30
Faust I Der Tragödie erster Teil Von Johann Wolfgang von Goethe Produktion: Theater der Altmark Stendal

Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

  • Upload
    others

  • View
    14

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

Faust IDer Tragödie erster Teil

Von Johann Wolfgang von GoetheProduktion: Theater der Altmark Stendal

Page 2: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

Inhalt

Einleitend 3

Die Inszenierung des Theaters der Altmark Stendal 4Das Stück 4Die Besetzung 4Pressestimmen 5

Exkurs: Die Arbeit des Regieteams bei der Erarbeitung einer Inszenierung 6

Der Autor: Johann Wolfgang von Goethe 9

Die Hintergründe 11Äußerungen Goethes über seinen Faust 11Die Entstehungsgeschichte 11Uraufführungen 12Der Fauststoff – Ursprünge 12Faust-Chronik 15

Inhalt – Abriss 17

Nachgehakt – Theaterpädagogische Anregungen 21Gesprächsanlässe 21Spielanlässe 22Arbeitsmaterialien 25

Quellenverzeichnis 29

Diese Materialmappe entstand mit der freundlicher Unterstützung von:

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

2

Page 3: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

Einleitend

Liebe Leserin, lieber Leser!

Schön! Sie interessieren sich für das theaterpädagogische Begleitmaterial zur aktuellen Inszenierung am Stadttheater Minden. Dieses Materialheft richtet sich in erster Linie an Lehrerinnen und Lehrer, die ihre Schülerinnen und Schüler auf den Theaterbesuch vorbereiten möchten. Zur Lektüre sind selbstverständlich alle Interessierten eingeladen. Wir wüschen dabei viel Vergnügen!

Wir glauben, dass das Erlebnis Theater erst dann richtig beginnt, wenn man begreift. Schüler sollten auf den Theaterbesuch vorbereitet werden, damit sie ihn genießen können. Die kleinen Material-sammlungen zu der Inszenierung am Stadttheater Minden sollen Ihnen zur Vorbereitung des Thea-terbesuchs mit Ihrer Klasse dienen.

Das Heft liefert Ideen, wie Sie mit Ihrer Klasse den Theaterbesuch vor- und nachbereiten könnten – die Informationen und Übungen eignen sich für Schülerinnen und Schüler ab 14 Jahren. Neben Hin-tergrundinformationen zu Autor und Werk enthalten sie Materialien, die für den Zugriff des jeweili-gen Regisseurs von Bedeutung sind. Außerdem am Ende einige theaterpädagogische Anregungen, mit denen Sie bestimmte Themenkomplexe der Inszenierung mit ihren Schülern praktisch „anSPIE-LEN“ können. Sie können sich aus diesen Materialien einzelne Dinge herausgreifen, sie abwandeln oder das gesamte Material verwenden.

Haben Sie Fragen zu Aufgabenstellungen und Übungsanleitungen, so nehmen Sie bitte mit uns Kon-takt auf. Gerne nehmen wir auch Ihre Feedbacks und Anregungen entgegen:

E-Mail [email protected]

Telefon 0571 – 828 39 15

Zusätzlich hinweisen möchten wir Sie auf die Homepage des Stadttheaters. Unter www.stadttheater-minden.de werden Sie mit den aktuellsten Informationen rund um das Programm des Stadttheaters Minden versorgt und finden dort seit Neuestem auch unter dem Punkt Service die Rubrik Theater-pädagogik. Zudem sind wir auf Facebook mit dem Forum „Sags Viola“ und dem Auftritt „Stadttheater Minden“ vertreten. Wir freuen uns, wenn Sie in einen regen Austausch mit uns treten und möchten Sie herzlich dazu einladen, uns jederzeit anzusprechen.

Wir heiβen Sie und Ihre Klasse herzlich willkommen im Stadttheater Minden!

Theaterpädagogik Stadttheater Minden, Viola Schneider

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

3

Page 4: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

Die Inszenierung Theater der Altmark Stendal

Über das Stück

Wohl kaum ein Stück, dem die deutsche Sprache mehr „geflügelteWorte” verdankt als dem Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede denkbare Realität auch erschaffen wird, das spielt Goe-the hier erstmals konsequent durch. Faust erscheint als der drängende, strebende Geist im Dienste der Aufklärung, als Tatmensch, der der Vernunft und seinem Geist mehr vertraut als Ver-kündern, Heiligen oder Priestern gleich welcher Religion.

200 Jahre sind seither vergangen. Das Vernunftprojekt ist selbst zum Mythos erstarrt, der Wis-senschaftler ist zum Priester geworden – letzte Kontroll- und Deutungsinstanz in einer überaus komplexen Welt. Zwei Seelen wohnten nur in seiner Brust? Fast möchten wir Faust beneiden um die Transparenz seiner Schizophrenie. Dem, der alles beherrschen wollte, entgleitet das Nächst-liegende. Sein unendlicher Tatendrang zerstört am Ende ALLES. Keine Wissenschaft und keine Technik dieser Welt können ihn von der Tragik der menschlichen Existenz befreien.

Die Besetzung

Inszenierung Dirk Löschner

Bühne und Kostüme Christopher Melching

Dramaturgie Sascha Löschner

Faust Michel Haebler

Mephistopheles Mathias Kusche

Margarete Frederike Duggen

Marthe Claudia Lüftenegger

Geist/ Schüler Jan Kittmann

Geist/ Valentin Sören Ergang

Wagner Andreas Schirra

Helena Claudia Lüftenegger

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

4

Page 5: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

Pressestimmen

Faust im 21. Jahrhundert: Auf einen Joint mit Teufel

Goethes „Faust“ verliert nie seinen Reiz. Obwohl Mut dazu gehört, versuchen sich Theaterschaf-fende allerorten immer wieder am Stoff. Der Mut des neuen Intendanten des Theaters der Alt-mark, Dirk Löschner, gemeinsam mit seinem Ensemble „Der Tragödie erster Teil“ auf die Bühne zu bringen, hat sich gelohnt. Das Publikum feierte die Premiere am Sonnabendabend in Stendal mit langanhaltendem Applaus.

Stendal. Der „Faust“ im Heute. Ein Mephisto im langen Ledermantel, ein Faust am Laptop, ein Gretchen mit Handy. Die wunderbaren Verse Goethes sind mit einem vorzüglichen Gespür in Szene gesetzt, stimmungsvolle Lichtspiele und peppige Musik verleihen dem Stück eine gehörige Portion Frische.

Raffinierte Bühnendrehtechnik zweier beweglicher Blöcke ermöglichen rasante Szenenübergän-ge – etwa zwischen Studierstube, Gretchens Zimmer, Garten und Kerker. Die Bühnenbilder sind in ihrer Kargheit auf den Punkt konzipiert. Der rastlose Forscher Faust tritt aus einen mit grünem Nebel gefüllten Zelt in weißem Schutzanzug heraus und proklamiert seine fundamentale Sinnkri-se, trotz aller Studiererei nicht zu wissen, „was die Welt im Innersten zusammenhält“. Mitreißen-des Spiel der Protagonisten

Michel Haebler als Faust muss sich anfangs scheinbar erst warmspielen. Die unbändige verzwei-felte Leidenschaft des frustrierten Wissenschaftlers zu zeigen, will in dieser Schlüsselszene nicht recht gelingen. Doch mit dem von der ersten Minute an voll präsenten Mathias Kusche als Me-phisto entspinnt sich ein mitreißendes Spiel der beiden Protagonisten.

Sie schließen einen Pakt: Mephisto führt Faust zu den (Erkenntnis-)Wonnen einer anderen Welt, Faust verschreibt dem Teufel seine Seele. Witziger Einfall: Faust bekommt einen Joint verpasst und erlebt einen sagenhaften Trip. Der wild tanzende Haebler macht den anfangs verkrampften Eindruck wieder wett.

Überhaupt ist die Inszenierung oft heiter. So etwa zeigt Kusche komödiantisches Können in der Pudelszene. Haebler amüsiert als liebestrunkener, lüsterner Faust. Doch bei aller Heiterkeit: Der Schwerpunkt der Inszenierung ist auf die Tragödie um Gretchen gelegt. Frederike gibt kein nai-ves, gottesfürchtiges Mädchen wie bei Goethe, sondern einen selbstbewussten Teenager. „Bin weder Fräulein, weder schön“ kommt sehr schnodderig. Duggen begeistert mit ihrem kontrast-reichen Spiel. Dem Vers „Meine Ruh ist hin…“ verleiht sie witzige Aspekte, wälzt sie sich doch vor Liebespein am Boden. Brillant sind jedoch ihre dramatischen Auftritte, so etwa in der Kerkersze-ne. Wehklagen und Körpersprache der wahnsinnigen, von Schuldgefühlen zerfressenen „Sünde-rin“ gehen unter die Haut.

Die Inszenierung ist auf gut zwei Stunden gehalten und um einige Szenen gekürzt. Der Erdgeist tritt nicht auf. Dafür zwei andere Geister, wunderbar gespielt von David Prosenc und Sören Er-gang. Mephisto bedient sich ihrer in zwei Szenen, einen lässt er in die Rolle des unterwürfigen Schülers schlüpfen, den anderen in die des Valentin, Gretchens Bruder.

Was ist gut und was ist böse?

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

5

Page 6: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

In der Stendaler Inszenierung ist es nicht wie bei Goethe Mephisto, der den Schüler einschüch-tert und alle Fakultäten verhöhnt, sondern Faust selbst. Gretchen stirbt gar in den Armen des Mephisto, sein Ledermantel deckt sie zu.

Damit stehen sie im Raum, die Fragen: Was ist gut, was böse? Wer ist jetzt der Gute, wer der Böse? Kann selbst ein Mephisto nicht mehr gegenhalten im menschlichen Erkenntnisdrang, der Konsequenzen und Verantwortung negiert?

Die Inszenierung hat es geschafft: Nach großem Beifall für einen neuen „Faust“ geht es sehr nachdenklich aus dem Theatersaal.

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

6

Page 7: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

ExkursExkursDie Arbeit des Regieteams bei der Erarbeitung einer InszenierungDie Arbeit des Regieteams bei der Erarbeitung einer Inszenierung

Das von der Theaterleitung ausgewählte Regieteam setzt sich in der Regel aus folgenden Personen zusammen

- dem/der Regisseur/Regisseurin,

- dem/der Austatter/Ausstatterin (oder Bühnenbildner/in und Kostümbildner/in) und

- dem/der Dramaturg/in.

Je nach Stück wird dieses Team noch durch eine/n Choreograf/in und/oder eine/n Komponisten/in ergänzt.

Gemeinsam entwickelt dieses Team ein Regiekonzept, das der jeweiligen Inszenierung zugrunde liegt und neben szenischen Umsetzungsideen und Kostümentwürfen (Figurinen) auch das Bühnenbildmodell enthält. Bestandteil des Konzepts sind auch Überlegungen zur Form von Musikeinsätzen (wird live gespielt, wird Musik extra komponiert, erfolgen Mikrofoneinsätze). Weiter fließen an dieser Stelle bereits erste Gedanken zur Bühnenlichtgestaltung ein. Zu diesem Zeitpunkt steht auch fest, wer vom Schauspielensemble welche Rolle übernimmt.

Das Regiekonzept wird lange vor dem eigentlichen Probenbeginn auf der Bauprobe mit dem technischen Leiter des Theaters, der Leiterin der Werkstätten, dem Bühnenmeister der jeweiligen Spielstätte sowie den verantwortlichen Ton- und Beleuchtungsmeistern genau besprochen und auf Realisierbarkeit überprüft. Dabei wird anhand des vorhandenen Bühnenbildmodells, einem entsprechenden angedeuteten Bühnenbildaufbau sowie vorhandenen Skizzen und Bauplänen diskutiert, ob sowohl die praktische Ausführung möglich ist als auch die finanzielle Höchstgrenze bei der praktischen Umsetzung der Ideen nicht überschritten wird. Berücksichtigt werden muss dabei auch, wieviel Geld für die Kostüme und weitere Requisiten gebraucht wird. Da jede Inszenierung nur ein ganz bestimmtes, vorab festgelegtes Ausstattungsbudget hat, kann es durchaus sein, dass manche Ideen verworfen und andere Lösungen gesucht werden müssen. Das ist nicht immer einfach, und so manche Bauprobe dauert dementsprechend lang, bis jedes Detail ausdiskutiert ist. Von dieser Bauprobe gibt es ein Protokoll, in dem alle Diskussionsergebnisse festgehalten sind.

Mit Abschluss der Bauprobe beginnen viele Arbeitsvorgänge parallel:

� Das Bühnenbildmodell und die dazugehörenden Zeichnungen und Pläne gelangen in die Werkstätten des Landestheaters, um in die Realität umgesetzt zu werden. Der/Die Ausstatter/Ausstatterin (oder der/die Bühnenbildner/Bühnenbildnerin) arbeitet eng mit den Werkstätten zusammen und überprüft immer wieder einzelne Fertigungsschritte.

� Ähnlich ist es auch mit den Figurinen. Diese kommen in die Schneidereien. Die Stoffauswahl und das Anfertigen der Kostüme betreut der/die Ausstatter/Ausstatterin (oder der/die Kostümbildner/in).

� Der/Die Dramaturg/in erarbeitet gemeinsam mit einem/r Grafiker/in das Plakat und das Programmheft, schreibt Texte für das monatlich erscheinende Theatermagazin und die Monatsspielpläne, um das Interesse der Öffentlichkeit für das geplante Stück zu wecken.

� Während die Kulissenteile und die Gewänder gefertigt und Pressetexte verfasst werden, beginnen auch die szenischen Proben. Meist steht am Anfang eine Konzeptionsprobe, in der dem Schauspielensemble und weiteren Beteiligten (Kolleginnen von Organisation und Verwaltung, AssistentInnen, HospitantInnen u. a.) das Regiekonzept vorgestellt und der Text

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

7

Page 8: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

in den verteilten Rollen gelesen wird. Dann beginnen die szenischen Proben und das Stück wird Szene für Szene auf der Bühne umgesetzt.

Die SchauspielerInnen sind bei diesen Proben noch nicht in den Originalkostümen, sondern nutzen Probenkostüme, die ungefähr den Originalen entsprechen. Für die Auswahl dieser Probenkostüme ist der/die Ausstatter/Ausstatterin (oder der/die Kostümbildner/in) zuständig. Auch das Bühnenbild ist bis dato nur angedeutet. Sowohl das Original-Bühnenbild als auch die Original-Kostüme kommen erst in den Endproben dazu, wenn das Stück technisch eingerichtet wird.

Bei der technischen Einrichtung erfolgt also der Kulissenaufbau, und alle Szenen werden nach einem bestimmten Plan ausgeleuchtet. In dieser Zeit kommen auch, wenn vorhanden, Musik- und/oder Videozuspielungen hinzu. Die Inszenierung wächst in all ihren Details zusammen.

Die so genannten Hauptproben (meist zwei bis drei) und die Generalprobe stellen dann die Endphase der Probenzeit dar. Die Theaterleitung ist hier zugegen und nimmt die Produktion künstlerisch und technisch ab, entscheidet also, ob die jeweilige Inszenierung so in die Öffentlichkeit gelangen darf oder ob noch etwas geändert werden muss. Außerdem kommt zur ersten Hauptprobe ein Vertreter der Betriebsfeuerwehr und entscheidet, ob die Produktion aus feuerpolizeilicher Sicht genehmigt werden kann.

In dieser letzten Probenwoche werden auch die MedienvertreterInnen zu einem Pressegespräch geladen, bei dem über die Inszenierung informiert wird.

Der Schlusspunkt jeder Inszenierungszeit ist die Premiere. Alle Beteiligten haben auf diesen Ter-min hingearbeitet. Dementsprechend herrscht immer große Aufregung bei allen. Nach der Pre-miere wird ausgelassen gefeiert, ist doch ein langer Arbeitsprozess bewältigt.

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

8

Page 9: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

Der Autor - Johann Wolfgang von Goethe

Johann Wolfgang von Goethe, ist als Dichter, Theaterleiter, Naturwissenschaftler, Kunsttheoretiker und Staatsmann der bekannteste Vertreter der Weimarer Klassik. Sein Werk umfasst Gedichte, Dramen und Prosa-Literatur, aber auch naturwissenschaftliche Abhandlungen. Er gilt als bedeutendster deutscher Dichter und ist eine herausragende Persönlichkeit der Weltliteratur.

1749 am 28. August wird Goethe in Frankfurt am Main geboren. Sein Vater widmete sich der Zusammenstellung eines Naturalienkabinetts sowie der Sammlung von Gemälden und brauchte neben diesen Tätigkeiten und der Erziehung seiner Kinder keinen Beruf auszuüben, da er sich den Titel eines Kaiserlichen Rates gekauft hatte und repräsentativen Aufgaben nachgehen konnte. Seine Mutter stammte aus einer alteingesessenen Patrizierfamilie. Außer einer 1750 geborenen Schwester starben alle anderen Geschwister früh. Goethe wurde von seinem Vater und durch Privatlehrer in allen damals üblichen Fächern und mehreren Sprachen (Lateinisch, Griechisch, Französisch, Englisch und Hebräisch) unterrichtet. Eine wesentliche Rolle im streng lutherischen Haushalt der Goethes spielte die religiöse Erziehung der Kinder, wozu die tägliche Bibellektüre und der sonntägliche Gottesdienstbesuch gehörten.

1755 sorgte die Nachricht des Erdbebens von Lissabon für erste Glaubenszweifel, wo sich Gott, indem er die Gerechten mit den Ungerechten gleichem Verderben preisgab, keineswegs väterlich bewiesen hatte.

1765 – 1768 studierte Johann Wolfgang von Goethe das „Juristerei“ in Leipzig, hörte jedoch nebenher mit Vorliebe Poetikvorlesungen und begann, selbst zu Schreiben. In Leipzig besucht er die Kneipe Auerbachs Keller und hört die Sage vom Schwarzmagier Faust. Auerbachs Keller taucht später als einziger konkret existierender Ort in seinem Drama FAUST I auf.

1768 zwang ihn eine Krankheit zurück nach Frankfurt. Nach zweijähriger Genesungszeit verlor der Vater die Geduld, Goethe verließ Frankfurt, um in Straßburg sein Studium zu beenden.

1770, als Goethe 21 Jahre alt war, erschien eine erste, anonyme Sammlung von musikalisierten Liedern. Goethe beginnt, angeregt durch einen Kindsmörderinnen-Prozess, die Arbeit am URFAUST.

1771 war seine Ausbildung abgeschlossen; er kehrte zurück nach Frankfurt und arbeitet einige Monate erfolglos als Jurist.

1771-1773 arbeitete Goethe am GÖTZ VON BERLICHINGEN: sein erster Erfolg, der Goethe mit einem Schlag berühmt machte. Es folgten der Roman Die LEIDEN DES JUNGEN WERTHERS. Der GÖTZ und der WERTHER – so verschieden sie auch sind – markierten den Beginn einer neuen deutschen Literatur. Der ruppige Stil des Götz wurde Mode bei den Dichtern des Sturm und Drang. Goethe aber galt von nun an als Genie, seine beiden ersten bedeutenderen Werke hatten ihm zu Weltruhm verholfen.

1775 wurde Goethe als Berater für Regierungstätigkeit nach Weimar geladen. 1782 wurde er dort in den Adelsstand erhoben. Mit dem Umzug nach Weimar gab er seinem Leben eine völlig neue Wendung: Nicht mehr die stürmische sprachgewaltige Darstellung von Leidenschaften, Landschaften und Wolkenflug, sondern das ruhige Nachdenken über große Zusammenhänge der Schöpfung wurden bestimmend für sein Werk. Nach den Erfolgen in der Jugend konnte Goethe nun mit seinen Werken keine Furore mehr machen. Es gab zwar zwei unautorisierte „Gesamtausgaben“, doch ansonsten hatten ihn Publikum und Verleger abgeschrieben.

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

9

Page 10: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

1786 zeichnete sich immer deutlicher ab, dass er von seinen Lebensumständen enttäuscht war: er ließ sich von den aktuellen Regierungsgeschäften beurlauben und reiste nach Italien. Nach zwei Jahren bereitete er seine Rückkehr nach Weimar vor.

1788 Vollendung von FAUST – EIN FRAGMENT, das 1790 gedruckt wird 1789 bekam er mit Christiane Vulpius einen Sohn, August, das einzige überlebende von fünf Kindern.

1791 übernahm er die Leitung des Hoftheaters in Weimar.

1793 bereits zog es ihn nach Jena in eine kleine Junggesellenwohnung, denn bei der Universität sollte ein botanischer Garten eingerichtet werden, wo er seine naturkundlichen Forschungen einbringen sollte. In Jena begegnete er Friedrich Schiller, der ihn nachdrücklich ermunterte, wieder an dem lange liegen gebliebenen FAUST zu arbeiten. Goethe vollendete den ersten Teil sowie einige Abschnitte des zweiten Teils. Um die Jahrhundertwende begann jedoch Goethes literarische Tätigkeit zu stagnieren.

Ab 1806 widmet sich Goethe der Vorbereitung einer neuen Gesamtausgabe seiner Werke (bei Cotta in Stuttgart) vor; hierfür schloss er auch endlich den ersten Teil des FAUST ab (1808).

1816 starb seine Frau Christiane nach langer Krankheit.

1817 wurde er endlich die Leitung des Hoftheaters los, die Schwiegertochter kümmerte sich fortan um sein Wohl. 1823 hielt er (74-jährig!) um die Hand einer 19-jährigen an. Die jedoch wies ihn ab. Er nahm die Arbeit am FAUST II wieder auf, die er 1830 beendete. FAUST II war wieder ein Werk, an dem ihm das (jahrelange) Werden das Wichtigste war, formal ein Bühnenstück, tatsächlich kaum auf der Bühne spielbar, eher ein phantastischer Bilderbogen, vieldeutig wie viele seiner Dichtungen seit der Jahrhundertwende. Er schrieb kaum mehr selbst, meist wurde diktiert.

Am 22. März 1832 starb Goethe an den Folgen einer Lungenentzündung in seinem Sessel. Seine berühmten letzten Worte sollen gelautet haben „Mehr Licht!“. Goethe wurde am 26. März in der Fürstengruft bestattet.

Eine Auswahl seiner wichtigsten Werke:

Götz von Berlichingen (1771/73) Clavigo (1774) Die Leiden des jungen Werthers (1774/87)

Urfaust (um 1774) Stella (1776) Iphigenie auf Tauris (1779/87) Egmont (1774/88)

Torquato Tasso (1780/90) Faust, ein Fragment (1788/90) Reineke Fuchs (1794)

Wilhelm Meisters Lehrjahre (1795/96) Balladen (1797) Faust. Eine Tragödie (1797/1806)

Achilleis (1808) Die Wahlverwandtschaften (1809) Zur Farbenlehre (1810)

Pandora (1810) Aus meinem Leben. Dichtung und Wahrheit (1813/33) Sonette (1815)

West-östlicher Divan (1819) Wilhelm Meisters Wanderjahre (1821/1829)

Trilogie der Leidenschaft (1823/1829) Italienische Reise (1829)

Über die Spiraltendenz der Vegetation (1829/31) Faust. Der Tragödie zweiter Teil (1831/33)

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

10

Page 11: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

Die Hintergründe

Äußerungen Goethes über seinen FAUST

Gespräch mit Eckermann am 29.01.1827: „Aber doch ist alles (im Faust II) sinnlich und wird, auf dem Theater gedacht, jedem gut in die Augen fallen. Und mehr habe ich nicht gewollt. Wenn es nur so ist, daß die Menge der Zuschauer Freude an der Erscheinung hat; dem Eingeweihten wird zugleich der höhere Sinn nicht entgehen.“

Gespräch mit Eckermann am 6.5.1827: „Die Deutschen sind übrigens wunderliche Leute! – Sie machen sich durch ihre tiefen Gedanken und Ideen, die sie überall suchen und überall hineinlegen, das Leben schwerer als billig. – Ei! so habt doch endlich einmal die Courage, Euch den Eindrücken hinzugeben, Euch ergötzen zu lassen, Euch rühren zu lassen, Euch erheben zu lassen, ja Euch belehren und zu etwas Großem entflammen und ermutigen zu lassen; (...) Da kommen sie und fragen: welche Idee ich in meinem Faust zu verkörpern gesucht? – Als ob ich das selber wüßte und aussprechen könnte. […] Je inkommensurabler und für den Verstand unfaßlicher eine poetische Produktion, desto besser.“

Die Entstehungsgeschichte

Entstehungsgeschichte des FAUST Die Legenden um Leben, Charakter und Schicksal von Johann Faust waren seit Erscheinen des Volksbuches 1587 ein bekannter und vielfach bearbeiteter literarischer Stoff. Mehr als 70 Lebensjahre umfasst die Entstehungsgeschichte des Faust. Sie setzt ein in Goethes früher Kindheit, als das Kind das Puppenspiel vom Doktor Faust erlebt, und endet wenige Wochen vor dem Tod des Zweiundachtzjgjährigen mit den letzten Eingriffen, die er noch Ende Januar 1832 im Zweiten Teil seiner Dichtung vorgenommen hat

URFAUST: Goethe begann die Arbeit an seinem Faust um 1770, angeregt von dem Prozess gegen die Kindesmörderin Susanna Margaretha Brandt(deren Hinrichtung Goethe wahrscheinlich miterlebt hat), weshalb in dieser ersten, Urfaust genannten Fassung, die Liebestragödie um Gretchen im Vordergrund steht. Der Urfaust beginnt mit Fausts Monolog im Studierzimmer. Mephisto tritt auf, aber der eigentliche Teufelspakt fehlt. Nach der Szene in Auerbachs Keller nimmt die Gretchentragödie ihren Lauf; die Hexenküche und die Walpurgisnacht fehlen. Diese Fassung wurde erst 1887, nach Vorlage einer Handschrift gedruckt, als man ihr die Bedeutung von Goethes Gesamtwerk und insbesondere des Faust beilegte.

FAUST. EIN FRAGMENT. Aus dem Urfaust entwickelte Goethe die Fassung Faust, ein Fragment, die 1788 vollendet war und 1790 gedruckt wurde. Gegenüberdem Urfaust ist das Faustfragment um einen Dialog mit Mephisto erweitert, in dem der Teufelspakt jedoch noch unausgesprochen bleibt. Neu hinzugekommen ist die Szene Hexenküche, dafür fehlt Gretchens Ende im Kerker. Neben der Liebestragödie um Gretchen wird die Tragödie des zweifelnden und scheiternden Wissenschaftlers sichtbar.

FAUST. EINE TRAGÖDIE. 1797 fügte Goethe dem Fragment die einleitenden Szenen Zueignung, Vorspiel auf dem Theater und Prolog im Himmel hinzu. Die endgültige Fassung der bereits im Urfaust und im Fragment enthaltenen Szenen sowie die Ausführung der Walpurgisnacht erfolgten bis 1806. Das Werk ging als Faust. Eine Tragödie. 1808 in Druck. Aus der Geschichte um ein unglücklich gemachtes Mädchen und einen verzweifelten Wissenschaftler war ein Menschheitsdrama zwischen Himmel und Hölle geworden. Goethe hat von seinem 21. bis 57.

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

11

Page 12: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

Lebensjahr am ersten Teil des Faust gearbeitet. Die drei Fassungen dokumentieren neben der inhaltlichen Erweiterung auch eine bedeutende stilistische Entwicklung.

FAUST II. Schon während der Arbeit an Faust I hatte Goethe Entwürfe und Szenen zum Faust II angelegt, obwohl er selbst nicht daran glaubte, dieses Projekt verwirklichen zu können.

Uraufführungen

1820 – Uraufführung einzelner Szenen am 24. Mai

1829 – Eine textlich, inhaltlich und vom Handlungsablauf gegenüber dem als unspielbar gehaltenen Originaltext Goethes radikal veränderte, für die Bühne redigirte Fassung in sechs Abtheilungen von Faust I am 19. Januar 1829 in Braunschweig

1829 – Ungekürzte Uraufführung des Originaltextes aus dem Jahr 1808, zu Goethes achtzigstem Geburtstag am Sonnabend, den 29. August 1829: Zum Erstenmal: Faust. Tragödie in acht Abtheilungen von Goethe in Weimar

1875/76 – Uraufführung, inklusive des posthum 1832 veröffentlichten zweiten Teils, im Hoftheater zu Weimar

Peter von Cornelius: Faust bietet Gretchen den Arm (1811)

F a u s t.

Mein schönes Fräulein, darf ichs wagen,

Mein Arm und Geleit ihr anzutragen?

M a r g a r e t h e.

Binn weder Fräulein weder schön,

Kann ohngeleit nach Hause gehn.

[...]

M a r g r e t e

Ich gäb was drum, wenn ich nur wüsst,

Wer heut der Herr gewesen ist.

Er sah gewiss recht wacker aus

Und ist aus einem edlen Haus,

Das konnt ich ihn an der Stirne lesen.

Er wär auch sonst nicht so keck gewesen.

Der Faust-Stoff - Ursprünge

Goethes Drama Faust behandelt einen deutschen Stoff, der aus dem 16. Jahrhundert stammt. Im Jahre 1587 ist er zum ersten Male literarisch hervorgetreten in dem Buch, Histori von D. Johann Fausten; der Verfasser ist bis heute unbekannt. Es enthält die Geschichte eines Mannes, der einen Bund mit dem Teufel eingeht – das ist ein mittelalterliches Motiv, das auch in den

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

12

Page 13: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

Geschichten von Simon Magus, Theophilus usw. vorkommt. Aber zu dem Teufelsbund-Motiv kommt hier etwas hinzu, was keine dieser anderen Sagen enthält, was den Geist des 16. Jahrhunderts atmet und früher nicht möglich gewesen wäre. Nicht Gier nach Reichtum und Lebensgenuss treibt ihn, sondern Drang nach Erkenntnis.

F a u s t.

Hab nun, ach! die Philosophey,

Medizin und Juristerey

Und leider auch die Theologie

Durchaus studirt mit heisser Müh.

Da steh ich nun, ich armer Thor,

Und binn so klug als wie zuvor.

Und weil dieser Drang auf keinem anderen Wege zur Erfüllung führt, verschreibt Faust sich dem, der ihm verspricht, seine Fragen zu beantworten – dem Teufel selbst, Mephistopheles.

Wie kommt diese Problematik in das für bürgerliche Leser gedachte Buch? Der Verfasser hatte sie nicht aus sich selbst, sondern aus einer geistigen Strömung, die durch das Jahrhundert zog, tief beunruhigend für alle schwerfälligen Geister (und auch für ihn selbst); es ist der Erkenntniswille des neuzeitlichen Menschen, der dem Diesseits neuen Wert verleiht. In Deutschland hatte er seine stärkste Ausprägung gefunden in Paracelsus (1493- 1541, Arzt und Philosoph). Die paracelsische Sehnsucht nach Erkenntnis hat einen religiösen Hintergrund. Wenn man erkennt, wie der Gang der Gestirne geordnet ist, wie im Kosmos alles mit allem zusammenhängt, wie der Mensch hineingefügt ist in die Gesetze des Lebens - heißt das nicht, Gottes Gedanken nachdenken? Die Lehre von den zwei Lichten - lumen fidei (Licht des Glaubens) und lumen naturale (Licht der Natur) wurde von Paracelsus und seinen Schülern in deutscher Sprache dargestellt und im Buchdruck verbreitet. Paracelsus sieht in dem „Licht der Natur“ eine zweite Offenbarung Gottes, die wir mit Sinnen und Geist im Anschauen der Welt zu erfassen fähig sind. (In seinem Buch Philosophia sagax, 1537, und in anderen Werken.) Das war den an alte dogmatische Geistesbahnen gewohnten Köpfen seiner Zeit unheimlich. Sie hielten dieses umstürzende Denken, das durch das Diesseits ins Ungemessene strebte, für Irrlehre, für teuflisch. Man dichtete Paracelsus an, er habe einen Teufel bei sich; er wurde zur Sagengestalt. Und in der Sage verschmolz das Erkenntnisstreben, das ihn und seine Schüler belebte, mit einer anderen Gestalt, die ebenfalls zur Sage wurde: Johann Faust.

F a u s t Der geschichtliche Faust, von dem nur wenige Lebenszeugnisse erhalten sind, war ein herumreisender Halbgelehrter, der sich mit marktschreierischem Zauberwesen und geschickten Horoskopen durchs Leben brachte. Er war — im Anfang des 16. Jahrhunderts lebend — ein Zeitgenosse des Paracelsus, und nach seinem Tode wurde von ihm berichtet, er sei in Leipzig auf einem Fass aus dem Wirtshaus geritten und habe in Erfurt den Studenten die Gestalten Homers leibhaftig vorgeführt. Diese anekdotischen Geschichten vermischten sich nun - weil er den Zeitgenossen ebenfalls unbegreiflich, unheimlich war - mit dem, was man von Paracelsus sprach. Und der paracelsische Geist gewann am Ende des 16. Jahrhunderts immer mehr an Bedeutung.

M e p h i s t o p h e l e s.

Ich mögt mich gleich dem Teufel übergeben,

Wenn ich nur selbst kein Teufel wär.

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

13

Page 14: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

Dass der Teufelsbündler böse sei, ist nach altem Glauben selbstverständlich.

Aber blickt man nicht nur auf den Pakt, sondern auf seine Ursachen, so ergibt sich die Frage: Diese Sehnsucht, die Welt in ihrer gottgewollten Ordnung zu erfassen, - ist sie denn böse? Hier liegt das tief Beunruhigende des Stoffes. Aber er fand keine gemäße dichterische Gestaltung, bis Goethe ihn ergriff, denn zu meistern war er nur als Seelenbild des Suchenden, und solche psychologische Dichtung schufen erst Goethe und seine Zeit. Die Dichtung des 16. und 17. Jahrhunderts war sachgebundener, objektiver, sie blieb bei Anekdoten und Lebenslauf und Berichten über naturphilosophische Spekulationen. Vom eigenen Innern zu sprechen, war Geist der Goethezeit. Darum konnte erst jetzt der Fauststoff dichterisch gemeistert werden. Das war anders in England: Das Jahrhundertende brachte hier die hohe Kultur des Dramas hervor, die in Ben Jonson und Shakespeare gipfelt. Und einer aus diesem Kreise, Christopher Marlowe, ergreift nun den Faust-Stoff, seine innerliche Größe ahnend. Von da kehrt dieser nach Deutschland zurück, wird zerspielt zum Schauerdrama, schließlich gewandelt zum Puppenspiel. Zugleich lebt er in Deutschland in der alten Form volkstümlicher Prosa fort. Auf diesen zwei Wegen gelangt er in die Hände der deutschen Dichter des 18. Jahrhunderts, in die Hände Goethes.

Das Faustbuch von 1587 ist das Werk eines engherzigen protestantischen Sitteneiferers. Ohne Darstellungskunst vermischt es anekdotisch-schwankhafte Züge (z.B. zaubert Faust einem Adeligen ein Geweih auf den Kopf) mit ausschweifenden Ermahnungen, aber dazwischen klingt der philosophische Zeitgeist immer wieder durch: Faust wird „Weltmensch“, hilfreicher Arzt, sein Abfall von Gott wird verglichen mit dem der Titanen und der luziferischen Engel; er verbindet sich mit dem Geiste Mephisto, um diesen nach Hölle und Himmel, dem Lauf der Gestirne, den Jahreszeiten und nach astrologischen Zusammenhängen zu befragen. Als er einem feindlichen Adligen begegnet, zaubert er eine ganze Kriegsschar herbei und besiegt ihn mit dieser. Er kommt an den Hof des Kaisers und lässt auf dessen Wunsch Alexander den Großen und dessen Gemahlin erscheinen. Ähnliches tut er vor Studenten: er zeigt ihnen die griechische Helena. Später erbittet er diese von Mephistopheles für sich selbst und lebt mit ihr zusammen; sie haben einen Sohn, und dieses Kind erzählt Faust viele zukünftige Dinge. Am Ende wird Faust von Reue geplagt. Seinem Diener Wagener vermacht er Bücher und Vermögen. Der Teufel holt ihn, und zugleich verschwinden Helena und ihr Sohn. Diese Motive bildeten fortan den Kern der Faust-Volksbücher.

Das deutsche Faustbuch von 1587 war rasch nach England gedrungen, wo der geniale junge Dramatiker Christopher Marlowe (1564-93) den Stoff ergriff. Mit dem Griff des Dramatikers packt es die großen Situationen: Ein Anfangsmonolog, der die Fakultäten mustert und zur Magie führt, Geisterbeschwörung, Pakt, Eingreifen in die hohe Politik, Beschwörung der Helena, schließlich Reue und Sehnsucht, die Zauberbücher zu verbrennen - als es zu spät ist. Die Geister sollen ihm wunderbare Kriegsmaschinen liefern und die schönste aller Frauen. Er ist grenzenlos im Ergreifen des Lebens, als Magier will er ein irdischer Gott sein, und was danach kommt, kümmert ihn nicht. So hat Marlowe den Titanismus des Stoffes stärker als alle seine Zeitgenossen entwickelt, hat aber anderseits die Motive des Volksbuchs - zuweilen fast allzusehr, bis ins Schwankhafte hinein - beibehalten.

Christopher Marlowe Marlowes Werk drang im 17. Jahrhundert nach Deutschland. Es gehörte zum Repertoire der Wanderbühnen. Marlowes Drama wurde in Deutschland bühnensicher und zugleich geistvoll umgearbeitet. In der Faustgestalt ist im Vergleich zu Marlowe weniger der Titanismus als der Wissensdurst herausgearbeitet. Das Faustdrama wurde zum Marionettenspiel, und dadurch wuchsen die Bühnenmöglichkeiten der Geisterszenen und gaben zu deren Ausgestaltung Anlass. In dieser Form hat Goethe das Werk in seiner Jugend gesehen. In

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

14

Page 15: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

Dichtung und Wahrheit sagt er: „Die bedeutende Puppenspielfabel klang und summte gar vieltönig in mir wider.“

M a r g r e t e Du lieber Gott, was so ein Mann / Nit alles, alles dencken kann! / Beschämt nur steh ich vor ihm da / Und sag zu allen Sachen ia. / Binn doch ein arm unwissend Kind, / Begreif nicht, was er an mir findt.

Als Goethe seinen Faust begann, nutzte er als Anregung das Puppenspiel; außerdem hatte er wohl eine der älteren Prosa-Darstellungen zur Hand. Andere Dichter des Sturm und Drang haben erst später als er und zum Teil unter seinem Einfluss den Stoff ergriffen, so der Maler Friedrich Müller, von dessen weitschweifigem Faust-Drama 1776 und 1778 nur Teile erschienen, und Maximilian Klinger, dessen Faust-Roman (1791) eine wilde Erdenfahrt mit der Höllenfahrt enden läßt. Ihre Werke verblassen neben dem Goethes. Nur bei Goethe ist die alte Fabel zum Stoff einer großen Weltbild-Dichtung geworden; denn er fand in ihr Motive, die, ins Symbolische erhoben, die Elemente seiner eigenen umfassenden Weltaneignung aussprechen konnten.

Hält man Goethes Drama mit den älteren Stoffquellen zusammen, so ist man immer wieder erstaunt, wie sehr es in Bereiche führt, von denen jene Werke noch nicht das geringste ahnen lassen. Aber nicht weniger erstaunlich ist, wie in dieser großen neuen Symbolwelt die Einzelmotive immer noch bis in Kleinigkeiten hinein auf jene Quellen zurückgehen und wie Goethe an ihnen mit einer Treue festhält, die den großen Sinn und die bildhafte Kraft der alten Volksfabel liebevoll anerkennt.

Faust-Chronik

• 1480 / † 1540 Johann Georg Faust, Alchemist und Astrologe, starb während eines Experimentes: Der Legende nach habe ihn der Teufel geholt.

• 1587 HISTORIA VON D. JOHANN FAUSTEN Von unbekanntem Verfasser erstmals schriftlich fixierte Magiergeschichte um den Gelehrten und Scharlatan Georg Faust, erschienen bei dem Frankfurter Buchdrucker Johann Spies. Die Ausgabe wurde sofort ins Englische übersetzt.

• 1588-1589 Christopher Marlowe (*1564 †1593) verfasst THE TRAGICAL HISTORY OF DOCTOR FAUSTUS, basierend auf der HISTORIA.

• 1674 Der Nürnberger Arzt J. Nikolaus Pfitzner überarbeitet und kürzt im folgenden entstandene HISTORIA-Abwandlungen. Erstmals taucht als Nebenmotiv eine schöne, arme Magd auf, welche bei einem Krämer in der Nachbarschaft dient und in die sich Faust verliebt.

• 1746 Älteste belegte Aufführung des Puppenspiels. Das Puppenspiel ermöglichte den starken Ausbau phantastischer geisterhafter Szenen und Gestalten.

• 1772, 14. Januar: Hinrichtung der Dienstmagd Susanna Margaretha Brandts wegen Ermordung ihres unehelichen Kindes. Verwandte Goethes waren am Prozess beteiligt.

• 1772-1775 Johann Wolfgang von Goethes FAUST IN URSPRÜNGLICHER GESTALT (später URFAUST genannt), erhalten durch eine private Abschrift des Hoffräuleins Luise von Göchhausen, entsteht. Goethe (* 1749 / † 1832) war von Kind an vertraut mit dem Faust-Puppenspiel, in seiner Jugend las er Lessings Fragment.

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

15

Page 16: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

• 1790 Goethe veröffentlicht FAUST. EIN FRAGMENT, das sprachliche Verfeinerung, jedoch keine inhaltliche Erweiterung erfahren hat. Die Arbeit am FAUST nimmt Goethe, gedrängt von Schiller, erst wieder am 24. Juni 1797 auf.

• 1808 Goethes FAUST I erscheint. 1801 hatte er sich das Pfitzner-Buch und andere Faust-Lektüren aus der Weimarer Bibliothek ausgeliehen. Mehr als 35 Jahre hat Goethe nun an seinem FAUST gearbeitet - der zweite Teil ist bereits in Planung.

• 1818 Marlowes Drama erscheint in deutscher Übersetzung unter dem Titel DOKTOR FAUSTUS.

• 1832 Goethes FAUST II erscheint postum einige Monate nach seinem Ableben, nach 60 Jahren der Auseinandersetzung mit dem Faust-Stoff.

• 1854, 25. März Uraufführung beider Teile des FAUST Goethes in Hamburg durch Edmund Anton Wollheim da Fonseca.

Aufgaben:

• Male einen Zeitstrahl, auf dem die wichtigsten Werke, die sich mit dem Faust-Stoff beschäftigen, verzeichnet sind. (Du kannst dazu auch die Faust-Chronik verwenden.)

• Recherchiere im Internet, welche Dichter sich nach Goethes Zeit mit dem Faust-Stoff befasst haben. Überlege dabei folgendes: Hat das Interesse an dem Stoff durch Goethes Fassung zu- oder abgenommen? Welche Aspekte des Faust-Stoffes standen bei den modernen Dichtern im Vordergrund?

• Erweitere den Zeitstrahl um die neuen Daten, die du herausgefunden hast.

• Kennzeichne nun die Zeitspanne, in der sich Goethe selbst mit dem Faust-Stoff befasst hat. Was fällt dir auf?

• Wie viele Fassungen des Faust-Stoffes gibt es allein von Goethe?

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

16

Page 17: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

Inhalt Abriss

FAUST I ist eine Tragödie von Johann Wolfgang von Goethe, die 1808 veröffentlicht wurde. Das Werk gilt als eines bedeutendsten und meistzitierten der deutschen Literatur. Das Drama greift die vielfach von anderen Autoren gestaltete Geschichte des historischen DOKTOR FAUSTUS auf und weitet sie im FAUST II zu einer Menschheits-Parabel aus.

Heinrich Faust, wie der historische Faust (ca. 1480–1538) ein angesehener Forscher und Lehrer zu Beginn der Neuzeit, zieht die Bilanz seines Lebens und kommt zu einem doppelt niederschmetternden Fazit: Als Wissenschaftler fehle es ihm an tiefer Einsicht und brauchbaren Ergebnissen, und als Mensch sei er unfähig, das Leben in seiner Fülle zu genießen. In dieser verzweifelten Lage verspricht er dem Teufel seine Seele, wenn es diesem gelingen sollte, Faust aus seiner Unzufriedenheit und Ruhelosigkeit zu befreien. Der schließt mit Faust einen Pakt, verwandelt ihn zurück in einen jungen Mann, nimmt ihn mit auf eine Reise durch die Welt und hilft ihm, die Liebschaft mit der jungen Margarete, genannt Gretchen, einzufädeln.

Figuren

Heinrich Faust, ein Gelehrter

Mephisto, der Teufelsfürst

Margarete, genannt Gretchen, ein junges Mädchen, Fausts Geliebte –

Fausts Famulus, Schüler, der bei Faust studieren will

Hexe, in Diensten Mephistos

Marthe, Gretchens Nachbarin

Valentin, Gretchens Bruder

1. Vorspiel auf dem Theater

Ein Theaterdirektor, ein Dichter und die Lustige Person streiten über Zweck und Funktion des Theaters. Der Direktor vertritt eine unternehmerische, der Dichter eine aufklärerische, die Lustige Person eine unterhaltende Absicht. Ihr Kompromiss ist das nun folgende Universal-Stück, der Faust: „Wir breiten in dem engen Bretterhaus/Einfach die ganze Schöpfung aus“

2. Prolog im Himmel

Drei Engel preisen den Herrn und kündigen ihn an. Mephisto beklagt sich beim Herrn (Gott), dass er den Menschen sich plagen lässt: „Ein wenig besser würd er leben/Hättest du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben/Er nennts Vernunft und brauchts allein/Nur tierischer als jedes Tier zu sein“. Die Sprache kommt auf Faust. Mephisto wettet, er könne Faust verführen, vom rechten Weg abzuweichen. Der Herr hält die Wette und sagt voraus, dass Faust ihm auf die Dauer nicht folgen wird: „Ein guter Mensch in seinem dunklen Drange/Ist sich des rechten Weges wohl bewußt.“

3. Faust-Mephisto-Schüler

Der Gelehrte Heinrich Faust zweifelt am Erkenntniswert der Wissenschaft, die weit davon entfernt ist, zu erklären, was die Welt im Innersten zusammenhält. Er zieht die Summe seiner langjährigen Studien: Und sehe, dass wir nichts wissen können! Um der realwissenschaftlichen Sackgasse zu entkommen, betreibt er Magie nach dem Vorbild des Nostradamus und beschwört

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

17

Page 18: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

den Erdgeist. Faust beschäftigt sich mit dem Anfang des Johannesevangeliums: „Geschrieben steht Im Anfang war das Wort/Man kann das Wort so hoch unmöglich schätzen/Doch wie es anders übersetzen“. Um es besser zu erfassen, schlägt er nacheinander die Übersetzungen Sinn, Kraft und Tat vor. Mephisto taucht auf und stellt sich vor als: ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft und als Geist, der stets verneint. Das Gespräch wird unterbrochen: Den Professor spielend hält Mephisto den Störenfried, einen potentiellen Schüler Fausts, eine Rede gegen die Universitätsgelehrsamkeit und gegen die Engstirnigkeit der einzelnen Fakultäten: „Grau, teurer Freund, ist alle Theorie“. Aus Fausts Unzufriedenheit mit seinem irdischen Leben entwickelt sich der sogenannte Teufelspakt: Mephisto verpflichtet sich, Faust im Diesseits zu dienen, ihm alle Wünsche zu erfüllen und tiefste Einsichten zu gewähren; dafür verpflichtet sich Faust, Mephisto im Jenseits zu dienen, also dem Teufel seine Seele zu überantworten, wenn Faust durch Mephistos Dienste endgültige Ruhe und Zufriedenheit erlangt: „Kannst Du mich schmeichelnd je belügen/Dass ich mir selbst gefallen mag/Kannst Du mich mit Genuss betrügen/Das sei mein letzter Tag/Sollt ich zum Augenblicke sagen/Verweile doch Du bist so schön/Dann kannst Du mich in Fesseln schlagen“

4. Auerbachs Keller

Vier saufende Gestalten, grölend und singend. Mephisto führt sie Faust zunächst als Beispiel dafür vor, wie leicht sichs leben lässt: „Du siehst Besoffensein/Des kleinen Mannes Sonnenschein“, kann es sich dann aber nicht verkneifen, mit seiner Zauberkunst Schabernack zu treiben. Faust und Mephisto suchen das Weite, die drei Gestalten hinterher. Faust sieht ein schönes junges Mädchen, Gretchen: „O Liebe leih mir Flügel/Und führe mich in ihr Gefild“. Mephisto verspricht, Faust mit ihr zusammen zu führen.

5. Hexenküche

Mephisto führt Faust in eine Hexenküche, in der ihm ein Zaubertrank verabreicht wird, der ihn verjüngt und ihm jede Frau begehrenswert erscheinen lässt.

6. Straße

Faust trifft Gretchen auf der Strasse. Gretchen stammt aus einfachen Verhältnissen; sie ist von Fausts Avancen überrascht und wehrt ihn ab. Faust verlangt von Mephisto, das Mädchen zu seiner Geliebten zu machen. Mephistos Einwand, er habe keine Gewalt über Gretchen, da sie unschuldig sei, kontert Faust mit der Drohung, den Pakt zu brechen: „Wenn nicht dies süße junge Blut/Heut Nacht in meinen Armen ruht/Sind wir um Mitternacht geschieden“.

7. Zimmer

Gretchen, noch in Gedanken, wer der Herr war, der sie ansprach, findet ein Kästchen mit wertvollem Schmuck, das Mephisto in ihrem Zimmer platziert hat. Sie legt den Schmuck an und posiert vor dem Spiegel.

8. Strasse (Original: 2805–2864)

Mephisto berichtet, dass Gretchen den Schmuck ihrer Mutter gezeigt hat, die den verdächtigen Schatz daraufhin ihrem Pfarrer übergab und dass Gretchen sowohl dem Schmuck als auch dem unbekannten Schenker nachträumt. Faust verlangt von ihm umgehend ein neues, noch wertvolleres Geschenk für Gretchen.

9. Marthes Haus

Gretchen zeigt der Nachbarin Marthe Schwerdtlein den neuen Schmuck und diese rät ihr, ihn zu behalten. Mephisto bringt Frau Marthe die Nachricht, ihr verschollener Mann sei gestorben, und

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

18

Page 19: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

bietet an, mit Faust einen weiteren Zeugen für diesen Sachverhalt zu stellen. Faust sträubt sich zunächst, etwas zu bezeugen, wovon er nichts weiß. Mephisto hält ihm jedoch vor, er habe als Wissenschaftler über Gott, die Welt und den Menschen Aussagen gemacht, von deren Richtigkeit er ebenfalls nichts Genaues gewusst habe.

10. Garten

Beim Treffen in Marthes Garten hofiert Mephisto ironisch die Hausherrin und hat alle Mühe, die unverhüllten Anträge der soeben erst verwitweten Frau abzuweisen. Gretchen schildert Faust ihr einfaches, aber erfülltes Alltagsleben. Sie weiß nicht, was er an ihr findet, erwidert aber voller Naivität seine Zuneigung.

11. Strasse

Faust beklagt seine eigene Schwäche, die ihn zur Begierde nach Gretchen treibt, ohne es verhindern zu können. Er sieht Gretchens Frieden dahin und ihr Schicksal voraus: „Wenn es geschehen soll mags gleich geschehen/Mag ihr Geschick auf mich zusammen stürzen/Und sie mit mir zugrunde gehen“

12. Gretchens Stube

Gretchen, als unerfahrenes, naives, verliebtes Mädchen, ist völlig aus ihrem seelischen Gleichgewicht geraten: „Meine Ruh ist hin/Mein Herz ist schwer/ Ich finde sie nimmer/Und nimmermehr“. Faust kommt dazu und Gretchen fragt nach seinem Verhältnis zu Religion. Faust antwortet Gretchen, er habe die gleichen Gefühle für das Gute, Schöne und Anständige wie sie. Diese Werte müssten aber nicht unbedingt von der Kanzel gepredigt werden, um beherzigt zu werden: „Nenn´s Glück Herz Liebe Gott/Ich habe dafür keinen Namen/Gefühl ist alles Name Schall und Rauch“. Hier erwähnt Gretchen erstmals ihre starke Abneigung gegen Fausts ständigen Begleiter Mephisto, Faust beruhigt sie. Gretchen sagt, wenn sie allein schliefe, ließe sie Faust nachts in ihr Zimmer, was dieser natürlich unbedingt will. Die Lösung hat er schon bereit: Er gibt Gretchen Schlafmittel, mit dem sie ihre Mutter betäuben soll. Gretchen fragt nach etwaigen Nebenwirkungen, aber Faust versichert ihr, das Mittel sei unbedenklich. Später stellt sich heraus, dass Gretchens Mutter daran gestorben ist.

13. Strasse

Beim üblichen Tratsch wird über Gretchen hergezogen, dass sie schwanger ist. Die Damen sind schadenfroh.

14. Kirche

Gretchen betet und klagt ihr Leid: „Ich wein ich wein ich weine/Das Herz zerbricht in mir“.

15. Straße

Valentin – Gretchens Bruder – stolz auf die unangreifbare Tugend seiner Schwester, hat von ihrem Fehltritt erfahren. Er lauert Faust auf und will ihn töten, wird jedoch von Faust mit Hilfe Mephistos getötet. Im Sterben klagt er Gretchens Zuchtlosigkeit an und prophezeit ihr ein schreckliches Ende als Hure.

16. Kirche

Der Pfarrer predigt Gretchen ihre begangene Sünde und verstößt sie: „Ihr Antlitz wenden ab von dir/Die Heiligen“.

17. Walpurgisnacht

Mephisto führt Faust in die Walpurgisnacht, Hexen treten auf, eine Orgie entfacht sich,

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

19

Page 20: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

18. Kerker (Original: 4398 - 4399)

Gretchen hat in ihrer Verzweiflung das neugeborene Kind getötet, ist dafür zum Tode verurteilt worden und erwartet ihre Hinrichtung. Faust fühlt sein schuldhaftes Versagen und macht Mephi-sto Vorhaltungen, der aber weist ihn darauf hin, dass Faust selbst Gretchen ins Verderben ge-stürzt habe: „Drang ich mich dir auf, oder du dich mir?“ Faust dringt in den Kerker ein. Gretchen erkennt Faust anfangs nicht und hält ihn sogar für ihren Henker. Faust will sie zur Flucht überre-den, doch sie weigert sich: Von hier ins ewige Ruhebett und weiter keinen Schritt! Als Gret-chen Mephisto hinter Faust auftauchen sieht, erschrickt sie und empfiehlt sich Gott: Gericht Gottes! dir hab ich mich übergeben! Mephisto drängt Faust aus dem Gefängnis: Sie ist ge-richtet. Doch eine Stimme von oben offenbart Gretchens Erlösung: Ist gerettet. Mephisto und Faust fliehen.

Aufgaben:

• Bildet kleine Gruppen von vier bis fünf Personen. Erzählt euch gegenseitig mit eigenen Worten den Inhalt des Faust. Habt ihr Fragen? Gibt es Verständnisprobleme? Diskutiert darüber.

• Der Faust besteht aus zwei Teilen: der Gelehrten-Tragödie und der Gretchen-Tragödie. Schreibt in Stichpunkten eine kurze Zusammenfassung über beide Teile und nennt die jeweils wichtigsten Aspekte.

• Zeichnet ein Diagramm, das alle wichtigen Charaktere aus dem Urfaust zeigt. Verdeutlicht dabei auch die Beziehungen der Personen untereinander.

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

20

Page 21: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

NachgehaktTheaterpädagogische Anregungen

Gesprächsanlässe:

• Was meint ihr, geht die Geschichte am Ende gut aus?

• Gefällt euch dieses Ende des Stücks?

• Wie hat euch das Bühnenbild gefallen?

• Welche Figur hat euch am besten gefallen? Und warum?

• Welche Figur hat euch nicht so gut gefallen? Und warum?

• Welche Szene hat Euch am besten gefallen und warum?

• Welche Szene hat euch nicht gefallen und warum?

Die Gretchenfrage:

Die Gretchenfrage „Wie hast dus mit der Religion?“ ist eine oft zitierte Passage aus Goethes Urfaust und verdient eine nähere Betrachtung:

• Recherchiert vorher zum Verständnis: Was ist der „Cathechismus“? Wen meint Gretchen mit „Der Mensch, den du da bey dir hast?“

• Diskutiert in der Klasse, wie Fausts Reaktion auf die Gretchenfrage ausfällt. Welche Stellung hat die Religion bei ihm?

• Beschreibt den Zwiespalt, der zwischen Gott und dem Teufel Mephistopheles herrscht. Was verspricht sich Faust von Mephisto?

• Warum lässt sich dies nicht mit dem Glauben vereinbaren?

• Wie ist eure Meinung zur Einstellung Fausts? Könnt ihr Gretchens Bedenken nachempfinden?

Kreative Aufgaben

Bildet kleine Gruppen von drei bis vier Personen. Sucht euch danach eine der folgenden Aufgaben aus und schreibt einen kurzen Monolog aus Sicht der jeweiligen Person. Versucht dabei, den Stil Goethes nachzuahmen. Tragt eure Ergebnisse anschließend in der Klasse vor. Diskutiert darüber, warum ihr welchen Stil und welche Worte gewählt habt. Könnt ihr euch die Gefühlswelt der entsprechenden Person so vorstellen?

• Mephisto hat Fausts Eingangsmonolog gehört, in dem sich dieser über sein Unwissen beklagt. Er probt nun eine Rede, wie er Faust davon überzeugen könnte, ihm seine Seele gegen vollständige Erfüllung auf Erden zu verkaufen (dies geschieht im sogenannten Teufelspakt in Faust I) Wie könnte diese Rede aussehen?

• Gretchen hat heute zum ersten Mal Heinrich Faust auf der Straße gesehen, der ihr seine Aufwartung gemacht hat. Sie hat (zunächst) allerdings abgelehnt. Abends sitzt sie vor ihrem Tagebuch und schreibt ihre Gefühle nieder. Wie könnte dieser Eintrag lauten?

Nach dem Theaterbesuch

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

21

Page 22: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

• Skizziert persönliche Eindrücke, die ihr beim Besuch des Faust hattet.

• Schaut euch Zeitungskritiken zum Faust an. Versucht, eine eigene Kritik anhand eurer persönlichen Eindrücke zu schreiben.

• Könnt ihr das Handeln der einzelnen Charaktere im Faust nachempfinden? Was hättet ihr anders/besser gemacht?

• Überlegt euch, wo im Alltag man Wirkungen von Goethes Faust auffinden kann (Zitate, Werbungen, Anspielungen).

Zum Weiterdenken...

• Wieso hatte Goethe mit seinem Werk Faust damals so großen Erfolg?

• Warum ist das Werk auch heute noch beliebt? Ist der Faust-Stoff nach 200 Jahren immer noch aktuell?

• Warum wird auf den Bühnen neben dem „eigentlichen“ Faust auch heute noch der Urfaust gespielt, obwohl es nur ein Fragment ist und von Goethe selbst vernichtet wurde?

• Warum hatte der Faust-Stoff für Goethe so große Bedeutung, dass er sich ein Leben lang damit beschäftigte?

Spielanlässe

Warm-Up

Faust sagt... ca. 5-10 Min.

Der Pakt zwischen Faust und Mephisto beinhaltet, dass Faust der „Bestimmer“ ist: Was er verlangt, muss Mephisto erfüllen, sonst bricht der Kontrakt. Damit spielt die folgende Aufwärmübung.

Die Schüler bewegen sich im Raum und zwar nicht in klassischer Zirkus-Marnier immer im Kreis herum, sondern Kreuz und quer. Der Spielleiter gibt Anweisungen in die Gruppe, z.B. Hüpfen, gehen wie ein Affe usw. Die Schüler folgen den Anweisungen aber nur, wenn der Spielleiter die Anweisung einleitet mit: „Faust sagt...“ Hüpfen, Gehen wie ein Affe usw. Hier sollten nach einfachen Einsteiger-Bewegungen ruhig schweißtreibende Anweisungen gegeben werden.

Variante: Der Spielleiter übergibt das Kommando nacheinander an verschiedene Schüler, die Regeln bleiben dieselben.

Statuen-Spiel mit geflügelten Worten ca. 15 Min.

Wegen seines großen Bekanntheitsgrades und der Bedeutung, die man dem Text und seinem Autor beimisst, ist Goethes Faust die Quelle zahlreicher geflügelter Worte, die bis heute oft zitiert werden, vielfach auch ohne, dass dem Zitierenden ihre Herkunft bewusst ist. Einige dieser Zitate sollen in der folgenden Übung von den Schülern illustriert werden.

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

22

Page 23: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

Die Schüler finden sich in Kleingruppen von 3-4 Teilnehmern zusammen. Einer ist der Baumeister, die anderen sein Rohmaterial. Der Spielleiter zieht eines der Zitatkärtchen (im Anhang der Materialsammlung) und jeder Baumeister baut sein Rohmaterial zu einem Standbild, das das Zitat illustriert. Wenn alle Standbilder gebaut sind, bleiben sie so stehen und die Baumeister wandern durch das so entstandene Museum und schauen, was die anderen gebaut haben. Im nächsten Durchgang wechselt der Baumeister und ein anderes Zitat wird illustriert.

Variante: Jede Gruppe bekommt eines der Zitatkärtchen und baut ein Standbild dazu. Wenn alle Standbilder fertig sind, löst sich jeweils eine Gruppe für einen Rundgang aus ihrem Standbild. Die Baumeister der anderen Gruppen stehen bei ihren Standbildern und beantworten entstehende Fragen zu ihrem Standbild. Wenn die Gruppe ihren Rundgang beendet hat, begibt sie sich wieder in ihr Standbild und die nächste Gruppe startet mit dem Rundgang.

Annäherung an FAUST I – Improvisationsvorlagen

Der schöne Augenblick ca. 20-30 Min.

Der Pakt zwischen Faust und Mephisto beinhaltet, dass Mephisto Faust einen Augenblick verschaffen muss, in dem Faust restlos glücklich ist. Dann, und nur dann, erhält Mephisto die Seele Fausts nach dessen Ableben. In dieser Improvisationsanregung geht es darum, dass die Schüler sich überlegen, was für ein Augenblick das sein könnte.

Die Schüler sollen sich in Kleingruppen zusammentun und diskutieren, was für ein Augenblick ihrer Meinung nach so schön ist, dass er ewig dauern sollte. Wenn die Gruppe sich auf einen Augenblick geeinigt hat, sollen sie sich eine kleine Szene ausdenken, in der ein solcher Augenblick vorkommt. Die so entstehenden Szenen werden dann im Plenum vorgestellt und diskutiert.

Anmachen – Leicht gemacht ca. 30 – 45 Min.

Ein junger Mann (der jung gewordene Faust) trifft ein unschuldiges Mädchen, Margarethe, und entbrennt in Liebe und Leidenschaft. Diese alltägliche Situation kennen die Schülerinnen und Schüler aus ihrem Privatleben. In dieser Improvisationsanregung geht es darum, eine solche Szene zu vergegenwärtigen.

Nach dem Lesen der entsprechenden Zeilen aus der Szene „Straße“ (im Anhang der Materialsammlung) entwickeln sie moderne Varianten des Themas "Mann trifft Frau". Die Schülerinnen und Schüler sollen in kleinen Gruppen zu 2-3 Teilnehmern die Szene „Straße“ völlig neu entwickeln.

Schauplätze und Sprache können beliebig verändert werden, nur die beteiligten Rollen (Gretchen und Faust, ggf. Mephisto) sind vorgeschrieben. Diese Szenen werden anschließend in der Klasse oder im Kurs vorgespielt. Ggf. können Szenenfotos angefertigt werden.

Arbeit mit Rollentexten

Wer bin ich? ca. 15 Min.

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

23

Page 24: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

Für diese Übung können die Rollentexte aus dem Anhang verwendet werden oder die Schülern schreiben selbst Rollentexte oder -biographien. Der Lehrer gibt jedem Schüler einen Rollentext, dabei sollte darauf geachtet werden, dass bei der Verteilung alle Figuren gleichmäßig vergeben werden. Bei 23 Schülern wären es z.B. 4 komplette Ensembles und die unabdingbaren drei Figuren (Faust, Mephisto und Gretchen) als ein weiteres Ensemble.

Die Schüler bewegen sich durch den Raum und lesen die Rollentexte laut und für sich. Auf Anweisung des Lehrers probieren die Schüler für ihre Figur verschiedene Möglichkeiten des Sprechens, der Bewegung aus, bis sie meinen, eine angemessene gefunden zu haben. So kann Schritt für Schritt eine Figur entwickelt werden.

• Welche Körperhaltung hat die Figur (aufrecht, gebückt, angespannt, entspannt...)?

• Wie würde die Figur sich hinsetzen?

• Welche Bewegungen macht die Figur?

• Hat die Figur einen Tick (z.B. immer Haare zurückstreichen, Nägel kauen...)?

• Wie setzt die Figur ihre Füße auf?

• Wie ist der Gang der Figur?

• Welche Sprache benutzt die Figur (Akzent, Lautstärke... – Anhand eines der Zitate unter den Rollentexten)?

Beziehungsgeflecht/Soziogramm – Was wollen denn die von mir? ca. 30 Min.

a) Wenn alle Schüler eine Figur entwickelt haben, teilen sich die Schüler in Kleingruppen in Ensemblestärke: In jeder Gruppe sind ein Faust, ein Mephisto, ein Gretchen, eine Marthe, ein Valentin. Wenn die Gruppe nicht durch fünf glatt teilbar ist, kann man auch Figuren in den Ensembles weglassen. Faust, Mephisto und Gretchen sollten jedoch in jedem Fall vorkommen. Bei 22 Schülern wären es z.B. 3 komplette Ensembles und diese drei Figuren sowie vier Figuren als zwei weitere Ensembles. Zuerst erzählen die Schüler sich gegenseitig, wer die jeweiligen Figuren sind und zeigen, wie sie sich ihrer Meinung nach bewegen, wie sie gehen und sprechen. In den Kleingruppen entsteht so ein erstes Verständnis für die Struktur der Verhältnisse im Stück. Die reine Gesprächsphase sollte nicht lange dauern, lieber schnell mit dem Ausprobieren anfangen.

b) Die Figuren gehen nacheinander auf eine von der Gruppe festgelegte Bühne, und stellen sich mit der Körper-, Bewegungs- und Sprechhaltung in Ich- Form vor. Am Ende sprechen sie das von ihnen ausgewählte Zitat der Figur aus dem Text. Zu dem Satz soll eine entsprechende Haltung und Position auf der „Bühne“ gefunden werden, in der die Figuren „einfrieren“. Die erste Figur, die die Bühne betritt, sollte in diesem Fall Faust sein. Die folgenden Figuren ordnen sich den schon stehenden Figuren zu. Dabei zu beachten: An wen richtet sich das Zitat?

c) Eine Bühne und ein Zuschauerraum werden festgelegt. Eine Gruppe beginnt damit, ihr Standbild vor der anderen Gruppe aufzubauen, wieder werden die Haltungen eingenommen, das Zitat wird gesprochen und die Figuren frieren zum Standbild ein. Die andere Gruppe sieht zu. Wenn alle Figuren eines Ensembles auf der Bühne stehen, sollte Raum für „Korrekturen“ sein: Was sehen die Zuschauer? Meinen sie, dass noch etwas verändert werden sollte? Wenn ja: Was? Und Wie? Wie geht es den einzelnen Figuren im Standbild? Sollte noch etwas verändert werden? Dieses Prozedere wird mit allen Ensembles durchgespielt. Zum Ende der Übung haben die

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

24

Page 25: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

Schüler mehrere Standbilder gebaut, in denen sowohl die Beziehungen der Figuren untereinander deutlich wurden, als auch jede Rolle kurz eingeführt wurde. Durch die verschiedenen Ensembles wurden im besten Falle Charakterzüge und Beziehungen der einzelnen Figuren unterschiedlich beleuchtet.

Anhang - Arbeitsmaterialien

1. Geflügelte Worte aus FAUST I

Der Worte sind genug gewechselt, die Leute wollen Taten sehn!

Freude muss Leid und Leid muss Freude haben.

Es irrt der Mensch, solang er strebt.

Was man nicht weiß, das eben brauchte man, und was man weiß, kann man nicht brauchen.

Mir geht die Seele auf.

Gefühl ist alles, Name ist Schall und Rauch.

Grau ist alle Theorie.

Schönes Fräulein darf ichs wagen Mein Geleit ihr anzutragen

2. Straßenszene

Faust

Schönes Fräulein darf ichs wagen

Mein Geleit ihr anzutragen

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

25

Page 26: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

Gretchen

Bin weder Fräulein Weder schön

Kann auch allein nach Hause gehen

Faust

Die musst Du mir beschaffen

Mephisto

Wen

Faust

Das Mädchen. Es ging grad vorbei.

3. Rollentexte

Heinrich Faust

Heinrich Faust, genannt Faust, ist Wissenschaftler auf den Gebieten Philosophie, Jura, Medizin, Theologie. Faust ist frustriert, weil er das Gefühl hat, nicht genug zu wissen, was wichtig ist. Als er Mephisto kennen lernt und der ihm anbietet, ihm jeden Wunsch zu erfüllen, um ihn wieder glücklich zu machen, willigt Faust ein. Mit der Bedingung, dass er dann im Jenseits Mephisto dienen soll, ist er einverstanden, wenn er nur einmal einen Augenblick erleben kann, der ihn umhaut. Das Leben bringt ihm sowieso keinen Spaß mehr. Mephisto führt Faust erst zu einer Hexe, die ihn 30 Jahre jünger macht. Dann sieht Faust ein junges Mädchen, Gretchen. Er will, dass Mephisto ihm Zugang zu ihr verschafft und dass sie mit ihm schläft. Mephisto hilft Faust. Als er mit Gretchen geschlafen hat, trifft er mit Mephisto ihren Bruder Valentin. Mephisto provoziert Valentin und bringt Faust dazu, ihn zu töten. Dann lässt Faust sich von Mephisto zu einer Walpurgisnacht-Party der Hexen bringen und vergisst darüber Gretchen. Als er sich wieder erinnert und erfährt, dass sie im Kerker sitzt, will er sie retten.

Zitate:

1. „O glücklich, wer noch hoffen kann, aus diesem Meer des Irrtums aufzutauchen.“

2. „Ich bin zu alt, um nur zu spielen, zu jung, um ohne Wunsch zu sein.“

3. „Schönes Fräulein, darf ichs wagen, mein Geleit ihr anzutragen?“

Mephisto

Mephisto ist ein Teil von der Kraft, die stets das Böse will und damit der Gegenspieler des Herrn. Mephisto wettet mit dem Herrn darum, dass er Faust auf seine Seite ziehen kann. Als Mephisto Faust trifft, verspricht er ihm, ihm vollkommenen Genuss im Leben zu verschaffen, wenn Faust dann nach dem Leben ihm dienen würde. Mephisto will Faust durch eine junge Frau den Genuss verschaffen, um den sie gewettet haben. Darum bringt er ihn zu einer Hexe, die ihn verjüngt. Als Faust sich in Gretchen verguckt, tut Mephisto alles, um sie ihm zu beschaffen. Und es gelingt: Er flirtet mit Gretchens Nachbarin Marthe und organisiert in deren Garten ein Treffen von Faust und Gretchen. Als Gretchens Bruder Valentin von Gretchens Verhältnis mit Faust erfährt, fordert er ihn und Mephisto zum Kampf. In dessen Verlauf tötet Faust Valentin und Mephisto bringt Faust, damit er Gretchen vergisst, zur Walpurgisnachtparty der Hexen. Er will Faust mit Hexen

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

26

Page 27: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

verkuppeln, um ihn auf seine Seite zu ziehen. Mephisto muss jedoch erkennen, dass Faust ihm entgleitet: Faust will Gretchen helfen, die im Kerker gefangen ist, weil sie ihr gemeinsames Kind getötet habe.

Zitate:

1. „Ich gebe dir, was du noch nie gesehn.“

2. „Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“

3. „Es lebe, wer sich tapfer hält“

Gretchen

Margarethe ist ein junges und unschuldiges Mädchen, das von allen nur Gretchen genannt wird. Sie ist streng erzogen worden und lebt mit ihrer Mutter allein. Ihr Bruder Leonhard ist als Soldat nicht in der Stadt. Gretchen hilft ihrer Mutter bei der Arbeit im Haushalt und geht häufig in die Kirche. Sie glaubt an Gott und dass er gut zu den Gerechten ist. Als sie eines Tages aus der Kirche kommt, spricht sie ein etwa 40-jähriger Mann an, der sie nach Hause bringen will. Auch wenn sie sich geschmeichelt fühlt, lehnt sie ab: es würde sich nicht schicken. Als sie am Abend heimkommt, denkt sie trotzdem noch immer an ihn. Als sie schlafen gehen will, findet sie ein Kästchen mit Schmuck. Wer das dort hingelegt haben kann, weiß sie nicht. Als sie der Mutter davon berichtet, fürchtet diese das Schlimmste und bringt das Kästchen zum Pfarrer. Als Gretchen ein neues Kästchen mit noch schönerem Schmuck findet, sagt sie es deshalb nicht der Mutter, sondern bringt es zur Nachbarin Marthe, die ihr rät, den Schmuck zu behalten. In diesem Moment taucht ein Mann, Mephisto, auf, der Marthe vom Tod ihres Mannes berichtet. Und dann erscheint der Mann, der Gretchen heimbringen wollte: Faust. Gretchen und er unterhalten sich, sprechen von Liebe. Faust ist Gretchen trotzdem etwas unheimlich, weil er nicht an Gott glaubt wie sie und diesen komischen Begleiter immer dabei hat. Aber sie ist so verliebt, dass sie darüber hinweg sieht: Gretchen lädt Faust in ihr Zimmer ein und verabreicht ihrer Mutter dafür ein angeblich ungefährliches Schlafmittel von Faust. Dann ist die Mutter tot, Gretchen merkt, dass sie schwanger ist und Faust taucht nicht mehr auf. Auch ihr Bruder Leonhard steht ihr nicht bei, sondern stirbt im Duell mit Faust und verflucht Gretchen im Sterben als Hure. Auch das Kind stirbt und Gretchen wird zum Tode verurteilt.

Zitate:

1. „Was so ein Mann nicht alles denken kann.“

2. „Meine Ruh ist hin.“

3. „Ich darf nicht, für mich ist nichts zu hoffen.“

Marthe Schwerdtlein

Marthe Schwerdtlein ist die Nachbarin von Gretchen und ihrer Mutter. Gretchen tut ihr leid, weil deren Mutter sie so sehr bevormundet und ihr kaum Freiheiten lässt. Als Gretchen einen Verehrer hat, spricht sie ihr gut zu und lässt ein Treffen bei sich daheim zu. Während Gretchen

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

27

Page 28: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

und Faust sich näher kommen, verbringt Marthe nur zu gern ihre Zeit mit Fausts charmantem Begleiter Mephisto, zumal der ihr gerade die Nachricht überbracht hat, dass ihr seit langem verschwundener Mann gestorben sei.

Zitate:

1. „Komm du nur oft zu mir herüber“

2. „Sich allein zum Grab zu schleifen, das hat noch keinem wohlgetan

3. „Er scheint ihr gewogen“

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

28

Page 29: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

Valentin

Valentin ist Gretchens Bruder. Er ist Soldat und lebt nicht mehr im Heimatort. Vom Leben seiner Mutter und seiner Schwester bekommt er im Moment nicht allzu viel mit. Er weiß aber, dass alles gut läuft, weil er sich sicher ist, in Gretchen eine brave Schwester zu haben, die der Mutter hilft, wo sie nur kann. Außerdem weiß er, dass Gretchen, anders als die meisten jungen Frauen, tugendhaft, fromm und lieb ist und sich niemals mit einem Mann einlassen würde, bevor er und seine Mutter ihn für gut befinden und sie mit ihm verheiratet ist. Das erzählt er auch immer seinen Freunden, wenn sie wieder berichten, wie viele Frauen sie schon entjungfert haben. Als er jedoch dieses Mal nach Hause kommt, stellt er fest, dass das Gegenteil die momentane Situation ist: alle reden über Gretchen und zeigen mit den Finger auf sie, weil sie mit einem Mann geschlafen hat, schwanger geworden ist und der Mann sich verdrückt hat. Valentin ist entsetzt und komplett enttäuscht von seiner Schwester. Er fordert Faust und Mephisto zum Kampf, dabei stirbt er.

Zitate:

1. „Bist du´s, so pack ich dich beim Felle.“

2. „Ich sagte, dass keine meiner Schwester gleicht, dass keine Gretel das Wasser reicht.“

3. „Und wenn dich erst ein Dutzend hat, hat dich auch bald die ganze Stadt.“

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

29

Page 30: Faust I - tjg-dresden.de Geschichte von... · Faust von Goethe. Offenbar bietet Faust als Person dem deutschen Wesen unendlich Identifikti-onsmöglichkeiten. Dass der Mensch jede

Quellenangaben

http://www.tda-stendal.de/faust

http://www.deutschestheater.de/spielplan/faust/

http://gutenberg.spiegel.de

http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Wolfgang_von_Goethe

http://www.hsaugsburg.de/~harsch/germanica/Chronologie/18Jh/Goethe/goe_intr.html

Lektürehilfen Johann Wolfgang von Goethe: Faust - Erster und zweiter Teil. Ausführliche Inhaltsangabe und Interpretation

Erich Trunz, Kommentar zu Goethes Faust, in: Werke. Hamburger Ausgabe, München 1986.

Programmheft und Materialsammlung Urfaust des Landestheater Detmold

Viola SchneiderStadttheater MindenTonhallenstraße 332423 [email protected] 0571-828 39 15

30