die ein Atomkern
spontan zerfallen kann
Der so genannte α-Zerfall tritt bei Atomkernen auf
die sehr schwer sind und eine groszlige Anzahl an Pro-
tonen besitzen Diese positiv geladenen Protonen im
Kern muumlssten sich eigentlich abstoszligen werden jedoch
von der kurzreichweitigen Kernkraft zusammenge-
halten die um einiges staumlrker ist als die abstoszligende
elektrische Kraft wobei Letztere jedoch eine deut-
lich houmlhere Reichweite hat Da durch die Effekte der
Quantenmechanik ( ) die Nukleonen im Kern keinen
festen Ort haben sondern uumlber einen gewissen Auf-
enthaltsbereich verschmiert sind gibt es eine gewisse
Wahrscheinlichkeit dass sich zwei Protonen und zwei
Neutronen ndash eine in sich sehr stabile Kombination
entsprechend einem Heliumkern auch α-Teilchen
genannt ndash so weit vom Rest der Kernteilchen entfer-
nen dass sie die anziehende Kernkraft nicht mehr stark
genug spuumlren sondern hauptsaumlchlich die abstoszligende
elektrische Kraft Das α-Teilchen durchtunnelt dadurch
die Potentialbarriere des Kerns und wird mit einer Ge-
schwindigkeit von einigen Prozent der Lichtgeschwin-
digkeit aus dem Kern ausgestoszligen ( Tunneleffekt )
Radioaktiver Zerfall Atomkerne aus dem Gleichgewicht
177 Radioaktiver Zerfall
Halbwertszeiten der bekannten Isotope Jedes Quadrat entspricht einem Kern mit Z Protonen und N Nukleonen (Protonen und Neu-tronen)
W Stolz Radioaktivitaumlt Grundlagen ndash Messung ndash Anwendungen Teubner 5 Aufl 2005H Krieger Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes Vieweg+Teubner 2007K Bethge Kernphysik Springer Verlag 1996
hen Dichte haumllt Blei dabei die γ-Strahlen am effektivs-
ten auf es werden jedoch je nach Strahlungsenergie
einige Millimeter bis Zentimeter fuumlr eine vollstaumlndige
Abschirmung benoumltigt Dies macht gerade Letztere fuumlr
Lebewesen besonders gefaumlhrlich denn tief in Gewebe
eindringende Strahlung kann nicht nur Verbrennungen
an der Hautoberflaumlche sondern auch Mutationen in
den Zellen und der DNA verursachen
Der β-Zerfall wiederum tritt in Kernen mit einem un-
guumlnstigen Verhaumlltnis zwischen Protonen und Neutro-
nen auf Hat ein Kern einen deutlichen Uumlberschuss an
Neutronen so kann sich eines davon durch die schwa-
che Wechselwirkung spontan in ein Proton ein Elekt-
ron und ein Antielektronneutrino umwandeln Wenn
dies geschieht dann verbleibt das Proton im Kern und
Neutrino und Elektron werden abgestrahlt Diese ne-
gativ geladenen Elektronen werden dabei als β minus-Strah-
lung bezeichnet
Die Regeln der schwachen Wechselwirkung lassen al-
lerdings auch den (etwas selteneren) spiegelbildlichen
Prozess zu In Kernen mit einem Uumlberschuss an Pro-
tonen kann sich eines in ein Neutron ein Antielektron
und ein Elektronneutrino umwandeln Das hierbei
ausgesendete positiv geladene Antielektron ( Positron)
bezeichnet man dabei als β +-Strahlung
Der γ-Zerfall schlieszliglich bezeichnet den Uumlbergang
eines Atomkerns von einem angeregten Zustand in
einen stabileren Zustand mit niedrigerer Energie Die
uumlberschuumlssige Energie wird in Form von energiereichen
Photonen abgestrahlt die man auch als γ-Quanten be-
zeichnet Weil angeregte Atomkerne meist eine Folge-
erscheinung von Kernspaltungen oder anderen voran-
gegangenen Zerfaumlllen sind tritt γ-Strahlung meist in
Begleitung von anderen radioaktiven Vorgaumlngen auf
Die Unterteilung in α β und γ bezieht sich auf die
Eindringtiefe der jeweiligen Strahlung in feste Materie
Waumlhrend α-Strahlung bereits nach fuumlnf Zentimetern
durch die Luft oder durch ein einfaches Blatt Papier
aufgehalten werden kann benoumltigt man bei β-Strahlung
bereits eine duumlnne Metallplatte γ-Strahlung hingegen
kann sehr tief in Materie eindringen Wegen seiner ho-
178 6 Atome und Quantenmechanik
Photoeffekt
Wellenlaumlngen und zugehoumlri-ge Photon-Energien fuumlr das sichtbare Lichtspektrum
Bild in der Mitte (Briefmarke) mit freundlicher Genehmigung von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityR P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Wellen und Teilchen haumlngen in der Quantenmechanik
eng miteinander zusammen So ist Licht einerseits eine
elektromagnetische Welle wie Interferenzexperimen-
te zeigen bei denen Lichtwellenberge auf -berge oder
-taumller treffen und sich verstaumlrken oder ausloumlschen An-
dererseits kann Licht beim sogenannten Photoeffekt
einzelne Elektronen aus einer Metalloberflaumlche he-
rausschlagen wobei dies mit umso groumlszligerer Wucht
geschieht je kuumlrzer die Lichtwellenlaumlnge ist ndash ein Ver-
halten das sich nur durch den Teilchencharakter des
Lichtes verstehen laumlsst
Licht besteht also aus
einem Strom einzelner
Teilchen (sogenannter
Photonen) welche die
Elektronen aus der Ober-
flaumlche herausstoszligen
Fuumlr die genaue Ausarbei-
tung dieser Erkenntnis
erhielt Albert Einstein im
Jahr 1921 den Nobelpreis
fuumlr Physik ndash er hatte sie be-
reits im Jahr 1905 in seiner
Doktorarbeit formuliert
Frequenz f und Wellenlaumlnge λ der elektromagnetischen
Lichtwelle legen dabei die Energie E und den Impuls p
der Photonen fest
E = h∙f und λ = hp
Hier ist h = 6626 ∙ 10ndash34 J∙s eine Naturkonstante deren
Wert im Experiment bestimmt werden muss Sie heiszligt
Planckrsquosches Wirkungsquantum und verknuumlpft Teil-
chen- mit Welleneigenschaften
So wie Photonen mit Lichtwellen zusammenhaumlngen
so haumlngen auch beispielsweise Elektronen mit Elektro-
nenwellen zusammen und zwar nach genau denselben
Formeln wie bei den Photonen und auch allen anderen
Teilchen Wenn man beispielsweise einen Elektronen-
strahl durch einen sehr feinen Doppelspalt schickt so
findet man auf einer Flaumlche dahinter ein Interferenz-
muster aus Streifen mit vielen und mit wenigen Elekt-
ronentreffern ganz analog zum Intensitaumltsmuster von
Laserlicht hinter einem solchen Doppelspalt
Offenbar muss man den Durchgang der Elektronen
durch den Doppelspalt wie bei Licht durch eine Wel-
le beschreiben wobei eine hohe Wellenintensitaumlt einer
hohen Wahrscheinlichkeit entspricht ein Elektron an-
zutreffen
Welle-Teilchen-Dualismus Teilchen bewegen sich in Wellen
179 Welle-Teilchen-Dualismus
Das Buckminster-Fulleren C60
Reales Doppelspaltexperiment mit 11 (a) 200 (b) 6000 (c) 40 000 (d) und 140 000 (e) Elektronen
Doppelspaltexperiment mit Elektronen Interferenz von Wellen hinter einem Doppelspalt
Wellenfunktion S 180J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Im Experiment kann man naumlmlich beobachten wie auf der Flaumlche hinter
dem Doppelspalt nach und nach immer mehr einzelne Elektronen wie
zufaumlllig an verschiedenen Stellen auftreffen wobei sich schlieszliglich das
streifenfoumlrmige Interferenzmuster herausbildet
Teilchenbahnen gibt es dabei nicht mehr Alles was die Quantenmecha-
nik tun kann ist die Auftreffwahrscheinlichkeiten fuumlr die Elektronen zu
berechnen Der Ort eines einzelnen Elektrons ist dagegen in der Natur
grundsaumltzlich nicht festgelegt d h der Wahrscheinlichkeitscharakter der
Quantenmechanik ist grundsaumltzlicher Natur und hat nichts mit unge-
nauen Messungen zu tun (siehe Wellenfunktion )
Mittlerweile konnten Interferenzmuster
auch beispielsweise fuumlr Fullerenmolekuumlle
nachgewiesen werden die immerhin aus
60 Kohlenstoffatomen bestehen (Anton
Zeilinger 1999) Auch fuumlr sie gilt also der
Welle-Teilchen-Dualismus
180 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Wellenfunktion die senkrecht zu ihrer Flugrichtung im Ort be-schraumlnkt wird (z B indem man sie durch einen engen Spalt schickt) erhaumllt dadurch eine groszlige Impulsunschaumlrfe in dieselbe Richtung wodurch sie sich ausbreitet
Zwei Schwingungszustaumlnde der Wel-lenfunktion eines Elektrons im Wasser-stoffatom Die Farbe gibt die ortsabhaumln-gige Phase der Wellenfunktion an
Bild rechts oben und links mit freundlicher Genehmigung von Bernd Thaller Universitaumlt von Graz Institut fuumlr Mathematik und Wissenschaftliches RechnenB Thaller Visual Quantum Mechanics httpvqmuni-grazatindexhtml Galerie mit Darstellungen von Wellenfunktionen
Anfang des 20 Jahrhunderts haumluften sich die Hinweise dass die Materie aus
kleinen Bausteinen Elementarteilchen genannt aufgebaut ist Zuerst nahm
man an dass die Elementarteilchen kleinen Kugeln aumlhnelten die sich aumlhn-
lich wie alle Objekte unserer Erfahrungswelt auf Flugbahnen bewegen kol-
lidieren und voneinander abprallen Als man aber begann experimentell
tiefer in die Bereiche des Mikrokosmos vorzudringen wurde schnell
klar dass Elementarteilchen ganz anderen Gesetzen folgen als sagen
wir einmal Murmeln oder Steine
Eine Murmel kann man (zumindest im Prinzip) zu
jedem Zeitpunkt vollstaumlndig durch einige wenige Zahlen beschreiben
zum Beispiel Ort und Geschwindigkeit Drehimpuls etc Bei Elementar-
teilchen ist dies nicht mehr moumlglich stattdessen beschreibt man sie durch
ein raumlumlich ausgedehntes Feld Die Bewegungsgleichungen fuumlr dieses
Feld aumlhneln denen von (zum Beispiel elektromagnetischen) Wellen wes-
wegen das Feld Wellenfunktion genannt wird
Durch die Wellennatur der Teilchen gehen
jedoch typische Teilcheneigenschaften verloren
Man kann uumlber die physikalischen Groumlszligen die ein klassisches Teil-
chen beschreiben wuumlrden nur noch statistische Aussagen treffen
Auszligerdem sind gewisse Groumlszligen wie zum Beispiel Ort und Ge-
schwindigkeit des Teilchens zueinander komplementaumlr
Wellenfunktion Verschmierte Teilchen
181 Wellenfunktion
Der Franck-Hertz-Versuch S 184A Zeilinger Einsteins Schleier Die neue Welt der Quantenphysik Goldmann 2003
Die Komplementaritaumlt von Ort und Impuls
Die Komplementaritaumlt von Messgroumlszligen wie Ort und Ge-
schwindigkeit ist nicht wie oft behauptet eine Folge
von ungenauen Messungen sondern eine fun-
damentale Eigenschaft der Wellenfunktionen
An den Stellen an denen das Betragsquadrat
der Wellenfunktion groszlig ist besteht eine hohe
Wahrscheinlichkeit das Elementarteilchen anzutreffen
wenn man danach sucht Die Geschwindigkeit des Teilchens hin-
gegen ist mit der Wellenlaumlnge der Welle verknuumlpft
Um nun einer Welle eine genaue Wellenlaumlnge zuzuordnen muss
sie uumlber einen groszligen Bereich ausgebreitet sein Eine genau be-
stimmte Geschwindigkeit fuumlhrt so zu einem sehr unbestimmten
Ort
Je staumlrker hingegen die Welle an einem Ort kon-
zentriert ist desto weniger genau kann man ihr
eine Wellenlaumlnge zuschreiben weswegen ein
genau bestimmter Ort zu einer sehr ungenau be-
stimmten Geschwindigkeit fuumlhrt
Das bedeutet Je genauer der Ort des Teilchens be-
kannt ist desto ungenauer ist seine Geschwindigkeit
bestimmt und umgekehrt
Die Welleneigenschaften der kleinsten Bausteine wer-
den ganz besonders bei den Elektronen deutlich die
sich in einem Atom befinden Anders als die haumlufig
benutzte Analogie zum Sonnensystem vermuten laumlsst
umkreisen Elektronen den Atomkern nicht denn da-
fuumlr muumlssten sie gleichzeitig einen scharf definierten Ort
und eine scharfe Geschwindigkeit besitzen Stattdessen
kann man sich die Wellenfunktion des Elektrons als
dreidimensionale stehende Welle vorstellen Ebenso
wie bei einer schwingenden Instrumenten-Saite gibt es
im Atom nur bestimmte bdquoerlaubteldquo Schwingungsmo-
den der Wellenfunktion Deswegen sind fuumlr das Elek-
tron im Atom nur bestimmte Energieniveaus erlaubt
zwischen denen es jedoch per bdquo Quantensprungldquo hin-
und herwechseln kann wenn es z B durch einen Licht-
strahl dazu angeregt wird (Franck-Hertz-Versuch )
182 6 Atome und Quantenmechanik
Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt
Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen
Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral
fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-
tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt
besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich
zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-
stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf
einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige
Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-
keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es
den Raumbereich einfach nicht betreten
Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das
Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-
ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr
sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei
werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt
ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash
ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt
die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-
tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst
ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel
am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der
Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von
Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-
berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern
auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-
federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann
man mit dem Konzept des Potentials begreifen
Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der
Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-
sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-
teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte
nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter
Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als
uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )
die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens
angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-
mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-
tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an
einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je
houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in
einem Tal als auf einem Bergldquo
Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-
lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der
klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-
Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis
183 Der Tunneleffekt
Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert
Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html
tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch
waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch
verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit
das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie
ist nicht exakt null
Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-
nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-
hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-
tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit
geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf
es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen
nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-
den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber
den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je
houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den
beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-
lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein
mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-
botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch
den Berg ins naumlchste Tal gelangen
Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-
waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-
nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-
lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum
Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um
so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der
Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie
deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-
steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln
Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und
klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer
Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle
nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die
Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-
det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt
die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich
ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen
durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis
ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng
genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr
hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-
schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne
sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es
ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon
eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-
versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-
scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische
Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum
vorkommt
184 6 Atome und Quantenmechanik
Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben
Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)
Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178
Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-
perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-
drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock
Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich
ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-
tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben
Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-
aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und
hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-
nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James
Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-
ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige
Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann
sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige
den sogenannten Quanten
Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und
Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum
zwischen einer negativ geladenen
Gluumlhkathode und einer positiven
Anode ausfuumlllt An der Kathode
treten staumlndig Elektronen aus die
wegen der angelegten Spannung
in Richtung der Anode beschleu-
nigt werden Auf ihrem Weg da-
hin durchqueren die Elektronen
das Gas und stoszligen dabei staumln-
dig mit den Quecksilberatomen
zusammen An der Anode misst
man durch die Gegenspannungs-
methode die Geschwindigkeit der
ankommenden Elektronen So kann man beobachten
um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-
men verlangsamt werden
Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches
fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-
lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode
zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur
elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei
nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-
nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die
an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast
voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man
auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann
kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu
leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-
den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich
schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die
Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet
Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen
185 Der Franck-Hertz-Versuch
Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu
Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden
Schichten ihre Energie
Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen
Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-
der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende
Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter
man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten
entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-
ben
Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur
in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-
sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen
sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein
Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von
Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann
diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf
das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen
Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe
und wird dann von der angelegten Spannung wieder
aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine
Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt
es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein
Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat
Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man
also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben
Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-
tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-
gie ist dabei von Element zu Element verschieden und
muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-
ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-
huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies
mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur
Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden
war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung
der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch
bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-
niveaus in Atomen
Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-
rigens nicht lange sondern geben sie in Form von
Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die
Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von
47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau
dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-
roumlhre als Leuchten erkennen kann
186 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
Magnetfeld
Rota
tions
achs
e
Praumlzession
magnetischeKraft
Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-
chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein
halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten
Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen
muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-
zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen
Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der
Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach
seine Eigenschaften zu verstehen
Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden
Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin
eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der
Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-
gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon
Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen
und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur
Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen
Spin besitzen
Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-
allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-
nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist
so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen
magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-
netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem
senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese
insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der
Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach
oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher
Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-
feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen
die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was
aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer
Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt
(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen
Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-
nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach
dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld
unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt
Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach
diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-
nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12
aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld
schlugen sich die Silberatome nieder
Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln
187 Der Spin eines Teilchens
Spinrichtung
θ = 0deg
θ = 45deg
θ = 90deg
θ = 135deg
θ = 180deg
θ
N
S
Silberatomstrahl
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter
Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend
einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-
tationsachsen
Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-
berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-
lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das
Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die
Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel
dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in
oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild
der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-
vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens
Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-
sche Beschreibung des Spins aus Angenommen
der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die
um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist
In einem parallel zum Spin ausgerichteten
inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen
also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt
sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht
orientierten inhomogenen Magnetfeld Es
wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2
nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit
sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik
durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)
d h der Spin ist nach der Messung mit die-
sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach
oben oder nach unten orientiert Und das ist
auch schon im Wesentlichen alles was gesagt
werden kann denn die Quantenmechanik
kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen
sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen
bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der
Begriff der klassischen Rotationsachse in der
Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche
Ungleichung )
188 6 Atome und Quantenmechanik
-2-1 0 1 2 3
-3-2
-1 0
1 2
3
-1-08-06-04-02
0 02 04 06 08
1
x
y
f(xy)
Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der
Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische
Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem
Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-
scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an
einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches
man angetroffen hat
In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit
ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes
Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das
Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man
auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude
oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )
bezeichnet (genau genommen ist f(xy)
eine komplexe Zahl doch das ist hier
nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-
ronen ununterscheidbar sind darf sich
diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern
wenn wir die beiden Elektronen mitei-
nander vertauschen also das erste Elek-
tron am Ort y und das zweite Elektron
am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2
= |f(yx)|2 sein
Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)
selbst kann beim Vertauschen entweder
ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie
wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-
zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt
f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)
Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt
der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-
ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise
Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische
Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten
Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-
tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen
Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin
zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-
gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip
Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-
trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude
Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden
189 Das Pauli-Prinzip
1s
2s
2p
3s
3p
3d
18
Ener
gie
n=1
n=2
n=3
8
2
3dxsup2-ysup2
3pz 3px 3py
3s
2pz
2s
1s
3dxz 3dxy
2py
3dz2 3dyz
2px
Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)
Bosonen Fermionen
810 nK
510 nK
240 nK
Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom
Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2
Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich
zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-
nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich
f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man
in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen
mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht
am selben Ort aufhalten
Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen
derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht
denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man
beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts
Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit
ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-
mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)
groumlszligere Abstaumlnde beibehalten
Das Pauli-Prinzip stellt si-
cher dass sich in der Elek-
tronenhuumllle der Atome
eine stabile Schalenstruk-
tur ausbildet Jeder moumlgli-
che Schwingungszustand der Wellenfunktion
kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-
den die entgegengesetzte Spinausrichtung
aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-
nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige
Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken
ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip
Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-
ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es
wird durch ein subtiles Zusammenspiel von
Quantenmechanik und spezieller Relativi-
taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief
in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler
der modernen Physik begruumlndet
190 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
N
S
Magnet A
Teilchenquelle
Magnet B
Der Spin eines Teilchens S 186
In der klassischen Physik sind wir es normalerweise
gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige
Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit
diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch
Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-
spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen
haben
Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden
und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig
d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen
Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur
unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er
gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-
tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-
dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz
EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die
uumlberarbeitete Version von David Bohm)
Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-
len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen
ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-
gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst
man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht
orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird
immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein
Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-
den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash
welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist
nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall
Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-
ander verhalten werden
Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-
den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte
Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder
Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-
gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann
das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim
Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine
Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide
Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-
der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten
laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat
der Zufall Spin up entschiedenldquo
koumlnnte sich aber maximal mit
Lichtgeschwindigkeit ausbrei-
ten
Einstein Po-
dolsky und Rosen
sprachen daher von einer
bdquospukhaften Fernwirkungldquo und
folgerten dass jedes der beiden Teil-
chen doch eine verborgene lokale Eigen-
schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse
besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits
im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten
waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-
saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet
Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-
cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie
die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig
191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
S
S
N
N
Magnet AKippwinkel 45deg
Magnet BKippwinkel 0deg
Gruppe 1(0darr 45uarr)
Teilchenquelle
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90degGruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
0deg 45deg 90deg
J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und
ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-
rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr
1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich
diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein
Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand
gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-
nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-
rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide
Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt
werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-
gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg
Wenn die Teilchen nun doch eine
lokale innere Eigenschaft besaumlszligen
die ihr Verhalten im Magnetfeld
von vornherein festlegte so wird
es beispielsweise einige darunter
geben die bei 0deg zum Suumldpol bei
45deg zum Nordpol und bei 90deg
ebenfalls zum Nordpol abgelenkt
wuumlrden sodass wir sie mit (0
45 90 ) kennzeichnen koumln-
nen Die zugehoumlrigen Part-
nerteilchen wuumlrden sich
dabei genau entgegenge-
setzt verhalten
Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-
chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde
beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten
zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen
im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol
abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45
verhaumllt
Analog bilden wir Grup-
pe 2 als alle die Teilchen-
paare bei denen ein Teil-
chen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 45
sowie 90 besitzt sowie
Gruppe 3 als alle die Teil-
chenpaare bei denen ein
Teilchen zugleich die bei-
den Kennzeichnungen 0
sowie 90 besitzt
Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare
von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also
muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-
wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten
zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-
send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)
Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-
scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt
sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-
scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-
men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche
Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung
vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen
uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere
Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky
und Rosen wurden widerlegt
Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass
die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung
erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-
greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt
egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze
ist mehr als die Summe seiner Teile
192 6 Atome und Quantenmechanik
Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie
Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012
Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-
orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische
Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-
theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik
jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich
zufriedenstellend beantwortet sind
Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur
grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-
lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-
lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische
Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-
wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-
scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen
instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise
Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also
durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus
dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-
ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der
sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927
u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-
beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber
welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder
dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-
on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-
ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft
die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)
sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-
lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten
Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei
nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da
es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird
Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten
193 Die Interpretation der Quantenmechanik
Tritium
Wellenfunktion = +
Helium-3
ElektronAntineutrino
Detektormisst
Zerfall
makroskopische Realitaumlt
Gift
oder
Gift
Tritiumintakt
Tritiumzerfallen
Wellenfunktion =
+
Dekohaumlrenz
makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2
Gift Gift
Tritium Helium-3
ElektronAntineutrino
Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24
Doch wann genau findet eine solche Messung statt
Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin
Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches
Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem
zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die
zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste
eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet
dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-
tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit
Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers
Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-
digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der
erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-
schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der
quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die
klassische Realitaumlt der Katze
Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-
chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute
tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-
zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-
tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-
elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man
den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in
den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die
sogenannte Viele-Welten-Interpretation
Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom
weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-
same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-
tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie
bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze
jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-
vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in
Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur
sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-
de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung
mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-
abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts
mehr voneinander sodass man sie als verschiedene
Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-
der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der
Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht
In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion
des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-
ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten
verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation
zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-
lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt
im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung
des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung
zwischen Mikro- und Makrokosmos
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
++ndash
ndash
Was ist die Wellenfunktion und was die Unschaumlrferelation Was ist
das Quantenvakuum und wie verhalten sich Suprafluumlssigkeiten Und
werden wir bald Quantencomputer verwenden Diese und andere Fra-
gen lassen sich mithilfe der Quantenmechanik behandeln und teilweise
auch beantworten
Die Quantenmechanik verbluumlfft uns bis heute mit ihren vielen raumltsel-
haften Facetten Da verhalten sich Teilchen wie Wellen und Wellen
wie Teilchen da nehmen Elektronen scheinbar mehrere Wege auf
einmal und das Vakuum ist nicht mehr leer Teilchen uumlberwinden
Barrieren obwohl sie eigentlich nicht genuumlgend Energie dafuumlr ha-
ben und der Zufall entpuppt sich als fundamentales Prinzip der
Natur Unsere klassische Intuition wird hier auf den Kopf gestellt
In diesem Teil des Buches schauen wir uns an warum Materie sta-
bil ist was der Spin des Elektrons ist und warum er sich nur sehr un-
vollstaumlndig als Eigenrotation verstehen laumlsst Auch makroskopische
Phaumlnomene wie Supraleitung oder Suprafluiditaumlt wollen wir vorstellen
Nicht zuletzt werden wir den Laser genauer betrachten und auch den
Quantencomputer Alle diese Phaumlnomene lassen sich mit der Quanten-
mechanik praumlzise beschreiben minus doch was die Quantenmechanik fuumlr
unser Verstaumlndnis der physikalischen Realitaumlt bedeutet daruumlber
herrscht auch fast einhundert Jahre nach ihrer Entstehung
noch keine Einigkeit
6 Atome und Quantenmechanik
172 6 Atome und Quantenmechanik
Demokrit
Nicht nur in der Antike auch zu Daltons Zeiten stellte man sich vor dass Atombindungen durch Haken und Oumlsen realisiert wuumlrden
Demokrit und Leukipp stellten sich Atome als geome-trische Objekte mit verschiedensten Formen vor
W Heisenberg Der Teil und das Ganze Gespraumlche im Umkreis der Atomphysik Piper Taschenbuch 9 Auflage 2001H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
Die Vorstellung dass die Materie die uns umgibt aus
kleinen unteilbaren Bausteinen aufgebaut sei ist schon
uumlber 2400 Jahre alt Damals waren es der Philosoph
Leukipp und sein Schuumller Demokrit die annahmen
dass es unvorstellbar kleine nicht weiter unterteilbare
Bausteine gibt die sie Atome nannten (vom griechi-
schen ἄτομος bdquodas Unteilbareldquo) Sie stellten sich vor
dass diese Atome von denen es verschiedene Sorten
geben sollte mit Haken und Oumlsen ausgestattet sind
sodass sie sich miteinander verbinden aber sich auch
wieder voneinander loumlsen konnten So wuumlrde z B aus
lauter winzigen bdquoSteinatomenldquo ein fester Stein
Natuumlrlich war das zu dieser
Zeit reine Spekulation denn
ein Atom hatte noch niemand
direkt gesehen Auch deshalb
wurde Demokrit damals von
Zeitgenossen (wie Sokrates)
verspottet Und so geriet das
Modell fuumlr lange Zeit in Ver-
gessenheit
Erst Anfang des 19 Jahrhun-
derts mit dem Aufkommen
der Chemie fanden die modernen Naturwissenschaft-
ler zuruumlck zur Atomtheorie Es war John Dalton der
annahm dass es zu allen damals bekannten chemi-
schen Stoffen entsprechende Atomsorten gab die sich
nur in ganz bestimmten Verhaumlltnissen miteinander
verbinden konnten Diese Hypothese konnte bereits
eine Menge von chemischen Beobachtungen erklaumlren
aber eine wirkliche Vorstellung von Atomen hatte man
damit immer noch nicht erlangt
Erst zu Anfang des 20 Jahrhunderts als man begann
durch immer genauere Experimente die Struktur des
Atoms selbst zu entschluumlsseln fanden Physiker wie
J J Thomson und Ernest Rutherford heraus dass das
Atom ein positiv geladenes Zentrum besitzt das von
negativ geladenen Elektronen umgeben ist
Im Jahre 1913 stellte der daumlnische Physiker Niels Bohr
dann sein bis heute beruumlhmtes Atommodell vor Das
Atom besteht dabei aus einem positiv geladenen Kern
Das Bohrrsquosche Atommodell Wie kann man sich ein Atom vorstellen
173 Das Bohrrsquosche Atommodell
Die Experimente Thomsons zeigten dass Atome negativ gelade-nen Teilchen enthalten muumlssen Man stellte sich vor dass diese Elektronen im Atom eingebettet waren wie Rosinen im Kuchen (links) Erst Bohr formte die Vorstellung eines positiv geladenen Kerns der von den negativ geladenen Elektronen umkreist wird (rechts)
Die Flagge der Internationalen Atom-energiebehoumlrde (IAEA)
Daumlnische Briefmarke zum 50-jaumlh-rigen Geburtstag des Bohrrsquoschen Atommodells
Wellenfunktion S 180Das Pauli-Prinzip S 188
der fast die gesamte Masse in sich vereint und von
Elektronen auf stabilen Kreisbahnen umrundet wird ndash
fast wie ein winziges Planetensystem
Dabei sind nur ganz bestimmte Abstaumlnde zwischen
Kern und Elektron erlaubt und je nach Abstand be-
sitzen die Elektronen unterschiedliche Energien Alle
Elektronen desselben Abstandes gehoumlren zu einer soge-
nannten Schale und in jede Schale passen
nur eine gewisse Anzahl von Elektronen
Dieses Modell konnte nicht nur das Ver-
halten einer ganzen Reihe von Atomen
(naumlmlich denen der sogenannten Haupt-
gruppen) erklaumlren sondern war auch so an-
schaulich dass dieses Bild bis heute unsere
Atomvorstellungen praumlgt So findet es sich
zum Beispiel in der Flagge der Internatio-
nalen Atomenergiebehoumlrde IAEA
Teilweise konnte das Bohrrsquosche Atommodell sogar er-
klaumlren warum sich z B ein Wasserstoff (H) und ein
Chloratom (Cl) zu Salzsaumlure (HCl) verbinden koumln-
nen Das Wasserstoffatom besitzt ein Elektron ndash dem
Chloratom fehlt genau ein Elektron um seine aumluszligerste
Schale ganz zu fuumlllen ndash und so ist es energetisch guumlns-
tig wenn beide sich verbinden Zwischen ihnen kann
dabei ein Elektron den Besitzer wechseln und der posi-
tiv geladenen Wasserstoffkern (H+) und das negativ ge-
ladene Chloratom (Clminus) bleiben einfach aufgrund der
elektrostatischen Anziehungskraft aneinander haumlngen
Das Bohrrsquosche Atommodell hatte allerdings immer
noch Erklaumlrungsluumlcken Warum durften die negativ ge-
ladenen Elektronen den positiven Kern nur in ganz be-
stimmten Abstaumlnden umkreisen Und was hinderte sie
daran aufgrund der elektrostatischen Anziehungskraft
einfach in der Kern hineinzufallen Diese Fragen konn-
ten erst spaumlter in einer umfassenden quantenmecha-
nischen Beschreibung der Atome geklaumlrt werden ( )
Leider bedeutet die quantenmechanische Behandlung
dass ein gewisser Anteil der Anschauung der Atome
verlorengeht
174 6 Atome und Quantenmechanik
Sowohl Pro-tonen als auch
Neutronen beste-hen aus drei Quarks
Die starke Wechselwirkung zweier Nukleonen kann man durch den Austausch eines Mesons veranschaulichen
Das Bohrrsquosche Atommodell S 172Radioaktiver Zerfall S 176Die starke Wechselwirkung S 224
Waumlhrend viele Physiker um 1900 das Atom noch als
eine fundamentale Einheit betrachteten gelangte man
mit den Experimenten von Rutherford im Jahre 1911
zu der Erkenntnis dass ein Atom selbst auch eine
Struktur besitzt und aus einem positiv gela-
denen Kern besteht der von im Vergleich
dazu sehr leichten Elektronen umgeben ist
(Bohrrsquosches Atommodell ) Auch wenn
man relativ einfach einzelne Elektronen
aus dieser Huumllle entfernen oder dazu hin-
zufuumlgen konnte so blieb der Atomkern in
dem rund 9995 der Masse des Atoms
enthalten ist davon unbeein-
flusst Insofern passte diese
Einsicht weiterhin gut mit der
Vorstellung der bdquoUnteilbar-
keitldquo der Atome zusammen
Erst 1917 wies Ernest Ruther-
ford durch weitere Experimente nach dass auch Atom-
kerne veraumlnderbar waren indem er durch Beschuss
mit Alphateilchen (Heliumkernen) Stickstoffkerne in
Sauerstoffkerne umwandelte Dass Atomkerne in der
Tat nicht ganz unveraumlnderlich waren hatte man zwar
schon durch die Entdeckung der Radioaktivitaumlt ( )
einige Jahre zuvor vermutet aber Rutherfords Experi-
mente waren der erste direkte Nachweis
Bei dieser Gelegenheit entdeckte Rutherford auch
dass Atomkerne wiederum eine Substruktur besitzen
und mehrere Protonen enthalten ndash und zwar gerade
so viele wie sich Elektronen in der Huumllle befinden
Im Jahre 1932 entdeckte dann James Chadwick den
zweiten noch fehlenden Baustein in den Atomkernen
das Neutron Diese beiden Nukleonen formen zusam-
men den Atomkern
Doch was genau haumllt Protonen und Neu-
tronen im Kern zusammen Letztere
sind elektrisch neutral die Protonen
aber sind allesamt positiv geladen
sollten sich also abstoszligen Die Ant-
wort liegt in einer weiteren Substruktur
die die sogenannte Kernkraft erzeugt
(nicht zu verwechseln mit der Energie
die in Kernkraftwerken aus z B Uran
gewonnen wird) Diese Kernkraft ist das
Uumlberbleibsel der starken Kraft die zwi-
schen den Bestandteilen der Protonen
und Neutronen ndash den Quarks ndash wirkt
( starke WW )
Atomkerne Seit hundert Jahren bekannt und doch nicht im Ganzen verstanden
175 Atomkerne
Die Luumlcken zwischen den Energieniveaus im Atomkern trennen die einzelnen Schalen voneinander Kerne deren Protonen undoder Neutronenzahl bdquomagischldquo ist (die entsprechenden Schalen also vollkommen gefuumlllt haben) sind besonders stabil
B Povh K Rith C Scholz F Zetsche Teilchen und Kerne Eine Einfuumlhrung in die physikalischen Konzepte Springer Verlag 8 Auflage 2009
Die Kernkraft fuumlhrt letztlich zu einer Anziehung der
farbneutralen Nukleonen untereinander Sie hat nur
eine sehr kurze Reichweite ist allerdings deutlich staumlr-
ker als die abstoszligende elektrische Kraft Daher halten
Atomkerne auch zusammen und fliegen trotz der posi-
tiven Ladungen der Protonen nicht auseinander
Obwohl es heute bereits hinreichend gute mathema-
tische Beschreibungen der Kernkraft gibt ist sie nicht
bis ins letzte Detail verstanden Und so ist die genaue
Struktur der Atomkerne zum Beispiel die Frage wie
sich die einzelnen Nukleonen im Kern zueinander an-
ordnen bis heute nicht vollstaumlndig bekannt Zwar weiszlig
man dass Atomkerne genau wie auch die Elektronen
in der Huumllle diskrete Energieniveaus haben sodass sie
zu ndash im Vergleich zu diesen etwa 1000 bis 10 000 Mal
energiereicheren ndash Quantenspruumlngen angeregt werden
koumlnnen Aber die exakte Berechnung dieser Energieni-
veaus gestaltet sich sehr schwierig denn der Kern als
Ganzes ist ein sehr komplexes System aus stark mitei-
nander wechselwirkenden Einzelteilen So gibt es zwar
verschiedenen vereinfachende Modelle die jeweils ge-
wisse Aspekte der Kerne gut erklaumlren aber keines ist
vollstaumlndig und beschreibt den Kern in seiner Gaumlnze
In dem sogenannten Troumlpfchenmodell zum Beispiel
wird angenommen dass sich die Nukleonen im Kern
wie eine tropfenfoumlrmige positiv geladenen Fluumlssigkeit
verhalten Obwohl dieses Modell erst einmal sehr naiv
anmutet kann man mit seiner Hilfe recht genau be-
rechnen welche Atomkerne stabil und welche instabil
also radioaktiv sind
Im Schalenmodell hingegen wird angenommen dass
sich die Protonen und Neutronen genau wie auch die
Elektronen der Huumllle auf Schalen anordnen Ein Kern
nimmt dabei Energie auf indem ein Nukleon von einer
niedrigeren Schale in eine noch nicht vollstaumlndig gefuumlll-
te houmlhere Schale uumlbergeht Obwohl dieses Modell auch
mit starken Vereinfachungen arbeitet (im Gegensatz zu
den Elektronen spuumlren die Nukleonen ja kein gelade-
nes Zentrum um das sie sich herum anordnen muumlss-
ten) lassen sich hieraus in einigen Faumlllen passable Wer-
te fuumlr die Bindungsenergien und die Energieniveaus im
Kern berechnen
176 6 Atome und Quantenmechanik
Beim α-Zerfall sendet der Kern einen Heli-umkern (α-Teilchen) aus
Beim βminus-Zerfall wandelt sich im Kern ein Neutron in ein Proton ein Antineutrino und ein Elektron um wobei die letzteren beiden den Kern als Strahlung verlassen
Beim γ-Zerfall geht der Kern von einem angeregten in einen stabilen Zustand uumlber ndash die uumlberschuumlssige Energie wird in Form eines hochenergetischen Photons abgegeben
Atomkerne S 174Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182
Obwohl sich das Wort bdquoAtomldquo vom griechischen
ἄτομος (bdquodas Unteilbareldquo) ableitet kann man Atome
ndash mit dem entsprechenden Aufwand ndash in ihre Bestand-
teile zerlegen oder ineinander umwandeln Einige Ato-
me sind dazu jedoch auch von allein in der Lage Ende
des 19 Jahrhunderts entdeckte man Elemente wie
Uran oder Thorium die von sich aus eine ionisierende
Strahlung abgeben Noch bevor Rutherford die Exis-
tenz der Atomkerne explizit nachweisen konnte stellte
er daher bereits die Hypothese auf dass diese radio-
aktive Strahlung wie Marie Curie sie getauft hatte
durch die Umwandlung einer Atomsorte in eine andere
verursacht wird
Heute wissen wir dass radioaktive Strahlung entsteht
wenn ein instabiler Atomkern ( ) in einen stabileren
Zustand uumlbergeht Da die Menge des urspruumlnglichen
Stoffes bei diesem Prozess abnimmt spricht man hier-
bei auch von radioaktivem Zerfall Es gibt im Wesent-
lichen drei Arten radioaktiver Strahlung entsprechend
der drei verschiedenen Arten auf die ein Atomkern
spontan zerfallen kann
Der so genannte α-Zerfall tritt bei Atomkernen auf
die sehr schwer sind und eine groszlige Anzahl an Pro-
tonen besitzen Diese positiv geladenen Protonen im
Kern muumlssten sich eigentlich abstoszligen werden jedoch
von der kurzreichweitigen Kernkraft zusammenge-
halten die um einiges staumlrker ist als die abstoszligende
elektrische Kraft wobei Letztere jedoch eine deut-
lich houmlhere Reichweite hat Da durch die Effekte der
Quantenmechanik ( ) die Nukleonen im Kern keinen
festen Ort haben sondern uumlber einen gewissen Auf-
enthaltsbereich verschmiert sind gibt es eine gewisse
Wahrscheinlichkeit dass sich zwei Protonen und zwei
Neutronen ndash eine in sich sehr stabile Kombination
entsprechend einem Heliumkern auch α-Teilchen
genannt ndash so weit vom Rest der Kernteilchen entfer-
nen dass sie die anziehende Kernkraft nicht mehr stark
genug spuumlren sondern hauptsaumlchlich die abstoszligende
elektrische Kraft Das α-Teilchen durchtunnelt dadurch
die Potentialbarriere des Kerns und wird mit einer Ge-
schwindigkeit von einigen Prozent der Lichtgeschwin-
digkeit aus dem Kern ausgestoszligen ( Tunneleffekt )
Radioaktiver Zerfall Atomkerne aus dem Gleichgewicht
177 Radioaktiver Zerfall
Halbwertszeiten der bekannten Isotope Jedes Quadrat entspricht einem Kern mit Z Protonen und N Nukleonen (Protonen und Neu-tronen)
W Stolz Radioaktivitaumlt Grundlagen ndash Messung ndash Anwendungen Teubner 5 Aufl 2005H Krieger Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes Vieweg+Teubner 2007K Bethge Kernphysik Springer Verlag 1996
hen Dichte haumllt Blei dabei die γ-Strahlen am effektivs-
ten auf es werden jedoch je nach Strahlungsenergie
einige Millimeter bis Zentimeter fuumlr eine vollstaumlndige
Abschirmung benoumltigt Dies macht gerade Letztere fuumlr
Lebewesen besonders gefaumlhrlich denn tief in Gewebe
eindringende Strahlung kann nicht nur Verbrennungen
an der Hautoberflaumlche sondern auch Mutationen in
den Zellen und der DNA verursachen
Der β-Zerfall wiederum tritt in Kernen mit einem un-
guumlnstigen Verhaumlltnis zwischen Protonen und Neutro-
nen auf Hat ein Kern einen deutlichen Uumlberschuss an
Neutronen so kann sich eines davon durch die schwa-
che Wechselwirkung spontan in ein Proton ein Elekt-
ron und ein Antielektronneutrino umwandeln Wenn
dies geschieht dann verbleibt das Proton im Kern und
Neutrino und Elektron werden abgestrahlt Diese ne-
gativ geladenen Elektronen werden dabei als β minus-Strah-
lung bezeichnet
Die Regeln der schwachen Wechselwirkung lassen al-
lerdings auch den (etwas selteneren) spiegelbildlichen
Prozess zu In Kernen mit einem Uumlberschuss an Pro-
tonen kann sich eines in ein Neutron ein Antielektron
und ein Elektronneutrino umwandeln Das hierbei
ausgesendete positiv geladene Antielektron ( Positron)
bezeichnet man dabei als β +-Strahlung
Der γ-Zerfall schlieszliglich bezeichnet den Uumlbergang
eines Atomkerns von einem angeregten Zustand in
einen stabileren Zustand mit niedrigerer Energie Die
uumlberschuumlssige Energie wird in Form von energiereichen
Photonen abgestrahlt die man auch als γ-Quanten be-
zeichnet Weil angeregte Atomkerne meist eine Folge-
erscheinung von Kernspaltungen oder anderen voran-
gegangenen Zerfaumlllen sind tritt γ-Strahlung meist in
Begleitung von anderen radioaktiven Vorgaumlngen auf
Die Unterteilung in α β und γ bezieht sich auf die
Eindringtiefe der jeweiligen Strahlung in feste Materie
Waumlhrend α-Strahlung bereits nach fuumlnf Zentimetern
durch die Luft oder durch ein einfaches Blatt Papier
aufgehalten werden kann benoumltigt man bei β-Strahlung
bereits eine duumlnne Metallplatte γ-Strahlung hingegen
kann sehr tief in Materie eindringen Wegen seiner ho-
178 6 Atome und Quantenmechanik
Photoeffekt
Wellenlaumlngen und zugehoumlri-ge Photon-Energien fuumlr das sichtbare Lichtspektrum
Bild in der Mitte (Briefmarke) mit freundlicher Genehmigung von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityR P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Wellen und Teilchen haumlngen in der Quantenmechanik
eng miteinander zusammen So ist Licht einerseits eine
elektromagnetische Welle wie Interferenzexperimen-
te zeigen bei denen Lichtwellenberge auf -berge oder
-taumller treffen und sich verstaumlrken oder ausloumlschen An-
dererseits kann Licht beim sogenannten Photoeffekt
einzelne Elektronen aus einer Metalloberflaumlche he-
rausschlagen wobei dies mit umso groumlszligerer Wucht
geschieht je kuumlrzer die Lichtwellenlaumlnge ist ndash ein Ver-
halten das sich nur durch den Teilchencharakter des
Lichtes verstehen laumlsst
Licht besteht also aus
einem Strom einzelner
Teilchen (sogenannter
Photonen) welche die
Elektronen aus der Ober-
flaumlche herausstoszligen
Fuumlr die genaue Ausarbei-
tung dieser Erkenntnis
erhielt Albert Einstein im
Jahr 1921 den Nobelpreis
fuumlr Physik ndash er hatte sie be-
reits im Jahr 1905 in seiner
Doktorarbeit formuliert
Frequenz f und Wellenlaumlnge λ der elektromagnetischen
Lichtwelle legen dabei die Energie E und den Impuls p
der Photonen fest
E = h∙f und λ = hp
Hier ist h = 6626 ∙ 10ndash34 J∙s eine Naturkonstante deren
Wert im Experiment bestimmt werden muss Sie heiszligt
Planckrsquosches Wirkungsquantum und verknuumlpft Teil-
chen- mit Welleneigenschaften
So wie Photonen mit Lichtwellen zusammenhaumlngen
so haumlngen auch beispielsweise Elektronen mit Elektro-
nenwellen zusammen und zwar nach genau denselben
Formeln wie bei den Photonen und auch allen anderen
Teilchen Wenn man beispielsweise einen Elektronen-
strahl durch einen sehr feinen Doppelspalt schickt so
findet man auf einer Flaumlche dahinter ein Interferenz-
muster aus Streifen mit vielen und mit wenigen Elekt-
ronentreffern ganz analog zum Intensitaumltsmuster von
Laserlicht hinter einem solchen Doppelspalt
Offenbar muss man den Durchgang der Elektronen
durch den Doppelspalt wie bei Licht durch eine Wel-
le beschreiben wobei eine hohe Wellenintensitaumlt einer
hohen Wahrscheinlichkeit entspricht ein Elektron an-
zutreffen
Welle-Teilchen-Dualismus Teilchen bewegen sich in Wellen
179 Welle-Teilchen-Dualismus
Das Buckminster-Fulleren C60
Reales Doppelspaltexperiment mit 11 (a) 200 (b) 6000 (c) 40 000 (d) und 140 000 (e) Elektronen
Doppelspaltexperiment mit Elektronen Interferenz von Wellen hinter einem Doppelspalt
Wellenfunktion S 180J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Im Experiment kann man naumlmlich beobachten wie auf der Flaumlche hinter
dem Doppelspalt nach und nach immer mehr einzelne Elektronen wie
zufaumlllig an verschiedenen Stellen auftreffen wobei sich schlieszliglich das
streifenfoumlrmige Interferenzmuster herausbildet
Teilchenbahnen gibt es dabei nicht mehr Alles was die Quantenmecha-
nik tun kann ist die Auftreffwahrscheinlichkeiten fuumlr die Elektronen zu
berechnen Der Ort eines einzelnen Elektrons ist dagegen in der Natur
grundsaumltzlich nicht festgelegt d h der Wahrscheinlichkeitscharakter der
Quantenmechanik ist grundsaumltzlicher Natur und hat nichts mit unge-
nauen Messungen zu tun (siehe Wellenfunktion )
Mittlerweile konnten Interferenzmuster
auch beispielsweise fuumlr Fullerenmolekuumlle
nachgewiesen werden die immerhin aus
60 Kohlenstoffatomen bestehen (Anton
Zeilinger 1999) Auch fuumlr sie gilt also der
Welle-Teilchen-Dualismus
180 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Wellenfunktion die senkrecht zu ihrer Flugrichtung im Ort be-schraumlnkt wird (z B indem man sie durch einen engen Spalt schickt) erhaumllt dadurch eine groszlige Impulsunschaumlrfe in dieselbe Richtung wodurch sie sich ausbreitet
Zwei Schwingungszustaumlnde der Wel-lenfunktion eines Elektrons im Wasser-stoffatom Die Farbe gibt die ortsabhaumln-gige Phase der Wellenfunktion an
Bild rechts oben und links mit freundlicher Genehmigung von Bernd Thaller Universitaumlt von Graz Institut fuumlr Mathematik und Wissenschaftliches RechnenB Thaller Visual Quantum Mechanics httpvqmuni-grazatindexhtml Galerie mit Darstellungen von Wellenfunktionen
Anfang des 20 Jahrhunderts haumluften sich die Hinweise dass die Materie aus
kleinen Bausteinen Elementarteilchen genannt aufgebaut ist Zuerst nahm
man an dass die Elementarteilchen kleinen Kugeln aumlhnelten die sich aumlhn-
lich wie alle Objekte unserer Erfahrungswelt auf Flugbahnen bewegen kol-
lidieren und voneinander abprallen Als man aber begann experimentell
tiefer in die Bereiche des Mikrokosmos vorzudringen wurde schnell
klar dass Elementarteilchen ganz anderen Gesetzen folgen als sagen
wir einmal Murmeln oder Steine
Eine Murmel kann man (zumindest im Prinzip) zu
jedem Zeitpunkt vollstaumlndig durch einige wenige Zahlen beschreiben
zum Beispiel Ort und Geschwindigkeit Drehimpuls etc Bei Elementar-
teilchen ist dies nicht mehr moumlglich stattdessen beschreibt man sie durch
ein raumlumlich ausgedehntes Feld Die Bewegungsgleichungen fuumlr dieses
Feld aumlhneln denen von (zum Beispiel elektromagnetischen) Wellen wes-
wegen das Feld Wellenfunktion genannt wird
Durch die Wellennatur der Teilchen gehen
jedoch typische Teilcheneigenschaften verloren
Man kann uumlber die physikalischen Groumlszligen die ein klassisches Teil-
chen beschreiben wuumlrden nur noch statistische Aussagen treffen
Auszligerdem sind gewisse Groumlszligen wie zum Beispiel Ort und Ge-
schwindigkeit des Teilchens zueinander komplementaumlr
Wellenfunktion Verschmierte Teilchen
181 Wellenfunktion
Der Franck-Hertz-Versuch S 184A Zeilinger Einsteins Schleier Die neue Welt der Quantenphysik Goldmann 2003
Die Komplementaritaumlt von Ort und Impuls
Die Komplementaritaumlt von Messgroumlszligen wie Ort und Ge-
schwindigkeit ist nicht wie oft behauptet eine Folge
von ungenauen Messungen sondern eine fun-
damentale Eigenschaft der Wellenfunktionen
An den Stellen an denen das Betragsquadrat
der Wellenfunktion groszlig ist besteht eine hohe
Wahrscheinlichkeit das Elementarteilchen anzutreffen
wenn man danach sucht Die Geschwindigkeit des Teilchens hin-
gegen ist mit der Wellenlaumlnge der Welle verknuumlpft
Um nun einer Welle eine genaue Wellenlaumlnge zuzuordnen muss
sie uumlber einen groszligen Bereich ausgebreitet sein Eine genau be-
stimmte Geschwindigkeit fuumlhrt so zu einem sehr unbestimmten
Ort
Je staumlrker hingegen die Welle an einem Ort kon-
zentriert ist desto weniger genau kann man ihr
eine Wellenlaumlnge zuschreiben weswegen ein
genau bestimmter Ort zu einer sehr ungenau be-
stimmten Geschwindigkeit fuumlhrt
Das bedeutet Je genauer der Ort des Teilchens be-
kannt ist desto ungenauer ist seine Geschwindigkeit
bestimmt und umgekehrt
Die Welleneigenschaften der kleinsten Bausteine wer-
den ganz besonders bei den Elektronen deutlich die
sich in einem Atom befinden Anders als die haumlufig
benutzte Analogie zum Sonnensystem vermuten laumlsst
umkreisen Elektronen den Atomkern nicht denn da-
fuumlr muumlssten sie gleichzeitig einen scharf definierten Ort
und eine scharfe Geschwindigkeit besitzen Stattdessen
kann man sich die Wellenfunktion des Elektrons als
dreidimensionale stehende Welle vorstellen Ebenso
wie bei einer schwingenden Instrumenten-Saite gibt es
im Atom nur bestimmte bdquoerlaubteldquo Schwingungsmo-
den der Wellenfunktion Deswegen sind fuumlr das Elek-
tron im Atom nur bestimmte Energieniveaus erlaubt
zwischen denen es jedoch per bdquo Quantensprungldquo hin-
und herwechseln kann wenn es z B durch einen Licht-
strahl dazu angeregt wird (Franck-Hertz-Versuch )
182 6 Atome und Quantenmechanik
Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt
Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen
Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral
fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-
tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt
besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich
zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-
stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf
einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige
Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-
keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es
den Raumbereich einfach nicht betreten
Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das
Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-
ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr
sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei
werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt
ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash
ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt
die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-
tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst
ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel
am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der
Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von
Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-
berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern
auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-
federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann
man mit dem Konzept des Potentials begreifen
Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der
Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-
sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-
teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte
nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter
Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als
uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )
die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens
angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-
mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-
tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an
einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je
houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in
einem Tal als auf einem Bergldquo
Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-
lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der
klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-
Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis
183 Der Tunneleffekt
Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert
Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html
tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch
waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch
verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit
das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie
ist nicht exakt null
Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-
nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-
hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-
tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit
geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf
es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen
nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-
den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber
den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je
houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den
beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-
lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein
mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-
botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch
den Berg ins naumlchste Tal gelangen
Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-
waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-
nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-
lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum
Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um
so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der
Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie
deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-
steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln
Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und
klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer
Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle
nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die
Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-
det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt
die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich
ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen
durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis
ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng
genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr
hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-
schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne
sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es
ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon
eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-
versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-
scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische
Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum
vorkommt
184 6 Atome und Quantenmechanik
Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben
Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)
Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178
Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-
perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-
drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock
Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich
ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-
tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben
Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-
aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und
hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-
nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James
Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-
ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige
Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann
sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige
den sogenannten Quanten
Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und
Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum
zwischen einer negativ geladenen
Gluumlhkathode und einer positiven
Anode ausfuumlllt An der Kathode
treten staumlndig Elektronen aus die
wegen der angelegten Spannung
in Richtung der Anode beschleu-
nigt werden Auf ihrem Weg da-
hin durchqueren die Elektronen
das Gas und stoszligen dabei staumln-
dig mit den Quecksilberatomen
zusammen An der Anode misst
man durch die Gegenspannungs-
methode die Geschwindigkeit der
ankommenden Elektronen So kann man beobachten
um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-
men verlangsamt werden
Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches
fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-
lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode
zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur
elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei
nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-
nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die
an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast
voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man
auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann
kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu
leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-
den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich
schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die
Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet
Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen
185 Der Franck-Hertz-Versuch
Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu
Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden
Schichten ihre Energie
Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen
Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-
der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende
Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter
man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten
entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-
ben
Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur
in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-
sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen
sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein
Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von
Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann
diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf
das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen
Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe
und wird dann von der angelegten Spannung wieder
aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine
Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt
es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein
Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat
Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man
also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben
Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-
tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-
gie ist dabei von Element zu Element verschieden und
muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-
ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-
huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies
mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur
Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden
war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung
der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch
bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-
niveaus in Atomen
Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-
rigens nicht lange sondern geben sie in Form von
Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die
Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von
47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau
dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-
roumlhre als Leuchten erkennen kann
186 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
Magnetfeld
Rota
tions
achs
e
Praumlzession
magnetischeKraft
Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-
chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein
halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten
Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen
muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-
zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen
Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der
Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach
seine Eigenschaften zu verstehen
Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden
Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin
eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der
Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-
gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon
Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen
und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur
Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen
Spin besitzen
Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-
allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-
nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist
so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen
magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-
netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem
senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese
insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der
Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach
oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher
Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-
feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen
die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was
aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer
Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt
(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen
Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-
nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach
dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld
unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt
Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach
diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-
nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12
aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld
schlugen sich die Silberatome nieder
Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln
187 Der Spin eines Teilchens
Spinrichtung
θ = 0deg
θ = 45deg
θ = 90deg
θ = 135deg
θ = 180deg
θ
N
S
Silberatomstrahl
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter
Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend
einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-
tationsachsen
Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-
berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-
lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das
Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die
Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel
dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in
oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild
der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-
vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens
Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-
sche Beschreibung des Spins aus Angenommen
der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die
um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist
In einem parallel zum Spin ausgerichteten
inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen
also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt
sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht
orientierten inhomogenen Magnetfeld Es
wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2
nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit
sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik
durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)
d h der Spin ist nach der Messung mit die-
sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach
oben oder nach unten orientiert Und das ist
auch schon im Wesentlichen alles was gesagt
werden kann denn die Quantenmechanik
kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen
sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen
bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der
Begriff der klassischen Rotationsachse in der
Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche
Ungleichung )
188 6 Atome und Quantenmechanik
-2-1 0 1 2 3
-3-2
-1 0
1 2
3
-1-08-06-04-02
0 02 04 06 08
1
x
y
f(xy)
Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der
Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische
Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem
Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-
scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an
einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches
man angetroffen hat
In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit
ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes
Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das
Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man
auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude
oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )
bezeichnet (genau genommen ist f(xy)
eine komplexe Zahl doch das ist hier
nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-
ronen ununterscheidbar sind darf sich
diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern
wenn wir die beiden Elektronen mitei-
nander vertauschen also das erste Elek-
tron am Ort y und das zweite Elektron
am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2
= |f(yx)|2 sein
Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)
selbst kann beim Vertauschen entweder
ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie
wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-
zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt
f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)
Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt
der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-
ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise
Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische
Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten
Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-
tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen
Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin
zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-
gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip
Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-
trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude
Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden
189 Das Pauli-Prinzip
1s
2s
2p
3s
3p
3d
18
Ener
gie
n=1
n=2
n=3
8
2
3dxsup2-ysup2
3pz 3px 3py
3s
2pz
2s
1s
3dxz 3dxy
2py
3dz2 3dyz
2px
Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)
Bosonen Fermionen
810 nK
510 nK
240 nK
Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom
Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2
Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich
zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-
nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich
f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man
in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen
mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht
am selben Ort aufhalten
Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen
derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht
denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man
beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts
Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit
ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-
mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)
groumlszligere Abstaumlnde beibehalten
Das Pauli-Prinzip stellt si-
cher dass sich in der Elek-
tronenhuumllle der Atome
eine stabile Schalenstruk-
tur ausbildet Jeder moumlgli-
che Schwingungszustand der Wellenfunktion
kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-
den die entgegengesetzte Spinausrichtung
aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-
nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige
Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken
ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip
Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-
ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es
wird durch ein subtiles Zusammenspiel von
Quantenmechanik und spezieller Relativi-
taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief
in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler
der modernen Physik begruumlndet
190 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
N
S
Magnet A
Teilchenquelle
Magnet B
Der Spin eines Teilchens S 186
In der klassischen Physik sind wir es normalerweise
gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige
Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit
diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch
Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-
spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen
haben
Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden
und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig
d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen
Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur
unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er
gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-
tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-
dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz
EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die
uumlberarbeitete Version von David Bohm)
Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-
len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen
ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-
gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst
man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht
orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird
immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein
Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-
den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash
welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist
nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall
Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-
ander verhalten werden
Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-
den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte
Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder
Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-
gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann
das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim
Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine
Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide
Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-
der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten
laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat
der Zufall Spin up entschiedenldquo
koumlnnte sich aber maximal mit
Lichtgeschwindigkeit ausbrei-
ten
Einstein Po-
dolsky und Rosen
sprachen daher von einer
bdquospukhaften Fernwirkungldquo und
folgerten dass jedes der beiden Teil-
chen doch eine verborgene lokale Eigen-
schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse
besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits
im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten
waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-
saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet
Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-
cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie
die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig
191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
S
S
N
N
Magnet AKippwinkel 45deg
Magnet BKippwinkel 0deg
Gruppe 1(0darr 45uarr)
Teilchenquelle
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90degGruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
0deg 45deg 90deg
J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und
ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-
rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr
1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich
diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein
Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand
gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-
nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-
rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide
Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt
werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-
gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg
Wenn die Teilchen nun doch eine
lokale innere Eigenschaft besaumlszligen
die ihr Verhalten im Magnetfeld
von vornherein festlegte so wird
es beispielsweise einige darunter
geben die bei 0deg zum Suumldpol bei
45deg zum Nordpol und bei 90deg
ebenfalls zum Nordpol abgelenkt
wuumlrden sodass wir sie mit (0
45 90 ) kennzeichnen koumln-
nen Die zugehoumlrigen Part-
nerteilchen wuumlrden sich
dabei genau entgegenge-
setzt verhalten
Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-
chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde
beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten
zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen
im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol
abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45
verhaumllt
Analog bilden wir Grup-
pe 2 als alle die Teilchen-
paare bei denen ein Teil-
chen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 45
sowie 90 besitzt sowie
Gruppe 3 als alle die Teil-
chenpaare bei denen ein
Teilchen zugleich die bei-
den Kennzeichnungen 0
sowie 90 besitzt
Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare
von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also
muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-
wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten
zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-
send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)
Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-
scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt
sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-
scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-
men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche
Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung
vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen
uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere
Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky
und Rosen wurden widerlegt
Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass
die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung
erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-
greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt
egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze
ist mehr als die Summe seiner Teile
192 6 Atome und Quantenmechanik
Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie
Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012
Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-
orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische
Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-
theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik
jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich
zufriedenstellend beantwortet sind
Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur
grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-
lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-
lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische
Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-
wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-
scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen
instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise
Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also
durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus
dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-
ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der
sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927
u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-
beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber
welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder
dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-
on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-
ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft
die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)
sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-
lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten
Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei
nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da
es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird
Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten
193 Die Interpretation der Quantenmechanik
Tritium
Wellenfunktion = +
Helium-3
ElektronAntineutrino
Detektormisst
Zerfall
makroskopische Realitaumlt
Gift
oder
Gift
Tritiumintakt
Tritiumzerfallen
Wellenfunktion =
+
Dekohaumlrenz
makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2
Gift Gift
Tritium Helium-3
ElektronAntineutrino
Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24
Doch wann genau findet eine solche Messung statt
Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin
Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches
Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem
zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die
zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste
eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet
dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-
tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit
Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers
Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-
digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der
erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-
schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der
quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die
klassische Realitaumlt der Katze
Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-
chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute
tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-
zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-
tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-
elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man
den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in
den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die
sogenannte Viele-Welten-Interpretation
Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom
weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-
same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-
tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie
bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze
jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-
vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in
Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur
sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-
de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung
mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-
abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts
mehr voneinander sodass man sie als verschiedene
Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-
der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der
Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht
In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion
des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-
ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten
verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation
zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-
lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt
im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung
des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung
zwischen Mikro- und Makrokosmos
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
172 6 Atome und Quantenmechanik
Demokrit
Nicht nur in der Antike auch zu Daltons Zeiten stellte man sich vor dass Atombindungen durch Haken und Oumlsen realisiert wuumlrden
Demokrit und Leukipp stellten sich Atome als geome-trische Objekte mit verschiedensten Formen vor
W Heisenberg Der Teil und das Ganze Gespraumlche im Umkreis der Atomphysik Piper Taschenbuch 9 Auflage 2001H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
Die Vorstellung dass die Materie die uns umgibt aus
kleinen unteilbaren Bausteinen aufgebaut sei ist schon
uumlber 2400 Jahre alt Damals waren es der Philosoph
Leukipp und sein Schuumller Demokrit die annahmen
dass es unvorstellbar kleine nicht weiter unterteilbare
Bausteine gibt die sie Atome nannten (vom griechi-
schen ἄτομος bdquodas Unteilbareldquo) Sie stellten sich vor
dass diese Atome von denen es verschiedene Sorten
geben sollte mit Haken und Oumlsen ausgestattet sind
sodass sie sich miteinander verbinden aber sich auch
wieder voneinander loumlsen konnten So wuumlrde z B aus
lauter winzigen bdquoSteinatomenldquo ein fester Stein
Natuumlrlich war das zu dieser
Zeit reine Spekulation denn
ein Atom hatte noch niemand
direkt gesehen Auch deshalb
wurde Demokrit damals von
Zeitgenossen (wie Sokrates)
verspottet Und so geriet das
Modell fuumlr lange Zeit in Ver-
gessenheit
Erst Anfang des 19 Jahrhun-
derts mit dem Aufkommen
der Chemie fanden die modernen Naturwissenschaft-
ler zuruumlck zur Atomtheorie Es war John Dalton der
annahm dass es zu allen damals bekannten chemi-
schen Stoffen entsprechende Atomsorten gab die sich
nur in ganz bestimmten Verhaumlltnissen miteinander
verbinden konnten Diese Hypothese konnte bereits
eine Menge von chemischen Beobachtungen erklaumlren
aber eine wirkliche Vorstellung von Atomen hatte man
damit immer noch nicht erlangt
Erst zu Anfang des 20 Jahrhunderts als man begann
durch immer genauere Experimente die Struktur des
Atoms selbst zu entschluumlsseln fanden Physiker wie
J J Thomson und Ernest Rutherford heraus dass das
Atom ein positiv geladenes Zentrum besitzt das von
negativ geladenen Elektronen umgeben ist
Im Jahre 1913 stellte der daumlnische Physiker Niels Bohr
dann sein bis heute beruumlhmtes Atommodell vor Das
Atom besteht dabei aus einem positiv geladenen Kern
Das Bohrrsquosche Atommodell Wie kann man sich ein Atom vorstellen
173 Das Bohrrsquosche Atommodell
Die Experimente Thomsons zeigten dass Atome negativ gelade-nen Teilchen enthalten muumlssen Man stellte sich vor dass diese Elektronen im Atom eingebettet waren wie Rosinen im Kuchen (links) Erst Bohr formte die Vorstellung eines positiv geladenen Kerns der von den negativ geladenen Elektronen umkreist wird (rechts)
Die Flagge der Internationalen Atom-energiebehoumlrde (IAEA)
Daumlnische Briefmarke zum 50-jaumlh-rigen Geburtstag des Bohrrsquoschen Atommodells
Wellenfunktion S 180Das Pauli-Prinzip S 188
der fast die gesamte Masse in sich vereint und von
Elektronen auf stabilen Kreisbahnen umrundet wird ndash
fast wie ein winziges Planetensystem
Dabei sind nur ganz bestimmte Abstaumlnde zwischen
Kern und Elektron erlaubt und je nach Abstand be-
sitzen die Elektronen unterschiedliche Energien Alle
Elektronen desselben Abstandes gehoumlren zu einer soge-
nannten Schale und in jede Schale passen
nur eine gewisse Anzahl von Elektronen
Dieses Modell konnte nicht nur das Ver-
halten einer ganzen Reihe von Atomen
(naumlmlich denen der sogenannten Haupt-
gruppen) erklaumlren sondern war auch so an-
schaulich dass dieses Bild bis heute unsere
Atomvorstellungen praumlgt So findet es sich
zum Beispiel in der Flagge der Internatio-
nalen Atomenergiebehoumlrde IAEA
Teilweise konnte das Bohrrsquosche Atommodell sogar er-
klaumlren warum sich z B ein Wasserstoff (H) und ein
Chloratom (Cl) zu Salzsaumlure (HCl) verbinden koumln-
nen Das Wasserstoffatom besitzt ein Elektron ndash dem
Chloratom fehlt genau ein Elektron um seine aumluszligerste
Schale ganz zu fuumlllen ndash und so ist es energetisch guumlns-
tig wenn beide sich verbinden Zwischen ihnen kann
dabei ein Elektron den Besitzer wechseln und der posi-
tiv geladenen Wasserstoffkern (H+) und das negativ ge-
ladene Chloratom (Clminus) bleiben einfach aufgrund der
elektrostatischen Anziehungskraft aneinander haumlngen
Das Bohrrsquosche Atommodell hatte allerdings immer
noch Erklaumlrungsluumlcken Warum durften die negativ ge-
ladenen Elektronen den positiven Kern nur in ganz be-
stimmten Abstaumlnden umkreisen Und was hinderte sie
daran aufgrund der elektrostatischen Anziehungskraft
einfach in der Kern hineinzufallen Diese Fragen konn-
ten erst spaumlter in einer umfassenden quantenmecha-
nischen Beschreibung der Atome geklaumlrt werden ( )
Leider bedeutet die quantenmechanische Behandlung
dass ein gewisser Anteil der Anschauung der Atome
verlorengeht
174 6 Atome und Quantenmechanik
Sowohl Pro-tonen als auch
Neutronen beste-hen aus drei Quarks
Die starke Wechselwirkung zweier Nukleonen kann man durch den Austausch eines Mesons veranschaulichen
Das Bohrrsquosche Atommodell S 172Radioaktiver Zerfall S 176Die starke Wechselwirkung S 224
Waumlhrend viele Physiker um 1900 das Atom noch als
eine fundamentale Einheit betrachteten gelangte man
mit den Experimenten von Rutherford im Jahre 1911
zu der Erkenntnis dass ein Atom selbst auch eine
Struktur besitzt und aus einem positiv gela-
denen Kern besteht der von im Vergleich
dazu sehr leichten Elektronen umgeben ist
(Bohrrsquosches Atommodell ) Auch wenn
man relativ einfach einzelne Elektronen
aus dieser Huumllle entfernen oder dazu hin-
zufuumlgen konnte so blieb der Atomkern in
dem rund 9995 der Masse des Atoms
enthalten ist davon unbeein-
flusst Insofern passte diese
Einsicht weiterhin gut mit der
Vorstellung der bdquoUnteilbar-
keitldquo der Atome zusammen
Erst 1917 wies Ernest Ruther-
ford durch weitere Experimente nach dass auch Atom-
kerne veraumlnderbar waren indem er durch Beschuss
mit Alphateilchen (Heliumkernen) Stickstoffkerne in
Sauerstoffkerne umwandelte Dass Atomkerne in der
Tat nicht ganz unveraumlnderlich waren hatte man zwar
schon durch die Entdeckung der Radioaktivitaumlt ( )
einige Jahre zuvor vermutet aber Rutherfords Experi-
mente waren der erste direkte Nachweis
Bei dieser Gelegenheit entdeckte Rutherford auch
dass Atomkerne wiederum eine Substruktur besitzen
und mehrere Protonen enthalten ndash und zwar gerade
so viele wie sich Elektronen in der Huumllle befinden
Im Jahre 1932 entdeckte dann James Chadwick den
zweiten noch fehlenden Baustein in den Atomkernen
das Neutron Diese beiden Nukleonen formen zusam-
men den Atomkern
Doch was genau haumllt Protonen und Neu-
tronen im Kern zusammen Letztere
sind elektrisch neutral die Protonen
aber sind allesamt positiv geladen
sollten sich also abstoszligen Die Ant-
wort liegt in einer weiteren Substruktur
die die sogenannte Kernkraft erzeugt
(nicht zu verwechseln mit der Energie
die in Kernkraftwerken aus z B Uran
gewonnen wird) Diese Kernkraft ist das
Uumlberbleibsel der starken Kraft die zwi-
schen den Bestandteilen der Protonen
und Neutronen ndash den Quarks ndash wirkt
( starke WW )
Atomkerne Seit hundert Jahren bekannt und doch nicht im Ganzen verstanden
175 Atomkerne
Die Luumlcken zwischen den Energieniveaus im Atomkern trennen die einzelnen Schalen voneinander Kerne deren Protonen undoder Neutronenzahl bdquomagischldquo ist (die entsprechenden Schalen also vollkommen gefuumlllt haben) sind besonders stabil
B Povh K Rith C Scholz F Zetsche Teilchen und Kerne Eine Einfuumlhrung in die physikalischen Konzepte Springer Verlag 8 Auflage 2009
Die Kernkraft fuumlhrt letztlich zu einer Anziehung der
farbneutralen Nukleonen untereinander Sie hat nur
eine sehr kurze Reichweite ist allerdings deutlich staumlr-
ker als die abstoszligende elektrische Kraft Daher halten
Atomkerne auch zusammen und fliegen trotz der posi-
tiven Ladungen der Protonen nicht auseinander
Obwohl es heute bereits hinreichend gute mathema-
tische Beschreibungen der Kernkraft gibt ist sie nicht
bis ins letzte Detail verstanden Und so ist die genaue
Struktur der Atomkerne zum Beispiel die Frage wie
sich die einzelnen Nukleonen im Kern zueinander an-
ordnen bis heute nicht vollstaumlndig bekannt Zwar weiszlig
man dass Atomkerne genau wie auch die Elektronen
in der Huumllle diskrete Energieniveaus haben sodass sie
zu ndash im Vergleich zu diesen etwa 1000 bis 10 000 Mal
energiereicheren ndash Quantenspruumlngen angeregt werden
koumlnnen Aber die exakte Berechnung dieser Energieni-
veaus gestaltet sich sehr schwierig denn der Kern als
Ganzes ist ein sehr komplexes System aus stark mitei-
nander wechselwirkenden Einzelteilen So gibt es zwar
verschiedenen vereinfachende Modelle die jeweils ge-
wisse Aspekte der Kerne gut erklaumlren aber keines ist
vollstaumlndig und beschreibt den Kern in seiner Gaumlnze
In dem sogenannten Troumlpfchenmodell zum Beispiel
wird angenommen dass sich die Nukleonen im Kern
wie eine tropfenfoumlrmige positiv geladenen Fluumlssigkeit
verhalten Obwohl dieses Modell erst einmal sehr naiv
anmutet kann man mit seiner Hilfe recht genau be-
rechnen welche Atomkerne stabil und welche instabil
also radioaktiv sind
Im Schalenmodell hingegen wird angenommen dass
sich die Protonen und Neutronen genau wie auch die
Elektronen der Huumllle auf Schalen anordnen Ein Kern
nimmt dabei Energie auf indem ein Nukleon von einer
niedrigeren Schale in eine noch nicht vollstaumlndig gefuumlll-
te houmlhere Schale uumlbergeht Obwohl dieses Modell auch
mit starken Vereinfachungen arbeitet (im Gegensatz zu
den Elektronen spuumlren die Nukleonen ja kein gelade-
nes Zentrum um das sie sich herum anordnen muumlss-
ten) lassen sich hieraus in einigen Faumlllen passable Wer-
te fuumlr die Bindungsenergien und die Energieniveaus im
Kern berechnen
176 6 Atome und Quantenmechanik
Beim α-Zerfall sendet der Kern einen Heli-umkern (α-Teilchen) aus
Beim βminus-Zerfall wandelt sich im Kern ein Neutron in ein Proton ein Antineutrino und ein Elektron um wobei die letzteren beiden den Kern als Strahlung verlassen
Beim γ-Zerfall geht der Kern von einem angeregten in einen stabilen Zustand uumlber ndash die uumlberschuumlssige Energie wird in Form eines hochenergetischen Photons abgegeben
Atomkerne S 174Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182
Obwohl sich das Wort bdquoAtomldquo vom griechischen
ἄτομος (bdquodas Unteilbareldquo) ableitet kann man Atome
ndash mit dem entsprechenden Aufwand ndash in ihre Bestand-
teile zerlegen oder ineinander umwandeln Einige Ato-
me sind dazu jedoch auch von allein in der Lage Ende
des 19 Jahrhunderts entdeckte man Elemente wie
Uran oder Thorium die von sich aus eine ionisierende
Strahlung abgeben Noch bevor Rutherford die Exis-
tenz der Atomkerne explizit nachweisen konnte stellte
er daher bereits die Hypothese auf dass diese radio-
aktive Strahlung wie Marie Curie sie getauft hatte
durch die Umwandlung einer Atomsorte in eine andere
verursacht wird
Heute wissen wir dass radioaktive Strahlung entsteht
wenn ein instabiler Atomkern ( ) in einen stabileren
Zustand uumlbergeht Da die Menge des urspruumlnglichen
Stoffes bei diesem Prozess abnimmt spricht man hier-
bei auch von radioaktivem Zerfall Es gibt im Wesent-
lichen drei Arten radioaktiver Strahlung entsprechend
der drei verschiedenen Arten auf die ein Atomkern
spontan zerfallen kann
Der so genannte α-Zerfall tritt bei Atomkernen auf
die sehr schwer sind und eine groszlige Anzahl an Pro-
tonen besitzen Diese positiv geladenen Protonen im
Kern muumlssten sich eigentlich abstoszligen werden jedoch
von der kurzreichweitigen Kernkraft zusammenge-
halten die um einiges staumlrker ist als die abstoszligende
elektrische Kraft wobei Letztere jedoch eine deut-
lich houmlhere Reichweite hat Da durch die Effekte der
Quantenmechanik ( ) die Nukleonen im Kern keinen
festen Ort haben sondern uumlber einen gewissen Auf-
enthaltsbereich verschmiert sind gibt es eine gewisse
Wahrscheinlichkeit dass sich zwei Protonen und zwei
Neutronen ndash eine in sich sehr stabile Kombination
entsprechend einem Heliumkern auch α-Teilchen
genannt ndash so weit vom Rest der Kernteilchen entfer-
nen dass sie die anziehende Kernkraft nicht mehr stark
genug spuumlren sondern hauptsaumlchlich die abstoszligende
elektrische Kraft Das α-Teilchen durchtunnelt dadurch
die Potentialbarriere des Kerns und wird mit einer Ge-
schwindigkeit von einigen Prozent der Lichtgeschwin-
digkeit aus dem Kern ausgestoszligen ( Tunneleffekt )
Radioaktiver Zerfall Atomkerne aus dem Gleichgewicht
177 Radioaktiver Zerfall
Halbwertszeiten der bekannten Isotope Jedes Quadrat entspricht einem Kern mit Z Protonen und N Nukleonen (Protonen und Neu-tronen)
W Stolz Radioaktivitaumlt Grundlagen ndash Messung ndash Anwendungen Teubner 5 Aufl 2005H Krieger Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes Vieweg+Teubner 2007K Bethge Kernphysik Springer Verlag 1996
hen Dichte haumllt Blei dabei die γ-Strahlen am effektivs-
ten auf es werden jedoch je nach Strahlungsenergie
einige Millimeter bis Zentimeter fuumlr eine vollstaumlndige
Abschirmung benoumltigt Dies macht gerade Letztere fuumlr
Lebewesen besonders gefaumlhrlich denn tief in Gewebe
eindringende Strahlung kann nicht nur Verbrennungen
an der Hautoberflaumlche sondern auch Mutationen in
den Zellen und der DNA verursachen
Der β-Zerfall wiederum tritt in Kernen mit einem un-
guumlnstigen Verhaumlltnis zwischen Protonen und Neutro-
nen auf Hat ein Kern einen deutlichen Uumlberschuss an
Neutronen so kann sich eines davon durch die schwa-
che Wechselwirkung spontan in ein Proton ein Elekt-
ron und ein Antielektronneutrino umwandeln Wenn
dies geschieht dann verbleibt das Proton im Kern und
Neutrino und Elektron werden abgestrahlt Diese ne-
gativ geladenen Elektronen werden dabei als β minus-Strah-
lung bezeichnet
Die Regeln der schwachen Wechselwirkung lassen al-
lerdings auch den (etwas selteneren) spiegelbildlichen
Prozess zu In Kernen mit einem Uumlberschuss an Pro-
tonen kann sich eines in ein Neutron ein Antielektron
und ein Elektronneutrino umwandeln Das hierbei
ausgesendete positiv geladene Antielektron ( Positron)
bezeichnet man dabei als β +-Strahlung
Der γ-Zerfall schlieszliglich bezeichnet den Uumlbergang
eines Atomkerns von einem angeregten Zustand in
einen stabileren Zustand mit niedrigerer Energie Die
uumlberschuumlssige Energie wird in Form von energiereichen
Photonen abgestrahlt die man auch als γ-Quanten be-
zeichnet Weil angeregte Atomkerne meist eine Folge-
erscheinung von Kernspaltungen oder anderen voran-
gegangenen Zerfaumlllen sind tritt γ-Strahlung meist in
Begleitung von anderen radioaktiven Vorgaumlngen auf
Die Unterteilung in α β und γ bezieht sich auf die
Eindringtiefe der jeweiligen Strahlung in feste Materie
Waumlhrend α-Strahlung bereits nach fuumlnf Zentimetern
durch die Luft oder durch ein einfaches Blatt Papier
aufgehalten werden kann benoumltigt man bei β-Strahlung
bereits eine duumlnne Metallplatte γ-Strahlung hingegen
kann sehr tief in Materie eindringen Wegen seiner ho-
178 6 Atome und Quantenmechanik
Photoeffekt
Wellenlaumlngen und zugehoumlri-ge Photon-Energien fuumlr das sichtbare Lichtspektrum
Bild in der Mitte (Briefmarke) mit freundlicher Genehmigung von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityR P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Wellen und Teilchen haumlngen in der Quantenmechanik
eng miteinander zusammen So ist Licht einerseits eine
elektromagnetische Welle wie Interferenzexperimen-
te zeigen bei denen Lichtwellenberge auf -berge oder
-taumller treffen und sich verstaumlrken oder ausloumlschen An-
dererseits kann Licht beim sogenannten Photoeffekt
einzelne Elektronen aus einer Metalloberflaumlche he-
rausschlagen wobei dies mit umso groumlszligerer Wucht
geschieht je kuumlrzer die Lichtwellenlaumlnge ist ndash ein Ver-
halten das sich nur durch den Teilchencharakter des
Lichtes verstehen laumlsst
Licht besteht also aus
einem Strom einzelner
Teilchen (sogenannter
Photonen) welche die
Elektronen aus der Ober-
flaumlche herausstoszligen
Fuumlr die genaue Ausarbei-
tung dieser Erkenntnis
erhielt Albert Einstein im
Jahr 1921 den Nobelpreis
fuumlr Physik ndash er hatte sie be-
reits im Jahr 1905 in seiner
Doktorarbeit formuliert
Frequenz f und Wellenlaumlnge λ der elektromagnetischen
Lichtwelle legen dabei die Energie E und den Impuls p
der Photonen fest
E = h∙f und λ = hp
Hier ist h = 6626 ∙ 10ndash34 J∙s eine Naturkonstante deren
Wert im Experiment bestimmt werden muss Sie heiszligt
Planckrsquosches Wirkungsquantum und verknuumlpft Teil-
chen- mit Welleneigenschaften
So wie Photonen mit Lichtwellen zusammenhaumlngen
so haumlngen auch beispielsweise Elektronen mit Elektro-
nenwellen zusammen und zwar nach genau denselben
Formeln wie bei den Photonen und auch allen anderen
Teilchen Wenn man beispielsweise einen Elektronen-
strahl durch einen sehr feinen Doppelspalt schickt so
findet man auf einer Flaumlche dahinter ein Interferenz-
muster aus Streifen mit vielen und mit wenigen Elekt-
ronentreffern ganz analog zum Intensitaumltsmuster von
Laserlicht hinter einem solchen Doppelspalt
Offenbar muss man den Durchgang der Elektronen
durch den Doppelspalt wie bei Licht durch eine Wel-
le beschreiben wobei eine hohe Wellenintensitaumlt einer
hohen Wahrscheinlichkeit entspricht ein Elektron an-
zutreffen
Welle-Teilchen-Dualismus Teilchen bewegen sich in Wellen
179 Welle-Teilchen-Dualismus
Das Buckminster-Fulleren C60
Reales Doppelspaltexperiment mit 11 (a) 200 (b) 6000 (c) 40 000 (d) und 140 000 (e) Elektronen
Doppelspaltexperiment mit Elektronen Interferenz von Wellen hinter einem Doppelspalt
Wellenfunktion S 180J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Im Experiment kann man naumlmlich beobachten wie auf der Flaumlche hinter
dem Doppelspalt nach und nach immer mehr einzelne Elektronen wie
zufaumlllig an verschiedenen Stellen auftreffen wobei sich schlieszliglich das
streifenfoumlrmige Interferenzmuster herausbildet
Teilchenbahnen gibt es dabei nicht mehr Alles was die Quantenmecha-
nik tun kann ist die Auftreffwahrscheinlichkeiten fuumlr die Elektronen zu
berechnen Der Ort eines einzelnen Elektrons ist dagegen in der Natur
grundsaumltzlich nicht festgelegt d h der Wahrscheinlichkeitscharakter der
Quantenmechanik ist grundsaumltzlicher Natur und hat nichts mit unge-
nauen Messungen zu tun (siehe Wellenfunktion )
Mittlerweile konnten Interferenzmuster
auch beispielsweise fuumlr Fullerenmolekuumlle
nachgewiesen werden die immerhin aus
60 Kohlenstoffatomen bestehen (Anton
Zeilinger 1999) Auch fuumlr sie gilt also der
Welle-Teilchen-Dualismus
180 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Wellenfunktion die senkrecht zu ihrer Flugrichtung im Ort be-schraumlnkt wird (z B indem man sie durch einen engen Spalt schickt) erhaumllt dadurch eine groszlige Impulsunschaumlrfe in dieselbe Richtung wodurch sie sich ausbreitet
Zwei Schwingungszustaumlnde der Wel-lenfunktion eines Elektrons im Wasser-stoffatom Die Farbe gibt die ortsabhaumln-gige Phase der Wellenfunktion an
Bild rechts oben und links mit freundlicher Genehmigung von Bernd Thaller Universitaumlt von Graz Institut fuumlr Mathematik und Wissenschaftliches RechnenB Thaller Visual Quantum Mechanics httpvqmuni-grazatindexhtml Galerie mit Darstellungen von Wellenfunktionen
Anfang des 20 Jahrhunderts haumluften sich die Hinweise dass die Materie aus
kleinen Bausteinen Elementarteilchen genannt aufgebaut ist Zuerst nahm
man an dass die Elementarteilchen kleinen Kugeln aumlhnelten die sich aumlhn-
lich wie alle Objekte unserer Erfahrungswelt auf Flugbahnen bewegen kol-
lidieren und voneinander abprallen Als man aber begann experimentell
tiefer in die Bereiche des Mikrokosmos vorzudringen wurde schnell
klar dass Elementarteilchen ganz anderen Gesetzen folgen als sagen
wir einmal Murmeln oder Steine
Eine Murmel kann man (zumindest im Prinzip) zu
jedem Zeitpunkt vollstaumlndig durch einige wenige Zahlen beschreiben
zum Beispiel Ort und Geschwindigkeit Drehimpuls etc Bei Elementar-
teilchen ist dies nicht mehr moumlglich stattdessen beschreibt man sie durch
ein raumlumlich ausgedehntes Feld Die Bewegungsgleichungen fuumlr dieses
Feld aumlhneln denen von (zum Beispiel elektromagnetischen) Wellen wes-
wegen das Feld Wellenfunktion genannt wird
Durch die Wellennatur der Teilchen gehen
jedoch typische Teilcheneigenschaften verloren
Man kann uumlber die physikalischen Groumlszligen die ein klassisches Teil-
chen beschreiben wuumlrden nur noch statistische Aussagen treffen
Auszligerdem sind gewisse Groumlszligen wie zum Beispiel Ort und Ge-
schwindigkeit des Teilchens zueinander komplementaumlr
Wellenfunktion Verschmierte Teilchen
181 Wellenfunktion
Der Franck-Hertz-Versuch S 184A Zeilinger Einsteins Schleier Die neue Welt der Quantenphysik Goldmann 2003
Die Komplementaritaumlt von Ort und Impuls
Die Komplementaritaumlt von Messgroumlszligen wie Ort und Ge-
schwindigkeit ist nicht wie oft behauptet eine Folge
von ungenauen Messungen sondern eine fun-
damentale Eigenschaft der Wellenfunktionen
An den Stellen an denen das Betragsquadrat
der Wellenfunktion groszlig ist besteht eine hohe
Wahrscheinlichkeit das Elementarteilchen anzutreffen
wenn man danach sucht Die Geschwindigkeit des Teilchens hin-
gegen ist mit der Wellenlaumlnge der Welle verknuumlpft
Um nun einer Welle eine genaue Wellenlaumlnge zuzuordnen muss
sie uumlber einen groszligen Bereich ausgebreitet sein Eine genau be-
stimmte Geschwindigkeit fuumlhrt so zu einem sehr unbestimmten
Ort
Je staumlrker hingegen die Welle an einem Ort kon-
zentriert ist desto weniger genau kann man ihr
eine Wellenlaumlnge zuschreiben weswegen ein
genau bestimmter Ort zu einer sehr ungenau be-
stimmten Geschwindigkeit fuumlhrt
Das bedeutet Je genauer der Ort des Teilchens be-
kannt ist desto ungenauer ist seine Geschwindigkeit
bestimmt und umgekehrt
Die Welleneigenschaften der kleinsten Bausteine wer-
den ganz besonders bei den Elektronen deutlich die
sich in einem Atom befinden Anders als die haumlufig
benutzte Analogie zum Sonnensystem vermuten laumlsst
umkreisen Elektronen den Atomkern nicht denn da-
fuumlr muumlssten sie gleichzeitig einen scharf definierten Ort
und eine scharfe Geschwindigkeit besitzen Stattdessen
kann man sich die Wellenfunktion des Elektrons als
dreidimensionale stehende Welle vorstellen Ebenso
wie bei einer schwingenden Instrumenten-Saite gibt es
im Atom nur bestimmte bdquoerlaubteldquo Schwingungsmo-
den der Wellenfunktion Deswegen sind fuumlr das Elek-
tron im Atom nur bestimmte Energieniveaus erlaubt
zwischen denen es jedoch per bdquo Quantensprungldquo hin-
und herwechseln kann wenn es z B durch einen Licht-
strahl dazu angeregt wird (Franck-Hertz-Versuch )
182 6 Atome und Quantenmechanik
Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt
Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen
Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral
fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-
tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt
besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich
zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-
stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf
einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige
Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-
keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es
den Raumbereich einfach nicht betreten
Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das
Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-
ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr
sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei
werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt
ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash
ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt
die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-
tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst
ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel
am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der
Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von
Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-
berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern
auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-
federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann
man mit dem Konzept des Potentials begreifen
Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der
Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-
sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-
teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte
nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter
Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als
uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )
die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens
angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-
mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-
tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an
einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je
houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in
einem Tal als auf einem Bergldquo
Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-
lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der
klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-
Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis
183 Der Tunneleffekt
Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert
Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html
tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch
waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch
verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit
das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie
ist nicht exakt null
Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-
nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-
hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-
tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit
geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf
es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen
nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-
den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber
den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je
houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den
beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-
lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein
mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-
botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch
den Berg ins naumlchste Tal gelangen
Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-
waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-
nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-
lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum
Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um
so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der
Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie
deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-
steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln
Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und
klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer
Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle
nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die
Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-
det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt
die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich
ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen
durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis
ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng
genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr
hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-
schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne
sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es
ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon
eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-
versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-
scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische
Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum
vorkommt
184 6 Atome und Quantenmechanik
Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben
Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)
Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178
Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-
perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-
drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock
Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich
ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-
tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben
Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-
aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und
hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-
nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James
Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-
ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige
Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann
sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige
den sogenannten Quanten
Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und
Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum
zwischen einer negativ geladenen
Gluumlhkathode und einer positiven
Anode ausfuumlllt An der Kathode
treten staumlndig Elektronen aus die
wegen der angelegten Spannung
in Richtung der Anode beschleu-
nigt werden Auf ihrem Weg da-
hin durchqueren die Elektronen
das Gas und stoszligen dabei staumln-
dig mit den Quecksilberatomen
zusammen An der Anode misst
man durch die Gegenspannungs-
methode die Geschwindigkeit der
ankommenden Elektronen So kann man beobachten
um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-
men verlangsamt werden
Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches
fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-
lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode
zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur
elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei
nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-
nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die
an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast
voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man
auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann
kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu
leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-
den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich
schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die
Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet
Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen
185 Der Franck-Hertz-Versuch
Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu
Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden
Schichten ihre Energie
Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen
Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-
der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende
Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter
man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten
entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-
ben
Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur
in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-
sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen
sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein
Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von
Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann
diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf
das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen
Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe
und wird dann von der angelegten Spannung wieder
aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine
Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt
es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein
Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat
Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man
also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben
Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-
tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-
gie ist dabei von Element zu Element verschieden und
muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-
ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-
huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies
mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur
Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden
war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung
der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch
bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-
niveaus in Atomen
Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-
rigens nicht lange sondern geben sie in Form von
Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die
Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von
47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau
dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-
roumlhre als Leuchten erkennen kann
186 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
Magnetfeld
Rota
tions
achs
e
Praumlzession
magnetischeKraft
Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-
chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein
halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten
Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen
muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-
zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen
Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der
Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach
seine Eigenschaften zu verstehen
Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden
Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin
eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der
Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-
gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon
Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen
und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur
Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen
Spin besitzen
Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-
allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-
nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist
so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen
magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-
netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem
senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese
insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der
Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach
oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher
Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-
feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen
die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was
aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer
Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt
(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen
Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-
nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach
dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld
unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt
Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach
diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-
nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12
aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld
schlugen sich die Silberatome nieder
Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln
187 Der Spin eines Teilchens
Spinrichtung
θ = 0deg
θ = 45deg
θ = 90deg
θ = 135deg
θ = 180deg
θ
N
S
Silberatomstrahl
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter
Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend
einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-
tationsachsen
Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-
berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-
lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das
Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die
Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel
dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in
oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild
der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-
vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens
Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-
sche Beschreibung des Spins aus Angenommen
der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die
um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist
In einem parallel zum Spin ausgerichteten
inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen
also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt
sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht
orientierten inhomogenen Magnetfeld Es
wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2
nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit
sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik
durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)
d h der Spin ist nach der Messung mit die-
sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach
oben oder nach unten orientiert Und das ist
auch schon im Wesentlichen alles was gesagt
werden kann denn die Quantenmechanik
kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen
sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen
bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der
Begriff der klassischen Rotationsachse in der
Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche
Ungleichung )
188 6 Atome und Quantenmechanik
-2-1 0 1 2 3
-3-2
-1 0
1 2
3
-1-08-06-04-02
0 02 04 06 08
1
x
y
f(xy)
Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der
Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische
Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem
Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-
scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an
einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches
man angetroffen hat
In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit
ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes
Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das
Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man
auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude
oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )
bezeichnet (genau genommen ist f(xy)
eine komplexe Zahl doch das ist hier
nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-
ronen ununterscheidbar sind darf sich
diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern
wenn wir die beiden Elektronen mitei-
nander vertauschen also das erste Elek-
tron am Ort y und das zweite Elektron
am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2
= |f(yx)|2 sein
Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)
selbst kann beim Vertauschen entweder
ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie
wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-
zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt
f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)
Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt
der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-
ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise
Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische
Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten
Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-
tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen
Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin
zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-
gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip
Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-
trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude
Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden
189 Das Pauli-Prinzip
1s
2s
2p
3s
3p
3d
18
Ener
gie
n=1
n=2
n=3
8
2
3dxsup2-ysup2
3pz 3px 3py
3s
2pz
2s
1s
3dxz 3dxy
2py
3dz2 3dyz
2px
Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)
Bosonen Fermionen
810 nK
510 nK
240 nK
Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom
Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2
Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich
zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-
nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich
f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man
in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen
mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht
am selben Ort aufhalten
Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen
derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht
denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man
beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts
Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit
ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-
mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)
groumlszligere Abstaumlnde beibehalten
Das Pauli-Prinzip stellt si-
cher dass sich in der Elek-
tronenhuumllle der Atome
eine stabile Schalenstruk-
tur ausbildet Jeder moumlgli-
che Schwingungszustand der Wellenfunktion
kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-
den die entgegengesetzte Spinausrichtung
aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-
nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige
Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken
ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip
Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-
ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es
wird durch ein subtiles Zusammenspiel von
Quantenmechanik und spezieller Relativi-
taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief
in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler
der modernen Physik begruumlndet
190 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
N
S
Magnet A
Teilchenquelle
Magnet B
Der Spin eines Teilchens S 186
In der klassischen Physik sind wir es normalerweise
gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige
Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit
diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch
Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-
spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen
haben
Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden
und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig
d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen
Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur
unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er
gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-
tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-
dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz
EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die
uumlberarbeitete Version von David Bohm)
Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-
len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen
ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-
gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst
man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht
orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird
immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein
Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-
den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash
welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist
nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall
Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-
ander verhalten werden
Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-
den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte
Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder
Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-
gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann
das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim
Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine
Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide
Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-
der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten
laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat
der Zufall Spin up entschiedenldquo
koumlnnte sich aber maximal mit
Lichtgeschwindigkeit ausbrei-
ten
Einstein Po-
dolsky und Rosen
sprachen daher von einer
bdquospukhaften Fernwirkungldquo und
folgerten dass jedes der beiden Teil-
chen doch eine verborgene lokale Eigen-
schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse
besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits
im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten
waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-
saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet
Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-
cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie
die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig
191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
S
S
N
N
Magnet AKippwinkel 45deg
Magnet BKippwinkel 0deg
Gruppe 1(0darr 45uarr)
Teilchenquelle
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90degGruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
0deg 45deg 90deg
J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und
ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-
rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr
1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich
diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein
Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand
gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-
nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-
rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide
Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt
werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-
gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg
Wenn die Teilchen nun doch eine
lokale innere Eigenschaft besaumlszligen
die ihr Verhalten im Magnetfeld
von vornherein festlegte so wird
es beispielsweise einige darunter
geben die bei 0deg zum Suumldpol bei
45deg zum Nordpol und bei 90deg
ebenfalls zum Nordpol abgelenkt
wuumlrden sodass wir sie mit (0
45 90 ) kennzeichnen koumln-
nen Die zugehoumlrigen Part-
nerteilchen wuumlrden sich
dabei genau entgegenge-
setzt verhalten
Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-
chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde
beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten
zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen
im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol
abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45
verhaumllt
Analog bilden wir Grup-
pe 2 als alle die Teilchen-
paare bei denen ein Teil-
chen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 45
sowie 90 besitzt sowie
Gruppe 3 als alle die Teil-
chenpaare bei denen ein
Teilchen zugleich die bei-
den Kennzeichnungen 0
sowie 90 besitzt
Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare
von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also
muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-
wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten
zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-
send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)
Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-
scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt
sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-
scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-
men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche
Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung
vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen
uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere
Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky
und Rosen wurden widerlegt
Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass
die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung
erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-
greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt
egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze
ist mehr als die Summe seiner Teile
192 6 Atome und Quantenmechanik
Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie
Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012
Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-
orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische
Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-
theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik
jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich
zufriedenstellend beantwortet sind
Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur
grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-
lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-
lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische
Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-
wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-
scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen
instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise
Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also
durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus
dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-
ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der
sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927
u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-
beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber
welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder
dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-
on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-
ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft
die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)
sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-
lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten
Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei
nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da
es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird
Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten
193 Die Interpretation der Quantenmechanik
Tritium
Wellenfunktion = +
Helium-3
ElektronAntineutrino
Detektormisst
Zerfall
makroskopische Realitaumlt
Gift
oder
Gift
Tritiumintakt
Tritiumzerfallen
Wellenfunktion =
+
Dekohaumlrenz
makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2
Gift Gift
Tritium Helium-3
ElektronAntineutrino
Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24
Doch wann genau findet eine solche Messung statt
Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin
Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches
Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem
zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die
zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste
eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet
dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-
tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit
Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers
Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-
digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der
erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-
schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der
quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die
klassische Realitaumlt der Katze
Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-
chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute
tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-
zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-
tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-
elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man
den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in
den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die
sogenannte Viele-Welten-Interpretation
Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom
weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-
same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-
tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie
bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze
jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-
vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in
Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur
sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-
de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung
mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-
abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts
mehr voneinander sodass man sie als verschiedene
Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-
der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der
Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht
In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion
des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-
ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten
verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation
zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-
lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt
im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung
des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung
zwischen Mikro- und Makrokosmos
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
173 Das Bohrrsquosche Atommodell
Die Experimente Thomsons zeigten dass Atome negativ gelade-nen Teilchen enthalten muumlssen Man stellte sich vor dass diese Elektronen im Atom eingebettet waren wie Rosinen im Kuchen (links) Erst Bohr formte die Vorstellung eines positiv geladenen Kerns der von den negativ geladenen Elektronen umkreist wird (rechts)
Die Flagge der Internationalen Atom-energiebehoumlrde (IAEA)
Daumlnische Briefmarke zum 50-jaumlh-rigen Geburtstag des Bohrrsquoschen Atommodells
Wellenfunktion S 180Das Pauli-Prinzip S 188
der fast die gesamte Masse in sich vereint und von
Elektronen auf stabilen Kreisbahnen umrundet wird ndash
fast wie ein winziges Planetensystem
Dabei sind nur ganz bestimmte Abstaumlnde zwischen
Kern und Elektron erlaubt und je nach Abstand be-
sitzen die Elektronen unterschiedliche Energien Alle
Elektronen desselben Abstandes gehoumlren zu einer soge-
nannten Schale und in jede Schale passen
nur eine gewisse Anzahl von Elektronen
Dieses Modell konnte nicht nur das Ver-
halten einer ganzen Reihe von Atomen
(naumlmlich denen der sogenannten Haupt-
gruppen) erklaumlren sondern war auch so an-
schaulich dass dieses Bild bis heute unsere
Atomvorstellungen praumlgt So findet es sich
zum Beispiel in der Flagge der Internatio-
nalen Atomenergiebehoumlrde IAEA
Teilweise konnte das Bohrrsquosche Atommodell sogar er-
klaumlren warum sich z B ein Wasserstoff (H) und ein
Chloratom (Cl) zu Salzsaumlure (HCl) verbinden koumln-
nen Das Wasserstoffatom besitzt ein Elektron ndash dem
Chloratom fehlt genau ein Elektron um seine aumluszligerste
Schale ganz zu fuumlllen ndash und so ist es energetisch guumlns-
tig wenn beide sich verbinden Zwischen ihnen kann
dabei ein Elektron den Besitzer wechseln und der posi-
tiv geladenen Wasserstoffkern (H+) und das negativ ge-
ladene Chloratom (Clminus) bleiben einfach aufgrund der
elektrostatischen Anziehungskraft aneinander haumlngen
Das Bohrrsquosche Atommodell hatte allerdings immer
noch Erklaumlrungsluumlcken Warum durften die negativ ge-
ladenen Elektronen den positiven Kern nur in ganz be-
stimmten Abstaumlnden umkreisen Und was hinderte sie
daran aufgrund der elektrostatischen Anziehungskraft
einfach in der Kern hineinzufallen Diese Fragen konn-
ten erst spaumlter in einer umfassenden quantenmecha-
nischen Beschreibung der Atome geklaumlrt werden ( )
Leider bedeutet die quantenmechanische Behandlung
dass ein gewisser Anteil der Anschauung der Atome
verlorengeht
174 6 Atome und Quantenmechanik
Sowohl Pro-tonen als auch
Neutronen beste-hen aus drei Quarks
Die starke Wechselwirkung zweier Nukleonen kann man durch den Austausch eines Mesons veranschaulichen
Das Bohrrsquosche Atommodell S 172Radioaktiver Zerfall S 176Die starke Wechselwirkung S 224
Waumlhrend viele Physiker um 1900 das Atom noch als
eine fundamentale Einheit betrachteten gelangte man
mit den Experimenten von Rutherford im Jahre 1911
zu der Erkenntnis dass ein Atom selbst auch eine
Struktur besitzt und aus einem positiv gela-
denen Kern besteht der von im Vergleich
dazu sehr leichten Elektronen umgeben ist
(Bohrrsquosches Atommodell ) Auch wenn
man relativ einfach einzelne Elektronen
aus dieser Huumllle entfernen oder dazu hin-
zufuumlgen konnte so blieb der Atomkern in
dem rund 9995 der Masse des Atoms
enthalten ist davon unbeein-
flusst Insofern passte diese
Einsicht weiterhin gut mit der
Vorstellung der bdquoUnteilbar-
keitldquo der Atome zusammen
Erst 1917 wies Ernest Ruther-
ford durch weitere Experimente nach dass auch Atom-
kerne veraumlnderbar waren indem er durch Beschuss
mit Alphateilchen (Heliumkernen) Stickstoffkerne in
Sauerstoffkerne umwandelte Dass Atomkerne in der
Tat nicht ganz unveraumlnderlich waren hatte man zwar
schon durch die Entdeckung der Radioaktivitaumlt ( )
einige Jahre zuvor vermutet aber Rutherfords Experi-
mente waren der erste direkte Nachweis
Bei dieser Gelegenheit entdeckte Rutherford auch
dass Atomkerne wiederum eine Substruktur besitzen
und mehrere Protonen enthalten ndash und zwar gerade
so viele wie sich Elektronen in der Huumllle befinden
Im Jahre 1932 entdeckte dann James Chadwick den
zweiten noch fehlenden Baustein in den Atomkernen
das Neutron Diese beiden Nukleonen formen zusam-
men den Atomkern
Doch was genau haumllt Protonen und Neu-
tronen im Kern zusammen Letztere
sind elektrisch neutral die Protonen
aber sind allesamt positiv geladen
sollten sich also abstoszligen Die Ant-
wort liegt in einer weiteren Substruktur
die die sogenannte Kernkraft erzeugt
(nicht zu verwechseln mit der Energie
die in Kernkraftwerken aus z B Uran
gewonnen wird) Diese Kernkraft ist das
Uumlberbleibsel der starken Kraft die zwi-
schen den Bestandteilen der Protonen
und Neutronen ndash den Quarks ndash wirkt
( starke WW )
Atomkerne Seit hundert Jahren bekannt und doch nicht im Ganzen verstanden
175 Atomkerne
Die Luumlcken zwischen den Energieniveaus im Atomkern trennen die einzelnen Schalen voneinander Kerne deren Protonen undoder Neutronenzahl bdquomagischldquo ist (die entsprechenden Schalen also vollkommen gefuumlllt haben) sind besonders stabil
B Povh K Rith C Scholz F Zetsche Teilchen und Kerne Eine Einfuumlhrung in die physikalischen Konzepte Springer Verlag 8 Auflage 2009
Die Kernkraft fuumlhrt letztlich zu einer Anziehung der
farbneutralen Nukleonen untereinander Sie hat nur
eine sehr kurze Reichweite ist allerdings deutlich staumlr-
ker als die abstoszligende elektrische Kraft Daher halten
Atomkerne auch zusammen und fliegen trotz der posi-
tiven Ladungen der Protonen nicht auseinander
Obwohl es heute bereits hinreichend gute mathema-
tische Beschreibungen der Kernkraft gibt ist sie nicht
bis ins letzte Detail verstanden Und so ist die genaue
Struktur der Atomkerne zum Beispiel die Frage wie
sich die einzelnen Nukleonen im Kern zueinander an-
ordnen bis heute nicht vollstaumlndig bekannt Zwar weiszlig
man dass Atomkerne genau wie auch die Elektronen
in der Huumllle diskrete Energieniveaus haben sodass sie
zu ndash im Vergleich zu diesen etwa 1000 bis 10 000 Mal
energiereicheren ndash Quantenspruumlngen angeregt werden
koumlnnen Aber die exakte Berechnung dieser Energieni-
veaus gestaltet sich sehr schwierig denn der Kern als
Ganzes ist ein sehr komplexes System aus stark mitei-
nander wechselwirkenden Einzelteilen So gibt es zwar
verschiedenen vereinfachende Modelle die jeweils ge-
wisse Aspekte der Kerne gut erklaumlren aber keines ist
vollstaumlndig und beschreibt den Kern in seiner Gaumlnze
In dem sogenannten Troumlpfchenmodell zum Beispiel
wird angenommen dass sich die Nukleonen im Kern
wie eine tropfenfoumlrmige positiv geladenen Fluumlssigkeit
verhalten Obwohl dieses Modell erst einmal sehr naiv
anmutet kann man mit seiner Hilfe recht genau be-
rechnen welche Atomkerne stabil und welche instabil
also radioaktiv sind
Im Schalenmodell hingegen wird angenommen dass
sich die Protonen und Neutronen genau wie auch die
Elektronen der Huumllle auf Schalen anordnen Ein Kern
nimmt dabei Energie auf indem ein Nukleon von einer
niedrigeren Schale in eine noch nicht vollstaumlndig gefuumlll-
te houmlhere Schale uumlbergeht Obwohl dieses Modell auch
mit starken Vereinfachungen arbeitet (im Gegensatz zu
den Elektronen spuumlren die Nukleonen ja kein gelade-
nes Zentrum um das sie sich herum anordnen muumlss-
ten) lassen sich hieraus in einigen Faumlllen passable Wer-
te fuumlr die Bindungsenergien und die Energieniveaus im
Kern berechnen
176 6 Atome und Quantenmechanik
Beim α-Zerfall sendet der Kern einen Heli-umkern (α-Teilchen) aus
Beim βminus-Zerfall wandelt sich im Kern ein Neutron in ein Proton ein Antineutrino und ein Elektron um wobei die letzteren beiden den Kern als Strahlung verlassen
Beim γ-Zerfall geht der Kern von einem angeregten in einen stabilen Zustand uumlber ndash die uumlberschuumlssige Energie wird in Form eines hochenergetischen Photons abgegeben
Atomkerne S 174Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182
Obwohl sich das Wort bdquoAtomldquo vom griechischen
ἄτομος (bdquodas Unteilbareldquo) ableitet kann man Atome
ndash mit dem entsprechenden Aufwand ndash in ihre Bestand-
teile zerlegen oder ineinander umwandeln Einige Ato-
me sind dazu jedoch auch von allein in der Lage Ende
des 19 Jahrhunderts entdeckte man Elemente wie
Uran oder Thorium die von sich aus eine ionisierende
Strahlung abgeben Noch bevor Rutherford die Exis-
tenz der Atomkerne explizit nachweisen konnte stellte
er daher bereits die Hypothese auf dass diese radio-
aktive Strahlung wie Marie Curie sie getauft hatte
durch die Umwandlung einer Atomsorte in eine andere
verursacht wird
Heute wissen wir dass radioaktive Strahlung entsteht
wenn ein instabiler Atomkern ( ) in einen stabileren
Zustand uumlbergeht Da die Menge des urspruumlnglichen
Stoffes bei diesem Prozess abnimmt spricht man hier-
bei auch von radioaktivem Zerfall Es gibt im Wesent-
lichen drei Arten radioaktiver Strahlung entsprechend
der drei verschiedenen Arten auf die ein Atomkern
spontan zerfallen kann
Der so genannte α-Zerfall tritt bei Atomkernen auf
die sehr schwer sind und eine groszlige Anzahl an Pro-
tonen besitzen Diese positiv geladenen Protonen im
Kern muumlssten sich eigentlich abstoszligen werden jedoch
von der kurzreichweitigen Kernkraft zusammenge-
halten die um einiges staumlrker ist als die abstoszligende
elektrische Kraft wobei Letztere jedoch eine deut-
lich houmlhere Reichweite hat Da durch die Effekte der
Quantenmechanik ( ) die Nukleonen im Kern keinen
festen Ort haben sondern uumlber einen gewissen Auf-
enthaltsbereich verschmiert sind gibt es eine gewisse
Wahrscheinlichkeit dass sich zwei Protonen und zwei
Neutronen ndash eine in sich sehr stabile Kombination
entsprechend einem Heliumkern auch α-Teilchen
genannt ndash so weit vom Rest der Kernteilchen entfer-
nen dass sie die anziehende Kernkraft nicht mehr stark
genug spuumlren sondern hauptsaumlchlich die abstoszligende
elektrische Kraft Das α-Teilchen durchtunnelt dadurch
die Potentialbarriere des Kerns und wird mit einer Ge-
schwindigkeit von einigen Prozent der Lichtgeschwin-
digkeit aus dem Kern ausgestoszligen ( Tunneleffekt )
Radioaktiver Zerfall Atomkerne aus dem Gleichgewicht
177 Radioaktiver Zerfall
Halbwertszeiten der bekannten Isotope Jedes Quadrat entspricht einem Kern mit Z Protonen und N Nukleonen (Protonen und Neu-tronen)
W Stolz Radioaktivitaumlt Grundlagen ndash Messung ndash Anwendungen Teubner 5 Aufl 2005H Krieger Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes Vieweg+Teubner 2007K Bethge Kernphysik Springer Verlag 1996
hen Dichte haumllt Blei dabei die γ-Strahlen am effektivs-
ten auf es werden jedoch je nach Strahlungsenergie
einige Millimeter bis Zentimeter fuumlr eine vollstaumlndige
Abschirmung benoumltigt Dies macht gerade Letztere fuumlr
Lebewesen besonders gefaumlhrlich denn tief in Gewebe
eindringende Strahlung kann nicht nur Verbrennungen
an der Hautoberflaumlche sondern auch Mutationen in
den Zellen und der DNA verursachen
Der β-Zerfall wiederum tritt in Kernen mit einem un-
guumlnstigen Verhaumlltnis zwischen Protonen und Neutro-
nen auf Hat ein Kern einen deutlichen Uumlberschuss an
Neutronen so kann sich eines davon durch die schwa-
che Wechselwirkung spontan in ein Proton ein Elekt-
ron und ein Antielektronneutrino umwandeln Wenn
dies geschieht dann verbleibt das Proton im Kern und
Neutrino und Elektron werden abgestrahlt Diese ne-
gativ geladenen Elektronen werden dabei als β minus-Strah-
lung bezeichnet
Die Regeln der schwachen Wechselwirkung lassen al-
lerdings auch den (etwas selteneren) spiegelbildlichen
Prozess zu In Kernen mit einem Uumlberschuss an Pro-
tonen kann sich eines in ein Neutron ein Antielektron
und ein Elektronneutrino umwandeln Das hierbei
ausgesendete positiv geladene Antielektron ( Positron)
bezeichnet man dabei als β +-Strahlung
Der γ-Zerfall schlieszliglich bezeichnet den Uumlbergang
eines Atomkerns von einem angeregten Zustand in
einen stabileren Zustand mit niedrigerer Energie Die
uumlberschuumlssige Energie wird in Form von energiereichen
Photonen abgestrahlt die man auch als γ-Quanten be-
zeichnet Weil angeregte Atomkerne meist eine Folge-
erscheinung von Kernspaltungen oder anderen voran-
gegangenen Zerfaumlllen sind tritt γ-Strahlung meist in
Begleitung von anderen radioaktiven Vorgaumlngen auf
Die Unterteilung in α β und γ bezieht sich auf die
Eindringtiefe der jeweiligen Strahlung in feste Materie
Waumlhrend α-Strahlung bereits nach fuumlnf Zentimetern
durch die Luft oder durch ein einfaches Blatt Papier
aufgehalten werden kann benoumltigt man bei β-Strahlung
bereits eine duumlnne Metallplatte γ-Strahlung hingegen
kann sehr tief in Materie eindringen Wegen seiner ho-
178 6 Atome und Quantenmechanik
Photoeffekt
Wellenlaumlngen und zugehoumlri-ge Photon-Energien fuumlr das sichtbare Lichtspektrum
Bild in der Mitte (Briefmarke) mit freundlicher Genehmigung von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityR P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Wellen und Teilchen haumlngen in der Quantenmechanik
eng miteinander zusammen So ist Licht einerseits eine
elektromagnetische Welle wie Interferenzexperimen-
te zeigen bei denen Lichtwellenberge auf -berge oder
-taumller treffen und sich verstaumlrken oder ausloumlschen An-
dererseits kann Licht beim sogenannten Photoeffekt
einzelne Elektronen aus einer Metalloberflaumlche he-
rausschlagen wobei dies mit umso groumlszligerer Wucht
geschieht je kuumlrzer die Lichtwellenlaumlnge ist ndash ein Ver-
halten das sich nur durch den Teilchencharakter des
Lichtes verstehen laumlsst
Licht besteht also aus
einem Strom einzelner
Teilchen (sogenannter
Photonen) welche die
Elektronen aus der Ober-
flaumlche herausstoszligen
Fuumlr die genaue Ausarbei-
tung dieser Erkenntnis
erhielt Albert Einstein im
Jahr 1921 den Nobelpreis
fuumlr Physik ndash er hatte sie be-
reits im Jahr 1905 in seiner
Doktorarbeit formuliert
Frequenz f und Wellenlaumlnge λ der elektromagnetischen
Lichtwelle legen dabei die Energie E und den Impuls p
der Photonen fest
E = h∙f und λ = hp
Hier ist h = 6626 ∙ 10ndash34 J∙s eine Naturkonstante deren
Wert im Experiment bestimmt werden muss Sie heiszligt
Planckrsquosches Wirkungsquantum und verknuumlpft Teil-
chen- mit Welleneigenschaften
So wie Photonen mit Lichtwellen zusammenhaumlngen
so haumlngen auch beispielsweise Elektronen mit Elektro-
nenwellen zusammen und zwar nach genau denselben
Formeln wie bei den Photonen und auch allen anderen
Teilchen Wenn man beispielsweise einen Elektronen-
strahl durch einen sehr feinen Doppelspalt schickt so
findet man auf einer Flaumlche dahinter ein Interferenz-
muster aus Streifen mit vielen und mit wenigen Elekt-
ronentreffern ganz analog zum Intensitaumltsmuster von
Laserlicht hinter einem solchen Doppelspalt
Offenbar muss man den Durchgang der Elektronen
durch den Doppelspalt wie bei Licht durch eine Wel-
le beschreiben wobei eine hohe Wellenintensitaumlt einer
hohen Wahrscheinlichkeit entspricht ein Elektron an-
zutreffen
Welle-Teilchen-Dualismus Teilchen bewegen sich in Wellen
179 Welle-Teilchen-Dualismus
Das Buckminster-Fulleren C60
Reales Doppelspaltexperiment mit 11 (a) 200 (b) 6000 (c) 40 000 (d) und 140 000 (e) Elektronen
Doppelspaltexperiment mit Elektronen Interferenz von Wellen hinter einem Doppelspalt
Wellenfunktion S 180J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Im Experiment kann man naumlmlich beobachten wie auf der Flaumlche hinter
dem Doppelspalt nach und nach immer mehr einzelne Elektronen wie
zufaumlllig an verschiedenen Stellen auftreffen wobei sich schlieszliglich das
streifenfoumlrmige Interferenzmuster herausbildet
Teilchenbahnen gibt es dabei nicht mehr Alles was die Quantenmecha-
nik tun kann ist die Auftreffwahrscheinlichkeiten fuumlr die Elektronen zu
berechnen Der Ort eines einzelnen Elektrons ist dagegen in der Natur
grundsaumltzlich nicht festgelegt d h der Wahrscheinlichkeitscharakter der
Quantenmechanik ist grundsaumltzlicher Natur und hat nichts mit unge-
nauen Messungen zu tun (siehe Wellenfunktion )
Mittlerweile konnten Interferenzmuster
auch beispielsweise fuumlr Fullerenmolekuumlle
nachgewiesen werden die immerhin aus
60 Kohlenstoffatomen bestehen (Anton
Zeilinger 1999) Auch fuumlr sie gilt also der
Welle-Teilchen-Dualismus
180 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Wellenfunktion die senkrecht zu ihrer Flugrichtung im Ort be-schraumlnkt wird (z B indem man sie durch einen engen Spalt schickt) erhaumllt dadurch eine groszlige Impulsunschaumlrfe in dieselbe Richtung wodurch sie sich ausbreitet
Zwei Schwingungszustaumlnde der Wel-lenfunktion eines Elektrons im Wasser-stoffatom Die Farbe gibt die ortsabhaumln-gige Phase der Wellenfunktion an
Bild rechts oben und links mit freundlicher Genehmigung von Bernd Thaller Universitaumlt von Graz Institut fuumlr Mathematik und Wissenschaftliches RechnenB Thaller Visual Quantum Mechanics httpvqmuni-grazatindexhtml Galerie mit Darstellungen von Wellenfunktionen
Anfang des 20 Jahrhunderts haumluften sich die Hinweise dass die Materie aus
kleinen Bausteinen Elementarteilchen genannt aufgebaut ist Zuerst nahm
man an dass die Elementarteilchen kleinen Kugeln aumlhnelten die sich aumlhn-
lich wie alle Objekte unserer Erfahrungswelt auf Flugbahnen bewegen kol-
lidieren und voneinander abprallen Als man aber begann experimentell
tiefer in die Bereiche des Mikrokosmos vorzudringen wurde schnell
klar dass Elementarteilchen ganz anderen Gesetzen folgen als sagen
wir einmal Murmeln oder Steine
Eine Murmel kann man (zumindest im Prinzip) zu
jedem Zeitpunkt vollstaumlndig durch einige wenige Zahlen beschreiben
zum Beispiel Ort und Geschwindigkeit Drehimpuls etc Bei Elementar-
teilchen ist dies nicht mehr moumlglich stattdessen beschreibt man sie durch
ein raumlumlich ausgedehntes Feld Die Bewegungsgleichungen fuumlr dieses
Feld aumlhneln denen von (zum Beispiel elektromagnetischen) Wellen wes-
wegen das Feld Wellenfunktion genannt wird
Durch die Wellennatur der Teilchen gehen
jedoch typische Teilcheneigenschaften verloren
Man kann uumlber die physikalischen Groumlszligen die ein klassisches Teil-
chen beschreiben wuumlrden nur noch statistische Aussagen treffen
Auszligerdem sind gewisse Groumlszligen wie zum Beispiel Ort und Ge-
schwindigkeit des Teilchens zueinander komplementaumlr
Wellenfunktion Verschmierte Teilchen
181 Wellenfunktion
Der Franck-Hertz-Versuch S 184A Zeilinger Einsteins Schleier Die neue Welt der Quantenphysik Goldmann 2003
Die Komplementaritaumlt von Ort und Impuls
Die Komplementaritaumlt von Messgroumlszligen wie Ort und Ge-
schwindigkeit ist nicht wie oft behauptet eine Folge
von ungenauen Messungen sondern eine fun-
damentale Eigenschaft der Wellenfunktionen
An den Stellen an denen das Betragsquadrat
der Wellenfunktion groszlig ist besteht eine hohe
Wahrscheinlichkeit das Elementarteilchen anzutreffen
wenn man danach sucht Die Geschwindigkeit des Teilchens hin-
gegen ist mit der Wellenlaumlnge der Welle verknuumlpft
Um nun einer Welle eine genaue Wellenlaumlnge zuzuordnen muss
sie uumlber einen groszligen Bereich ausgebreitet sein Eine genau be-
stimmte Geschwindigkeit fuumlhrt so zu einem sehr unbestimmten
Ort
Je staumlrker hingegen die Welle an einem Ort kon-
zentriert ist desto weniger genau kann man ihr
eine Wellenlaumlnge zuschreiben weswegen ein
genau bestimmter Ort zu einer sehr ungenau be-
stimmten Geschwindigkeit fuumlhrt
Das bedeutet Je genauer der Ort des Teilchens be-
kannt ist desto ungenauer ist seine Geschwindigkeit
bestimmt und umgekehrt
Die Welleneigenschaften der kleinsten Bausteine wer-
den ganz besonders bei den Elektronen deutlich die
sich in einem Atom befinden Anders als die haumlufig
benutzte Analogie zum Sonnensystem vermuten laumlsst
umkreisen Elektronen den Atomkern nicht denn da-
fuumlr muumlssten sie gleichzeitig einen scharf definierten Ort
und eine scharfe Geschwindigkeit besitzen Stattdessen
kann man sich die Wellenfunktion des Elektrons als
dreidimensionale stehende Welle vorstellen Ebenso
wie bei einer schwingenden Instrumenten-Saite gibt es
im Atom nur bestimmte bdquoerlaubteldquo Schwingungsmo-
den der Wellenfunktion Deswegen sind fuumlr das Elek-
tron im Atom nur bestimmte Energieniveaus erlaubt
zwischen denen es jedoch per bdquo Quantensprungldquo hin-
und herwechseln kann wenn es z B durch einen Licht-
strahl dazu angeregt wird (Franck-Hertz-Versuch )
182 6 Atome und Quantenmechanik
Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt
Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen
Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral
fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-
tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt
besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich
zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-
stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf
einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige
Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-
keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es
den Raumbereich einfach nicht betreten
Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das
Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-
ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr
sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei
werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt
ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash
ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt
die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-
tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst
ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel
am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der
Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von
Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-
berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern
auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-
federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann
man mit dem Konzept des Potentials begreifen
Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der
Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-
sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-
teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte
nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter
Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als
uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )
die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens
angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-
mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-
tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an
einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je
houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in
einem Tal als auf einem Bergldquo
Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-
lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der
klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-
Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis
183 Der Tunneleffekt
Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert
Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html
tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch
waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch
verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit
das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie
ist nicht exakt null
Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-
nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-
hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-
tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit
geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf
es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen
nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-
den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber
den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je
houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den
beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-
lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein
mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-
botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch
den Berg ins naumlchste Tal gelangen
Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-
waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-
nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-
lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum
Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um
so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der
Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie
deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-
steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln
Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und
klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer
Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle
nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die
Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-
det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt
die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich
ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen
durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis
ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng
genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr
hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-
schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne
sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es
ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon
eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-
versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-
scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische
Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum
vorkommt
184 6 Atome und Quantenmechanik
Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben
Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)
Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178
Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-
perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-
drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock
Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich
ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-
tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben
Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-
aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und
hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-
nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James
Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-
ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige
Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann
sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige
den sogenannten Quanten
Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und
Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum
zwischen einer negativ geladenen
Gluumlhkathode und einer positiven
Anode ausfuumlllt An der Kathode
treten staumlndig Elektronen aus die
wegen der angelegten Spannung
in Richtung der Anode beschleu-
nigt werden Auf ihrem Weg da-
hin durchqueren die Elektronen
das Gas und stoszligen dabei staumln-
dig mit den Quecksilberatomen
zusammen An der Anode misst
man durch die Gegenspannungs-
methode die Geschwindigkeit der
ankommenden Elektronen So kann man beobachten
um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-
men verlangsamt werden
Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches
fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-
lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode
zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur
elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei
nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-
nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die
an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast
voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man
auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann
kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu
leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-
den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich
schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die
Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet
Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen
185 Der Franck-Hertz-Versuch
Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu
Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden
Schichten ihre Energie
Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen
Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-
der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende
Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter
man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten
entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-
ben
Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur
in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-
sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen
sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein
Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von
Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann
diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf
das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen
Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe
und wird dann von der angelegten Spannung wieder
aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine
Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt
es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein
Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat
Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man
also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben
Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-
tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-
gie ist dabei von Element zu Element verschieden und
muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-
ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-
huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies
mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur
Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden
war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung
der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch
bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-
niveaus in Atomen
Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-
rigens nicht lange sondern geben sie in Form von
Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die
Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von
47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau
dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-
roumlhre als Leuchten erkennen kann
186 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
Magnetfeld
Rota
tions
achs
e
Praumlzession
magnetischeKraft
Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-
chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein
halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten
Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen
muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-
zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen
Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der
Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach
seine Eigenschaften zu verstehen
Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden
Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin
eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der
Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-
gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon
Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen
und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur
Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen
Spin besitzen
Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-
allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-
nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist
so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen
magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-
netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem
senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese
insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der
Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach
oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher
Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-
feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen
die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was
aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer
Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt
(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen
Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-
nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach
dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld
unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt
Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach
diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-
nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12
aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld
schlugen sich die Silberatome nieder
Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln
187 Der Spin eines Teilchens
Spinrichtung
θ = 0deg
θ = 45deg
θ = 90deg
θ = 135deg
θ = 180deg
θ
N
S
Silberatomstrahl
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter
Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend
einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-
tationsachsen
Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-
berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-
lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das
Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die
Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel
dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in
oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild
der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-
vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens
Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-
sche Beschreibung des Spins aus Angenommen
der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die
um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist
In einem parallel zum Spin ausgerichteten
inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen
also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt
sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht
orientierten inhomogenen Magnetfeld Es
wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2
nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit
sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik
durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)
d h der Spin ist nach der Messung mit die-
sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach
oben oder nach unten orientiert Und das ist
auch schon im Wesentlichen alles was gesagt
werden kann denn die Quantenmechanik
kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen
sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen
bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der
Begriff der klassischen Rotationsachse in der
Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche
Ungleichung )
188 6 Atome und Quantenmechanik
-2-1 0 1 2 3
-3-2
-1 0
1 2
3
-1-08-06-04-02
0 02 04 06 08
1
x
y
f(xy)
Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der
Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische
Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem
Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-
scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an
einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches
man angetroffen hat
In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit
ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes
Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das
Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man
auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude
oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )
bezeichnet (genau genommen ist f(xy)
eine komplexe Zahl doch das ist hier
nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-
ronen ununterscheidbar sind darf sich
diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern
wenn wir die beiden Elektronen mitei-
nander vertauschen also das erste Elek-
tron am Ort y und das zweite Elektron
am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2
= |f(yx)|2 sein
Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)
selbst kann beim Vertauschen entweder
ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie
wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-
zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt
f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)
Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt
der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-
ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise
Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische
Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten
Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-
tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen
Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin
zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-
gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip
Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-
trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude
Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden
189 Das Pauli-Prinzip
1s
2s
2p
3s
3p
3d
18
Ener
gie
n=1
n=2
n=3
8
2
3dxsup2-ysup2
3pz 3px 3py
3s
2pz
2s
1s
3dxz 3dxy
2py
3dz2 3dyz
2px
Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)
Bosonen Fermionen
810 nK
510 nK
240 nK
Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom
Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2
Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich
zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-
nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich
f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man
in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen
mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht
am selben Ort aufhalten
Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen
derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht
denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man
beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts
Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit
ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-
mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)
groumlszligere Abstaumlnde beibehalten
Das Pauli-Prinzip stellt si-
cher dass sich in der Elek-
tronenhuumllle der Atome
eine stabile Schalenstruk-
tur ausbildet Jeder moumlgli-
che Schwingungszustand der Wellenfunktion
kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-
den die entgegengesetzte Spinausrichtung
aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-
nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige
Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken
ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip
Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-
ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es
wird durch ein subtiles Zusammenspiel von
Quantenmechanik und spezieller Relativi-
taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief
in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler
der modernen Physik begruumlndet
190 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
N
S
Magnet A
Teilchenquelle
Magnet B
Der Spin eines Teilchens S 186
In der klassischen Physik sind wir es normalerweise
gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige
Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit
diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch
Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-
spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen
haben
Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden
und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig
d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen
Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur
unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er
gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-
tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-
dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz
EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die
uumlberarbeitete Version von David Bohm)
Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-
len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen
ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-
gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst
man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht
orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird
immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein
Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-
den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash
welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist
nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall
Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-
ander verhalten werden
Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-
den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte
Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder
Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-
gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann
das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim
Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine
Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide
Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-
der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten
laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat
der Zufall Spin up entschiedenldquo
koumlnnte sich aber maximal mit
Lichtgeschwindigkeit ausbrei-
ten
Einstein Po-
dolsky und Rosen
sprachen daher von einer
bdquospukhaften Fernwirkungldquo und
folgerten dass jedes der beiden Teil-
chen doch eine verborgene lokale Eigen-
schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse
besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits
im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten
waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-
saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet
Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-
cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie
die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig
191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
S
S
N
N
Magnet AKippwinkel 45deg
Magnet BKippwinkel 0deg
Gruppe 1(0darr 45uarr)
Teilchenquelle
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90degGruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
0deg 45deg 90deg
J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und
ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-
rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr
1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich
diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein
Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand
gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-
nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-
rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide
Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt
werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-
gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg
Wenn die Teilchen nun doch eine
lokale innere Eigenschaft besaumlszligen
die ihr Verhalten im Magnetfeld
von vornherein festlegte so wird
es beispielsweise einige darunter
geben die bei 0deg zum Suumldpol bei
45deg zum Nordpol und bei 90deg
ebenfalls zum Nordpol abgelenkt
wuumlrden sodass wir sie mit (0
45 90 ) kennzeichnen koumln-
nen Die zugehoumlrigen Part-
nerteilchen wuumlrden sich
dabei genau entgegenge-
setzt verhalten
Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-
chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde
beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten
zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen
im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol
abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45
verhaumllt
Analog bilden wir Grup-
pe 2 als alle die Teilchen-
paare bei denen ein Teil-
chen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 45
sowie 90 besitzt sowie
Gruppe 3 als alle die Teil-
chenpaare bei denen ein
Teilchen zugleich die bei-
den Kennzeichnungen 0
sowie 90 besitzt
Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare
von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also
muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-
wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten
zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-
send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)
Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-
scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt
sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-
scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-
men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche
Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung
vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen
uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere
Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky
und Rosen wurden widerlegt
Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass
die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung
erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-
greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt
egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze
ist mehr als die Summe seiner Teile
192 6 Atome und Quantenmechanik
Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie
Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012
Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-
orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische
Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-
theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik
jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich
zufriedenstellend beantwortet sind
Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur
grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-
lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-
lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische
Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-
wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-
scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen
instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise
Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also
durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus
dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-
ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der
sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927
u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-
beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber
welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder
dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-
on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-
ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft
die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)
sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-
lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten
Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei
nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da
es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird
Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten
193 Die Interpretation der Quantenmechanik
Tritium
Wellenfunktion = +
Helium-3
ElektronAntineutrino
Detektormisst
Zerfall
makroskopische Realitaumlt
Gift
oder
Gift
Tritiumintakt
Tritiumzerfallen
Wellenfunktion =
+
Dekohaumlrenz
makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2
Gift Gift
Tritium Helium-3
ElektronAntineutrino
Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24
Doch wann genau findet eine solche Messung statt
Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin
Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches
Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem
zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die
zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste
eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet
dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-
tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit
Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers
Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-
digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der
erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-
schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der
quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die
klassische Realitaumlt der Katze
Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-
chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute
tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-
zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-
tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-
elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man
den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in
den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die
sogenannte Viele-Welten-Interpretation
Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom
weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-
same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-
tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie
bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze
jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-
vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in
Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur
sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-
de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung
mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-
abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts
mehr voneinander sodass man sie als verschiedene
Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-
der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der
Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht
In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion
des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-
ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten
verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation
zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-
lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt
im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung
des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung
zwischen Mikro- und Makrokosmos
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
174 6 Atome und Quantenmechanik
Sowohl Pro-tonen als auch
Neutronen beste-hen aus drei Quarks
Die starke Wechselwirkung zweier Nukleonen kann man durch den Austausch eines Mesons veranschaulichen
Das Bohrrsquosche Atommodell S 172Radioaktiver Zerfall S 176Die starke Wechselwirkung S 224
Waumlhrend viele Physiker um 1900 das Atom noch als
eine fundamentale Einheit betrachteten gelangte man
mit den Experimenten von Rutherford im Jahre 1911
zu der Erkenntnis dass ein Atom selbst auch eine
Struktur besitzt und aus einem positiv gela-
denen Kern besteht der von im Vergleich
dazu sehr leichten Elektronen umgeben ist
(Bohrrsquosches Atommodell ) Auch wenn
man relativ einfach einzelne Elektronen
aus dieser Huumllle entfernen oder dazu hin-
zufuumlgen konnte so blieb der Atomkern in
dem rund 9995 der Masse des Atoms
enthalten ist davon unbeein-
flusst Insofern passte diese
Einsicht weiterhin gut mit der
Vorstellung der bdquoUnteilbar-
keitldquo der Atome zusammen
Erst 1917 wies Ernest Ruther-
ford durch weitere Experimente nach dass auch Atom-
kerne veraumlnderbar waren indem er durch Beschuss
mit Alphateilchen (Heliumkernen) Stickstoffkerne in
Sauerstoffkerne umwandelte Dass Atomkerne in der
Tat nicht ganz unveraumlnderlich waren hatte man zwar
schon durch die Entdeckung der Radioaktivitaumlt ( )
einige Jahre zuvor vermutet aber Rutherfords Experi-
mente waren der erste direkte Nachweis
Bei dieser Gelegenheit entdeckte Rutherford auch
dass Atomkerne wiederum eine Substruktur besitzen
und mehrere Protonen enthalten ndash und zwar gerade
so viele wie sich Elektronen in der Huumllle befinden
Im Jahre 1932 entdeckte dann James Chadwick den
zweiten noch fehlenden Baustein in den Atomkernen
das Neutron Diese beiden Nukleonen formen zusam-
men den Atomkern
Doch was genau haumllt Protonen und Neu-
tronen im Kern zusammen Letztere
sind elektrisch neutral die Protonen
aber sind allesamt positiv geladen
sollten sich also abstoszligen Die Ant-
wort liegt in einer weiteren Substruktur
die die sogenannte Kernkraft erzeugt
(nicht zu verwechseln mit der Energie
die in Kernkraftwerken aus z B Uran
gewonnen wird) Diese Kernkraft ist das
Uumlberbleibsel der starken Kraft die zwi-
schen den Bestandteilen der Protonen
und Neutronen ndash den Quarks ndash wirkt
( starke WW )
Atomkerne Seit hundert Jahren bekannt und doch nicht im Ganzen verstanden
175 Atomkerne
Die Luumlcken zwischen den Energieniveaus im Atomkern trennen die einzelnen Schalen voneinander Kerne deren Protonen undoder Neutronenzahl bdquomagischldquo ist (die entsprechenden Schalen also vollkommen gefuumlllt haben) sind besonders stabil
B Povh K Rith C Scholz F Zetsche Teilchen und Kerne Eine Einfuumlhrung in die physikalischen Konzepte Springer Verlag 8 Auflage 2009
Die Kernkraft fuumlhrt letztlich zu einer Anziehung der
farbneutralen Nukleonen untereinander Sie hat nur
eine sehr kurze Reichweite ist allerdings deutlich staumlr-
ker als die abstoszligende elektrische Kraft Daher halten
Atomkerne auch zusammen und fliegen trotz der posi-
tiven Ladungen der Protonen nicht auseinander
Obwohl es heute bereits hinreichend gute mathema-
tische Beschreibungen der Kernkraft gibt ist sie nicht
bis ins letzte Detail verstanden Und so ist die genaue
Struktur der Atomkerne zum Beispiel die Frage wie
sich die einzelnen Nukleonen im Kern zueinander an-
ordnen bis heute nicht vollstaumlndig bekannt Zwar weiszlig
man dass Atomkerne genau wie auch die Elektronen
in der Huumllle diskrete Energieniveaus haben sodass sie
zu ndash im Vergleich zu diesen etwa 1000 bis 10 000 Mal
energiereicheren ndash Quantenspruumlngen angeregt werden
koumlnnen Aber die exakte Berechnung dieser Energieni-
veaus gestaltet sich sehr schwierig denn der Kern als
Ganzes ist ein sehr komplexes System aus stark mitei-
nander wechselwirkenden Einzelteilen So gibt es zwar
verschiedenen vereinfachende Modelle die jeweils ge-
wisse Aspekte der Kerne gut erklaumlren aber keines ist
vollstaumlndig und beschreibt den Kern in seiner Gaumlnze
In dem sogenannten Troumlpfchenmodell zum Beispiel
wird angenommen dass sich die Nukleonen im Kern
wie eine tropfenfoumlrmige positiv geladenen Fluumlssigkeit
verhalten Obwohl dieses Modell erst einmal sehr naiv
anmutet kann man mit seiner Hilfe recht genau be-
rechnen welche Atomkerne stabil und welche instabil
also radioaktiv sind
Im Schalenmodell hingegen wird angenommen dass
sich die Protonen und Neutronen genau wie auch die
Elektronen der Huumllle auf Schalen anordnen Ein Kern
nimmt dabei Energie auf indem ein Nukleon von einer
niedrigeren Schale in eine noch nicht vollstaumlndig gefuumlll-
te houmlhere Schale uumlbergeht Obwohl dieses Modell auch
mit starken Vereinfachungen arbeitet (im Gegensatz zu
den Elektronen spuumlren die Nukleonen ja kein gelade-
nes Zentrum um das sie sich herum anordnen muumlss-
ten) lassen sich hieraus in einigen Faumlllen passable Wer-
te fuumlr die Bindungsenergien und die Energieniveaus im
Kern berechnen
176 6 Atome und Quantenmechanik
Beim α-Zerfall sendet der Kern einen Heli-umkern (α-Teilchen) aus
Beim βminus-Zerfall wandelt sich im Kern ein Neutron in ein Proton ein Antineutrino und ein Elektron um wobei die letzteren beiden den Kern als Strahlung verlassen
Beim γ-Zerfall geht der Kern von einem angeregten in einen stabilen Zustand uumlber ndash die uumlberschuumlssige Energie wird in Form eines hochenergetischen Photons abgegeben
Atomkerne S 174Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182
Obwohl sich das Wort bdquoAtomldquo vom griechischen
ἄτομος (bdquodas Unteilbareldquo) ableitet kann man Atome
ndash mit dem entsprechenden Aufwand ndash in ihre Bestand-
teile zerlegen oder ineinander umwandeln Einige Ato-
me sind dazu jedoch auch von allein in der Lage Ende
des 19 Jahrhunderts entdeckte man Elemente wie
Uran oder Thorium die von sich aus eine ionisierende
Strahlung abgeben Noch bevor Rutherford die Exis-
tenz der Atomkerne explizit nachweisen konnte stellte
er daher bereits die Hypothese auf dass diese radio-
aktive Strahlung wie Marie Curie sie getauft hatte
durch die Umwandlung einer Atomsorte in eine andere
verursacht wird
Heute wissen wir dass radioaktive Strahlung entsteht
wenn ein instabiler Atomkern ( ) in einen stabileren
Zustand uumlbergeht Da die Menge des urspruumlnglichen
Stoffes bei diesem Prozess abnimmt spricht man hier-
bei auch von radioaktivem Zerfall Es gibt im Wesent-
lichen drei Arten radioaktiver Strahlung entsprechend
der drei verschiedenen Arten auf die ein Atomkern
spontan zerfallen kann
Der so genannte α-Zerfall tritt bei Atomkernen auf
die sehr schwer sind und eine groszlige Anzahl an Pro-
tonen besitzen Diese positiv geladenen Protonen im
Kern muumlssten sich eigentlich abstoszligen werden jedoch
von der kurzreichweitigen Kernkraft zusammenge-
halten die um einiges staumlrker ist als die abstoszligende
elektrische Kraft wobei Letztere jedoch eine deut-
lich houmlhere Reichweite hat Da durch die Effekte der
Quantenmechanik ( ) die Nukleonen im Kern keinen
festen Ort haben sondern uumlber einen gewissen Auf-
enthaltsbereich verschmiert sind gibt es eine gewisse
Wahrscheinlichkeit dass sich zwei Protonen und zwei
Neutronen ndash eine in sich sehr stabile Kombination
entsprechend einem Heliumkern auch α-Teilchen
genannt ndash so weit vom Rest der Kernteilchen entfer-
nen dass sie die anziehende Kernkraft nicht mehr stark
genug spuumlren sondern hauptsaumlchlich die abstoszligende
elektrische Kraft Das α-Teilchen durchtunnelt dadurch
die Potentialbarriere des Kerns und wird mit einer Ge-
schwindigkeit von einigen Prozent der Lichtgeschwin-
digkeit aus dem Kern ausgestoszligen ( Tunneleffekt )
Radioaktiver Zerfall Atomkerne aus dem Gleichgewicht
177 Radioaktiver Zerfall
Halbwertszeiten der bekannten Isotope Jedes Quadrat entspricht einem Kern mit Z Protonen und N Nukleonen (Protonen und Neu-tronen)
W Stolz Radioaktivitaumlt Grundlagen ndash Messung ndash Anwendungen Teubner 5 Aufl 2005H Krieger Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes Vieweg+Teubner 2007K Bethge Kernphysik Springer Verlag 1996
hen Dichte haumllt Blei dabei die γ-Strahlen am effektivs-
ten auf es werden jedoch je nach Strahlungsenergie
einige Millimeter bis Zentimeter fuumlr eine vollstaumlndige
Abschirmung benoumltigt Dies macht gerade Letztere fuumlr
Lebewesen besonders gefaumlhrlich denn tief in Gewebe
eindringende Strahlung kann nicht nur Verbrennungen
an der Hautoberflaumlche sondern auch Mutationen in
den Zellen und der DNA verursachen
Der β-Zerfall wiederum tritt in Kernen mit einem un-
guumlnstigen Verhaumlltnis zwischen Protonen und Neutro-
nen auf Hat ein Kern einen deutlichen Uumlberschuss an
Neutronen so kann sich eines davon durch die schwa-
che Wechselwirkung spontan in ein Proton ein Elekt-
ron und ein Antielektronneutrino umwandeln Wenn
dies geschieht dann verbleibt das Proton im Kern und
Neutrino und Elektron werden abgestrahlt Diese ne-
gativ geladenen Elektronen werden dabei als β minus-Strah-
lung bezeichnet
Die Regeln der schwachen Wechselwirkung lassen al-
lerdings auch den (etwas selteneren) spiegelbildlichen
Prozess zu In Kernen mit einem Uumlberschuss an Pro-
tonen kann sich eines in ein Neutron ein Antielektron
und ein Elektronneutrino umwandeln Das hierbei
ausgesendete positiv geladene Antielektron ( Positron)
bezeichnet man dabei als β +-Strahlung
Der γ-Zerfall schlieszliglich bezeichnet den Uumlbergang
eines Atomkerns von einem angeregten Zustand in
einen stabileren Zustand mit niedrigerer Energie Die
uumlberschuumlssige Energie wird in Form von energiereichen
Photonen abgestrahlt die man auch als γ-Quanten be-
zeichnet Weil angeregte Atomkerne meist eine Folge-
erscheinung von Kernspaltungen oder anderen voran-
gegangenen Zerfaumlllen sind tritt γ-Strahlung meist in
Begleitung von anderen radioaktiven Vorgaumlngen auf
Die Unterteilung in α β und γ bezieht sich auf die
Eindringtiefe der jeweiligen Strahlung in feste Materie
Waumlhrend α-Strahlung bereits nach fuumlnf Zentimetern
durch die Luft oder durch ein einfaches Blatt Papier
aufgehalten werden kann benoumltigt man bei β-Strahlung
bereits eine duumlnne Metallplatte γ-Strahlung hingegen
kann sehr tief in Materie eindringen Wegen seiner ho-
178 6 Atome und Quantenmechanik
Photoeffekt
Wellenlaumlngen und zugehoumlri-ge Photon-Energien fuumlr das sichtbare Lichtspektrum
Bild in der Mitte (Briefmarke) mit freundlicher Genehmigung von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityR P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Wellen und Teilchen haumlngen in der Quantenmechanik
eng miteinander zusammen So ist Licht einerseits eine
elektromagnetische Welle wie Interferenzexperimen-
te zeigen bei denen Lichtwellenberge auf -berge oder
-taumller treffen und sich verstaumlrken oder ausloumlschen An-
dererseits kann Licht beim sogenannten Photoeffekt
einzelne Elektronen aus einer Metalloberflaumlche he-
rausschlagen wobei dies mit umso groumlszligerer Wucht
geschieht je kuumlrzer die Lichtwellenlaumlnge ist ndash ein Ver-
halten das sich nur durch den Teilchencharakter des
Lichtes verstehen laumlsst
Licht besteht also aus
einem Strom einzelner
Teilchen (sogenannter
Photonen) welche die
Elektronen aus der Ober-
flaumlche herausstoszligen
Fuumlr die genaue Ausarbei-
tung dieser Erkenntnis
erhielt Albert Einstein im
Jahr 1921 den Nobelpreis
fuumlr Physik ndash er hatte sie be-
reits im Jahr 1905 in seiner
Doktorarbeit formuliert
Frequenz f und Wellenlaumlnge λ der elektromagnetischen
Lichtwelle legen dabei die Energie E und den Impuls p
der Photonen fest
E = h∙f und λ = hp
Hier ist h = 6626 ∙ 10ndash34 J∙s eine Naturkonstante deren
Wert im Experiment bestimmt werden muss Sie heiszligt
Planckrsquosches Wirkungsquantum und verknuumlpft Teil-
chen- mit Welleneigenschaften
So wie Photonen mit Lichtwellen zusammenhaumlngen
so haumlngen auch beispielsweise Elektronen mit Elektro-
nenwellen zusammen und zwar nach genau denselben
Formeln wie bei den Photonen und auch allen anderen
Teilchen Wenn man beispielsweise einen Elektronen-
strahl durch einen sehr feinen Doppelspalt schickt so
findet man auf einer Flaumlche dahinter ein Interferenz-
muster aus Streifen mit vielen und mit wenigen Elekt-
ronentreffern ganz analog zum Intensitaumltsmuster von
Laserlicht hinter einem solchen Doppelspalt
Offenbar muss man den Durchgang der Elektronen
durch den Doppelspalt wie bei Licht durch eine Wel-
le beschreiben wobei eine hohe Wellenintensitaumlt einer
hohen Wahrscheinlichkeit entspricht ein Elektron an-
zutreffen
Welle-Teilchen-Dualismus Teilchen bewegen sich in Wellen
179 Welle-Teilchen-Dualismus
Das Buckminster-Fulleren C60
Reales Doppelspaltexperiment mit 11 (a) 200 (b) 6000 (c) 40 000 (d) und 140 000 (e) Elektronen
Doppelspaltexperiment mit Elektronen Interferenz von Wellen hinter einem Doppelspalt
Wellenfunktion S 180J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Im Experiment kann man naumlmlich beobachten wie auf der Flaumlche hinter
dem Doppelspalt nach und nach immer mehr einzelne Elektronen wie
zufaumlllig an verschiedenen Stellen auftreffen wobei sich schlieszliglich das
streifenfoumlrmige Interferenzmuster herausbildet
Teilchenbahnen gibt es dabei nicht mehr Alles was die Quantenmecha-
nik tun kann ist die Auftreffwahrscheinlichkeiten fuumlr die Elektronen zu
berechnen Der Ort eines einzelnen Elektrons ist dagegen in der Natur
grundsaumltzlich nicht festgelegt d h der Wahrscheinlichkeitscharakter der
Quantenmechanik ist grundsaumltzlicher Natur und hat nichts mit unge-
nauen Messungen zu tun (siehe Wellenfunktion )
Mittlerweile konnten Interferenzmuster
auch beispielsweise fuumlr Fullerenmolekuumlle
nachgewiesen werden die immerhin aus
60 Kohlenstoffatomen bestehen (Anton
Zeilinger 1999) Auch fuumlr sie gilt also der
Welle-Teilchen-Dualismus
180 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Wellenfunktion die senkrecht zu ihrer Flugrichtung im Ort be-schraumlnkt wird (z B indem man sie durch einen engen Spalt schickt) erhaumllt dadurch eine groszlige Impulsunschaumlrfe in dieselbe Richtung wodurch sie sich ausbreitet
Zwei Schwingungszustaumlnde der Wel-lenfunktion eines Elektrons im Wasser-stoffatom Die Farbe gibt die ortsabhaumln-gige Phase der Wellenfunktion an
Bild rechts oben und links mit freundlicher Genehmigung von Bernd Thaller Universitaumlt von Graz Institut fuumlr Mathematik und Wissenschaftliches RechnenB Thaller Visual Quantum Mechanics httpvqmuni-grazatindexhtml Galerie mit Darstellungen von Wellenfunktionen
Anfang des 20 Jahrhunderts haumluften sich die Hinweise dass die Materie aus
kleinen Bausteinen Elementarteilchen genannt aufgebaut ist Zuerst nahm
man an dass die Elementarteilchen kleinen Kugeln aumlhnelten die sich aumlhn-
lich wie alle Objekte unserer Erfahrungswelt auf Flugbahnen bewegen kol-
lidieren und voneinander abprallen Als man aber begann experimentell
tiefer in die Bereiche des Mikrokosmos vorzudringen wurde schnell
klar dass Elementarteilchen ganz anderen Gesetzen folgen als sagen
wir einmal Murmeln oder Steine
Eine Murmel kann man (zumindest im Prinzip) zu
jedem Zeitpunkt vollstaumlndig durch einige wenige Zahlen beschreiben
zum Beispiel Ort und Geschwindigkeit Drehimpuls etc Bei Elementar-
teilchen ist dies nicht mehr moumlglich stattdessen beschreibt man sie durch
ein raumlumlich ausgedehntes Feld Die Bewegungsgleichungen fuumlr dieses
Feld aumlhneln denen von (zum Beispiel elektromagnetischen) Wellen wes-
wegen das Feld Wellenfunktion genannt wird
Durch die Wellennatur der Teilchen gehen
jedoch typische Teilcheneigenschaften verloren
Man kann uumlber die physikalischen Groumlszligen die ein klassisches Teil-
chen beschreiben wuumlrden nur noch statistische Aussagen treffen
Auszligerdem sind gewisse Groumlszligen wie zum Beispiel Ort und Ge-
schwindigkeit des Teilchens zueinander komplementaumlr
Wellenfunktion Verschmierte Teilchen
181 Wellenfunktion
Der Franck-Hertz-Versuch S 184A Zeilinger Einsteins Schleier Die neue Welt der Quantenphysik Goldmann 2003
Die Komplementaritaumlt von Ort und Impuls
Die Komplementaritaumlt von Messgroumlszligen wie Ort und Ge-
schwindigkeit ist nicht wie oft behauptet eine Folge
von ungenauen Messungen sondern eine fun-
damentale Eigenschaft der Wellenfunktionen
An den Stellen an denen das Betragsquadrat
der Wellenfunktion groszlig ist besteht eine hohe
Wahrscheinlichkeit das Elementarteilchen anzutreffen
wenn man danach sucht Die Geschwindigkeit des Teilchens hin-
gegen ist mit der Wellenlaumlnge der Welle verknuumlpft
Um nun einer Welle eine genaue Wellenlaumlnge zuzuordnen muss
sie uumlber einen groszligen Bereich ausgebreitet sein Eine genau be-
stimmte Geschwindigkeit fuumlhrt so zu einem sehr unbestimmten
Ort
Je staumlrker hingegen die Welle an einem Ort kon-
zentriert ist desto weniger genau kann man ihr
eine Wellenlaumlnge zuschreiben weswegen ein
genau bestimmter Ort zu einer sehr ungenau be-
stimmten Geschwindigkeit fuumlhrt
Das bedeutet Je genauer der Ort des Teilchens be-
kannt ist desto ungenauer ist seine Geschwindigkeit
bestimmt und umgekehrt
Die Welleneigenschaften der kleinsten Bausteine wer-
den ganz besonders bei den Elektronen deutlich die
sich in einem Atom befinden Anders als die haumlufig
benutzte Analogie zum Sonnensystem vermuten laumlsst
umkreisen Elektronen den Atomkern nicht denn da-
fuumlr muumlssten sie gleichzeitig einen scharf definierten Ort
und eine scharfe Geschwindigkeit besitzen Stattdessen
kann man sich die Wellenfunktion des Elektrons als
dreidimensionale stehende Welle vorstellen Ebenso
wie bei einer schwingenden Instrumenten-Saite gibt es
im Atom nur bestimmte bdquoerlaubteldquo Schwingungsmo-
den der Wellenfunktion Deswegen sind fuumlr das Elek-
tron im Atom nur bestimmte Energieniveaus erlaubt
zwischen denen es jedoch per bdquo Quantensprungldquo hin-
und herwechseln kann wenn es z B durch einen Licht-
strahl dazu angeregt wird (Franck-Hertz-Versuch )
182 6 Atome und Quantenmechanik
Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt
Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen
Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral
fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-
tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt
besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich
zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-
stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf
einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige
Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-
keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es
den Raumbereich einfach nicht betreten
Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das
Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-
ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr
sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei
werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt
ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash
ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt
die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-
tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst
ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel
am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der
Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von
Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-
berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern
auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-
federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann
man mit dem Konzept des Potentials begreifen
Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der
Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-
sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-
teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte
nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter
Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als
uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )
die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens
angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-
mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-
tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an
einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je
houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in
einem Tal als auf einem Bergldquo
Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-
lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der
klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-
Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis
183 Der Tunneleffekt
Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert
Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html
tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch
waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch
verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit
das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie
ist nicht exakt null
Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-
nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-
hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-
tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit
geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf
es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen
nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-
den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber
den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je
houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den
beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-
lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein
mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-
botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch
den Berg ins naumlchste Tal gelangen
Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-
waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-
nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-
lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum
Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um
so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der
Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie
deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-
steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln
Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und
klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer
Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle
nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die
Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-
det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt
die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich
ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen
durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis
ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng
genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr
hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-
schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne
sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es
ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon
eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-
versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-
scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische
Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum
vorkommt
184 6 Atome und Quantenmechanik
Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben
Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)
Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178
Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-
perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-
drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock
Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich
ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-
tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben
Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-
aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und
hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-
nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James
Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-
ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige
Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann
sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige
den sogenannten Quanten
Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und
Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum
zwischen einer negativ geladenen
Gluumlhkathode und einer positiven
Anode ausfuumlllt An der Kathode
treten staumlndig Elektronen aus die
wegen der angelegten Spannung
in Richtung der Anode beschleu-
nigt werden Auf ihrem Weg da-
hin durchqueren die Elektronen
das Gas und stoszligen dabei staumln-
dig mit den Quecksilberatomen
zusammen An der Anode misst
man durch die Gegenspannungs-
methode die Geschwindigkeit der
ankommenden Elektronen So kann man beobachten
um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-
men verlangsamt werden
Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches
fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-
lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode
zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur
elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei
nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-
nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die
an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast
voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man
auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann
kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu
leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-
den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich
schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die
Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet
Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen
185 Der Franck-Hertz-Versuch
Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu
Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden
Schichten ihre Energie
Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen
Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-
der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende
Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter
man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten
entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-
ben
Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur
in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-
sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen
sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein
Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von
Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann
diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf
das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen
Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe
und wird dann von der angelegten Spannung wieder
aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine
Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt
es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein
Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat
Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man
also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben
Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-
tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-
gie ist dabei von Element zu Element verschieden und
muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-
ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-
huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies
mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur
Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden
war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung
der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch
bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-
niveaus in Atomen
Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-
rigens nicht lange sondern geben sie in Form von
Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die
Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von
47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau
dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-
roumlhre als Leuchten erkennen kann
186 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
Magnetfeld
Rota
tions
achs
e
Praumlzession
magnetischeKraft
Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-
chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein
halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten
Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen
muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-
zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen
Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der
Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach
seine Eigenschaften zu verstehen
Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden
Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin
eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der
Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-
gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon
Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen
und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur
Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen
Spin besitzen
Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-
allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-
nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist
so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen
magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-
netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem
senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese
insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der
Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach
oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher
Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-
feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen
die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was
aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer
Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt
(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen
Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-
nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach
dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld
unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt
Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach
diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-
nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12
aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld
schlugen sich die Silberatome nieder
Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln
187 Der Spin eines Teilchens
Spinrichtung
θ = 0deg
θ = 45deg
θ = 90deg
θ = 135deg
θ = 180deg
θ
N
S
Silberatomstrahl
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter
Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend
einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-
tationsachsen
Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-
berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-
lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das
Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die
Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel
dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in
oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild
der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-
vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens
Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-
sche Beschreibung des Spins aus Angenommen
der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die
um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist
In einem parallel zum Spin ausgerichteten
inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen
also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt
sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht
orientierten inhomogenen Magnetfeld Es
wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2
nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit
sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik
durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)
d h der Spin ist nach der Messung mit die-
sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach
oben oder nach unten orientiert Und das ist
auch schon im Wesentlichen alles was gesagt
werden kann denn die Quantenmechanik
kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen
sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen
bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der
Begriff der klassischen Rotationsachse in der
Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche
Ungleichung )
188 6 Atome und Quantenmechanik
-2-1 0 1 2 3
-3-2
-1 0
1 2
3
-1-08-06-04-02
0 02 04 06 08
1
x
y
f(xy)
Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der
Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische
Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem
Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-
scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an
einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches
man angetroffen hat
In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit
ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes
Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das
Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man
auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude
oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )
bezeichnet (genau genommen ist f(xy)
eine komplexe Zahl doch das ist hier
nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-
ronen ununterscheidbar sind darf sich
diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern
wenn wir die beiden Elektronen mitei-
nander vertauschen also das erste Elek-
tron am Ort y und das zweite Elektron
am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2
= |f(yx)|2 sein
Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)
selbst kann beim Vertauschen entweder
ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie
wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-
zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt
f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)
Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt
der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-
ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise
Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische
Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten
Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-
tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen
Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin
zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-
gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip
Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-
trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude
Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden
189 Das Pauli-Prinzip
1s
2s
2p
3s
3p
3d
18
Ener
gie
n=1
n=2
n=3
8
2
3dxsup2-ysup2
3pz 3px 3py
3s
2pz
2s
1s
3dxz 3dxy
2py
3dz2 3dyz
2px
Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)
Bosonen Fermionen
810 nK
510 nK
240 nK
Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom
Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2
Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich
zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-
nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich
f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man
in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen
mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht
am selben Ort aufhalten
Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen
derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht
denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man
beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts
Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit
ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-
mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)
groumlszligere Abstaumlnde beibehalten
Das Pauli-Prinzip stellt si-
cher dass sich in der Elek-
tronenhuumllle der Atome
eine stabile Schalenstruk-
tur ausbildet Jeder moumlgli-
che Schwingungszustand der Wellenfunktion
kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-
den die entgegengesetzte Spinausrichtung
aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-
nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige
Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken
ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip
Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-
ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es
wird durch ein subtiles Zusammenspiel von
Quantenmechanik und spezieller Relativi-
taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief
in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler
der modernen Physik begruumlndet
190 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
N
S
Magnet A
Teilchenquelle
Magnet B
Der Spin eines Teilchens S 186
In der klassischen Physik sind wir es normalerweise
gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige
Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit
diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch
Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-
spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen
haben
Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden
und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig
d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen
Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur
unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er
gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-
tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-
dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz
EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die
uumlberarbeitete Version von David Bohm)
Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-
len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen
ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-
gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst
man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht
orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird
immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein
Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-
den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash
welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist
nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall
Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-
ander verhalten werden
Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-
den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte
Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder
Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-
gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann
das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim
Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine
Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide
Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-
der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten
laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat
der Zufall Spin up entschiedenldquo
koumlnnte sich aber maximal mit
Lichtgeschwindigkeit ausbrei-
ten
Einstein Po-
dolsky und Rosen
sprachen daher von einer
bdquospukhaften Fernwirkungldquo und
folgerten dass jedes der beiden Teil-
chen doch eine verborgene lokale Eigen-
schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse
besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits
im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten
waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-
saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet
Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-
cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie
die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig
191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
S
S
N
N
Magnet AKippwinkel 45deg
Magnet BKippwinkel 0deg
Gruppe 1(0darr 45uarr)
Teilchenquelle
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90degGruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
0deg 45deg 90deg
J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und
ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-
rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr
1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich
diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein
Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand
gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-
nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-
rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide
Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt
werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-
gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg
Wenn die Teilchen nun doch eine
lokale innere Eigenschaft besaumlszligen
die ihr Verhalten im Magnetfeld
von vornherein festlegte so wird
es beispielsweise einige darunter
geben die bei 0deg zum Suumldpol bei
45deg zum Nordpol und bei 90deg
ebenfalls zum Nordpol abgelenkt
wuumlrden sodass wir sie mit (0
45 90 ) kennzeichnen koumln-
nen Die zugehoumlrigen Part-
nerteilchen wuumlrden sich
dabei genau entgegenge-
setzt verhalten
Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-
chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde
beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten
zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen
im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol
abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45
verhaumllt
Analog bilden wir Grup-
pe 2 als alle die Teilchen-
paare bei denen ein Teil-
chen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 45
sowie 90 besitzt sowie
Gruppe 3 als alle die Teil-
chenpaare bei denen ein
Teilchen zugleich die bei-
den Kennzeichnungen 0
sowie 90 besitzt
Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare
von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also
muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-
wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten
zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-
send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)
Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-
scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt
sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-
scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-
men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche
Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung
vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen
uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere
Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky
und Rosen wurden widerlegt
Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass
die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung
erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-
greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt
egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze
ist mehr als die Summe seiner Teile
192 6 Atome und Quantenmechanik
Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie
Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012
Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-
orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische
Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-
theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik
jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich
zufriedenstellend beantwortet sind
Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur
grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-
lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-
lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische
Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-
wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-
scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen
instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise
Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also
durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus
dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-
ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der
sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927
u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-
beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber
welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder
dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-
on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-
ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft
die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)
sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-
lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten
Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei
nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da
es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird
Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten
193 Die Interpretation der Quantenmechanik
Tritium
Wellenfunktion = +
Helium-3
ElektronAntineutrino
Detektormisst
Zerfall
makroskopische Realitaumlt
Gift
oder
Gift
Tritiumintakt
Tritiumzerfallen
Wellenfunktion =
+
Dekohaumlrenz
makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2
Gift Gift
Tritium Helium-3
ElektronAntineutrino
Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24
Doch wann genau findet eine solche Messung statt
Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin
Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches
Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem
zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die
zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste
eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet
dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-
tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit
Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers
Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-
digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der
erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-
schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der
quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die
klassische Realitaumlt der Katze
Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-
chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute
tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-
zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-
tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-
elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man
den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in
den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die
sogenannte Viele-Welten-Interpretation
Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom
weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-
same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-
tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie
bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze
jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-
vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in
Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur
sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-
de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung
mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-
abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts
mehr voneinander sodass man sie als verschiedene
Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-
der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der
Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht
In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion
des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-
ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten
verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation
zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-
lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt
im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung
des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung
zwischen Mikro- und Makrokosmos
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
175 Atomkerne
Die Luumlcken zwischen den Energieniveaus im Atomkern trennen die einzelnen Schalen voneinander Kerne deren Protonen undoder Neutronenzahl bdquomagischldquo ist (die entsprechenden Schalen also vollkommen gefuumlllt haben) sind besonders stabil
B Povh K Rith C Scholz F Zetsche Teilchen und Kerne Eine Einfuumlhrung in die physikalischen Konzepte Springer Verlag 8 Auflage 2009
Die Kernkraft fuumlhrt letztlich zu einer Anziehung der
farbneutralen Nukleonen untereinander Sie hat nur
eine sehr kurze Reichweite ist allerdings deutlich staumlr-
ker als die abstoszligende elektrische Kraft Daher halten
Atomkerne auch zusammen und fliegen trotz der posi-
tiven Ladungen der Protonen nicht auseinander
Obwohl es heute bereits hinreichend gute mathema-
tische Beschreibungen der Kernkraft gibt ist sie nicht
bis ins letzte Detail verstanden Und so ist die genaue
Struktur der Atomkerne zum Beispiel die Frage wie
sich die einzelnen Nukleonen im Kern zueinander an-
ordnen bis heute nicht vollstaumlndig bekannt Zwar weiszlig
man dass Atomkerne genau wie auch die Elektronen
in der Huumllle diskrete Energieniveaus haben sodass sie
zu ndash im Vergleich zu diesen etwa 1000 bis 10 000 Mal
energiereicheren ndash Quantenspruumlngen angeregt werden
koumlnnen Aber die exakte Berechnung dieser Energieni-
veaus gestaltet sich sehr schwierig denn der Kern als
Ganzes ist ein sehr komplexes System aus stark mitei-
nander wechselwirkenden Einzelteilen So gibt es zwar
verschiedenen vereinfachende Modelle die jeweils ge-
wisse Aspekte der Kerne gut erklaumlren aber keines ist
vollstaumlndig und beschreibt den Kern in seiner Gaumlnze
In dem sogenannten Troumlpfchenmodell zum Beispiel
wird angenommen dass sich die Nukleonen im Kern
wie eine tropfenfoumlrmige positiv geladenen Fluumlssigkeit
verhalten Obwohl dieses Modell erst einmal sehr naiv
anmutet kann man mit seiner Hilfe recht genau be-
rechnen welche Atomkerne stabil und welche instabil
also radioaktiv sind
Im Schalenmodell hingegen wird angenommen dass
sich die Protonen und Neutronen genau wie auch die
Elektronen der Huumllle auf Schalen anordnen Ein Kern
nimmt dabei Energie auf indem ein Nukleon von einer
niedrigeren Schale in eine noch nicht vollstaumlndig gefuumlll-
te houmlhere Schale uumlbergeht Obwohl dieses Modell auch
mit starken Vereinfachungen arbeitet (im Gegensatz zu
den Elektronen spuumlren die Nukleonen ja kein gelade-
nes Zentrum um das sie sich herum anordnen muumlss-
ten) lassen sich hieraus in einigen Faumlllen passable Wer-
te fuumlr die Bindungsenergien und die Energieniveaus im
Kern berechnen
176 6 Atome und Quantenmechanik
Beim α-Zerfall sendet der Kern einen Heli-umkern (α-Teilchen) aus
Beim βminus-Zerfall wandelt sich im Kern ein Neutron in ein Proton ein Antineutrino und ein Elektron um wobei die letzteren beiden den Kern als Strahlung verlassen
Beim γ-Zerfall geht der Kern von einem angeregten in einen stabilen Zustand uumlber ndash die uumlberschuumlssige Energie wird in Form eines hochenergetischen Photons abgegeben
Atomkerne S 174Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182
Obwohl sich das Wort bdquoAtomldquo vom griechischen
ἄτομος (bdquodas Unteilbareldquo) ableitet kann man Atome
ndash mit dem entsprechenden Aufwand ndash in ihre Bestand-
teile zerlegen oder ineinander umwandeln Einige Ato-
me sind dazu jedoch auch von allein in der Lage Ende
des 19 Jahrhunderts entdeckte man Elemente wie
Uran oder Thorium die von sich aus eine ionisierende
Strahlung abgeben Noch bevor Rutherford die Exis-
tenz der Atomkerne explizit nachweisen konnte stellte
er daher bereits die Hypothese auf dass diese radio-
aktive Strahlung wie Marie Curie sie getauft hatte
durch die Umwandlung einer Atomsorte in eine andere
verursacht wird
Heute wissen wir dass radioaktive Strahlung entsteht
wenn ein instabiler Atomkern ( ) in einen stabileren
Zustand uumlbergeht Da die Menge des urspruumlnglichen
Stoffes bei diesem Prozess abnimmt spricht man hier-
bei auch von radioaktivem Zerfall Es gibt im Wesent-
lichen drei Arten radioaktiver Strahlung entsprechend
der drei verschiedenen Arten auf die ein Atomkern
spontan zerfallen kann
Der so genannte α-Zerfall tritt bei Atomkernen auf
die sehr schwer sind und eine groszlige Anzahl an Pro-
tonen besitzen Diese positiv geladenen Protonen im
Kern muumlssten sich eigentlich abstoszligen werden jedoch
von der kurzreichweitigen Kernkraft zusammenge-
halten die um einiges staumlrker ist als die abstoszligende
elektrische Kraft wobei Letztere jedoch eine deut-
lich houmlhere Reichweite hat Da durch die Effekte der
Quantenmechanik ( ) die Nukleonen im Kern keinen
festen Ort haben sondern uumlber einen gewissen Auf-
enthaltsbereich verschmiert sind gibt es eine gewisse
Wahrscheinlichkeit dass sich zwei Protonen und zwei
Neutronen ndash eine in sich sehr stabile Kombination
entsprechend einem Heliumkern auch α-Teilchen
genannt ndash so weit vom Rest der Kernteilchen entfer-
nen dass sie die anziehende Kernkraft nicht mehr stark
genug spuumlren sondern hauptsaumlchlich die abstoszligende
elektrische Kraft Das α-Teilchen durchtunnelt dadurch
die Potentialbarriere des Kerns und wird mit einer Ge-
schwindigkeit von einigen Prozent der Lichtgeschwin-
digkeit aus dem Kern ausgestoszligen ( Tunneleffekt )
Radioaktiver Zerfall Atomkerne aus dem Gleichgewicht
177 Radioaktiver Zerfall
Halbwertszeiten der bekannten Isotope Jedes Quadrat entspricht einem Kern mit Z Protonen und N Nukleonen (Protonen und Neu-tronen)
W Stolz Radioaktivitaumlt Grundlagen ndash Messung ndash Anwendungen Teubner 5 Aufl 2005H Krieger Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes Vieweg+Teubner 2007K Bethge Kernphysik Springer Verlag 1996
hen Dichte haumllt Blei dabei die γ-Strahlen am effektivs-
ten auf es werden jedoch je nach Strahlungsenergie
einige Millimeter bis Zentimeter fuumlr eine vollstaumlndige
Abschirmung benoumltigt Dies macht gerade Letztere fuumlr
Lebewesen besonders gefaumlhrlich denn tief in Gewebe
eindringende Strahlung kann nicht nur Verbrennungen
an der Hautoberflaumlche sondern auch Mutationen in
den Zellen und der DNA verursachen
Der β-Zerfall wiederum tritt in Kernen mit einem un-
guumlnstigen Verhaumlltnis zwischen Protonen und Neutro-
nen auf Hat ein Kern einen deutlichen Uumlberschuss an
Neutronen so kann sich eines davon durch die schwa-
che Wechselwirkung spontan in ein Proton ein Elekt-
ron und ein Antielektronneutrino umwandeln Wenn
dies geschieht dann verbleibt das Proton im Kern und
Neutrino und Elektron werden abgestrahlt Diese ne-
gativ geladenen Elektronen werden dabei als β minus-Strah-
lung bezeichnet
Die Regeln der schwachen Wechselwirkung lassen al-
lerdings auch den (etwas selteneren) spiegelbildlichen
Prozess zu In Kernen mit einem Uumlberschuss an Pro-
tonen kann sich eines in ein Neutron ein Antielektron
und ein Elektronneutrino umwandeln Das hierbei
ausgesendete positiv geladene Antielektron ( Positron)
bezeichnet man dabei als β +-Strahlung
Der γ-Zerfall schlieszliglich bezeichnet den Uumlbergang
eines Atomkerns von einem angeregten Zustand in
einen stabileren Zustand mit niedrigerer Energie Die
uumlberschuumlssige Energie wird in Form von energiereichen
Photonen abgestrahlt die man auch als γ-Quanten be-
zeichnet Weil angeregte Atomkerne meist eine Folge-
erscheinung von Kernspaltungen oder anderen voran-
gegangenen Zerfaumlllen sind tritt γ-Strahlung meist in
Begleitung von anderen radioaktiven Vorgaumlngen auf
Die Unterteilung in α β und γ bezieht sich auf die
Eindringtiefe der jeweiligen Strahlung in feste Materie
Waumlhrend α-Strahlung bereits nach fuumlnf Zentimetern
durch die Luft oder durch ein einfaches Blatt Papier
aufgehalten werden kann benoumltigt man bei β-Strahlung
bereits eine duumlnne Metallplatte γ-Strahlung hingegen
kann sehr tief in Materie eindringen Wegen seiner ho-
178 6 Atome und Quantenmechanik
Photoeffekt
Wellenlaumlngen und zugehoumlri-ge Photon-Energien fuumlr das sichtbare Lichtspektrum
Bild in der Mitte (Briefmarke) mit freundlicher Genehmigung von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityR P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Wellen und Teilchen haumlngen in der Quantenmechanik
eng miteinander zusammen So ist Licht einerseits eine
elektromagnetische Welle wie Interferenzexperimen-
te zeigen bei denen Lichtwellenberge auf -berge oder
-taumller treffen und sich verstaumlrken oder ausloumlschen An-
dererseits kann Licht beim sogenannten Photoeffekt
einzelne Elektronen aus einer Metalloberflaumlche he-
rausschlagen wobei dies mit umso groumlszligerer Wucht
geschieht je kuumlrzer die Lichtwellenlaumlnge ist ndash ein Ver-
halten das sich nur durch den Teilchencharakter des
Lichtes verstehen laumlsst
Licht besteht also aus
einem Strom einzelner
Teilchen (sogenannter
Photonen) welche die
Elektronen aus der Ober-
flaumlche herausstoszligen
Fuumlr die genaue Ausarbei-
tung dieser Erkenntnis
erhielt Albert Einstein im
Jahr 1921 den Nobelpreis
fuumlr Physik ndash er hatte sie be-
reits im Jahr 1905 in seiner
Doktorarbeit formuliert
Frequenz f und Wellenlaumlnge λ der elektromagnetischen
Lichtwelle legen dabei die Energie E und den Impuls p
der Photonen fest
E = h∙f und λ = hp
Hier ist h = 6626 ∙ 10ndash34 J∙s eine Naturkonstante deren
Wert im Experiment bestimmt werden muss Sie heiszligt
Planckrsquosches Wirkungsquantum und verknuumlpft Teil-
chen- mit Welleneigenschaften
So wie Photonen mit Lichtwellen zusammenhaumlngen
so haumlngen auch beispielsweise Elektronen mit Elektro-
nenwellen zusammen und zwar nach genau denselben
Formeln wie bei den Photonen und auch allen anderen
Teilchen Wenn man beispielsweise einen Elektronen-
strahl durch einen sehr feinen Doppelspalt schickt so
findet man auf einer Flaumlche dahinter ein Interferenz-
muster aus Streifen mit vielen und mit wenigen Elekt-
ronentreffern ganz analog zum Intensitaumltsmuster von
Laserlicht hinter einem solchen Doppelspalt
Offenbar muss man den Durchgang der Elektronen
durch den Doppelspalt wie bei Licht durch eine Wel-
le beschreiben wobei eine hohe Wellenintensitaumlt einer
hohen Wahrscheinlichkeit entspricht ein Elektron an-
zutreffen
Welle-Teilchen-Dualismus Teilchen bewegen sich in Wellen
179 Welle-Teilchen-Dualismus
Das Buckminster-Fulleren C60
Reales Doppelspaltexperiment mit 11 (a) 200 (b) 6000 (c) 40 000 (d) und 140 000 (e) Elektronen
Doppelspaltexperiment mit Elektronen Interferenz von Wellen hinter einem Doppelspalt
Wellenfunktion S 180J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Im Experiment kann man naumlmlich beobachten wie auf der Flaumlche hinter
dem Doppelspalt nach und nach immer mehr einzelne Elektronen wie
zufaumlllig an verschiedenen Stellen auftreffen wobei sich schlieszliglich das
streifenfoumlrmige Interferenzmuster herausbildet
Teilchenbahnen gibt es dabei nicht mehr Alles was die Quantenmecha-
nik tun kann ist die Auftreffwahrscheinlichkeiten fuumlr die Elektronen zu
berechnen Der Ort eines einzelnen Elektrons ist dagegen in der Natur
grundsaumltzlich nicht festgelegt d h der Wahrscheinlichkeitscharakter der
Quantenmechanik ist grundsaumltzlicher Natur und hat nichts mit unge-
nauen Messungen zu tun (siehe Wellenfunktion )
Mittlerweile konnten Interferenzmuster
auch beispielsweise fuumlr Fullerenmolekuumlle
nachgewiesen werden die immerhin aus
60 Kohlenstoffatomen bestehen (Anton
Zeilinger 1999) Auch fuumlr sie gilt also der
Welle-Teilchen-Dualismus
180 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Wellenfunktion die senkrecht zu ihrer Flugrichtung im Ort be-schraumlnkt wird (z B indem man sie durch einen engen Spalt schickt) erhaumllt dadurch eine groszlige Impulsunschaumlrfe in dieselbe Richtung wodurch sie sich ausbreitet
Zwei Schwingungszustaumlnde der Wel-lenfunktion eines Elektrons im Wasser-stoffatom Die Farbe gibt die ortsabhaumln-gige Phase der Wellenfunktion an
Bild rechts oben und links mit freundlicher Genehmigung von Bernd Thaller Universitaumlt von Graz Institut fuumlr Mathematik und Wissenschaftliches RechnenB Thaller Visual Quantum Mechanics httpvqmuni-grazatindexhtml Galerie mit Darstellungen von Wellenfunktionen
Anfang des 20 Jahrhunderts haumluften sich die Hinweise dass die Materie aus
kleinen Bausteinen Elementarteilchen genannt aufgebaut ist Zuerst nahm
man an dass die Elementarteilchen kleinen Kugeln aumlhnelten die sich aumlhn-
lich wie alle Objekte unserer Erfahrungswelt auf Flugbahnen bewegen kol-
lidieren und voneinander abprallen Als man aber begann experimentell
tiefer in die Bereiche des Mikrokosmos vorzudringen wurde schnell
klar dass Elementarteilchen ganz anderen Gesetzen folgen als sagen
wir einmal Murmeln oder Steine
Eine Murmel kann man (zumindest im Prinzip) zu
jedem Zeitpunkt vollstaumlndig durch einige wenige Zahlen beschreiben
zum Beispiel Ort und Geschwindigkeit Drehimpuls etc Bei Elementar-
teilchen ist dies nicht mehr moumlglich stattdessen beschreibt man sie durch
ein raumlumlich ausgedehntes Feld Die Bewegungsgleichungen fuumlr dieses
Feld aumlhneln denen von (zum Beispiel elektromagnetischen) Wellen wes-
wegen das Feld Wellenfunktion genannt wird
Durch die Wellennatur der Teilchen gehen
jedoch typische Teilcheneigenschaften verloren
Man kann uumlber die physikalischen Groumlszligen die ein klassisches Teil-
chen beschreiben wuumlrden nur noch statistische Aussagen treffen
Auszligerdem sind gewisse Groumlszligen wie zum Beispiel Ort und Ge-
schwindigkeit des Teilchens zueinander komplementaumlr
Wellenfunktion Verschmierte Teilchen
181 Wellenfunktion
Der Franck-Hertz-Versuch S 184A Zeilinger Einsteins Schleier Die neue Welt der Quantenphysik Goldmann 2003
Die Komplementaritaumlt von Ort und Impuls
Die Komplementaritaumlt von Messgroumlszligen wie Ort und Ge-
schwindigkeit ist nicht wie oft behauptet eine Folge
von ungenauen Messungen sondern eine fun-
damentale Eigenschaft der Wellenfunktionen
An den Stellen an denen das Betragsquadrat
der Wellenfunktion groszlig ist besteht eine hohe
Wahrscheinlichkeit das Elementarteilchen anzutreffen
wenn man danach sucht Die Geschwindigkeit des Teilchens hin-
gegen ist mit der Wellenlaumlnge der Welle verknuumlpft
Um nun einer Welle eine genaue Wellenlaumlnge zuzuordnen muss
sie uumlber einen groszligen Bereich ausgebreitet sein Eine genau be-
stimmte Geschwindigkeit fuumlhrt so zu einem sehr unbestimmten
Ort
Je staumlrker hingegen die Welle an einem Ort kon-
zentriert ist desto weniger genau kann man ihr
eine Wellenlaumlnge zuschreiben weswegen ein
genau bestimmter Ort zu einer sehr ungenau be-
stimmten Geschwindigkeit fuumlhrt
Das bedeutet Je genauer der Ort des Teilchens be-
kannt ist desto ungenauer ist seine Geschwindigkeit
bestimmt und umgekehrt
Die Welleneigenschaften der kleinsten Bausteine wer-
den ganz besonders bei den Elektronen deutlich die
sich in einem Atom befinden Anders als die haumlufig
benutzte Analogie zum Sonnensystem vermuten laumlsst
umkreisen Elektronen den Atomkern nicht denn da-
fuumlr muumlssten sie gleichzeitig einen scharf definierten Ort
und eine scharfe Geschwindigkeit besitzen Stattdessen
kann man sich die Wellenfunktion des Elektrons als
dreidimensionale stehende Welle vorstellen Ebenso
wie bei einer schwingenden Instrumenten-Saite gibt es
im Atom nur bestimmte bdquoerlaubteldquo Schwingungsmo-
den der Wellenfunktion Deswegen sind fuumlr das Elek-
tron im Atom nur bestimmte Energieniveaus erlaubt
zwischen denen es jedoch per bdquo Quantensprungldquo hin-
und herwechseln kann wenn es z B durch einen Licht-
strahl dazu angeregt wird (Franck-Hertz-Versuch )
182 6 Atome und Quantenmechanik
Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt
Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen
Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral
fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-
tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt
besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich
zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-
stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf
einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige
Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-
keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es
den Raumbereich einfach nicht betreten
Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das
Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-
ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr
sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei
werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt
ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash
ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt
die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-
tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst
ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel
am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der
Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von
Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-
berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern
auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-
federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann
man mit dem Konzept des Potentials begreifen
Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der
Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-
sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-
teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte
nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter
Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als
uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )
die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens
angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-
mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-
tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an
einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je
houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in
einem Tal als auf einem Bergldquo
Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-
lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der
klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-
Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis
183 Der Tunneleffekt
Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert
Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html
tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch
waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch
verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit
das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie
ist nicht exakt null
Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-
nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-
hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-
tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit
geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf
es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen
nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-
den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber
den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je
houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den
beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-
lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein
mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-
botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch
den Berg ins naumlchste Tal gelangen
Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-
waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-
nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-
lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum
Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um
so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der
Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie
deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-
steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln
Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und
klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer
Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle
nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die
Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-
det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt
die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich
ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen
durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis
ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng
genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr
hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-
schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne
sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es
ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon
eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-
versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-
scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische
Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum
vorkommt
184 6 Atome und Quantenmechanik
Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben
Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)
Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178
Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-
perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-
drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock
Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich
ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-
tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben
Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-
aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und
hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-
nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James
Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-
ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige
Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann
sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige
den sogenannten Quanten
Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und
Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum
zwischen einer negativ geladenen
Gluumlhkathode und einer positiven
Anode ausfuumlllt An der Kathode
treten staumlndig Elektronen aus die
wegen der angelegten Spannung
in Richtung der Anode beschleu-
nigt werden Auf ihrem Weg da-
hin durchqueren die Elektronen
das Gas und stoszligen dabei staumln-
dig mit den Quecksilberatomen
zusammen An der Anode misst
man durch die Gegenspannungs-
methode die Geschwindigkeit der
ankommenden Elektronen So kann man beobachten
um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-
men verlangsamt werden
Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches
fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-
lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode
zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur
elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei
nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-
nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die
an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast
voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man
auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann
kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu
leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-
den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich
schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die
Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet
Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen
185 Der Franck-Hertz-Versuch
Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu
Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden
Schichten ihre Energie
Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen
Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-
der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende
Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter
man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten
entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-
ben
Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur
in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-
sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen
sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein
Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von
Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann
diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf
das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen
Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe
und wird dann von der angelegten Spannung wieder
aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine
Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt
es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein
Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat
Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man
also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben
Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-
tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-
gie ist dabei von Element zu Element verschieden und
muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-
ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-
huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies
mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur
Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden
war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung
der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch
bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-
niveaus in Atomen
Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-
rigens nicht lange sondern geben sie in Form von
Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die
Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von
47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau
dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-
roumlhre als Leuchten erkennen kann
186 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
Magnetfeld
Rota
tions
achs
e
Praumlzession
magnetischeKraft
Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-
chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein
halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten
Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen
muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-
zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen
Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der
Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach
seine Eigenschaften zu verstehen
Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden
Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin
eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der
Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-
gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon
Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen
und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur
Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen
Spin besitzen
Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-
allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-
nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist
so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen
magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-
netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem
senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese
insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der
Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach
oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher
Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-
feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen
die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was
aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer
Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt
(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen
Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-
nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach
dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld
unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt
Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach
diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-
nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12
aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld
schlugen sich die Silberatome nieder
Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln
187 Der Spin eines Teilchens
Spinrichtung
θ = 0deg
θ = 45deg
θ = 90deg
θ = 135deg
θ = 180deg
θ
N
S
Silberatomstrahl
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter
Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend
einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-
tationsachsen
Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-
berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-
lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das
Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die
Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel
dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in
oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild
der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-
vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens
Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-
sche Beschreibung des Spins aus Angenommen
der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die
um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist
In einem parallel zum Spin ausgerichteten
inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen
also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt
sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht
orientierten inhomogenen Magnetfeld Es
wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2
nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit
sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik
durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)
d h der Spin ist nach der Messung mit die-
sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach
oben oder nach unten orientiert Und das ist
auch schon im Wesentlichen alles was gesagt
werden kann denn die Quantenmechanik
kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen
sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen
bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der
Begriff der klassischen Rotationsachse in der
Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche
Ungleichung )
188 6 Atome und Quantenmechanik
-2-1 0 1 2 3
-3-2
-1 0
1 2
3
-1-08-06-04-02
0 02 04 06 08
1
x
y
f(xy)
Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der
Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische
Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem
Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-
scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an
einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches
man angetroffen hat
In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit
ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes
Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das
Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man
auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude
oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )
bezeichnet (genau genommen ist f(xy)
eine komplexe Zahl doch das ist hier
nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-
ronen ununterscheidbar sind darf sich
diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern
wenn wir die beiden Elektronen mitei-
nander vertauschen also das erste Elek-
tron am Ort y und das zweite Elektron
am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2
= |f(yx)|2 sein
Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)
selbst kann beim Vertauschen entweder
ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie
wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-
zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt
f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)
Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt
der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-
ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise
Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische
Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten
Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-
tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen
Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin
zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-
gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip
Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-
trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude
Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden
189 Das Pauli-Prinzip
1s
2s
2p
3s
3p
3d
18
Ener
gie
n=1
n=2
n=3
8
2
3dxsup2-ysup2
3pz 3px 3py
3s
2pz
2s
1s
3dxz 3dxy
2py
3dz2 3dyz
2px
Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)
Bosonen Fermionen
810 nK
510 nK
240 nK
Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom
Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2
Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich
zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-
nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich
f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man
in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen
mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht
am selben Ort aufhalten
Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen
derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht
denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man
beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts
Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit
ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-
mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)
groumlszligere Abstaumlnde beibehalten
Das Pauli-Prinzip stellt si-
cher dass sich in der Elek-
tronenhuumllle der Atome
eine stabile Schalenstruk-
tur ausbildet Jeder moumlgli-
che Schwingungszustand der Wellenfunktion
kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-
den die entgegengesetzte Spinausrichtung
aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-
nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige
Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken
ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip
Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-
ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es
wird durch ein subtiles Zusammenspiel von
Quantenmechanik und spezieller Relativi-
taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief
in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler
der modernen Physik begruumlndet
190 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
N
S
Magnet A
Teilchenquelle
Magnet B
Der Spin eines Teilchens S 186
In der klassischen Physik sind wir es normalerweise
gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige
Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit
diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch
Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-
spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen
haben
Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden
und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig
d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen
Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur
unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er
gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-
tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-
dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz
EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die
uumlberarbeitete Version von David Bohm)
Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-
len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen
ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-
gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst
man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht
orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird
immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein
Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-
den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash
welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist
nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall
Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-
ander verhalten werden
Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-
den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte
Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder
Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-
gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann
das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim
Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine
Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide
Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-
der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten
laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat
der Zufall Spin up entschiedenldquo
koumlnnte sich aber maximal mit
Lichtgeschwindigkeit ausbrei-
ten
Einstein Po-
dolsky und Rosen
sprachen daher von einer
bdquospukhaften Fernwirkungldquo und
folgerten dass jedes der beiden Teil-
chen doch eine verborgene lokale Eigen-
schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse
besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits
im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten
waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-
saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet
Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-
cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie
die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig
191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
S
S
N
N
Magnet AKippwinkel 45deg
Magnet BKippwinkel 0deg
Gruppe 1(0darr 45uarr)
Teilchenquelle
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90degGruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
0deg 45deg 90deg
J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und
ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-
rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr
1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich
diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein
Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand
gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-
nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-
rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide
Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt
werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-
gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg
Wenn die Teilchen nun doch eine
lokale innere Eigenschaft besaumlszligen
die ihr Verhalten im Magnetfeld
von vornherein festlegte so wird
es beispielsweise einige darunter
geben die bei 0deg zum Suumldpol bei
45deg zum Nordpol und bei 90deg
ebenfalls zum Nordpol abgelenkt
wuumlrden sodass wir sie mit (0
45 90 ) kennzeichnen koumln-
nen Die zugehoumlrigen Part-
nerteilchen wuumlrden sich
dabei genau entgegenge-
setzt verhalten
Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-
chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde
beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten
zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen
im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol
abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45
verhaumllt
Analog bilden wir Grup-
pe 2 als alle die Teilchen-
paare bei denen ein Teil-
chen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 45
sowie 90 besitzt sowie
Gruppe 3 als alle die Teil-
chenpaare bei denen ein
Teilchen zugleich die bei-
den Kennzeichnungen 0
sowie 90 besitzt
Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare
von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also
muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-
wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten
zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-
send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)
Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-
scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt
sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-
scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-
men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche
Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung
vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen
uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere
Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky
und Rosen wurden widerlegt
Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass
die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung
erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-
greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt
egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze
ist mehr als die Summe seiner Teile
192 6 Atome und Quantenmechanik
Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie
Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012
Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-
orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische
Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-
theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik
jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich
zufriedenstellend beantwortet sind
Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur
grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-
lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-
lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische
Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-
wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-
scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen
instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise
Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also
durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus
dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-
ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der
sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927
u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-
beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber
welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder
dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-
on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-
ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft
die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)
sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-
lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten
Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei
nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da
es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird
Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten
193 Die Interpretation der Quantenmechanik
Tritium
Wellenfunktion = +
Helium-3
ElektronAntineutrino
Detektormisst
Zerfall
makroskopische Realitaumlt
Gift
oder
Gift
Tritiumintakt
Tritiumzerfallen
Wellenfunktion =
+
Dekohaumlrenz
makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2
Gift Gift
Tritium Helium-3
ElektronAntineutrino
Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24
Doch wann genau findet eine solche Messung statt
Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin
Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches
Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem
zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die
zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste
eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet
dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-
tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit
Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers
Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-
digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der
erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-
schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der
quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die
klassische Realitaumlt der Katze
Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-
chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute
tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-
zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-
tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-
elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man
den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in
den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die
sogenannte Viele-Welten-Interpretation
Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom
weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-
same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-
tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie
bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze
jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-
vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in
Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur
sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-
de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung
mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-
abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts
mehr voneinander sodass man sie als verschiedene
Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-
der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der
Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht
In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion
des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-
ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten
verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation
zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-
lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt
im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung
des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung
zwischen Mikro- und Makrokosmos
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
176 6 Atome und Quantenmechanik
Beim α-Zerfall sendet der Kern einen Heli-umkern (α-Teilchen) aus
Beim βminus-Zerfall wandelt sich im Kern ein Neutron in ein Proton ein Antineutrino und ein Elektron um wobei die letzteren beiden den Kern als Strahlung verlassen
Beim γ-Zerfall geht der Kern von einem angeregten in einen stabilen Zustand uumlber ndash die uumlberschuumlssige Energie wird in Form eines hochenergetischen Photons abgegeben
Atomkerne S 174Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182
Obwohl sich das Wort bdquoAtomldquo vom griechischen
ἄτομος (bdquodas Unteilbareldquo) ableitet kann man Atome
ndash mit dem entsprechenden Aufwand ndash in ihre Bestand-
teile zerlegen oder ineinander umwandeln Einige Ato-
me sind dazu jedoch auch von allein in der Lage Ende
des 19 Jahrhunderts entdeckte man Elemente wie
Uran oder Thorium die von sich aus eine ionisierende
Strahlung abgeben Noch bevor Rutherford die Exis-
tenz der Atomkerne explizit nachweisen konnte stellte
er daher bereits die Hypothese auf dass diese radio-
aktive Strahlung wie Marie Curie sie getauft hatte
durch die Umwandlung einer Atomsorte in eine andere
verursacht wird
Heute wissen wir dass radioaktive Strahlung entsteht
wenn ein instabiler Atomkern ( ) in einen stabileren
Zustand uumlbergeht Da die Menge des urspruumlnglichen
Stoffes bei diesem Prozess abnimmt spricht man hier-
bei auch von radioaktivem Zerfall Es gibt im Wesent-
lichen drei Arten radioaktiver Strahlung entsprechend
der drei verschiedenen Arten auf die ein Atomkern
spontan zerfallen kann
Der so genannte α-Zerfall tritt bei Atomkernen auf
die sehr schwer sind und eine groszlige Anzahl an Pro-
tonen besitzen Diese positiv geladenen Protonen im
Kern muumlssten sich eigentlich abstoszligen werden jedoch
von der kurzreichweitigen Kernkraft zusammenge-
halten die um einiges staumlrker ist als die abstoszligende
elektrische Kraft wobei Letztere jedoch eine deut-
lich houmlhere Reichweite hat Da durch die Effekte der
Quantenmechanik ( ) die Nukleonen im Kern keinen
festen Ort haben sondern uumlber einen gewissen Auf-
enthaltsbereich verschmiert sind gibt es eine gewisse
Wahrscheinlichkeit dass sich zwei Protonen und zwei
Neutronen ndash eine in sich sehr stabile Kombination
entsprechend einem Heliumkern auch α-Teilchen
genannt ndash so weit vom Rest der Kernteilchen entfer-
nen dass sie die anziehende Kernkraft nicht mehr stark
genug spuumlren sondern hauptsaumlchlich die abstoszligende
elektrische Kraft Das α-Teilchen durchtunnelt dadurch
die Potentialbarriere des Kerns und wird mit einer Ge-
schwindigkeit von einigen Prozent der Lichtgeschwin-
digkeit aus dem Kern ausgestoszligen ( Tunneleffekt )
Radioaktiver Zerfall Atomkerne aus dem Gleichgewicht
177 Radioaktiver Zerfall
Halbwertszeiten der bekannten Isotope Jedes Quadrat entspricht einem Kern mit Z Protonen und N Nukleonen (Protonen und Neu-tronen)
W Stolz Radioaktivitaumlt Grundlagen ndash Messung ndash Anwendungen Teubner 5 Aufl 2005H Krieger Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes Vieweg+Teubner 2007K Bethge Kernphysik Springer Verlag 1996
hen Dichte haumllt Blei dabei die γ-Strahlen am effektivs-
ten auf es werden jedoch je nach Strahlungsenergie
einige Millimeter bis Zentimeter fuumlr eine vollstaumlndige
Abschirmung benoumltigt Dies macht gerade Letztere fuumlr
Lebewesen besonders gefaumlhrlich denn tief in Gewebe
eindringende Strahlung kann nicht nur Verbrennungen
an der Hautoberflaumlche sondern auch Mutationen in
den Zellen und der DNA verursachen
Der β-Zerfall wiederum tritt in Kernen mit einem un-
guumlnstigen Verhaumlltnis zwischen Protonen und Neutro-
nen auf Hat ein Kern einen deutlichen Uumlberschuss an
Neutronen so kann sich eines davon durch die schwa-
che Wechselwirkung spontan in ein Proton ein Elekt-
ron und ein Antielektronneutrino umwandeln Wenn
dies geschieht dann verbleibt das Proton im Kern und
Neutrino und Elektron werden abgestrahlt Diese ne-
gativ geladenen Elektronen werden dabei als β minus-Strah-
lung bezeichnet
Die Regeln der schwachen Wechselwirkung lassen al-
lerdings auch den (etwas selteneren) spiegelbildlichen
Prozess zu In Kernen mit einem Uumlberschuss an Pro-
tonen kann sich eines in ein Neutron ein Antielektron
und ein Elektronneutrino umwandeln Das hierbei
ausgesendete positiv geladene Antielektron ( Positron)
bezeichnet man dabei als β +-Strahlung
Der γ-Zerfall schlieszliglich bezeichnet den Uumlbergang
eines Atomkerns von einem angeregten Zustand in
einen stabileren Zustand mit niedrigerer Energie Die
uumlberschuumlssige Energie wird in Form von energiereichen
Photonen abgestrahlt die man auch als γ-Quanten be-
zeichnet Weil angeregte Atomkerne meist eine Folge-
erscheinung von Kernspaltungen oder anderen voran-
gegangenen Zerfaumlllen sind tritt γ-Strahlung meist in
Begleitung von anderen radioaktiven Vorgaumlngen auf
Die Unterteilung in α β und γ bezieht sich auf die
Eindringtiefe der jeweiligen Strahlung in feste Materie
Waumlhrend α-Strahlung bereits nach fuumlnf Zentimetern
durch die Luft oder durch ein einfaches Blatt Papier
aufgehalten werden kann benoumltigt man bei β-Strahlung
bereits eine duumlnne Metallplatte γ-Strahlung hingegen
kann sehr tief in Materie eindringen Wegen seiner ho-
178 6 Atome und Quantenmechanik
Photoeffekt
Wellenlaumlngen und zugehoumlri-ge Photon-Energien fuumlr das sichtbare Lichtspektrum
Bild in der Mitte (Briefmarke) mit freundlicher Genehmigung von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityR P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Wellen und Teilchen haumlngen in der Quantenmechanik
eng miteinander zusammen So ist Licht einerseits eine
elektromagnetische Welle wie Interferenzexperimen-
te zeigen bei denen Lichtwellenberge auf -berge oder
-taumller treffen und sich verstaumlrken oder ausloumlschen An-
dererseits kann Licht beim sogenannten Photoeffekt
einzelne Elektronen aus einer Metalloberflaumlche he-
rausschlagen wobei dies mit umso groumlszligerer Wucht
geschieht je kuumlrzer die Lichtwellenlaumlnge ist ndash ein Ver-
halten das sich nur durch den Teilchencharakter des
Lichtes verstehen laumlsst
Licht besteht also aus
einem Strom einzelner
Teilchen (sogenannter
Photonen) welche die
Elektronen aus der Ober-
flaumlche herausstoszligen
Fuumlr die genaue Ausarbei-
tung dieser Erkenntnis
erhielt Albert Einstein im
Jahr 1921 den Nobelpreis
fuumlr Physik ndash er hatte sie be-
reits im Jahr 1905 in seiner
Doktorarbeit formuliert
Frequenz f und Wellenlaumlnge λ der elektromagnetischen
Lichtwelle legen dabei die Energie E und den Impuls p
der Photonen fest
E = h∙f und λ = hp
Hier ist h = 6626 ∙ 10ndash34 J∙s eine Naturkonstante deren
Wert im Experiment bestimmt werden muss Sie heiszligt
Planckrsquosches Wirkungsquantum und verknuumlpft Teil-
chen- mit Welleneigenschaften
So wie Photonen mit Lichtwellen zusammenhaumlngen
so haumlngen auch beispielsweise Elektronen mit Elektro-
nenwellen zusammen und zwar nach genau denselben
Formeln wie bei den Photonen und auch allen anderen
Teilchen Wenn man beispielsweise einen Elektronen-
strahl durch einen sehr feinen Doppelspalt schickt so
findet man auf einer Flaumlche dahinter ein Interferenz-
muster aus Streifen mit vielen und mit wenigen Elekt-
ronentreffern ganz analog zum Intensitaumltsmuster von
Laserlicht hinter einem solchen Doppelspalt
Offenbar muss man den Durchgang der Elektronen
durch den Doppelspalt wie bei Licht durch eine Wel-
le beschreiben wobei eine hohe Wellenintensitaumlt einer
hohen Wahrscheinlichkeit entspricht ein Elektron an-
zutreffen
Welle-Teilchen-Dualismus Teilchen bewegen sich in Wellen
179 Welle-Teilchen-Dualismus
Das Buckminster-Fulleren C60
Reales Doppelspaltexperiment mit 11 (a) 200 (b) 6000 (c) 40 000 (d) und 140 000 (e) Elektronen
Doppelspaltexperiment mit Elektronen Interferenz von Wellen hinter einem Doppelspalt
Wellenfunktion S 180J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Im Experiment kann man naumlmlich beobachten wie auf der Flaumlche hinter
dem Doppelspalt nach und nach immer mehr einzelne Elektronen wie
zufaumlllig an verschiedenen Stellen auftreffen wobei sich schlieszliglich das
streifenfoumlrmige Interferenzmuster herausbildet
Teilchenbahnen gibt es dabei nicht mehr Alles was die Quantenmecha-
nik tun kann ist die Auftreffwahrscheinlichkeiten fuumlr die Elektronen zu
berechnen Der Ort eines einzelnen Elektrons ist dagegen in der Natur
grundsaumltzlich nicht festgelegt d h der Wahrscheinlichkeitscharakter der
Quantenmechanik ist grundsaumltzlicher Natur und hat nichts mit unge-
nauen Messungen zu tun (siehe Wellenfunktion )
Mittlerweile konnten Interferenzmuster
auch beispielsweise fuumlr Fullerenmolekuumlle
nachgewiesen werden die immerhin aus
60 Kohlenstoffatomen bestehen (Anton
Zeilinger 1999) Auch fuumlr sie gilt also der
Welle-Teilchen-Dualismus
180 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Wellenfunktion die senkrecht zu ihrer Flugrichtung im Ort be-schraumlnkt wird (z B indem man sie durch einen engen Spalt schickt) erhaumllt dadurch eine groszlige Impulsunschaumlrfe in dieselbe Richtung wodurch sie sich ausbreitet
Zwei Schwingungszustaumlnde der Wel-lenfunktion eines Elektrons im Wasser-stoffatom Die Farbe gibt die ortsabhaumln-gige Phase der Wellenfunktion an
Bild rechts oben und links mit freundlicher Genehmigung von Bernd Thaller Universitaumlt von Graz Institut fuumlr Mathematik und Wissenschaftliches RechnenB Thaller Visual Quantum Mechanics httpvqmuni-grazatindexhtml Galerie mit Darstellungen von Wellenfunktionen
Anfang des 20 Jahrhunderts haumluften sich die Hinweise dass die Materie aus
kleinen Bausteinen Elementarteilchen genannt aufgebaut ist Zuerst nahm
man an dass die Elementarteilchen kleinen Kugeln aumlhnelten die sich aumlhn-
lich wie alle Objekte unserer Erfahrungswelt auf Flugbahnen bewegen kol-
lidieren und voneinander abprallen Als man aber begann experimentell
tiefer in die Bereiche des Mikrokosmos vorzudringen wurde schnell
klar dass Elementarteilchen ganz anderen Gesetzen folgen als sagen
wir einmal Murmeln oder Steine
Eine Murmel kann man (zumindest im Prinzip) zu
jedem Zeitpunkt vollstaumlndig durch einige wenige Zahlen beschreiben
zum Beispiel Ort und Geschwindigkeit Drehimpuls etc Bei Elementar-
teilchen ist dies nicht mehr moumlglich stattdessen beschreibt man sie durch
ein raumlumlich ausgedehntes Feld Die Bewegungsgleichungen fuumlr dieses
Feld aumlhneln denen von (zum Beispiel elektromagnetischen) Wellen wes-
wegen das Feld Wellenfunktion genannt wird
Durch die Wellennatur der Teilchen gehen
jedoch typische Teilcheneigenschaften verloren
Man kann uumlber die physikalischen Groumlszligen die ein klassisches Teil-
chen beschreiben wuumlrden nur noch statistische Aussagen treffen
Auszligerdem sind gewisse Groumlszligen wie zum Beispiel Ort und Ge-
schwindigkeit des Teilchens zueinander komplementaumlr
Wellenfunktion Verschmierte Teilchen
181 Wellenfunktion
Der Franck-Hertz-Versuch S 184A Zeilinger Einsteins Schleier Die neue Welt der Quantenphysik Goldmann 2003
Die Komplementaritaumlt von Ort und Impuls
Die Komplementaritaumlt von Messgroumlszligen wie Ort und Ge-
schwindigkeit ist nicht wie oft behauptet eine Folge
von ungenauen Messungen sondern eine fun-
damentale Eigenschaft der Wellenfunktionen
An den Stellen an denen das Betragsquadrat
der Wellenfunktion groszlig ist besteht eine hohe
Wahrscheinlichkeit das Elementarteilchen anzutreffen
wenn man danach sucht Die Geschwindigkeit des Teilchens hin-
gegen ist mit der Wellenlaumlnge der Welle verknuumlpft
Um nun einer Welle eine genaue Wellenlaumlnge zuzuordnen muss
sie uumlber einen groszligen Bereich ausgebreitet sein Eine genau be-
stimmte Geschwindigkeit fuumlhrt so zu einem sehr unbestimmten
Ort
Je staumlrker hingegen die Welle an einem Ort kon-
zentriert ist desto weniger genau kann man ihr
eine Wellenlaumlnge zuschreiben weswegen ein
genau bestimmter Ort zu einer sehr ungenau be-
stimmten Geschwindigkeit fuumlhrt
Das bedeutet Je genauer der Ort des Teilchens be-
kannt ist desto ungenauer ist seine Geschwindigkeit
bestimmt und umgekehrt
Die Welleneigenschaften der kleinsten Bausteine wer-
den ganz besonders bei den Elektronen deutlich die
sich in einem Atom befinden Anders als die haumlufig
benutzte Analogie zum Sonnensystem vermuten laumlsst
umkreisen Elektronen den Atomkern nicht denn da-
fuumlr muumlssten sie gleichzeitig einen scharf definierten Ort
und eine scharfe Geschwindigkeit besitzen Stattdessen
kann man sich die Wellenfunktion des Elektrons als
dreidimensionale stehende Welle vorstellen Ebenso
wie bei einer schwingenden Instrumenten-Saite gibt es
im Atom nur bestimmte bdquoerlaubteldquo Schwingungsmo-
den der Wellenfunktion Deswegen sind fuumlr das Elek-
tron im Atom nur bestimmte Energieniveaus erlaubt
zwischen denen es jedoch per bdquo Quantensprungldquo hin-
und herwechseln kann wenn es z B durch einen Licht-
strahl dazu angeregt wird (Franck-Hertz-Versuch )
182 6 Atome und Quantenmechanik
Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt
Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen
Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral
fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-
tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt
besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich
zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-
stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf
einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige
Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-
keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es
den Raumbereich einfach nicht betreten
Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das
Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-
ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr
sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei
werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt
ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash
ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt
die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-
tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst
ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel
am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der
Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von
Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-
berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern
auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-
federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann
man mit dem Konzept des Potentials begreifen
Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der
Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-
sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-
teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte
nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter
Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als
uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )
die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens
angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-
mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-
tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an
einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je
houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in
einem Tal als auf einem Bergldquo
Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-
lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der
klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-
Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis
183 Der Tunneleffekt
Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert
Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html
tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch
waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch
verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit
das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie
ist nicht exakt null
Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-
nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-
hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-
tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit
geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf
es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen
nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-
den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber
den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je
houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den
beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-
lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein
mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-
botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch
den Berg ins naumlchste Tal gelangen
Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-
waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-
nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-
lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum
Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um
so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der
Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie
deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-
steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln
Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und
klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer
Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle
nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die
Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-
det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt
die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich
ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen
durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis
ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng
genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr
hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-
schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne
sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es
ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon
eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-
versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-
scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische
Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum
vorkommt
184 6 Atome und Quantenmechanik
Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben
Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)
Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178
Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-
perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-
drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock
Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich
ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-
tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben
Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-
aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und
hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-
nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James
Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-
ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige
Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann
sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige
den sogenannten Quanten
Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und
Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum
zwischen einer negativ geladenen
Gluumlhkathode und einer positiven
Anode ausfuumlllt An der Kathode
treten staumlndig Elektronen aus die
wegen der angelegten Spannung
in Richtung der Anode beschleu-
nigt werden Auf ihrem Weg da-
hin durchqueren die Elektronen
das Gas und stoszligen dabei staumln-
dig mit den Quecksilberatomen
zusammen An der Anode misst
man durch die Gegenspannungs-
methode die Geschwindigkeit der
ankommenden Elektronen So kann man beobachten
um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-
men verlangsamt werden
Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches
fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-
lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode
zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur
elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei
nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-
nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die
an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast
voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man
auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann
kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu
leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-
den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich
schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die
Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet
Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen
185 Der Franck-Hertz-Versuch
Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu
Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden
Schichten ihre Energie
Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen
Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-
der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende
Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter
man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten
entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-
ben
Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur
in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-
sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen
sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein
Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von
Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann
diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf
das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen
Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe
und wird dann von der angelegten Spannung wieder
aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine
Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt
es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein
Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat
Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man
also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben
Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-
tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-
gie ist dabei von Element zu Element verschieden und
muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-
ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-
huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies
mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur
Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden
war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung
der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch
bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-
niveaus in Atomen
Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-
rigens nicht lange sondern geben sie in Form von
Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die
Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von
47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau
dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-
roumlhre als Leuchten erkennen kann
186 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
Magnetfeld
Rota
tions
achs
e
Praumlzession
magnetischeKraft
Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-
chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein
halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten
Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen
muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-
zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen
Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der
Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach
seine Eigenschaften zu verstehen
Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden
Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin
eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der
Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-
gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon
Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen
und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur
Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen
Spin besitzen
Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-
allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-
nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist
so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen
magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-
netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem
senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese
insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der
Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach
oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher
Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-
feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen
die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was
aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer
Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt
(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen
Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-
nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach
dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld
unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt
Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach
diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-
nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12
aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld
schlugen sich die Silberatome nieder
Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln
187 Der Spin eines Teilchens
Spinrichtung
θ = 0deg
θ = 45deg
θ = 90deg
θ = 135deg
θ = 180deg
θ
N
S
Silberatomstrahl
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter
Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend
einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-
tationsachsen
Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-
berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-
lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das
Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die
Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel
dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in
oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild
der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-
vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens
Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-
sche Beschreibung des Spins aus Angenommen
der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die
um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist
In einem parallel zum Spin ausgerichteten
inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen
also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt
sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht
orientierten inhomogenen Magnetfeld Es
wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2
nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit
sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik
durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)
d h der Spin ist nach der Messung mit die-
sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach
oben oder nach unten orientiert Und das ist
auch schon im Wesentlichen alles was gesagt
werden kann denn die Quantenmechanik
kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen
sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen
bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der
Begriff der klassischen Rotationsachse in der
Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche
Ungleichung )
188 6 Atome und Quantenmechanik
-2-1 0 1 2 3
-3-2
-1 0
1 2
3
-1-08-06-04-02
0 02 04 06 08
1
x
y
f(xy)
Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der
Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische
Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem
Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-
scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an
einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches
man angetroffen hat
In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit
ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes
Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das
Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man
auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude
oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )
bezeichnet (genau genommen ist f(xy)
eine komplexe Zahl doch das ist hier
nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-
ronen ununterscheidbar sind darf sich
diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern
wenn wir die beiden Elektronen mitei-
nander vertauschen also das erste Elek-
tron am Ort y und das zweite Elektron
am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2
= |f(yx)|2 sein
Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)
selbst kann beim Vertauschen entweder
ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie
wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-
zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt
f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)
Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt
der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-
ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise
Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische
Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten
Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-
tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen
Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin
zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-
gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip
Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-
trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude
Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden
189 Das Pauli-Prinzip
1s
2s
2p
3s
3p
3d
18
Ener
gie
n=1
n=2
n=3
8
2
3dxsup2-ysup2
3pz 3px 3py
3s
2pz
2s
1s
3dxz 3dxy
2py
3dz2 3dyz
2px
Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)
Bosonen Fermionen
810 nK
510 nK
240 nK
Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom
Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2
Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich
zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-
nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich
f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man
in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen
mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht
am selben Ort aufhalten
Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen
derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht
denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man
beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts
Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit
ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-
mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)
groumlszligere Abstaumlnde beibehalten
Das Pauli-Prinzip stellt si-
cher dass sich in der Elek-
tronenhuumllle der Atome
eine stabile Schalenstruk-
tur ausbildet Jeder moumlgli-
che Schwingungszustand der Wellenfunktion
kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-
den die entgegengesetzte Spinausrichtung
aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-
nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige
Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken
ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip
Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-
ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es
wird durch ein subtiles Zusammenspiel von
Quantenmechanik und spezieller Relativi-
taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief
in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler
der modernen Physik begruumlndet
190 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
N
S
Magnet A
Teilchenquelle
Magnet B
Der Spin eines Teilchens S 186
In der klassischen Physik sind wir es normalerweise
gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige
Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit
diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch
Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-
spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen
haben
Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden
und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig
d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen
Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur
unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er
gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-
tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-
dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz
EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die
uumlberarbeitete Version von David Bohm)
Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-
len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen
ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-
gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst
man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht
orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird
immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein
Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-
den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash
welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist
nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall
Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-
ander verhalten werden
Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-
den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte
Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder
Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-
gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann
das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim
Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine
Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide
Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-
der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten
laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat
der Zufall Spin up entschiedenldquo
koumlnnte sich aber maximal mit
Lichtgeschwindigkeit ausbrei-
ten
Einstein Po-
dolsky und Rosen
sprachen daher von einer
bdquospukhaften Fernwirkungldquo und
folgerten dass jedes der beiden Teil-
chen doch eine verborgene lokale Eigen-
schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse
besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits
im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten
waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-
saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet
Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-
cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie
die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig
191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
S
S
N
N
Magnet AKippwinkel 45deg
Magnet BKippwinkel 0deg
Gruppe 1(0darr 45uarr)
Teilchenquelle
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90degGruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
0deg 45deg 90deg
J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und
ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-
rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr
1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich
diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein
Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand
gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-
nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-
rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide
Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt
werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-
gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg
Wenn die Teilchen nun doch eine
lokale innere Eigenschaft besaumlszligen
die ihr Verhalten im Magnetfeld
von vornherein festlegte so wird
es beispielsweise einige darunter
geben die bei 0deg zum Suumldpol bei
45deg zum Nordpol und bei 90deg
ebenfalls zum Nordpol abgelenkt
wuumlrden sodass wir sie mit (0
45 90 ) kennzeichnen koumln-
nen Die zugehoumlrigen Part-
nerteilchen wuumlrden sich
dabei genau entgegenge-
setzt verhalten
Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-
chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde
beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten
zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen
im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol
abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45
verhaumllt
Analog bilden wir Grup-
pe 2 als alle die Teilchen-
paare bei denen ein Teil-
chen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 45
sowie 90 besitzt sowie
Gruppe 3 als alle die Teil-
chenpaare bei denen ein
Teilchen zugleich die bei-
den Kennzeichnungen 0
sowie 90 besitzt
Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare
von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also
muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-
wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten
zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-
send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)
Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-
scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt
sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-
scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-
men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche
Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung
vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen
uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere
Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky
und Rosen wurden widerlegt
Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass
die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung
erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-
greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt
egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze
ist mehr als die Summe seiner Teile
192 6 Atome und Quantenmechanik
Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie
Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012
Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-
orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische
Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-
theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik
jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich
zufriedenstellend beantwortet sind
Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur
grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-
lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-
lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische
Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-
wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-
scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen
instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise
Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also
durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus
dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-
ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der
sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927
u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-
beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber
welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder
dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-
on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-
ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft
die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)
sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-
lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten
Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei
nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da
es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird
Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten
193 Die Interpretation der Quantenmechanik
Tritium
Wellenfunktion = +
Helium-3
ElektronAntineutrino
Detektormisst
Zerfall
makroskopische Realitaumlt
Gift
oder
Gift
Tritiumintakt
Tritiumzerfallen
Wellenfunktion =
+
Dekohaumlrenz
makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2
Gift Gift
Tritium Helium-3
ElektronAntineutrino
Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24
Doch wann genau findet eine solche Messung statt
Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin
Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches
Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem
zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die
zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste
eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet
dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-
tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit
Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers
Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-
digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der
erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-
schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der
quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die
klassische Realitaumlt der Katze
Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-
chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute
tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-
zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-
tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-
elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man
den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in
den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die
sogenannte Viele-Welten-Interpretation
Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom
weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-
same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-
tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie
bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze
jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-
vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in
Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur
sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-
de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung
mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-
abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts
mehr voneinander sodass man sie als verschiedene
Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-
der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der
Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht
In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion
des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-
ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten
verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation
zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-
lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt
im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung
des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung
zwischen Mikro- und Makrokosmos
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
177 Radioaktiver Zerfall
Halbwertszeiten der bekannten Isotope Jedes Quadrat entspricht einem Kern mit Z Protonen und N Nukleonen (Protonen und Neu-tronen)
W Stolz Radioaktivitaumlt Grundlagen ndash Messung ndash Anwendungen Teubner 5 Aufl 2005H Krieger Grundlagen der Strahlungsphysik und des Strahlenschutzes Vieweg+Teubner 2007K Bethge Kernphysik Springer Verlag 1996
hen Dichte haumllt Blei dabei die γ-Strahlen am effektivs-
ten auf es werden jedoch je nach Strahlungsenergie
einige Millimeter bis Zentimeter fuumlr eine vollstaumlndige
Abschirmung benoumltigt Dies macht gerade Letztere fuumlr
Lebewesen besonders gefaumlhrlich denn tief in Gewebe
eindringende Strahlung kann nicht nur Verbrennungen
an der Hautoberflaumlche sondern auch Mutationen in
den Zellen und der DNA verursachen
Der β-Zerfall wiederum tritt in Kernen mit einem un-
guumlnstigen Verhaumlltnis zwischen Protonen und Neutro-
nen auf Hat ein Kern einen deutlichen Uumlberschuss an
Neutronen so kann sich eines davon durch die schwa-
che Wechselwirkung spontan in ein Proton ein Elekt-
ron und ein Antielektronneutrino umwandeln Wenn
dies geschieht dann verbleibt das Proton im Kern und
Neutrino und Elektron werden abgestrahlt Diese ne-
gativ geladenen Elektronen werden dabei als β minus-Strah-
lung bezeichnet
Die Regeln der schwachen Wechselwirkung lassen al-
lerdings auch den (etwas selteneren) spiegelbildlichen
Prozess zu In Kernen mit einem Uumlberschuss an Pro-
tonen kann sich eines in ein Neutron ein Antielektron
und ein Elektronneutrino umwandeln Das hierbei
ausgesendete positiv geladene Antielektron ( Positron)
bezeichnet man dabei als β +-Strahlung
Der γ-Zerfall schlieszliglich bezeichnet den Uumlbergang
eines Atomkerns von einem angeregten Zustand in
einen stabileren Zustand mit niedrigerer Energie Die
uumlberschuumlssige Energie wird in Form von energiereichen
Photonen abgestrahlt die man auch als γ-Quanten be-
zeichnet Weil angeregte Atomkerne meist eine Folge-
erscheinung von Kernspaltungen oder anderen voran-
gegangenen Zerfaumlllen sind tritt γ-Strahlung meist in
Begleitung von anderen radioaktiven Vorgaumlngen auf
Die Unterteilung in α β und γ bezieht sich auf die
Eindringtiefe der jeweiligen Strahlung in feste Materie
Waumlhrend α-Strahlung bereits nach fuumlnf Zentimetern
durch die Luft oder durch ein einfaches Blatt Papier
aufgehalten werden kann benoumltigt man bei β-Strahlung
bereits eine duumlnne Metallplatte γ-Strahlung hingegen
kann sehr tief in Materie eindringen Wegen seiner ho-
178 6 Atome und Quantenmechanik
Photoeffekt
Wellenlaumlngen und zugehoumlri-ge Photon-Energien fuumlr das sichtbare Lichtspektrum
Bild in der Mitte (Briefmarke) mit freundlicher Genehmigung von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityR P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Wellen und Teilchen haumlngen in der Quantenmechanik
eng miteinander zusammen So ist Licht einerseits eine
elektromagnetische Welle wie Interferenzexperimen-
te zeigen bei denen Lichtwellenberge auf -berge oder
-taumller treffen und sich verstaumlrken oder ausloumlschen An-
dererseits kann Licht beim sogenannten Photoeffekt
einzelne Elektronen aus einer Metalloberflaumlche he-
rausschlagen wobei dies mit umso groumlszligerer Wucht
geschieht je kuumlrzer die Lichtwellenlaumlnge ist ndash ein Ver-
halten das sich nur durch den Teilchencharakter des
Lichtes verstehen laumlsst
Licht besteht also aus
einem Strom einzelner
Teilchen (sogenannter
Photonen) welche die
Elektronen aus der Ober-
flaumlche herausstoszligen
Fuumlr die genaue Ausarbei-
tung dieser Erkenntnis
erhielt Albert Einstein im
Jahr 1921 den Nobelpreis
fuumlr Physik ndash er hatte sie be-
reits im Jahr 1905 in seiner
Doktorarbeit formuliert
Frequenz f und Wellenlaumlnge λ der elektromagnetischen
Lichtwelle legen dabei die Energie E und den Impuls p
der Photonen fest
E = h∙f und λ = hp
Hier ist h = 6626 ∙ 10ndash34 J∙s eine Naturkonstante deren
Wert im Experiment bestimmt werden muss Sie heiszligt
Planckrsquosches Wirkungsquantum und verknuumlpft Teil-
chen- mit Welleneigenschaften
So wie Photonen mit Lichtwellen zusammenhaumlngen
so haumlngen auch beispielsweise Elektronen mit Elektro-
nenwellen zusammen und zwar nach genau denselben
Formeln wie bei den Photonen und auch allen anderen
Teilchen Wenn man beispielsweise einen Elektronen-
strahl durch einen sehr feinen Doppelspalt schickt so
findet man auf einer Flaumlche dahinter ein Interferenz-
muster aus Streifen mit vielen und mit wenigen Elekt-
ronentreffern ganz analog zum Intensitaumltsmuster von
Laserlicht hinter einem solchen Doppelspalt
Offenbar muss man den Durchgang der Elektronen
durch den Doppelspalt wie bei Licht durch eine Wel-
le beschreiben wobei eine hohe Wellenintensitaumlt einer
hohen Wahrscheinlichkeit entspricht ein Elektron an-
zutreffen
Welle-Teilchen-Dualismus Teilchen bewegen sich in Wellen
179 Welle-Teilchen-Dualismus
Das Buckminster-Fulleren C60
Reales Doppelspaltexperiment mit 11 (a) 200 (b) 6000 (c) 40 000 (d) und 140 000 (e) Elektronen
Doppelspaltexperiment mit Elektronen Interferenz von Wellen hinter einem Doppelspalt
Wellenfunktion S 180J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Im Experiment kann man naumlmlich beobachten wie auf der Flaumlche hinter
dem Doppelspalt nach und nach immer mehr einzelne Elektronen wie
zufaumlllig an verschiedenen Stellen auftreffen wobei sich schlieszliglich das
streifenfoumlrmige Interferenzmuster herausbildet
Teilchenbahnen gibt es dabei nicht mehr Alles was die Quantenmecha-
nik tun kann ist die Auftreffwahrscheinlichkeiten fuumlr die Elektronen zu
berechnen Der Ort eines einzelnen Elektrons ist dagegen in der Natur
grundsaumltzlich nicht festgelegt d h der Wahrscheinlichkeitscharakter der
Quantenmechanik ist grundsaumltzlicher Natur und hat nichts mit unge-
nauen Messungen zu tun (siehe Wellenfunktion )
Mittlerweile konnten Interferenzmuster
auch beispielsweise fuumlr Fullerenmolekuumlle
nachgewiesen werden die immerhin aus
60 Kohlenstoffatomen bestehen (Anton
Zeilinger 1999) Auch fuumlr sie gilt also der
Welle-Teilchen-Dualismus
180 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Wellenfunktion die senkrecht zu ihrer Flugrichtung im Ort be-schraumlnkt wird (z B indem man sie durch einen engen Spalt schickt) erhaumllt dadurch eine groszlige Impulsunschaumlrfe in dieselbe Richtung wodurch sie sich ausbreitet
Zwei Schwingungszustaumlnde der Wel-lenfunktion eines Elektrons im Wasser-stoffatom Die Farbe gibt die ortsabhaumln-gige Phase der Wellenfunktion an
Bild rechts oben und links mit freundlicher Genehmigung von Bernd Thaller Universitaumlt von Graz Institut fuumlr Mathematik und Wissenschaftliches RechnenB Thaller Visual Quantum Mechanics httpvqmuni-grazatindexhtml Galerie mit Darstellungen von Wellenfunktionen
Anfang des 20 Jahrhunderts haumluften sich die Hinweise dass die Materie aus
kleinen Bausteinen Elementarteilchen genannt aufgebaut ist Zuerst nahm
man an dass die Elementarteilchen kleinen Kugeln aumlhnelten die sich aumlhn-
lich wie alle Objekte unserer Erfahrungswelt auf Flugbahnen bewegen kol-
lidieren und voneinander abprallen Als man aber begann experimentell
tiefer in die Bereiche des Mikrokosmos vorzudringen wurde schnell
klar dass Elementarteilchen ganz anderen Gesetzen folgen als sagen
wir einmal Murmeln oder Steine
Eine Murmel kann man (zumindest im Prinzip) zu
jedem Zeitpunkt vollstaumlndig durch einige wenige Zahlen beschreiben
zum Beispiel Ort und Geschwindigkeit Drehimpuls etc Bei Elementar-
teilchen ist dies nicht mehr moumlglich stattdessen beschreibt man sie durch
ein raumlumlich ausgedehntes Feld Die Bewegungsgleichungen fuumlr dieses
Feld aumlhneln denen von (zum Beispiel elektromagnetischen) Wellen wes-
wegen das Feld Wellenfunktion genannt wird
Durch die Wellennatur der Teilchen gehen
jedoch typische Teilcheneigenschaften verloren
Man kann uumlber die physikalischen Groumlszligen die ein klassisches Teil-
chen beschreiben wuumlrden nur noch statistische Aussagen treffen
Auszligerdem sind gewisse Groumlszligen wie zum Beispiel Ort und Ge-
schwindigkeit des Teilchens zueinander komplementaumlr
Wellenfunktion Verschmierte Teilchen
181 Wellenfunktion
Der Franck-Hertz-Versuch S 184A Zeilinger Einsteins Schleier Die neue Welt der Quantenphysik Goldmann 2003
Die Komplementaritaumlt von Ort und Impuls
Die Komplementaritaumlt von Messgroumlszligen wie Ort und Ge-
schwindigkeit ist nicht wie oft behauptet eine Folge
von ungenauen Messungen sondern eine fun-
damentale Eigenschaft der Wellenfunktionen
An den Stellen an denen das Betragsquadrat
der Wellenfunktion groszlig ist besteht eine hohe
Wahrscheinlichkeit das Elementarteilchen anzutreffen
wenn man danach sucht Die Geschwindigkeit des Teilchens hin-
gegen ist mit der Wellenlaumlnge der Welle verknuumlpft
Um nun einer Welle eine genaue Wellenlaumlnge zuzuordnen muss
sie uumlber einen groszligen Bereich ausgebreitet sein Eine genau be-
stimmte Geschwindigkeit fuumlhrt so zu einem sehr unbestimmten
Ort
Je staumlrker hingegen die Welle an einem Ort kon-
zentriert ist desto weniger genau kann man ihr
eine Wellenlaumlnge zuschreiben weswegen ein
genau bestimmter Ort zu einer sehr ungenau be-
stimmten Geschwindigkeit fuumlhrt
Das bedeutet Je genauer der Ort des Teilchens be-
kannt ist desto ungenauer ist seine Geschwindigkeit
bestimmt und umgekehrt
Die Welleneigenschaften der kleinsten Bausteine wer-
den ganz besonders bei den Elektronen deutlich die
sich in einem Atom befinden Anders als die haumlufig
benutzte Analogie zum Sonnensystem vermuten laumlsst
umkreisen Elektronen den Atomkern nicht denn da-
fuumlr muumlssten sie gleichzeitig einen scharf definierten Ort
und eine scharfe Geschwindigkeit besitzen Stattdessen
kann man sich die Wellenfunktion des Elektrons als
dreidimensionale stehende Welle vorstellen Ebenso
wie bei einer schwingenden Instrumenten-Saite gibt es
im Atom nur bestimmte bdquoerlaubteldquo Schwingungsmo-
den der Wellenfunktion Deswegen sind fuumlr das Elek-
tron im Atom nur bestimmte Energieniveaus erlaubt
zwischen denen es jedoch per bdquo Quantensprungldquo hin-
und herwechseln kann wenn es z B durch einen Licht-
strahl dazu angeregt wird (Franck-Hertz-Versuch )
182 6 Atome und Quantenmechanik
Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt
Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen
Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral
fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-
tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt
besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich
zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-
stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf
einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige
Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-
keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es
den Raumbereich einfach nicht betreten
Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das
Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-
ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr
sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei
werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt
ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash
ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt
die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-
tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst
ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel
am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der
Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von
Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-
berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern
auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-
federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann
man mit dem Konzept des Potentials begreifen
Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der
Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-
sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-
teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte
nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter
Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als
uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )
die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens
angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-
mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-
tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an
einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je
houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in
einem Tal als auf einem Bergldquo
Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-
lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der
klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-
Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis
183 Der Tunneleffekt
Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert
Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html
tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch
waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch
verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit
das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie
ist nicht exakt null
Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-
nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-
hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-
tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit
geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf
es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen
nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-
den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber
den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je
houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den
beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-
lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein
mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-
botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch
den Berg ins naumlchste Tal gelangen
Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-
waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-
nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-
lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum
Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um
so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der
Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie
deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-
steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln
Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und
klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer
Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle
nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die
Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-
det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt
die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich
ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen
durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis
ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng
genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr
hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-
schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne
sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es
ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon
eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-
versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-
scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische
Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum
vorkommt
184 6 Atome und Quantenmechanik
Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben
Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)
Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178
Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-
perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-
drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock
Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich
ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-
tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben
Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-
aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und
hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-
nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James
Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-
ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige
Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann
sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige
den sogenannten Quanten
Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und
Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum
zwischen einer negativ geladenen
Gluumlhkathode und einer positiven
Anode ausfuumlllt An der Kathode
treten staumlndig Elektronen aus die
wegen der angelegten Spannung
in Richtung der Anode beschleu-
nigt werden Auf ihrem Weg da-
hin durchqueren die Elektronen
das Gas und stoszligen dabei staumln-
dig mit den Quecksilberatomen
zusammen An der Anode misst
man durch die Gegenspannungs-
methode die Geschwindigkeit der
ankommenden Elektronen So kann man beobachten
um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-
men verlangsamt werden
Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches
fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-
lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode
zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur
elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei
nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-
nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die
an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast
voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man
auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann
kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu
leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-
den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich
schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die
Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet
Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen
185 Der Franck-Hertz-Versuch
Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu
Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden
Schichten ihre Energie
Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen
Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-
der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende
Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter
man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten
entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-
ben
Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur
in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-
sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen
sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein
Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von
Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann
diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf
das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen
Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe
und wird dann von der angelegten Spannung wieder
aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine
Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt
es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein
Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat
Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man
also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben
Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-
tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-
gie ist dabei von Element zu Element verschieden und
muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-
ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-
huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies
mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur
Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden
war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung
der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch
bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-
niveaus in Atomen
Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-
rigens nicht lange sondern geben sie in Form von
Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die
Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von
47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau
dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-
roumlhre als Leuchten erkennen kann
186 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
Magnetfeld
Rota
tions
achs
e
Praumlzession
magnetischeKraft
Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-
chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein
halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten
Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen
muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-
zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen
Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der
Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach
seine Eigenschaften zu verstehen
Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden
Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin
eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der
Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-
gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon
Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen
und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur
Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen
Spin besitzen
Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-
allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-
nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist
so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen
magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-
netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem
senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese
insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der
Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach
oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher
Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-
feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen
die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was
aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer
Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt
(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen
Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-
nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach
dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld
unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt
Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach
diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-
nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12
aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld
schlugen sich die Silberatome nieder
Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln
187 Der Spin eines Teilchens
Spinrichtung
θ = 0deg
θ = 45deg
θ = 90deg
θ = 135deg
θ = 180deg
θ
N
S
Silberatomstrahl
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter
Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend
einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-
tationsachsen
Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-
berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-
lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das
Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die
Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel
dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in
oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild
der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-
vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens
Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-
sche Beschreibung des Spins aus Angenommen
der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die
um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist
In einem parallel zum Spin ausgerichteten
inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen
also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt
sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht
orientierten inhomogenen Magnetfeld Es
wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2
nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit
sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik
durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)
d h der Spin ist nach der Messung mit die-
sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach
oben oder nach unten orientiert Und das ist
auch schon im Wesentlichen alles was gesagt
werden kann denn die Quantenmechanik
kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen
sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen
bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der
Begriff der klassischen Rotationsachse in der
Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche
Ungleichung )
188 6 Atome und Quantenmechanik
-2-1 0 1 2 3
-3-2
-1 0
1 2
3
-1-08-06-04-02
0 02 04 06 08
1
x
y
f(xy)
Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der
Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische
Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem
Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-
scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an
einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches
man angetroffen hat
In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit
ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes
Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das
Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man
auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude
oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )
bezeichnet (genau genommen ist f(xy)
eine komplexe Zahl doch das ist hier
nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-
ronen ununterscheidbar sind darf sich
diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern
wenn wir die beiden Elektronen mitei-
nander vertauschen also das erste Elek-
tron am Ort y und das zweite Elektron
am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2
= |f(yx)|2 sein
Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)
selbst kann beim Vertauschen entweder
ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie
wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-
zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt
f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)
Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt
der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-
ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise
Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische
Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten
Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-
tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen
Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin
zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-
gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip
Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-
trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude
Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden
189 Das Pauli-Prinzip
1s
2s
2p
3s
3p
3d
18
Ener
gie
n=1
n=2
n=3
8
2
3dxsup2-ysup2
3pz 3px 3py
3s
2pz
2s
1s
3dxz 3dxy
2py
3dz2 3dyz
2px
Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)
Bosonen Fermionen
810 nK
510 nK
240 nK
Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom
Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2
Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich
zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-
nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich
f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man
in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen
mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht
am selben Ort aufhalten
Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen
derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht
denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man
beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts
Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit
ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-
mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)
groumlszligere Abstaumlnde beibehalten
Das Pauli-Prinzip stellt si-
cher dass sich in der Elek-
tronenhuumllle der Atome
eine stabile Schalenstruk-
tur ausbildet Jeder moumlgli-
che Schwingungszustand der Wellenfunktion
kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-
den die entgegengesetzte Spinausrichtung
aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-
nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige
Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken
ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip
Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-
ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es
wird durch ein subtiles Zusammenspiel von
Quantenmechanik und spezieller Relativi-
taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief
in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler
der modernen Physik begruumlndet
190 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
N
S
Magnet A
Teilchenquelle
Magnet B
Der Spin eines Teilchens S 186
In der klassischen Physik sind wir es normalerweise
gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige
Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit
diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch
Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-
spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen
haben
Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden
und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig
d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen
Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur
unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er
gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-
tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-
dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz
EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die
uumlberarbeitete Version von David Bohm)
Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-
len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen
ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-
gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst
man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht
orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird
immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein
Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-
den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash
welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist
nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall
Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-
ander verhalten werden
Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-
den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte
Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder
Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-
gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann
das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim
Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine
Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide
Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-
der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten
laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat
der Zufall Spin up entschiedenldquo
koumlnnte sich aber maximal mit
Lichtgeschwindigkeit ausbrei-
ten
Einstein Po-
dolsky und Rosen
sprachen daher von einer
bdquospukhaften Fernwirkungldquo und
folgerten dass jedes der beiden Teil-
chen doch eine verborgene lokale Eigen-
schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse
besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits
im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten
waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-
saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet
Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-
cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie
die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig
191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
S
S
N
N
Magnet AKippwinkel 45deg
Magnet BKippwinkel 0deg
Gruppe 1(0darr 45uarr)
Teilchenquelle
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90degGruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
0deg 45deg 90deg
J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und
ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-
rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr
1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich
diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein
Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand
gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-
nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-
rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide
Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt
werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-
gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg
Wenn die Teilchen nun doch eine
lokale innere Eigenschaft besaumlszligen
die ihr Verhalten im Magnetfeld
von vornherein festlegte so wird
es beispielsweise einige darunter
geben die bei 0deg zum Suumldpol bei
45deg zum Nordpol und bei 90deg
ebenfalls zum Nordpol abgelenkt
wuumlrden sodass wir sie mit (0
45 90 ) kennzeichnen koumln-
nen Die zugehoumlrigen Part-
nerteilchen wuumlrden sich
dabei genau entgegenge-
setzt verhalten
Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-
chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde
beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten
zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen
im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol
abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45
verhaumllt
Analog bilden wir Grup-
pe 2 als alle die Teilchen-
paare bei denen ein Teil-
chen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 45
sowie 90 besitzt sowie
Gruppe 3 als alle die Teil-
chenpaare bei denen ein
Teilchen zugleich die bei-
den Kennzeichnungen 0
sowie 90 besitzt
Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare
von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also
muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-
wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten
zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-
send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)
Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-
scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt
sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-
scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-
men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche
Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung
vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen
uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere
Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky
und Rosen wurden widerlegt
Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass
die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung
erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-
greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt
egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze
ist mehr als die Summe seiner Teile
192 6 Atome und Quantenmechanik
Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie
Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012
Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-
orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische
Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-
theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik
jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich
zufriedenstellend beantwortet sind
Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur
grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-
lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-
lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische
Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-
wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-
scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen
instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise
Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also
durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus
dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-
ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der
sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927
u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-
beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber
welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder
dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-
on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-
ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft
die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)
sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-
lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten
Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei
nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da
es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird
Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten
193 Die Interpretation der Quantenmechanik
Tritium
Wellenfunktion = +
Helium-3
ElektronAntineutrino
Detektormisst
Zerfall
makroskopische Realitaumlt
Gift
oder
Gift
Tritiumintakt
Tritiumzerfallen
Wellenfunktion =
+
Dekohaumlrenz
makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2
Gift Gift
Tritium Helium-3
ElektronAntineutrino
Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24
Doch wann genau findet eine solche Messung statt
Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin
Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches
Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem
zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die
zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste
eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet
dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-
tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit
Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers
Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-
digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der
erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-
schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der
quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die
klassische Realitaumlt der Katze
Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-
chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute
tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-
zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-
tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-
elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man
den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in
den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die
sogenannte Viele-Welten-Interpretation
Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom
weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-
same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-
tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie
bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze
jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-
vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in
Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur
sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-
de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung
mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-
abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts
mehr voneinander sodass man sie als verschiedene
Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-
der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der
Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht
In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion
des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-
ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten
verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation
zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-
lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt
im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung
des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung
zwischen Mikro- und Makrokosmos
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
178 6 Atome und Quantenmechanik
Photoeffekt
Wellenlaumlngen und zugehoumlri-ge Photon-Energien fuumlr das sichtbare Lichtspektrum
Bild in der Mitte (Briefmarke) mit freundlicher Genehmigung von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityR P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Wellen und Teilchen haumlngen in der Quantenmechanik
eng miteinander zusammen So ist Licht einerseits eine
elektromagnetische Welle wie Interferenzexperimen-
te zeigen bei denen Lichtwellenberge auf -berge oder
-taumller treffen und sich verstaumlrken oder ausloumlschen An-
dererseits kann Licht beim sogenannten Photoeffekt
einzelne Elektronen aus einer Metalloberflaumlche he-
rausschlagen wobei dies mit umso groumlszligerer Wucht
geschieht je kuumlrzer die Lichtwellenlaumlnge ist ndash ein Ver-
halten das sich nur durch den Teilchencharakter des
Lichtes verstehen laumlsst
Licht besteht also aus
einem Strom einzelner
Teilchen (sogenannter
Photonen) welche die
Elektronen aus der Ober-
flaumlche herausstoszligen
Fuumlr die genaue Ausarbei-
tung dieser Erkenntnis
erhielt Albert Einstein im
Jahr 1921 den Nobelpreis
fuumlr Physik ndash er hatte sie be-
reits im Jahr 1905 in seiner
Doktorarbeit formuliert
Frequenz f und Wellenlaumlnge λ der elektromagnetischen
Lichtwelle legen dabei die Energie E und den Impuls p
der Photonen fest
E = h∙f und λ = hp
Hier ist h = 6626 ∙ 10ndash34 J∙s eine Naturkonstante deren
Wert im Experiment bestimmt werden muss Sie heiszligt
Planckrsquosches Wirkungsquantum und verknuumlpft Teil-
chen- mit Welleneigenschaften
So wie Photonen mit Lichtwellen zusammenhaumlngen
so haumlngen auch beispielsweise Elektronen mit Elektro-
nenwellen zusammen und zwar nach genau denselben
Formeln wie bei den Photonen und auch allen anderen
Teilchen Wenn man beispielsweise einen Elektronen-
strahl durch einen sehr feinen Doppelspalt schickt so
findet man auf einer Flaumlche dahinter ein Interferenz-
muster aus Streifen mit vielen und mit wenigen Elekt-
ronentreffern ganz analog zum Intensitaumltsmuster von
Laserlicht hinter einem solchen Doppelspalt
Offenbar muss man den Durchgang der Elektronen
durch den Doppelspalt wie bei Licht durch eine Wel-
le beschreiben wobei eine hohe Wellenintensitaumlt einer
hohen Wahrscheinlichkeit entspricht ein Elektron an-
zutreffen
Welle-Teilchen-Dualismus Teilchen bewegen sich in Wellen
179 Welle-Teilchen-Dualismus
Das Buckminster-Fulleren C60
Reales Doppelspaltexperiment mit 11 (a) 200 (b) 6000 (c) 40 000 (d) und 140 000 (e) Elektronen
Doppelspaltexperiment mit Elektronen Interferenz von Wellen hinter einem Doppelspalt
Wellenfunktion S 180J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Im Experiment kann man naumlmlich beobachten wie auf der Flaumlche hinter
dem Doppelspalt nach und nach immer mehr einzelne Elektronen wie
zufaumlllig an verschiedenen Stellen auftreffen wobei sich schlieszliglich das
streifenfoumlrmige Interferenzmuster herausbildet
Teilchenbahnen gibt es dabei nicht mehr Alles was die Quantenmecha-
nik tun kann ist die Auftreffwahrscheinlichkeiten fuumlr die Elektronen zu
berechnen Der Ort eines einzelnen Elektrons ist dagegen in der Natur
grundsaumltzlich nicht festgelegt d h der Wahrscheinlichkeitscharakter der
Quantenmechanik ist grundsaumltzlicher Natur und hat nichts mit unge-
nauen Messungen zu tun (siehe Wellenfunktion )
Mittlerweile konnten Interferenzmuster
auch beispielsweise fuumlr Fullerenmolekuumlle
nachgewiesen werden die immerhin aus
60 Kohlenstoffatomen bestehen (Anton
Zeilinger 1999) Auch fuumlr sie gilt also der
Welle-Teilchen-Dualismus
180 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Wellenfunktion die senkrecht zu ihrer Flugrichtung im Ort be-schraumlnkt wird (z B indem man sie durch einen engen Spalt schickt) erhaumllt dadurch eine groszlige Impulsunschaumlrfe in dieselbe Richtung wodurch sie sich ausbreitet
Zwei Schwingungszustaumlnde der Wel-lenfunktion eines Elektrons im Wasser-stoffatom Die Farbe gibt die ortsabhaumln-gige Phase der Wellenfunktion an
Bild rechts oben und links mit freundlicher Genehmigung von Bernd Thaller Universitaumlt von Graz Institut fuumlr Mathematik und Wissenschaftliches RechnenB Thaller Visual Quantum Mechanics httpvqmuni-grazatindexhtml Galerie mit Darstellungen von Wellenfunktionen
Anfang des 20 Jahrhunderts haumluften sich die Hinweise dass die Materie aus
kleinen Bausteinen Elementarteilchen genannt aufgebaut ist Zuerst nahm
man an dass die Elementarteilchen kleinen Kugeln aumlhnelten die sich aumlhn-
lich wie alle Objekte unserer Erfahrungswelt auf Flugbahnen bewegen kol-
lidieren und voneinander abprallen Als man aber begann experimentell
tiefer in die Bereiche des Mikrokosmos vorzudringen wurde schnell
klar dass Elementarteilchen ganz anderen Gesetzen folgen als sagen
wir einmal Murmeln oder Steine
Eine Murmel kann man (zumindest im Prinzip) zu
jedem Zeitpunkt vollstaumlndig durch einige wenige Zahlen beschreiben
zum Beispiel Ort und Geschwindigkeit Drehimpuls etc Bei Elementar-
teilchen ist dies nicht mehr moumlglich stattdessen beschreibt man sie durch
ein raumlumlich ausgedehntes Feld Die Bewegungsgleichungen fuumlr dieses
Feld aumlhneln denen von (zum Beispiel elektromagnetischen) Wellen wes-
wegen das Feld Wellenfunktion genannt wird
Durch die Wellennatur der Teilchen gehen
jedoch typische Teilcheneigenschaften verloren
Man kann uumlber die physikalischen Groumlszligen die ein klassisches Teil-
chen beschreiben wuumlrden nur noch statistische Aussagen treffen
Auszligerdem sind gewisse Groumlszligen wie zum Beispiel Ort und Ge-
schwindigkeit des Teilchens zueinander komplementaumlr
Wellenfunktion Verschmierte Teilchen
181 Wellenfunktion
Der Franck-Hertz-Versuch S 184A Zeilinger Einsteins Schleier Die neue Welt der Quantenphysik Goldmann 2003
Die Komplementaritaumlt von Ort und Impuls
Die Komplementaritaumlt von Messgroumlszligen wie Ort und Ge-
schwindigkeit ist nicht wie oft behauptet eine Folge
von ungenauen Messungen sondern eine fun-
damentale Eigenschaft der Wellenfunktionen
An den Stellen an denen das Betragsquadrat
der Wellenfunktion groszlig ist besteht eine hohe
Wahrscheinlichkeit das Elementarteilchen anzutreffen
wenn man danach sucht Die Geschwindigkeit des Teilchens hin-
gegen ist mit der Wellenlaumlnge der Welle verknuumlpft
Um nun einer Welle eine genaue Wellenlaumlnge zuzuordnen muss
sie uumlber einen groszligen Bereich ausgebreitet sein Eine genau be-
stimmte Geschwindigkeit fuumlhrt so zu einem sehr unbestimmten
Ort
Je staumlrker hingegen die Welle an einem Ort kon-
zentriert ist desto weniger genau kann man ihr
eine Wellenlaumlnge zuschreiben weswegen ein
genau bestimmter Ort zu einer sehr ungenau be-
stimmten Geschwindigkeit fuumlhrt
Das bedeutet Je genauer der Ort des Teilchens be-
kannt ist desto ungenauer ist seine Geschwindigkeit
bestimmt und umgekehrt
Die Welleneigenschaften der kleinsten Bausteine wer-
den ganz besonders bei den Elektronen deutlich die
sich in einem Atom befinden Anders als die haumlufig
benutzte Analogie zum Sonnensystem vermuten laumlsst
umkreisen Elektronen den Atomkern nicht denn da-
fuumlr muumlssten sie gleichzeitig einen scharf definierten Ort
und eine scharfe Geschwindigkeit besitzen Stattdessen
kann man sich die Wellenfunktion des Elektrons als
dreidimensionale stehende Welle vorstellen Ebenso
wie bei einer schwingenden Instrumenten-Saite gibt es
im Atom nur bestimmte bdquoerlaubteldquo Schwingungsmo-
den der Wellenfunktion Deswegen sind fuumlr das Elek-
tron im Atom nur bestimmte Energieniveaus erlaubt
zwischen denen es jedoch per bdquo Quantensprungldquo hin-
und herwechseln kann wenn es z B durch einen Licht-
strahl dazu angeregt wird (Franck-Hertz-Versuch )
182 6 Atome und Quantenmechanik
Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt
Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen
Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral
fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-
tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt
besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich
zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-
stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf
einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige
Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-
keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es
den Raumbereich einfach nicht betreten
Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das
Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-
ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr
sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei
werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt
ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash
ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt
die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-
tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst
ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel
am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der
Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von
Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-
berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern
auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-
federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann
man mit dem Konzept des Potentials begreifen
Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der
Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-
sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-
teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte
nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter
Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als
uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )
die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens
angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-
mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-
tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an
einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je
houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in
einem Tal als auf einem Bergldquo
Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-
lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der
klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-
Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis
183 Der Tunneleffekt
Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert
Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html
tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch
waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch
verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit
das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie
ist nicht exakt null
Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-
nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-
hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-
tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit
geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf
es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen
nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-
den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber
den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je
houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den
beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-
lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein
mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-
botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch
den Berg ins naumlchste Tal gelangen
Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-
waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-
nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-
lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum
Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um
so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der
Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie
deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-
steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln
Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und
klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer
Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle
nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die
Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-
det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt
die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich
ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen
durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis
ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng
genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr
hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-
schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne
sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es
ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon
eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-
versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-
scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische
Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum
vorkommt
184 6 Atome und Quantenmechanik
Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben
Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)
Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178
Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-
perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-
drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock
Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich
ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-
tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben
Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-
aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und
hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-
nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James
Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-
ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige
Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann
sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige
den sogenannten Quanten
Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und
Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum
zwischen einer negativ geladenen
Gluumlhkathode und einer positiven
Anode ausfuumlllt An der Kathode
treten staumlndig Elektronen aus die
wegen der angelegten Spannung
in Richtung der Anode beschleu-
nigt werden Auf ihrem Weg da-
hin durchqueren die Elektronen
das Gas und stoszligen dabei staumln-
dig mit den Quecksilberatomen
zusammen An der Anode misst
man durch die Gegenspannungs-
methode die Geschwindigkeit der
ankommenden Elektronen So kann man beobachten
um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-
men verlangsamt werden
Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches
fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-
lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode
zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur
elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei
nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-
nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die
an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast
voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man
auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann
kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu
leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-
den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich
schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die
Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet
Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen
185 Der Franck-Hertz-Versuch
Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu
Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden
Schichten ihre Energie
Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen
Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-
der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende
Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter
man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten
entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-
ben
Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur
in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-
sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen
sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein
Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von
Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann
diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf
das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen
Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe
und wird dann von der angelegten Spannung wieder
aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine
Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt
es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein
Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat
Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man
also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben
Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-
tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-
gie ist dabei von Element zu Element verschieden und
muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-
ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-
huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies
mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur
Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden
war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung
der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch
bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-
niveaus in Atomen
Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-
rigens nicht lange sondern geben sie in Form von
Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die
Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von
47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau
dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-
roumlhre als Leuchten erkennen kann
186 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
Magnetfeld
Rota
tions
achs
e
Praumlzession
magnetischeKraft
Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-
chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein
halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten
Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen
muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-
zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen
Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der
Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach
seine Eigenschaften zu verstehen
Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden
Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin
eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der
Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-
gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon
Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen
und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur
Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen
Spin besitzen
Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-
allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-
nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist
so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen
magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-
netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem
senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese
insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der
Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach
oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher
Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-
feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen
die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was
aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer
Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt
(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen
Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-
nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach
dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld
unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt
Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach
diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-
nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12
aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld
schlugen sich die Silberatome nieder
Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln
187 Der Spin eines Teilchens
Spinrichtung
θ = 0deg
θ = 45deg
θ = 90deg
θ = 135deg
θ = 180deg
θ
N
S
Silberatomstrahl
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter
Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend
einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-
tationsachsen
Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-
berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-
lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das
Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die
Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel
dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in
oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild
der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-
vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens
Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-
sche Beschreibung des Spins aus Angenommen
der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die
um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist
In einem parallel zum Spin ausgerichteten
inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen
also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt
sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht
orientierten inhomogenen Magnetfeld Es
wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2
nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit
sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik
durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)
d h der Spin ist nach der Messung mit die-
sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach
oben oder nach unten orientiert Und das ist
auch schon im Wesentlichen alles was gesagt
werden kann denn die Quantenmechanik
kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen
sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen
bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der
Begriff der klassischen Rotationsachse in der
Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche
Ungleichung )
188 6 Atome und Quantenmechanik
-2-1 0 1 2 3
-3-2
-1 0
1 2
3
-1-08-06-04-02
0 02 04 06 08
1
x
y
f(xy)
Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der
Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische
Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem
Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-
scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an
einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches
man angetroffen hat
In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit
ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes
Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das
Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man
auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude
oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )
bezeichnet (genau genommen ist f(xy)
eine komplexe Zahl doch das ist hier
nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-
ronen ununterscheidbar sind darf sich
diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern
wenn wir die beiden Elektronen mitei-
nander vertauschen also das erste Elek-
tron am Ort y und das zweite Elektron
am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2
= |f(yx)|2 sein
Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)
selbst kann beim Vertauschen entweder
ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie
wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-
zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt
f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)
Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt
der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-
ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise
Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische
Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten
Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-
tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen
Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin
zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-
gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip
Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-
trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude
Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden
189 Das Pauli-Prinzip
1s
2s
2p
3s
3p
3d
18
Ener
gie
n=1
n=2
n=3
8
2
3dxsup2-ysup2
3pz 3px 3py
3s
2pz
2s
1s
3dxz 3dxy
2py
3dz2 3dyz
2px
Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)
Bosonen Fermionen
810 nK
510 nK
240 nK
Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom
Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2
Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich
zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-
nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich
f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man
in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen
mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht
am selben Ort aufhalten
Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen
derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht
denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man
beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts
Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit
ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-
mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)
groumlszligere Abstaumlnde beibehalten
Das Pauli-Prinzip stellt si-
cher dass sich in der Elek-
tronenhuumllle der Atome
eine stabile Schalenstruk-
tur ausbildet Jeder moumlgli-
che Schwingungszustand der Wellenfunktion
kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-
den die entgegengesetzte Spinausrichtung
aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-
nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige
Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken
ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip
Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-
ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es
wird durch ein subtiles Zusammenspiel von
Quantenmechanik und spezieller Relativi-
taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief
in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler
der modernen Physik begruumlndet
190 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
N
S
Magnet A
Teilchenquelle
Magnet B
Der Spin eines Teilchens S 186
In der klassischen Physik sind wir es normalerweise
gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige
Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit
diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch
Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-
spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen
haben
Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden
und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig
d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen
Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur
unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er
gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-
tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-
dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz
EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die
uumlberarbeitete Version von David Bohm)
Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-
len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen
ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-
gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst
man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht
orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird
immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein
Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-
den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash
welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist
nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall
Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-
ander verhalten werden
Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-
den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte
Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder
Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-
gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann
das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim
Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine
Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide
Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-
der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten
laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat
der Zufall Spin up entschiedenldquo
koumlnnte sich aber maximal mit
Lichtgeschwindigkeit ausbrei-
ten
Einstein Po-
dolsky und Rosen
sprachen daher von einer
bdquospukhaften Fernwirkungldquo und
folgerten dass jedes der beiden Teil-
chen doch eine verborgene lokale Eigen-
schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse
besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits
im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten
waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-
saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet
Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-
cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie
die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig
191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
S
S
N
N
Magnet AKippwinkel 45deg
Magnet BKippwinkel 0deg
Gruppe 1(0darr 45uarr)
Teilchenquelle
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90degGruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
0deg 45deg 90deg
J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und
ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-
rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr
1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich
diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein
Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand
gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-
nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-
rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide
Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt
werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-
gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg
Wenn die Teilchen nun doch eine
lokale innere Eigenschaft besaumlszligen
die ihr Verhalten im Magnetfeld
von vornherein festlegte so wird
es beispielsweise einige darunter
geben die bei 0deg zum Suumldpol bei
45deg zum Nordpol und bei 90deg
ebenfalls zum Nordpol abgelenkt
wuumlrden sodass wir sie mit (0
45 90 ) kennzeichnen koumln-
nen Die zugehoumlrigen Part-
nerteilchen wuumlrden sich
dabei genau entgegenge-
setzt verhalten
Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-
chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde
beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten
zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen
im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol
abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45
verhaumllt
Analog bilden wir Grup-
pe 2 als alle die Teilchen-
paare bei denen ein Teil-
chen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 45
sowie 90 besitzt sowie
Gruppe 3 als alle die Teil-
chenpaare bei denen ein
Teilchen zugleich die bei-
den Kennzeichnungen 0
sowie 90 besitzt
Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare
von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also
muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-
wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten
zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-
send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)
Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-
scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt
sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-
scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-
men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche
Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung
vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen
uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere
Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky
und Rosen wurden widerlegt
Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass
die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung
erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-
greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt
egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze
ist mehr als die Summe seiner Teile
192 6 Atome und Quantenmechanik
Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie
Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012
Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-
orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische
Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-
theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik
jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich
zufriedenstellend beantwortet sind
Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur
grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-
lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-
lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische
Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-
wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-
scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen
instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise
Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also
durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus
dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-
ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der
sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927
u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-
beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber
welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder
dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-
on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-
ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft
die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)
sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-
lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten
Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei
nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da
es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird
Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten
193 Die Interpretation der Quantenmechanik
Tritium
Wellenfunktion = +
Helium-3
ElektronAntineutrino
Detektormisst
Zerfall
makroskopische Realitaumlt
Gift
oder
Gift
Tritiumintakt
Tritiumzerfallen
Wellenfunktion =
+
Dekohaumlrenz
makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2
Gift Gift
Tritium Helium-3
ElektronAntineutrino
Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24
Doch wann genau findet eine solche Messung statt
Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin
Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches
Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem
zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die
zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste
eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet
dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-
tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit
Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers
Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-
digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der
erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-
schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der
quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die
klassische Realitaumlt der Katze
Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-
chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute
tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-
zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-
tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-
elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man
den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in
den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die
sogenannte Viele-Welten-Interpretation
Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom
weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-
same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-
tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie
bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze
jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-
vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in
Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur
sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-
de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung
mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-
abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts
mehr voneinander sodass man sie als verschiedene
Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-
der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der
Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht
In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion
des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-
ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten
verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation
zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-
lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt
im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung
des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung
zwischen Mikro- und Makrokosmos
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
179 Welle-Teilchen-Dualismus
Das Buckminster-Fulleren C60
Reales Doppelspaltexperiment mit 11 (a) 200 (b) 6000 (c) 40 000 (d) und 140 000 (e) Elektronen
Doppelspaltexperiment mit Elektronen Interferenz von Wellen hinter einem Doppelspalt
Wellenfunktion S 180J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Im Experiment kann man naumlmlich beobachten wie auf der Flaumlche hinter
dem Doppelspalt nach und nach immer mehr einzelne Elektronen wie
zufaumlllig an verschiedenen Stellen auftreffen wobei sich schlieszliglich das
streifenfoumlrmige Interferenzmuster herausbildet
Teilchenbahnen gibt es dabei nicht mehr Alles was die Quantenmecha-
nik tun kann ist die Auftreffwahrscheinlichkeiten fuumlr die Elektronen zu
berechnen Der Ort eines einzelnen Elektrons ist dagegen in der Natur
grundsaumltzlich nicht festgelegt d h der Wahrscheinlichkeitscharakter der
Quantenmechanik ist grundsaumltzlicher Natur und hat nichts mit unge-
nauen Messungen zu tun (siehe Wellenfunktion )
Mittlerweile konnten Interferenzmuster
auch beispielsweise fuumlr Fullerenmolekuumlle
nachgewiesen werden die immerhin aus
60 Kohlenstoffatomen bestehen (Anton
Zeilinger 1999) Auch fuumlr sie gilt also der
Welle-Teilchen-Dualismus
180 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Wellenfunktion die senkrecht zu ihrer Flugrichtung im Ort be-schraumlnkt wird (z B indem man sie durch einen engen Spalt schickt) erhaumllt dadurch eine groszlige Impulsunschaumlrfe in dieselbe Richtung wodurch sie sich ausbreitet
Zwei Schwingungszustaumlnde der Wel-lenfunktion eines Elektrons im Wasser-stoffatom Die Farbe gibt die ortsabhaumln-gige Phase der Wellenfunktion an
Bild rechts oben und links mit freundlicher Genehmigung von Bernd Thaller Universitaumlt von Graz Institut fuumlr Mathematik und Wissenschaftliches RechnenB Thaller Visual Quantum Mechanics httpvqmuni-grazatindexhtml Galerie mit Darstellungen von Wellenfunktionen
Anfang des 20 Jahrhunderts haumluften sich die Hinweise dass die Materie aus
kleinen Bausteinen Elementarteilchen genannt aufgebaut ist Zuerst nahm
man an dass die Elementarteilchen kleinen Kugeln aumlhnelten die sich aumlhn-
lich wie alle Objekte unserer Erfahrungswelt auf Flugbahnen bewegen kol-
lidieren und voneinander abprallen Als man aber begann experimentell
tiefer in die Bereiche des Mikrokosmos vorzudringen wurde schnell
klar dass Elementarteilchen ganz anderen Gesetzen folgen als sagen
wir einmal Murmeln oder Steine
Eine Murmel kann man (zumindest im Prinzip) zu
jedem Zeitpunkt vollstaumlndig durch einige wenige Zahlen beschreiben
zum Beispiel Ort und Geschwindigkeit Drehimpuls etc Bei Elementar-
teilchen ist dies nicht mehr moumlglich stattdessen beschreibt man sie durch
ein raumlumlich ausgedehntes Feld Die Bewegungsgleichungen fuumlr dieses
Feld aumlhneln denen von (zum Beispiel elektromagnetischen) Wellen wes-
wegen das Feld Wellenfunktion genannt wird
Durch die Wellennatur der Teilchen gehen
jedoch typische Teilcheneigenschaften verloren
Man kann uumlber die physikalischen Groumlszligen die ein klassisches Teil-
chen beschreiben wuumlrden nur noch statistische Aussagen treffen
Auszligerdem sind gewisse Groumlszligen wie zum Beispiel Ort und Ge-
schwindigkeit des Teilchens zueinander komplementaumlr
Wellenfunktion Verschmierte Teilchen
181 Wellenfunktion
Der Franck-Hertz-Versuch S 184A Zeilinger Einsteins Schleier Die neue Welt der Quantenphysik Goldmann 2003
Die Komplementaritaumlt von Ort und Impuls
Die Komplementaritaumlt von Messgroumlszligen wie Ort und Ge-
schwindigkeit ist nicht wie oft behauptet eine Folge
von ungenauen Messungen sondern eine fun-
damentale Eigenschaft der Wellenfunktionen
An den Stellen an denen das Betragsquadrat
der Wellenfunktion groszlig ist besteht eine hohe
Wahrscheinlichkeit das Elementarteilchen anzutreffen
wenn man danach sucht Die Geschwindigkeit des Teilchens hin-
gegen ist mit der Wellenlaumlnge der Welle verknuumlpft
Um nun einer Welle eine genaue Wellenlaumlnge zuzuordnen muss
sie uumlber einen groszligen Bereich ausgebreitet sein Eine genau be-
stimmte Geschwindigkeit fuumlhrt so zu einem sehr unbestimmten
Ort
Je staumlrker hingegen die Welle an einem Ort kon-
zentriert ist desto weniger genau kann man ihr
eine Wellenlaumlnge zuschreiben weswegen ein
genau bestimmter Ort zu einer sehr ungenau be-
stimmten Geschwindigkeit fuumlhrt
Das bedeutet Je genauer der Ort des Teilchens be-
kannt ist desto ungenauer ist seine Geschwindigkeit
bestimmt und umgekehrt
Die Welleneigenschaften der kleinsten Bausteine wer-
den ganz besonders bei den Elektronen deutlich die
sich in einem Atom befinden Anders als die haumlufig
benutzte Analogie zum Sonnensystem vermuten laumlsst
umkreisen Elektronen den Atomkern nicht denn da-
fuumlr muumlssten sie gleichzeitig einen scharf definierten Ort
und eine scharfe Geschwindigkeit besitzen Stattdessen
kann man sich die Wellenfunktion des Elektrons als
dreidimensionale stehende Welle vorstellen Ebenso
wie bei einer schwingenden Instrumenten-Saite gibt es
im Atom nur bestimmte bdquoerlaubteldquo Schwingungsmo-
den der Wellenfunktion Deswegen sind fuumlr das Elek-
tron im Atom nur bestimmte Energieniveaus erlaubt
zwischen denen es jedoch per bdquo Quantensprungldquo hin-
und herwechseln kann wenn es z B durch einen Licht-
strahl dazu angeregt wird (Franck-Hertz-Versuch )
182 6 Atome und Quantenmechanik
Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt
Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen
Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral
fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-
tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt
besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich
zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-
stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf
einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige
Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-
keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es
den Raumbereich einfach nicht betreten
Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das
Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-
ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr
sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei
werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt
ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash
ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt
die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-
tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst
ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel
am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der
Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von
Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-
berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern
auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-
federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann
man mit dem Konzept des Potentials begreifen
Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der
Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-
sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-
teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte
nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter
Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als
uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )
die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens
angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-
mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-
tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an
einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je
houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in
einem Tal als auf einem Bergldquo
Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-
lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der
klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-
Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis
183 Der Tunneleffekt
Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert
Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html
tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch
waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch
verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit
das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie
ist nicht exakt null
Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-
nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-
hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-
tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit
geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf
es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen
nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-
den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber
den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je
houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den
beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-
lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein
mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-
botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch
den Berg ins naumlchste Tal gelangen
Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-
waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-
nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-
lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum
Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um
so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der
Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie
deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-
steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln
Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und
klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer
Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle
nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die
Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-
det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt
die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich
ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen
durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis
ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng
genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr
hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-
schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne
sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es
ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon
eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-
versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-
scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische
Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum
vorkommt
184 6 Atome und Quantenmechanik
Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben
Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)
Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178
Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-
perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-
drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock
Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich
ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-
tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben
Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-
aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und
hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-
nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James
Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-
ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige
Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann
sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige
den sogenannten Quanten
Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und
Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum
zwischen einer negativ geladenen
Gluumlhkathode und einer positiven
Anode ausfuumlllt An der Kathode
treten staumlndig Elektronen aus die
wegen der angelegten Spannung
in Richtung der Anode beschleu-
nigt werden Auf ihrem Weg da-
hin durchqueren die Elektronen
das Gas und stoszligen dabei staumln-
dig mit den Quecksilberatomen
zusammen An der Anode misst
man durch die Gegenspannungs-
methode die Geschwindigkeit der
ankommenden Elektronen So kann man beobachten
um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-
men verlangsamt werden
Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches
fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-
lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode
zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur
elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei
nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-
nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die
an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast
voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man
auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann
kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu
leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-
den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich
schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die
Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet
Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen
185 Der Franck-Hertz-Versuch
Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu
Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden
Schichten ihre Energie
Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen
Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-
der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende
Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter
man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten
entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-
ben
Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur
in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-
sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen
sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein
Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von
Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann
diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf
das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen
Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe
und wird dann von der angelegten Spannung wieder
aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine
Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt
es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein
Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat
Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man
also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben
Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-
tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-
gie ist dabei von Element zu Element verschieden und
muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-
ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-
huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies
mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur
Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden
war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung
der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch
bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-
niveaus in Atomen
Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-
rigens nicht lange sondern geben sie in Form von
Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die
Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von
47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau
dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-
roumlhre als Leuchten erkennen kann
186 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
Magnetfeld
Rota
tions
achs
e
Praumlzession
magnetischeKraft
Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-
chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein
halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten
Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen
muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-
zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen
Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der
Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach
seine Eigenschaften zu verstehen
Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden
Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin
eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der
Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-
gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon
Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen
und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur
Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen
Spin besitzen
Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-
allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-
nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist
so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen
magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-
netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem
senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese
insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der
Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach
oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher
Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-
feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen
die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was
aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer
Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt
(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen
Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-
nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach
dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld
unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt
Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach
diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-
nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12
aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld
schlugen sich die Silberatome nieder
Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln
187 Der Spin eines Teilchens
Spinrichtung
θ = 0deg
θ = 45deg
θ = 90deg
θ = 135deg
θ = 180deg
θ
N
S
Silberatomstrahl
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter
Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend
einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-
tationsachsen
Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-
berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-
lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das
Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die
Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel
dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in
oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild
der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-
vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens
Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-
sche Beschreibung des Spins aus Angenommen
der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die
um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist
In einem parallel zum Spin ausgerichteten
inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen
also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt
sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht
orientierten inhomogenen Magnetfeld Es
wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2
nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit
sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik
durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)
d h der Spin ist nach der Messung mit die-
sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach
oben oder nach unten orientiert Und das ist
auch schon im Wesentlichen alles was gesagt
werden kann denn die Quantenmechanik
kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen
sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen
bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der
Begriff der klassischen Rotationsachse in der
Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche
Ungleichung )
188 6 Atome und Quantenmechanik
-2-1 0 1 2 3
-3-2
-1 0
1 2
3
-1-08-06-04-02
0 02 04 06 08
1
x
y
f(xy)
Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der
Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische
Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem
Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-
scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an
einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches
man angetroffen hat
In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit
ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes
Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das
Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man
auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude
oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )
bezeichnet (genau genommen ist f(xy)
eine komplexe Zahl doch das ist hier
nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-
ronen ununterscheidbar sind darf sich
diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern
wenn wir die beiden Elektronen mitei-
nander vertauschen also das erste Elek-
tron am Ort y und das zweite Elektron
am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2
= |f(yx)|2 sein
Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)
selbst kann beim Vertauschen entweder
ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie
wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-
zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt
f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)
Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt
der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-
ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise
Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische
Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten
Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-
tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen
Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin
zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-
gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip
Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-
trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude
Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden
189 Das Pauli-Prinzip
1s
2s
2p
3s
3p
3d
18
Ener
gie
n=1
n=2
n=3
8
2
3dxsup2-ysup2
3pz 3px 3py
3s
2pz
2s
1s
3dxz 3dxy
2py
3dz2 3dyz
2px
Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)
Bosonen Fermionen
810 nK
510 nK
240 nK
Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom
Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2
Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich
zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-
nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich
f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man
in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen
mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht
am selben Ort aufhalten
Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen
derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht
denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man
beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts
Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit
ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-
mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)
groumlszligere Abstaumlnde beibehalten
Das Pauli-Prinzip stellt si-
cher dass sich in der Elek-
tronenhuumllle der Atome
eine stabile Schalenstruk-
tur ausbildet Jeder moumlgli-
che Schwingungszustand der Wellenfunktion
kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-
den die entgegengesetzte Spinausrichtung
aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-
nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige
Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken
ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip
Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-
ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es
wird durch ein subtiles Zusammenspiel von
Quantenmechanik und spezieller Relativi-
taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief
in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler
der modernen Physik begruumlndet
190 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
N
S
Magnet A
Teilchenquelle
Magnet B
Der Spin eines Teilchens S 186
In der klassischen Physik sind wir es normalerweise
gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige
Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit
diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch
Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-
spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen
haben
Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden
und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig
d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen
Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur
unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er
gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-
tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-
dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz
EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die
uumlberarbeitete Version von David Bohm)
Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-
len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen
ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-
gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst
man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht
orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird
immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein
Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-
den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash
welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist
nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall
Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-
ander verhalten werden
Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-
den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte
Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder
Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-
gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann
das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim
Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine
Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide
Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-
der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten
laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat
der Zufall Spin up entschiedenldquo
koumlnnte sich aber maximal mit
Lichtgeschwindigkeit ausbrei-
ten
Einstein Po-
dolsky und Rosen
sprachen daher von einer
bdquospukhaften Fernwirkungldquo und
folgerten dass jedes der beiden Teil-
chen doch eine verborgene lokale Eigen-
schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse
besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits
im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten
waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-
saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet
Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-
cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie
die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig
191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
S
S
N
N
Magnet AKippwinkel 45deg
Magnet BKippwinkel 0deg
Gruppe 1(0darr 45uarr)
Teilchenquelle
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90degGruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
0deg 45deg 90deg
J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und
ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-
rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr
1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich
diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein
Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand
gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-
nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-
rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide
Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt
werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-
gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg
Wenn die Teilchen nun doch eine
lokale innere Eigenschaft besaumlszligen
die ihr Verhalten im Magnetfeld
von vornherein festlegte so wird
es beispielsweise einige darunter
geben die bei 0deg zum Suumldpol bei
45deg zum Nordpol und bei 90deg
ebenfalls zum Nordpol abgelenkt
wuumlrden sodass wir sie mit (0
45 90 ) kennzeichnen koumln-
nen Die zugehoumlrigen Part-
nerteilchen wuumlrden sich
dabei genau entgegenge-
setzt verhalten
Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-
chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde
beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten
zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen
im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol
abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45
verhaumllt
Analog bilden wir Grup-
pe 2 als alle die Teilchen-
paare bei denen ein Teil-
chen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 45
sowie 90 besitzt sowie
Gruppe 3 als alle die Teil-
chenpaare bei denen ein
Teilchen zugleich die bei-
den Kennzeichnungen 0
sowie 90 besitzt
Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare
von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also
muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-
wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten
zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-
send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)
Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-
scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt
sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-
scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-
men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche
Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung
vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen
uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere
Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky
und Rosen wurden widerlegt
Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass
die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung
erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-
greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt
egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze
ist mehr als die Summe seiner Teile
192 6 Atome und Quantenmechanik
Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie
Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012
Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-
orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische
Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-
theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik
jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich
zufriedenstellend beantwortet sind
Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur
grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-
lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-
lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische
Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-
wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-
scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen
instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise
Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also
durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus
dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-
ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der
sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927
u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-
beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber
welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder
dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-
on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-
ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft
die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)
sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-
lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten
Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei
nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da
es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird
Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten
193 Die Interpretation der Quantenmechanik
Tritium
Wellenfunktion = +
Helium-3
ElektronAntineutrino
Detektormisst
Zerfall
makroskopische Realitaumlt
Gift
oder
Gift
Tritiumintakt
Tritiumzerfallen
Wellenfunktion =
+
Dekohaumlrenz
makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2
Gift Gift
Tritium Helium-3
ElektronAntineutrino
Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24
Doch wann genau findet eine solche Messung statt
Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin
Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches
Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem
zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die
zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste
eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet
dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-
tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit
Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers
Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-
digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der
erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-
schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der
quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die
klassische Realitaumlt der Katze
Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-
chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute
tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-
zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-
tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-
elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man
den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in
den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die
sogenannte Viele-Welten-Interpretation
Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom
weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-
same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-
tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie
bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze
jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-
vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in
Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur
sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-
de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung
mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-
abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts
mehr voneinander sodass man sie als verschiedene
Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-
der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der
Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht
In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion
des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-
ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten
verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation
zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-
lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt
im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung
des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung
zwischen Mikro- und Makrokosmos
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
180 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Wellenfunktion die senkrecht zu ihrer Flugrichtung im Ort be-schraumlnkt wird (z B indem man sie durch einen engen Spalt schickt) erhaumllt dadurch eine groszlige Impulsunschaumlrfe in dieselbe Richtung wodurch sie sich ausbreitet
Zwei Schwingungszustaumlnde der Wel-lenfunktion eines Elektrons im Wasser-stoffatom Die Farbe gibt die ortsabhaumln-gige Phase der Wellenfunktion an
Bild rechts oben und links mit freundlicher Genehmigung von Bernd Thaller Universitaumlt von Graz Institut fuumlr Mathematik und Wissenschaftliches RechnenB Thaller Visual Quantum Mechanics httpvqmuni-grazatindexhtml Galerie mit Darstellungen von Wellenfunktionen
Anfang des 20 Jahrhunderts haumluften sich die Hinweise dass die Materie aus
kleinen Bausteinen Elementarteilchen genannt aufgebaut ist Zuerst nahm
man an dass die Elementarteilchen kleinen Kugeln aumlhnelten die sich aumlhn-
lich wie alle Objekte unserer Erfahrungswelt auf Flugbahnen bewegen kol-
lidieren und voneinander abprallen Als man aber begann experimentell
tiefer in die Bereiche des Mikrokosmos vorzudringen wurde schnell
klar dass Elementarteilchen ganz anderen Gesetzen folgen als sagen
wir einmal Murmeln oder Steine
Eine Murmel kann man (zumindest im Prinzip) zu
jedem Zeitpunkt vollstaumlndig durch einige wenige Zahlen beschreiben
zum Beispiel Ort und Geschwindigkeit Drehimpuls etc Bei Elementar-
teilchen ist dies nicht mehr moumlglich stattdessen beschreibt man sie durch
ein raumlumlich ausgedehntes Feld Die Bewegungsgleichungen fuumlr dieses
Feld aumlhneln denen von (zum Beispiel elektromagnetischen) Wellen wes-
wegen das Feld Wellenfunktion genannt wird
Durch die Wellennatur der Teilchen gehen
jedoch typische Teilcheneigenschaften verloren
Man kann uumlber die physikalischen Groumlszligen die ein klassisches Teil-
chen beschreiben wuumlrden nur noch statistische Aussagen treffen
Auszligerdem sind gewisse Groumlszligen wie zum Beispiel Ort und Ge-
schwindigkeit des Teilchens zueinander komplementaumlr
Wellenfunktion Verschmierte Teilchen
181 Wellenfunktion
Der Franck-Hertz-Versuch S 184A Zeilinger Einsteins Schleier Die neue Welt der Quantenphysik Goldmann 2003
Die Komplementaritaumlt von Ort und Impuls
Die Komplementaritaumlt von Messgroumlszligen wie Ort und Ge-
schwindigkeit ist nicht wie oft behauptet eine Folge
von ungenauen Messungen sondern eine fun-
damentale Eigenschaft der Wellenfunktionen
An den Stellen an denen das Betragsquadrat
der Wellenfunktion groszlig ist besteht eine hohe
Wahrscheinlichkeit das Elementarteilchen anzutreffen
wenn man danach sucht Die Geschwindigkeit des Teilchens hin-
gegen ist mit der Wellenlaumlnge der Welle verknuumlpft
Um nun einer Welle eine genaue Wellenlaumlnge zuzuordnen muss
sie uumlber einen groszligen Bereich ausgebreitet sein Eine genau be-
stimmte Geschwindigkeit fuumlhrt so zu einem sehr unbestimmten
Ort
Je staumlrker hingegen die Welle an einem Ort kon-
zentriert ist desto weniger genau kann man ihr
eine Wellenlaumlnge zuschreiben weswegen ein
genau bestimmter Ort zu einer sehr ungenau be-
stimmten Geschwindigkeit fuumlhrt
Das bedeutet Je genauer der Ort des Teilchens be-
kannt ist desto ungenauer ist seine Geschwindigkeit
bestimmt und umgekehrt
Die Welleneigenschaften der kleinsten Bausteine wer-
den ganz besonders bei den Elektronen deutlich die
sich in einem Atom befinden Anders als die haumlufig
benutzte Analogie zum Sonnensystem vermuten laumlsst
umkreisen Elektronen den Atomkern nicht denn da-
fuumlr muumlssten sie gleichzeitig einen scharf definierten Ort
und eine scharfe Geschwindigkeit besitzen Stattdessen
kann man sich die Wellenfunktion des Elektrons als
dreidimensionale stehende Welle vorstellen Ebenso
wie bei einer schwingenden Instrumenten-Saite gibt es
im Atom nur bestimmte bdquoerlaubteldquo Schwingungsmo-
den der Wellenfunktion Deswegen sind fuumlr das Elek-
tron im Atom nur bestimmte Energieniveaus erlaubt
zwischen denen es jedoch per bdquo Quantensprungldquo hin-
und herwechseln kann wenn es z B durch einen Licht-
strahl dazu angeregt wird (Franck-Hertz-Versuch )
182 6 Atome und Quantenmechanik
Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt
Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen
Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral
fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-
tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt
besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich
zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-
stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf
einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige
Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-
keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es
den Raumbereich einfach nicht betreten
Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das
Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-
ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr
sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei
werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt
ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash
ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt
die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-
tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst
ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel
am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der
Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von
Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-
berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern
auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-
federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann
man mit dem Konzept des Potentials begreifen
Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der
Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-
sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-
teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte
nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter
Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als
uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )
die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens
angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-
mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-
tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an
einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je
houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in
einem Tal als auf einem Bergldquo
Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-
lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der
klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-
Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis
183 Der Tunneleffekt
Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert
Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html
tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch
waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch
verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit
das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie
ist nicht exakt null
Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-
nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-
hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-
tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit
geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf
es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen
nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-
den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber
den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je
houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den
beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-
lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein
mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-
botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch
den Berg ins naumlchste Tal gelangen
Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-
waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-
nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-
lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum
Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um
so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der
Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie
deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-
steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln
Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und
klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer
Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle
nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die
Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-
det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt
die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich
ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen
durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis
ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng
genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr
hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-
schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne
sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es
ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon
eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-
versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-
scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische
Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum
vorkommt
184 6 Atome und Quantenmechanik
Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben
Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)
Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178
Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-
perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-
drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock
Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich
ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-
tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben
Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-
aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und
hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-
nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James
Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-
ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige
Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann
sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige
den sogenannten Quanten
Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und
Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum
zwischen einer negativ geladenen
Gluumlhkathode und einer positiven
Anode ausfuumlllt An der Kathode
treten staumlndig Elektronen aus die
wegen der angelegten Spannung
in Richtung der Anode beschleu-
nigt werden Auf ihrem Weg da-
hin durchqueren die Elektronen
das Gas und stoszligen dabei staumln-
dig mit den Quecksilberatomen
zusammen An der Anode misst
man durch die Gegenspannungs-
methode die Geschwindigkeit der
ankommenden Elektronen So kann man beobachten
um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-
men verlangsamt werden
Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches
fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-
lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode
zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur
elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei
nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-
nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die
an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast
voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man
auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann
kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu
leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-
den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich
schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die
Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet
Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen
185 Der Franck-Hertz-Versuch
Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu
Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden
Schichten ihre Energie
Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen
Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-
der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende
Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter
man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten
entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-
ben
Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur
in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-
sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen
sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein
Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von
Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann
diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf
das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen
Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe
und wird dann von der angelegten Spannung wieder
aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine
Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt
es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein
Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat
Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man
also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben
Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-
tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-
gie ist dabei von Element zu Element verschieden und
muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-
ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-
huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies
mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur
Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden
war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung
der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch
bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-
niveaus in Atomen
Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-
rigens nicht lange sondern geben sie in Form von
Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die
Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von
47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau
dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-
roumlhre als Leuchten erkennen kann
186 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
Magnetfeld
Rota
tions
achs
e
Praumlzession
magnetischeKraft
Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-
chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein
halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten
Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen
muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-
zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen
Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der
Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach
seine Eigenschaften zu verstehen
Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden
Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin
eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der
Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-
gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon
Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen
und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur
Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen
Spin besitzen
Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-
allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-
nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist
so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen
magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-
netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem
senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese
insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der
Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach
oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher
Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-
feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen
die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was
aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer
Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt
(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen
Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-
nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach
dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld
unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt
Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach
diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-
nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12
aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld
schlugen sich die Silberatome nieder
Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln
187 Der Spin eines Teilchens
Spinrichtung
θ = 0deg
θ = 45deg
θ = 90deg
θ = 135deg
θ = 180deg
θ
N
S
Silberatomstrahl
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter
Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend
einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-
tationsachsen
Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-
berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-
lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das
Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die
Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel
dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in
oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild
der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-
vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens
Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-
sche Beschreibung des Spins aus Angenommen
der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die
um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist
In einem parallel zum Spin ausgerichteten
inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen
also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt
sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht
orientierten inhomogenen Magnetfeld Es
wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2
nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit
sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik
durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)
d h der Spin ist nach der Messung mit die-
sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach
oben oder nach unten orientiert Und das ist
auch schon im Wesentlichen alles was gesagt
werden kann denn die Quantenmechanik
kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen
sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen
bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der
Begriff der klassischen Rotationsachse in der
Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche
Ungleichung )
188 6 Atome und Quantenmechanik
-2-1 0 1 2 3
-3-2
-1 0
1 2
3
-1-08-06-04-02
0 02 04 06 08
1
x
y
f(xy)
Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der
Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische
Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem
Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-
scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an
einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches
man angetroffen hat
In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit
ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes
Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das
Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man
auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude
oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )
bezeichnet (genau genommen ist f(xy)
eine komplexe Zahl doch das ist hier
nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-
ronen ununterscheidbar sind darf sich
diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern
wenn wir die beiden Elektronen mitei-
nander vertauschen also das erste Elek-
tron am Ort y und das zweite Elektron
am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2
= |f(yx)|2 sein
Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)
selbst kann beim Vertauschen entweder
ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie
wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-
zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt
f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)
Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt
der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-
ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise
Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische
Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten
Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-
tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen
Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin
zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-
gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip
Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-
trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude
Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden
189 Das Pauli-Prinzip
1s
2s
2p
3s
3p
3d
18
Ener
gie
n=1
n=2
n=3
8
2
3dxsup2-ysup2
3pz 3px 3py
3s
2pz
2s
1s
3dxz 3dxy
2py
3dz2 3dyz
2px
Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)
Bosonen Fermionen
810 nK
510 nK
240 nK
Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom
Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2
Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich
zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-
nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich
f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man
in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen
mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht
am selben Ort aufhalten
Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen
derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht
denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man
beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts
Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit
ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-
mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)
groumlszligere Abstaumlnde beibehalten
Das Pauli-Prinzip stellt si-
cher dass sich in der Elek-
tronenhuumllle der Atome
eine stabile Schalenstruk-
tur ausbildet Jeder moumlgli-
che Schwingungszustand der Wellenfunktion
kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-
den die entgegengesetzte Spinausrichtung
aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-
nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige
Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken
ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip
Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-
ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es
wird durch ein subtiles Zusammenspiel von
Quantenmechanik und spezieller Relativi-
taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief
in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler
der modernen Physik begruumlndet
190 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
N
S
Magnet A
Teilchenquelle
Magnet B
Der Spin eines Teilchens S 186
In der klassischen Physik sind wir es normalerweise
gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige
Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit
diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch
Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-
spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen
haben
Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden
und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig
d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen
Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur
unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er
gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-
tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-
dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz
EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die
uumlberarbeitete Version von David Bohm)
Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-
len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen
ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-
gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst
man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht
orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird
immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein
Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-
den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash
welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist
nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall
Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-
ander verhalten werden
Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-
den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte
Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder
Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-
gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann
das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim
Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine
Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide
Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-
der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten
laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat
der Zufall Spin up entschiedenldquo
koumlnnte sich aber maximal mit
Lichtgeschwindigkeit ausbrei-
ten
Einstein Po-
dolsky und Rosen
sprachen daher von einer
bdquospukhaften Fernwirkungldquo und
folgerten dass jedes der beiden Teil-
chen doch eine verborgene lokale Eigen-
schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse
besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits
im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten
waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-
saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet
Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-
cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie
die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig
191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
S
S
N
N
Magnet AKippwinkel 45deg
Magnet BKippwinkel 0deg
Gruppe 1(0darr 45uarr)
Teilchenquelle
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90degGruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
0deg 45deg 90deg
J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und
ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-
rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr
1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich
diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein
Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand
gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-
nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-
rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide
Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt
werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-
gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg
Wenn die Teilchen nun doch eine
lokale innere Eigenschaft besaumlszligen
die ihr Verhalten im Magnetfeld
von vornherein festlegte so wird
es beispielsweise einige darunter
geben die bei 0deg zum Suumldpol bei
45deg zum Nordpol und bei 90deg
ebenfalls zum Nordpol abgelenkt
wuumlrden sodass wir sie mit (0
45 90 ) kennzeichnen koumln-
nen Die zugehoumlrigen Part-
nerteilchen wuumlrden sich
dabei genau entgegenge-
setzt verhalten
Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-
chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde
beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten
zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen
im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol
abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45
verhaumllt
Analog bilden wir Grup-
pe 2 als alle die Teilchen-
paare bei denen ein Teil-
chen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 45
sowie 90 besitzt sowie
Gruppe 3 als alle die Teil-
chenpaare bei denen ein
Teilchen zugleich die bei-
den Kennzeichnungen 0
sowie 90 besitzt
Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare
von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also
muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-
wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten
zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-
send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)
Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-
scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt
sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-
scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-
men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche
Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung
vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen
uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere
Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky
und Rosen wurden widerlegt
Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass
die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung
erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-
greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt
egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze
ist mehr als die Summe seiner Teile
192 6 Atome und Quantenmechanik
Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie
Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012
Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-
orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische
Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-
theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik
jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich
zufriedenstellend beantwortet sind
Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur
grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-
lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-
lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische
Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-
wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-
scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen
instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise
Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also
durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus
dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-
ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der
sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927
u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-
beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber
welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder
dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-
on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-
ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft
die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)
sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-
lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten
Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei
nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da
es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird
Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten
193 Die Interpretation der Quantenmechanik
Tritium
Wellenfunktion = +
Helium-3
ElektronAntineutrino
Detektormisst
Zerfall
makroskopische Realitaumlt
Gift
oder
Gift
Tritiumintakt
Tritiumzerfallen
Wellenfunktion =
+
Dekohaumlrenz
makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2
Gift Gift
Tritium Helium-3
ElektronAntineutrino
Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24
Doch wann genau findet eine solche Messung statt
Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin
Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches
Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem
zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die
zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste
eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet
dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-
tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit
Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers
Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-
digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der
erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-
schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der
quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die
klassische Realitaumlt der Katze
Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-
chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute
tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-
zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-
tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-
elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man
den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in
den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die
sogenannte Viele-Welten-Interpretation
Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom
weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-
same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-
tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie
bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze
jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-
vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in
Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur
sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-
de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung
mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-
abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts
mehr voneinander sodass man sie als verschiedene
Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-
der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der
Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht
In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion
des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-
ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten
verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation
zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-
lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt
im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung
des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung
zwischen Mikro- und Makrokosmos
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
181 Wellenfunktion
Der Franck-Hertz-Versuch S 184A Zeilinger Einsteins Schleier Die neue Welt der Quantenphysik Goldmann 2003
Die Komplementaritaumlt von Ort und Impuls
Die Komplementaritaumlt von Messgroumlszligen wie Ort und Ge-
schwindigkeit ist nicht wie oft behauptet eine Folge
von ungenauen Messungen sondern eine fun-
damentale Eigenschaft der Wellenfunktionen
An den Stellen an denen das Betragsquadrat
der Wellenfunktion groszlig ist besteht eine hohe
Wahrscheinlichkeit das Elementarteilchen anzutreffen
wenn man danach sucht Die Geschwindigkeit des Teilchens hin-
gegen ist mit der Wellenlaumlnge der Welle verknuumlpft
Um nun einer Welle eine genaue Wellenlaumlnge zuzuordnen muss
sie uumlber einen groszligen Bereich ausgebreitet sein Eine genau be-
stimmte Geschwindigkeit fuumlhrt so zu einem sehr unbestimmten
Ort
Je staumlrker hingegen die Welle an einem Ort kon-
zentriert ist desto weniger genau kann man ihr
eine Wellenlaumlnge zuschreiben weswegen ein
genau bestimmter Ort zu einer sehr ungenau be-
stimmten Geschwindigkeit fuumlhrt
Das bedeutet Je genauer der Ort des Teilchens be-
kannt ist desto ungenauer ist seine Geschwindigkeit
bestimmt und umgekehrt
Die Welleneigenschaften der kleinsten Bausteine wer-
den ganz besonders bei den Elektronen deutlich die
sich in einem Atom befinden Anders als die haumlufig
benutzte Analogie zum Sonnensystem vermuten laumlsst
umkreisen Elektronen den Atomkern nicht denn da-
fuumlr muumlssten sie gleichzeitig einen scharf definierten Ort
und eine scharfe Geschwindigkeit besitzen Stattdessen
kann man sich die Wellenfunktion des Elektrons als
dreidimensionale stehende Welle vorstellen Ebenso
wie bei einer schwingenden Instrumenten-Saite gibt es
im Atom nur bestimmte bdquoerlaubteldquo Schwingungsmo-
den der Wellenfunktion Deswegen sind fuumlr das Elek-
tron im Atom nur bestimmte Energieniveaus erlaubt
zwischen denen es jedoch per bdquo Quantensprungldquo hin-
und herwechseln kann wenn es z B durch einen Licht-
strahl dazu angeregt wird (Franck-Hertz-Versuch )
182 6 Atome und Quantenmechanik
Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt
Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen
Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral
fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-
tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt
besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich
zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-
stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf
einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige
Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-
keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es
den Raumbereich einfach nicht betreten
Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das
Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-
ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr
sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei
werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt
ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash
ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt
die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-
tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst
ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel
am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der
Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von
Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-
berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern
auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-
federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann
man mit dem Konzept des Potentials begreifen
Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der
Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-
sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-
teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte
nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter
Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als
uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )
die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens
angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-
mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-
tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an
einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je
houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in
einem Tal als auf einem Bergldquo
Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-
lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der
klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-
Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis
183 Der Tunneleffekt
Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert
Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html
tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch
waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch
verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit
das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie
ist nicht exakt null
Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-
nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-
hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-
tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit
geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf
es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen
nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-
den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber
den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je
houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den
beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-
lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein
mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-
botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch
den Berg ins naumlchste Tal gelangen
Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-
waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-
nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-
lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum
Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um
so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der
Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie
deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-
steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln
Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und
klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer
Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle
nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die
Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-
det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt
die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich
ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen
durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis
ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng
genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr
hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-
schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne
sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es
ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon
eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-
versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-
scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische
Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum
vorkommt
184 6 Atome und Quantenmechanik
Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben
Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)
Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178
Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-
perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-
drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock
Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich
ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-
tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben
Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-
aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und
hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-
nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James
Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-
ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige
Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann
sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige
den sogenannten Quanten
Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und
Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum
zwischen einer negativ geladenen
Gluumlhkathode und einer positiven
Anode ausfuumlllt An der Kathode
treten staumlndig Elektronen aus die
wegen der angelegten Spannung
in Richtung der Anode beschleu-
nigt werden Auf ihrem Weg da-
hin durchqueren die Elektronen
das Gas und stoszligen dabei staumln-
dig mit den Quecksilberatomen
zusammen An der Anode misst
man durch die Gegenspannungs-
methode die Geschwindigkeit der
ankommenden Elektronen So kann man beobachten
um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-
men verlangsamt werden
Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches
fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-
lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode
zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur
elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei
nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-
nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die
an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast
voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man
auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann
kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu
leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-
den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich
schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die
Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet
Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen
185 Der Franck-Hertz-Versuch
Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu
Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden
Schichten ihre Energie
Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen
Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-
der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende
Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter
man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten
entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-
ben
Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur
in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-
sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen
sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein
Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von
Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann
diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf
das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen
Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe
und wird dann von der angelegten Spannung wieder
aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine
Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt
es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein
Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat
Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man
also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben
Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-
tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-
gie ist dabei von Element zu Element verschieden und
muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-
ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-
huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies
mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur
Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden
war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung
der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch
bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-
niveaus in Atomen
Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-
rigens nicht lange sondern geben sie in Form von
Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die
Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von
47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau
dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-
roumlhre als Leuchten erkennen kann
186 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
Magnetfeld
Rota
tions
achs
e
Praumlzession
magnetischeKraft
Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-
chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein
halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten
Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen
muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-
zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen
Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der
Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach
seine Eigenschaften zu verstehen
Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden
Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin
eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der
Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-
gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon
Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen
und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur
Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen
Spin besitzen
Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-
allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-
nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist
so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen
magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-
netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem
senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese
insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der
Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach
oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher
Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-
feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen
die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was
aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer
Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt
(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen
Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-
nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach
dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld
unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt
Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach
diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-
nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12
aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld
schlugen sich die Silberatome nieder
Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln
187 Der Spin eines Teilchens
Spinrichtung
θ = 0deg
θ = 45deg
θ = 90deg
θ = 135deg
θ = 180deg
θ
N
S
Silberatomstrahl
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter
Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend
einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-
tationsachsen
Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-
berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-
lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das
Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die
Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel
dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in
oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild
der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-
vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens
Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-
sche Beschreibung des Spins aus Angenommen
der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die
um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist
In einem parallel zum Spin ausgerichteten
inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen
also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt
sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht
orientierten inhomogenen Magnetfeld Es
wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2
nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit
sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik
durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)
d h der Spin ist nach der Messung mit die-
sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach
oben oder nach unten orientiert Und das ist
auch schon im Wesentlichen alles was gesagt
werden kann denn die Quantenmechanik
kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen
sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen
bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der
Begriff der klassischen Rotationsachse in der
Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche
Ungleichung )
188 6 Atome und Quantenmechanik
-2-1 0 1 2 3
-3-2
-1 0
1 2
3
-1-08-06-04-02
0 02 04 06 08
1
x
y
f(xy)
Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der
Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische
Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem
Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-
scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an
einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches
man angetroffen hat
In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit
ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes
Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das
Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man
auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude
oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )
bezeichnet (genau genommen ist f(xy)
eine komplexe Zahl doch das ist hier
nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-
ronen ununterscheidbar sind darf sich
diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern
wenn wir die beiden Elektronen mitei-
nander vertauschen also das erste Elek-
tron am Ort y und das zweite Elektron
am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2
= |f(yx)|2 sein
Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)
selbst kann beim Vertauschen entweder
ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie
wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-
zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt
f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)
Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt
der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-
ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise
Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische
Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten
Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-
tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen
Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin
zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-
gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip
Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-
trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude
Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden
189 Das Pauli-Prinzip
1s
2s
2p
3s
3p
3d
18
Ener
gie
n=1
n=2
n=3
8
2
3dxsup2-ysup2
3pz 3px 3py
3s
2pz
2s
1s
3dxz 3dxy
2py
3dz2 3dyz
2px
Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)
Bosonen Fermionen
810 nK
510 nK
240 nK
Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom
Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2
Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich
zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-
nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich
f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man
in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen
mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht
am selben Ort aufhalten
Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen
derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht
denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man
beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts
Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit
ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-
mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)
groumlszligere Abstaumlnde beibehalten
Das Pauli-Prinzip stellt si-
cher dass sich in der Elek-
tronenhuumllle der Atome
eine stabile Schalenstruk-
tur ausbildet Jeder moumlgli-
che Schwingungszustand der Wellenfunktion
kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-
den die entgegengesetzte Spinausrichtung
aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-
nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige
Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken
ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip
Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-
ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es
wird durch ein subtiles Zusammenspiel von
Quantenmechanik und spezieller Relativi-
taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief
in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler
der modernen Physik begruumlndet
190 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
N
S
Magnet A
Teilchenquelle
Magnet B
Der Spin eines Teilchens S 186
In der klassischen Physik sind wir es normalerweise
gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige
Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit
diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch
Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-
spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen
haben
Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden
und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig
d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen
Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur
unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er
gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-
tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-
dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz
EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die
uumlberarbeitete Version von David Bohm)
Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-
len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen
ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-
gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst
man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht
orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird
immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein
Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-
den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash
welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist
nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall
Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-
ander verhalten werden
Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-
den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte
Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder
Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-
gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann
das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim
Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine
Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide
Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-
der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten
laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat
der Zufall Spin up entschiedenldquo
koumlnnte sich aber maximal mit
Lichtgeschwindigkeit ausbrei-
ten
Einstein Po-
dolsky und Rosen
sprachen daher von einer
bdquospukhaften Fernwirkungldquo und
folgerten dass jedes der beiden Teil-
chen doch eine verborgene lokale Eigen-
schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse
besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits
im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten
waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-
saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet
Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-
cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie
die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig
191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
S
S
N
N
Magnet AKippwinkel 45deg
Magnet BKippwinkel 0deg
Gruppe 1(0darr 45uarr)
Teilchenquelle
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90degGruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
0deg 45deg 90deg
J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und
ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-
rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr
1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich
diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein
Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand
gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-
nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-
rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide
Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt
werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-
gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg
Wenn die Teilchen nun doch eine
lokale innere Eigenschaft besaumlszligen
die ihr Verhalten im Magnetfeld
von vornherein festlegte so wird
es beispielsweise einige darunter
geben die bei 0deg zum Suumldpol bei
45deg zum Nordpol und bei 90deg
ebenfalls zum Nordpol abgelenkt
wuumlrden sodass wir sie mit (0
45 90 ) kennzeichnen koumln-
nen Die zugehoumlrigen Part-
nerteilchen wuumlrden sich
dabei genau entgegenge-
setzt verhalten
Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-
chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde
beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten
zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen
im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol
abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45
verhaumllt
Analog bilden wir Grup-
pe 2 als alle die Teilchen-
paare bei denen ein Teil-
chen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 45
sowie 90 besitzt sowie
Gruppe 3 als alle die Teil-
chenpaare bei denen ein
Teilchen zugleich die bei-
den Kennzeichnungen 0
sowie 90 besitzt
Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare
von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also
muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-
wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten
zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-
send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)
Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-
scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt
sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-
scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-
men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche
Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung
vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen
uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere
Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky
und Rosen wurden widerlegt
Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass
die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung
erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-
greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt
egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze
ist mehr als die Summe seiner Teile
192 6 Atome und Quantenmechanik
Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie
Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012
Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-
orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische
Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-
theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik
jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich
zufriedenstellend beantwortet sind
Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur
grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-
lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-
lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische
Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-
wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-
scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen
instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise
Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also
durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus
dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-
ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der
sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927
u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-
beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber
welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder
dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-
on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-
ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft
die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)
sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-
lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten
Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei
nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da
es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird
Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten
193 Die Interpretation der Quantenmechanik
Tritium
Wellenfunktion = +
Helium-3
ElektronAntineutrino
Detektormisst
Zerfall
makroskopische Realitaumlt
Gift
oder
Gift
Tritiumintakt
Tritiumzerfallen
Wellenfunktion =
+
Dekohaumlrenz
makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2
Gift Gift
Tritium Helium-3
ElektronAntineutrino
Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24
Doch wann genau findet eine solche Messung statt
Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin
Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches
Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem
zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die
zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste
eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet
dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-
tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit
Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers
Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-
digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der
erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-
schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der
quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die
klassische Realitaumlt der Katze
Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-
chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute
tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-
zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-
tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-
elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man
den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in
den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die
sogenannte Viele-Welten-Interpretation
Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom
weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-
same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-
tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie
bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze
jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-
vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in
Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur
sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-
de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung
mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-
abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts
mehr voneinander sodass man sie als verschiedene
Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-
der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der
Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht
In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion
des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-
ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten
verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation
zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-
lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt
im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung
des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung
zwischen Mikro- und Makrokosmos
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
182 6 Atome und Quantenmechanik
Je breiter eine Potentialbarriere ist desto geringer ist der Anteil der Wellenfunktion der hindurchtunnelt
Wellenfunktion S 180J Gribbin Auf der Suche nach Schroumldingers Katze Quantenphysik und Wirklichkeit Piper Taschenbuch 8 Auflage 2010M Uumlberacker MPI fuumlr Quantenoptik Der Tunnelblick httpwwwweltderphysikdegebietetheoriequanteneffektetunnelblick Versuchsbeschreibung zur Beobachtung von getunnelten Elektronen
Die Konzepte von Energie und Potential sind zentral
fuumlr das Verstaumlndnis der klassischen Physik Das Poten-
tial gibt beispielsweise an wie viel Energie ein Objekt
besitzen muss um einen bestimmten Raumbereich
zu betreten Hat es genug so darf es sich an einen be-
stimmten Punkt im Raum befinden (zum Beispiel auf
einem Berg oder in einem Tal) und die uumlberschuumlssige
Energie manifestiert sich dann meist als Geschwindig-
keit Hat es hingegen nicht genug Energie so darf es
den Raumbereich einfach nicht betreten
Durch diese Sichtweise kann man zum Beispiel das
Verhalten von Kinderschaukeln verstehen Diese erhal-
ten ihre Energie durch einen Anschwung und je mehr
sie davon besitzen desto houmlher schwingen sie Dabei
werden sie immer langsamer und am houmlchsten Punkt
ihrer Bahn ndash dem Punkt mit dem houmlchsten Potential ndash
ist ihre Energie gerade ganz aufgebraucht Danach faumlllt
die Schaukel wieder in Bereiche mit geringerem Poten-
tial zuruumlck was sie auch wieder schneller werden laumlsst
ndash da die Gesamtenergie erhalten ist ist die Schaukel
am tiefsten Punkt am schnellsten Das Schwingen der
Schaukel kann man also gut als staumlndiges Wandeln von
Energie und staumlndiges Anrennen gegen einen Potential-
berg verstehen Doch nicht nur Schaukeln sondern
auch Planetenbewegungen das Verhalten von Sprung-
federn oder die Flugbahn von Skateboardfahrern kann
man mit dem Konzept des Potentials begreifen
Wie so oft ist allerdings die Physik auf der Ebene der
Elementarteilchen ein wenig anders als in unserer klas-
sischen Erfahrung Die Quanteneigenschaften der Ma-
teriebausteine haben zur Konsequenz dass Objekte
nicht als kleine punktfoumlrmige Kugeln mit definierter
Flugbahn beschrieben werden koumlnnen sondern als
uumlber den Raum ausgedehnte Wellenfunktionen ( )
die die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens
angeben Solange man also nicht nachsieht ist ein Ele-
mentarteilchen somit bdquoan mehreren Orten gleichzei-
tigldquo Dabei ist die Wahrscheinlichkeit das Teilchen an
einem bestimmten Ort anzutreffen umso geringer je
houmlher dort das Potential ist bdquoEin Teilchen lebt lieber in
einem Tal als auf einem Bergldquo
Nach den Gesetzen der Quantenwelt sinkt eine Wel-
lenfunktion mit einer bestimmten Energie entgegen der
klassischen Intuition an den Stellen an denen das Po-
Der Tunneleffekt Teilchen ohne Aufenthaltserlaubnis
183 Der Tunneleffekt
Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert
Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html
tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch
waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch
verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit
das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie
ist nicht exakt null
Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-
nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-
hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-
tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit
geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf
es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen
nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-
den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber
den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je
houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den
beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-
lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein
mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-
botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch
den Berg ins naumlchste Tal gelangen
Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-
waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-
nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-
lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum
Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um
so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der
Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie
deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-
steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln
Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und
klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer
Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle
nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die
Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-
det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt
die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich
ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen
durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis
ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng
genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr
hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-
schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne
sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es
ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon
eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-
versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-
scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische
Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum
vorkommt
184 6 Atome und Quantenmechanik
Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben
Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)
Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178
Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-
perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-
drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock
Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich
ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-
tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben
Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-
aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und
hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-
nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James
Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-
ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige
Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann
sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige
den sogenannten Quanten
Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und
Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum
zwischen einer negativ geladenen
Gluumlhkathode und einer positiven
Anode ausfuumlllt An der Kathode
treten staumlndig Elektronen aus die
wegen der angelegten Spannung
in Richtung der Anode beschleu-
nigt werden Auf ihrem Weg da-
hin durchqueren die Elektronen
das Gas und stoszligen dabei staumln-
dig mit den Quecksilberatomen
zusammen An der Anode misst
man durch die Gegenspannungs-
methode die Geschwindigkeit der
ankommenden Elektronen So kann man beobachten
um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-
men verlangsamt werden
Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches
fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-
lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode
zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur
elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei
nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-
nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die
an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast
voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man
auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann
kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu
leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-
den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich
schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die
Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet
Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen
185 Der Franck-Hertz-Versuch
Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu
Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden
Schichten ihre Energie
Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen
Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-
der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende
Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter
man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten
entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-
ben
Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur
in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-
sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen
sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein
Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von
Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann
diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf
das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen
Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe
und wird dann von der angelegten Spannung wieder
aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine
Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt
es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein
Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat
Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man
also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben
Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-
tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-
gie ist dabei von Element zu Element verschieden und
muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-
ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-
huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies
mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur
Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden
war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung
der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch
bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-
niveaus in Atomen
Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-
rigens nicht lange sondern geben sie in Form von
Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die
Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von
47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau
dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-
roumlhre als Leuchten erkennen kann
186 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
Magnetfeld
Rota
tions
achs
e
Praumlzession
magnetischeKraft
Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-
chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein
halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten
Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen
muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-
zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen
Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der
Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach
seine Eigenschaften zu verstehen
Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden
Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin
eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der
Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-
gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon
Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen
und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur
Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen
Spin besitzen
Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-
allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-
nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist
so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen
magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-
netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem
senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese
insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der
Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach
oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher
Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-
feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen
die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was
aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer
Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt
(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen
Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-
nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach
dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld
unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt
Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach
diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-
nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12
aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld
schlugen sich die Silberatome nieder
Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln
187 Der Spin eines Teilchens
Spinrichtung
θ = 0deg
θ = 45deg
θ = 90deg
θ = 135deg
θ = 180deg
θ
N
S
Silberatomstrahl
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter
Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend
einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-
tationsachsen
Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-
berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-
lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das
Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die
Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel
dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in
oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild
der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-
vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens
Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-
sche Beschreibung des Spins aus Angenommen
der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die
um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist
In einem parallel zum Spin ausgerichteten
inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen
also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt
sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht
orientierten inhomogenen Magnetfeld Es
wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2
nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit
sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik
durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)
d h der Spin ist nach der Messung mit die-
sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach
oben oder nach unten orientiert Und das ist
auch schon im Wesentlichen alles was gesagt
werden kann denn die Quantenmechanik
kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen
sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen
bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der
Begriff der klassischen Rotationsachse in der
Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche
Ungleichung )
188 6 Atome und Quantenmechanik
-2-1 0 1 2 3
-3-2
-1 0
1 2
3
-1-08-06-04-02
0 02 04 06 08
1
x
y
f(xy)
Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der
Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische
Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem
Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-
scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an
einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches
man angetroffen hat
In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit
ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes
Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das
Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man
auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude
oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )
bezeichnet (genau genommen ist f(xy)
eine komplexe Zahl doch das ist hier
nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-
ronen ununterscheidbar sind darf sich
diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern
wenn wir die beiden Elektronen mitei-
nander vertauschen also das erste Elek-
tron am Ort y und das zweite Elektron
am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2
= |f(yx)|2 sein
Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)
selbst kann beim Vertauschen entweder
ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie
wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-
zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt
f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)
Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt
der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-
ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise
Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische
Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten
Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-
tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen
Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin
zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-
gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip
Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-
trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude
Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden
189 Das Pauli-Prinzip
1s
2s
2p
3s
3p
3d
18
Ener
gie
n=1
n=2
n=3
8
2
3dxsup2-ysup2
3pz 3px 3py
3s
2pz
2s
1s
3dxz 3dxy
2py
3dz2 3dyz
2px
Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)
Bosonen Fermionen
810 nK
510 nK
240 nK
Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom
Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2
Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich
zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-
nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich
f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man
in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen
mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht
am selben Ort aufhalten
Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen
derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht
denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man
beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts
Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit
ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-
mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)
groumlszligere Abstaumlnde beibehalten
Das Pauli-Prinzip stellt si-
cher dass sich in der Elek-
tronenhuumllle der Atome
eine stabile Schalenstruk-
tur ausbildet Jeder moumlgli-
che Schwingungszustand der Wellenfunktion
kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-
den die entgegengesetzte Spinausrichtung
aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-
nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige
Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken
ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip
Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-
ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es
wird durch ein subtiles Zusammenspiel von
Quantenmechanik und spezieller Relativi-
taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief
in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler
der modernen Physik begruumlndet
190 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
N
S
Magnet A
Teilchenquelle
Magnet B
Der Spin eines Teilchens S 186
In der klassischen Physik sind wir es normalerweise
gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige
Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit
diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch
Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-
spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen
haben
Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden
und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig
d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen
Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur
unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er
gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-
tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-
dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz
EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die
uumlberarbeitete Version von David Bohm)
Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-
len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen
ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-
gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst
man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht
orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird
immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein
Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-
den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash
welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist
nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall
Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-
ander verhalten werden
Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-
den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte
Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder
Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-
gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann
das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim
Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine
Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide
Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-
der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten
laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat
der Zufall Spin up entschiedenldquo
koumlnnte sich aber maximal mit
Lichtgeschwindigkeit ausbrei-
ten
Einstein Po-
dolsky und Rosen
sprachen daher von einer
bdquospukhaften Fernwirkungldquo und
folgerten dass jedes der beiden Teil-
chen doch eine verborgene lokale Eigen-
schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse
besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits
im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten
waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-
saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet
Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-
cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie
die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig
191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
S
S
N
N
Magnet AKippwinkel 45deg
Magnet BKippwinkel 0deg
Gruppe 1(0darr 45uarr)
Teilchenquelle
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90degGruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
0deg 45deg 90deg
J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und
ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-
rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr
1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich
diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein
Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand
gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-
nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-
rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide
Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt
werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-
gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg
Wenn die Teilchen nun doch eine
lokale innere Eigenschaft besaumlszligen
die ihr Verhalten im Magnetfeld
von vornherein festlegte so wird
es beispielsweise einige darunter
geben die bei 0deg zum Suumldpol bei
45deg zum Nordpol und bei 90deg
ebenfalls zum Nordpol abgelenkt
wuumlrden sodass wir sie mit (0
45 90 ) kennzeichnen koumln-
nen Die zugehoumlrigen Part-
nerteilchen wuumlrden sich
dabei genau entgegenge-
setzt verhalten
Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-
chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde
beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten
zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen
im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol
abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45
verhaumllt
Analog bilden wir Grup-
pe 2 als alle die Teilchen-
paare bei denen ein Teil-
chen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 45
sowie 90 besitzt sowie
Gruppe 3 als alle die Teil-
chenpaare bei denen ein
Teilchen zugleich die bei-
den Kennzeichnungen 0
sowie 90 besitzt
Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare
von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also
muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-
wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten
zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-
send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)
Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-
scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt
sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-
scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-
men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche
Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung
vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen
uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere
Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky
und Rosen wurden widerlegt
Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass
die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung
erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-
greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt
egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze
ist mehr als die Summe seiner Teile
192 6 Atome und Quantenmechanik
Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie
Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012
Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-
orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische
Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-
theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik
jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich
zufriedenstellend beantwortet sind
Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur
grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-
lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-
lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische
Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-
wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-
scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen
instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise
Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also
durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus
dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-
ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der
sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927
u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-
beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber
welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder
dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-
on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-
ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft
die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)
sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-
lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten
Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei
nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da
es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird
Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten
193 Die Interpretation der Quantenmechanik
Tritium
Wellenfunktion = +
Helium-3
ElektronAntineutrino
Detektormisst
Zerfall
makroskopische Realitaumlt
Gift
oder
Gift
Tritiumintakt
Tritiumzerfallen
Wellenfunktion =
+
Dekohaumlrenz
makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2
Gift Gift
Tritium Helium-3
ElektronAntineutrino
Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24
Doch wann genau findet eine solche Messung statt
Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin
Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches
Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem
zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die
zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste
eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet
dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-
tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit
Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers
Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-
digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der
erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-
schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der
quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die
klassische Realitaumlt der Katze
Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-
chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute
tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-
zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-
tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-
elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man
den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in
den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die
sogenannte Viele-Welten-Interpretation
Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom
weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-
same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-
tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie
bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze
jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-
vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in
Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur
sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-
de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung
mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-
abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts
mehr voneinander sodass man sie als verschiedene
Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-
der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der
Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht
In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion
des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-
ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten
verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation
zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-
lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt
im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung
des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung
zwischen Mikro- und Makrokosmos
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
183 Der Tunneleffekt
Simulation eines Wellenpaketes ndash der groumlszligere Teil wird an der Bar-riere reflektiert ein Teil jedoch wird transmittiert
Bilder von Concord Consortium und Molecular Workbench httpconcordorg httpmwconcordorgRastertunnelmikroskopie S 210Radioaktiver Zerfall S 176Drillingsraumde Interview mit dem Nobelpreistraumlger Gerd Binning httpwwwdrillingsraumdegerd-binniggerd-binnig-2html
tential nach klassischer Vorstellung eigentlich zu hoch
waumlre jedoch nicht sofort auf null ab In den bdquoklassisch
verbotenenldquo Bereichen sinkt die Wahrscheinlichkeit
das Teilchen anzutreffen zwar exponentiell ab aber sie
ist nicht exakt null
Das fuumlhrt zu einem interessanten Phaumlnomen bei soge-
nannten Potentialbarrieren also Orten mit sehr ho-
hem Potential die zwei Bereiche mit niedrigem Poten-
tial voneinander trennen Befindet sich ein Teilchen mit
geringer Energie in einem der beiden Bereiche so darf
es nach den Regeln der klassischen Physik den anderen
nie betreten da es die Potentialbarriere nicht uumlberwin-
den kann Die Energie reicht eigentlich nicht aus uumlber
den Berg zu kommen Nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik allerdings geht das schon Zwar gilt dass je
houmlher und breiter die Potentialbarriere zwischen den
beiden Bereichen ist desto geringer die Wahrschein-
lichkeit dafuumlr aber trotzdem ist sie nie ganz null Ein
mikroskopisches Teilchen kann also den klassisch ver-
botenen Grenzbereich bdquodurchtunnelnldquo Es kann durch
den Berg ins naumlchste Tal gelangen
Dieser Tunneleffekt ist in der Quantenwelt allgegen-
waumlrtig und fuumlr eine Vielzahl der ungewoumlhnlichen Phauml-
nomene auf der mikroskopischen Ebene verantwort-
lich So misst das Rastertunnelmikroskop ( ) zum
Beispiel den Strom von tunnelnden Elektronen um
so die Struktur von Atomoberflaumlchen abzutasten Der
Alpha-Zerfall von radioaktiven Atomkernen ( ) sowie
deren Spaltung sind ebenfalls nur moumlglich weil Bau-
steine aus dem Kerninneren nach auszligen tunneln
Warum aber koumlnnen Quantenobjekte tunneln und
klassische Objekte nicht Letztere sind doch aus einer
Vielzahl von Elementarteilchen aufgebaut die sich alle
nach den Regeln der Quantenphysik verhalten Die
Antwort darauf liegt in der Wahrscheinlichkeit begruumln-
det Je mehr Masse ein Objekt hat desto schneller faumlllt
die Wellenfunktion im klassisch verbotenen Bereich
ab umso weniger weit also bdquokommtldquo das Teilchen
durch den Berg und insbesondere eben nicht mehr bis
ins naumlchste Tal Es ist also fuumlr einen Menschen streng
genommen nicht absolut unmoumlglich durch eine Tuumlr
hindurchzutunneln also auf der einen Seite zu ver-
schwinden und auf der anderen zu erscheinen ohne
sich durch den Raum dazwischen bewegt zu haben Es
ist nur sehr sehr unwahrscheinlich Man muumlsste schon
eine Zeit lang warten ndash deutlich laumlnger als es das Uni-
versum schon gibt ndash bevor es eine nennenswerte Wahr-
scheinlichkeit gibt dass eine solche makroskopische
Tunnelung auch nur einmal irgendwo im Universum
vorkommt
184 6 Atome und Quantenmechanik
Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben
Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)
Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178
Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-
perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-
drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock
Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich
ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-
tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben
Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-
aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und
hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-
nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James
Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-
ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige
Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann
sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige
den sogenannten Quanten
Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und
Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum
zwischen einer negativ geladenen
Gluumlhkathode und einer positiven
Anode ausfuumlllt An der Kathode
treten staumlndig Elektronen aus die
wegen der angelegten Spannung
in Richtung der Anode beschleu-
nigt werden Auf ihrem Weg da-
hin durchqueren die Elektronen
das Gas und stoszligen dabei staumln-
dig mit den Quecksilberatomen
zusammen An der Anode misst
man durch die Gegenspannungs-
methode die Geschwindigkeit der
ankommenden Elektronen So kann man beobachten
um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-
men verlangsamt werden
Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches
fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-
lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode
zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur
elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei
nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-
nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die
an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast
voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man
auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann
kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu
leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-
den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich
schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die
Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet
Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen
185 Der Franck-Hertz-Versuch
Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu
Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden
Schichten ihre Energie
Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen
Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-
der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende
Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter
man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten
entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-
ben
Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur
in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-
sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen
sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein
Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von
Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann
diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf
das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen
Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe
und wird dann von der angelegten Spannung wieder
aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine
Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt
es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein
Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat
Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man
also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben
Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-
tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-
gie ist dabei von Element zu Element verschieden und
muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-
ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-
huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies
mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur
Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden
war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung
der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch
bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-
niveaus in Atomen
Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-
rigens nicht lange sondern geben sie in Form von
Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die
Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von
47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau
dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-
roumlhre als Leuchten erkennen kann
186 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
Magnetfeld
Rota
tions
achs
e
Praumlzession
magnetischeKraft
Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-
chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein
halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten
Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen
muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-
zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen
Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der
Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach
seine Eigenschaften zu verstehen
Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden
Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin
eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der
Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-
gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon
Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen
und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur
Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen
Spin besitzen
Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-
allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-
nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist
so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen
magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-
netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem
senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese
insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der
Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach
oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher
Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-
feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen
die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was
aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer
Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt
(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen
Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-
nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach
dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld
unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt
Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach
diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-
nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12
aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld
schlugen sich die Silberatome nieder
Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln
187 Der Spin eines Teilchens
Spinrichtung
θ = 0deg
θ = 45deg
θ = 90deg
θ = 135deg
θ = 180deg
θ
N
S
Silberatomstrahl
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter
Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend
einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-
tationsachsen
Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-
berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-
lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das
Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die
Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel
dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in
oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild
der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-
vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens
Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-
sche Beschreibung des Spins aus Angenommen
der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die
um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist
In einem parallel zum Spin ausgerichteten
inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen
also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt
sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht
orientierten inhomogenen Magnetfeld Es
wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2
nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit
sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik
durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)
d h der Spin ist nach der Messung mit die-
sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach
oben oder nach unten orientiert Und das ist
auch schon im Wesentlichen alles was gesagt
werden kann denn die Quantenmechanik
kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen
sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen
bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der
Begriff der klassischen Rotationsachse in der
Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche
Ungleichung )
188 6 Atome und Quantenmechanik
-2-1 0 1 2 3
-3-2
-1 0
1 2
3
-1-08-06-04-02
0 02 04 06 08
1
x
y
f(xy)
Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der
Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische
Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem
Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-
scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an
einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches
man angetroffen hat
In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit
ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes
Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das
Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man
auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude
oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )
bezeichnet (genau genommen ist f(xy)
eine komplexe Zahl doch das ist hier
nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-
ronen ununterscheidbar sind darf sich
diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern
wenn wir die beiden Elektronen mitei-
nander vertauschen also das erste Elek-
tron am Ort y und das zweite Elektron
am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2
= |f(yx)|2 sein
Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)
selbst kann beim Vertauschen entweder
ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie
wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-
zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt
f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)
Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt
der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-
ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise
Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische
Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten
Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-
tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen
Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin
zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-
gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip
Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-
trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude
Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden
189 Das Pauli-Prinzip
1s
2s
2p
3s
3p
3d
18
Ener
gie
n=1
n=2
n=3
8
2
3dxsup2-ysup2
3pz 3px 3py
3s
2pz
2s
1s
3dxz 3dxy
2py
3dz2 3dyz
2px
Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)
Bosonen Fermionen
810 nK
510 nK
240 nK
Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom
Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2
Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich
zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-
nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich
f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man
in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen
mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht
am selben Ort aufhalten
Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen
derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht
denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man
beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts
Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit
ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-
mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)
groumlszligere Abstaumlnde beibehalten
Das Pauli-Prinzip stellt si-
cher dass sich in der Elek-
tronenhuumllle der Atome
eine stabile Schalenstruk-
tur ausbildet Jeder moumlgli-
che Schwingungszustand der Wellenfunktion
kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-
den die entgegengesetzte Spinausrichtung
aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-
nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige
Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken
ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip
Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-
ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es
wird durch ein subtiles Zusammenspiel von
Quantenmechanik und spezieller Relativi-
taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief
in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler
der modernen Physik begruumlndet
190 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
N
S
Magnet A
Teilchenquelle
Magnet B
Der Spin eines Teilchens S 186
In der klassischen Physik sind wir es normalerweise
gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige
Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit
diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch
Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-
spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen
haben
Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden
und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig
d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen
Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur
unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er
gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-
tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-
dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz
EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die
uumlberarbeitete Version von David Bohm)
Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-
len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen
ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-
gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst
man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht
orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird
immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein
Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-
den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash
welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist
nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall
Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-
ander verhalten werden
Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-
den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte
Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder
Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-
gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann
das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim
Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine
Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide
Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-
der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten
laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat
der Zufall Spin up entschiedenldquo
koumlnnte sich aber maximal mit
Lichtgeschwindigkeit ausbrei-
ten
Einstein Po-
dolsky und Rosen
sprachen daher von einer
bdquospukhaften Fernwirkungldquo und
folgerten dass jedes der beiden Teil-
chen doch eine verborgene lokale Eigen-
schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse
besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits
im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten
waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-
saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet
Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-
cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie
die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig
191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
S
S
N
N
Magnet AKippwinkel 45deg
Magnet BKippwinkel 0deg
Gruppe 1(0darr 45uarr)
Teilchenquelle
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90degGruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
0deg 45deg 90deg
J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und
ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-
rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr
1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich
diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein
Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand
gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-
nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-
rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide
Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt
werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-
gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg
Wenn die Teilchen nun doch eine
lokale innere Eigenschaft besaumlszligen
die ihr Verhalten im Magnetfeld
von vornherein festlegte so wird
es beispielsweise einige darunter
geben die bei 0deg zum Suumldpol bei
45deg zum Nordpol und bei 90deg
ebenfalls zum Nordpol abgelenkt
wuumlrden sodass wir sie mit (0
45 90 ) kennzeichnen koumln-
nen Die zugehoumlrigen Part-
nerteilchen wuumlrden sich
dabei genau entgegenge-
setzt verhalten
Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-
chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde
beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten
zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen
im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol
abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45
verhaumllt
Analog bilden wir Grup-
pe 2 als alle die Teilchen-
paare bei denen ein Teil-
chen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 45
sowie 90 besitzt sowie
Gruppe 3 als alle die Teil-
chenpaare bei denen ein
Teilchen zugleich die bei-
den Kennzeichnungen 0
sowie 90 besitzt
Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare
von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also
muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-
wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten
zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-
send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)
Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-
scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt
sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-
scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-
men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche
Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung
vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen
uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere
Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky
und Rosen wurden widerlegt
Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass
die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung
erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-
greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt
egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze
ist mehr als die Summe seiner Teile
192 6 Atome und Quantenmechanik
Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie
Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012
Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-
orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische
Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-
theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik
jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich
zufriedenstellend beantwortet sind
Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur
grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-
lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-
lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische
Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-
wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-
scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen
instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise
Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also
durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus
dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-
ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der
sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927
u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-
beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber
welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder
dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-
on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-
ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft
die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)
sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-
lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten
Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei
nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da
es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird
Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten
193 Die Interpretation der Quantenmechanik
Tritium
Wellenfunktion = +
Helium-3
ElektronAntineutrino
Detektormisst
Zerfall
makroskopische Realitaumlt
Gift
oder
Gift
Tritiumintakt
Tritiumzerfallen
Wellenfunktion =
+
Dekohaumlrenz
makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2
Gift Gift
Tritium Helium-3
ElektronAntineutrino
Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24
Doch wann genau findet eine solche Messung statt
Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin
Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches
Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem
zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die
zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste
eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet
dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-
tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit
Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers
Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-
digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der
erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-
schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der
quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die
klassische Realitaumlt der Katze
Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-
chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute
tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-
zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-
tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-
elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man
den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in
den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die
sogenannte Viele-Welten-Interpretation
Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom
weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-
same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-
tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie
bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze
jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-
vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in
Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur
sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-
de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung
mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-
abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts
mehr voneinander sodass man sie als verschiedene
Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-
der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der
Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht
In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion
des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-
ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten
verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation
zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-
lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt
im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung
des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung
zwischen Mikro- und Makrokosmos
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
184 6 Atome und Quantenmechanik
Erst wenn sie die kritische Geschwindigkeit ndash und damit Energie ndash erreichen koumlnnen sie diese an die Atome abgeben
Solange die Elektronen nicht die richtige Geschwindigkeit erreichen verlieren sie keine Energie (nur elastische Stoumlszlige)
Die elektromagnetische Wechselwirkung S 56Welle-Teilchen-Dualismus S 178
Als die Physiker zu Beginn des 20 Jahrhunderts ex-
perimentell in die Welt der Atome und Molekuumlle vor-
drangen erlitt ihr Weltbild einen ordentlichen Schock
Die mikroskopischen Materiebausteine verhielten sich
ganz anders als die makroskopischen Objekte der All-
tagswelt mit denen wir taumlglich zu tun haben
Eine der sonderbaren Eigenschaften von Atomen ver-
aumlnderte das Verstaumlndnis von Materie grundlegend und
hat bis heute weitreichende Konsequenzen fuumlr tech-
nische Anwendungen Im Jahre 1914 bewiesen James
Franck und Gustav Hertz in einem bis heute beruumlhm-
ten Versuch dass man einem Atom nicht beliebige
Mengen an Energie zufuumlhren (oder wegnehmen) kann
sondern nur in gewissen Paketen festgelegter Groumlszlige
den sogenannten Quanten
Das Herzstuumlck des Versuches ist ein Gas (Franck und
Hertz benutzten damals Quecksilber) das den Raum
zwischen einer negativ geladenen
Gluumlhkathode und einer positiven
Anode ausfuumlllt An der Kathode
treten staumlndig Elektronen aus die
wegen der angelegten Spannung
in Richtung der Anode beschleu-
nigt werden Auf ihrem Weg da-
hin durchqueren die Elektronen
das Gas und stoszligen dabei staumln-
dig mit den Quecksilberatomen
zusammen An der Anode misst
man durch die Gegenspannungs-
methode die Geschwindigkeit der
ankommenden Elektronen So kann man beobachten
um wie viel die Elektronen durch Stoumlszlige an den Gasato-
men verlangsamt werden
Franck und Hertz stellten dabei etwas Erstaunliches
fest Legt man nur eine geringe Spannung an so ver-
lieren die Elektronen auf ihrem Weg von der Kathode
zur Anode keinerlei Energie Das bedeutet dass sie nur
elastisch mit den Atomen zusammenstoszligen und dabei
nicht an Geschwindigkeit verlieren Erreicht die Span-
nung allerdings einen Wert von 47 Volt dann sind die
an der Anode ankommenden Elektronen ploumltzlich fast
voumlllig ohne Energie In einem dunklen Raum kann man
auszligerdem beobachten dass das Quecksilbergas dann
kurz vor der Anode in einer duumlnnen Schicht anfaumlngt zu
leuchten Dreht man die Spannung weiter hoch wer-
den die ankommenden Elektronen wieder allmaumlhlich
schneller und die leuchtende Schicht wandert auf die
Gluumlhkathode zu die die Elektronen aussendet
Der Franck-Hertz-Versuch Energiespruumlnge in Atomen
185 Der Franck-Hertz-Versuch
Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu
Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden
Schichten ihre Energie
Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen
Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-
der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende
Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter
man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten
entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-
ben
Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur
in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-
sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen
sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein
Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von
Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann
diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf
das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen
Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe
und wird dann von der angelegten Spannung wieder
aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine
Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt
es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein
Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat
Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man
also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben
Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-
tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-
gie ist dabei von Element zu Element verschieden und
muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-
ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-
huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies
mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur
Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden
war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung
der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch
bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-
niveaus in Atomen
Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-
rigens nicht lange sondern geben sie in Form von
Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die
Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von
47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau
dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-
roumlhre als Leuchten erkennen kann
186 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
Magnetfeld
Rota
tions
achs
e
Praumlzession
magnetischeKraft
Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-
chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein
halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten
Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen
muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-
zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen
Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der
Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach
seine Eigenschaften zu verstehen
Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden
Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin
eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der
Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-
gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon
Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen
und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur
Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen
Spin besitzen
Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-
allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-
nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist
so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen
magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-
netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem
senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese
insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der
Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach
oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher
Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-
feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen
die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was
aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer
Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt
(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen
Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-
nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach
dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld
unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt
Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach
diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-
nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12
aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld
schlugen sich die Silberatome nieder
Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln
187 Der Spin eines Teilchens
Spinrichtung
θ = 0deg
θ = 45deg
θ = 90deg
θ = 135deg
θ = 180deg
θ
N
S
Silberatomstrahl
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter
Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend
einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-
tationsachsen
Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-
berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-
lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das
Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die
Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel
dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in
oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild
der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-
vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens
Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-
sche Beschreibung des Spins aus Angenommen
der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die
um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist
In einem parallel zum Spin ausgerichteten
inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen
also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt
sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht
orientierten inhomogenen Magnetfeld Es
wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2
nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit
sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik
durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)
d h der Spin ist nach der Messung mit die-
sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach
oben oder nach unten orientiert Und das ist
auch schon im Wesentlichen alles was gesagt
werden kann denn die Quantenmechanik
kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen
sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen
bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der
Begriff der klassischen Rotationsachse in der
Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche
Ungleichung )
188 6 Atome und Quantenmechanik
-2-1 0 1 2 3
-3-2
-1 0
1 2
3
-1-08-06-04-02
0 02 04 06 08
1
x
y
f(xy)
Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der
Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische
Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem
Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-
scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an
einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches
man angetroffen hat
In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit
ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes
Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das
Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man
auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude
oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )
bezeichnet (genau genommen ist f(xy)
eine komplexe Zahl doch das ist hier
nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-
ronen ununterscheidbar sind darf sich
diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern
wenn wir die beiden Elektronen mitei-
nander vertauschen also das erste Elek-
tron am Ort y und das zweite Elektron
am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2
= |f(yx)|2 sein
Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)
selbst kann beim Vertauschen entweder
ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie
wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-
zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt
f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)
Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt
der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-
ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise
Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische
Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten
Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-
tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen
Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin
zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-
gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip
Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-
trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude
Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden
189 Das Pauli-Prinzip
1s
2s
2p
3s
3p
3d
18
Ener
gie
n=1
n=2
n=3
8
2
3dxsup2-ysup2
3pz 3px 3py
3s
2pz
2s
1s
3dxz 3dxy
2py
3dz2 3dyz
2px
Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)
Bosonen Fermionen
810 nK
510 nK
240 nK
Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom
Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2
Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich
zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-
nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich
f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man
in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen
mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht
am selben Ort aufhalten
Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen
derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht
denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man
beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts
Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit
ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-
mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)
groumlszligere Abstaumlnde beibehalten
Das Pauli-Prinzip stellt si-
cher dass sich in der Elek-
tronenhuumllle der Atome
eine stabile Schalenstruk-
tur ausbildet Jeder moumlgli-
che Schwingungszustand der Wellenfunktion
kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-
den die entgegengesetzte Spinausrichtung
aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-
nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige
Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken
ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip
Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-
ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es
wird durch ein subtiles Zusammenspiel von
Quantenmechanik und spezieller Relativi-
taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief
in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler
der modernen Physik begruumlndet
190 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
N
S
Magnet A
Teilchenquelle
Magnet B
Der Spin eines Teilchens S 186
In der klassischen Physik sind wir es normalerweise
gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige
Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit
diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch
Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-
spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen
haben
Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden
und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig
d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen
Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur
unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er
gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-
tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-
dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz
EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die
uumlberarbeitete Version von David Bohm)
Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-
len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen
ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-
gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst
man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht
orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird
immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein
Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-
den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash
welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist
nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall
Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-
ander verhalten werden
Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-
den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte
Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder
Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-
gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann
das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim
Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine
Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide
Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-
der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten
laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat
der Zufall Spin up entschiedenldquo
koumlnnte sich aber maximal mit
Lichtgeschwindigkeit ausbrei-
ten
Einstein Po-
dolsky und Rosen
sprachen daher von einer
bdquospukhaften Fernwirkungldquo und
folgerten dass jedes der beiden Teil-
chen doch eine verborgene lokale Eigen-
schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse
besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits
im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten
waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-
saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet
Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-
cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie
die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig
191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
S
S
N
N
Magnet AKippwinkel 45deg
Magnet BKippwinkel 0deg
Gruppe 1(0darr 45uarr)
Teilchenquelle
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90degGruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
0deg 45deg 90deg
J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und
ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-
rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr
1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich
diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein
Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand
gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-
nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-
rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide
Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt
werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-
gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg
Wenn die Teilchen nun doch eine
lokale innere Eigenschaft besaumlszligen
die ihr Verhalten im Magnetfeld
von vornherein festlegte so wird
es beispielsweise einige darunter
geben die bei 0deg zum Suumldpol bei
45deg zum Nordpol und bei 90deg
ebenfalls zum Nordpol abgelenkt
wuumlrden sodass wir sie mit (0
45 90 ) kennzeichnen koumln-
nen Die zugehoumlrigen Part-
nerteilchen wuumlrden sich
dabei genau entgegenge-
setzt verhalten
Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-
chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde
beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten
zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen
im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol
abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45
verhaumllt
Analog bilden wir Grup-
pe 2 als alle die Teilchen-
paare bei denen ein Teil-
chen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 45
sowie 90 besitzt sowie
Gruppe 3 als alle die Teil-
chenpaare bei denen ein
Teilchen zugleich die bei-
den Kennzeichnungen 0
sowie 90 besitzt
Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare
von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also
muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-
wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten
zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-
send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)
Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-
scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt
sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-
scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-
men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche
Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung
vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen
uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere
Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky
und Rosen wurden widerlegt
Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass
die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung
erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-
greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt
egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze
ist mehr als die Summe seiner Teile
192 6 Atome und Quantenmechanik
Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie
Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012
Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-
orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische
Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-
theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik
jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich
zufriedenstellend beantwortet sind
Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur
grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-
lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-
lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische
Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-
wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-
scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen
instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise
Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also
durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus
dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-
ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der
sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927
u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-
beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber
welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder
dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-
on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-
ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft
die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)
sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-
lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten
Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei
nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da
es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird
Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten
193 Die Interpretation der Quantenmechanik
Tritium
Wellenfunktion = +
Helium-3
ElektronAntineutrino
Detektormisst
Zerfall
makroskopische Realitaumlt
Gift
oder
Gift
Tritiumintakt
Tritiumzerfallen
Wellenfunktion =
+
Dekohaumlrenz
makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2
Gift Gift
Tritium Helium-3
ElektronAntineutrino
Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24
Doch wann genau findet eine solche Messung statt
Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin
Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches
Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem
zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die
zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste
eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet
dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-
tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit
Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers
Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-
digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der
erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-
schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der
quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die
klassische Realitaumlt der Katze
Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-
chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute
tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-
zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-
tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-
elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man
den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in
den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die
sogenannte Viele-Welten-Interpretation
Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom
weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-
same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-
tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie
bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze
jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-
vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in
Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur
sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-
de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung
mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-
abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts
mehr voneinander sodass man sie als verschiedene
Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-
der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der
Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht
In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion
des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-
ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten
verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation
zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-
lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt
im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung
des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung
zwischen Mikro- und Makrokosmos
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
185 Der Franck-Hertz-Versuch
Jedes Mal wenn die Endgeschwin-digkeit absinkt kommt ein wei-terer leuchtender Streifen hinzu
Die Elektronen verlieren genau in den leuchtenden
Schichten ihre Energie
Bild rechts unten mit freundlicher Genehmigung von Ed LochokiDas Bohrrsquosche Atommodell S 172H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
Erreicht die Spannung das Doppelte des kritischen
Wertes also 94 Volt sind die Elektronen ploumltzlich wie-
der fast voumlllig ohne Energie und eine zweite leuchtende
Schicht entsteht Dieses Spiel setzt sich fort Je weiter
man die Spannung erhoumlht desto mehr Gluumlhschichten
entstehen die alle denselben Abstand voneinander ha-
ben
Dieses Verhalten zeigt dass auch Atome Energie nur
in Portionen gewisser Groumlszlige aufnehmen koumlnnen Be-
sitzen die Elektronen nicht genug Energie so koumlnnen
sie diese nicht an die Atome abgeben Erst wenn ein
Elektron genug davon angesammelt hat ndash im Falle von
Quecksilber eine Energie von 47 Elektronenvolt ndash kann
diese Energie beim Zusammenstoszlig vom Elektron auf
das Atom uumlbertragen werden Nach einem solchen
Stoszlig befindet sich das Elektron zuerst einmal in Ruhe
und wird dann von der angelegten Spannung wieder
aufs Neue beschleunigt Sobald es ein zweites Mal eine
Energie von 47 Elektronenvolt angesammelt hat gibt
es diese beim naumlchsten Zusammenstoszlig wieder an ein
Atom ab usw bis das Elektron die Anode erreicht hat
Will man einem Atom Energie zufuumlhren so muss man
also genau den richtigen Betrag zur Verfuumlgung haben
Zu wenig nimmt es nicht an und ebenso wenig akzep-
tiert es eine zu groszlige Energiemenge Die erlaubte Ener-
gie ist dabei von Element zu Element verschieden und
muss wie wir heute wissen genau einem der Uumlbergaumln-
ge zwischen zwei Energiezustaumlnden in der Elektronen-
huumllle des Atoms entsprechen Erklaumlren kann man dies
mit dem Bohrrsquoschen Atommodell ( ) das zwar zur
Zeit von Franck und Hertz bereits entwickelt worden
war aber nur als theoretisches Modell zur Erklaumlrung
der Atomspektren galt Erst der Franck-Hertz-Versuch
bewies die physikalische Realitaumlt der diskreten Energie-
niveaus in Atomen
Die Atome behalten ihre uumlberschuumlssige Energie uumlb-
rigens nicht lange sondern geben sie in Form von
Strahlung ab Nach einem Zusammenstoszlig senden die
Quecksilberatome also ihre eben erhaltene Energie von
47 Elektronenvolt in Form eines Photons mit genau
dieser Energiemenge wieder aus was man in der Gas-
roumlhre als Leuchten erkennen kann
186 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
Magnetfeld
Rota
tions
achs
e
Praumlzession
magnetischeKraft
Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-
chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein
halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten
Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen
muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-
zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen
Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der
Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach
seine Eigenschaften zu verstehen
Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden
Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin
eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der
Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-
gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon
Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen
und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur
Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen
Spin besitzen
Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-
allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-
nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist
so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen
magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-
netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem
senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese
insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der
Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach
oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher
Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-
feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen
die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was
aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer
Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt
(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen
Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-
nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach
dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld
unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt
Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach
diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-
nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12
aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld
schlugen sich die Silberatome nieder
Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln
187 Der Spin eines Teilchens
Spinrichtung
θ = 0deg
θ = 45deg
θ = 90deg
θ = 135deg
θ = 180deg
θ
N
S
Silberatomstrahl
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter
Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend
einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-
tationsachsen
Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-
berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-
lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das
Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die
Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel
dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in
oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild
der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-
vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens
Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-
sche Beschreibung des Spins aus Angenommen
der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die
um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist
In einem parallel zum Spin ausgerichteten
inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen
also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt
sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht
orientierten inhomogenen Magnetfeld Es
wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2
nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit
sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik
durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)
d h der Spin ist nach der Messung mit die-
sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach
oben oder nach unten orientiert Und das ist
auch schon im Wesentlichen alles was gesagt
werden kann denn die Quantenmechanik
kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen
sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen
bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der
Begriff der klassischen Rotationsachse in der
Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche
Ungleichung )
188 6 Atome und Quantenmechanik
-2-1 0 1 2 3
-3-2
-1 0
1 2
3
-1-08-06-04-02
0 02 04 06 08
1
x
y
f(xy)
Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der
Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische
Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem
Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-
scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an
einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches
man angetroffen hat
In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit
ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes
Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das
Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man
auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude
oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )
bezeichnet (genau genommen ist f(xy)
eine komplexe Zahl doch das ist hier
nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-
ronen ununterscheidbar sind darf sich
diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern
wenn wir die beiden Elektronen mitei-
nander vertauschen also das erste Elek-
tron am Ort y und das zweite Elektron
am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2
= |f(yx)|2 sein
Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)
selbst kann beim Vertauschen entweder
ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie
wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-
zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt
f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)
Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt
der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-
ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise
Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische
Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten
Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-
tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen
Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin
zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-
gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip
Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-
trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude
Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden
189 Das Pauli-Prinzip
1s
2s
2p
3s
3p
3d
18
Ener
gie
n=1
n=2
n=3
8
2
3dxsup2-ysup2
3pz 3px 3py
3s
2pz
2s
1s
3dxz 3dxy
2py
3dz2 3dyz
2px
Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)
Bosonen Fermionen
810 nK
510 nK
240 nK
Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom
Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2
Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich
zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-
nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich
f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man
in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen
mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht
am selben Ort aufhalten
Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen
derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht
denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man
beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts
Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit
ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-
mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)
groumlszligere Abstaumlnde beibehalten
Das Pauli-Prinzip stellt si-
cher dass sich in der Elek-
tronenhuumllle der Atome
eine stabile Schalenstruk-
tur ausbildet Jeder moumlgli-
che Schwingungszustand der Wellenfunktion
kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-
den die entgegengesetzte Spinausrichtung
aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-
nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige
Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken
ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip
Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-
ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es
wird durch ein subtiles Zusammenspiel von
Quantenmechanik und spezieller Relativi-
taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief
in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler
der modernen Physik begruumlndet
190 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
N
S
Magnet A
Teilchenquelle
Magnet B
Der Spin eines Teilchens S 186
In der klassischen Physik sind wir es normalerweise
gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige
Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit
diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch
Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-
spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen
haben
Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden
und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig
d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen
Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur
unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er
gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-
tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-
dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz
EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die
uumlberarbeitete Version von David Bohm)
Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-
len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen
ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-
gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst
man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht
orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird
immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein
Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-
den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash
welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist
nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall
Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-
ander verhalten werden
Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-
den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte
Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder
Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-
gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann
das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim
Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine
Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide
Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-
der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten
laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat
der Zufall Spin up entschiedenldquo
koumlnnte sich aber maximal mit
Lichtgeschwindigkeit ausbrei-
ten
Einstein Po-
dolsky und Rosen
sprachen daher von einer
bdquospukhaften Fernwirkungldquo und
folgerten dass jedes der beiden Teil-
chen doch eine verborgene lokale Eigen-
schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse
besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits
im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten
waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-
saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet
Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-
cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie
die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig
191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
S
S
N
N
Magnet AKippwinkel 45deg
Magnet BKippwinkel 0deg
Gruppe 1(0darr 45uarr)
Teilchenquelle
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90degGruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
0deg 45deg 90deg
J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und
ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-
rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr
1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich
diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein
Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand
gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-
nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-
rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide
Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt
werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-
gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg
Wenn die Teilchen nun doch eine
lokale innere Eigenschaft besaumlszligen
die ihr Verhalten im Magnetfeld
von vornherein festlegte so wird
es beispielsweise einige darunter
geben die bei 0deg zum Suumldpol bei
45deg zum Nordpol und bei 90deg
ebenfalls zum Nordpol abgelenkt
wuumlrden sodass wir sie mit (0
45 90 ) kennzeichnen koumln-
nen Die zugehoumlrigen Part-
nerteilchen wuumlrden sich
dabei genau entgegenge-
setzt verhalten
Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-
chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde
beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten
zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen
im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol
abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45
verhaumllt
Analog bilden wir Grup-
pe 2 als alle die Teilchen-
paare bei denen ein Teil-
chen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 45
sowie 90 besitzt sowie
Gruppe 3 als alle die Teil-
chenpaare bei denen ein
Teilchen zugleich die bei-
den Kennzeichnungen 0
sowie 90 besitzt
Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare
von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also
muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-
wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten
zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-
send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)
Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-
scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt
sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-
scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-
men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche
Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung
vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen
uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere
Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky
und Rosen wurden widerlegt
Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass
die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung
erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-
greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt
egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze
ist mehr als die Summe seiner Teile
192 6 Atome und Quantenmechanik
Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie
Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012
Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-
orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische
Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-
theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik
jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich
zufriedenstellend beantwortet sind
Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur
grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-
lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-
lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische
Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-
wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-
scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen
instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise
Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also
durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus
dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-
ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der
sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927
u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-
beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber
welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder
dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-
on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-
ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft
die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)
sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-
lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten
Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei
nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da
es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird
Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten
193 Die Interpretation der Quantenmechanik
Tritium
Wellenfunktion = +
Helium-3
ElektronAntineutrino
Detektormisst
Zerfall
makroskopische Realitaumlt
Gift
oder
Gift
Tritiumintakt
Tritiumzerfallen
Wellenfunktion =
+
Dekohaumlrenz
makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2
Gift Gift
Tritium Helium-3
ElektronAntineutrino
Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24
Doch wann genau findet eine solche Messung statt
Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin
Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches
Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem
zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die
zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste
eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet
dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-
tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit
Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers
Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-
digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der
erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-
schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der
quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die
klassische Realitaumlt der Katze
Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-
chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute
tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-
zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-
tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-
elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man
den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in
den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die
sogenannte Viele-Welten-Interpretation
Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom
weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-
same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-
tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie
bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze
jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-
vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in
Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur
sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-
de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung
mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-
abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts
mehr voneinander sodass man sie als verschiedene
Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-
der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der
Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht
In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion
des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-
ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten
verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation
zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-
lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt
im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung
des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung
zwischen Mikro- und Makrokosmos
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
186 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
Magnetfeld
Rota
tions
achs
e
Praumlzession
magnetischeKraft
Kreisel mit aumluszligerem Drehmoment S 86R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Teilchen koumlnnen nach den Regeln der Quantenme-
chanik einen Eigendrehimpuls aufweisen der ein
halb- oder ganzzahliges Vielfaches des reduzierten
Planckrsquoschen Wirkungsquantums ħ = h(2π) betragen
muss Dieser Eigendrehimpuls den man als Spin be-
zeichnet besitzt keine Entsprechung in der klassischen
Mechanik sondern er ist ein typisches Phaumlnomen der
Quantenmechanik ndash daher ist es nicht ganz einfach
seine Eigenschaften zu verstehen
Anders als beim Eigendrehimpuls einer rotierenden
Kugel die sich abbremsen laumlsst kann man den Spin
eines Elektrons oder Photons nicht abbremsen Der
Spin ist eine charakteristische Eigenschaft des jeweili-
gen Teilchens Alle Leptonen (Elektron Myon Tauon
Neutrino) und die Quarks besitzen Spin 12 Photonen
und Gluonen haben Spin 1 (die Einheit ħ laumlsst man zur
Vereinfachung meist weg) Auch Atome koumlnnen einen
Spin besitzen
Bei einer rotierenden Kugel zeigt der Drehimpuls par-
allel zur Rotationsachse Wenn die Kugel analog zu ei-
nem Atom auszligen negativ und innen positiv geladen ist
so erzeugt die auszligen kreisende negative Ladung einen
magnetischen Nord- und Suumldpol wie bei einer Mag-
netnadel die parallel zur Rotationsachse liegt In einem
senkrechten inhomogenen Magnetfeld wuumlrde diese
insgesamt elektrisch neutrale Kugel abhaumlngig von der
Lage der Rotationsachse mehr oder weniger stark nach
oben oder unten gezogen werden je nachdem welcher
Magnetpol im staumlrkeren Bereich des aumluszligeren Magnet-
feldes liegt Zugleich wuumlrde das Magnetfeld versuchen
die Rotationsachse in die Senkrechte zu kippen was
aber aufgrund der Eigendrehung stattdessen zu einer
Praumlzession der Drehachse um die Senkrechte fuumlhrt
(siehe Kreisel mit Drehmoment ) Wenn man einen
Strahl solcher Kugeln durch ein senkrechtes inhomoge-
nes Magnetfeld schieszligt so werden sie demnach je nach
dem Winkel zwischen Rotationsachse und Magnetfeld
unterschiedlich stark nach oben oder unten abgelenkt
Im Jahr 1922 fuumlhrten Otto Stern und Walther Gerlach
diesen Versuch mit Silberatomen durch die wegen ei-
nes uumlberzaumlhligen Elektrons einen Gesamtspin von 12
aufweisen Auf einem Schirm hinter dem Magnetfeld
schlugen sich die Silberatome nieder
Der Spin eines Teilchens Quantisiertes Kreiseln
187 Der Spin eines Teilchens
Spinrichtung
θ = 0deg
θ = 45deg
θ = 90deg
θ = 135deg
θ = 180deg
θ
N
S
Silberatomstrahl
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter
Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend
einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-
tationsachsen
Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-
berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-
lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das
Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die
Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel
dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in
oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild
der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-
vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens
Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-
sche Beschreibung des Spins aus Angenommen
der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die
um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist
In einem parallel zum Spin ausgerichteten
inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen
also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt
sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht
orientierten inhomogenen Magnetfeld Es
wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2
nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit
sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik
durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)
d h der Spin ist nach der Messung mit die-
sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach
oben oder nach unten orientiert Und das ist
auch schon im Wesentlichen alles was gesagt
werden kann denn die Quantenmechanik
kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen
sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen
bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der
Begriff der klassischen Rotationsachse in der
Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche
Ungleichung )
188 6 Atome und Quantenmechanik
-2-1 0 1 2 3
-3-2
-1 0
1 2
3
-1-08-06-04-02
0 02 04 06 08
1
x
y
f(xy)
Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der
Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische
Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem
Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-
scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an
einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches
man angetroffen hat
In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit
ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes
Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das
Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man
auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude
oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )
bezeichnet (genau genommen ist f(xy)
eine komplexe Zahl doch das ist hier
nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-
ronen ununterscheidbar sind darf sich
diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern
wenn wir die beiden Elektronen mitei-
nander vertauschen also das erste Elek-
tron am Ort y und das zweite Elektron
am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2
= |f(yx)|2 sein
Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)
selbst kann beim Vertauschen entweder
ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie
wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-
zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt
f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)
Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt
der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-
ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise
Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische
Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten
Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-
tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen
Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin
zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-
gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip
Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-
trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude
Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden
189 Das Pauli-Prinzip
1s
2s
2p
3s
3p
3d
18
Ener
gie
n=1
n=2
n=3
8
2
3dxsup2-ysup2
3pz 3px 3py
3s
2pz
2s
1s
3dxz 3dxy
2py
3dz2 3dyz
2px
Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)
Bosonen Fermionen
810 nK
510 nK
240 nK
Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom
Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2
Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich
zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-
nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich
f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man
in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen
mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht
am selben Ort aufhalten
Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen
derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht
denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man
beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts
Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit
ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-
mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)
groumlszligere Abstaumlnde beibehalten
Das Pauli-Prinzip stellt si-
cher dass sich in der Elek-
tronenhuumllle der Atome
eine stabile Schalenstruk-
tur ausbildet Jeder moumlgli-
che Schwingungszustand der Wellenfunktion
kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-
den die entgegengesetzte Spinausrichtung
aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-
nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige
Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken
ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip
Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-
ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es
wird durch ein subtiles Zusammenspiel von
Quantenmechanik und spezieller Relativi-
taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief
in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler
der modernen Physik begruumlndet
190 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
N
S
Magnet A
Teilchenquelle
Magnet B
Der Spin eines Teilchens S 186
In der klassischen Physik sind wir es normalerweise
gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige
Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit
diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch
Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-
spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen
haben
Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden
und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig
d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen
Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur
unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er
gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-
tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-
dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz
EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die
uumlberarbeitete Version von David Bohm)
Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-
len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen
ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-
gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst
man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht
orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird
immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein
Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-
den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash
welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist
nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall
Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-
ander verhalten werden
Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-
den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte
Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder
Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-
gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann
das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim
Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine
Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide
Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-
der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten
laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat
der Zufall Spin up entschiedenldquo
koumlnnte sich aber maximal mit
Lichtgeschwindigkeit ausbrei-
ten
Einstein Po-
dolsky und Rosen
sprachen daher von einer
bdquospukhaften Fernwirkungldquo und
folgerten dass jedes der beiden Teil-
chen doch eine verborgene lokale Eigen-
schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse
besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits
im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten
waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-
saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet
Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-
cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie
die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig
191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
S
S
N
N
Magnet AKippwinkel 45deg
Magnet BKippwinkel 0deg
Gruppe 1(0darr 45uarr)
Teilchenquelle
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90degGruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
0deg 45deg 90deg
J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und
ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-
rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr
1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich
diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein
Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand
gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-
nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-
rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide
Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt
werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-
gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg
Wenn die Teilchen nun doch eine
lokale innere Eigenschaft besaumlszligen
die ihr Verhalten im Magnetfeld
von vornherein festlegte so wird
es beispielsweise einige darunter
geben die bei 0deg zum Suumldpol bei
45deg zum Nordpol und bei 90deg
ebenfalls zum Nordpol abgelenkt
wuumlrden sodass wir sie mit (0
45 90 ) kennzeichnen koumln-
nen Die zugehoumlrigen Part-
nerteilchen wuumlrden sich
dabei genau entgegenge-
setzt verhalten
Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-
chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde
beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten
zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen
im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol
abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45
verhaumllt
Analog bilden wir Grup-
pe 2 als alle die Teilchen-
paare bei denen ein Teil-
chen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 45
sowie 90 besitzt sowie
Gruppe 3 als alle die Teil-
chenpaare bei denen ein
Teilchen zugleich die bei-
den Kennzeichnungen 0
sowie 90 besitzt
Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare
von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also
muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-
wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten
zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-
send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)
Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-
scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt
sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-
scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-
men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche
Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung
vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen
uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere
Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky
und Rosen wurden widerlegt
Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass
die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung
erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-
greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt
egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze
ist mehr als die Summe seiner Teile
192 6 Atome und Quantenmechanik
Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie
Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012
Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-
orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische
Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-
theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik
jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich
zufriedenstellend beantwortet sind
Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur
grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-
lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-
lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische
Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-
wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-
scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen
instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise
Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also
durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus
dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-
ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der
sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927
u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-
beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber
welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder
dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-
on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-
ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft
die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)
sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-
lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten
Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei
nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da
es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird
Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten
193 Die Interpretation der Quantenmechanik
Tritium
Wellenfunktion = +
Helium-3
ElektronAntineutrino
Detektormisst
Zerfall
makroskopische Realitaumlt
Gift
oder
Gift
Tritiumintakt
Tritiumzerfallen
Wellenfunktion =
+
Dekohaumlrenz
makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2
Gift Gift
Tritium Helium-3
ElektronAntineutrino
Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24
Doch wann genau findet eine solche Messung statt
Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin
Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches
Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem
zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die
zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste
eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet
dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-
tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit
Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers
Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-
digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der
erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-
schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der
quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die
klassische Realitaumlt der Katze
Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-
chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute
tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-
zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-
tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-
elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man
den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in
den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die
sogenannte Viele-Welten-Interpretation
Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom
weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-
same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-
tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie
bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze
jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-
vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in
Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur
sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-
de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung
mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-
abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts
mehr voneinander sodass man sie als verschiedene
Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-
der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der
Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht
In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion
des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-
ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten
verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation
zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-
lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt
im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung
des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung
zwischen Mikro- und Makrokosmos
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
187 Der Spin eines Teilchens
Spinrichtung
θ = 0deg
θ = 45deg
θ = 90deg
θ = 135deg
θ = 180deg
θ
N
S
Silberatomstrahl
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung S 190J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Nach dem Kugelmodell muumlsste dabei ein senkrechter
Silberstreifen auf dem Schirm entstehen entsprechend
einer statistischen Gleichverteilung aller moumlglichen Ro-
tationsachsen
Was man stattdessen fand waren zwei getrennte Sil-
berflecken Es war so als ob die Drehachse nur paral-
lel oder antiparallel zum Magnetfeld liegen kann das
Teilchen also im oder gegen den Uhrzeigersinn um die
Richtung des Magnetfeldes rotiert nie aber im Winkel
dazu Bei einer Messung zeigt der Spin also immer in
oder gegen die Richtung des Magnetfeldes Das Bild
der rotierenden Kugel liefert somit also nur eine un-
vollkommene Vorstellung vom Spin eines Teilchens
Wie sieht dann aber die korrekte quantenmechani-
sche Beschreibung des Spins aus Angenommen
der Spin zeigt in eine bestimmte Raumrichtung die
um den Winkel θ gegen die Senkrechte gekippt ist
In einem parallel zum Spin ausgerichteten
inhomogenen Magnetfeld wird das Teilchen
also in dessen Richtung gezogen Wie verhaumllt
sich dieses Teilchen nun in einem senkrecht
orientierten inhomogenen Magnetfeld Es
wird mit der Wahrscheinlichkeit cos2 θ2
nach oben und mit der Wahrscheinlichkeit
sin2 θ2 nach unten gezogen (in der Grafik
durch die Groumlszlige der Quadrate dargestellt)
d h der Spin ist nach der Messung mit die-
sen Wahrscheinlichkeiten entweder nach
oben oder nach unten orientiert Und das ist
auch schon im Wesentlichen alles was gesagt
werden kann denn die Quantenmechanik
kann nur Wahrscheinlichkeiten berechnen
sie sagt nichts daruumlber wie sich das Teilchen
bdquoan sichldquo dreht und es zeigt sich dass der
Begriff der klassischen Rotationsachse in der
Quantenmechanik keinen Sinn ergibt (siehe Bellrsquosche
Ungleichung )
188 6 Atome und Quantenmechanik
-2-1 0 1 2 3
-3-2
-1 0
1 2
3
-1-08-06-04-02
0 02 04 06 08
1
x
y
f(xy)
Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der
Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische
Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem
Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-
scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an
einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches
man angetroffen hat
In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit
ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes
Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das
Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man
auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude
oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )
bezeichnet (genau genommen ist f(xy)
eine komplexe Zahl doch das ist hier
nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-
ronen ununterscheidbar sind darf sich
diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern
wenn wir die beiden Elektronen mitei-
nander vertauschen also das erste Elek-
tron am Ort y und das zweite Elektron
am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2
= |f(yx)|2 sein
Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)
selbst kann beim Vertauschen entweder
ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie
wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-
zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt
f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)
Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt
der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-
ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise
Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische
Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten
Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-
tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen
Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin
zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-
gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip
Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-
trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude
Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden
189 Das Pauli-Prinzip
1s
2s
2p
3s
3p
3d
18
Ener
gie
n=1
n=2
n=3
8
2
3dxsup2-ysup2
3pz 3px 3py
3s
2pz
2s
1s
3dxz 3dxy
2py
3dz2 3dyz
2px
Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)
Bosonen Fermionen
810 nK
510 nK
240 nK
Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom
Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2
Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich
zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-
nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich
f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man
in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen
mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht
am selben Ort aufhalten
Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen
derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht
denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man
beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts
Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit
ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-
mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)
groumlszligere Abstaumlnde beibehalten
Das Pauli-Prinzip stellt si-
cher dass sich in der Elek-
tronenhuumllle der Atome
eine stabile Schalenstruk-
tur ausbildet Jeder moumlgli-
che Schwingungszustand der Wellenfunktion
kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-
den die entgegengesetzte Spinausrichtung
aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-
nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige
Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken
ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip
Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-
ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es
wird durch ein subtiles Zusammenspiel von
Quantenmechanik und spezieller Relativi-
taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief
in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler
der modernen Physik begruumlndet
190 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
N
S
Magnet A
Teilchenquelle
Magnet B
Der Spin eines Teilchens S 186
In der klassischen Physik sind wir es normalerweise
gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige
Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit
diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch
Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-
spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen
haben
Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden
und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig
d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen
Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur
unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er
gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-
tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-
dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz
EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die
uumlberarbeitete Version von David Bohm)
Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-
len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen
ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-
gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst
man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht
orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird
immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein
Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-
den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash
welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist
nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall
Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-
ander verhalten werden
Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-
den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte
Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder
Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-
gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann
das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim
Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine
Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide
Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-
der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten
laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat
der Zufall Spin up entschiedenldquo
koumlnnte sich aber maximal mit
Lichtgeschwindigkeit ausbrei-
ten
Einstein Po-
dolsky und Rosen
sprachen daher von einer
bdquospukhaften Fernwirkungldquo und
folgerten dass jedes der beiden Teil-
chen doch eine verborgene lokale Eigen-
schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse
besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits
im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten
waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-
saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet
Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-
cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie
die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig
191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
S
S
N
N
Magnet AKippwinkel 45deg
Magnet BKippwinkel 0deg
Gruppe 1(0darr 45uarr)
Teilchenquelle
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90degGruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
0deg 45deg 90deg
J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und
ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-
rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr
1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich
diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein
Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand
gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-
nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-
rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide
Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt
werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-
gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg
Wenn die Teilchen nun doch eine
lokale innere Eigenschaft besaumlszligen
die ihr Verhalten im Magnetfeld
von vornherein festlegte so wird
es beispielsweise einige darunter
geben die bei 0deg zum Suumldpol bei
45deg zum Nordpol und bei 90deg
ebenfalls zum Nordpol abgelenkt
wuumlrden sodass wir sie mit (0
45 90 ) kennzeichnen koumln-
nen Die zugehoumlrigen Part-
nerteilchen wuumlrden sich
dabei genau entgegenge-
setzt verhalten
Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-
chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde
beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten
zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen
im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol
abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45
verhaumllt
Analog bilden wir Grup-
pe 2 als alle die Teilchen-
paare bei denen ein Teil-
chen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 45
sowie 90 besitzt sowie
Gruppe 3 als alle die Teil-
chenpaare bei denen ein
Teilchen zugleich die bei-
den Kennzeichnungen 0
sowie 90 besitzt
Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare
von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also
muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-
wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten
zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-
send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)
Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-
scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt
sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-
scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-
men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche
Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung
vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen
uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere
Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky
und Rosen wurden widerlegt
Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass
die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung
erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-
greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt
egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze
ist mehr als die Summe seiner Teile
192 6 Atome und Quantenmechanik
Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie
Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012
Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-
orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische
Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-
theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik
jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich
zufriedenstellend beantwortet sind
Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur
grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-
lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-
lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische
Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-
wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-
scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen
instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise
Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also
durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus
dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-
ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der
sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927
u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-
beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber
welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder
dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-
on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-
ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft
die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)
sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-
lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten
Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei
nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da
es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird
Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten
193 Die Interpretation der Quantenmechanik
Tritium
Wellenfunktion = +
Helium-3
ElektronAntineutrino
Detektormisst
Zerfall
makroskopische Realitaumlt
Gift
oder
Gift
Tritiumintakt
Tritiumzerfallen
Wellenfunktion =
+
Dekohaumlrenz
makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2
Gift Gift
Tritium Helium-3
ElektronAntineutrino
Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24
Doch wann genau findet eine solche Messung statt
Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin
Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches
Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem
zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die
zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste
eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet
dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-
tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit
Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers
Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-
digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der
erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-
schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der
quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die
klassische Realitaumlt der Katze
Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-
chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute
tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-
zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-
tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-
elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man
den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in
den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die
sogenannte Viele-Welten-Interpretation
Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom
weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-
same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-
tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie
bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze
jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-
vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in
Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur
sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-
de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung
mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-
abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts
mehr voneinander sodass man sie als verschiedene
Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-
der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der
Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht
In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion
des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-
ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten
verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation
zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-
lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt
im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung
des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung
zwischen Mikro- und Makrokosmos
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
188 6 Atome und Quantenmechanik
-2-1 0 1 2 3
-3-2
-1 0
1 2
3
-1-08-06-04-02
0 02 04 06 08
1
x
y
f(xy)
Wellenfunktion S 180Der Spin eines Teilchens S 186J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010R P Feynman R B Leighton M Sands Feynman Vorlesungen uumlber Physik Band II1 Oldenbourg Wissenschaftsverlag 1999
Das Pauli-Prinzip ist einer der zentralen Aspekte der
Quantenmechanik Es beruht darauf dass identische
Teilchen ndash beispielsweise die Elektronen in einem
Atom ndash in der Quantentheorie prinzipiell ununter-
scheidbar sind Findet man eines der Elektronen an
einem bestimmten Ort vor so weiszlig man nie welches
man angetroffen hat
In der Quantenmechanik wird die Wahrscheinlichkeit
ein erstes Elektron an einem Ort x und ein anderes
Elektron zugleich an einem Ort y zu finden durch das
Betragsquadrat einer Zahl f(xy) angegeben die man
auch als Wahrscheinlichkeitsamplitude
oder Zweiteilchen- Wellenfunktion ( )
bezeichnet (genau genommen ist f(xy)
eine komplexe Zahl doch das ist hier
nicht weiter wichtig) Da beide Elekt-
ronen ununterscheidbar sind darf sich
diese Wahrscheinlichkeit nicht aumlndern
wenn wir die beiden Elektronen mitei-
nander vertauschen also das erste Elek-
tron am Ort y und das zweite Elektron
am Ort x finden Es muss also |f(xy)|2
= |f(yx)|2 sein
Die Wahrscheinlichkeitsamplitude f(xy)
selbst kann beim Vertauschen entweder
ebenfalls unveraumlndert bleiben oder sie
wechselt das Vorzeichen da dieses Vor-
zeichen beim Quadrieren ja wegfaumlllt
f(xy) = f(yx) oder f(xy) = minusf(yx)
Haben beide Teilchen dieselbe Spinausrichtung so tritt
der erste symmetrische Fall fuumlr Teilchen mit ganzzah-
ligem Spin ( sogenannten Bosonen beispielsweise
Photonen) ein waumlhrend der zweite antisymmetrische
Fall fuumlr Teilchen mit halbzahligem Spin (sogenannten
Fermionen beispielsweise Elektronen Quarks Pro-
tonen und Neutronen) zutrifft (bei unterschiedlichen
Spinausrichtungen muss man neben dem Ort den Spin
zusaumltzlich als Variable in der Amplitude beruumlcksichti-
gen) Genau diese Regel nennt man Pauli-Prinzip
Die folgende Abbildung zeigt eine solche antisymme-
trische Zwei-Fermion-Wahrscheinlichkeitsamplitude
Das Pauli-Prinzip Warum Elektronen sich gegenseitig meiden
189 Das Pauli-Prinzip
1s
2s
2p
3s
3p
3d
18
Ener
gie
n=1
n=2
n=3
8
2
3dxsup2-ysup2
3pz 3px 3py
3s
2pz
2s
1s
3dxz 3dxy
2py
3dz2 3dyz
2px
Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)
Bosonen Fermionen
810 nK
510 nK
240 nK
Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom
Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2
Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich
zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-
nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich
f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man
in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen
mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht
am selben Ort aufhalten
Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen
derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht
denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man
beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts
Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit
ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-
mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)
groumlszligere Abstaumlnde beibehalten
Das Pauli-Prinzip stellt si-
cher dass sich in der Elek-
tronenhuumllle der Atome
eine stabile Schalenstruk-
tur ausbildet Jeder moumlgli-
che Schwingungszustand der Wellenfunktion
kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-
den die entgegengesetzte Spinausrichtung
aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-
nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige
Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken
ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip
Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-
ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es
wird durch ein subtiles Zusammenspiel von
Quantenmechanik und spezieller Relativi-
taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief
in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler
der modernen Physik begruumlndet
190 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
N
S
Magnet A
Teilchenquelle
Magnet B
Der Spin eines Teilchens S 186
In der klassischen Physik sind wir es normalerweise
gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige
Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit
diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch
Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-
spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen
haben
Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden
und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig
d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen
Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur
unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er
gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-
tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-
dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz
EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die
uumlberarbeitete Version von David Bohm)
Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-
len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen
ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-
gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst
man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht
orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird
immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein
Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-
den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash
welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist
nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall
Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-
ander verhalten werden
Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-
den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte
Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder
Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-
gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann
das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim
Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine
Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide
Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-
der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten
laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat
der Zufall Spin up entschiedenldquo
koumlnnte sich aber maximal mit
Lichtgeschwindigkeit ausbrei-
ten
Einstein Po-
dolsky und Rosen
sprachen daher von einer
bdquospukhaften Fernwirkungldquo und
folgerten dass jedes der beiden Teil-
chen doch eine verborgene lokale Eigen-
schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse
besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits
im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten
waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-
saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet
Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-
cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie
die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig
191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
S
S
N
N
Magnet AKippwinkel 45deg
Magnet BKippwinkel 0deg
Gruppe 1(0darr 45uarr)
Teilchenquelle
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90degGruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
0deg 45deg 90deg
J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und
ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-
rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr
1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich
diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein
Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand
gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-
nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-
rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide
Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt
werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-
gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg
Wenn die Teilchen nun doch eine
lokale innere Eigenschaft besaumlszligen
die ihr Verhalten im Magnetfeld
von vornherein festlegte so wird
es beispielsweise einige darunter
geben die bei 0deg zum Suumldpol bei
45deg zum Nordpol und bei 90deg
ebenfalls zum Nordpol abgelenkt
wuumlrden sodass wir sie mit (0
45 90 ) kennzeichnen koumln-
nen Die zugehoumlrigen Part-
nerteilchen wuumlrden sich
dabei genau entgegenge-
setzt verhalten
Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-
chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde
beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten
zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen
im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol
abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45
verhaumllt
Analog bilden wir Grup-
pe 2 als alle die Teilchen-
paare bei denen ein Teil-
chen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 45
sowie 90 besitzt sowie
Gruppe 3 als alle die Teil-
chenpaare bei denen ein
Teilchen zugleich die bei-
den Kennzeichnungen 0
sowie 90 besitzt
Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare
von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also
muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-
wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten
zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-
send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)
Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-
scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt
sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-
scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-
men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche
Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung
vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen
uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere
Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky
und Rosen wurden widerlegt
Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass
die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung
erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-
greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt
egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze
ist mehr als die Summe seiner Teile
192 6 Atome und Quantenmechanik
Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie
Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012
Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-
orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische
Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-
theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik
jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich
zufriedenstellend beantwortet sind
Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur
grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-
lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-
lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische
Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-
wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-
scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen
instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise
Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also
durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus
dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-
ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der
sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927
u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-
beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber
welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder
dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-
on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-
ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft
die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)
sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-
lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten
Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei
nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da
es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird
Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten
193 Die Interpretation der Quantenmechanik
Tritium
Wellenfunktion = +
Helium-3
ElektronAntineutrino
Detektormisst
Zerfall
makroskopische Realitaumlt
Gift
oder
Gift
Tritiumintakt
Tritiumzerfallen
Wellenfunktion =
+
Dekohaumlrenz
makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2
Gift Gift
Tritium Helium-3
ElektronAntineutrino
Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24
Doch wann genau findet eine solche Messung statt
Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin
Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches
Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem
zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die
zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste
eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet
dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-
tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit
Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers
Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-
digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der
erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-
schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der
quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die
klassische Realitaumlt der Katze
Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-
chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute
tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-
zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-
tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-
elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man
den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in
den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die
sogenannte Viele-Welten-Interpretation
Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom
weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-
same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-
tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie
bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze
jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-
vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in
Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur
sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-
de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung
mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-
abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts
mehr voneinander sodass man sie als verschiedene
Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-
der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der
Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht
In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion
des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-
ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten
verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation
zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-
lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt
im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung
des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung
zwischen Mikro- und Makrokosmos
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
189 Das Pauli-Prinzip
1s
2s
2p
3s
3p
3d
18
Ener
gie
n=1
n=2
n=3
8
2
3dxsup2-ysup2
3pz 3px 3py
3s
2pz
2s
1s
3dxz 3dxy
2py
3dz2 3dyz
2px
Wolke aus Bosonen (links) und Fermionen (rechts) fuumlr verschiedene Temperaturen (Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice University)
Bosonen Fermionen
810 nK
510 nK
240 nK
Energieniveaus und Schwingungszustaumlnde in einem Atom
Bild rechts oben von Andrew Truscott Kevin Strecker Randall Hulet Rice UniversityNeutronensterne S 36E = mc2 S 128E = mc2
Fuumlr die Wahrscheinlichkeitsamplitude mit der sich
zwei Fermionen derselben Sorte mit derselben Spi-
nausrichtung am selben Ort befinden ergibt sich
f(xx) = minusf(xx) sodass f(xx) = 0 sein muss wie man
in der Grafik auf der linken Seite sieht Zwei Fermionen
mit derselben Spinausrichtung koumlnnen sich somit nicht
am selben Ort aufhalten
Allgemeiner kann man sagen dass sich Fermionen
derselben Sorte gegenseitig meiden Sie koumlnnen nicht
denselben Quantenzustand einnehmen Kuumlhlt man
beispielsweise eine Wolke aus Bosonen (im Bild rechts
Atome eines bestimmten Lithium-Isotops) sehr weit
ab so ruumlcken sie recht eng zusammen waumlhrend Fer-
mionen (hier Atome eines anderen Lithium-Isotops)
groumlszligere Abstaumlnde beibehalten
Das Pauli-Prinzip stellt si-
cher dass sich in der Elek-
tronenhuumllle der Atome
eine stabile Schalenstruk-
tur ausbildet Jeder moumlgli-
che Schwingungszustand der Wellenfunktion
kann dabei von zwei Elektronen besetzt wer-
den die entgegengesetzte Spinausrichtung
aufweisen (hier dargestellt durch einen klei-
nen Pfeil nach oben oder unten) Auch weiszlige
Zwerge und Neutronensterne ( ) verdanken
ihre Stabilitaumlt dem Pauli-Prinzip
Fuumlr das Pauli-Prinzip gibt es letztlich kei-
ne einfachere anschauliche Erklaumlrung Es
wird durch ein subtiles Zusammenspiel von
Quantenmechanik und spezieller Relativi-
taumltstheorie ( ) erzwungen und ist damit tief
in der Synthese dieser beiden Grundpfeiler
der modernen Physik begruumlndet
190 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
N
S
Magnet A
Teilchenquelle
Magnet B
Der Spin eines Teilchens S 186
In der klassischen Physik sind wir es normalerweise
gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige
Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit
diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch
Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-
spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen
haben
Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden
und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig
d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen
Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur
unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er
gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-
tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-
dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz
EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die
uumlberarbeitete Version von David Bohm)
Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-
len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen
ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-
gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst
man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht
orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird
immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein
Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-
den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash
welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist
nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall
Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-
ander verhalten werden
Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-
den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte
Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder
Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-
gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann
das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim
Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine
Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide
Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-
der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten
laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat
der Zufall Spin up entschiedenldquo
koumlnnte sich aber maximal mit
Lichtgeschwindigkeit ausbrei-
ten
Einstein Po-
dolsky und Rosen
sprachen daher von einer
bdquospukhaften Fernwirkungldquo und
folgerten dass jedes der beiden Teil-
chen doch eine verborgene lokale Eigen-
schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse
besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits
im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten
waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-
saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet
Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-
cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie
die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig
191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
S
S
N
N
Magnet AKippwinkel 45deg
Magnet BKippwinkel 0deg
Gruppe 1(0darr 45uarr)
Teilchenquelle
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90degGruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
0deg 45deg 90deg
J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und
ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-
rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr
1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich
diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein
Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand
gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-
nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-
rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide
Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt
werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-
gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg
Wenn die Teilchen nun doch eine
lokale innere Eigenschaft besaumlszligen
die ihr Verhalten im Magnetfeld
von vornherein festlegte so wird
es beispielsweise einige darunter
geben die bei 0deg zum Suumldpol bei
45deg zum Nordpol und bei 90deg
ebenfalls zum Nordpol abgelenkt
wuumlrden sodass wir sie mit (0
45 90 ) kennzeichnen koumln-
nen Die zugehoumlrigen Part-
nerteilchen wuumlrden sich
dabei genau entgegenge-
setzt verhalten
Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-
chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde
beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten
zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen
im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol
abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45
verhaumllt
Analog bilden wir Grup-
pe 2 als alle die Teilchen-
paare bei denen ein Teil-
chen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 45
sowie 90 besitzt sowie
Gruppe 3 als alle die Teil-
chenpaare bei denen ein
Teilchen zugleich die bei-
den Kennzeichnungen 0
sowie 90 besitzt
Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare
von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also
muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-
wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten
zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-
send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)
Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-
scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt
sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-
scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-
men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche
Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung
vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen
uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere
Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky
und Rosen wurden widerlegt
Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass
die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung
erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-
greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt
egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze
ist mehr als die Summe seiner Teile
192 6 Atome und Quantenmechanik
Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie
Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012
Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-
orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische
Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-
theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik
jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich
zufriedenstellend beantwortet sind
Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur
grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-
lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-
lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische
Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-
wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-
scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen
instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise
Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also
durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus
dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-
ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der
sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927
u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-
beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber
welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder
dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-
on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-
ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft
die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)
sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-
lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten
Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei
nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da
es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird
Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten
193 Die Interpretation der Quantenmechanik
Tritium
Wellenfunktion = +
Helium-3
ElektronAntineutrino
Detektormisst
Zerfall
makroskopische Realitaumlt
Gift
oder
Gift
Tritiumintakt
Tritiumzerfallen
Wellenfunktion =
+
Dekohaumlrenz
makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2
Gift Gift
Tritium Helium-3
ElektronAntineutrino
Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24
Doch wann genau findet eine solche Messung statt
Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin
Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches
Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem
zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die
zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste
eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet
dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-
tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit
Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers
Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-
digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der
erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-
schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der
quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die
klassische Realitaumlt der Katze
Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-
chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute
tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-
zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-
tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-
elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man
den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in
den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die
sogenannte Viele-Welten-Interpretation
Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom
weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-
same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-
tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie
bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze
jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-
vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in
Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur
sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-
de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung
mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-
abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts
mehr voneinander sodass man sie als verschiedene
Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-
der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der
Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht
In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion
des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-
ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten
verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation
zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-
lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt
im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung
des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung
zwischen Mikro- und Makrokosmos
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
190 6 Atome und Quantenmechanik
N
S
N
S
Magnet A
Teilchenquelle
Magnet B
Der Spin eines Teilchens S 186
In der klassischen Physik sind wir es normalerweise
gewoumlhnt dass eine physikalische Theorie eindeutige
Vorhersagen macht Die Quantenmechanik bricht mit
diesem Anspruch Sie macht grundsaumltzlich nur noch
Aussagen uumlber Wahrscheinlichkeiten wie wir am Bei-
spiel des Spins in einem anderen Artikel ( ) gesehen
haben
Albert Einstein konnte sich damit niemals abfinden
und hielt die Quantenmechanik fuumlr unvollstaumlndig
d h er ging von einer tiefer liegenden verborgenen
Realitaumltsebene aus die von der Quantenmechanik nur
unvollstaumlndig erfasst wird bdquoGott wuumlrfelt nichtldquo soll er
gesagt haben Zur Untermauerung seines Standpunk-
tes betrachtete er im Jahr 1935 zusammen mit Boris Po-
dolsky und Nathan Rosen folgendes Phaumlnomen (kurz
EPR-Experiment genannt wir diskutieren hier die
uumlberarbeitete Version von David Bohm)
Man erzeugt dabei zunaumlchst in speziellen Teilchenquel-
len Teilchenpaare die in entgegengesetzte Richtungen
ausgesendet werden und deren Spin jeweils entgegen-
gesetzt zueinander orientiert ist Das bedeutet Laumlsst
man die Teilchen anschlieszligend durch ein senkrecht
orientiertes inhomogenes Magnetfeld laufen so wird
immer eines der beiden Teilchen nach oben und sein
Partnerteilchen nach unten abgelenkt Welches der bei-
den Teilchen nach oben bzw unten abgelenkt wird ndash
welches also Spin sbquouplsquo oder sbquodownlsquo besitzen wird ndash ist
nach den Regeln der Quantenmechanik purer Zufall
Sicher ist lediglich dass sie sich entgegengesetzt zuein-
ander verhalten werden
Die Quantenmechanik sagt aus dass jedes der bei-
den Teilchen vor einer Messung gar keine definierte
Spinausrichtung hat ndash und die Frage bdquoSpin Up oder
Downldquo sich also erst beim Durchlauf durch das Ma-
gnetfeld zufaumlllig entscheidet Doch woher weiszlig dann
das eine Teilchen wie sich sein Partnerteilchen beim
Durchlaufen des Magnetfeldes entschieden hat Eine
Nachricht kann es nicht erhalten haben denn beide
Teilchen koumlnnten sich prinzipiell Lichtjahre voneinan-
der entfernt befinden bevor sie durch den Magneten
laufen Eine Nachricht bdquoBei mir hat
der Zufall Spin up entschiedenldquo
koumlnnte sich aber maximal mit
Lichtgeschwindigkeit ausbrei-
ten
Einstein Po-
dolsky und Rosen
sprachen daher von einer
bdquospukhaften Fernwirkungldquo und
folgerten dass jedes der beiden Teil-
chen doch eine verborgene lokale Eigen-
schaft wie beispielsweise eine Rotationsachse
besitzen muumlsse die seine Ablenkungsrichtung bereits
im Voraus festlegt Ihr entgegengesetztes Verhalten
waumlre dann einfach durch eine entsprechende gegen-
saumltzlich ausgepraumlgte Teilcheneigenschaft begruumlndet
Da die Quantenmechanik diese verborgene lokale Teil-
cheneigenschaft jedoch nicht beruumlcksichtigt koumlnne sie
die physikalische Realitaumlt nur unvollstaumlndig erfassen
EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung Ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig
191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
S
S
N
N
Magnet AKippwinkel 45deg
Magnet BKippwinkel 0deg
Gruppe 1(0darr 45uarr)
Teilchenquelle
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90degGruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
0deg 45deg 90deg
J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und
ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-
rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr
1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich
diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein
Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand
gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-
nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-
rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide
Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt
werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-
gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg
Wenn die Teilchen nun doch eine
lokale innere Eigenschaft besaumlszligen
die ihr Verhalten im Magnetfeld
von vornherein festlegte so wird
es beispielsweise einige darunter
geben die bei 0deg zum Suumldpol bei
45deg zum Nordpol und bei 90deg
ebenfalls zum Nordpol abgelenkt
wuumlrden sodass wir sie mit (0
45 90 ) kennzeichnen koumln-
nen Die zugehoumlrigen Part-
nerteilchen wuumlrden sich
dabei genau entgegenge-
setzt verhalten
Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-
chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde
beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten
zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen
im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol
abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45
verhaumllt
Analog bilden wir Grup-
pe 2 als alle die Teilchen-
paare bei denen ein Teil-
chen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 45
sowie 90 besitzt sowie
Gruppe 3 als alle die Teil-
chenpaare bei denen ein
Teilchen zugleich die bei-
den Kennzeichnungen 0
sowie 90 besitzt
Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare
von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also
muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-
wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten
zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-
send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)
Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-
scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt
sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-
scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-
men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche
Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung
vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen
uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere
Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky
und Rosen wurden widerlegt
Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass
die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung
erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-
greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt
egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze
ist mehr als die Summe seiner Teile
192 6 Atome und Quantenmechanik
Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie
Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012
Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-
orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische
Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-
theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik
jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich
zufriedenstellend beantwortet sind
Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur
grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-
lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-
lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische
Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-
wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-
scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen
instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise
Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also
durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus
dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-
ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der
sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927
u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-
beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber
welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder
dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-
on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-
ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft
die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)
sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-
lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten
Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei
nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da
es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird
Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten
193 Die Interpretation der Quantenmechanik
Tritium
Wellenfunktion = +
Helium-3
ElektronAntineutrino
Detektormisst
Zerfall
makroskopische Realitaumlt
Gift
oder
Gift
Tritiumintakt
Tritiumzerfallen
Wellenfunktion =
+
Dekohaumlrenz
makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2
Gift Gift
Tritium Helium-3
ElektronAntineutrino
Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24
Doch wann genau findet eine solche Messung statt
Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin
Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches
Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem
zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die
zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste
eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet
dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-
tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit
Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers
Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-
digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der
erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-
schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der
quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die
klassische Realitaumlt der Katze
Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-
chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute
tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-
zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-
tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-
elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man
den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in
den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die
sogenannte Viele-Welten-Interpretation
Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom
weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-
same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-
tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie
bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze
jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-
vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in
Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur
sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-
de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung
mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-
abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts
mehr voneinander sodass man sie als verschiedene
Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-
der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der
Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht
In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion
des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-
ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten
verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation
zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-
lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt
im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung
des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung
zwischen Mikro- und Makrokosmos
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
191 EPR-Experiment und Bellrsquosche Ungleichung
S
S
N
N
Magnet AKippwinkel 45deg
Magnet BKippwinkel 0deg
Gruppe 1(0darr 45uarr)
Teilchenquelle
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90deg
0deg 45deg 90degGruppe 1
Gruppe 2
Gruppe 3
0deg 45deg 90deg
J S Bell Bertlmanns socks and the nature of reality CERN-TH-2926 httpcdswebcernchrecord142461 J Resag Die Entdeckung des Unteilbaren Spektrum Akademischer Verlag 2010
Haben Einstein Podolsky und Rosen nun recht und
ist die Quantenmechanik unvollstaumlndig Dem nordi-
rischen Physiker John Steward Bell gelang es im Jahr
1964 das EPR-Experiment so abzuwandeln dass sich
diese Frage tatsaumlchlich messtechnisch klaumlren laumlsst ndash ein
Geniestreich auf den fast dreiszligig Jahre lang niemand
gekommen war Die Kernidee besteht darin die Mag-
nete einzeln um verschiedene Winkel gegen die Senk-
rechte zu kippen und zu messen wie haumlufig beide
Teilchen beispielsweise in Richtung Suumldpol abgelenkt
werden Drei verschiedene Kippwinkel genuumlgen ndash sa-
gen wir 0deg (also ungekippt) 45deg und 90deg
Wenn die Teilchen nun doch eine
lokale innere Eigenschaft besaumlszligen
die ihr Verhalten im Magnetfeld
von vornherein festlegte so wird
es beispielsweise einige darunter
geben die bei 0deg zum Suumldpol bei
45deg zum Nordpol und bei 90deg
ebenfalls zum Nordpol abgelenkt
wuumlrden sodass wir sie mit (0
45 90 ) kennzeichnen koumln-
nen Die zugehoumlrigen Part-
nerteilchen wuumlrden sich
dabei genau entgegenge-
setzt verhalten
Nun bilden wir drei Gruppen Gruppe 1 sind alle Teil-
chenpaare bei denen ein Teilchen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 0 sowie 45 besitzt d h es wuumlrde
beispielsweise wegen 0 im ungekippten Magneten
zum Suumldpol abgelenkt waumlhrend sein Partnerteilchen
im um 45deg gekippten Magneten ebenfalls zum Suumldpol
abgelenkt wird da es sich ja entgegengesetzt zu 45
verhaumllt
Analog bilden wir Grup-
pe 2 als alle die Teilchen-
paare bei denen ein Teil-
chen zugleich die beiden
Kennzeichnungen 45
sowie 90 besitzt sowie
Gruppe 3 als alle die Teil-
chenpaare bei denen ein
Teilchen zugleich die bei-
den Kennzeichnungen 0
sowie 90 besitzt
Wie wir in der Grafik sehen gehoumlren alle Teilchenpaare
von Gruppe 3 zugleich auch zu Gruppe 1 oder 2 Also
muumlssen die zu Gruppe 1 und 2 gehoumlrenden Ablenk-
wahrscheinlichkeiten in passend gekippten Magneten
zusammen mindestens so groszlig sein wie diejenige pas-
send zu Gruppe 3 (Bellrsquosche Ungleichung)
Berechnet man jedoch die entsprechenden Wahr-
scheinlichkeiten in der Quantenmechanik so ergibt
sich ein anderes Bild Fuumlr Gruppe 3 ist die Wahr-
scheinlichkeit groumlszliger als fuumlr Gruppe 1 und 2 zusam-
men d h die Quantenmechanik verletzt die Bellrsquosche
Ungleichung Da die quantenmechanische Rechnung
vollkommen mit den experimentellen Ergebnissen
uumlbereinstimmt kann es die geforderte lokale innere
Teilcheneigenschaft nicht geben Einstein Podolsky
und Rosen wurden widerlegt
Die Verletzung der Bellrsquoschen Ungleichung zeigt dass
die Quantenmechanik eine nichtlokale Beschreibung
erfordert die beide Teilchen zu einem einzigen uumlber-
greifenden Quantensystem miteinander verschraumlnkt
egal wie weit sie voneinander entfernt sind Das Ganze
ist mehr als die Summe seiner Teile
192 6 Atome und Quantenmechanik
Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie
Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012
Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-
orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische
Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-
theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik
jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich
zufriedenstellend beantwortet sind
Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur
grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-
lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-
lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische
Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-
wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-
scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen
instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise
Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also
durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus
dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-
ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der
sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927
u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-
beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber
welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder
dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-
on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-
ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft
die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)
sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-
lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten
Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei
nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da
es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird
Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten
193 Die Interpretation der Quantenmechanik
Tritium
Wellenfunktion = +
Helium-3
ElektronAntineutrino
Detektormisst
Zerfall
makroskopische Realitaumlt
Gift
oder
Gift
Tritiumintakt
Tritiumzerfallen
Wellenfunktion =
+
Dekohaumlrenz
makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2
Gift Gift
Tritium Helium-3
ElektronAntineutrino
Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24
Doch wann genau findet eine solche Messung statt
Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin
Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches
Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem
zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die
zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste
eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet
dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-
tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit
Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers
Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-
digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der
erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-
schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der
quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die
klassische Realitaumlt der Katze
Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-
chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute
tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-
zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-
tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-
elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man
den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in
den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die
sogenannte Viele-Welten-Interpretation
Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom
weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-
same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-
tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie
bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze
jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-
vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in
Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur
sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-
de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung
mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-
abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts
mehr voneinander sodass man sie als verschiedene
Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-
der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der
Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht
In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion
des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-
ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten
verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation
zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-
lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt
im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung
des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung
zwischen Mikro- und Makrokosmos
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
192 6 Atome und Quantenmechanik
Teilnehmer der Solvay-Konferenz von 1927 zur Quantentheorie
Das Experiment zu Schroumldingers Katze gezeichnet von Sienna Morris Statt aus einfachen Linien wurde die Zeichnung aus der Formel fuumlr Heisenbergs Unschaumlrferelation xmiddot p ge ħ2 aufgebaut
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von S Morris Numberism Art httpwwwfleetingstatescomB Greene Die verborgene Wirklichkeit Paralleluniversen und die Gesetze des Kosmos Siedler Verlag 2012
Die Quantenmechanik ist neben der Relativitaumltsthe-
orie die zweite tragende Saumlule fuumlr die physikalische
Beschreibung unserer Welt Anders als die Relativitaumlts-
theorie wirft die Interpretation der Quantenmechanik
jedoch bis heute Fragen auf die noch nicht wirklich
zufriedenstellend beantwortet sind
Laut Quantenmechanik erfolgen Prozesse in der Natur
grundsaumltzlich zufaumlllig und lediglich ihre Wahrschein-
lichkeit ist einer physikalischen Beschreibung zugaumlng-
lich Das zeigt sich auch darin dass jedes physikalische
Objekt stets durch die Summe aller moumlglichen Ent-
wicklungen beschrieben wird die jeweils mit der Wahr-
scheinlichkeit ihres Eintretens gewichtet werden Einen
instabilen radioaktiven Atomkern wie beispielsweise
Tritium 3H beschreibt man quantenmechanisch also
durch eine Wellenfunktion die eine Uumlberlagerung aus
dem noch intakten Tritium und seinen Zerfallsproduk-
ten 3He plus Elektron plus Antineutrino ist Nach der
sogenannten Kopenhagener Interpretation die 1927
u a von Niels Bohr und Werner Heisenberg ausgear-
beitet wurde entscheidet erst die Messung daruumlber
welche der beiden Alternativen (intaktes Tritium oder
dessen Zerfall) realisiert wird wobei die Wellenfunkti-
on die Eintrittswahrscheinlichkeit der beiden Alternati-
ven festlegt Die Messung veraumlndert dabei sprunghaft
die Wellenfunktion (man spricht von ihrem Kollaps)
sodass diese nicht laumlnger durch die Summe aller Moumlg-
lichkeiten sondern durch den eindeutig realisierten
Zustand beschrieben wird Das Messgeraumlt wird dabei
nach den Regeln der klassischen Physik beschrieben da
es ja stets einen eindeutigen Messwert anzeigen wird
Die Interpretation der Quantenmechanik Schroumldingers Katze und Everetts viele Welten
193 Die Interpretation der Quantenmechanik
Tritium
Wellenfunktion = +
Helium-3
ElektronAntineutrino
Detektormisst
Zerfall
makroskopische Realitaumlt
Gift
oder
Gift
Tritiumintakt
Tritiumzerfallen
Wellenfunktion =
+
Dekohaumlrenz
makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2
Gift Gift
Tritium Helium-3
ElektronAntineutrino
Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24
Doch wann genau findet eine solche Messung statt
Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin
Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches
Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem
zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die
zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste
eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet
dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-
tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit
Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers
Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-
digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der
erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-
schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der
quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die
klassische Realitaumlt der Katze
Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-
chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute
tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-
zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-
tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-
elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man
den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in
den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die
sogenannte Viele-Welten-Interpretation
Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom
weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-
same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-
tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie
bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze
jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-
vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in
Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur
sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-
de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung
mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-
abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts
mehr voneinander sodass man sie als verschiedene
Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-
der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der
Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht
In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion
des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-
ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten
verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation
zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-
lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt
im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung
des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung
zwischen Mikro- und Makrokosmos
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
193 Die Interpretation der Quantenmechanik
Tritium
Wellenfunktion = +
Helium-3
ElektronAntineutrino
Detektormisst
Zerfall
makroskopische Realitaumlt
Gift
oder
Gift
Tritiumintakt
Tritiumzerfallen
Wellenfunktion =
+
Dekohaumlrenz
makroskopische Realitaumlt 1 makroskopische Realitaumlt 2
Gift Gift
Tritium Helium-3
ElektronAntineutrino
Welle-Teilchen-Dualismus S 178Wellenfunktion S 180P Byrne Die Parallelwelten des Hugh Everett Spektrum der Wissenschaft April 2008 S 24
Doch wann genau findet eine solche Messung statt
Muumlssen wir dazu persoumlnlich nachschauen Erwin
Schroumldinger hat sich im Jahr 1935 ein etwas drastisches
Gedankenexperiment ausgedacht um dieses Problem
zu verdeutlichen Dazu stellte er sich eine Katze vor die
zusammen mit einem radioaktiven Atom in einer Kiste
eingeschlossen ist Der Zerfall des Atoms entscheidet
dabei uumlber Leben und Tod der Katze indem ein De-
tektor auf den Zerfall reagiert und ein Flaumlschchen mit
Blausaumlure zertruumlmmert Befindet sich Schroumldingers
Katze zusammen mit dem Atom in einem merkwuumlr-
digen Schwebezustand zwischen Leben und Tod der
erst beendet wird wenn wir die Kiste oumlffnen und nach-
schauen Wohl kaum doch wo genau wird aus der
quantenmechanischen Beschreibung des Atoms die
klassische Realitaumlt der Katze
Die kuumlnstliche Trennung der Welt in einen quantenme-
chanischen und einen klassischen Teil erscheint heute
tatsaumlchlich nicht mehr adaumlquat Experimente haben ge-
zeigt dass auch groumlszligere Systeme den Regeln der Quan-
tenmechanik gehorchen wobei nirgends eine prinzipi-
elle Grenze fuumlr deren Guumlltigkeit in Sicht ist Folgt man
den Regeln der Quantenmechanik konsequent bis in
den makroskopischen Bereich so ergibt sich daraus die
sogenannte Viele-Welten-Interpretation
Die Quantenmechanik beschreibt das instabile Atom
weiterhin zusammen mit der Katze durch eine gemein-
same Wellenfunktion die zwei Anteile als Superposi-
tion beinhaltet bdquoAtom zerfaumlllt und Katze stirbtldquo sowie
bdquoAtom bleibt stabil und Katze lebtldquo Da die Katze
jedoch ein makroskopisches System ist fuumlhrt die un-
vermeidliche Wechselwirkung mit der Umgebung in
Sekundenbruchteilen nicht zum Kollaps sondern zur
sogenannten Dekohaumlrenz dieser Wellenfunktion Bei-
de Anteile besitzen keine spuumlrbare Wechselwirkung
mehr untereinander und entwickeln sich praktisch un-
abhaumlngig voneinander weiter Sie wissen quasi nichts
mehr voneinander sodass man sie als verschiedene
Zweige der Realitaumlt ansehen kann die parallel zueinan-
der existieren In dem einen Realitaumltszweig zerfaumlllt der
Atomkern und die Katze stirbt in dem anderen nicht
In diesem Sinne spaltet letztlich die Wellenfunktion
des ganzen Universums sich staumlndig in unzaumlhlige Zwei-
ge auf die parallele makroskopische Wirklichkeiten
verkoumlrpern Obwohl die Viele-Welten-Interpretation
zunaumlchst auf groszligen Widerstand stieszlig wird sie mitt-
lerweile durchaus ernst genommen denn sie erlaubt
im Prinzip eine quantenmechanische Beschreibung
des gesamten Universums ohne willkuumlrliche Trennung
zwischen Mikro- und Makrokosmos
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
194 6 Atome und Quantenmechanik
TemperaturEnergie
+
ndash+
ndash+
ndash
ndash
ndashndash
+
++ndash
ndashProton
Elektron Neutron
Atom
fest fluumlssig gasfoumlrmig ionisiert (Plasma)
Plasma als vierter Aggregatszustand
Plasmalampe in der man komplexe filamentartige Strukturen im Plasma erkennt
Vektorfelder und Feldlinien S 54Fusionsreaktoren S 196J Janek Wenn Elektronen zu heiszlig werden httpwwwbunsendebunsen_mediaDownloadsJdCh200320_Wochepdf
Auf der Erde kommt Materie meistens in einer der drei
gaumlngigen Formen vor fest fluumlssig und gasfoumlrmig Diese
Aggregatzustaumlnde unterscheiden sich danach ob die
enthaltenen Atome relativ zueinander eher mehr oder
eher weniger beweglich sind
Jenseits der Erde hingegen sind diese drei Materiefor-
men eher selten anzutreffen Die Atome der Sterne
sowie eines Groszligteils des interstellaren Mediums sind
derart hohen Energien ausgesetzt dass sich ein Teil
der Elektronen von ihren Atomruumlmpfen trennt Die
Materie ist stark ionisiert und enthaumllt frei bewegliche
positive und negative Ladungstraumlger Dieser Zustand
wird Plasma (vom griechischen πλάσμα = Gebilde
Geschoumlpf) genannt
Obwohl auf den ersten Blick einem Gas sehr aumlhnlich
verhaumllt sich diese Form der Materie in vielen Belangen
ganz anders weswegen man hier berechtigterweise von
einem vierten Aggregatzustand sprechen kann
Im Plasma sind die negativen und positiven Ladungs-
traumlger zwar getrennt aber meist nicht allzu weit vonein-
ander entfernt Aumluszligerlich ist ein Plasma also elektrisch
neutral es hat jedoch eine extrem hohe elektrische Leit-
faumlhigkeit Wie ein Gas hat Plasma keine stabile Form es
reagiert jedoch stark auf die Einwirkung aumluszligerer elek-
tromagnetischer Felder die es lenken verformen und
sogar einsperren koumlnnen Die Bahnen der geladenen
Teilchen winden sich mit Vorliebe spiralfoumlrmig um
magnetische Feldlinien ( ) herum was zum Beispiel
benutzt wird um das Plasma in Fusionsreaktoren ein-
zusperren ( )
Plasma Der vierte Aggregatzustand
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
195 Plasma
Ein Plasmastrom sucht sich seinen Weg entlang einer Kopfschmerztablette
Plasmaentladung auf der Sonne Aufnahme vom Februar 2012 waumlhrend der SDO Mission
Nichtthermales Plasma ist nicht nur ungefaumlhrlich Forscher testen sogar seine techni-sche Anwendung als Desinfektions-mittel
Bild oben rechts von Michael Kong et al J Phys D Appl Phys 44 (2011) 174018Die Sonne und ihr Magnetfeld S 4Gewitter S 60
Die Bewegungen der elektrisch geladenen Teilchen im
Plasma erzeugen jedoch auch selbst Felder die auf die
Teilchenbahnen ruumlckwirken und so ein aumluszligerst kom-
plexes dynamisches Verhalten erzeugen koumlnnen Bei
Eruptionen unserer Sonne zum Beispiel kann man gut
erkennen wie sich das herausgeschleuderte Plasma
entlang von Magnetfeldlinien anordnet ( ) Das Son-
nenplasma bezeichnet man auch als thermal Sowohl
Elektronen als auch Atomruumlmpfe haben hier Tempera-
turen von Tausenden Grad Celsius die eine Rekombi-
nation verhindern
Ein Plasma kann jedoch auch durch die Einwirkung
von starken elektrischen Feldern auf Gase entstehen
Die durch das Feld uumlbertragene Energie verteilt sich
gleichmaumlszligig auf Elektronen und Atomruumlmpfe des Ga-
ses weil diese bis auf das Vorzeichen dieselbe Ladung
haben Da Elektronen aber um die zehntausendmal
leichter als Atomkerne sind werden sie deutlich staumlrker
beschleunigt Die Elektronen sind daher sehr viel heiszliger
als die Ruumlmpfe Ein solches Plasma befindet sich nicht
im thermalen Gleichgewicht und wird nichtthermal
genannt
Waumlhrend die Elektronen in nichtthermalem Plasma
Temperaturen von vielen tausend Grad Celsius haben
koumlnnen die Atomruumlmpfe hingegen relativ kalt sein und
zum Beispiel nur Zimmertemperatur haben Funken-
uumlberschlaumlge das Nordlicht Elmsfeuer und Gewitter-
blitze ( ) sind Beispiele natuumlrlicher nichtthermaler
Plasmen
Kuumlnstlich erzeugte nichtthermale Plasmen finden sich
in Plasmabildschirmen Gasentladungslampen und so-
gar in einfachsten Gluumlhbirnen Manche dieser Plasmen
kann man sogar anfassen
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
196 6 Atome und Quantenmechanik
Bahnen von schnellen Io-nen im Tokamak JET die zu Instabilitaumlten im Plas-ma fuumlhren koumlnnen
Plasma S 194
Die Sonne gewinnt ihre Energie durch den Prozess der
Kernfusion Anders als bei der Kernspaltung werden
bei der Fusion zwei (oder mehr) Atomkerne zu einem
groumlszligeren zusammengefuumlgt Nimmt man hierfuumlr sehr
leichte Bausteine wie Wasserstoff- oder Heliumkerne
so ist die Energieausbeute deutlich houmlher
als bei der Kernspaltung Deshalb
wird seit Langem versucht
diese Prozesse auch auf
der Erde zur Energiege-
winnung zu nutzen
Um zwei Kerne
zu verschmelzen
muss man sie ex-
trem nahe zusam-
menfuumlhren Dies
geschieht am ehes-
ten wenn sich die
Elemente im vierten
Aggregratzustand ndash in einem Plasma ( ) ndash
befinden Als aufgeheiztes Plasma besitzen die positiv
geladenen Atomkerne genug Energie um ihre elektri-
sche Abstoszligung zu uumlberwinden und sich nahe genug
zu kommen damit die starke Kernkraft greift und sie
zusammenschweiszligt
Unsere Sonne besteht vollstaumlndig aus Plasma und in
ihrem Inneren laufen aufgrund der hohen Temperatur
und des extremen Druckes die Fusionsprozesse ab Da
die Sonne rund 300 000 Mal mehr Masse als die Erde
hat ist es recht schwer die in der Sonne herrschenden
Druumlcke in irdischen Fusionsreaktoren bereitzustellen
Deutlich leichter ist es hohe Temperaturen zu erzeu-
gen und damit den fehlenden Druck zu kompensieren
Tatsaumlchlich sind die Temperaturen im Inneren der
heutigen experimentellen Fusionsreaktoren mit 150
Millionen Grad etwa zehnmal so hoch wie im
Inneren der Sonne
Damit die geladenen Teil-
chen des Plasmas ndash man
verwendet hierfuumlr meis-
tens Deuterium und
Tritium weil diese Ma-
terialien in Uumlberfluss
vorhanden oder leicht
herzustellen sind und
bei ihnen die Energieaus-
beute sehr hoch ist ndash nicht
in Kontakt mit den Reak-
torwaumlnden gelangen und
diese sofort zum Schmel-
zen bringen werden sie
durch extrem starke Mag-
netfelder eingesperrt
Es gibt im Wesentlichen zwei Bauprinzipien fuumlr For-
schungsreaktoren Waumlhrend die Reaktoren vom Typ
Tokamak wie ein Torus (donutfoumlrmig) aufgebaut sind
sind die sogenannten Stelleratoren deutlich kompli-
zierter Ihre Architektur ist das Resultat aufwendiger
Berechnungen was zu einem deutlich stabileren Plas-
ma fuumlhrt
Fusionsreaktoren Hightech-Energie aus dem Sonnenfeuer
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
197 Fusionsreaktoren
Simulation des Plasmaverlaufes im Stelle-rator Wendelstein 7-X zusammen mit den unregelmaumlszligig geformten Magnetspulen
Plasmadichte fuumlr einen typischen Tokamak (links) und Turbulenzen in der Plas-marandschicht fuumlr den Stellerator Wendelstein 7-X (rechts)
Simulation eines stabilen Plasmas in einem toroi-dalen Tokamakreaktor
3D-Aufnahme des Plasmas im For-schungsreaktor MAST (Mega Am-pere Spherical Tokamak) in Culham Oxfordshire
Das gezuumlndete Plasma im Reaktorinneren ist
extrem empfindlich Bereits kleinste Verun-
reinigungen oder Stoumlrungen koumlnnen es aus
dem Gleichgewicht und damit zum Verlouml-
schen bringen Der 1983 gestartete JET ( Joint
European Torus) ein experimenteller Fusi-
onsreaktor in der Naumlhe von Oxford kann die
Fusion im Plasma zwar bereits bis zu einer
Minute aufrechterhalten bevor sie ausgeht
aber das reicht nicht zur Energiegewinnung
Die naumlchste Generation von Forschungsreaktoren be-
findet sich bereits im Bau Der Stellerator Wendelstein
7-X wird in Greifswald gebaut und soll voraussichtlich
2014 fertiggestellt werden In ihm soll die Kernfusion
bereits bis zu dreiszligig Minuten lang aufrechterhalten
werden koumlnnen Der Tokamak ITER (International
Thermonuclear Experimental Reactor) unter Kon-
struktion im suumldfranzoumlsischen Cadarache wird vor-
aussichtlich 2019 fertiggestellt werden ITER wird das
fusionierende Plasma bis zu acht Minuten stabil halten
koumlnnen und soll in der Lage sein bis zu zehnmal so
viel Energie zu liefern wie zur Erzeugung des Plasmas
aufgewendet werden muss Damit waumlre ITER als erster
Reaktor in der Lage Energie im wirtschaftlich verwert-
baren Maszligstab zu erzeugen
Es ist jedoch noch ein weiter Weg bis die Fusionsener-
gie unsere Energieprobleme loumlsen wird Bis zur wirt-
schaftlichen Nutzung der Kernfusion wird es schaumlt-
zungsweise noch mindestens bis 2050 dauern
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
198 6 Atome und Quantenmechanik
Eine stehende Welle ( Solitonenschwingung) in einem BEK
Ein Bose-Einstein-Kondensat
(BEK) entsteht
Plasma S 194Das Pauli-Prinzip S 188Max-Planck-Instituts fuumlr Quantenoptik Bose-Einstein-Kondensat httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmlkondensathtml
Die drei bekanntesten Aggregatzustaumlnde sind fest fluumls-
sig und gasfoumlrmig und so gut wie die gesamte Materie
unserer Umgebung befindet sich in einer dieser drei
Phasen Unter extrem hohen Temperaturen kann man
Materie jedoch auch in ein sogenanntes Plasma ( )
uumlberfuumlhren ndash die Materie in der Sonne oder im Inneren
eines Gewitterblitzes sind gute Beispiele dafuumlr
Es gibt jedoch auch noch exotischere Zustaumln-
de der Materie deren
Erreichen nicht nur
extreme aumluszligere
Bedingungen erfor-
dert sondern die in
ihrer Art so sehr auf der
Quantennatur der einzel-
nen Atome beruhen dass
sie fuumlr Menschen nur schwer
anschaulich vorstellbar sind
Ein Beispiel hierfuumlr ist das soge-
nannte Bose-Einstein-Kondensat
(BEK siehe auch Pauli-Prinzip )
Dieser quantenhafte Materiezustand wur-
de 1924 von Satyendra Nath Bose und Albert Einstein
theoretisch vorhergesagt Um ihn zu erreichen muumlssen
zwei Voraussetzungen erfuumlllt sein Zum einen muumlssen
die einzelnen Teilchen aus denen der Stoff besteht
Bosonen sein Das bedeutet dass sie im Gegensatz zu
Fermionen die der Diracstatistik unterliegen notwen-
digerweise Teilchen mit ganzzahligem Spin sind Zum
anderen muss der Stoff auf ultratiefe Temperaturen he-
runtergekuumlhlt werden ndash deswegen dauerte es noch bis
ins Jahr 1995 bis das erste Bose-Einstein-Kondensat
im Labor erzeugt werden konnte Vorher war es tech-
nisch einfach nicht moumlglich gewesen die Rubidium-
atome aus denen das erste Kondensat bestand auf
die erforderlichen 170 Nanokelvin
(17middot10-7 K) abzukuumlhlen
Wie aber muss man sich ein
Bose-Einstein-Kondensat
vorstellen Zunaumlchst
werden alle ein-
zelnen Atome im
Stoff durch die ext-
rem niedrigen Tempe-
raturen in den Zustand mit
der niedrigstmoumlglichen Energie
uumlberfuumlhrt Weil es sich bei den Teil-
chen um Bosonen handelt koumlnnen sie sich
alle zur selben Zeit im selben Zustand der
niedrigsten Energie befinden Sie bdquokonden-
sierenldquo also alle gemeinsam in den Grundzu-
stand
Bose-Einstein-Kondensate Atome im quantenmechanischen Gleichschritt
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
199 Bose-Einstein-Kondensate
Auch Bose-Einstein-Kondensate genuumlgen dem Galileirsquoschen Fallgesetz ndash und verbreitern sich dabei
Im Atomlaser werden kohaumlren-te Pakete eines BEKs abgestrahlt
Genau wie in Suprafluumlssigkeiten ( ) koumlnnen sich auch in rotierenden BEKs Vortizes ausbilden
Suprafluumlssigkeiten S 204Institut fuumlr Angewandte Physik Universitaumlt Bonn BEC httpwwwiapuni-bonndeP2KbecindexhtmlZ Merali Chilled light enters a new phase httpwwwnaturecomnews2010101124fullnews2010630html Nature-Artikel uumlber BEK mit Photonen englisch
In einem Bose-Einstein-Kondensat ist die Identitaumlt
der Teilchen somit vollstaumlndig aufgehoben Alle Ato-
me befinden sich im selben Zustand Genauer gesagt
ist die Wellenfunktion fuumlr jedes Atom identisch ndash man
findet also an jedem Ort jedes Atom mit derselben
Wahrscheinlichkeit Sie ist auszligerdem weit ausgebreitet
ein Bose-Einstein-Kondensat verhaumllt sich mit anderen
Worten wie ein einzelnes makroskopisch groszliges Atom
Eine der faszinierenden technischen Anwendungen fuumlr
Bose-Einstein-Kondensate ist die Konstruktion von so-
genannten Atomlasern Waumlhrend in normalen Lasern
kohaumlrente Lichtwellenpakete ausgesandt werden sind
es bei einem Atomlaser kohaumlrente Materiewellenpa-
kete Hierzu faumlngt man ein Bose-Einstein-Kondensat
in einer (zum Beispiel magnetischen) Falle ein Durch
eine gezielte Uumlberlagerung des Kaumlfigs mit einer elekt-
romagnetischen Welle wird ein bdquoLeckldquo im Magnetkaumlfig
erzeugt sodass einzelne Atome entweichen koumlnnen
Da sich die Atome vorher alle im selben Zustand be-
funden haben sind auch die emittierten Atome alle
noch stark kohaumlrent (zueinander aumlhnlich) und haben
damit vergleichbare Eigenschaften wie ein Laserstrahl
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
200 6 Atome und Quantenmechanik
Die Frequenz des Laserlichtes ist so eingestellt dass in dieselbe Richtung fliegende Atome dessen Energie nicht aufnehmen koumlnnen
Erst wenn die Atome den Laserphotonen entgegen flie-gen koumlnnen sie von diesen getroffen werden
Die Atome sind nach einem solchen Stoszlig ein wenig lang-samer Die gestreuten Photonen haben ihnen Energie entzogen
Laser S 214Der Franck-Hertz-Versuch S 184Brownrsquosche Bewegungen S 116H Haken H C Wolf Atom- und Quantenphysik Einfuumlhrung in die experimentellen und theoretischen Grundlagen Springer Verlag 2004
In Kinofilmen und Computerspielen werden Laser ( ) meis-
tens dazu benutzt Dinge zu zerstoumlren indem man sie auf ex-
trem hohe Temperaturen erhitzt Da erscheint es geradezu pa-
radox dass in den meisten Forschungslaboren der realen Welt
Laser fuumlr das genaue Gegenteil benutzt werden naumlmlich um
Atome in Gasen extrem abzukuumlhlen Diese technische Meister-
leistung erreicht man durch eine geschickte Kombination zwei-
er physikalischer Effekte des Dopplereffektes und der quan-
tisierten Energieniveaus der Atome (Franck-Hertz-Versuch )
In einem Gas bewegen sich die einzelnen Atome schon bei
Zimmertemperatur mit Geschwindigkeiten in Groumlszligenordnun-
gen von 500 kmh sie sind also sehr schnell Dabei stoszligen sie
staumlndig aneinander und aumlndern so ihre Richtung ( Brownrsquosche
Bewegung ) Aufgrund der Quantenphysik besitzen Atome
auszligerdem diskrete Energieniveaus d h dass die Huumlllenelek-
tronen durch die Zufuumlhrung von genau der richtigen Energie-
menge in einen angeregten Zustand uumlberfuumlhrt werden koumlnnen
Das kann zum Beispiel durch Absorption eines Photons exakt
dieser Energie geschehen Derart angeregte Zustaumlnde existieren
nicht sehr lange Uumlblicherweise schon nach wenigen Nanose-
kunden geht das angeregte Elektron wieder in seinen urspruumlng-
lichen Zustand uumlber und gibt ein Photon mit wieder genau der-
selben Energie in eine zufaumlllige Richtung ab
Das macht man sich bei der Laserkuumlhlung zunutze Ein Gas
wird dabei von allen Seiten mit Laserlicht bestrahlt Die Wel-
lenlaumlnge des Lasers ndash und damit die Energie der einzelnen
Photonen ndash wird dabei genau so eingestellt dass sie ein wenig
geringer als die Energie ist die man zur Anregung des Atoms
benoumltigt
Laserkuumlhlung Warum Gase kaumllter werden koumlnnen wenn man sie mit Licht bestrahlt
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
201 Laserkuumlhlung
hellip wird durch Laserbeschuss gekuumlhlt
Materie in der Magnetfalle
Atome in der Falle Der leuchtende Punkt im Zentrum ist ein lasergekuumlhltes Stuumlck Materie durch Magnetfelder an Ort und Stelle gehalten (H M HelferNIST)
Bild links mit freundlicher Genehmigung von H M HelferNISTBose-Einstein-Kondensate S 198A Juumlde BEC-anschaulich - Wie kuumlhlt man Atome httpwwwmpqmpgdebec-anschaulichhtmllaserkuhlunghtml Physikalisch-Technische Bundesanstalt Grundlagen der Laserkuumlhlung httpwwwptbdecmsfachabteilungenabt4fb-44ag-441realisierung-der-si-sekundedie-fontaenen-atomuhr-csf1-der-ptbgrundlagen-der-laserkuehlunghtml
tons in seinen Ausgangszustand zuruumlck Weil dieses
Photon aber genau die Energie tragen muss die dem
Uumlbergangsniveau im Atom entspricht hat es ein wenig
mehr Energie als die restlichen Photonen
Wo hat das Photon diese Energie her Die einzige
Moumlglichkeit ist sie der Bewegungsenergie des Atoms
zu entnehmen Von auszligen sieht es also so aus als haumltte
man ein Photon gerade so vom Atom abprallen lassen
dass das Atom nach dem Stoszlig ein bisschen weniger
und das Photon aber ein bisschen mehr Energie hat
Das Atom ist also langsamer geworden ndash und das Gas
insgesamt ein bisschen kaumllter
Zum Einsatz kommt die Laserkuumlhlung vor allem dann
wenn es darum geht geringe Mengen Gas auf extrem
niedrige Temperaturen nahe des absoluten Nullpunk-
tes abzukuumlhlen zum Beispiel zur Herstellung eines
Bose-Einstein-Kondensates ( )
Befaumlnden sich also alle Atome in Ruhe wuumlrde gar
nichts passieren denn die Photonen haumltten ganz knapp
nicht genug Energie um die Elektronen im Atom in ei-
nen angeregten Zustand zu versetzen
Weil das Gas allerdings eine gewisse Temperatur hat
bewegen sich die Atome darin mit einer gewissen Ge-
schwindigkeit zufaumlllig in alle moumlglichen Richtungen
Wenn sich nun ein Atom gerade zufaumlllig entgegen ei-
nen der Laserstrahlen bewegt dann sieht das Atom
aufgrund des Dopplereffektes die ihm entgegenkom-
menden Photonen mit einer leicht kuumlrzeren Wellenlaumln-
ge Nach den Regeln der Quantenmechanik entspricht
das aber einer etwas houmlheren Energie und diese reicht
dann gerade aus um das Atom anzuregen wenn Pho-
ton und Atom frontal zusammenprallen Das Atom
geht dabei kurz in einen angeregten Zustand uumlber und
kehrt kurze Zeit spaumlter wieder unter Abgabe eines Pho-
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
202 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Neodym-Magnet schwebt uumlber einem YBCO Hochtemperatur-Supraleiter
Bild mit freundlicher Genehmigung von Martin Wagner httpwwwmartin-wagnerorgsupraleitunghtmDer Spin eines Teilchens S 186Das Pauli-Prinzip S 188
Anfang des 20 Jahrhunderts war hinreichend gut be-
kannt dass Metalle elektrischen Strom immer besser
leiten der Widerstand also sinkt wenn man sie ab-
kuumlhlt Niemand war jedoch auf die Entdeckung gefasst
die Heike Kamerlingh Onnes 1911 machte als er mit
fluumlssigem Helium gekuumlhltes Quecksilber untersuchte
Sobald die Temperatur auf unter 42 Kelvin sank ver-
lor das Quecksilber schlagartig jeglichen elektrischen
Widerstand ndash seine Leitfaumlhigkeit wurde also unendlich
groszlig Heute wissen wir dass die meisten Metalle bei
Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt supra-
leitend werden also elektrischen Strom ohne auch nur
die geringsten Leistungsverluste leiten
Dieses Phaumlnomen fuumlr dessen Entdeckung Kamer-
lingh Onnes im Jahre 1913 den Nobelpreis fuumlr Physik
erhielt ist mit klassischer Physik nicht zu erklaumlren es
ist ein reines Quantenphaumlnomen Obwohl ein solches
supraleitendes Verhalten lange Zeit vermutet wurde
und es phaumlnomenologische Erklaumlrungsversuche wie
das Landau-Ginzburg-Modell gab gelang eine erste
befriedigende Erklaumlrung der Supraleitung mithilfe der
Quantenfeldtheorie erst im Jahre 1957 durch John Bar-
deen Leon N Cooper und John R Schrieffer ( BCS)
Nach der BCS-Theorie findet im Metall eine staumln-
dige Wechselwirkung zwischen den Elektronen und
dem Gitter aus Atomruumlmpfen statt Elektronen koumln-
nen durch Stoumlszlige mit den Atomen dieses Gitter zum
Schwingen anregen Diese Schwingungen ndash Phononen
genannt ndash bewegen sich durch das Metall und koumlnnen
an einem anderen Ort wieder Energie an ein anderes
Elektron abgeben Dadurch fangen die Elektronen ef-
fektiv auch an miteinander uumlber diese Phononen zu
wechselwirken BCS errechneten dass diese Wechsel-
wirkung bei sehr niedrigen Temperaturen wenn die
beteiligten Teilchen selbst nur sehr langsam sind leicht
anziehend sein kann Auf diese Weise finden immer
zwei Elektronen zueinander und bilden ein sogenann-
tes Cooper-Paar
Waumlhrend normale Elektronen einen Spin von 12 besit-
zen haben Cooper-Paare entweder Spin 0 oder Spin 1
je nachdem ob die beiden Spins der beteiligten Elekt-
ronen in dieselbe oder in entgegengesetzte Richtungen
zeigen (siehe Spin ) Damit sind sie aber auf jeden Fall
Bosonen und duumlrfen deshalb in beliebig groszliger Zahl in
demselben Zustand sein (Pauli-Prinzip ) Bei niedri-
gen Temperaturen bdquokondensierenldquo also die Elektronen
zu Cooper-Paaren die im Metall alle dieselbe makros-
Supraleitung Widerstand ist zwecklos
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
203 Supraleitung
Hochtempera-tursupraleiter
wie zum Beispiel Yba2Cu3O7-x sind
oft sehr komplexe Gebilde
Waumlhrend para- und ferroma-gnetische Stoffe magnetische Feldliniern in sich zusammen-ziehen draumlngen diamagneti-sche Stoffe sie aus sich heraus Supraleiter sind daher perfek-te Diamagnete
Bose-Einstein-Kondensate S 198Vektorfelder und Feldlinien S 54A G Lebed The Physics of Organic Superconductors and Conductors Springer Verlag 2008 englischW Prusseit Supraleitung ndash Ein kurzer Uumlberblick httpthevabizusereesydethevabizdwnSupraleitungpdf
kopisch groszlige Wellenfunktion einnehmen aumlhnlich wie
die Atome im Bose-Einstein-Kondensat (BEC ) Da-
mit finden keine Stromverluste mehr durch Stoumlszlige der
Elektronen untereinander statt weil die Cooper-Paare
einander einfach durchdringen koumlnnen Das Metall
wird supraleitend
Supraleiter haben eine weitere interessante Eigen-
schaft Sie verdraumlngen magnetische Feldlinien ( ) aus
ihrem Inneren Dies liegt daran dass wenn magneti-
sche Feldlinien auf ein supraleitendes Material treffen
sich in einer duumlnnen Schicht an der Oberflaumlche Stroumlme
ausbilden die ein genauso starkes entgegengesetztes
Magnetfeld verursachen Bis auf diese ndash oft nur weni-
ge Nanometer dicke ndash Randschicht ist das Innere des
Supraleiters also vollkommen frei von magnetischen
Feldlinien
Dieses Phaumlnomen ndash Meiszligner-Ochsenfeld-Effekt ge-
nannt ndash hat erstaunliche Konsequenzen So beginnt
zum Beispiel ein auf einem Magnet platzierter Sup-
raleiter zu schweben Er reitet auf dem externen Ma-
gnetfeld um die Magnetfeldlinien aus seinem Inneren
herauszuhalten
Leider benoumltigt man fuumlr das Erreichen des supraleiten-
den Zustandes extrem niedrige Temperaturen Es wur-
den in den 1980er Jahren allerdings auch sogenannte
Hochtemperatursupraleiter entdeckt Diese werden
je nach Stoff schon ab etwa 70 ndash 100 Kelvin supraleitend
was technische Anwendungen deutlich erleichtert
Meist sind diese Hochtemperatursupraleiter keine Me-
talle sondern Keramiken weswegen es zum Beispiel
schwer ist aus ihnen formbare Draumlhte zu konstruieren
Bis zum Drucktermin dieses Buches also uumlber 25 Jahre
nach seiner Entdeckung gibt es noch keine zufrieden-
stellende Erklaumlrung fuumlr den geheimnisvollen Effekt der
Hochtemperatursupraleitung
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
204 6 Atome und Quantenmechanik
Eine Suprafluumlssigkeit laumluft von selbst aus einem Behaumlltnis heraus
Der Lotuseffekt S 104D Einzel Suprafluumlssigkeiten
httpwwwwmibadw-muenchendeteachingTalksSuprafluessigkeiten20Einzel202005pdf Physikalischer Vortrag zu Su-prafluumlssigkeiten
Als Heike Kamerlingh Onnes im Jahre 1911 Helium auf
eine Temperatur von unter 42 Kelvin abkuumlhlte staunte
er nicht schlecht Das Helium verfluumlssigte sich erwar-
tungsgemaumlszlig aber unterhalb von 22 Kelvin begann ein
Teil des fluumlssigen Heliums langsam die Behaumllterwaumlnde
empor- und aus dem Behaumlltnis herauszuflieszligen
Kamerlingh Onnes wurde damals Zeuge eines makros-
kopischen Quanteneffektes den man Suprafluumlssigkeit
(auch Suprafluiditaumlt) nennt Neben dem bdquonormalldquo
fluumlssigen Helium gibt es demnach auch eine supraflu-
ide Form die nicht mehr den Regeln klassischer Fluumls-
sigkeiten gehorcht Man koumlnnte sie als weitere thermo-
dynamische Phase ndash neben fest fluumlssig gasfoumlrmig etc
ndash bezeichnen auch wenn es bis heute nur bei verschie-
denen Heliumisotopen und Lithium-7 gelungen ist
diese in die suprafluumlssige Phase zu uumlberfuumlhren
Suprafluumlssigkeiten verhalten sich in mancher Hinsicht
wie normale Fluumlssigkeiten besitzen jedoch auch Eigen-
schaften die den Gesetzen der klassischen Physik zu
widersprechen scheinen Daher stellt man sie sich am
besten als Gemisch aus zwei Fluumlssigkeiten vor einer
klassischen und einer bdquoQuantenfluumlssigkeitldquo
Zum Beispiel besitzen Suprafluumlssigkeiten keinerlei in-
nere Reibung ihre Viskositaumlt ist demnach exakt null
Sie uumlben ndash wenn man sie nicht zu schnell bewegt ndash auch
keinerlei Reibung auf ihre Umgebung aus So wuumlrde
ein Boot das auf einem suprafluiden Meer fuumlhre nicht
langsamer werden Es wuumlrde solange in dieselbe Rich-
tung gleiten bis es irgendwo gegen Land stieszlige
Suprafluumlssigkeiten haben auch eine verschwindend
geringe Oberflaumlchenspannung Dies ist der Grund
aus dem sie Behaumllterwaumlnde emporkriechen
koumlnnen Die Teilchen aller Fluumlssigkeiten
erfahren eine Anziehung durch die Atome
im Behaumllter (die Adhaumlsion) und norma-
lerweise ist es die Oberflaumlchenspannung
die verhindert dass eine Fluumlssigkeit von
sich aus die Behaumllterwaumlnde benetzt ndash denn
das wuumlrde die Oberflaumlche vergroumlszligern und
waumlre damit energetisch unguumlnstiger (sie-
he Lotuseffekt ) Verschwindet aber die
Oberflaumlchenspannung so gewinnt das
Suprafluid an Energie wenn es die Behaumll-
terwaumlnde emporflieszligt Zumindest solange
bis sich Adhaumlsion und Gravitationskraft in
der Waage befinden Bis es soweit ist ist
Suprafluumlssigkeiten Nasser als nass
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
205 Suprafluumlssigkeiten
Ein Suprafluid wird durch ein Magnetfeld in Rotation versetzt
Vortizes in einem rotierenden SuprafluidEine auseinanderdriftende rotierende Suprafluumlssigkeit Sinkt die Dichte zu weit ab bricht die Suprafluiditaumlt zusammen ndash die Vortizes verschwinden
Aalto University OV Lounasmaa Laboratory Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtmlE Thuneberg Superfluidity and Quantized Vortices httpltltkkfiresearchtheoryvortexhtml englischNASA Whirling Atoms Dance Into Physics Textbooks httpwwwjplnasagovnewsnewsphprelease=2005-101 englisch deutsche Version auf httpwwwastrisdenews676html
die Suprafluumlssigkeit jedoch meistens schon aus dem
Behaumllter herausgeflossen ndash bis heute ein Albtraum fuumlr
alle technischen Anwendungen mit fluumlssigem Helium
Der bdquoquantenhafteldquo Anteil einer Suprafluumlssigkeit be-
sitzt insbesondere keinerlei Entropie ndash denn aumlhnlich
wie die Atome im Bose-Einstein-Kondensat oder die
Elektronenpaare im supraleitenden Metall befinden
sich alle (annaumlhernd) im selben quantenmechanischen
Zustand Schwankungen von Dichte und Tempera-
tur innerhalb der Suprafluumlssigkeit werden also extrem
schnell ausgeglichen ndash sie hat also auch eine so gut wie
unendlich groszlige Waumlrmeleitfaumlhigkeit
Versetzt man eine Suprafluumlssigkeit in Rotation (was gar
nicht so einfach ist ndash beginnt man einfach den sie ent-
haltenden Behaumllter zu rotieren bleibt sie aufgrund ihrer
verschwindenden Viskositaumlt einfach in Ruhe) so rotiert
nicht die gesamte Fluumlssigkeit Im Gegenteil bilden sich
kleine Wirbel (Vortizes) innerhalb der Fluumlssigkeit aus
die jeder fuumlr sich einen kleinen Strudel von wenigen
Zehntel Millimetern Durchmesser darstellen Die Su-
prafluumlssigkeit zwischen den Vortizes jedoch bleibt in
Ruhe
Im Labor ist es aumluszligerst schwierig eine reine Suprafluumls-
sigkeit zu erzeugen ndash bei fast absolutem Temperatur-
nullpunkt sind gerade einmal 8 des fluumlssigen Heli-
ums in der suprafluumlssigen Phase
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
206 6 Atome und Quantenmechanik
A
B
C
D
Elektrische Abstoszligung durch virtuelle Photonen (A) Annaumlherung (B) Aussenden eines Photons (C) Empfang eines Photons und (D) Auseinander-fliegen
Wellenfunktion S 180Feynman-Diagramme S 222E = mc2 S 128E = mc2
Gemeinhin bezeichnet bdquoNichtsldquo die Abwesenheit von jeglicher Mate-
rie also leeren Raum ohne Teilchen Fuumlr die menschliche Anschau-
ung ist das noch halbwegs gut vorstellbar wenn man sich den Raum
wie eine Buumlhne vorstellt und die Teilchen wie kleine Kugeln die als
Schauspieler auf dieser Buumlhne hin- und herflitzen Das Nichts ist
dann also z B ein Bereich des Raumes in dem sich gerade keine Teil-
chen aufhalten Taumlglich versuchen Physiker in ihren Laboren diesem
Zustand nahezukommen indem sie zum Beispiel mit gigantischen
Pumpen die gesamte Luft aus einer Kammer absaugen um dann im
Ultrahochvakuum Experimente durchzufuumlhren
Es ist eine Folge der Quantenphysik dass diese Vorstellung vom Vaku-
um aber nicht ganz korrekt ist Teilchen sind eben keine kleinen Ku-
geln sondern werden durch Wellenfunktionen ( ) beschrieben Die
Wechselwirkungen der Teilchen untereinander geschieht durch den
in Feynman-Diagrammen ( ) schematisch dargestellten Austausch
von virtuellen Teilchen So stoszligen sich vereinfacht ausgedruumlckt
zwei Elektronen deshalb ab weil das eine ndash quasi aus dem Nichts her-
aus ndash ein Photon erzeugt und aussendet das irgendwo auf ein weiteres
Elektron trifft welches durch den Ruumlckstoszlig abgelenkt wird Dieses
Photon wird auch virtuell genannt denn es ist ihm ndash zumindest fuumlr
kurze Zeit ndash erlaubt die Energie-Impulsbeziehung der Relativitaumltsthe-
orie ( ) zu verletzen
Eine der merkwuumlrdigen Konsequenzen der Quantenphysik aber ist
dass diese spontane Entstehung und Vernichtung der virtuellen Teil-
chen staumlndig passiert auch wenn keine realen Teilchen in der Naumlhe
sind Selbst wenn sich also alle Wellenfunktionen weit weg befinden
brodelt das Vakuum nur so von virtuellen Teilchen die staumlndig von
alleine entstehen und verschwinden Dieses Brodeln wird von den
Physikern Vakuumfluktuationen genannt
Quantenvakuum Wie stark druumlckt das Nichts
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
207 Quantenvakuum
Zwischen den beiden Platten werden Quantenfluktuationen un-terdruumlckt
Im Vakuum entstehen und vergehen unablaumlssig virtuelle Teilchenpaare
H Genz Nichts als das Nichts Die Physik des Vakuums Wiley-Vch 2004Max-Planck-Gesellschaft Kraumlfte aus dem Nichts httpwwwmpgde561615pressemitteilung20080108C Bruder Van der Waals und Casimir-Kraumlfte httpdigbibubkauni-karlsruhedeeva1997physik15ampsearch=1997physik15
Man kann diese virtuellen Teilchen nur sehr schwer
direkt nachweisen aber es gibt eine indirekte Moumlg-
lichkeit ihre Existenz zu belegen den sogenannten
Casimir-Effekt benannt nach Hendrik Casimir der
ihn 1948 theoretisch vorhersagte Der Casimir-Effekt
macht sich auf ingenioumlse Weise sowohl die Vakuum-
fluktuationen als auch die Wellennatur der Elementar-
teilchen zunutze
Man stelle sich zwei parallele Metallplatten vor die ei-
nander so nahe sind dass sich ihre Flaumlchen fast beruumlh-
ren Auszligerhalb dieser Platten finden wie gewohnt die
Vakuumfluktuationen statt und virtuelle Teilchen jeg-
licher Sorte und Energie entstehen und vergehen Im
Zwischenraum der beiden Platten entstehen ebenfalls
virtuelle Teilchen und nach den Gesetzen der Quan-
tenphysik haben diese jeweils eine ihnen zugeordnete
De-Broglie-Wellenlaumlnge Diese darf nun aber zwischen
den Platten ndash anders als auszligerhalb ndash nicht jeden Wert
annehmen sondern muss derart sein dass die Welle
auch als stehende Welle in den Zwischen-
raum bdquopasstldquo Der Plattenabstand muss also
ein ganzzahliges Vielfaches der De-Broglie-
Wellenlaumlnge des virtuellen Teilchens sein
Im Innenraum zwischen den beiden Platten
entstehen somit also nicht alle moumlglichen
sondern nur einige virtuelle Teilchen und
somit weniger als auszligerhalb einfach weil
nicht alle Wellenlaumlngen (und damit Energi-
en) erlaubt sind Damit entsteht im Inneren
der beiden Platten im Vergleich zu auszligerhalb
ein Unterdruck Der Druck der von auszligen
stoszligenden Teilchen ist staumlrker und druumlckt die
Platten zusammen Diese Kraft so winzig sie
auch sein mag kann man in der Tat messen
So hat man einen beeindruckenden Nachweis
der quantenhaften Eigenschaften des Nichts
gefunden ndash und gezeigt dass ein teilchenlee-
rer Raum bei Weitem nicht leer ist
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
208 6 Atome und Quantenmechanik
Der Strahlengang im Elektronenmikroskop
Welle-Teilchen-Dualismus S 178S L Flegler J W Heckman jr K L Klomparens Elektronenmikroskopie Grundlagen Methoden Anwendungen Spektrum Verlag 1995
Bei Mikroskopen jeder Art gibt es eine natuumlrliche Auf-
loumlsungsgrenze Benutzt man Strahlung einer gewissen
Wellenlaumlnge um ein Objekt abzubilden dann kann
man nichts erkennen was kleiner als eben genau
diese Wellenlaumlnge ist Kleinere Objekte gleiten
einem dann quasi bdquodurch die Fingerldquo Da bei
Licht kleinere Wellenlaumlngen gleichbedeutend
mit houmlherer Energie sind gibt es hier eine
gewisse technische Grenze Verkleinert man
die Wellenlaumlnge des benutzten Lichtes
immer weiter so begibt man sich irgend-
wann in Bereiche bei denen man das zu
beobachtende Objekt verschmort anstatt
es abzubilden
Ein hervorragender Ausweg ist daher von
Licht- auf Materiewellen auszuweichen
Aufgrund der Prinzipien der Quanten-
mechanik verhalten sich zum Beispiel
auch Elektronen wie Wellen ( ) Deren so-
genannte De-Broglie-Wellenlaumlnge bewegt
sich je nach Energie in der Groumlszligenordnung
von Bruchteilen von Nanometern Obwohl
metallische Bauteile im Mikroskop den
Verlauf von Elektronenwellen stoumlrend be-
einflussen und man deswegen diese theo-
retisch moumlgliche Aufloumlsung nicht erreicht
ermoumlglicht ein Elektronenstrahl-Mikroskop
immer noch eine rund tausendfach houmlhere
Vergroumlszligerung als normale Lichtmikroskope
Praktischerweise kann man Elektronenstrahlen fast
genauso manipulieren wie Lichtstrahlen Man kann
sie ablenken reflektieren ndash und mit einer geschickten
Anordnung von magnetischen Feldern sogar wie bei
einer optischen Linse fokussieren Die Brenn-
weite solcher Elektronenlinsen
laumlsst sich spontan veraumlndern
indem man die Magnetfelder
neu einstellt
Am weitesten verbreitet ist das so-
genannte Rasterelektronenmikros-
kop (REM) In einem REM werden
Elektronen durch eine Spannung
von rund 100 000 Volt auf etwa halbe
Lichtgeschwindigkeit beschleunigt
Diese hohen Energien fuumlhren zu
geringen Wellenlaumlngen wodurch
man eine hohe Aufloumlsung erzielt
Durch Magnetspulen werden sie
auf einen Punkt des zu beobachten-
den Gegenstandes fokussiert Wenn der
Gegenstand elektrisch leit-
faumlhig ist dann katapultie-
ren die einschlagenden
Elektronen sogenannte
Sekundaumlrelektronen aus
der Oberflaumlche heraus die ein Detektor
wahrnehmen kann
Elektronenmikroskopie Mikroskope fuumlr den Nanometerbereich
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
209 Elektronenmikroskopie
Diese Fliegen mussten erst mit einer Schicht aus Metall uumlberzogen werden damit sie mit dem Elektronenmik-roskop abgebildet werden konnten
Nahaufnahme von roten Blutkoumlrperchen
Gestieltes Bluumltenkoumlpfchen beim Marienblatt (Tanacetum Balsamita)
Sogar regelmaumlszligige Atomstrukturen kann man mithilfe der Elektronenmikroskopie ausmachen
Bild oben rechts mit freundlicher Genehmigung von Stefan Diller ndash Wissenschaftliche Photographie ndash Wuumlrzburg 2008Bild unten links von Janice Carr CDC mit freundlicher Genehmigung von NISE NetworkBild unten Mitte von Juumlrgen Berger mit freundlicher Genehmigung des Max-Planck-Instituts fuumlr Entwicklungsbiologie TuumlbingenBild unten rechts mit freundlicher Genehmigung des National Center for Electron Microscopy Lawrence Berkeley National Labo-ratory
Der Punkt auf den der Elektronenstrahl fokussiert wurde wird nun in
schneller Abfolge uumlber die gesamte zu beobachtende Probe gefahren
Sie wird also wie der Name schon vermuten laumlsst abgerastert Aus
der Energie und der Verteilung der so gemessenen Sekundaumlrelektro-
nen kann man dann mit hoher Praumlzision auf die Beschaffenheit der
Oberflaumlche schlieszligen
Ist der zu beobachtende Gegenstand nicht von sich aus elektrisch
leitend so muss man zumindest seine Oberflaumlche kuumlnstlich leitend
machen ndash so werden zum Beispiel organische Proben mit einem duumln-
nen Metallfilm uumlberzogen bevor man sie mit dem REM beobachten
kann
All dies muss uumlbrigens in fast perfektem Vakuum geschehen ndash die
hohe Aufloumlsung der Elektronenmiksroskope wuumlrde empfindlich lei-
den wenn die beschleunigten Elektronen staumlndig mit Luftmolekuumllen
zusammenstoszligen wuumlrden
Aus all diesen Gruumlnden ist ein Elektronenmikroskop eine technisch
sehr aufwendige Angelegenheit ndash aber auch eine erfolgreiche und
spannende Erfindung die aus der modernen Technik nicht mehr
wegzudenken ist
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
210 6 Atome und Quantenmechanik
Die Spitze des Rastertunnelmikroskops tastet die Oberflaumlche der Probe so ab dass der Tunnelstrom dabei konstant bleibt
Elektronenmikroskopie S 208Wellenfunktion S 180Der Tunneleffekt S 182IBM STM Image Gallery httpwwwalmadenibmcomvisstmstmhtml Bildergalerie englisch
Oberflaumlchenphaumlnomene von Festkoumlrpern sind raumltsel-
haft Wo lagern sich Atome auf einer Oberflaumlche an
In welchem Tempo laufen chemische Prozesse an der
Grenzschicht zwischen Metall und Luft ab Und wie
viele Goldatome klumpen sich auf einer Siliziumober-
flaumlche zu einem Haufen zusammen
Um all diese Fragen zu beantworten reicht ein einfa-
ches Elektronenmikroskop ( ) oft nicht mehr aus Um
Abstaumlnde aufzuloumlsen die kleiner als ein Atom sind
muumlsste man die Energie der gestreuten Elektronen so
weit erhoumlhen dass sie das zu beobachtende Objekt
beim Beschuss zerstoumlren wuumlrden Zum Auffinden ei-
nes einzelnen Goldatoms auf einer Eisenoberflaumlche ist
Elektronenmikroskopie also eher ungeeignet
Um kleinste Abstaumlnde bis hin zur Groumlszlige einzelner
Atome abzubilden macht man sich deswegen die ge-
heimnisvollen Effekte der Quantenwelt zunutze Sie
kommen im Rastertunnelmikroskop (RTM) zur An-
wendung
Das Kernstuumlck des RTM ist eine extrem feine Metall-
spitze die an ihrem Ende nicht mehr als einige wenige
Atome breit ist Sie wird bis auf wenige Nanometer an
eine ndash ebenfalls leitende ndash Oberflaumlche herangebracht
Dann wird eine kleine Spannung zwischen Spitze und
Oberflaumlche angelegt Weil sich die beiden nicht be-
ruumlhren duumlrfte nach der klassischen Physik eigentlich
kein Strom flieszligen Aber im Mikrokosmos gelten die
Gesetze der klassischen Welt nicht mehr sondern es
herrschen die Regeln der Quantenphysik die Wellen-
funktionen ( ) der Elektronen der Metallspitze reichen
bis in die Oberflaumlche hinein Es besteht also eine ge-
ringe Chance dass das Elektron tunnelt ndash also ploumltz-
lich aus der Spitze verschwindet und zeitgleich in der
Oberflaumlche auftaucht (siehe Tunneleffekt ) Wenn
das geschieht dann flieszligt ein winziger Strom den man
nachweisen kann
Die Haumlufigkeit mit der ein solches Quantentunneln
zwischen Spitze und Oberflaumlche vorkommt ist extrem
stark ndash naumlmlich exponentiell ndash abhaumlngig vom Abstand
zwischen Spitze und Oberflaumlche Naumlhern sie sich um
nur einen Atomabstand aneinander an so steigt die
Staumlrke des flieszligenden Stromes bereits messbar an
Rastertunnelmikroskopie Wie man einzelne Atome sichtbar macht
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
211 Rastertunnelmikroskopie
Graphen unter dem Rastertunnelmikroskop
Mit der Spitze des RTM lassen sich sogar einzelne Atome manipu-lieren
Manganatome auf Silber angeordnet Aufnahme der Christian-Albrechts-Universitaumlt Kiel (CAU)
Bild links oben von Kliewer Rathlev Berndt CAU KielBild rechts oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftBild unten von Dr Marco Pratzer II Phys Institut B RWTH AachenS Karamanolis Faszination Nanotechnologie Karamanolis Verlag 2 Auflage 2006K Jopp Nanotechnologie ndash Aufbruch ins Reich der Zwerge Gabler Verlag 2Auflage 2006
Eine Oberflaumlche kann man daher
in einem Rasterverfahren untersu-
chen Der Bereich den die Spitze
dabei abrastert ist allerdings um ein
Vielfaches kleiner als beim Elektro-
nenmikroskop
Mit diesem Verfahren kann man
einzelne Atome (genauer gesagt
ihre Elektronenwolken) in der
Oberflaumlche sichtbar machen Stoumlr-
stellen entdecken und einzelne
Fremdatome die sich auf der Ober-
flaumlche abgelagert haben finden Das
RTM ndash fuumlr das seine Erfinder Gerd
Binning und Heinrich Rohrer 1986
den Nobelpreis fuumlr Physik erhielten
ndash hat so in den letzten Jahren faszi-
nierende Einblicke in die Physik der
Oberflaumlchen geboten
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
212 6 Atome und Quantenmechanik
1 25000Kohlenstoffnanoroumlhre
Ein Bit aus 12 Atomen
Bild oben mit freundlicher Genehmigung von Sebastian Loth Max Planck GesellschaftElektronenmikroskopie S 208R P Feynman Theres Plenty of Room at the Bottom httpwwwzyvexcomnanotechfeynmanhtml
Nanowelten umfassen Strukturen die
Groumlszligen von einigen Nanometern (Mil-
liardstel Meter) aufweisen und damit
deutlich kleiner als die Lichtwellenlaumln-
ge (400 bis 800 Nanometer) sind Man
dringt hier in einen Bereich vor in dem
einzelne Atome sowie Quanteneffek-
te wichtig werden ndash die Atome selbst
sind einige Zehntel Nanometer groszlig
Lichtmikroskope sind hier unbrauchbar
sodass man Elektronenmikroskope ( )
oder andere Techniken zum Erkennen
von Nanostrukturen benoumltigt Wenn es
gelingt Materie auf dieser Groumlszligenskala
zu kontrollieren und zu veraumlndern so er-
geben sich ungeahnte technische Moumlg-
lichkeiten
Einer der Ersten der sich Gedanken uumlber solche Moumlglichkeiten
machte war der Physik- Nobelpreistraumlger Richard P Feynman der
am 29 Dezember 1959 einen wegweisenden Vortrag mit dem Titel
bdquoTherersquos Plenty of Room at the Bottomldquo (Ganz unten ist eine
Menge Platz) hielt Dort stellte er sich beispielsweise die Frage bdquoKoumln-
nen wir die komplette Encyclopedia Britannica auf den Kopf eines
Nagels schreibenldquo Er kam zu dem Schluss dass es dann geht wenn
man die Schrift um den Faktor 25 000 verkleinert sodass die Groumlszlige
der Buchstaben bei rund acht Nanometern zu liegen kommt ndash auf
dieser Laumlngenskala bietet also selbst ein Nagelkopf eine Menge Platz
Nanowelten Ganz unten ist eine Menge Platz
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
213 Nanowelten
Flagellum (Geiszligel) eines Bakteriums
Atomare Struktur der DNA-Doppelhelix
Ein mehrere Zentimeter langer DNA-Faden ist im Chromosom mehrfach eng aufgewickelt und so auf nur wenigen Mikrometern Raum untergebracht
Rastertunnelmikroskopie S 210Lotuseffekt S 134DESY The worlds smallest magnetic data storage httpswwwdesydeinformation__servicespresspressreleases2012pr_120112index_enghtml
Noch viel mehr Platz erhaumllt man wenn
man nicht nur die Oberflaumlche sondern
auch das Innere der Materie nutzen
kann Der Inhalt aller existierenden Buuml-
cher haumltte in dieser Rechnung prinzipiell
in einem Staubkorn Platz Dass solche
Informationsdichten auch in der Realitaumlt
moumlglich sind beweist die Natur wenn
sie den kompletten genetischen Code
eines Lebewesens in Form eng verpack-
ter DNA-Doppelstraumlnge in jeder ein-
zelnen Zelle unterbringt wobei sie pro
Informations-Bit nur etwa fuumlnfzig Ato-
me benoumltigt Dabei liegt der Durchmesser des DNA-
Doppelstrangs bei nur rund zwei Nanometern
Heutige Standardtechniken wie Festplatten benoumltigen
noch deutlich mehr Atome pro Bit ein typischer Wert
fuumlr Festplatten liegt bei einigen Millionen Atomen wo-
bei der technische Fortschritt diesen Wert staumlndig ver-
ringert Im Labormaszligstab konnte in muumlhsamer Feinar-
beit mithilfe eines Rastertunnelmikroskops ( ) ein Bit
bereits mit nur zwoumllf Atomen realisiert werden
Im Bereich der Mikroelektronik naumlhern wir uns also
bereits Feynmans Vision sodass man wohl schon bald
von Nanoelektronik sprechen kann Auch in anderen
Bereichen gibt es Fortschritte beispielsweise bei der
Herstellung neuer Oberflaumlchen (Lotuseffekt ) und
Materialien wie Fullerenen Kohlenstoffnanoroumlhren
oder Nano-Schichten (Graphen)
Echte Nanomaschinen oder gar autonome Nanobots
sind jedoch noch weitgehend Zukunftsmusik
Die Natur zeigt uns jedoch was in diesem
Bereich prinzipiell moumlglich ist So ist jede
einzelne lebende Zelle ein Wunderwerk der
Nanotechnik Ein Beispiel ist die Geiszligel
(das Flagellum) von Bakterien die von ei-
nem winzigen Nanomotor mit rotierender
Achse wie eine Schiffschraube in Drehung
versetzt wird
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
214 6 Atome und Quantenmechanik
Emission
Absorption
stimulierte Emission
Der Franck-Hertz-Versuch S 184TRUMPF GmbH + Co KG 50 Jahre Laser httpwww50-jahre-lasercomF K Kneubuumlhl Laser Vieweg+Teubner Verlag 7 Auflage 2008
Laserlicht kommt uumlberall im alltaumlglichen Leben zum
Einsatz ndash ob als moderne Alternative zum Zeigestock
als Sensor in automatischen Tuumlren oder als Bauteil zum
Auslesen der Daten einer DVD Der Laser ist aus unse-
rem Leben nicht wegzudenken Doch was ist so beson-
ders am Licht eines Laserstrahls Was unterscheidet es
zum Beispiel vom Licht einer Taschenlampe
Um dies zu verstehen muss
man sich die Eigenschaften von
Lichtteilchen ( Photonen) ein-
mal genauer ansehen Sie sind
laut Quantenmechanik zugleich
Lichtwellen ndash also Schwingun-
gen im elektromagnetischen Feld
je schneller sie dabei oszillieren
desto blauer ist das Licht Die Schwingungsfrequenz
bestimmt also die Farbe des entsprechenden Lichtes
Und wenngleich Laserlicht auch eine Farbe hat gibt es
doch einen wichtigen Unterschied zwischen z B nor-
malem roten Licht und rotem Laserlicht Nur in Letz-
terem finden die Schwingungen aller Photonen in ex-
aktem Gleichschritt statt Man spricht davon dass die
Phasen aller beteiligten Photonen in einer festen Bezie-
hung zueinander stehen Alle schwingen gleichzeitig
auf und ab Und das bleiben sie auch uumlber lange Stre-
cken Die sogenannte Kohaumlrenzlaumlnge also die Strecke
nach der zwei Photonen im Lichtstahl aufhoumlren eine
feste Phasenbeziehung zueinander zu haben kann bei
Laserlicht viele Kilometer lang sein Hingegen ist die
Kohaumlrenzlaumlnge von Sonnenlicht oder Licht aus einer
Gluumlhbirne oft nur wenige Mikrometer lang Man kann
also mit Fug und Recht behaupten dass die Photonen
in Sonnenstrahlen keinerlei Phasenbeziehung zueinan-
der haben Den Unterschied zwischen normalem Licht
und Laserlicht stellt man sich also am besten wie den
zwischen einer Gruppe durcheinanderlaufender Ma-
rathonlaumlufer und einem Trupp im Gleichschritt mar-
schierender Soldaten vor
Wie aber erzeugt man solch
kohaumlrentes Laserlicht Hierfuumlr
macht man sich die Existenz
der diskreten Energieniveaus
(Frank-Hertz-Versuch ) in
Atomen zunutze Ein ausge-
suchtes Element wird (meist
in Gasform es gibt aber auch
Festkoumlrper- oder Fluumlssigkeitslaser) in einen Hohlraum
zwischen zwei Spiegeln eingeschlossen In diesen so-
genannten Resonator schickt man dann einzelne Pho-
tonen die genau die Energie eines bestimmten Uumlber-
ganges zwischen zwei diskreten Energieniveaus im
entsprechenden Element besitzen
Trifft ein solches Photon auf ein Atom so kann es
nach den Gesetzen der Quantenmechanik von ihm
aufgenommen werden ( Absorption) Dabei wird das
Atom vom niedrigeren in den houmlheren Energiezustand
uumlberfuumlhrt Ein solch angeregter Zustand ist allerdings
nicht sonderlich stabil schon nach kurzer Zeit zerfaumlllt
er d h das Atom geht unter Abgabe eines Photons der
entsprechende Wellenlaumlnge wieder in seinen Grund-
zustand uumlber ( Emission) Es gibt allerdings noch eine
Laser Lichtteilchen im Gleichschritt
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
215 Laser
Die stimuliert emittierten Photonen zwischen zwei Spiegeln (Ka-vitaumlt) bilden eine stehende Welle aus Befindet sich in einem der Spiegel ein kleines Loch so wird ein konstanter Strahl aus kohauml-renten Photonen abgegeben Damit der Laser nicht verlischt muss staumlndig Energie nachgeliefert werden um Atome in den ersten an-geregten Zustand zu versetzen
Bild links unten mit freundlicher Genehmigung von Professor Mark Csele Niagara CollegeLaserkuumlhlung S 200T Murphy APOLLO httpphysicsucsdedu~tmurphyapolloapollohtml Bestimmung der Entfernung Erde-Mond
dritte Moumlglichkeit und diese ist fuumlr einen Laser zent-
ral wichtig Trifft naumlmlich ein Photon mit der richtigen
Energie auf ein bereits angeregtes Atom so kann es
dieses auch zuruumlck in den Grundzustand befoumlrdern ()
wobei es zwei Photonen derselben Wellenlaumlnge abgibt
das urspruumlngliche sowie eines das die freigewordene
Energie des Atoms besitzt (stimulierte Emission)
Diese beiden Photonen besitzen eine feste Phasenbe-
ziehung zueinander
Wenn man es nun schafft dass von den Atomen zwi-
schen den beiden Spiegeln mehr als die Haumllfte im an-
geregten Zustand sind so erzeugen die Photonen eine
Art Lawineneffekt Sie werden zwischen den beiden
Spiegeln hin und her reflektiert und regen dabei staumln-
dig Atome an ndash und auch wieder ab Dabei werden sie
durch die stimulierte Emission nach und nach in eine
feste Phasenbeziehung zueinander gebracht Oumlffnet
man in einem der Spiegel ein kleines Loch so koumlnnen
dort die kohaumlrenten Photonen austreten und einen
Lichtstrahl mit enormer Kohaumlrenzlaumlnge formen Diese
stimulierte Emission hat dem LASER auch seinen Na-
men verliehen denn der Begriff steht fuumlr bdquoLight Am-
plification by Stimulated Emission of Radiationldquo zu
deutsch bdquoLichtverstaumlrkung durch stimulierte Emission
von Strahlungldquo
Der Laser erlaubt zum Beispiel die Entfernung zum
Mond praumlzise zu messen Man kann das Licht so exakt
fokussieren dass sich ein von der Erde abgeschossener
Laserstrahl beim Auftreffen auf die im Mittel 384 000
Kilometer entfernte Mondoberflaumlche gerade einmal
auf sieben Kilometer verbreitert hat Reflektiert von
Spiegeln die von Astronauten waumlhrend der Apollomis-
sionen dort installiert wurden kann man aufgrund der
exakt festgelegten Wellenlaumlnge des Laserlichtes die am
Erdboden ankommenden Photonen immer noch ge-
nau identifizieren Die Entfernung zwischen Erde und
Mond kann so bis auf den Millimeter genau gemessen
werden
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
216 6 Atome und Quantenmechanik
Ein Qubit kann nicht nur die Werte 0 und 1 annehmen sondern auch beliebige Kombinationen davon
Die Umpolung des externen Magnetfeldes wirkt wie die NAND-Operation auf zwei Qubits
Der Spin eines Teilchens S 186Ferromagnetismus S 244
Computer sind maumlchtige Werkzeuge zur Informati-
onsverarbeitung die aus dem alltaumlglichen Leben nicht
mehr wegzudenken sind Die grundlegenden Baustei-
ne in denen ein Computer Information darstellt sind
Bits die den Wert 1 (Strom flieszligt) oder 0 (Strom flieszligt
nicht) annehmen koumlnnen
In der zweiten Haumllfte des 20 Jahrhunderts kam man
uumlberdies zur Erkenntnis dass man Bits nicht nur mit
klassischen physikalischen Groumlszligen darstellen kann
(z B mit flieszligendem Strom) sondern auch mit quan-
tenmechanischen Groumlszligen wie zum Beispiel dem Spin
( ) eines Atoms Ein Quantenbit (kurz Qubit) kann
dabei nach den Gesetzen der Quantenphysik nicht nur
die Werte 1 (Spin zeigt nach oben) und 0 (Spin zeigt
nach unten) annehmen sondern auch eine beliebige
Uumlberlagerung ( Superposition) dieser beiden
Man kann dann auch mit solchen Qubits rechnen
Eine fundamentale logische Rechenoperation aus der
man alle komplexeren Operationen wie z B Addition
oder Negation durch Kombination konstruieren kann
lautet NAND (von bdquonot andldquo engl fuumlr bdquonicht undldquo)
Die NAND-Operation betrachtet zwei Bits und liefert
als Resultat entweder eine 0 wenn beide Bits den Wert
1 haben oder eine 1 in allen anderen Faumlllen d h wenn
beide Bits den Wert 0 besitzen oder eines 0 und eines
1 ist
Die NAND-Operation kann man sehr leicht auch mit
Qubits realisieren Hierfuumlr platziert man die beiden
Atome deren Spins die Qubits darstellen in ein exter-
nes Magnetfeld B Um die Rechenoperation NAND
nun anzuwenden aumlndert man die Richtung des Mag-
netfeldes langsam von unten nach oben
Die beiden Spins Q1 und Q2 wollen sich waumlhrend
dieses Vorganges nicht nur nach dem Magnetfeld aus-
richten es gibt auch eine ferromagnetische ( ) Wech-
selwirkung zwischen ihnen Zeigten sie zu Beginn zum
Beispiel beide nach unten ndash also in dieselbe Richtung
wie B ndash so folgen sie beim Umpolungsvorgang ge-
meinsam der Richtung von B und sind am Ende im-
mer noch parallel zueinander und zeigen beide nach
oben
Quantencomputer Quantenbits Ja Nein und Vielleicht
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits
217 Quantencomputer
D-Wave One ein sogenannter adiabatischer Quantencomputer Deutlich langsamer und fehleranfaumllliger als ein bdquonormalerldquo Quan-tencomputer dafuumlr allerdings bereits technisch realisierbar und mit 128 Bits die sich wie Qubits verhalten
E Farhi et al Adiabatische Quantencomputer MIT-CTP-2936 httparxivorgabsquant-ph0001106v1M Bezold quantencomputerde httpwwwquantencomputerdeG Brands Einfuumlhrung in die Quanteninformatik Quantenkryptografie Teleportation und Quantencomputing Springer Verlag 2011
Sind sie beide parallel zueinander aber zeigen in die
entgegengesetzte Richtung von B (beide Qubits also
zu Beginn gleich 1) so bleiben sie waumlhrend der Umpol-
ung aufgrund der ferromagnetischen Wechselwirkung
zwischen ihnen ebenfalls parallel zeigen also nach dem
Vorgang nach unten (beide Qubits sind dann gleich 0)
Zeigt einer der beiden Spins nach oben und einer nach
unten so befinden sie sich in einem instabilen Gleich-
gewicht Die Umpolung des Magnetfeldes verursacht
dann eine Stoumlrung der beiden Spins sodass sie am
Ende des Vorgangs im energetisch guumlnstigeren Zustand
ndash naumlmlich parallel zueinander ndash sind und dabei in die-
selbe Richtung zeigen wie das aumluszligere Magnetfeld also
nach oben (beide Qubits gleich 1)
Am Ende der Prozedur sind in allen Faumlllen also beide
Spins gleich Das gewuumlnschte Ergebnis kann man aus
dem Wert der beiden Qubits ablesen Die Moumlglichkei-
ten sind 00 rarr 1 01 rarr 1 10 rarr 1 11 rarr 0 Und das ist
genau die NAND Operation
Die Maumlchtigkeit der Berechnungen mit Qubits ruumlhrt
daher dass sie nicht nur die Werte 0 und 1 sondern
auch Uumlberlagerungen dieser beiden Werte annehmen
koumlnnen Prinzipiell kann man so mehrere Rechen-
schritte parallel ausfuumlhren in denen einzelne Bits un-
terschiedliche Werte haben In der Tat haben Quan-
tencomputer viel Aufmerksamkeit erfahren weil man
zeigen konnte dass sie prinzipiell in der Lage sind gro-
szlige Zahlen sehr viel schneller in ihre Primfaktoren zu
zerlegen als das klassische Computer jemals koumlnnten
Die Sicherheit der modernen Verschluumlsselungstechno-
logie beruht aber gerade auf der Tatsache dass normale
Computer fuumlr diese Faktorisierung Milliarden von Jah-
ren braumluchten Effektive Quantencomputer waumlren also
der Albtraum fuumlr Sicherheitsexperten (zumindest so-
lange bis man ein besseres Verschluumlsselungsverfahren
entwickelt haumltte) Aber auch davon sind wir noch weit
entfernt Weil quantenmechanische Uumlberlagerungen
so unglaublich stoumlranfaumlllig sind ist die technische Re-
alisierung von sinnvollen Quantencomputern bislang
noch Zukunftsmusik Waumlhrend dieses Buch geschrie-
ben wird gibt es noch keine logischen Gatter mit mehr
als vierzehn Qubits