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Finanzkolloquium IAS 32 – Weiterentwicklung von IAS 32 zwingend erforderlich –

Finanzkolloquium IAS 32 - voeb.de · Inhaltsverzeichnis z z z z 5 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands Inhaltsverzeichnis Vorwort 3 Abkürzungsverzeichnis 8 1 IAS 32

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Finanzkolloquium IAS 32– Weiterentwicklung von IAS 32 zwingend erforderlich –

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32

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Herausgeber:Bundesverband ÖffentlicherBanken Deutschlands, VÖBLennéstraße 11, 10785 BerlinPostfach 11 02 72, 10832 BerlinTelefon 0 30/81 92-0Telefax 0 30/81 92-2 22E-Mail: [email protected] Internet: www.voeb.de

In Zusammenarbeit mit: Universität Lüneburg

Stand: August 2007

Herstellung:DCM · Druck Center Meckenheim

www.voeb.de

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Finanzkolloquium IAS 32 - Weiterentwicklung von IAS 32 zwingend erforderlich -

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Vorwort

3 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

Vorwort

In keinem Bereich der Wirtschaftswissenschaften ist die Verzahnung zwi-schen Theorie und Praxis so augenfällig wie im Bereich der internationalen Rechnungslegung. Die Auswirkungen auf die betrieblichen Informations- und Steuerungssysteme sind nachhaltig. Auch die mit der Umsetzung befassten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ebenso wie die analysierenden Rating-agenturen stehen vor nicht immer leicht zu lösenden Fragen. Am Beispiel des Standards IAS 32 wurde schon kurz nach seiner Veröffentlichung im Dezem-ber 2003 deutlich, dass seine Anwendung erhebliche praktische und theore-tische Probleme nicht nur für deutsche Unternehmen aufwerfen würde.

Die Abgrenzung von Eigenkapital zu Fremdkapital erfolgt auf der Grundlage der Gesellschaftsform, die ihr Eigenkapital über die Börse generiert: der Akti-engesellschaft. Damit werden Personenhandelsgesellschaften und Genos-senschaften eindeutig benachteiligt. Auch der am 22. Juni 2006 veröffentlich-te Entwurf zu IAS 32, der die geltenden Regelungen ergänzen soll, hilft nur partiell.

Umso mehr freuen wir uns darüber, dass es uns gelungen war, Vertreter der führenden Wirtschaftsprüfungsunternehmen und einer der größten Rating-agenturen für einen offenen Meinungsaustausch in einer Gemeinschaftsver-anstaltung am 7. Dezember 2006 in Berlin zu gewinnen. Das von uns durch-geführte Finanzkolloquium konnten wir mit einem im Finanzierungsbereich ausgewiesenen Wissenschaftler abrunden.

Mit dem jetzt vorliegenden Herausgeberwerk möchten wir die wesentlichen Ergebnisse unseres Finanzkolloquiums einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen, um dadurch die andauernde Diskussion zum Rechnungslegungs-standard IAS 32 weiter voranzutreiben. Den Autoren der einzelnen Beiträge und den Referenten der Tagung möchten wir an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön dafür sagen, dass sie ihr umfangreiches Wissen eingebracht haben.

Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

Universität Lüneburg

Boos Jerzembek Prof. Dr. Weinrich

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Inhaltsverzeichnis

5 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

Inhaltsverzeichnis

Vorwort 3

Abkürzungsverzeichnis 8

1 IAS 32 – Weiterentwicklung zwingend erforderlich 11

2 Verbände als Impulsgeber für die Fortentwicklung der Rechnungslegung 16 2.1 Einleitung 16 2.2 Normierungs- und Standardsetzungsprozesse 17

2.2.1 Schrittweise Veränderung der Zuständigkeiten 17 2.2.2 Gesetzgebungsverfahren des Bundes 18 2.2.3 Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee

(DRSC) 19 2.2.4 Europäische Kommission 21 2.2.5 Entscheidungsprozess des International Accounting

Standards Board (IASB) 23 2.3 Vorgehen des VÖB am Beispiel der Überarbeitung von IAS 32 25

3 Eigenkapital und Fremdkapital aus Sicht eines international ausgerichteten Konzerns 28 3.1 Einleitung 28 3.2 Qualifikationskriterien zur Abgrenzung von Eigen- und

Fremdkapital nach IAS 32 31 3.2.1 Rückzahlung des Kapitals 31 3.2.2 Inhaberkündigungsrechte 32 3.2.3 Zins- und Dividendenzahlungen 33 3.2.4 Eingebettete Derivate 34

3.3 Beispiel Genussrecht 34 3.3.1 Sachverhaltsdarstellung 34 3.3.2 Grundlagen der Qualifizierung von Genussrechten 35 3.3.3 Beurteilung des Sachverhaltes 36

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Inhaltsverzeichnis

6 Universität Lüneburg

4 Die Abgrenzung von Eigen-/Fremdkapital de lege ferenda: FASB und DRSC/EFRAG 40

5 Die Probleme von Personengesellschaften mit IAS 32 und die möglichen Verbesserungen durch den vorliegenden Exposure Draft zu IAS 32 49 5.1 Die Abgrenzung zwischen Eigen- und Fremdkapital nach

IAS 32 (2003) 49 5.2 Folgen der Kapitalabgrenzung im deutschen Umfeld 50 5.3 ED 32 – ein Lösungsweg? 53 5.4 Fazit 59

6 Notwendige Verbesserungen zu IAS 32 aus Sicht des Genossenschaftsbereichs 60 6.1 Eigenkapital der Genossenschaft 60 6.2 Eigenkapital der Genossenschaft nach IAS 32 und IFRIC 2 62

6.2.1 Eigenkapital der Genossenschaft nach IAS 32 62 6.2.2 Eigenkapital der Genossenschaft nach IFRIC 2 62

6.3 Vorschlag für eine Modifizierung der Kapitalabgrenzungssystematik nach IFRS auf der Basis des aktuellen Exposure Draft „Amendments to IAS 32“ 65 6.3.1 Kritikpunkte an der Kapitalabgrenzungssystematik auf

Basis des aktuellen Exposure Draft „Amendments to IAS 32“ 65

6.3.2 Vorschlag für eine Modifizierung 66 6.4 Zusammenfassung 68

7 Die Komplexität der Klassifizierungskriterien zur Abgrenzung von Eigenkapital und Fremdkapital von IAS 32 gemäß Praxisfall Stille Einlage 70 7.1 Einleitung 70 7.2 Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital nach IAS 32 70

7.2.1 Abgrenzungskriterien des IAS 32 70 7.2.2 Laufende Zahlungsverpflichtung des Emittenten 72 7.2.3 Rückzahlungsverpflichtung des Emittenten 74 7.2.4 Trennung zusammengesetzter Finanzinstrumente 74

7.3 Klassifizierung stiller Einlagen gemäß IAS 32 75 7.3.1 Laufende Zahlungsverpflichtung des Emittenten 75

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Inhaltsverzeichnis

7 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

7.3.2 Rückzahlungsverpflichtung des Emittenten 77 7.3.3 Zahlungsverpflichtung des Emittenten im Insolvenzfall 77 7.3.4 Trennung von stillen Einlagen in Eigen- und

Fremdkapitalkomponente beim Emittenten 78 7.4 Hinweise zur möglichen Weiterentwicklung der IFRS-

Regelungen 80 7.5 Literaturverzeichnis 82

8 Die Bedeutung von Eigenkapital für das Rating eines Industrieunternehmens 84 8.1 Grundlagen der Analyse von Industrieunternehmen 84 8.2 Die Finanzrisikobewertung 86 8.3 Die Klassifizierung von Eigenkapital 87 8.4 Standard & Poor’s unterteilt hybride Finanzinstrumente in drei

Kategorien 88 8.5 Übersicht über Hybridtransaktionen für Industrieunternehmen 89 8.6 IFRS vs. HGB aus Sicht von Standard & Poor’s 91

9 Finanzwirtschaftliche Betrachtung der Eigen- und Fremdkapitalunterscheidung 93 9.1 Das Debt-Equity-Puzzle 93 9.2 Eigenkapitalausstattung und Eigenkapitaldefinitionen 96 9.3 Betriebswirtschaftliche Eigenkapitaldefinitionen 100 9.4 Finanzwirtschaftliches Eigenkapital 103 9.5 Idealtypische Definitionen von Eigenkapitalausstattung und

Verschuldung 104 9.6 Zusammenfassung: The Saga continues 109

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Abkürzungsverzeichnis

8 Universität Lüneburg

Abkürzungsverzeichnis

% Prozent

§ Paragraph

§§ Paragraphen

Abb. Abbildung

Abs. Absatz

Abschn. Abschnitt

AktG Aktiengesetz

ARC Accounting Regulatory Committee

Art. Artikel

Aufl. Auflage

BaFin Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht

BB Betriebs-Berater

BGB Bürgerliches Gesetzbuch

BMJ Bundesministerium der Justiz

bzgl. bezüglich

bzw. beziehungsweise

d. h. das heißt

DGRV Deutscher Genossenschafts- und Raiffeisenverband

DRSC Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee

DSR Deutscher Standardisierungsrat

EAPB European Association of Public Banks

ED Exposure Draft

EFRAG European Financial Reporting Advisory Group

EU Europäische Union

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Abkürzungsverzeichnis

9 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

f. folgende

ff. fortfolgende

FASB Financial Accounting Standards Board

GenG Genossenschaftsgesetz

GG Grundgesetz

ggf. gegebenenfalls

GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung

HFA Hauptfachausschuss

HGB Handelsgesetzbuch

Hrsg. Herausgeber

i. S. d. im Sinne des

i. S. v. im Sinne von

i. V. m. in Verbindung mit

IAS International Accounting Standards

IASB International Accounting Standards Board

IASC International Accounting Standards Committee

IDW Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.

IDW RS IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung

IFRIC International Financial Reporting Interpretations Commit-tee

IFRS International Financial Reporting Standards

KoR Zeitschrift für internationale und kapitalmarktorientierte Rechnungslegung

KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft Aktiengesellschaft Wirt-schaftsprüfungsgesellschaft

KWG Kreditwesengesetz

p. a. per annum

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Abkürzungsverzeichnis

10 Universität Lüneburg

Rz. Randziffer

S. Seite

sog. sogenannte(r)

Tz. Textziffer

u. a. unter anderem

u. U. unter Umständen

US-GAAP United States Generally Accepted Accounting Principles

vgl. vergleiche

VÖB Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB

WPg Die Wirtschaftsprüfung

z. B. zum Beispiel

ZKA Zentraler Kreditausschuss

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Einführung

11 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

1 IAS 32 – Weiterentwicklung zwingend erforderlich (Karl-Heinz Boos1/ Prof. Dr. Günter Weinrich2)

Die Problematik des IAS 32

Kaum ein Rechnungslegungsstandard des International Accounting Stan-dards Board (IASB) hat solch eine lebhafte Diskussion ausgelöst, wie der Standard IAS 32 zur Kapitalabgrenzung. Der Grund liegt darin, dass mit IAS 32 die herkömmlichen Systematiken zur Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital zu wesentlichen Teilen aufgehoben werden. IAS 32 stellt ei-gentlich nur für kapitalmarktorientierte Unternehmen und dort für die spe-zifische Situation der Stammaktie eine sachgerechte Lösung dar. Für Per-sonenhandelsgesellschaften einschließlich stiller Gesellschaften und Genos-senschaften führt IAS 32 deshalb zu betriebswirtschaftlich irreführenden Darstellungen im Kapitalausweis der Bilanz und bringt damit für die be-troffenen Unternehmensformen erhebliche Wettbewerbsnachteile am Ka-pitalmarkt.

Vor diesem Hintergrund sollte mit unserem Finanzkolloquium am 7. De-zember 2006 in Berlin ein Forum geschaffen werden, die grundsätzliche Problematik des IAS 32 aus theoretischer und praktischer Sicht intensiv zu diskutieren. In einer Gemeinschaftsveranstaltung des Bundesverbandes Öffentlicher Banken und der Universität Lüneburg (Leuphana) äußerten sich die Vertreter der vier großen international ausgerichteten Wirt-schaftsprüfungsgesellschaften zu den praktischen Umsetzungsschwierig-keiten bei Einsatz des Standards IAS 32 aus Prüfersicht. Die kritische Be-wertung von IAS 32 wurde vervollständigt durch Beiträge aus dem Genossenschaftsbereich und einer international agierenden Ratingagentur sowie durch die finanztheoretische Wertung von IAS 32 aus wissenschaft-licher Sicht.

1 Karl-Heinz Boos ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB.

2 Prof. Dr. Günter Weinrich ist Professor an der Universität Lüneburg mit den Themen-schwerpunkten Bilanzanalyse, Revision, Treuhand und Projektcontrolling.

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Einführung

12 Universität Lüneburg

Wesentliche Ergebnisse des Finanzkolloquiums

Die jetzt vorliegende Schrift enthält die Stellungnahmen der beteiligten Referenten und der Referentin. Wir – die Moderatoren der Veranstaltung – möchten zur besseren Orientierung für den „schnellen“ Leser nachfol-gend die wesentlichen Ergebnisse darstellen.

Mit IAS 32 wird die Offenlegung von Finanzinstrumenten und deren Quali-fizierung als Eigenkapital geregelt. Eigenkapital ist nach dem IASB-Frame-work der Unterschiedsbetrag zwischen der Summe der Wertansätze aller Vermögenswerte und dem Buchwert des Fremdkapitals. Eigenkapital ist damit eine Residualgröße, die abhängt vom Unternehmenswert und den finanziellen Verpflichtungen einer Unternehmung.

Diese Definition des Eigenkapitals folgt den Überlegungen der modernen Kapitalmarkttheorie. Danach kann Eigenkapital als ein bedingter Anspruch (contingent claim) auf den Unternehmenswert verstanden werden. Die aus dieser Definition folgenden Charakteristika des Eigenkapitals sind:

1. der Eigenkapitalgeber partizipiert an den positiven und negativen Entwicklungen des Unternehmenswertes (Chancen-/Risiken-/Partizipa-tion)

2. der Eigenkapitalgeber kann seine Ansprüche erst dann geltend ma-chen, wenn alle Ansprüche der Fremdkapitalgeber befriedigt sind (Residualanspruch)

Unter Fremdkapital (finanzielle Verbindlichkeit) werden nach IAS 32.11 alle vertraglichen Verpflichtungen verstanden, die darauf abzielen, flüssige Mittel oder andere finanzielle Vermögenswerte an Unternehmen ab-zugeben oder finanzielle Vermögenswerte oder finanzielle Verbindlichkeiten mit einem anderen Unternehmen zu potenziell nachteiligen Bedingungen zu tauschen. Ein Recht der Anteilseigner von Personenhandelsgesell-schaften, Genossenschaften und Fonds ihren Anteil jederzeit gegen eine Abfindung zurückzugeben, ist deshalb bilanziell als Verbindlichkeit auszu-weisen.

Nach deutscher Rechtslage bestehen (nicht ausschließbare) Kündigungs-rechte für Genossenschaften und für Personenhandelsgesellschaften. Die nicht rechtsform- und branchenneutralen Regelungen von IAS 32 haben

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Einführung

13 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

erhebliche Konsequenzen. Die potentiellen Rückzahlungsverpflichtungen aufgrund von Kündigungsrechten haben zur Folge, dass nach IAS 32 ge-sellschaftsrechtliches Eigenkapital, das nach nationalen Rechnungsle-gungsvorschriften bei Personengesellschaften, Genossenschaften und stil-len Beteiligungen bisher Eigenkapital darstellte, in einem IFRS–Abschluss als Fremdkapital auszuweisen ist.

Der sehr eng ausgelegte theoretische Modellansatz von IAS 32 wurde nach seiner Veröffentlichung in Theorie und Praxis erheblich kritisiert. Deshalb reagierte das IASB im Juni 2006 mit dem Exposure Draft (ED) „Amendments to IAS 32“, der die derzeitigen Regelungen ergänzen soll. Dass auch dieser Entwurf für deutsche Verhältnisse noch zu kurz greift und welche Ansatzpunkte zur Abhilfe bestehen, konnten Baetge/Kirsch in ihrem umfangreichen Gutachten „Die Abgrenzung von Eigen- und Fremd-kapital nach IFRS – ein Vorschlag zur Modifizierung von IAS 32“ überzeu-gend nachweisen3.

Auch nach Meinung der Tagungsteilnehmer lassen sich durch relativ ge-ringfügige Modifikation des IAS 32 in Verbindung mit dem ED IAS 32 kurz-fristig die wesentlichen Schwächen von IAS 32 beheben. Unabhängig von dieser pragmatischen Perspektive zeigten die Diskussionsbeiträge, dass noch erheblicher konzeptioneller Klärungsbedarf bei der Findung von rechtsform-, branchen- und größenneutralen Kapitalabgrenzungskriterien besteht. Die wesentlichen Probleme der Kapitalabgrenzung nach IAS 32, die in den folgenden Beiträgen der Referenten detailliert werden, sind:

1. IAS 32 steht im Widerspruch zum traditionellen mehrdimensionalen Verständnis zur Kapitalabgrenzung in Deutschland. Dieses ist durch den quotalen Anspruch, die Erfolgsabhängigkeit, den Verzicht auf eine fixierte Rückzahlung, die Haftung, die Verantwortung der Geschäfts-führung und die Nachrangigkeit des Eigenkapitals gekennzeichnet.

2. Für nicht börsennotierte Unternehmen gibt es keinen Marktwert. Deshalb sind „potentielle Rückzahlungsverpflichtungen mit Eigenkapi-talcharakter“ schwierig zu bilanzieren. Abgesehen von dem erhebli-

3 Baetge/Kirsch: Die Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital nach IFRS – ein Vorschlag zur Modifizierung von IAS 32 – Hrsg.: DGRV und VÖB, 9. August 2006, www.dgrv und www.voeb.de.

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Einführung

14 Universität Lüneburg

chen Bearbeitungsaufwand stellen sich noch ungelöste Methodenfra-gen, z. B. die Frage nach der Rechenformel (Stuttgarter Verfahren, Mittelwertmethode, DCF-Ansatz) oder die Verträglichkeit des gewähl-ten Verfahrens mit der ausgeübten Rechtspraxis.

3. Aus dem Blickwinkel der konsolidierten Rechnungslegung überzeugt die standardkonforme Bilanzierung nach IAS 32 nicht. Werden nicht 100 %ige Beteiligungen an einer Personhandelsgesellschaft erworben oder sind Minderheitenanteile an einer Kapitalgesellschaft zu bilanzie-ren, können erhebliche Verzerrungen auftreten.

4. IAS 32 stellt auf die kapitalmarktorientierte angelsächsische Unterneh-mensverfassung ab, die sich letztlich auch im Shareholder-Value-Denken konkretisiert. Die beispielsweise im genossenschaftlichen Umfeld eher tragende Institutionentheorie der Unternehmensverfassung steht die-sem Denken entgegen. Mitglied einer Genossenschaft wird man eben nicht, um an Steigerungen des Unternehmenswertes zu partizipieren. Vielmehr verkörpert der Genossenschaftsgedanke die Förderung aller Mitglieder und die Sicherstellung von Verbundvorteilen, z. B. beim Einkauf, Verkauf oder der Kreditbeschaffung.

5. IAS 32 ist Bestandteil eines komplexen international ausgerichteten Regelwerkes. Die Komplexität des Regelwerks ist auch für „Experten“ nicht mehr leicht zu durchschauen. Harmonisierungen zur deutschen Rechnungslegung, insbesondere zum für den Mittelstand besonders relevanten Steuerrecht, sind schwer vorstellbar.

6. Die konzeptionellen Defizite von IAS 32 führen zu Rechtsunsicherhei-ten mit entsprechenden Interpretationsproblemen, speziell im Bereich von Mezzaninen Finanzierungsformen. In der Praxis werden dadurch erhebliche Kosten verursacht und induzierte juristische Gestaltungen sind nahe liegend.

7. IAS 32 berücksichtigt nicht die am Risiko ausgerichtete differenzierte Kapitalstrukturierung der wesentlichen Informationsadressaten, im Be-sonderen von Ratingagenturen. Diese verzichten, anders als in IAS 32 vorgesehen, aufgrund ihrer Informationsbedürfnisse auf die eindi-mensionale Kapitalabgrenzung, sondern sehen nach dem betriebs-wirtschaftlichen Gehalt des Eigenkapitals mehrere Kapitalkategorien

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Einführung

15 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

vor (klassisches Eigenkapital, hybrides Eigenkapital mit geringem, mittlerem und hohem Eigenkapitalgehalt).

8. Die Eigenkapitaldefinition von IAS 32 ist von der Zielsetzung her nicht oder nur unzureichend abgestimmt mit den aufsichtlichen Eigenkapi-talanforderungen, insbesondere des für international tätige Banken re-levanten Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht.

9. Die aufgrund der Optionstheorie und des Financial Engineering mögli-chen Gestaltungsvarianten lassen es eher als unwahrscheinlich er-scheinen, dass für alle Finanzierungsinstrumente der Praxis eine ein-deutige, klar trennende Definition zur Kapitalabgrenzung gefunden wird bzw. überhaupt sinnvoll ist.

10. IAS 32 referenziert in keiner Weise – wie alle internationalen Rech-nungslegungsstandards – auf die Anforderungen existierender Repor-ting- und Steuerungssysteme (z. B. Steuerung des immateriellen Ver-mögens, Economic Model im Rahmen der Wertorientierung).

Die Vielzahl der diskutierten Fragen und Probleme zeigt, dass unser „Fi-nanzkolloquium IAS 32 – Weiterentwicklung zwingend erforderlich“ eine Richtung weist. Mit dieser jetzt vorliegenden Schrift möchten wir einen Beitrag leisten, um die notwendige Diskussion zur Weiterentwicklung von IAS 32 zu intensivieren und zu fördern.

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Verbände als Impulsgeber

16 Universität Lüneburg

2 Verbände als Impulsgeber für die Fortentwicklung der Rechnungslegung (Lothar Jerzembek4)

2.1 Einleitung

Am 22. Juni 2006 hatte der International Accounting Standards Board (IASB) den Entwurf zur Überarbeitung von IAS 32, Financial Instruments Puttable at Fair Value and Obligations Arising on Liquidation, veröffent-licht. Der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB, hat am 23. Oktober 2006 zu dem Entwurf Stellung bezogen und seine Position mit einem wissenschaftlichen Gutachten untermauert. Erstmals wurde dabei mit einem anderen branchenübergreifenden Verband, nämlich dem Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV), zusammen-gearbeitet in dem Bewusstsein, dass eine branchen- und rechtsformüber-greifende Kommentierung mit konstruktiven Vorschlägen eine wesentlich höhere Resonanz beim IASB erzielen wird.

Das Gutachten bringt zum Ausdruck, dass die Überlegungen die bestehen-den Probleme bei der Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital leider nur für bestimmte Sachverhalte lösen und teilweise inkonsistent zu dem Rah-menkonzept sind. Vielen nach deutschem Handelsrecht zulässigen Eigen-kapitalinstrumenten bleibt weiterhin die Anerkennung als Eigenkapital nach IAS versagt.

Um effizient an der Weiterentwicklung der Rechnungslegung mitzuwir-ken, ist die Kenntnis der Entscheidungsprozesse ebenso wie der involvier-ten Institutionen und Organisationen mitentscheidend. Der Standardset-zungsprozess des IASB und das Übernahmeverfahren in der EU weichen erheblich von den nationalen Nromsetzungsverfahren ab. Das Zusam-menspiel der maßgeblichen Gremien wird umso komplexer, je internatio-naler agiert wird.

Der folgende Beitrag verdeutlicht die Rolle des VÖB als Impulsgeber bei der Weiterentwicklung der Rechnungslegung am Beispiel der Überarbei-

4 Lothar Jerzembek ist Direktor und Bereichsleiter im Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands, VÖB.

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Verbände als Impulsgeber

17 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

tung von IAS 32. Er geht zunächst auf Abläufe und involvierte Kreise ein, anschließend stellt er kurz die Vorgehensweise des Verbandes dar.

2.2 Normierungs- und Standardsetzungsprozesse

2.2.1 Schrittweise Veränderung der Zuständigkeiten

Die Weiterentwicklung der Rechnungslegung fällt in Deutschland traditio-nell in die Zuständigkeit des Bundesministeriums der Justiz (BMJ). Es ist federführend für die Erstellung neuer und die Änderung bzw. die Aufhe-bung bestehender Gesetze zum Handels- und Gesellschaftsrecht. In das klassische Gesetzgebungsverfahren waren und sind die Verbände unver-ändert eingebunden. Die zunehmende Bedeutung der internationalen Ka-pitalmärkte für deutsche Unternehmen und Konzerne veranlasste 1998 den deutschen Gesetzgeber einerseits, international tätigen Konzernen für den Zeitraum bis Ende 2004 die Anwendung von IAS oder US-GAAP mit befreiender Wirkung zu erlauben. Um eine größere Flexibilität für die Wei-terentwicklung der Rechnungslegung in Deutschland und ihre schnellere Anpassung an neue Erfordernisse zu gewährleisten, wurde andererseits das Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) mit Ver-trag vom 3. September 1998 durch das BMJ als nationale Standardisie-rungsorganisation anerkannt.

Auch die Verabschiedung von Richtlinien der Europäischen Union (EU) hatte an den klassischen Gesetzgebungsverfahren nichts geändert. Mit der IAS-Verordnung vom Juli 2002, derzufolge die Rechnungslegungs-standards des privatrechtlich organisierten Standardsetzers IASB in einem komplexen Übernahmeverfahren (endorsement) unmittelbar geltendes Recht für diejenigen kapitalmarktorientierten Unternehmen in der EU wer-den, die Konzernabschlüsse aufstellen, haben die Mitgliedstaaten den Ges-taltungsspielraum bei der Übernahme in nationales Recht verloren.

Nachfolgend sind die vier Nromsetzungs- und Standardsetzungsprozesse in Berlin, Brüssel und London kurz dargelegt.

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Verbände als Impulsgeber

18 Universität Lüneburg

2.2.2 Gesetzgebungsverfahren des Bundes

Die Weiterentwicklung der Rechnungslegung in Deutschland ist Bundes-aufgabe. Will die Bundesregierung ihr Initiativrecht nutzen, um ein Gesetz in den Bundestag gemäß Art. 76 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) einzu-bringen, erstellt das BMJ die Gesetzesvorlage. Der Referentenentwurf des Fachreferats, der anderen Bundesministerien, dem Bundeskanzler-amt, den Bundestagsfraktionen, den Bundesländern sowie verschiedensten Verbänden zur Stellungnahme übersandt wird, mündet nach Auswertung und ggf. Einarbeitung von Stellungnahmen in den Regierungsentwurf. Der vom Bundeskabinett beschlossene Entwurf wird dem Bundesrat, über den die Bundesländer an der Gesetzgebung nach Art. 50 GG mitwirken, zur Stellungnahme gemäß Art. 76 Abs. 2 Satz 1 GG zugeleitet. Dessen Stellungnahme erhält die Bundesregierung, die Gelegenheit zur Gegenäu-ßerung hat.

Regierungsentwurf, Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung werden an den Präsidenten des Deutschen Bundes-tages weitergeleitet. Im Bundestag wird die Gesetzesvorlage in erster Le-sung beraten und anschließend an den zuständigen Ausschuss weiterge-leitet. Die Ausschussberatungen sind der Kern des parlamentarischen Ge-setzgebungsverfahrens. Hier folgt die detaillierte fachliche Bearbeitung und politische Feinabstimmung der Gesetzesvorlage, ggf. unter Anhörung der interessierten Kreise.

Hat der Ausschuss eine Beschlussempfehlung abgegeben, erfolgt die zweite Lesung des modifizierten Gesetzesentwurfs im Bundestag. In dritter Lesung wird schließlich der eigentliche Gesetzbeschluss gemäß Art. 77 Abs. 1 Satz 1 GG herbeigeführt. Erklärt sich der Bundesrat mit dem Ge-setz einverstanden, so ist das Gesetz zustande gekommen und der Bun-despräsident fertigt durch seine Unterschrift die Urkunde des Gesetzes aus. Gemäß Art. 82 Abs. 2 GG tritt das Gesetz nach Verkündung im Bun-desgesetzblatt in Kraft.

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Verbände als Impulsgeber

19 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

Abb. 1: Gesetzgebungsverfahren des Bundes

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Verbände als Impulsgeber

20 Universität Lüneburg

2.2.3 Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC)

Das im Jahr 1998 als nationale Standardisierungsorganisation geschaffe-ne Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC) und das unter seinem Dach gegründete unabhängige Standardisierungsgremium, der Deutsche Standardisierungsrat (DSR), wollen

– im öffentlichen Interesse die Qualität der Rechnungslegung und Fi-nanzberichterstattung erhöhen und die Konvergenz der nationalen Re-gelungen mit den internationalen Rechnungslegungsvorschriften vor-antreiben,

– Empfehlungen zur Anwendung der Grundsätze über die Konzernrech-nungslegung entwickeln,

– mit dem International Accounting Standards Board (IASB) und ande-ren Standardisierungsgremien zusammenarbeiten,

– die Bundesrepublik Deutschland in internationalen Standardisierungs-gremien vertreten und

– den Gesetzgeber auf nationaler und EU-Ebene in allen Fragen der Rechnungslegung beraten.

Die Arbeit des DRSC vollzieht sich im Wesentlichen in Projekten, die so-wohl Grundsatzfragen als auch Einzelfragen der Rechnungslegung und Fi-nanzberichterstattung behandeln. Nach Identifizierung des Projektgegen-stands wird ein Projekt ins Leben gerufen. Die Facharbeit erfolgt in der Regel in Arbeitsgruppen, die vom DSR mit der Erarbeitung von Lösungs-vorschlägen beauftragt werden. Das Gremium besteht aus Vertretern von Wirtschaft und Wissenschaft, Wirtschaftsprüfern und Analysten. Der Lö-sungsvorschlag wird anschließend im Standardisierungsrat diskutiert und in der Regel als Standardentwurf veröffentlicht. Im Rahmen des öffentli-chen Konsultationsprozesses hat die interessierte Öffentlichkeit Gelegen-heit, innerhalb von mindestens 45 Tagen Stellung zu nehmen. Die einge-gangenen Stellungnahmen werden – sofern nicht ausdrücklich untersagt – veröffentlicht. Ergeben sich wesentliche Änderungen für den Entwurf, wird der geänderte Standardentwurf erneut zur Konsultation gestellt. Da-nach wird der Entwurf erneut vom DSR beraten und in öffentlicher Sitzung verabschiedet. Der Standard wird dem BMJ zugeleitet und nach Prüfung

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Verbände als Impulsgeber

21 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

der Beachtung öffentlicher Interessen gemäß § 342 HGB bekannt ge-macht.

I.

Vorschläge der Öffent-

lichkeit

Mitgliedschaft in Arbeits-gruppen

Kommen-tierung der

Öffentlichkeit

Teilnahme an öffentlicher Diskussion

Arbeits-programm

Ggf. Arbeits-gruppen

Standard-entwurf

Kommentie-rungsfrist

Auswertung Kommen-tierungen

Öffentliche Diskussionen

Endgültiger Standard

Bekannt-machung

II. III. IV. V. VI. VII. VIII.

DSR BMJ

I.

Vorschläge der Öffent-

lichkeit

Mitgliedschaft in Arbeits-gruppen

Kommen-tierung der

Öffentlichkeit

Teilnahme an öffentlicher Diskussion

Arbeits-programm

Ggf. Arbeits-gruppen

Standard-entwurf

Kommentie-rungsfrist

Auswertung Kommen-tierungen

Öffentliche Diskussionen

Endgültiger Standard

Bekannt-machung

II. III. IV. V. VI. VII. VIII.

DSR BMJ

I.

Vorschläge der Öffent-

lichkeit

Mitgliedschaft in Arbeits-gruppen

Kommen-tierung der

Öffentlichkeit

Teilnahme an öffentlicher Diskussion

Arbeits-programm

Ggf. Arbeits-gruppen

Standard-entwurf

Kommentie-rungsfrist

Auswertung Kommen-tierungen

Öffentliche Diskussionen

Endgültiger Standard

Bekannt-machung

II. III. IV. V. VI. VII. VIII.I.

Vorschläge der Öffent-

lichkeit

Mitgliedschaft in Arbeits-gruppen

Kommen-tierung der

Öffentlichkeit

Teilnahme an öffentlicher Diskussion

Arbeits-programm

Ggf. Arbeits-gruppen

Standard-entwurf

Kommentie-rungsfrist

Auswertung Kommen-tierungen

Öffentliche Diskussionen

Endgültiger Standard

Bekannt-machung

I.I.I.

Vorschläge der Öffent-

lichkeit

Mitgliedschaft in Arbeits-gruppen

Kommen-tierung der

Öffentlichkeit

Teilnahme an öffentlicher Diskussion

Arbeits-programm

Ggf. Arbeits-gruppen

Standard-entwurf

Kommentie-rungsfrist

Auswertung Kommen-tierungen

Öffentliche Diskussionen

Endgültiger Standard

Bekannt-machung

II. III. IV. V. VI. VII. VIII.

DSR BMJ

Abb. 2: DRS-Konsultationsprozess

2.2.4 Europäische Kommission

Im November 1995 verabschiedete die EU-Kommission ihre Rechnungs-legungsstrategie, die sich auf die internationalen Rechnungslegungsstan-dards IAS stützt. Sie stellte damit die Weichen für die künftige Rechnungs-legung in Europa mit dem erklärten Ziel, einen wettbewerbsfähigen euro-päischen Kapitalmarkt zu schaffen. Hintergrund war, dass die bestehenden Bilanzierungsrichtlinien, insbesondere die Bilanzrichtlinie und die Kon-zernbilanzrichtlinie mit den vielfältigen Mitgliedstaatenwahlrechten keine einheitliche Basis für die Vergleichbarkeit von Abschlüssen boten.

Mit der IAS-Verordnung vom 19. Juli 2002 wurde auch klargestellt, dass die vom IASB veröffentlichten Standards nicht ohne Weiteres in europäi-sches Recht übernommen werden können. Hierfür ist ein Übernahmepro-zess, das Endorsement, erforderlich.

Europäische Kommission, Europäischer Rat und Europäisches Parlament sind die zentralen Institutionen im europäischen Gesetzgebungsprozess. Nach Artikel 202 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemein-schaft (EG-Vertrag) ist die Durchführung der Rechtsvorschrift auf Gemein-schaftsebene Aufgabe der Kommission. In jedem Rechtsakt ist der Um-fang der Durchführungsbefugnisse festgelegt, die der Kommission vom Rat der Europäischen Union übertragen werden. In diesem Zusammen-

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Verbände als Impulsgeber

22 Universität Lüneburg

hang sieht der Vertrag vor, dass die Kommission nach einem so genann-ten Komitologieverfahren von einem Ausschuss unterstützt wird. Dieses Zusammenspiel von Europäischer Kommission und Ausschüssen ist im „Beschluss des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung, der der Kommission übertragenen Durchführungsbefug-nisse“ (1999/468/EG), auch Komitologie-Beschluss genannt, sowie dessen Änderung vom 17. Juli 2006, festgelegt (2006/512/EG). Dem Europäischen Parlament wird im Zusammenhang mit der Durchführung von Rechtsak-ten, die im Mitentscheidungsverfahren erlassen werden, ein Mitsprache-recht eingeräumt.

Diese Ausschüsse setzen sich zusammen aus Vertretern der Mitgliedstaa-ten. Sie ermöglichen es der Kommission, vor der Annahme von Durchfüh-rungsmaßnahmen einen Dialog mit den einzelstaatlichen Behörden herzu-stellen. Auf diese Weise vergewissert sich die Kommission, dass diese Maßnahmen den Gegebenheiten in den betroffenen Ländern entspre-chen. Im Fall der Rechnungslegung kommt dem Regelungsausschuss für Rechnungslegung (Accounting Regulatory Committee – ARC) eine beson-dere Bedeutung zu. In diesem ist die Bundesrepublik Deutschland durch das Bundesministerium der Justiz und das Bundesministerium für Wirt-schaft und Arbeit vertreten.

Im Rahmen des Regelungsverfahren zur Rechnungslegung legt die Euro-päische Kommission dem ARC einen Maßnahmenentwurf vor. Hierzu gibt der Ausschuss eine Stellungnahme ab. Bei einem positiven Votum kann die Europäische Kommission die Maßnahme erlassen. Im Fall eines nega-tiven Votums oder einer fehlenden Stellungnahme muss die Europäische Kommission das Dossier dem Rat vorlegen. Gleichzeitig wird das Europä-ische Parlament über den Vorgang informiert. Der Rat entscheidet inner-halb eines Zeitraums von maximal drei Monaten mit qualifizierter Mehrheit über den Vorschlag.

Bei diesem Regelungsverfahren bedient sich die Europäische Kommission der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG). Als techni-scher Ausschuss für die Rechnungslegung unterstützt und berät EFRAG die Kommission bei der Bewertung internationaler Rechnungslegungs-standards. EFRAG wurde im Jahr 2001 gegründet als ein Gremium der privaten Wirtschaft. Seine Stellungnahmen gegenüber der EU-Kommis-sion basieren in vielen Fällen auf einem öffentlichen Konsultationsprozess.

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Verbände als Impulsgeber

23 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

Im Juli 2006 hat die Europäische Kommission zusätzlich eine Prüfgruppe für Standardübernahmeempfehlungen, die Standards Advice Review Group, eingesetzt, um die Objektivität und Ausgewogenheit der EFRAG-Stellung-nahmen zu gewährleisten. Die Prüfgruppe wird als ein wichtiger Baustein in der Struktur der Übernahme von IAS/IFRS in der EU angesehen und soll gewährleisten, dass diese von höchster Qualität sein werden.

Ausschuss Rat Kommission

Kommission

äußert sich nicht/stimmt

nicht zu

Maßnahmen werden erlassen

stimmt nicht zu

ändert den Text

stimmt zu

erlässt die Maßnahmen

äußert sichnicht

legt gleichen Vorschlagerneut vor

ändert den Vorschlag

legt einen Vor-schlag für einen Rechtsakt vor

erlässt die Maß-nahmen mit quali-fizierter Mehrheit

Kommission legt Entwurfvor

Ausschuss Rat Kommission

Kommission

äußert sich nicht/stimmt

nicht zu

Maßnahmen werden erlassen

stimmt nicht zu

ändert den Text

stimmt zu

erlässt die Maßnahmen

äußert sichnicht

legt gleichen Vorschlagerneut vor

ändert den Vorschlag

legt einen Vor-schlag für einen Rechtsakt vor

erlässt die Maß-nahmen mit quali-fizierter Mehrheit

Kommission legt Entwurfvor

Ausschuss Rat Kommission

Kommission

äußert sich nicht/stimmt

nicht zu

äußert sich nicht/stimmt

nicht zu

Maßnahmen werden erlassen

Maßnahmen werden erlassen

stimmt nicht zustimmt nicht zu

ändert den Textändert den Text

stimmt zustimmt zu

erlässt die Maßnahmenerlässt die

Maßnahmenäußert sich

nichtäußert sich

nicht

legt gleichen Vorschlagerneut vor

legt gleichen Vorschlagerneut vor

ändert den Vorschlagändert den Vorschlag

legt einen Vor-schlag für einen Rechtsakt vor

legt einen Vor-schlag für einen Rechtsakt vor

erlässt die Maß-nahmen mit quali-fizierter Mehrheit

erlässt die Maß-nahmen mit quali-fizierter Mehrheit

Kommission legt Entwurfvor

legt Entwurfvor

Abb. 3: Regelungsverfahren

Das derzeit praktizierte Regelungsverfahren soll künftig für die IAS-Rech-nungslegung in ein Regelungsverfahren mit Kontrolle abgewandelt wer-den. Dann sind Europäisches Parlament und Rat zur Kontrolle eingebun-den. Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten begrüßen wir die Einbindung des Europäischen Parlamentes. Die Auswirkungen eines weiteren „play-ers“, der den Entscheidungsprozess verzögern kann, lassen sich noch nicht beurteilen.

2.2.5 Entscheidungsprozess des International Accounting Standards Board (IASB)

Der International Accounting Standards Board (IASB) ist als privatrechtli-che Organisation im Jahr 2001 im Zuge einer grundlegenden Reorganisa-tion als Nachfolgegremium des 1973 gegründeten International Accoun-

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Verbände als Impulsgeber

24 Universität Lüneburg

ting Standards Committee (IASC) eingerichtet worden. Der IASB ist ein unabhängiger Standardsetter, dessen Mitglieder in erster Linie die Krite-rien der fachlichen Kompetenz und Unabhängigkeit erfüllen müssen. Sei-ne wichtigste Aufgabe ist die Entwicklung und Verabschiedung der IAS bzw. IFRS sowie die Verabschiedung der Interpretationen zu den IFRS.

Die Entwicklung eines Standards erfolgt in sechs Abschnitten. Bei der Festlegung der Tagesordnung untersucht der IASB zunächst, ob der Pro-jektvorschlag den nötigen Relevanz- und Verlässlichkeitskriterien genügt. Die Mitarbeiter des IASB sollten auf relevante Themen hinweisen, jedoch können auch Nutzer der IFRS Themenvorschläge unterbreiten. Ein Themen-vorschlag kann direkt auf die aktive Agenda oder auf die wissenschaftliche Agenda gesetzt werden, falls der IASB noch keine abschließende Mei-nung über die Notwendigkeit des Projektes gefasst hat. Nach Abschluss der wissenschaftlichen Analyse kann er das Projekt auf die aktive Agenda setzen oder es stornieren. Bei positivem Bescheid erfolgt in der zweiten Stufe die Projektplanung. Hierbei geht es darum, ob der IASB das Projekt alleine oder in Zusammenarbeit mit anderen Standardsettern verfolgt; ebenso entscheidet er über die Notwendigkeit der Einsetzung einer Ar-beitsgruppe. Die dritte Phase des Standardsetzungsprozesses umfasst die Entwicklung und Publikation eines Diskussionspapiers. Dieses bein-haltet einen Überblick über das Thema und die vorläufigen Ansichten des IASB. Hierzu können Feldversuche, öffentliche Konsultationen oder öffent-liche Anhörungen durchgeführt werden. Im Anschluss daran wird der Standardentwurf entwickelt und publiziert. Der Standardentwurf kann die Überarbeitung eines bestehenden Standards wie auch die Erstellung ei-nes neuen Standards bedeuten. Mit der Veröffentlichung des Standard-entwurfs verbunden ist eine öffentliche Konsultation, grundsätzlich von 90 Tagen. In der fünften Stufe entscheidet der IASB, ob eine weitere Konsul-tation für den neuen Standardentwurf notwendig ist oder ein endgültiger Standard fertig gestellt werden kann. In der letzten Stufe werden Verfah-ren besprochen, nach dem der Standard veröffentlicht worden ist.

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Verbände als Impulsgeber

25 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

Vorschläge der Öffent-

lichkeit

Arbeits-programm

Projekt-planung

Ggf. Diskussions-papier (DP)

Standard-entwurf (ED)

Endgültiger Standard

Maßnahmen nach Ver-

öffentlichung

EU-Übernahme

Kommentierung der Öffentlichkeit / ggf. Teilnahme

an öffentlicher Diskussion

I. II. III. IV. V. VI. VII.

IASB EU

Vorschläge der Öffent-

lichkeit

Arbeits-programm

Projekt-planung

Ggf. Diskussions-papier (DP)

Standard-entwurf (ED)

Endgültiger Standard

Maßnahmen nach Ver-

öffentlichung

EU-Übernahme

Kommentierung der Öffentlichkeit / ggf. Teilnahme

an öffentlicher Diskussion

I. II. III. IV. V. VI. VII.

Vorschläge der Öffent-

lichkeit

Arbeits-programm

Projekt-planung

Ggf. Diskussions-papier (DP)

Standard-entwurf (ED)

Endgültiger Standard

Maßnahmen nach Ver-

öffentlichung

EU-Übernahme

Kommentierung der Öffentlichkeit / ggf. Teilnahme

an öffentlicher Diskussion

Vorschläge der Öffent-

lichkeit

Arbeits-programm

Projekt-planung

Ggf. Diskussions-papier (DP)

Standard-entwurf (ED)

Endgültiger Standard

Maßnahmen nach Ver-

öffentlichung

EU-Übernahme

Kommentierung der Öffentlichkeit / ggf. Teilnahme

an öffentlicher Diskussion

I. II. III. IV. V. VI. VII.I. II. III. IV. V. VI. VII.

IASB EUIASB EU

Abb. 4: IFRS-Konsultationsprozess

2.3 Vorgehen des VÖB am Beispiel der Überarbeitung von IAS 32

Wie eingangs erwähnt, hat der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands am 23. Oktober 2006 zu dem Entwurf einer Überarbeitung von IAS 32, Financial Instruments Puttable at Value and Obligations Arising on Liquidation, gegenüber dem IASB Stellung bezogen. Die Basis der Kommentierung bildete die Gremienarbeit des Verbandes. Die Arbeits-gruppe „Eigenkapital“ leistete die Facharbeit, aus den Mitgliedsinstituten kamen zusätzliche sachbezogene Anmerkungen. Die Kommission für Bi-lanzierungsfragen, Rechnungswesen und Publizität beriet den Entwurf und verabschiedete die Stellungnahme. Der Vorstandsausschuss für Risi-komanagement und Bilanzierung gab sie frei.

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Verbände als Impulsgeber

26 Universität Lüneburg

Kommission für Bilanzierungsfragen,Rechnungswesen und Publizität

Arbeitsgruppe„Eigenkapital“

Arbeitskreis„Publizität“

Arbeitskreis„Ansatz- und

Bewertungsfragen“

Ausschuss fürRisikomanagement und Bilanzierung

Kommission für Bilanzierungsfragen,Rechnungswesen und Publizität

Arbeitsgruppe„Eigenkapital“

Arbeitskreis„Publizität“

Arbeitskreis„Ansatz- und

Bewertungsfragen“

Ausschuss fürRisikomanagement und Bilanzierung

Abb. 5: VÖB-Entscheidungsprozess

Unsere Stellungnahme ergänzten wir um das wissenschaftliche Gutach-ten der Professoren Baetge und Kirsch. Dieses hatten wir gemeinsam mit dem Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) in Auf-trag gegeben.

Die Zusammenarbeit mit dem Dachverband des deutschen Genossen-schaftssektors ist die erste große branchen- und rechtsformübergreifende Aktion zur Weiterentwicklung der internationalen Rechnungslegung.

War der VÖB bis dahin darum bemüht, sich gemeinsam mit den anderen kreditwirtschaftlichen Verbänden als Zentraler Kreditausschuss (ZKA) zu ei-ner gemeinsamen Stellungnahme zusammenzufinden, so haben wir im Hin-blick auf die Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital nach IAS einen neu-en Weg beschritten. Die Eigenkapitalausstattung deutscher Unternehmen ist unabhängig von Branche und Rechtsform eine wesentliche Grundlage für die erfolgreiche Geschäftstätigkeit. Eine unzureichende bilanzielle Ei-genkapitalausstattung kann negative Auswirkungen auf die Beurteilung durch Ratingagenturen, Analysten und Marktteilnehmer haben.

Beide Verbände hatten bereits 2004 als einzige Verbände gegen die Über-nahme von IAS 32 in europäisches Recht votiert. Der VÖB hatte deutlich gemacht, dass mit IAS 32 viele Personenhandelsgesellschaften kein Eigen-kapital mehr ausweisen dürften. Zum damaligen Zeitpunkt war das Be-wusstsein um die Brisanz dieses Standards in anderen Kreisen nicht aus-

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Verbände als Impulsgeber

27 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

geprägt. DGRV und VÖB hatten sich in der Folgezeit wiederholt darüber ausgetauscht, wie man diesen Mangel kommunizieren und darauf hinwir-ken könnte, diesen zu beseitigen. Gespräche wurden geführt mit Vertre-tern anderer Verbände und Organisationen sowie Vertretern politischer In-stitutionen in Deutschland und in der Europäischen Union. Unsere Idee verfestigte sich, branchen- und rechtsformübergreifend tätig zu werden.

Die Durchführung des Finanzkolloquiums zu IAS 32 am 7. Dezember 2006 war der nächste konsequente Schritt in Deutschland. Wir erreichten es, dass auch die maßgeblichen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ihre Posi-tion darstellen. Die vorliegende Broschüre ist ein Beleg dafür, dass der Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands sich als ein Impulsge-ber in der Weiterentwicklung der Rechnungslegung national wie inter-national versteht. Hilfreich ist dabei die Mitgliedschaft im Europäischen Verband Öffentlicher Banken (EAPB).

Sollte eine Änderung von IAS 32 im Interesse deutscher Unternehmen er-folgen, so hätte der VÖB als ein Impulsgeber erfolgreich gewirkt. Gerade mit Blick auf den IASB bleibt es weiterhin unser Anliegen, möglichst viele Verbände, Organisationen und Institutionen zu einer gemeinsamen Posi-tion oder Stellungnahme zu bewegen. Das fruchtbare Zusammenspiel von Wissenschaft und Wirtschaft würde die Wahrscheinlichkeit der Durchset-zung der berechtigten Anliegen deutscher Unternehmen erhöhen.

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Eigenkapital und Fremdkapital

28 Universität Lüneburg

3 Eigenkapital und Fremdkapital aus Sicht eines interna-tional ausgerichteten Konzerns (Prof. Dr. Edgar Löw5)

3.1 Einleitung

Der Emittent eines Finanzinstrumentes hat das Finanzinstrument oder des-sen Bestandteile beim erstmaligen Ansatz als finanzielle Verbindlichkeit, als finanziellen Vermögenswert oder als Eigenkapitalinstrument entspre-chend der wirtschaftlichen Substanz der vertraglichen Vereinbarung und den Definitionen von IAS 32.11 zu klassifizieren (IAS 32.15). Die Klassifika-tion wird nicht allein auf der Basis der rechtlichen Ausgestaltung, sondern auch auf Basis des wirtschaftlichen Gehalts durchgeführt (IAS 32.18).

Eigenkapital ist in IAS 32.11 als der nach Abzug aller Schulden verbleiben-de Restbetrag der Vermögenswerte eines Unternehmens definiert, wobei diese Residualbetrachtung einer weiteren Untergliederung des Eigenkapi-tals nicht entgegensteht (IAS 1.68(p)). Die Definition von Eigenkapital fin-det in IAS 32.16-27 eine weitere Konkretisierung. Sie setzt den Begriff der Schuld und seine Abgrenzung vom Eigenkapital bereits voraus; die Defini-tion ist somit zirkulär und löst die Abgrenzungsfrage nicht.

Nachfolgende Voraussetzungen sind für eine Klassifikation als Eigenkapi-tal zwingend zu erfüllen.

Das Finanzinstrument beinhaltet keine vertragliche Verpflichtung (IAS 32.16(a) i.V.m. IAS 32.17-20),

– Bargeld oder andere Finanzinstrumente zu übertragen oder

– Finanzinstrumente unter potentiell nachteiligen Bedingungen zu tau-schen.

5 Prof. Dr. Edgar Löw ist Partner der KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG Wirt-schaftsprüfung in Frankfurt am Main und Honorarprofessor an der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung (WHU) in Vallendar/Koblenz.

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Eigenkapital und Fremdkapital

29 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

Sofern das Instrument in eigenen Aktien des Unternehmens erfüllt wird oder werden kann (IAS 32.16(b) i.V.m. IAS 32.21-24) und

– das Finanzinstrument ein Kassainstrument ist, darf es keine vertragli-che Verpflichtung des Emittenten enthalten, eine variable Anzahl an eigenen Aktien zu liefern, oder

– das Finanzinstrument ein derivatives Instrument ist, darf dieses aus-schließlich den Austausch eines feststehenden Betrages gegen eine feste Anzahl von eigenen Aktien vorsehen. Dabei umfassen eigene Eigenkapitaltitel keine Verträge, die zu einem zukünftigen Erhalt oder einer zukünftigen Lieferung von eigenen Eigenkapitaltiteln führen.

Sind diese Kriterien nicht erfüllt, liegt ein Fremdkapitalinstrument vor (IAS 32.11).

Ein wesentliches Kriterium für die Abgrenzung von Eigenkapital und Fremd-kapital ist die vertragliche Verpflichtung zur (möglichen) Abgabe von flüs-sigen Mitteln oder anderen finanziellen Vermögenswerten bzw. zum Tausch finanzieller Vermögenswerte/Verbindlichkeiten unter potenziell nachteili-gen Bedingungen (IAS 32.16(a), zum Begriff „Vertrag“ vgl. IAS 32.13). So-fern ein Unternehmen nicht über ein uneingeschränktes Recht verfügt, sich bei der Erfüllung einer vertraglichen Verpflichtung der Abgabe von flüssigen Mitteln oder von anderen finanziellen Vermögenswerten zu ent-ziehen, erfüllt diese Verpflichtung die Definition einer finanziellen Verbind-lichkeit (IAS 32.19).

Vorstehende allgemeingültige Regelungen finden im Konzernabschluss praktische Bedeutung zunächst bei Beteiligungsfinanzierungen, etwa bei Personengesellschaften oder bei Genossenschaften. Dies gilt nicht nur, wenn die entsprechenden Rechtsformen bei der Muttergesellschaft vor-zufinden sind. Vielmehr ergeben sich besondere Schwierigkeiten gerade in Konzernen, bei welchen Tochtergesellschaften in einer entsprechenden Rechtsform geführt werden. Ist beispielsweise das von Gesellschaftern langfristig zur Verfügung gestellte (Gesellschafts-) Kapital als Fremdkapital einzustufen (was bei den bezeichneten Rechtsformen häufig gegeben sein dürfte), stellt sich bereits auf den ersten Blick das Problem nach Art der durchzuführenden Konsolidierung. Aus Sicht des Mutterunternehmens stellen die Anteile an dem Tochterunternehmen Eigenkapitalanteile dar, aus Sicht des Tochterunternehmens mag Fremdkapital gegeben sein. In

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Eigenkapital und Fremdkapital

30 Universität Lüneburg

den relevanten Bilanzierungsstandards lässt sich jedenfalls keine explizite Aussage darüber finden, dass eine Kapital- statt einer Schuldenkonsolidie-rung vorzunehmen ist. Es schließen sich Fragen zur Bewertung des Fremdkapitals beim Vorliegen von Minderheitsanteilseignern an.

Die nachfolgenden Ausführungen greifen die Besonderheiten bei Beteili-gungsfinanzierungen indes nicht weiter auf (vgl. dazu KPMG (Hrsg.), Ei-genkapital versus Fremdkapital, Stuttgart 2006 sowie den Beitrag zu Per-sonengesellschaften in diesem Sammelband).

Entscheidende Bedeutung besitzt die Abgrenzung von Eigen- und Fremd-kapital in Konzernen über Beteiligungsfinanzierungen hinausgehend bei mezzaninen Kapitalaufnahmeinstrumenten. Unter diesen Begriff werden gemeinhin Finanzinstrumente zusammengefasst, die im Grenzbereich zwischen Eigen- und Fremdkapital liegen. Darunter fallen insbesondere Wandelanleihen, Optionsanleihen, ewig laufende Anleihen, Gesellschaf-terdarlehen, nachrangige Darlehen, partiarische Darlehen, Gewinnanleihen oder auch Genussscheine.

Nachfolgend wird zunächst die Klassifikation anhand der relevanten Krite-rien allgemein erläutert, um sodann auf das Beispiel eines Genussrechtes übertragen zu werden. Dabei soll die Prüfungsfolge exemplarisch verdeut-licht werden, ob und inwieweit ein Eigenkapitalinstrument gegeben ist.

Genussscheine stellen als Wertpapiere verbriefte Genussrechte dar. Sie sind regelmäßig nachrangig und weitgehend frei gestaltbar. Gesetzliche Regelungen sind insoweit nicht gegeben. Oftmals gewähren sie einen An-teil am Gewinn des emittierenden Unternehmens. Auch eine Beteiligung am Liquidationserlös ist denkbar. Schließlich kann Genussrechtsinhabern auch ein Bezugsrecht an neu emittierten Aktien gewährt werden. Der Viel-zahl von Ausgestaltungen sind faktisch keine Grenzen gesetzt.

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Eigenkapital und Fremdkapital

31 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

3.2 Qualifikationskriterien zur Abgrenzung von Eigen- und Fremd-kapital nach IAS 32

3.2.1 Rückzahlung des Kapitals

Bei der Prüfung, ob ein Eigen- oder Fremdkapitalinstrument vorliegt, sind die einzelnen Komponenten des betreffenden Instrumentes gesondert zu betrachten. Dabei geht es im Wesentlichen um Rückzahlungsvereinba-rungen, um Kündigungsrechte, um Zins- und Dividendenzahlungen sowie um eingebettete Derivate, die in einem solchen Instrument gegeben sein könnten.

Nach IAS 32 liegt kein Eigenkapital vor, wenn eine Kapitalüberlassung mit einer vereinbarten Laufzeit erfolgt oder dem Kapitalgeber ein ordentliches Kündigungsrecht zusteht (IAS 32.17f.). Dies gilt unabhängig davon, wann die Kapitalrückzahlung nach den vertraglichen Gegebenheiten zu erfolgen hat. Eine Kapitalüberlassung für beispielsweise 30 Jahre ändert trotz der Langfristigkeit nichts an einer Einstufung als Fremdkapitalinstrument.

Eine Klassifikation als Fremdkapital erfolgt ferner bei Finanzinstrumenten, deren Art der Erfüllung vom Eintritt unsicherer künftiger Ereignisse ab-hängt, die außerhalb der Kontrolle sowohl des Emittenten als auch des Inhabers des Instruments liegen (contingent settlement provisions, IAS 32.25). Der Emittent eines solchen Instruments verfügt nicht über das uneingeschränkte Recht, sich der Abgabe von flüssigen Mitteln oder von anderen finanziellen Vermögenswerten zu entziehen. Aus diesem Grund liegt eine finanzielle Verbindlichkeit des Emittenten vor, es sei denn

– der Eintritt der Bedingung, die eine Erfüllung in flüssigen Mitteln oder anderen finanziellen Vermögenswerten erforderlich machen könnte, ist realitätsfern (not genuine; der Begriff not genuine betrifft nach IAS 32.AG28 extrem seltene, äußerst ungewöhnliche und sehr un-wahrscheinliche Ereignisse, IAS 32.25(a)) oder

– der Emittent kann nur im Falle seiner Liquidation gezwungen werden, die Verpflichtung in flüssigen Mitteln oder anderen finanziellen Ver-mögenswerten zu erfüllen (IAS 32.25(b)).

Zahlungsverpflichtungen, die der Emittent im Vorfeld seiner Liquidation (nicht erst bei der abschließenden Verteilung des Vermögens, sondern

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Eigenkapital und Fremdkapital

32 Universität Lüneburg

bereits bei Beschluss zur Auflösung der Gesellschaft, bei Eröffnung oder bei Ablehnung der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens) zu erfüllen hat, sind wie Zahlungsverpflichtungen zu beurteilen, die im Falle der Liquida-tion des Emittenten i. S. v. IAS 32.25(b) bestehen. Dies setzt allerdings voraus, dass die spätere Liquidation der Gesellschaft in jedem Fall eintritt. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens reicht allein nicht aus; vielmehr ist die Fortführung der Gesellschaft auszuschließen.

3.2.2 Inhaberkündigungsrechte

Darüber hinaus sind Finanzinstrumente mit Inhaberkündigungsrechten, d. h. Finanzinstrumente, die den Inhaber zur Rückgabe an den Emittenten gegen flüssige Mittel oder andere finanzielle Vermögenswerte berechti-gen, als finanzielle Verbindlichkeiten anzusehen (puttable instruments, IAS 32.18(b)).

Besteht ein vertragliches Recht des Inhabers zur Rückgabe an den Emit-tenten gegen flüssige Mittel oder andere finanzielle Vermögenswerte, werden Anteile, die ohne dieses Recht als Eigenkapital klassifiziert wür-den, nur dann als Eigenkapital qualifiziert, wenn das Unternehmen ein un-eingeschränktes Recht hat, die Rücknahme abzulehnen oder wenn ein uneingeschränktes Verbot der Rückzahlung in Gesetz, Satzung oder Ver-trag geregelt ist (IFRIC 2.5 ff.).

Die Klassifikation als Fremdkapital ist unabhängig davon, ob

– der Rückzahlungsbetrag feststeht oder bspw. von einer Indexentwick-lung abhängig ist,

– der Inhaber aufgrund der rechtlichen Gestaltung des kündbaren Fi-nanzinstruments einen Residualanspruch an den Vermögenswerten des Emittenten hat. Auch bei einer Rückzahlung zum Residualwert bzw. Auseinandersetzungswert liegt Fremdkapital vor (IAS 32.18(b)).

Die Länge der Kündigungsfrist ist für die Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital ebenfalls unbeachtlich.

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Eigenkapital und Fremdkapital

33 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

Als Anwendungsfälle für Finanzinstrumente mit Inhaberkündigungsrechten werden in IAS 32 Anteile an Investmentfonds und an Personengesellschaf-ten sowie Geschäftsguthaben bei bestimmten Genossenschaften genannt (IAS 32.18(b)). Darüber hinaus liegen Finanzinstrumente mit Inhaberkündi-gungsrechten u. a. auch bei Genussrechten vor, sofern ein Kündigungs-recht des Inhabers vereinbart worden ist. Eine Klassifikation als finanzielle Verbindlichkeit schließt nicht die Verwendung von beschreibenden Zusät-zen für die Anteile der Gesellschafter etc. bei der Darstellung im Ab-schluss aus, um den Charakter der Finanzinstrumente deutlich zu machen (IAS 32.18(b), IAS 32.IE7-8).

Ein bedingtes Kündigungsrecht des Inhabers, das vom Eintritt unsicherer künftiger Ereignisse abhängt, die von den Vertragspartnern nicht beein-flusst werden können (bspw. vom Periodenergebnis oder vom Verschul-dungsgrad des Emittenten), ist für Zwecke der Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital wie ein unbedingtes Kündigungsrecht anzusehen. In diesem Fall wird eine Verbindlichkeit in Höhe der möglichen Zahlungsver-pflichtung erfasst (Barwert des kündbaren Betrags, IAS 32.23). Davon zu unterscheiden sind außerordentliche Kündigungsrechte, die an den Weg-fall der Geschäftsgrundlage geknüpft sind und bei denen der Eintritt die-ser Voraussetzung sehr unwahrscheinlich ist. Derartige Kündigungsrechte sind unschädlich, wenn es sich um reine Schutzrechte „für den Extrem-fall“ handelt.

3.2.3 Zins- und Dividendenzahlungen

Neben der Beurteilung der Rückzahlungsverpflichtung ist auch die Ver-pflichtung zur Zahlung von Zinsen bei der Klassifikation als Eigen- oder Fremdkapital zu berücksichtigen. Die Partizipation des Inhabers an Divi-denden oder anderen Gewinnausschüttungen stellt für den Emittenten keine vertragliche Zahlungsverpflichtung dar, sofern die entsprechenden Ausschüttungen im freien Ermessen der Organe des Emittenten liegen und somit die Übertragung von flüssigen Mitteln oder anderen finanziellen Vermögenswerten an den Inhaber nicht verpflichtend ist (IAS 32.17).

Liegen die Ausschüttungen im Ermessen der Organe des Emittenten, ist es für die Klassifikation von Finanzinstrumenten als Eigen- oder Fremdka-pital unbeachtlich, ob ein negativer Einfluss auf den Preis der Anteile des

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Eigenkapital und Fremdkapital

34 Universität Lüneburg

Emittenten oder ein anderer ökonomischer Nachteil für den Emittenten entstehen kann, falls keine Vergütung ausgeschüttet wird (IAS 32.AG26, IAS 32.BC9, IFRIC 2.7, IFRIC 2.BC12).

Sofern fest vereinbarte Vergütungen (wie bspw. feste oder variable Zins-zahlungen) für Genussrechtsinhaber an Dividendenzahlungen für die Ei-genkapitalgeber gekoppelt sind, führt diese Vergütungsregelung allein nicht zu einer Klassifikation als Fremdkapital (IAS 32.AG26).

3.2.4 Eingebettete Derivate

Sofern in ein originäres Finanzinstrument mit hybridem Charakter – etwa einem Genussrecht – Derivate eingebettet sind, sind diese darauf hin zu untersuchen, ob sie die Definitionskriterien für ein Eigenkapitalinstrument erfüllen und damit in den Anwendungsbereich von IAS 32 fallen (sog. Ei-genkapital-Derivate) oder ob sie die Definitionskriterien für finanzielle Vermögenswerte bzw. Verbindlichkeiten erfüllen und daher in den An-wendungsbereich von IAS 39 fallen (sog. IAS 39-Derivate).

3.3 Beispiel Genussrecht

3.3.1 Sachverhaltsdarstellung

Bei den anschließend zu prüfenden Genussrechtsbedingungen handelt es sich um die Emission eines Finanzinstrumentes, das die folgenden Aus-gestaltungsmerkmale aufweist und von einer Bank begeben wird.

– Begrenzte Laufzeit des Genussrechts (zum Beispiel 30 Jahre),

– Verzinsung beträgt 7,00 % p. a. des Nennbetrages des Genussrechts-kapitals,

– Zahlung erfolgt jährlich nachträglich,

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Eigenkapital und Fremdkapital

35 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

– Zinszahlung entfällt, wenn und soweit durch sie ein Bilanzverlust ent-stehen oder erhöht würde,

– Kein Inhaberkündigungsrecht.

3.3.2 Grundlagen der Qualifizierung von Genussrechten

Für Genussrechte stellt sich aufgrund ihres hybriden Kapitalcharakters die Frage, ob diese beim Emittenten als Eigen- oder Fremdkapital zu bilanzie-ren sind.

Die Qualifikation von Finanzinstrumenten als Eigen- oder Fremdkapital hängt davon ab, ob ein Unternehmen, das Finanzinstrumente ausgibt (Emittent), gegenüber einem Vertragspartner, der das Finanzinstrument annimmt (Investor), vertragliche Verpflichtungen auf Leistung liquider oder anderer finanzieller Vermögenswerte hat. Bejahendenfalls liegt eine finan-zielle Schuld, ansonsten ein Eigenkapitalinstrument vor.

Maßgeblich für die Beurteilung von Genussscheinen nach IFRS ist mithin primär die Rückforderungsmöglichkeit des Kapitals durch den Kapitalge-ber – unabhängig von der Länge der Kündigungsfrist. Sofern eine solche vertragliche Verpflichtung für den Emittenten besteht, handelt es sich nach IFRS um eine finanzielle Verbindlichkeit. Darüber hinaus liegt eine fi-nanzielle Verbindlichkeit für die entsprechende Komponente schon dann vor, wenn der Emittent überhaupt zu Zahlungen, wie Zinsen oder Dividen-den, vertraglich verpflichtet ist und dieser Verpflichtung nicht durch sons-tige vertragliche Vereinbarungen entgehen kann (IAS 32.17, IAS 32.19).

Da die schuldrechtliche Ausgestaltung von Genussrechten häufig eine Pflicht des Emittenten bzw. ein Recht des Inhabers zur Kapitalrückzahlung an einem fixierten Termin vorsieht, sind derartige Genussrechte grundsätz-lich auch dann als Fremdkapital auszuweisen, wenn sie alle handelsrecht-lichen Kriterien für Eigenkapital erfüllen. Eine Ausnahme wäre allerdings dann gegeben, wenn Genussrechte den Charakter von Vorzugsaktien („Preference Shares“) haben. Bei Vorzugsaktien wird die Qualifikation als Eigen- oder Fremdkapital nach IAS 32 ausdrücklich davon abhängig ge-macht, ob ein Unternehmen eine Verpflichtung zur Kapitalrückzahlung bzw. ein Aktionär einen Anspruch auf Aktienrückkauf über einen festen

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Eigenkapital und Fremdkapital

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oder noch festzulegenden Betrag und an einem bestimmten oder noch zu bestimmenden Datum haben. Auch bei Genussrechtsbedingungen, die eine unbegrenzte Laufzeit besitzen und ausschließlich dem Emittenten ein (einseitiges) Kündigungsrecht zubilligen, liegt – bezogen auf diese Kom-ponente – Eigenkapital vor.

3.3.3 Beurteilung des Sachverhaltes

Aufgrund der bestehenden Regelungen gemäß IAS 32 ergeben sich im Beispielsfall die folgenden Konsequenzen für die Klassifizierung des Ge-nussrechtes.

(a) Laufzeitbegrenzung ohne Kündigungsrechte

Entsprechend der Sachverhaltsannahmen ist für das vorliegende Beispiel eine (negative) Aussage zu bestehenden Inhaberkündigungsrechten ge-troffen. Daraus ergibt sich, dass das Beurteilungsergebnis nicht durch Kündigungsrechte des Investors beeinflusst wird. Wäre ein Kündigungs-recht des Emittenten vereinbart, stände dieses einer Qualifikation als Ei-genkapital grundsätzlich nicht im Wege. Hierzu enthält die Sachverhalts-darstellung jedoch keine Aussage.

Zu beachten ist allerdings, dass die Emissionsbedingungen des Genuss-rechts eine Laufzeitbegrenzung vorsehen. Aufgrund der begrenzten Lauf-zeit handelt es sich bei dem Genussrecht um ein so genanntes puttable instrument nach IAS 32.18(b). Dabei spielt die Zeitdauer der Laufzeit keine Rolle. Auch Genussrechte, die etwa eine Laufzeit von 30 Jahren besitzen, führen letztlich zu einer (Rück-)Zahlungspflicht des emittierenden Unter-nehmens, dem dieses sich nicht entziehen kann. Damit ist für diesen Teil des Genussrechtes eine Klassifizierung als Fremdkapital zwingend.

(b) Keine Zahlung der jährlich festen Vergütung bei Entstehung eines Bilanzverlustes

Nach Vorgabe des beispielhaften Sachverhaltes ist eine feste, jährlich nachschüssig zu zahlende, Zinsvereinbarung in Höhe von 7 % p. a. getrof-fen. Diese feste Vergütung entfällt nur dann, wenn durch sie ein Bilanzver-lust oder dessen Erhöhung entstehen würde. Hieraus resultiert eine Zah-

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Eigenkapital und Fremdkapital

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lungsverpflichtung, der sich das emittierende Unternehmen allenfalls ent-ziehen kann, wenn ein Bilanzverlust durch das Unternehmen im Rahmen der Aufstellung des Jahresabschlusses generiert wird, indem der Jahres-überschuss vollständig in andere Gewinnrücklagen eingestellt würde. Da-durch entstünde ein Bilanzgewinn von Null und durch die Ausschüttung an die stillen Gesellschafter ein Bilanzverlust.

Unter der Voraussetzung eines ausreichend hohen Jahresüberschusses führt die Zahlung einer Gewinnbeteiligung an die stillen Gesellschafter in-des nicht zu einem Bilanzverlust. Die für eine stille Beteiligung oder ein Genussrecht gezahlte Vergütung stellt selbst bei solchen stillen Beteili-gungen und Genussrechten, die handelsrechtlich Eigenkapitalcharakter besitzen, handelsrechtlich Aufwand dar. In diesem Sinne geht die Literatur davon aus, dass nur die Rücklagenzuführung gemindert wird (ADS § 268 HGB Tz. 16, § 277 HGB Tz. 58; HFA 1/1994 Abschn. 2.2.2.). Die Entste-hung eines Bilanzverlusts steht insoweit üblicherweise nicht im Ermessen eines Unternehmens, so dass ein Bilanzverlust ein zukünftiges Ereignis darstellt, welches durch das Unternehmen (einschließlich der Unterneh-mensorgane) nicht beeinflusst werden kann.

Einlagen stellen demgegenüber dann Eigenkapital dar, wenn die laufen-den Zahlungen allein im freien Ermessen der Organe des Unternehmens stehen (IAS 32.16(a)(i), IAS 32.19, IAS 32.AG6 und AG26). Dazu ist es er-forderlich, dass die Entstehung eines handelsrechtlichen Bilanzgewinns ein kontrollierbares, bedingtes Ereignis darstellt (IAS 32.25). Dies trifft bei Kredit- und Finanzdienstleistungsinstituten nach § 1 Abs. 1 und 1a KWG zu. Diese haben nach § 340 Abs. 1 und 4 HGB zusätzlich die Spezialvor-schriften der §§ 340 bis 340o HGB zu beachten. Somit steht diesen Insti-tuten die Möglichkeit zur aufwandswirksamen Bildung stiller Vorsorgere-serven (§ 340f HGB) und des Sonderpostens für allgemeine Bankrisiken (§ 340g HGB) zur Verfügung. Durch § 340f HGB und § 340g HGB ergeben sich für Banken demzufolge zusätzliche Gestaltungsspielräume. Wegen der Möglichkeit zur Bildung von stillen Zweckreserven nach § 340f und § 340g HGB ist das freie (dispositive) Ermessen zu bejahen.

Zwar wird eine quantitative Begrenzung für den Bestand der Vorsorgere-serven in Höhe von 4 % der unter Beachtung eines etwaigen Wertaufho-lungsgebots bilanzierten relevanten Forderungen und Wertpapiere gege-ben. Bemessungsgrundlage stellen jedoch die Forderungen und Wertpapiere vor Absetzung der stillen Reserven dar. Wird eine Wertaufho-

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Eigenkapital und Fremdkapital

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lung gemäß des Wahlrechtes in § 340f Abs. 2 HGB durchgeführt, so sind die erhöhten Buchwerte Basis für die 4 %-Grenze. Durch Zuführung der stillen Reserven kann durchaus ein Bilanzverlust kreiert werden (vgl. Krumnow/Sprißler u. a., § 340f HGB, Tz. 3-15). Andererseits scheint durch die Begrenzung auf 4 % bei hinreichend hohem Jahresüberschuss nicht in jedem Fall ein Bilanzverlust generierbar.

Über § 340g HGB ergibt sich jedoch die Möglichkeit, den Ausweis eines Bilanzgewinns zu vermeiden. Kreditinstitute dürfen eine aufwandswirksa-me Vorsorge nach § 340g HGB vornehmen, sofern dies wegen der be-sonderen Kriterien des Geschäftszweiges der Kreditinstitute notwendig ist. Eine betragliche oder rechnerische Obergrenze enthält § 340g HGB, anders als § 340f HGB, nicht.

Für beide Bilanzierungswahlrechte ergibt sich nach dem Wortlaut der Vor-schriften aber eine Einschränkung daraus, dass eine Inanspruchnahme „nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung zur Sicherung gegen die besonderen Risiken des Geschäftszweigs der Kreditinstitute notwendig“ zu sein hat. Unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte der Vorschriften (geringe Eigenkapitalquoten im Kreditgewerbe, besondere Vertrauens-empfindlichkeit, verbunden mit den u. U. unabsehbaren Schäden für die gesamte Volkswirtschaft aus einer Bankenkrise bei panikartigem Abzug der Einlagen) wird in der Literatur überwiegend die Ansicht vertreten, dass hieraus keine Beschränkung des Ermessens des geschäftsführenden Or-gans resultiert (vgl. etwa Krumnow/Sprißler u. a., § 340g HGB, Tz. 1-11).

Die Entstehung eines handelsrechtlichen Bilanzgewinns steht insofern im freien Ermessen eines Organs des Kreditinstituts. Es handelt sich mithin nicht um ein bedingtes Ereignis nach IAS 32.25. Auch eine faktische Zah-lungsverpflichtung im Sinne von IAS 32.20 liegt nicht vor, da eine wirtschaftli-che Verpflichtung für sich genommen nach Ansicht des IFRIC nicht zu einer Fremdkapitalklassifizierung führt (vgl. IFRIC Update March 2006, S. 3/4: „It was agreed that IAS 32 is clear that economic compulsion, by itself, would not result in a financial instrument being classified as a liability.”).

Stille Einlagen bei Kreditinstituten, deren Ausschüttung entfällt, wenn da-durch ein Bilanzverlust entsteht oder erhöht wird, sind daher als Eigenka-pital aufgrund der Möglichkeiten durch § 340f HGB und insbesondere 340g HGB zu klassifizieren, sofern keine weiteren Kriterien gegen eine solche Einwertung sprechen. Insofern besteht kein materieller Unter-

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Eigenkapital und Fremdkapital

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schied zur Kopplung von fest vereinbarten Vergütungen für Genussrechts-inhaber an Dividendenzahlungen, die ebenfalls zur Qualifikation als Eigen-kapital führt (vgl. IDW RS HFA 9, Tz. 22), weil eine Entscheidung, Dividenden zu zahlen (oder nicht zu zahlen), zum Einflussbereich des bilanzierenden Unternehmens gehört (letztlich über die Organe der Haupt- oder Gesell-schafterversammlung).

(c) Besonderheit „compound instrument“

Bei Sachverhalten, die eine solche Ausschüttungsregelung aufweisen, je-doch eine begrenzte Laufzeit oder Inhaberkündigungsrechte besitzen, be-steht nur in Höhe des Nominalbetrags eine vertragliche Zahlungspflicht. Diese Komponente stellt Fremdkapital dar (vgl. auch IAS 32.18(a)).

Insgesamt handelt es sich bei dem angenommenen Genussrecht damit um ein so genanntes „compound instrument“ im Sinne von IAS 32.28 i. V. m. IAS 32.AG37. Dieses zusammengesetzte Instrument weist dem-nach Komponenten auf, denen Eigenkapitalcharakter beizumessen ist, aber auch Komponenten, die als Fremdkapital zu klassifizieren sind. Hier-für ist vorgesehen, dass das Gesamtinstrument in die beiden Bestandteile (Eigenkapital und Fremdkapital) zu zerlegen ist. Die Trennung der Eigen-kapital- und Fremdkapital-Bestandteile erfolgt nach IAS 32.31 auf Fair Va-lue-Basis, wobei die Eigenkapital-Komponente als Residuum nach Abzug der Fremdkapital-Komponenten ermittelt wird. Eine Erfolgswirkung darf durch die Trennung nicht entstehen (IAS 32.31).

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Abgrenzung von Eigen-/Fremdkapital

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4 Die Abgrenzung von Eigen-/Fremdkapital de lege ferenda: FASB und DRSC/EFRAG (Dr. Andreas Barckow6)

6 Dr. Andreas Barckow ist Leiter des deutschen IFRS Centres of Excellence von Deloitte & Touche GmbH und Mitglied des Deutschen Standardisierungsrates.

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Abgrenzung von Eigen-/Fremdkapital

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Abgrenzung von Eigen-/Fremdkapital

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Abgrenzung von Eigen-/Fremdkapital

43 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

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Abgrenzung von Eigen-/Fremdkapital

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Abgrenzung von Eigen-/Fremdkapital

45 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

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Abgrenzung von Eigen-/Fremdkapital

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Abgrenzung von Eigen-/Fremdkapital

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Abgrenzung von Eigen-/Fremdkapital

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Probleme von Personengesellschaften

49 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

5 Die Probleme von Personengesellschaften mit IAS 32 und die möglichen Verbesserungen durch den vorlie-genden Exposure Draft zu IAS 32 (WP Ulf Blaum7)

5.1 Die Abgrenzung zwischen Eigen- und Fremdkapital nach IAS 32 (2003)

Was ist Eigenkapital und was Fremdkapital? Wer die Passivseite einer Bi-lanz eines Unternehmens abbilden möchte, muss nach dem jeweils rele-vanten Rechnungslegungsstandard diese Abgrenzung korrekt treffen. Da-bei ist diese Abgrenzung jedoch nicht allein eine rein bilanzielle und triviale Fragestellung, denn die Höhe des bilanziell ausgewiesenen Eigen-kapitals kann bzw. hat regelmäßig direkte oder indirekte wirtschaftliche und ggf. rechtliche Folgen für ein Unternehmen; als Stichworte seien nur genannt: Kreditwürdigkeit, Einhaltung von Covenants in Kreditverträgen, Unterrichtungspflichten von Anteilseignern oder auch regulatorische An-forderungen durch Aufsichtsbehörden. Ob ein von einem Unternehmen emittiertes Finanzinstrument als Eigen- oder Fremdkapital bilanziell abge-bildet wird, richtet sich dabei regelmäßig nicht bzw. nicht durchgehend nach der (gesellschafts-)rechtlichen Einordnung des emittierten Kapitals.

Die Abgrenzung von Finanzinstrumenten in Eigen- bzw. Fremdkapitalin-strumente erfolgt nach IFRS grundsätzlich durch IAS 32. Durch die Ende 2003 erfolgten Änderungen dieses Standards, die ab Geschäftsjahre be-ginnend mit dem 1. Januar 2005 verpflichtend wurden, erfolgte auch eine wesentliche Änderung der Abgrenzungskriterien zwischen Eigen- und Fremdkapital für einen nach den IFRS aufgestellten Abschluss. Die Ab-grenzung orientiert sich nach IAS 32 nicht (vorrangig) an der rechtlichen Gestaltung eines Finanzinstruments. Vielmehr beinhaltet der Standard ei-ne eindimensionale Ausrichtung der Abgrenzungskriterien an einer mögli-chen, nicht im alleinigen Ermessen des emittierenden Unternehmens lie-genden Zahlungspflicht aus einem Finanzinstrument. Ist eine solche gegeben, ist das Finanzinstrument als Fremdkapital auszuweisen.

7 Ulf Blaum ist Wirtschaftsprüfer und Partner im National Office Grundsatzabteilung Wirt-schaftsprüfung von Ernst & Young.

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Probleme von Personengesellschaften

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Enthält ein Finanzinstrument für ein Unternehmen eine vertraglich fixierte (Rück-)Zahlungsverpflichtung ist das Finanzinstrument somit zwingend als Fremdkapital auszuweisen. Ebenso sind aber auch Finanzinstrumente, die dem Inhaber ein (unbeschränktes) Kündigungsrecht vermitteln als Fremd-kapital zu passivieren. Und auch Finanzinstrumente, die eine Vergütungs- bzw. Ausschüttungsverpflichtung beinhalten, führen zumindest bzgl. die-ser Verpflichtung zum Fremdkapitalausweis.

Für eine nach diesen Abgrenzungskriterien vorgenommene Einordnung als Fremdkapital ist hierbei auch unbeachtlich

– die Wahrscheinlichkeit, die wirtschaftliche Möglichkeit oder auch Sinn-haftigkeit einer Zahlungsverpflichtung aus z. B. einer rechtlichen Kün-digungsmöglichkeit des Inhabers des Finanzinstruments;

– der zeitliche Horizont einer möglichen Zahlungsverpflichtung;

– die rechtliche Haftungsfunktion des Finanzinstruments.

5.2 Folgen der Kapitalabgrenzung im deutschen Umfeld

Die zuvor skizzierten Abgrenzungskriterien nach IAS 32 zwischen Eigen- und Fremdkapital führen dazu, dass eine Reihe von Finanzinstrumenten, die im deutschen Gesellschaftsrecht bzw. in einem HGB-Abschluss bis-lang als Eigenkapital klassifiziert wurden, nach IAS 32 als Fremdkapital bi-lanziert und bewertet werden müssen. Dies betrifft insbesondere die Ein-lagen der Gesellschafter deutscher Personengesellschaften, aber auch die Abbildung von Minderheitenanteilen an solchen Gesellschaften im Kon-zernabschluss z. B. einer deutschen Aktiengesellschaft.

Das deutsche Gesellschaftsrecht gewährt den Gesellschaftern einer Per-sonengesellschaft ein grundsätzlich nicht ausschließbares Kündigungs-recht (§ 723 BGB i.V.m. §§ 105 Abs. 3 HGB für die OHG bzw. § 161 Abs. 2 HGB für die KG). Eine Kündigung durch einen Gesellschafter führt dabei zu einem Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft und die verbleiben-den Gesellschafter; die Gesellschaft ist zumindest subsidiär verpflichtet, die Abfindung aus dem Gesellschaftsvermögen zu leisten. Mithin liegt hierbei im Sinne des IAS 32.18b i.V.m. IAS 32.13 ein vertragliches Kündi-

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Probleme von Personengesellschaften

51 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

gungsrecht des Inhabers des Finanzinstruments (= Gesellschafter) vor, das dazu führt, dass im Abschluss der Personengesellschaft – sei es in deren IFRS-Einzel- oder Konzernabschluss – die Einlagen als ein Fremdka-pitalinstrument zu bilanzieren und zu bewerten sind. Ob dieses gesetzli-che Kündigungsrecht durch andere gesellschaftsrechtliche Klauseln, bei-spielsweise das Recht, die Gesellschaft jederzeit in eine GmbH umzu-wandeln zu lassen, wirksam abgedungen werden kann, ist zumindest sehr fraglich8. Selbst wenn die Ersetzung des gesetzlichen Kündigungsrechts durch ein anderes Recht juristisch als möglich erachtet wird, bedarf dies aber der Zustimmung der Gesellschafter, die in vielen Fällen nicht erreich-bar sein wird.

In vielen Gesellschaftsverträgen deutscher Personengesellschaften finden sich Klauseln, dass das Jahresergebnis automatisch den Gesellschaftern zuzurechnen ist. Auch eine solche Klausel führt isoliert dazu, dass der Barwert künftiger Ergebnisse als Fremdkapital einzuordnen ist, mit – er-neut – der Konsequenz, dass die Einlagen der Gesellschafter im IFRS-Abschluss regelmäßig nicht als Eigenkapital ausgewiesen werden. Diese Klausel kann allerdings durch eine Regelung, dass Ausschüttungen eines Gewinnverwendungsbeschlusses durch die Gesellschafterversammlung bedürfen, „IAS 32 – EK-tauglich“ umgestaltet werden, wenn denn die Ge-sellschafter hierzu bereit sind.

Die Problematik der Behandlung des gesellschaftsrechtlichen Eigenkapi-tals von Personengesellschaften als Fremdkapital beschränkt sich aber nicht nur auf dessen Ausweis im IFRS-Einzelabschluss oder auch im IFRS-Konzernabschluss, wenn die Personengesellschaft die Muttergesellschaft darstellt. Derzeit noch häufiger ergibt sich diese Problematik auch in Kon-zernabschlüssen von Kapitalgesellschaften, die Anteile an Tochter-Perso-nengesellschaften von weniger als 100 % halten. In diesen Fällen trifft die Problematik die Behandlung der Minderheitenanteile an diesen Personen-gesellschaften. Dem IAS 32-Charakter der Einlagen in deutsche Perso-nengesellschaften folgend, sind die Minderheitenanteile im Konzernab-schluss nicht innerhalb des Eigenkapitals auszuweisen, sondern ebenfalls als Fremdkapital zu bilanzieren und zu bewerten. Zur Begründung gelten die gleichen Argumente wie zuvor skizziert, auch aus Konzernsicht liegt

8 Vgl. hierzu nur Balz/Ilina, Kommanditkapital nach International Accounting Standards – Ist die GmbH & Co. KG kapitalmarkttauglich?, in: BB 2005, S. 2759 ff.

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Probleme von Personengesellschaften

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bzgl. der Minderheitenanteile ein kündbares Finanzinstrument vor bzw. ggf. ein Finanzinstrument mit einer festen Vergütungsverpflichtung, das nach dem geltenden IAS 32 Fremdkapitalcharakter hat.

Die Behandlung des gesellschaftsrechtlichen Eigenkapitals von Perso-nengesellschaften als bilanzielles Fremdkapital ist dabei keine reine Aus-weisfrage. Nicht eindeutig geklärt ist auch, wie die Folgebewertung die-ses bilanziellen Fremdkapitals zu erfolgen hat. Nach Auffassung des deutschen Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer kommt zumindest auch eine Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten in Betracht, was ggf. zu einer Bewertung in Höhe des IFRS-Nettovermögens führen kann9. Nach anderer Auffassung hat die Bewertung zu jedem Bilanzstichtag in Höhe des Zeitwertes der Abfindungsverpflichtung zu erfolgen, wobei als Ausgangspunkt für die Höhe eine gesellschaftsvertragliche Abfindungs-klausel heranzuziehen ist. In der Praxis finden sich dabei nicht selten Buchwertabfindungsklauseln, deren Verwendung für die Bewertung auf-grund der Rechtsprechung aber nicht ohne Korrekturen erfolgen kann.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass die Kapitalabgrenzungskriterien in den IFRS einer umfassenden Kritik unterliegen und dies insbesondere und verstärkt seit Änderung der Abgrenzungskriterien in IAS 32 Ende 2003. Insbesondere für von einem Unternehmen emittierte Finanzinstrumente, die zum beizulegenden Zeitwert kündbar sind, hat das IASB aber festge-stellt, dass die bilanzielle Behandlung dieser Finanzinstrumente als Fremdkapital und deren Bewertung zum beizulegenden Zeitwert zu „Anomalien“ im Abschluss führt, die eine kurzfristige Korrektur der bislang gebotenen Klassifizierung als Fremdkapital notwendig macht10. Die vom IASB festgestellten „Anomalien“ beziehen sich auf die Betrachtungswei-se, dass bei zum beizulegenden Zeitwert kündbaren Finanzinstrumenten zu jedem Bilanzstichtag letztlich der Unternehmenswert (als beizulegen-der Zeitwert) als Verbindlichkeit auszuweisen und jegliche Änderungen im beizulegenden Zeitwert dieser Verbindlichkeit ergebniswirksam zu erfas-sen sind. Dieser insoweit passivierte Unternehmenswert wird dabei üb-licherweise zu einem negativen Eigenkapital führen, da auf der Aktivseite keine vollständige Zeitwertbewertung (inkl. dem originären Geschäfts- oder Firmenwert) erfolgen darf. Und je erfolgreicher ein Unternehmen

9 Vgl. IDW RS HFA 9, Tz. 53 ff. 10 Die im Einzelnen vorgebrachten Kritikpunkte werden in ED 32amned.BC5 dargestellt.

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Probleme von Personengesellschaften

53 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

wirtschaftet, desto negativer wird als Folge das Eigenkapital auszuweisen sein. Somit wird auch eine vollständige Fremdfinanzierung des Unter-nehmens indiziert. Schließlich sind auch Ausschüttungen auf diese Fi-nanzinstrumente nicht mehr als Ergebnisverwendung sondern ergebnis-mindernd abzubilden. Diese Anomalien bilden daher auch die Begründung für den Vorschlag zu Änderungen in IAS 32.

5.3 ED 32 – ein Lösungsweg?

Am 22. Juni 2006 veröffentlichte das IASB einen Entwurf zur Änderung des IAS 32 unter dem Titel „Exposure Draft of Proposed Amendments to IAS 32 Financial Instruments: Presentation and IAS 1 Presentation of Fi-nancial Statements: Financial Instruments Puttable at Fair Value and Obli-gations Arising on Liquidation“11. Mit diesem Änderungsvorschlag beab-sichtigt das IASB die bisher in IAS 32 enthaltenen Kriterien zur Abgren-zung von durch ein Unternehmen emittierte Finanzinstrumente in Eigen- bzw. Fremdkapitalinstrumente durch spezifische Ausnahmeregelungen zu den bisherigen Abgrenzungsgrundsätzen zu ergänzen. Der Entwurf sieht dabei die ergänzenden Ausnahmeregelungen nur für solche emittierten Finanzinstrumente eines Unternehmens vor, die zum beizulegenden Zeit-wert durch den Inhaber des Finanzinstruments kündbar sind oder aber die (nur) bei Liquidation des emittierenden Unternehmens eine Zahlungsver-pflichtung des Unternehmens zur Folge haben. ED 32amend sieht somit keine völlig neue Konzeption zur Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapi-talinstrumenten vor, sondern versucht punktuell die oben skizzierten Be-wertungsanomalien zu lösen. Da solche Anomalien aber auch bei Finanz-instrumenten auftreten können, die nicht zum Zeitwert, sondern z. B. „nur“ zu 2/3 des Zeitwerts kündbar sind, greift der Korrekturvorschlag zu kurz und ist systematisch schwer verständlich. Eine Annäherung an die Eigenkapitalabgrenzung, wie sie in Deutschland bislang vorherrscht und hierbei insbesondere eine Berücksichtigung des Kriteriums der Haftungs-funktion des Kapitals, findet nicht statt.

11 Im Folgenden: ED 32amend.

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Probleme von Personengesellschaften

54 Universität Lüneburg

Damit ein zum Zeitwert kündbares Finanzinstrument nach dem Entwurf als Eigenkapitalinstrument klassifiziert werden kann, müssen die in Abbil-dung 6 angeführten Kriterien kumulativ vorliegen.

Der Inhaben hat das Recht, die Gesellschaft zum Rückkauf-/erwerbdes Instruments zum anteiligen Fair

Value zu verpflichten (und esbestehen auch keine sonstigen

(schädlichen) Zahlungsverpflichtungen)

Im Falle der Liquidation hat derInhaber einen anteiligen Anspruch

anf das verbleibendeNettovermögen

Financial instruments

puttable at fair value (FV)

Das Instrument ist in der“most subordinated class of instruments with a claim to

the entity‘s assets”

Alle Instrumente in der“most subordinated class”sind zum FV rückzahlbar

Instrument wurde zu FV ausgegeben

Abb. 6: Voraussetzungen für eine Eigenkapitalklassifizierung von zum Zeitwert kündbare Finanzinstrumente nach ED 32amend

Da ED 32amend die Kriterien für eine Klassifizierung eines Finanzinstru-ments als Eigenkapitalinstrument im Ergebnis letztlich nur erweitert, hat der Entwurf keine Auswirkungen auf bislang schon als Eigenkapital zu er-fassende Finanzinstrumente.

a) Diskussion einzelner Kriterien insbesondere im Kontext deutscher Personengesellschaften

Der Entwurf verlangt sowohl für die Ausgabe wie auch für die Rücknahme der zum beizulegenden Zeitwert kündbaren Finanzinstrumente, dass dies zum beizulegenden Zeitwert erfolgt. Eine explizite Anknüpfung der Abfin-dungshöhe am Zeitwert ist im Falle deutscher Personengesellschaften nicht die Regel. Sofern kein Marktwert (z. B. Börsenpreis) vorliegt, wie dies bei Personengesellschaften der Fall ist, müsste hierfür zudem regel-mäßig ein Bewertungsverfahren herangezogen werden.

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Probleme von Personengesellschaften

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Unternehmen, von denen keine Wertpapiere an einer Börse gehandelt werden bzw. die sich nicht auf eine Emission vorbereiten oder deren Ge-schäftszweck es nicht ist, für eine große Gruppe außen stehender Perso-nen Vermögenswerte zu halten (z. B. Banken, Versicherungen, Pensions-fonds, Wertpapierhändler, Investmentfonds), dürfen für die Ermittlung des beizulegenden Zeitwertes allerdings auch ein Formelverfahren heranzie-hen12. Dies setzt aber voraus, dass die herangezogene Formel den beizu-legenden Zeitwert approximiert. Das IASB führt in ED 32amend AG14A in diesem Zusammenhang an, dass eine Buchwertabfindung den beizule-genden Zeitwert nur dann approximiert, wenn keine wesentlichen Zeit-wertdifferenzen zum bilanzierten und nicht bilanzierten Nettovermögen bestehen.

Gesellschaften ohne börsennotierte Finanzinstrumente

Verwendung einer Berechnungsformelzur Ermittlung des Fair Value zu demdas Finanzinstrument ausgegeben,

zurückgekauft oder rückbezahlt wird, istakzeptabel

Nettovermögen der Gesellschaft alsApproximation des Zeitwerts ist nurzulässig, wenn es keine wesentlicheDifferenz zwischen diesen beiden

Werten gibt

Abb. 7: Ableitung des Zeitwertes emittierter, nicht börsennotierter Finanzinstru-mente nach ED 32amend

In diesem Zusammenhang ist umstritten, ob diese Regelungen in ED 32amend auf den beizulegenden Zeitwert des Unternehmens insge-samt (also letztlich dem Gesamtunternehmenswert) oder den beizulegen-

12 ED 32amend.AG14A.

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Probleme von Personengesellschaften

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den Zeitwert der einzelnen Anteile abstellen13. Gesellschaftsvertragliche Regelungen sehen regelmäßig bestimmte Abfindungsregelungen vor, zu denen die Anteile an dem Unternehmen abgegeben werden können und an die alle Gesellschafter gebunden sind, so z. B. im Falle von deutschen Personengesellschaften bezüglich von Buchwertabfindungsklauseln oder einer Orientierung der Abfindung am sogenannten Stuttgarter Verfahren. Aus solchen Regelungen könnte ein Zeitwert für die einzelnen Anteile ins-besondere dann abgeleitet werden, sofern ein anderer Wert für den Aus-tausch bzw. die Rückgabe der Anteile grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Wäre eine solche Sichtweise nach ED 32amend zulässig, könnten auch viel eher Buchwertabfindungsklauseln oder das Stuttgarter Verfah-ren als Approximation des beizulegenden Zeitwerts der einzelnen Anteile begründet werden. Ein so ermittelter Wert wird aber regelmäßig von ei-nem auf den einzelnen Kapitalanteil entfallenden Anteil am Gesamtunter-nehmenswert wesentlich abweichen. Wenn das IASB in den Formulierun-gen in ED 32amend auf den anteiligen Gesamtunternehmenswert abstellt, wären daher die bei deutschen Personengesellschaften regelmäßig ver-wendeten Abfindungsklauseln in aller Regel für eine Eigenkapitalklassifi-zierung schädlich. Zumindest müsste das Unternehmen jedes Jahr nach-weisen, dass die konkrete Abfindungsklausel, hochgerechnet auf alle Anteile, den Gesamtunternehmenswert approximiert, mithin jedes Jahr eine Unternehmensbewertung durchführen. Es wäre daher sehr wün-schenswert, wenn das IASB klarstellen würde, wie die Regelungen zum beizulegenden Zeitwert zu verstehen sind.

Voraussetzung, dass ein zum beizulegenden Zeitwert kündbares Finanzin-strument als Eigenkapitalinstrument zu klassifizieren ist, ist auch, dass dieses der nachrangigsten Klasse der vom Unternehmen emittierten Fi-nanzinstrumente angehört. Fraglich ist hierbei u. a., ob unterschiedliche Haftungsregelungen von ansonsten vertraglich vergleichbaren Finanzins-trumenten einen Einfluss auf die Zurechnung zur nachrangigsten Klasse haben. Im Fall einer deutschen KG haftet der Komplementär voll und da-mit auch mit seinem Privatvermögen, der Kommanditist jedoch nur mit seiner Haftungseinlage. Sofern im Liquidationsfall das Vermögen nicht

13 Vgl. hierzu z. B. IDW, Stellungnahme zum Exposure Draft of Proposed Amendments to IAS 32 Financial Instruments: Presentation and IAS 1 Presentation of Financial State-ments: Financial Instruments Puttable at Fair Value and Obligations Arising on Liquida-tion, 23. Oktober 2006, S. 3 f.

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Probleme von Personengesellschaften

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ausreicht, um die Gläubiger zu befriedigen, hat regelmäßig der Komple-mentär „überproportional“ den Verlust zu tragen, die Verpflichtung des Kommanditisten ist dagegen auf seine vertragliche Haftung beschränkt. Hieraus könnte abgeleitet werden, dass die Voraussetzung für eine pro-portionale Teilnahme am Residualvermögen für die beiden Gesellschaf-tergruppen nicht gegeben ist, mithin, dass Anteile von Kommanditisten nicht der nachrangigsten Klasse von Finanzinstrumenten angehören. In der bisherigen Diskussion zu ED 32amend in Deutschland wird regelmä-ßig gefordert, dieses Kriterium zu streichen, da eine wirklich überzeugen-de Begründung für die Notwendigkeit dieser Voraussetzung nicht gege-ben wird. Zumindest wäre zu fordern, dass das IASB klarstellt, unter welchen Voraussetzungen Finanzinstrumente die Voraussetzung der Letzt-rangigkeit erfüllen.

Weniger im Fokus der Diskussionen um ED 32amend steht das Kriterium, dass nicht nur die Rücknahme, sondern bereits auch die Ausgabe der Fi-nanzinstrumente zum Zeitwert zu erfolgen hat, um eine Eigenkapitalklassi-fizierung zu ermöglichen. Zumindest im Falle der häufig anzutreffenden familiengebundenen Personengesellschaften erscheint es nicht abwegig, dass eine Ausgabe neuer Anteile z. B. zur Beteiligung weiterer Familien-mitglieder auch unterhalb des Zeitwertes ermöglicht wird bzw. wurde. Die Notwendigkeit dieses Kriteriums ist ebenfalls nicht überzeugend und die-ses sollte daher entfallen.

b) Keine Änderungen für Minderheitsanteile im Konzernabschluss

Für von Tochterunternehmen emittierte Finanzinstrumente sollen die in ED 32amend vorgesehenen neuen Klassifizierungskriterien für Eigen- bzw. Fremdkapital bezüglich der Abbildung dieser Finanzinstrumente im Kon-zernabschluss eines Mutterunternehmens keine Auswirkung haben. Hat ein Tochterunternehmen Finanzinstrumente emittiert, die nach dem bishe-rigen IAS 32 als Fremdkapital, nach IAS 32amend dagegen aus Sicht des Tochterunternehmens als Eigenkapital zu klassifizieren sind, soll nach ED 32amend in einem Konzernabschluss des Mutterunternehmens gleich-wohl eine Klassifizierung dieser Finanzinstrumente der Tochter als Fremd-kapital notwendig bleiben. Konkret bedeutet dies, dass insbesondere auch Minderheitenanteile an Tochterunternehmen in der Rechtsform einer deutschen Personengesellschaft, die in einem Einzelabschluss der Perso-nengesellschaft nach IAS 32amend als Eigenkapital ausgewiesen würden, im Konzernabschluss des Mutterunternehmens dieser Personengesell-

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Probleme von Personengesellschaften

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schaft regelmäßig weiterhin als Fremdkapital auszuweisen und zu bewer-ten wären.

Diese Klassifizierung im Konzernabschluss wird dabei nicht durch eine gesonderte Regelung in IAS 32amend oder einem anderen Standard ex-plizit vorgeschrieben. Vielmehr stellt das IASB fest, dass diese von Toch-terunternehmen emittierten Finanzinstrumente aus einer Konzernsicht nicht die in ED 32amend geforderten Kriterien für eine Klassifizierung als Eigenkapital des Konzern erfüllen, da sie nicht Bestandteil des letztran-gigsten Kapitals des Konzerns seien. Das IASB argumentiert, dass wenn der Konzern liquidiert würde, so wären die Ansprüche der Inhaber dieser Finanzinstrumente (also letztlich der Minderheitenanteile) zuerst zu befrie-digen, bevor ein verbleibender Betrag den Gesellschaftern des Mutterun-ternehmens zugewiesen werden könnte. Zudem werden nach Auffassung des IASB durch diese Betrachtungsweise die Möglichkeiten zur Struktu-rierung des Kapitalausweises, die sich als Folge der Neuregelungen in ED 32amend ergeben, limitiert14.

Die Argumentation des IASB ist auf deutlichen Widerspruch, insbesonde-re auch in den deutschen Stellungnahmen zu IAS 32amend, gestoßen15. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass zumindest in Deutschland nicht der Konzern als solches, sondern die einzelnen Konzernunterneh-men Gegenstand einer Liquidation sind. Auf Ebene der einzelnen Konzern-unternehmen werden die Gesellschafter hinsichtlich ihres verbleibenden Nettovermögensanspruchs grundsätzlich gleichrangig behandelt, womit sich eine Beurteilung aus einer übergeordneten „Konzernsicht“ letztlich verbietet. Auch wird darauf hingewiesen, dass sich eine solche „Konzern-sicht“ auf den Ausweis des Kapitals nur auf Basis einer interessentheore-tischen Betrachtung des Konzerns rechtfertigen lässt; einer Betrachtungs-weise, die das IASB in jüngsten Projekten zugunsten einer eher ein-heitstheoretischen Betrachtung aufzugeben scheint. Insofern könnte auch angeführt werden, dass wenn dem Kriterium der aus „Konzernsicht letztrangigsten Klasse im Liquidationsfall“ eine so entscheidende Bedeu-

14 ED 32amend.AG29A und ED 32amend.BC19. 15 Vgl. hierzu z. B. IDW, Stellungnahme zum Exposure Draft of Proposed Amendments to

IAS 32 Financial Instruments: Presentation and IAS 1 Presentation of Financial State-ments: Financial Instruments Puttable at Fair Value and Obligations Arising on Liquida-tion, 23. Oktober 2006, S. 6.

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Probleme von Personengesellschaften

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tung zugemessen wird, sich dann ein Ausweis von Minderheitenanteile als Eigenkapital des Konzerns grundsätzlich nicht mehr rechtfertigen ließe.

5.4 Fazit

Das IASB reagiert mit ED 32amend auf erkannte Bewertungsanomalien bei der Bilanzierung von bestimmten von einem Unternehmen emittierten Finanzinstrumenten. Die Bereitschaft zu einem solchen kurzfristigen „Kor-rekturstandard“ ist zu begrüßen. Die vorgeschlagenen modifizierten Rege-lungen zur Kapitalabgrenzung in IAS 32 sind konzeptionell aber wenig überzeugend und greifen insbesondere zu kurz, da die erkannten Bewer-tungsanomalien nicht nur bei zum (vollen) Zeitwert kündbaren Finanzins-trumenten auftreten.

Bei der Anwendung der vorgeschlagenen Kriterien, die für eine Klassifizie-rung von emittierten, zum Zeitwert kündbaren Finanzinstrumenten als Ei-genkapital zu erfüllen sind, auf die Einlagen in deutschen Personengesell-schaft ergeben sich erhebliche Interpretationsfragen bzw. Umsetzungs-probleme. Die Hoffnungen, mit ED 32amend könnte eine problemlose Rückkehr zum Eigenkapitalausweis dieser Einlagen erreicht werden, ha-ben sich daher nicht erfüllt. Ebenso wenig kann überzeugen, dass Min-derheitenanteile an Personengesellschaften im Konzernabschluss weiter-hin als Fremdkapital abzubilden sind.

Kurzfristig bleibt daher zu hoffen, dass im Rahmen der Diskussionen zu ED 32amend noch Änderungen zumindest an einigen Stellen erreicht werden können. Langfristig bleibt abzuwarten, welche Kapitalklassifizie-rungskriterien im Rahmen des gemeinsamen Projektes mit dem FASB vorgesehen werden.

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Notwendige Verbesserungen

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6 Notwendige Verbesserungen zu IAS 32 aus Sicht des Genossenschaftsbereichs (Prof. Dr. Carl-Friedrich Leuschner16)

6.1 Eigenkapital der Genossenschaft

Das Eigenkapital der Genossenschaft setzt sich unter Rückgriff auf § 337 HGB regelmäßig aus den Geschäftsguthaben und den Ergebnisrücklagen zusammen. Bei den Geschäftsguthaben handelt es sich um das durch die Mitglieder in ihrer Funktion als Eigentümer der Genossenschaft eingezahl-te Kapital. In der Bilanz ist der Betrag der Geschäftsguthaben an Stelle des gezeichneten Kapitals auszuweisen. Die Ergebnisrücklagen stellen den Teil des Eigenkapitals dar, der durch Thesaurierung positiver Jahres-überschüsse angesammelt wird. In der Bilanz nach HGB treten die Ergeb-nisrücklagen an die Stelle der Gewinnrücklagen.

Bei den Geschäftsguthaben handelt es sich zwar um unbefristetes Kapital. Im Gegensatz zur Aktiengesellschaft steht nach § 65 GenG aber jedem Mitglied das individuelle Recht zu, seine Mitgliedschaft bei der Genos-senschaft zu kündigen. Scheidet ein Mitglied durch Kündigung aus der Genossenschaft aus, führt die Auflösung des Rechtsverhältnisses zu einem Anspruch des Mitglieds gegenüber der Genossenschaft auf Auszahlung seines Geschäftsguthabens (§ 73 GenG). Auf die Ergebnisrücklagen und das sonstige Vermögen der Genossenschaft hat das ausscheidende Mit-glied grundsätzlich keinen Anspruch.17 Die Kündigung kann nur zum Schluss eines Geschäftsjahres und mindestens drei Monate vor dessen Ab-lauf in schriftlicher Form erklärt werden. In der Satzung einer Genossen-schaft kann eine längere, höchstens fünfjährige Kündigungsfrist bestimmt werden. Solchen regelmäßig mehrjährigen Kündigungsfristen kommt aus Sicht der Genossenschaft eine kontinuitätssichernde Bedeutung zu.

16 Prof. Dr. Carl-Friedrich Leuschner ist Vorstandsvorsitzender des Deutschen Genossen-schafts- und Raiffeisenverbandes e. V. in Berlin und Honorarprofessor am Lehrstuhl für International Accounting der Universität Osnabrück.

17 Nach § 73 Abs. 3 GenG besteht die Möglichkeit, einen Teil der Ergebnisrücklagen in eine spezielle Rücklage (= „Beteiligungsfonds“) einzustellen; beim Ausscheiden eines Mit-glieds wird dann der auf das ausscheidende Mitglied entfallende Anteil an dieser Rückla-ge zusammen mit dem Geschäftsguthaben ausgezahlt.

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Notwendige Verbesserungen

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Auch bei Genossenschaften ist das Eigenkapital eine wesentliche Grund-lage der geschäftlichen Tätigkeit. Es erfüllt unterschiedliche Funktionen18:

– Haftungs- und Verlustausgleichsfunktion: Genossenschaften haften mit ihrem Vermögen für die Schulden der Gesellschaft. Die Mitglieder einer Genossenschaft verlieren daher nur ihr als Eigenkapital einge-brachtes Kapital, falls im Insolvenzfall das Vermögen des Unterneh-mens nicht ausreicht, um dessen Schulden zu decken.19 Das gesamte Eigenkapital dient als Puffer für anfallende Verluste des Unterneh-mens. So muss die Satzung einer Genossenschaft beispielweise die Bildung einer gesetzlichen Rücklage vorschreiben, die zur Deckung eines aus der Bilanz sich ergebenden Verlustes dient (§ 7 Nr. 2 GenG).

– Arbeits- und Kontinuitätsfunktion: Die als Eigenkapital eingebrachten Finanzierungsmittel stehen dem Unternehmen in der Regel unbefris-tet zur Verfügung; sie dienen damit der dauerhaften Finanzierung un-ternehmerischer Aktivitäten. Der Arbeits- bzw. Kontinuitätsfunktion steht nicht entgegen, dass unbefristet überlassenes Eigenkapital unter restriktiven Voraussetzungen auch wieder abgezogen werden kann.

– Gewinnbeteiligungs- und Geschäftsführungsfunktion: Eigenkapital vermittelt dem Mitglied einen Anspruch auf entstandene Gewinne des Unternehmens (Gewinnbeteiligungsfunktion). Dagegen wird Fremd-kapital auch in solchen Zeiten vergütet, in denen das Unternehmen kein positives Jahresergebnis ausweist. Darüber hinaus vermittelt das Eigenkapital dem Kapitalgeber auch bestimmte Entscheidungsbefug-nisse (Geschäftsführungsfunktion). Die Mitglieder einer Genossen-schaft können ihre Entscheidungsbefugnisse im Rahmen der Mitglie-derversammlung ausüben.

Geschäftsguthaben und Ergebnisrücklagen erfüllen alle genannten Krite-rien, so dass der Eigenkapitalcharakter der Geschäftsguthaben im nationa-len Recht außer Diskussion steht.

18 Zu den Funktionen und Aufgaben des Eigenkapitals vgl. für viele Thiele, Das Eigenkapital im handelsrechtlichen Jahresabschluss, Düsseldorf 1998, S. 49 ff.

19 Die Mitglieder einer Genossenschaft können allerdings durch eine entsprechende Rege-lung in der Satzung zu unbeschränkten oder beschränkten Nachschüssen verpflichtet werden; vgl. §§ 6 Nr. 3, 105 GenG.

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6.2 Eigenkapital der Genossenschaft nach IAS 32 und IFRIC 2

6.2.1 Eigenkapital der Genossenschaft nach IAS 32

Anders als im HGB, in dem man das Eigenkapital nach den soeben darge-stellten Funktionen abgrenzt, enthält IAS 32 keine funktionale Eigenkapi-talabgrenzung, sondern eine Negativabgrenzung des Eigenkapitals mit Hil-fe einer Fremdkapitaldefinition. Nachdem nach IAS 32 ein Ausweis als Eigenkapital nicht in Betracht kommt, soweit ein Kapitalgeber über die Möglichkeit zur Rückforderung des eingebrachten Kapitals verfügt, sind die Geschäftsguthaben aufgrund des damit verbundenen Rückzahlungs-anspruchs in einer IAS/IFRS-Bilanz grundsätzlich als Fremdkapital zu quali-fizieren. Die Ergebnisrücklagen bleiben auch nach IAS 32 Eigenkapital, soweit sie nicht über § 73 Abs. 3 GenG ebenfalls einem Rückzahlungs-anspruch unterliegen.

6.2.2 Eigenkapital der Genossenschaft nach IFRIC 2

Trotz massiver Kritik an der Klassifizierung der Geschäftsguthaben nach IAS 32 hat sich das IASB nicht bereit erklärt, von seiner eindimensionalen Kapitalabgrenzung abzuweichen. Zugeständnisse machte das IASB ledig-lich insoweit, als mit IFRIC 2 eine Interpretation erlassen wurde, die die in IAS 32 vorgenommene Kapitalabgrenzung für den Anwendungsfall der Geschäftsguthaben konkretisiert. Eine inhaltliche Änderung des Abgren-zungskonzeptes in IAS 32 ist damit allerdings nicht verbunden.

IFRIC 2 „Geschäftsguthaben in Genossenschaften und vergleichbare In-strumente“ behandelt am Beispiel der genossenschaftlichen Geschäfts-guthaben explizit die Kapitalabgrenzung von Finanzinstrumenten, die dem Inhaber das Recht auf Rückzahlung gewähren und dabei gleichzeitig Be-schränkungen der Rückzahlbarkeit beinhalten.20 Nach IFRIC 2.5 führt der Anspruch des Mitglieds auf Rückzahlung seines Geschäftsguthabens nicht automatisch zu deren Klassifizierung als finanzielle Verbindlichkeit. Geschäftsguthaben, die ohne Kündigungsrecht als Eigenkapital zu qualifi-

20 Zum Folgenden vgl. Leuschner/Weller, Qualifizierung rückzahlbarer Kapitaltitel nach IAS 32- ein Informationsgewinn?, in: WPg 2005, S. 264 f.

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zieren wären, sind nur dann als Eigenkapital auszuweisen, wenn eine der folgenden Bedingungen erfüllt ist (vgl. Abb. 8):

– Option 1: Geschäftsguthaben stellen Eigenkapital dar, wenn die Ge-nossenschaft über das unabdingbare Recht verfügt, die Rückzahlung der Guthaben zu verweigern (IFRIC 2.7). Nach IAS 32.35 sind die Divi-dendenzahlungen in diesem Fall nicht als Zinsaufwand zu verbuchen.

– Option 2: Geschäftsguthaben stellen Eigenkapital dar, wenn die Rückzahlung aufgrund einer gesetzlichen Vorschrift oder aufgrund ei-ner statutarischen Regelung verboten ist. Das Verbot kann entweder als absolute Größe ausgestaltet sein, die die Rückzahlungen gänzlich untersagt, oder eine partielle Größe darstellen, die einer Rückzahlung entgegensteht, wenn dadurch die Anzahl der Geschäftsanteile oder der Gesamtbetrag der einbezahlten Geschäftsguthaben unter eine bestimmte Grenze (beispielsweise ein Mindestkapital) fallen würde. Der jeweils über die festgelegte Grenze hinausgehende Betrag der Geschäftsguthaben müsste als Verbindlichkeit bilanziert werden, weil insoweit für die Genossenschaft eine unbedingte Pflicht zur Rückzah-lung besteht (IFRIC 2.8). Soweit die Geschäftsguthaben als Eigenkapi-tal zu bilanzieren sind, sind die darauf entfallenden Dividenden Be-standteil der Gewinnverwendung.

Abb. 8: IFRIC 2

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Die Eigenkapitalklassifizierung der Gesamtheit aller Geschäftsguthaben, die einem partiellen Rückzahlungsverbot unterliegen, steht im Wider-spruch zum „individual instrument approach“, der IAS 32 zu Grunde liegt und eine separate Klassifizierung für jedes einzelne Finanzinstrument vor-sieht. Das IFRIC hat aber erkannt, dass die Anwendung des „individual in-strument approach“ auf die Geschäftsguthaben, die einem partiellen Rückzahlungsverbot unterliegen, nicht sachgerecht ist. Zur Erläuterung wird eine Genossenschaft beschrieben, bei der ein partielles Rückzah-lungsverbot 99 % der jemals erreichten Höchstzahl an ausgegebenen Ge-schäftsanteilen vor einer Rückzahlung schützt.21 Während unter diesen Voraussetzungen nach dem „individual instrument approach“ jedes ein-zelne Geschäftsguthaben für sich rückzahlbar und als Fremdkapital zu qualifizieren wäre, sind de facto 99 % der historischen Höchstzahl an ausgegebenen Geschäftsanteilen nie rückzahlbar und daher als Eigenkapi-tal zu bilanzieren.

Der während den Beratungen zu IFRIC 2 unterbreitete Vorschlag, Ge-schäftsguthaben erst dann als Fremdkapital auszuweisen, wenn ein Mit-glied seine Mitgliedschaft gekündigt und die Rückzahlung verlangt hat, wurde vom Interpretationskomitee ebenso verworfen wie der Hinweis, bei der Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital die Wahrscheinlichkeit einer Kündigung bzw. Rückzahlung zu berücksichtigen.22

Bei der Novellierung des deutschen Genossenschaftsgesetzes in 2006 wurden Satzungsoptionen vorgesehen, die es den Genossenschaften er-lauben, von IFRIC 2 Gebrauch zu machen. In § 8a GenG wurde ein satzungs-mäßiges Mindestkapital (vgl. Option 2 in Abb. 8) zugelassen. Außerdem wurde in § 73 Abs. 3 GenG die Möglichkeit geschaffen, den Anspruch ausscheidender Mitglieder auf das Auseinandersetzungsguthaben (das regelmäßig dem durch das ausscheidende Mitglied eingezahlten Ge-schäftsguthaben entspricht) zu beschränken (vgl. Option 1 in Abb. 8).

21 Vgl. IFRIC 2, Basis for Conclusions Rz. 17. 22 Vgl. IFRIC 2, Basis for Conclusions Rz. 21 f.

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6.3 Vorschlag für eine Modifizierung der Kapitalabgrenzungssystema-tik nach IFRS auf der Basis des aktuellen Exposure Draft „Amendments to IAS 32“

6.3.1 Kritikpunkte an der Kapitalabgrenzungssystematik auf Basis des ak-tuellen Exposure Draft „Amendments to IAS 32“

Die vom IASB mit dem Exposure Draft „Amendments to IAS 32“23 vorge-schlagene Kapitalabgrenzungskonzeption kann wesentliche Kritikpunkte ausräumen, die an der Kapitalklassifizierung in IAS 32 geübt worden sind. Gleichwohl zeigt sich, dass die Vorschläge im Exposure Draft in Einzel-punkten die konzeptionellen Anforderungen aus dem Framework an eine Kapitalabgrenzungssystematik (Substance-over-form, Homogenität des bi-lanziellen Eigenkapitals, Verlässlichkeit der Kapitalüberlassung und Klar-heit der Abgrenzung) nicht voll umfänglich erfüllen. Zum anderen berück-sichtigt der im Exposure Draft enthaltene risk and reward approach nicht im notwendigen Umfang die Besonderheiten des Eigenkapitals in Nicht-Kapitalgesellschaften (insbesondere Genossenschaften) und verletzt da-mit das vom IASB sich selbst auferlegte Primat der Rechtsformneutralität. Im Wesentlichen lassen sich zwei Kritikpunkte an der vorgeschlagenen Kapitalabgrenzungskonzeption bestimmen, die eine weitere Modifizierung des IASB-Vorschlags sinnvoll erscheinen lassen:

– Die vom IASB vorgeschlagene Kapitalabgrenzungssystematik konter-kariert vor allem die Anforderung, dass das im Eigenkapital ausgewie-sene Kapital homogene Eigenschaften aufweisen sollte. Die Eigenka-pitalgeber nehmen abhängig davon, ob sie ownership instruments oder perpetual instruments zeichnen, unterschiedlich an den Risiken und den Chancen des Unternehmens teil. Der zusammengefasste Ei-genkapitalausweis kann dazu führen, dass Jahresabschlussadressaten nicht beurteilen können bzw. falsch beurteilen, in welchem Umfang die Risiken und die Chancen durch die Eigenkapitalgeber konkret ge-tragen werden. So ist es nach der Kapitalabgrenzungssystematik von IAS 32 in Verbindung mit dem Exposure Draft beispielsweise möglich, dass dem Unternehmen bestimmte Eigenkapitalbestandteile kurzfris-tig entzogen werden können und dabei beim Ausscheiden eines Ge-

23 Zum Inhalt des Exposure Draft „Amendments to IAS 32“ vgl. die Ausführungen von Blaum auf S. 49 ff. in diesem Band.

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sellschafters zwar bereits entstandene aber noch nicht erkannte Risi-ken auf die verbleibenden Gesellschafter übertragen werden.

– Die Anforderung, dass sich die Abgrenzungssystematik am wirtschaft-lichen Gehalt und nicht an der rechtlichen Form der Finanzierungs-form zu orientieren hat, wird zwar grundsätzlich durch den ownership approach berücksichtigt. Dieser Gedanke wird indes noch nicht kon-sequent umgesetzt. Beispielsweise bleibt hier unberücksichtigt, dass die Eigentümer einer Genossenschaft aufgrund ihrer Mitgliedschaft auch wirtschaftliche Vorteile in Form von Kopplungsgeschäften und Rückgewähr auf mit der Genossenschaft getätigte Umsätze erzielen.

6.3.2 Vorschlag für eine Modifizierung

Basierend auf dem risk and reward approach kann eine rechtsformüber-greifende Kapitalabgrenzungssystematik entwickelt werden, die sich da-rauf konzentriert, welche Zahlungsverpflichtungen das kapitalaufnehmen-de Unternehmen gegenüber dem Kapitalgeber hat und welchen Risiken die Zahlungsansprüche der Kapitalgeber ausgesetzt sind. Die Zahlungsan-sprüche werden dabei zum einen danach systematisiert, zu welchem Zeitpunkt sie entstehen (laufende Vergütung, Rückzahlungsanspruch bei vorzeitigem Ausscheiden und Zahlungsanspruch bei Liquidation des Un-ternehmens), und zum anderen nach der relevanten Entscheidungsgrund-lage (kollektiv durchsetzbarer Zahlungsanspruch oder einzelvertraglicher Anspruch).

– Laufende Zahlungsansprüche (aus Vergütung): Eine Eigenkapitalklas-sifikation ist nach dem derzeitigen IAS 32 unabhängig von der Höhe und Variabilität der Vergütung. Voraussetzungen sind, dass die Vergü-tung im freien Ermessen des Unternehmens steht und keine Zah-lungsverpflichtung i. S. v. IAS 32.17 für das Unternehmen darstellt. Aber auch durch einzelvertragliche, erfolgsabhängige Ansprüche wird die Gesellschaft nicht geschädigt, wenn die Ansprüche in Erfolgsjah-ren lediglich aus dem (fortgeführten) positiven Jahresergebnis – unter Beachtung der Unternehmensfortführung – bedient werden oder in Verlustjahren eine Teilnahme am negativen Jahresergebnis erfolgt und ein positives Jahresergebnis in den Folgejahren zunächst dazu verwendet wird, die in Verlustjahren reduzierte Eigenkapitaleinlage

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wieder aufzufüllen. Dies steht einem Eigenkapitalausweis nicht ent-gegen, da das von den Eigenkapitalgebern überlassene Kapital dem Unternehmen dauerhaft zur Verfügung steht und das Kapital dem Un-ternehmen nicht (indirekt) durch eine laufende Zahlungsverpflichtung entzogen werden kann. Dieser Aspekt sollte in IAS 32.17 aufgenom-men werden.

– Zahlungsanspruch aufgrund einer Ausstiegsmöglichkeit im Fortfüh-rungsfall: Um eine zu starke Abkehr von der Systematik des IAS 32 zu vermeiden und eine äquivalente Risiko-Chancen-Teilhabe von ownership instrument-Inhabern zu gewährleisten, sollte die Kündi-gung eines ownership instrument-Inhabers – der sein Kapital grund-sätzlich unbefristet überlässt – nur unter Beachtung restriktiver Bedin-gungen möglich sein, und zwar zu einem Wert, der den fair value seines Anteils auf keinen Fall übersteigt: (1) Das Kapital darf dem Un-ternehmen nur unter Einhaltung einer Kündigungs- bzw. Nachhaf-tungsfrist von z. B. zwei Jahren und (2) auch nur dann, wenn die Fort-führung der Gesellschaft dadurch nicht gefährdet wird, entzogen werden. Diese beiden Kündigungsrestriktionen sollten in die Regelun-gen des ED IAS 32.11 und dort in den Bereich der Begriffsbestim-mung von „financial instruments puttable at or less than fair value“ in-tegriert werden.

– Zahlungsanspruch bei Liquidation der Gesellschaft: Für den Fall der Liquidation ist das nach IAS 32 für den Eigenkapitalausweis entschei-dende Kriterium, dass der Zahlungsanspruch des Kapitalgebers nach-rangig ist. Auf die Stellung des Kapitalgebers bei Liquidation stellt auch ED IAS 32.11 ab, in dem die Letztrangigkeit des überlassenen Kapitals gefordert wird. Nach der hier vertretenen Meinung ist es al-lerdings unerheblich, wie der verbleibende Restbetrag nach der Be-dienung der Gläubigeransprüche unter den Eigenkapitalgebern aufge-teilt wird.

Der hier vorgestellte Vorschlag für eine Modifizierung der aktuellen Kapi-talabgrenzungssystematik in IAS 32 lässt sich wie folgt auf die Verhältnis-se bei Genossenschaften übertragen (vgl. Abb. 9):

– Laufende Zahlungsansprüche (aus Vergütung): Die an die Mitglieder als Vergütung gezahlte Dividende steht im freien Ermessen des Un-ternehmens, weil hierüber kollektiv die Mitgliederversammlung be-

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schließt. Sie stellt keine Zahlungsverpflichtung i. S. v. IAS 32.17 für das Unternehmen dar.

– Zahlungsanspruch aufgrund einer Ausstiegsmöglichkeit im Fortfüh-rungsfall: Die Mitglieder verfügen nach Kündigung über einen einzel-vertraglichen Zahlungsanspruch, der unabhängig ist von einem kollek-tiven Beschluss. Die Satzungen sehen hier regelmäßig eine mehr-jährige Kündigungsfrist vor.

– Zahlungsanspruch bei Liquidation der Genossenschaft: Im Fall einer Liquidation ist der Zahlungsanspruch der Mitglieder gegenüber der Genossenschaft den Ansprüchen der Fremdkapitalgeber nachgeord-net.

Zahlungsanspruch bei Liquidation der

Gesellschaft

LaufendeZahlungsansprüche

(aus Vergütung)

Zahlungsanspruch aufgrund der Kündi-

gungsmöglichkeit im Fortführungsfall

Risiko in Form von unsicheren Zahlungsansprüchen

Unabhängig von einem kollektiven Beschluss, weil

einzelvertraglicher Anspruch

Abhängig von einem regelmäßigen kollek-tiven Beschluss eines Unternehmensorgans

Bei kumulativer Erfüllung:Eigenkapitalklassifikation des Finanzinstruments

Zahlungsanspruch bei Liquidation der

Gesellschaft

LaufendeZahlungsansprüche

(aus Vergütung)

Zahlungsanspruch aufgrund der Kündi-

gungsmöglichkeit im Fortführungsfall

Risiko in Form von unsicheren Zahlungsansprüchen

Unabhängig von einem kollektiven Beschluss, weil

einzelvertraglicher Anspruch

Abhängig von einem regelmäßigen kollek-tiven Beschluss eines Unternehmensorgans

Bei kumulativer Erfüllung:Eigenkapitalklassifikation des Finanzinstruments

Zahlungsanspruch bei Liquidation der

Gesellschaft

LaufendeZahlungsansprüche

(aus Vergütung)

Zahlungsanspruch aufgrund der Kündi-

gungsmöglichkeit im Fortführungsfall

Risiko in Form von unsicheren Zahlungsansprüchen

Unabhängig von einem kollektiven Beschluss, weil

einzelvertraglicher Anspruch

Abhängig von einem regelmäßigen kollek-tiven Beschluss eines Unternehmensorgans

Bei kumulativer Erfüllung:Eigenkapitalklassifikation des Finanzinstruments

Abb. 9: Vorschlag für eine Kapitalabgrenzungssystematik nach IFRS

6.4 Zusammenfassung

Im Ergebnis ist der dargestellte Vorschlag nicht weit vom Exposure Draft des IASB entfernt. Die vorgeschlagenen Modifikationen stellen neben der Homogenität des Eigenkapitals zugleich die „substance over form“-Orientierung sowie die Rechtsformneutralität sicher. Dies wird schon

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Notwendige Verbesserungen

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durch geringfügige Modifikationen der vom IASB vorgeschlagenen Kon-zeption erreicht, ohne dass „financial engineering“ bzw. „accounting arbit-rage“ möglich werden. Die vorgestellten Modifikationen ermöglichen es, das Kapital aller Kapitalgeber, die die typischen Risiken eines Eigenkapi-talgebers übernehmen, rechtsformunabhängig als Eigenkapital im IFRS-Ab-schluss in nachvollziehbarer, verlässlicher und transparenter Weise darzu-stellen.

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Komplexität der Klassifizierungskriterien

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7 Die Komplexität der Klassifizierungskriterien zur Ab-grenzung von Eigenkapital und Fremdkapital gemäß IAS 32 im Praxisfall Stille Einlage (Burkhard Eckes/Dr. Katja Barz)24

7.1 Einleitung

Emittenten von Finanzinstrumenten müssen diese im IFRS-Abschluss bei der erstmaligen Erfassung als Eigen- oder Fremdkapital klassifizieren.25 Dies führt in der Praxis insbesondere bei den Banken, die stille Einlagen bzw. Genussrechte emittiert haben, wie beispielsweise die Landesban-ken26, im Vergleich zum Jahresabschluss nach HGB zu Umklassifizierun-gen. Die nach den handelsrechtlichen Vorschriften wesentlichen Eigenka-pitalkriterien wie Verlustteilnahme und Nachrangigkeit27 sind bei der Klas-sifizierung nach IFRS nicht von Bedeutung. Der nachfolgende Beitrag zeigt zunächst die Kriterien für eine Klassifizierung von Eigen- und Fremd-kapital nach IAS 32 auf und geht im zweiten Teil auf die Auswirkungen für stille Einlagen ein.

7.2 Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital nach IAS 32

7.2.1 Abgrenzungskriterien des IAS 32

Die Abgrenzung von Eigenkapital und Fremdkapital ist in IAS 32 aus Sicht des Emittenten geregelt. Danach müssen Emittenten von Finanzinstrumenten

24 WP Burkhard Eckes ist im Bereich Financial Services der PricewaterhouseCoopers AG (Wirtschaftsprüfungsgesellschaft) in Berlin als Partner für die Betreuung internationaler Kreditinstitute sowie den Bereich Accounting verantwortlich. Dr. Katja Barz ist Managerin in der Technical Group Accounting (Fachabteilung) im Bereich Financial Services von PricewaterhouseCoopers in Frankfurt am Main. Die Verfasser geben ihre persönliche Mei-nung wieder.

25 IAS 32.15. 26 Zur Klassifizierung des Eigenkapital bei Genossenschaften vgl.: Fentz, Volker/von Voigt,

Eckhard: Eigenkapital bei Genossenschaften im IFRS-Abschluss, in: KoR, 2007, S. 23 - 29. 27 Vgl. IDW HFA 1/1994 (Zur Behandlung von Genussrechten im Jahresabschluss von Kapi-

talgesellschaften) S. 270. Zur aufsichtsrechtlichen Behandlung vgl. § 10 KWG.

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Komplexität der Klassifizierungskriterien

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diese bei der erstmaligen Erfassung gemäß den Definitionen des IAS 32 als Eigen- oder Fremdkapital klassifizieren bzw. in einen Eigen- und Fremd-kapitalanteil aufspalten (IAS 32.15). Die Beurteilung ist gemäß IAS 32.16 nicht (allein) auf Basis der formalrechtlichen Gestaltung, sondern unter Ge-samtwürdigung des wirtschaftlichen Gehalts vorzunehmen. Fremdkapital ist gemäß IAS 32.11 als Verpflichtung zur Übertragung oder zum potentiell nachteiligen Austausch von Bargeld oder anderen Finanzinstrumenten de-finiert. Eigenkapital ergibt sich danach als Residualgröße nach dem Abzug aller Verpflichtungen von den Vermögenswerten eines Unternehmens. Für eine Klassifizierung als Eigenkapital ist es dabei erforderlich, dass nur ein Residualanspruch besteht, d. h. die Eigenkapitalgeber dürfen lediglich im Fall der Liquidation einen Anspruch auf die Auskehrung des Vermögens, das den Wert der Verpflichtungen übersteigt, haben.28

Für eine Klassifizierung als Eigenkapital sind die folgenden Bedingungen zwingend zu erfüllen (IAS 32.16):

– Das Finanzinstrument beinhaltet keine Verpflichtung,

• Bargeld oder andere Finanzinstrumente an ein anderes Unter-nehmen zu übertragen oder

• Finanzinstrumente unter potenziell nachteiligen Bedingungen für den Emittenten zu tauschen.

– Sofern das Finanzinstrument in eigenen Eigenkapitalinstrumenten des Emittenten erfüllt wird oder werden kann und

• das Finanzinstrument ein originäres Instrument ist, darf es keine vertragliche Verpflichtung des Emittenten beinhalten, eine variable Anzahl an eigenen Aktien zu liefern, oder

• das Finanzinstrument ein derivatives Instrument ist, darf dieses ausschließlich den Austausch eines feststehenden Betrages ge-gen eine feste Anzahl von eigenen Aktien vorsehen. Dabei umfas-

28 Vgl. Hoffmann, Wolf-Dieter; in: Lüdenbach, Norbert/Hoffmann, Wolf-Dieter (Hrsg.): Haufe IFRS-Kommentar, 4. Aufl., Freiburg i. Br., 2006, § 20 Rz. 4; Heuser, Paul/Theile, Carsten: IFRS Handbuch, 3. Aufl., Köln 2007, S. 354 Rn. 2010 ff.

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Komplexität der Klassifizierungskriterien

72 Universität Lüneburg

sen eigene Eigenkapitaltitel keine Verträge, die zu einem zukünfti-gen Bezug oder einer zukünftigen Lieferung von eigenen Eigen-kapitaltiteln führen.

Die Kriterien des IAS 32 für Eigenkapital unterscheiden sich von denen der HGB-Bilanz sowie der aufsichtsrechtlichen Einstufung als haftende Ei-genmittel und führen damit im Ergebnis oftmals zu unterschiedlichen Klassifizierungen desselben Finanzinstruments:

PricewaterhouseCoopers

Eigenkapital – Unterschiede IFRS / HGB / Bankenaufsicht

IFRS

• Keine feste Ver-zinsung

• Keine Rückzahlung

• Keine Gläubiger-kündigungsrechte (keine puttableinstruments)

• Zusätzlich: Bewertungsrück-lagen

Basel IIHGB

• Übernahme der Haftungs- und Garantiefunktion

• Nachrangigkeit des überlassenen Kapitals

• Nachhaltigkeit der Mittelzuführung

• Dauerhaftigkeit

• Zuflussprinzip

• Verlustausgleichs-funktion

Basel III

Cooke

Abb. 10: Unterschiede Eigenkapitalkriterien nach IFRS / HGB / Basel II

7.2.2 Laufende Zahlungsverpflichtung des Emittenten

Die vertragliche Verpflichtung zur Lieferung von Bargeld oder anderen Fi-nanzinstrumenten stellt nach IAS 32 das wesentliche Abgrenzungskriteri-

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Komplexität der Klassifizierungskriterien

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um dar.29 Für eine Klassifizierung als Eigenkapital ist es danach erforder-lich, dass die Instrumente keine Verzinsung gewähren, denn eine solche stellt eine vertragliche Verpflichtung zur Übertragung von Bargeld oder anderen Finanzinstrumenten dar. Finanzinstrumente stellen somit nur dann vollumfänglich Eigenkapital dar, wenn alle Zahlungen, d. h. sowohl die laufenden Zahlungen als auch etwaige Rückzahlungen, allein im Er-messen des Kreditinstituts als Emittenten stehen.30 Aufgrund einer lau-fenden Zinszahlungsverpflichtung sind beispielsweise auch ewige Anlei-hen (perpetuals), für die keine Rückzahlungsverpflichtung besteht oder deren Rückzahlung an sehr unwahrscheinliche oder weit in der Zukunft liegende Bedingungen geknüpft ist, in Bezug auf diese Verpflichtung als Fremdkapital zu klassifizieren (IAS 32.AG6).

Die Bindung von laufenden Zahlungen an Ereignisse oder Bedingungen (contingent settlement provisions), die außerhalb der Kontrolle von Emit-tent und Kapitalgeber sind, führt gemäß IAS 32.25 grundsätzlich zu einer Erfassung des gesamten Instruments als Fremdkapital31, da der Emittent die Zahlung von Bargeld oder die Lieferung von anderen Finanzinstrumenten nicht vermeiden kann. Ausgenommen hiervon, und damit als Eigenkapital zu klassifizieren, sind Instrumente mit Bedingungen, die als nicht echt oder nicht realitätsnah (not genuine) bezeichnet werden (IAS 32.25(a)), oder Instrumente, bei denen eine Zahlungsverpflichtung nur bei der Liqui-dation des Unternehmens entsteht (IAS 32.25(b)). Dagegen steht die Kopplung von laufenden Zahlungen an eine Dividendenzahlung des Un-ternehmens32 einer Klassifizierung als Eigenkapital nicht entgegen, da in diesem Fall die Zahlungen allein im Ermessen des emittierenden Unter-nehmens liegen.33

29 Vgl. Kuhn, Steffen/Scharpf, Paul: Rechnungslegung von Financial Instruments nach IFRS - IAS 32, IAS 39 und IFRS 7 -, 3. Aufl., Stuttgart 2006, S. 535 ff.

30 Vgl. PricewaterhouseCoopers (Hrsg.): IFRS für Banken, 3. Aufl., Frankfurt 2005, S. 768. 31 In Betracht kommen bspw. Zahlungen, die von der Entwicklung von Indices, Zinssätzen,

Aktienkursen oder Jahresergebnissen des emittierenden Unternehmens abhängig sind. 32 D. h. Bindung an den Gewinnverwendungsbeschluss der Gesellschafter. 33 Vgl. PricewaterhouseCoopers (Hrsg.): Understanding financial instruments - A guide to

IAS 32, IAS 39 and IFRS 7, London 2006, S. 7014; Lühn, Michael: Ausweis von Genuss-rechten auf der Passivseite der IFRS-Bilanz unter besonderer Berücksichtigung von IDW RS HFA 9, in: WPg, 2006, S. 1529 - 1539, hier S. 1533.

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Komplexität der Klassifizierungskriterien

74 Universität Lüneburg

7.2.3 Rückzahlungsverpflichtung des Emittenten

Der Ausweis als Eigenkapital setzt zusätzlich voraus, dass der Kapitalge-ber keine individuelle Rückforderungsmöglichkeit hat (z. B. ein Kündi-gungsrecht oder eine Verkaufsoption gegenüber dem Emittenten des Fi-nanzinstruments). Finanzinstrumente mit Gläubiger-Kündigungsrechten haben stets Fremdcharakter (IAS 32.18(b)). Dies gilt unabhängig davon, ob der Rückzahlungsbetrag feststeht oder ob eine Rückzahlung zum Residu-alwert (Auseinandersetzungswert) erfolgt. Gemäß IAS 32.19(a) führt die Zustimmungspflicht einer Aufsichtsbehörde – z. B. BaFin – zur Rückzah-lung im Einzelfall ebenso nicht zu einer Einstufung als Eigenkapital nach IFRS, da das Unternehmen damit nicht von seiner vertraglichen Rückzah-lungsverpflichtung entbunden wird.

Hierunter fallen auch Anteile an Personengesellschaften und Genossen-schaften, da diese aufgrund des gesetzlichen Rückgaberechts der Gesell-schafter34 als kündbare Finanzinstrumente (puttable instruments) gemäß IAS 32 anzusehen sind.35

7.2.4 Trennung zusammengesetzter Finanzinstrumente

Im Ergebnis kann es sein, dass einzelne Komponenten eines Finanzins-truments als Eigenkapitalinstrument zu klassifizieren sind (z. B. unbe-grenzte Laufzeit), während andere Komponenten als Fremdkapital einzu-stufen sind (z. B. feste Zinszahlungsverpflichtung). In diesen Fällen liegt ein zusammengesetztes Finanzinstrument (compound instrument) vor, für

34 Vgl. hierzu mit weiteren Hinweisen Hennrichs, Joachim: Kündbare Gesellschaftereinlagen nach IAS 32 - Ein Beispiel zur Auslegung und Rechtskontrolle von in Gemeinschaftsrecht übernommenen IFRS -, in: WPg, 2006, S. 1253 - 1262, hier S. 1254.

35 Nach IFRIC 2 (Geschäftsanteile an Genossenschaften und ähnliche Instrumente) kann je-doch auch bei bestehenden Rückgaberechten unter bestimmten Voraussetzungen Eigen-kapital vorliegen. Dies ist der Fall, wenn die Gesellschaft die Rücknahme verweigern kann.

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Komplexität der Klassifizierungskriterien

75 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

das die einzelnen Komponenten beim Emittenten gemäß IAS 32.28 in Ab-hängigkeit ihrer Klassifizierung getrennt zu bilanzieren sind.36

7.3 Klassifizierung stiller Einlagen gemäß IAS 32

7.3.1 Laufende Zahlungsverpflichtung des Emittenten

Gemäß IAS 32.17 steht eine periodische Zahlung an den Kapitalgeber ei-ner Klassifizierung als Eigenkapital nicht entgegen, wenn der Emittent des Instruments keine vertragliche Verpflichtung hat, diese Zahlungen zu leis-ten (IAS 32.AG26). In der Praxis liegen der Vertragsausgestaltung der stil-len Einlagen in der Regel die gesetzlichen Anforderungen des § 10 KWG zugrunde, mit der Folge, dass das Kreditinstitut laufende Zinszahlungen zu leisten hat und diese nur im Falle eines Verlustes aufschieben kann. Ent-scheidend für die Klassifizierung der stillen Einlagen ist es hierbei, ob die Entstehung der Zahlungsverpflichtung, d. h. der Ausweis eines Gewinns als Bedingung für die Zinszahlung, in der Entscheidungsmacht des Kredit-instituts als Emittenten liegt, da dieser die Entstehung des Bilanzergeb-nisses beeinflussen kann.

Maßgeblich für die Entstehung der Zahlungsverpflichtung ist – vorbehalt-lich einer abweichenden Regelung – der HGB-Jahresabschluss und nicht das Ergebnis nach IFRS. Die Ausübung der Bilanzierungswahlrechte ob-liegt grundsätzlich den Aufstellungsorganen, d. h. dem Vorstand bzw. der Geschäftsführung. Soweit die nach HGB bestehenden Bilanzierungswahl-rechte dazu führen, dass die Entstehung eines Zahlungsanspruchs in jedem Fall verhindert werden kann, würde die Entscheidung darüber, ob eine Vergütung gezahlt wird, faktisch den Aufstellungsorganen des Emittenten obliegen. Nur in einem solchen Fall wäre das entsprechende Kriterium für die Einstufung als Eigenkapital nach IFRS erfüllt.

Als die Entstehung eines Jahresüberschusses beeinflussende Bilanzie-rungswahlrechte kommen bei Kreditinstituten insbesondere die §§ 340f und 340g HGB in Betracht. Nach § 340f HGB dürfen Kreditinstitute be-

36 Vgl. Clemens, Ralf/Hebestreit, Gernot: Eigenkapital, in: Bohl, Werner/Riese, Joachim/ Schlüter, Jörg (Hrsg.): Beck´sches IFRS-Handbuch, 2. Aufl., München 2006, § 12 Rn. 15 ff.

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Komplexität der Klassifizierungskriterien

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stimmte Vermögensgegenstände mit einem niedrigeren als dem nach § 253 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 HGB vorgeschriebenen und zugelassenen Wert ansetzen. Nach § 340g HGB dürfen Kreditinstitute auf der Passivsei-te ihrer Bilanz zur Sicherung gegen allgemeine Bankrisiken einen Sonder-posten „Fonds für allgemeine Bankrisiken“ bilden. Die Ausübung beider Bilanzierungswahlrechte führt zu einer Belastung des Jahresergebnisses und beeinflusst damit die Entstehung eines ausschüttungsfähigen Bilanz-gewinns. Die Bildung der Vorsorge für allgemeine Bankrisiken nach § 340f HGB ist betragsmäßig auf 4 % der in die sog. Überkreuzkompensation einzubeziehenden Vermögensgegenstände beschränkt. Bereits aus die-sem Grund führt das Bilanzierungswahlrecht nach § 340f HGB daher nicht zu einer alleinigen Entscheidungsmacht des Emittenten über die Zahlung einer Gewinnbeteiligung. Die Möglichkeit zur Dotierung des Sonderpos-tens nach § 340g HGB kann hingegen zu einer Beschränkung der Aus-schüttungsansprüche der Gesellschafter führen. Nach der Regierungsbe-gründung zu § 340g HGB ist die „... Einstellung von Beträgen in den Sonderposten ... nicht Teil der Beschlussfassung über die Ergebnisver-wendung, so dass Vorschriften über die Ergebnisverwendung, wie § 58 AktG oder § 29 GmbHG, nicht anzuwenden sind.“ Die Dotierung des Son-derpostens für allgemeine Bankrisiken nach § 340g HGB ist grundsätzlich in beliebiger Höhe möglich.37

Bei typisch stillen Einlagen findet eine Nachholung ausgefallener Aus-schüttungen nicht statt und im Falle der Beendigung des Vertrags erhält der stille Gesellschafter lediglich seine Einlage in Höhe des bei der Bank ausgewiesenen Buchwertes zurück, höchstens den Nennbetrag seiner Einlage. Eine Ausübung der Bilanzierungswahlrechte im Sinne der Inan-spruchnahme einer Entscheidungsmacht über die Zahlung einer Gewinn-beteiligung würde daher im Hinblick auf den Mindestschutz der Vermö-gensrechte der stillen Gesellschafter erheblichen rechtlichen Bedenken begegnen. Der stille Gesellschafter könnte Ansprüche gemäß § 242 BGB (Treu und Glauben) und § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) gel-tend machen, wenn dauerhaft keine Ausschüttung erfolgt. Wird jedoch explizit (z. B. in den Anlagebedingungen) auf den nach § 340g HGB beste-henden Gestaltungsspielraum hingewiesen, dürften die stillen Gesell-schafter keine derartigen Ansprüche besitzen, da dann kein Schutzbedarf

37 Vgl. Scharpf, Paul: Handbuch Bankbilanz, 2. Aufl., Düsseldorf 2004, S. 287; IDW (Hrsg.): WP Handbuch 2006, Band I, 13. Aufl., Düsseldorf 2006, S. 807.

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Komplexität der Klassifizierungskriterien

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existiert. In diesem Fall steht auf Grund der Regelungen in § 340g HGB die Entstehung eines handelsrechtlichen Jahresüberschusses im freien Ermessen des Organs des Kreditinstituts.38 Damit handelt es sich beim handelsrechtlichen Jahresergebnis nicht um ein nicht kontrollierbares, bedingtes Ereignis nach IAS 32.25. Soweit die oben genannten Voraus-setzungen erfüllt sind, führt dies zur Klassifizierung der stillen Einlage als Eigenkapital i. S. v. IAS 32.

7.3.2 Rückzahlungsverpflichtung des Emittenten

Für eine Klassifizierung stiller Einlagen als Eigenkapital muss das Kündi-gungsrecht des stillen Gesellschafters ausgeschlossen sein, d. h. die Laufzeit der stillen Einlage muss unbegrenzt sein, so dass der Emittent keine vertragliche Verpflichtung zur Rückzahlung hat.39 Nach §§ 723 ff. BGB können die gesetzlich vorgesehenen Kündigungsrechte des BGB-Gesellschafters nicht abgedungen werden. Die Vorschriften des BGB zur Gesellschaft bürgerlichen Rechts sind subsidiär auch für die stille Ge-sellschaft anzuwenden, sofern die §§ 230 ff. HGB keine Sonderregelung vorsehen (§ 243 HGB). Somit sind auch bei der stillen Gesellschaft die ge-setzlichen Kündigungsrechte grundsätzlich nicht ausschließbar. Allerdings ist für Kreditinstitute § 10 Abs. 4 KWG als lex specialis anwendbar, wo-nach die §§ 723 bis 725, 727 und 728 des BGB keine Anwendung finden, wenn der Zweck der Gesellschaft die Überlassung von haftenden Eigen-mitteln i. S. d. KWG ist.

7.3.3 Zahlungsverpflichtung des Emittenten im Insolvenzfall

Das Auslösen der Zahlungsverpflichtung als Ergebnis der Liquidation stellt nach IAS 32.25 eine sog. „settlement contingency“ dar, die aber nach Buchstabe (b) der Vorschrift nicht zur Klassifikation als Fremdkapital führt. Für die Auslegung des IAS 32.25 ist es unbeachtlich, dass wirtschaftliche

38 Vgl. KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG (Hrsg.): Eigenkapital versus Fremdkapital nach IFRS, Stuttgart 2006, S. 13.

39 Vgl. Lühn, a. a. O., S. 1532.

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Komplexität der Klassifizierungskriterien

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Gründe zu einem Auflösungsbeschluss führen mögen. Die Ablehnung der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse führt zur Liquidation der Gesellschaft und fällt damit unter IAS 32.25(b). Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft für sich allein führt nicht zwangsläufig zur Liquidation. Vielmehr ist ein Ziel des Verfah-rens, die Überlebensfähigkeit der Gesellschaft wieder herzustellen. Folglich ist der Eintritt einer Zahlungsverpflichtung bei förmlicher Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die Eigenkapitalklassifikation nach IFRS schädlich. Unschädlich ist hingegen der Eintritt einer Zahlungsverpflichtung zu dem Zeitpunkt, zu dem die Liquidation nach Aufgabe von Sanierungs- und Fort-führungsplänen im Rahmen der Durchführung des bereits eröffneten In-solvenzverfahrens unwiderruflich begonnen wird.

PricewaterhouseCoopers

Lösungsansätze für stille Einlagen

Eigenkapital nachIAS 32

• Kündigungsausschluss Möglich, soweit haftende Eigenmittel nach KWG

• Keine Verpflichtung zur Zahlung von Zinsen

Zahlung muss im Ermessen der Organe des Emittenten liegenMöglichkeit der Bildung von § 340 f und § 340 g HGB

• Keine RückzahlungsverpflichtungRückzahlung nur im Falle der Liquidation

Abb. 11: Lösungsansätze für stille Einlagen

7.3.4 Trennung von stillen Einlagen in Eigen- und Fremdkapitalkompo-nente beim Emittenten

Zusammengesetzte Finanzinstrumente (compound instruments) enthalten sowohl Eigen- als auch Fremdkapitalkomponenten. Diese Komponenten

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Komplexität der Klassifizierungskriterien

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sind nach IAS 32.28 ff. im Zugangszeitpunkt zu trennen und nach den all-gemeinen Grundsätzen zu klassifizieren. Stille Einlagen sind in eine Eigen- und eine Fremdkapitalkomponente aufzuteilen, falls die Instrumente auf-grund der Vertragsbedingungen sowohl Eigenkapital-40 als auch Fremdka-pitalkomponenten41 aufweisen.42 Die Ermittlung der Eigenkapitalkompo-nente eines zusammengesetzten Finanzinstruments erfolgt entsprechend der Eigenkapitaldefinition nach Abzug des fair value der Fremdkapital-komponente vom fair value des gesamten Instruments.

Im Falle einer unendlichen Anleihe, die mit einem festen Prozentsatz ver-zinst werden muss, ist zwar eine Aufteilung des Emissionserlöses in eine Eigen- und Fremdkapitalkomponente nach IAS 32.28 grundsätzlich mög-lich. Sofern jedoch der Barwert der erwarteten Zinszahlungen dem Emissi-onserlös entspricht, ist der Emissionserlös insgesamt als Fremdkapital zu klassifizieren (IAS 32.17 i.V.m. IAS 32.AG6; IDW RS HFA 9 Tz. 31). Bei der Ermittlung des Barwertes des Fremdkapitalanteils hat sich in der Praxis noch keine einheitliche Vorgehensweise herausgebildet. Gemäß IAS 32.AG31(a) ist bei der Ermittlung des Barwertes des Rückzahlungsbetrages der ent-sprechende Marktzinssatz, der für vergleichbare Instrumente gezahlt wer-den muss, zugrunde zu legen. Man kann sowohl den Fremdkapitalanteil mit dem Marktzinssatz43 diskontieren als auch den vereinbarten Zinssatz, als für die Übernahme des Eigenkapitalrisikos adäquaten Zinssatz, zur Ab-zinsung verwenden. Die Vorgehensweise muss begründbar sein und ein-heitlich ausgeübt werden sowie entsprechend in den notes offen gelegt werden (accounting policy). In den vorliegenden Fällen kann davon ausge-gangen werden, dass der Marktzinssatz der vereinbarten Verzinsung nahe-zu entspricht; der Emissionserlös ist danach als Fremdkapital zu klassifizie-ren und für die Eigenkapitalkomponente ergibt sich ein Wert von Null (IDW RS HFA 9 Tz. 31). Bei Erfüllung der in Abschnitt 7.3.1 dargelegten Voraus-setzungen bezüglich der Regelungen in § 340g HGB kann die gesamte stil-le Einlage als Eigenkapital klassifiziert werden.

40 Zum Beispiel unbegrenzte Laufzeit. 41 Zum Beispiel laufende Zahlungsverpflichtung. Vgl. hierzu Abschnitt 7.3.1. 42 Vgl. IDW RS HFA 9 Tz. 30. 43 Zinssatz, der für vergleichbare Instrumente gezahlt werden muss, die zwar zurückzuzah-

len sind, deren Laufzeit jedoch sehr lang ist.

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Komplexität der Klassifizierungskriterien

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Liegt ein compound instrument vor, ist dieses im Zugangszeitpunkt in Ei-gen- und Fremdkapitalkomponente zu trennen. Für die Bewertung ergibt sich damit Folgendes:

– Zugangsbewertung: Gemäß IAS 32.31 ist die Fremdkapitalkomponente mit dem Barwert des Rückzahlungsbetrages bzw. der laufenden Zins-zahlungen anzusetzen. Die Eigenkapitalkomponente ergibt aus der Dif-ferenz zwischen dem erhaltenen Betrag und der anzusetzenden Fremd-kapitalkomponente. Aus der Trennung darf kein Gewinn entstehen.44

– Folgebewertung: Die Fremdkapitalkomponente wird im Rahmen der Folgebewertung gemäß IAS 39.47 bewertet. Bei einer Bewertung zu fortgeführten Anschaffungskosten ist die Fremdkapitalkomponente nach der Effektivzinsmethode zu bewerten. Soweit der Zugangswert vom Rückzahlungswert abweicht, ist der Unterschiedsbetrag zu amor-tisieren; die jährliche Amortisierung ist im Zinsergebnis zu erfassen. Die Eigenkapitalkomponente (beim Emittenten) fällt nicht in den An-wendungsbereich des IAS 39 (IAS 39.2(d)); eine Folgebewertung der Eigenkapitalkomponente findet daher nicht statt. Die Zahlungen aus einer Eigenkapitalkomponente sind als Dividenden zu erfassen.

7.4 Hinweise zur möglichen Weiterentwicklung der IFRS-Regelungen

Das IASB hat am 22. Juni 2006 einen Entwurf zur Änderung des IAS 32 (Exposure Draft of Proposed Amendments to IAS 32 Financial Instru-ments: Presentation and IAS 1 Presentation of Financial Statements: Financial Instruments Puttable at Fair Value and Obligations Arising on Liquidation) veröffentlicht. Danach sollen zukünftig kündbare Anteile unter bestimmten Voraussetzungen als Eigenkapital klassifiziert werden.45 Zu-sätzlich zu dem bereits bestehenden Abgrenzungskriterium des Vorliegens einer Verpflichtung kommen weitere Voraussetzungen zur Abgrenzung

44 Vgl. PricewaterhouseCoopers (2006), a.a.O., S. 7020. 45 Vgl. hierzu: Hennrichs, Joachim/Dettmeier, Michael/Pöschke, Moritz/Schubert, Daniela:

Geplante Änderungen der Kapitalabgrenzung nach ED IAS 32: „Neues“ Eigenkapital für Personenhandelsgesellschaften, in: KoR 2/2007, S. 61 - 69.

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Komplexität der Klassifizierungskriterien

81 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

von Eigenkapital und Verpflichtungen. Eigenkapital soll gemäß diesem Vorschlag zur Änderung des IAS 32 vorliegen, wenn die Anteile

– zum fair value ausgegeben worden sind,

– gegen Zahlung des fair value (Rückgaberecht zum fair value des pro rata Anteils an den net assets) kündbar sind,

– ein Recht auf den pro rata Anteil an den net assets bei Liquidation beinhalten,

– die nachrangigste Kapitalklasse darstellen und alle Instrumente, die in dieser Klasse sind, ein Rückgaberecht beinhalten und

– es keine andere Regelung gibt, die zu einer Klassifizierung als Ver-pflichtung führen (Entwurf IAS 32.11).

Wohin sich diese Diskussion entwickeln wird, ist aus heutiger Sicht nicht abschließend beurteilbar.46 Die vorgeschlagene Bilanzierung dieser Ins-trumente stellt eine neue Ausnahmeregelung und nicht eine Interpretation der bestehenden Bilanzierungsregeln von „puttable instruments“ nach IAS 32 dar. Eine gegenwärtige Anwendung dieser dargestellten Regelun-gen kommt zum heutigen Zeitpunkt nicht in Betracht.

Im IASB Update vom Februar 200747 hat das IASB zum Thema Finanzins-trumente mit gewinnabhängiger Verzinsung Stellung genommen. Danach wäre z. B. eine stille Einlage, bei der eine gewinnabhängige Verzinsung vereinbart ist, als Vertrag mit eingebettetem Derivat anzusehen, das ge-mäß IAS 39 zu behandeln ist und somit ggf. trennungspflichtig wird. Nach dem IASB Update ist die Anwendungsausnahme des IAS 39.9 bei Deriva-ten48 nur im Falle der Versicherungsverträge (IFRS 4) anzuwenden. Das IASB wird die neue Sichtweise voraussichtlich mit dem Annual Improve-

46 Vgl. Weber, Claus-Peter: Eigenkapital, in: Ballwieser, Wolfgang u. a. (Hrsg.): Wiley-Kom-mentar zur internationalen Rechnungslegung nach IFRS 2006, 2. Aufl., Berlin 2006, Ab-schnitt 17, Rn. 35.

47 Vgl. International Accounting Standards Board, IASB Update February 2007, S. 3. 48 Das Underlying, von dessen Wertentwicklung die Wertentwicklung des Derivats abhängt,

ist eine nicht-finanzielle Variable, die für einen Vertragspartner aus dem Derivat spezifisch ist. Im vorliegenden Fall besteht das Underlying des Derivats im Gewinn des Emittenten.

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Komplexität der Klassifizierungskriterien

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ment im Herbst 2007 in den IAS 39 aufnehmen. Dann besteht im Rahmen der dreimonatigen Kommentierungsfrist die Möglichkeit, hierzu Stellung zu nehmen. Bleibt es bei der Sichtweise des IASB, wird diese Bilanzierung voraussichtlich ab 2009 anzuwenden zu sein, wobei eine rückwirkende Anwendung nicht auszuschließen ist.

7.5 Literaturverzeichnis

CLEMENS, RALF/HEBESTREIT, GERNOT: Eigenkapital, in: Bohl, Werner/Riese, Joachim/Schlüter, Jörg (Hrsg.): Beck´sches IFRS-Handbuch, 2. Aufl., München 2006, § 12

FENTZ, VOLKER/VON VOIGT, ECKHARD: Eigenkapital bei Genossenschaften im IFRS-Abschluss, in: KoR, 2007, S. 23 - 29

HENNRICHS, JOACHIM/DETTMEIER, MICHAEL/PÖSCHKE, MORITZ/SCHUBERT, DANIELA: Geplante Änderungen der Kapitalabgrenzung nach ED IAS 32: „Neues“ Eigenkapital für Personenhandelsgesellschaften, in: KoR 2/2007, S. 61 - 69

HENNRICHS, JOACHIM: Kündbare Gesellschaftereinlagen nach IAS 32 - Ein Beispiel zur Auslegung und Rechtskontrolle von in Gemeinschaftsrecht übernommenen IFRS -, in: WPg, 2006, S. 1253 - 1262

HEUSER, PAUL/THEILE, CARSTEN: IFRS Handbuch, 3. Aufl., Köln 2007

HOFFMANN, WOLF-DIETER; in: Lüdenbach, Norbert / Hoffmann, Wolf-Dieter (Hrsg.): Haufe IFRS-Kommentar, 4. Aufl., Freiburg i. Br., 2006

IDW RS HFA 9 (Einzelfragen zur Bilanzierung von Finanzinstrumenten nach IFRS; Stand: 21.03.2006)

IDW (Hrsg.): WP Handbuch 2006, Band I, 13. Aufl., Düsseldorf 2006

IDW HFA 1/1994 (Zur Behandlung von Genussrechten im Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften)

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Komplexität der Klassifizierungskriterien

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KPMG DEUTSCHE TREUHAND-GESELLSCHAFT AG (Hrsg.): Eigenkapital versus Fremdkapital nach IFRS, Stuttgart 2006

KUHN, STEFFEN/SCHARPF, PAUL: Rechnungslegung von Financial Instru-ments nach IFRS - IAS 32, IAS 39 und IFRS 7 -, 3. Aufl., Stuttgart 2006

LÜHN, MICHAEL: Ausweis von Genussrechten auf der Passivseite der IFRS-Bilanz unter besonderer Berücksichtigung von IDW RS HFA 9, in: WPg, 2006, S. 1529 - 1539

PRICEWATERHOUSECOOPERS (Hrsg.): Understanding financial instruments - A guide to IAS 32, IAS 39 and IFRS 7, London 2006

PRICEWATERHOUSECOOPERS (Hrsg.): IFRS für Banken, 3. Aufl., Frankfurt 2005

SCHARPF, PAUL: Handbuch Bankbilanz, 2. Aufl., Düsseldorf 2004

WEBER, CLAUS-PETER: Eigenkapital, in: Ballwieser, Wolfgang u. a. (Hrsg.): Wiley-Kommentar zur internationalen Rechnungslegung nach IFRS 2006, 2. Aufl., Berlin 2006, Abschnitt 17

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Bedeutung von Eigenkapital

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8 Die Bedeutung von Eigenkapital für das Rating eines Industrieunternehmens (Maria Bissinger 49)

Die Überarbeitung der Bilanzierungsrichtlinien und hier insbesondere der Richtlinie IAS 32 hat zu deutlichen Änderungen in der Darstellung und Klassifizierung von Finanzinstrumenten und den entsprechenden Pflicht-angaben geführt. Ziel dieser Änderungen ist es, den Einfluss von Finanz-instrumenten auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unter-nehmens zu verdeutlichen. In diesem Beitrag soll aufgezeigt werden, ob und inwiefern die Eigenkapitaldefinition gemäß IAS 32 auch auf die Rating-analyse von Standard & Poor’s Ratings Services (im Folgenden „Standard & Poor’s“) Auswirkungen hat.

Nach einem allgemeinen Abriss der bei der Unternehmensratinganalyse zur Anwendung kommenden Analysekriterien wird auf den unterschiedli-chen Eigenkapitalgehalt verschiedener Finanzierungsinstrumente einge-gangen. Außerdem soll aufgezeigt werden, welche Bedeutung das Eigen-kapital im Ratingverfahren, auch im Vergleich zu anderen Faktoren, hat. Schließlich wird erläutert, welche Änderungen unter bestimmten Voraus-setzungen zu erwarten sind.

8.1 Grundlagen der Analyse von Industrieunternehmen

Die Analysekriterien für das Rating von Industrieunternehmen gliedern sich zunächst in zwei Hauptbereiche, nämlich das Geschäftsrisiko- und das Fi-nanzrisikoprofil. Das Geschäftsrisiko eines Unternehmens ist wesentlich geprägt vom Länderrisiko, den Branchencharakteristika, der Wettbewerbs-position des Unternehmens selbst, sowie dessen Ertragskraft und der Rentabilität. Hinzu kommen die Beurteilung des Managements und des-sen Strategie. In der Beurteilung des Länderrisikos kommen Aspekte wie die wirtschaftliche und politische Struktur und Stabilität eines Landes zum Tragen. Die Branchencharakteristika umfassen neben der Marktstruktur

49 Maria Bissinger ist Bereichsleiterin Unternehmensratings bei Standard & Poor’s in Frank-furt am Main.

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Bedeutung von Eigenkapital

85 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

auch Fragen nach Zyklen in der jeweiligen Branche, Absatzchancen und -risiken, sowie Grad der Marktsättigung. Die Analyse der Wettbewerbspo-sition beinhaltet nicht nur den direkten Erfolgsvergleich gegenüber ande-ren Wettbewerbern, sondern auch Betrachtungen hinsichtlich der Nach-haltigkeit der Produkte, den Eintrittsbarrieren für neue Wettbewerber und der Erschließung neuer Märkte. Die Ertragskraft misst sich im materiellen Erfolg eines Unternehmens, aber vor allem auch in der qualitativen Siche-rung dieses Erfolges und der anhaltenden Rentabilität des Unternehmens. Darüber hinaus wird im Rahmen der Bonitätsanalyse untersucht, welche Ziele das Management ansetzt und wie konsequent und geradlinig es die-se verfolgt, wie es sich besonderen Herausforderungen gestellt hat und wie erfolgreich es dabei war. Auch wird untersucht, wie plausibel die Stra-tegien geplant und umgesetzt werden. Die Strategie des Managements ist dabei von besonderer Bedeutung, da sie den zukunftsgerichteten As-pekt der Ratinganalyse unterstreicht.

Während das Geschäftsrisiko stark qualitativ geprägt ist, stehen quantita-tive Faktoren in der Finanzrisikoanalyse im Vordergrund. Doch auch hier kommen strategische und damit qualitative Aspekte zum Tragen, nämlich insbesondere in der Finanzpolitik. Strategische Maßnahmen wie z. B. Ak-quisitionen und Desinvestitionen, organisches Wachstum oder Schrump-fung schlagen auf die quantitativen Aspekte der Finanzanalyse durch. In diese Untersuchung fällt auch die Analyse der Kapitalstruktur, der Finanz-flexibilität und der Liquidität eines Unternehmens. Im Vordergrund der Be-trachtungen im Rahmen der Finanzrisikoanalyse steht jedoch der Cash-Flow. Beim Rating geht es letztendlich um die pünktliche und vollständige Bedienung von Finanzverbindlichkeiten. Daher ist die Untersuchung des Cash-Flows von zentraler Bedeutung.

Die Gewichtung der beiden Hauptanalysebereiche Geschäfts- und Finanz-risiko ist bei Unternehmen mit einem Rating im Investment-Grade-Be-reich, also zwischen ‚AAA’ und ‚BBB-’ etwa ausgeglichen. Doch bei Ra-tings unterhalb des Investment-Grades, also im spekulativen Bereich zwischen ‚BB+’ und ‚C’ tritt das Finanzrisiko in den Vordergrund.

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Bedeutung von Eigenkapital

86 Universität Lüneburg

8.2 Die Finanzrisikobewertung

Standard & Poor’s setzt den Schwerpunkt der Finanzrisikoanalyse auf Cash-Flow-orientierte Kennzahlen wie Zinsdeckung, sowie Cash-Flow im Ver-hältnis zur Unternehmensverschuldung. Diese Ratios sind zuverlässige Gradmesser der Finanzstärke eines Unternehmens und ermöglichen auch einen direkten Vergleich der Unternehmen. Demgegenüber sind absolute Angaben zum Eigenkapital oder Jahresüberschuss nach den Möglichkei-ten der jeweiligen Rechnungslegung variierbar und damit weniger aussa-gefähig.

Eine wesentliche Rolle spielt das Eigenkapital einzig in der Kapitalstruktur, ausgedrückt durch die Kennzahl „Gesamtverschuldung/Gesamtverschul-dung + Eigenkapital“. Diese Kennzahl fließt als Richtwert in die Rating-bestimmung ein. So stellt beispielsweise ein Verschuldungsgrad von 40 % bei einem exzellenten Geschäftsrisikoprofil den Richtwert für ein Ra-ting in der ‚AA’-Kategorie dar. Wird das Geschäftsrisiko bei gleichbleiben-dem Verschuldungsgrad lediglich als „zufriedenstellend“ bewertet, so sind 40 % der Richtwert für ein Rating in der ‚BBB’-Kategorie. Ist zwar das Geschäftsrisikoprofil „stark“, doch der Verschuldungsgrad mit 60 % ver-gleichsweise hoch, spricht dies für ein Rating in der ‚BB’-Kategorie.

Standard & Poor’s veröffentlicht regelmäßig Mediane zu den wichtigsten Finanzkennzahlen im Verhältnis zu den jeweiligen Ratingkategorien. Diese stellen im Rahmen der Ratinganalyse wichtige Richtgrößen dar.

Standard & Poor’s Schlüsselkennzahlen (Mediane 2003 - 2005)

AAA AA A BBB BB B CCC Operating income/sales (%) 21,2 23,3 19,3 15,8 16,8 15,7 15,8 Free oper. cash flow/sales (%) 15,9 11,7 7,9 6,1 4,3 1,5 -3,0 Return on capital (%) 24,3 27,5 17,4 14,0 11,8 9,5 5,4 EBIT interest coverage (x) 25,5 20,8 8,8 5,6 2,8 1,5 0,6 EBITDA interest coverage (x) 29,3 22,9 11,6 7,3 4,0 2,3 1,3 EBITDA/total assets (%) 19,9 22,2 15,4 13,1 12,3 11,2 9,0 FFO/total debt (%) 175,9 83,3 45,2 33,6 22,5 11,1 5,6 Free oper. cash flow/total debt (%) 124,4 49,4 24,2 15,6 8,0 2,2 -3,0 Discr. cash flow/total debt (%) 92,5 28,0 16,5 11,9 6,7 0,7 -3,6 Total debt/EBITDA (x) 0,5 1,0 1,7 2,4 3,5 5,5 7,1 Total debt/capital (%) 13,8 32,2 40,8 45,0 55,1 76,0 103,0

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Bedeutung von Eigenkapital

87 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

Während jedoch Kennzahlen wichtige Benchmarks darstellen, so sind sie in der Ratinganalyse nicht allein entscheidend. Wie oben ausgeführt, spielen neben den quantitativen Merkmalen auch qualitative Aspekte eine we-sentliche Rolle. Bei der Diskussion der Ratingentscheidung im Ratingko-mitee liefert der Vergleich und die Interpretation von Finanzkennzahlen ein wichtiges Gerüst. Qualitative Aspekte und zukunftsgerichtete Überlegungen sind aber von genauso maßgeblicher Bedeutung.

8.3 Die Klassifizierung von Eigenkapital

Bei der Betrachtung des Eigenkapitals innerhalb des Finanzrisikoprofils ei-nes Unternehmens findet sich hier einerseits die klassische Bilanzierung von Eigenkapitalpositionen. Standard und Poor’s bewertet jedoch den Ei-gen- und Fremdkapitalgehalt von Finanzinstrumenten unabhängig von ih-rer Bilanzierung in Abhängigkeit von dem betriebswirtschaftlichen Risiko. Ein gutes Beispiel hierfür stellen hybride Finanzinstrumente dar. Der Ei-genkapitalgehalt, den Standard & Poor’s diesen Finanzinstrumenten zu-weist, bemisst sich an den klassischen Eigenkapitalmerkmalen. Idealer-weise unterliegt Eigenkapital keinen festen laufenden Zinszahlungen, hat keine Fälligkeitstermine und wird auch nicht obligatorisch zurückgezahlt. Weiterhin ist es im Idealfall stark nachrangig und bietet den Gläubigern damit im Konkursfall ein Polster. Eigenkapital ist außerdem permanent und hat keine bestimmte Laufzeit. All diese Aspekte sind maßgeblich für die Beurteilung des Eigenkapitalcharakters von hybriden Finanzinstrumen-ten und bestimmen dadurch die Eigenkapital-Anrechnung. In diesem Zu-sammenhang spielt auch das Rating des Emittenten und die Unterneh-menssituation eine Rolle.

Daraus ergibt sich, dass auf der Passivseite besonderes Augenmerk auf das klassische Eigenkapital sowie das Hybridkapital gelegt wird. Be-stimmte Instrumente sind dazu geeignet, die Eigenkapitalbasis zu stärken und damit einen Einfluss auf die Kennzahl „debt/capital“ auszuüben.

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Bedeutung von Eigenkapital

88 Universität Lüneburg

8.4 Standard & Poor’s unterteilt hybride Finanzinstrumente in drei Ka-tegorien

– Hybride Finanzinstrumente mit geringem Eigenkapitalgehalt: Instru-mente mit kurzer oder nicht klar fixierter Laufzeit; Klauseln, die die Flexibilität von Zahlungen einschränken; bei Wandelanleihen hohe Gebühren oder für den Emittenten unattraktive Konditionen für die Umwandlung.

– Hybride Finanzinstrumente mit mittlerem Eigenkapitalgehalt: Nach-ranganleihen mit langer Laufzeit und fakultativer oder obligatorischer Verschiebung von Zahlungen.

– Hybride Finanzinstrumente mit hohem Eigenkapitalgehalt: Instrumen-te ohne Endfälligkeit mit obligatorischer Verschiebung von Zahlungen. Bei Wandelanleihen: kurzfristige Umwandlung in Stammaktien zu att-raktiven Bedingungen.

Beispiel Nachranganleihe: Ein Unternehmen mit einem Emittentenrating von ‚BBB+’ begibt eine Nachranganleihe ohne Endfälligkeit, aber mit ei-nem Kündigungsrecht nach zehn Jahren und einer fakultativen Verschie-bung von Zinszahlungen bis zu fünf Jahren. Diese Nachranganleihe wird als Hybrid mit geringem Eigenkapital-Gehalt eingestuft und mit einem Bo-nitätsrating von zwei Notches unterhalb des Emittentenratings, also ‚BBB-’ eingestuft.

Beispiel Hybrid-Anleihe: Ein Unternehmen mit einem Emittentenrating von ‚A-’ begibt eine Hybrid-Anleihe mit einer langen Laufzeit von 99 Jahren mit Auffüllung bei vorzeitiger Rückzahlung, einer fakultativen Verschie-bung von Vergütungszahlungen sowie einer obligatorischen Verschiebung anderer Vergütungszahlungen. Außerdem ist die Hybrid-Anleihe nachran-gig. Standard & Poor’s erkennt dieser Hybridanleihe einen mittleren Eigen-kapital-Gehalt zu und erteilt ihr ein Emissionsrating, das um drei Notches unter dem Bonitätsrating des Emittenten liegt. Dabei entfällt auf das Merkmal der Nachrangigkeit ein Notch, und auf die fakultative und die ob-ligatorische Verschiebung von Zinszahlungen jeweils ein weiterer Notch.

Beispiel Genussschein: Ein Unternehmen hat Genussscheine mit einer Laufzeit bis mindestens 2017 emittiert, die auch danach nur alle fünf Jah-re kündbar sind, wobei zusätzlich eine zweijährige Ankündigungsfrist gilt.

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Bedeutung von Eigenkapital

89 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

Dividendenzahlungen werden nicht kumuliert und sind bei schwacher Er-tragslage nicht zahlbar. Diese Genussscheine sind nachrangig gegenüber allen Gläubigern, jedoch vorrangig vor Eigenkapital. Standard & Poor’s er-kennt auch in diesem Beispiel einen mittleren Eigenkapital-Gehalt zu.

Beispiel Wandelanleihe: Einer bestimmten Wandelanleihe mit einer Lauf-zeit von zwei Jahren und einer garantierten zwangsweisen Umwandlung in Aktien wird ein hoher Eigenkapital-Gehalt zugeordnet.

8.5 Übersicht über Hybridtransaktionen für Industrieunternehmen

Bei der Beurteilung des Eigenkapitalgehalts von Hybrid-Transaktionen werden neben der Laufzeit und der Rangfolge insbesondere auch Aspekte wie Step-Up-Klauseln und Triggers berücksichtigt. Die Klassifikation der Eigenkapitalkategorie nach „geringem“, „mittlerem“ oder „hohem“ Eigen-kapitalgehalt ist nicht deckungsgleich mit der Bilanzierung nach IFRS, sondern sie erfolgt mehrdimensional nach betriebswirtschaftlicher Bewer-tung. Wie aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlich ist, sind die darin aufgeführten Hybridinstrumente – allesamt von Standard & Poor’s mit mittlerem Eigenkapitalgehalt bemessen – nach IFRS zum Teil als Ver-schuldung, zum Teil als Eigenkapital bilanziert:

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Bedeutung von Eigenkapital

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Quelle: Standard & Poor’s; Deutsche Bank

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Bedeutung von Eigenkapital

91 Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands

8.6 IFRS vs. HGB aus Sicht von Standard & Poor’s

Aus Sicht von Standard & Poor’s verbessern die Bilanzierungsrichtlinien nach IFRS gegenüber HGB die Transparenz und Vergleichbarkeit von Fi-nanzinformationen, die den Ausgangspunkt für die Bildung von Finanz-kennzahlen und die Finanzanalyse darstellen. Dabei kommt die verbesser-te Transparenz insbesondere bei Verbindlichkeiten wie Pensionsdefiziten (pension deficits) und Verbriefungen von Forderungen zum Tragen. Diese waren früher außerhalb der Bilanz und sind jetzt in der Bilanz auszuwei-sen. Außerdem liefert IFRS mehr Informationen über die wirtschaftliche Leistung der Unternehmen, sowie über Risiken und Verpflichtungen. Auch zeigt sich eine verbesserte Vergleichbarkeit bei Rechnungslegungsinfor-mationen und bei den vergleichenden Analysen.

Festzustellen ist, dass Änderungen in der Rechnungslegung oder in den Publizitätsvorschriften unter gewissen Voraussetzungen Ratings beein-flussen können. Dies gilt jedoch nur, wenn dadurch bedeutsame neue In-formationen offen gelegt werden oder wenn geändertes Verhalten zukünf-tige Cash-Flows beeinflusst. Letzteres könnte sich dadurch zeigen, dass Dritte auf die veränderten Ausweisungen reagieren und dadurch reale Ef-fekte entstehen, oder dass Firmen ihr eigenes Geschäftsverhalten ändern. Jedoch hat Standard & Poor’s bedeutsame Änderungen in Ratings bisher weder beobachtet noch erwartet sie solche. Dies liegt auch darin begrün-det, dass ein zentrales Element in der interaktiven Ratinganalyse das aus-führliche Gespräch mit dem Management des Unternehmens ist. Ziel sol-cher Gespräche ist es, ergänzende Informationen und Interpretationen nicht nur zur Strategie des Unternehmens, sondern auch zu eventuellen bilanziellen Fragen zu erhalten.

Dennoch ist es nicht auszuschließen, dass sich trotz regelmäßiger Anpas-sungen der Bilanzdaten zur besseren Vergleichbarkeit der Unternehmen und damit auch der Ratings zusätzliche Informationen aus der IFRS-Um-stellung ergeben. Nach Auffassung von Standard & Poor’s sind diese am ehesten in den folgenden Bereichen zu erwarten:

– Konsolidierung: • SPVs • Equity Interests

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Bedeutung von Eigenkapital

92 Universität Lüneburg

– Finanzinstrumente: • Derivate und Hedging

– Pensionsrückstellungen und langfristige Rechnungsabgrenzungsposten

– Leasing

– Eventualverbindlichkeiten

Darüber hinaus sind in den folgenden Bereichen zwar neue Informationen relativ unwahrscheinlich, es werden sich aber veröffentlichte Zahlen und Kennzahlen verändern.

– Wegfall der Firmenwertabschreibung

– Finanzinstrumente: • Fremd- vs. Eigenkapital • Investitionen, Kredite und andere Forderungen

– Aktienbasierte Vergütung

– Neubewertung von Grund und Boden und anderen Vermögenswerten

– Latente Steuern

– Kapitalisierung von Entwicklungskosten

– Dividenden

– Ertragsrealisierung

Abschließend ist festzuhalten, dass das Eigenkapital und Eigenkapital-ähnliche Instrumente durchaus Berücksichtigung in der Ratinganalyse von Industrieunternehmen finden. Diese können jedoch nicht isoliert betrach-tet werden, sondern werden immer im Kontext mit einer Vielzahl anderer qualitativer und quantitativer Ratingfaktoren gewertet.

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Finanzwirtschaftliche Betrachtung

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9 Finanzwirtschaftliche Betrachtung der Eigen- und Fremdkapitalunterscheidung (Prof. Dr. Hermann Schulte-Mattler50)

Eine Abgrenzung von Fremd- und Eigenkapital wird vor dem Hintergrund einer Vielzahl von hybriden Kapitalinstrumenten immer schwieriger (Debt-Equity-Puzzle). Vor diesem Hintergrund beleuchtet der nachfolgende Bei-trag die Probleme bei der Trennung von Eigen- und Fremdkapital aus be-triebswirtschaftlicher insbesondere finanzwirtschaftlicher Sicht.

9.1 Das Debt-Equity-Puzzle

Seit fast 50 Jahren ist die Kapitalstrukturpolitik die zentrale Frage der Fi-nanzierungstheorie. Als Geburtsstunde der Finanzierungstheorie wird der klassische Beitrag von Franco Modigliani (*1918, †2003) und Merton Ho-ward Miller (*1923, †2000) zur Frage der optimalen Kapitalstruktur aus dem Jahr 195851 angesehen, für den sie auch im Jahre 1990 mit dem No-belpreis für Wirtschaftswissenschaften ausgezeichnet worden sind. Das Irrelevanztheorem der Kapitalstruktur von Modigliani/Miller (MM) für den Marktwert eines Unternehmens lässt sich wie folgt zusammenfassen:

„… with well-functioning markets (and neutral taxes) and rational inves-tors, who can ‘undo’ the corporate financial structure by holding posi-tive or negative amounts of debt, the market value of the firm – debt plus equity – depends only on the income stream generated by its as-sets. It follows, in particular, that the value of the firm should not be af-

50 Prof. Dr. Hermann Schulte-Mattler lehrt Finanzwirtschaft an der FH Dortmund und ist Gründer des Finance Risk Lab e.V. Der Beitrag ist eine erweiterte Fassung eines Vortra-ges am 7. Dezember 2006, den der Autor im Rahmen des Finanzkolloquiums IAS 32 – Weiterentwicklung zwingend erforderlich – des Bundesverbandes Öffentlicher Banken Deutschlands und der Universität Lüneburg in Berlin gehalten hat.

51 Vgl. Modigliani, F.; Miller, M. H. (1958), The Cost of Capital, Corporate Finance and the Theory of Investment, in: American Economic Review, 48, S. 261 - 297.

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Finanzwirtschaftliche Betrachtung

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fected by the share of debt in its financial structure or by what will be done with the returns – paid out as dividends or reinvested (profitably).“ 52

Der Wert einer Unternehmung ist also unabhängig von seiner Kapitalstruk-tur, wenn es keine Transaktionskosten, keine Steuern (Körperschafts- und Einkommensteuer), keine Insolvenzkosten, keine unterschiedliche Investi-tionspolitik bei einer eigenfinanzierten und bei einer fremdfinanzierten Un-ternehmung infolge asymmetrischer Informationen und einen vollkommenen Kapitalmarkt gibt. Dieses Theorem ist ein Spezialfall des Wertadditions-theorems (Value Additivity Principle) der Finanzierungstheorie. Auf einem vollkommenen Kapitalmarkt mit homogenen Erwartungen ist im Gleich-gewicht der Marktwert einer Summe von unsicheren Zahlungen gleich der Summe der Marktwerte der einzelnen unsicheren Zahlungen.

In der Praxis sind die Voraussetzungen für das Irrelevanztheorem nie ge-geben, gleichwohl lässt sich Folgendes ableiten: Wenn die Kapitalstruktur für eine Unternehmung Bedeutung hat, dann weil mindestens eine der genannten Annahmen nicht gilt. Unternehmen müssen den Einfluss der genannten Determinanten auf die Kapitalstruktur analysieren, um die für sie optimale Kapitalstruktur zu finden. Hilfreich sind dabei zwar theoretische Weiterentwicklungen wie die Pecking-Order-Theorie, aber alle Kapitalstruk-turtheorien beschreiben die beobachtbaren Finanzierungsentscheidungen von Unternehmen nur sehr unvollkommen. Es ist der Finanzwirtschaft bis-lang nicht gelungen, die Frage zu beantworten, warum Unternehmen be-stimmte Kapitalstrukturen wählen. Das „Capital Structure Puzzle“ (Kapital-struktur-Puzzle) bleibt ungelöst.53

Das Irrelevanztheorem setzte auch die Diskussion über die grundsätzli-chen Unterscheidungsmerkmale von Eigen- und Fremdkapital in Gang. Die theoretische Suche nach dem Kriterium oder den Kriterien, mit denen man eindeutig Eigen- von Fremdkapital trennen kann, ist nicht abgeschlossen.

52 Modigliani, F. (1980), Introduction, in: Abel, A. (1980), Hrsg, The Collected Papers of Franco Modigliani, Volume 3, S. xi-xix, Cambridge, Massachusetts: MIT Press, S. xiii.

53 Vgl. Myers, Stewart C. (1984), The Capital Structure Puzzle, in: The Journal of Finance, Vol. 39, No. 3, Papers and Proceedings, Forty-Second Annual Meeting, American Finance Association, San Francisco, CA, December 28-30, 1983 (Jul., 1984), S. 575 - 592, Berens, J. L.; Cuny, C. J. (1995), The Capital Structure Puzzle Revisited, in: The Review of Financial Studies, 8, S. 1185 - 1208, und Barclay, M. J.; Smith, C. W. (2005), The Capital Structure Puzzle: The Evidence Revisited, in: Journal of Applied Corporate Finance, 17 (1), S. 8 - 17.

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Finanzwirtschaftliche Betrachtung

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Erschwerend kommt hinzu, dass die sehr große Anzahl von emittierten Wertpapieren,54 deren Charakteristika und Marktverhalten die traditionelle Trennungslinie zwischen Eigen- und Fremdkapital verwischen, eine ein-deutige Trennung fast unmöglich macht.55 Man ist sich lediglich darüber einig, dass Eigen- und Fremdkapital sowie hybride Finanzierungsinstru-mente emittiert werden, um bestimmte Friktionen in den Kapitalmärkten vorteilhaft auszunutzen.

Das „Debt-Equity-Puzzle“ (Fremdkapital-Eigenkapital-Puzzle) ist ebenfalls noch ungelöst, was vor dem Hintergrund der Globalisierung der Finanz-märkte besonders nachteilig ist. Diese geht nämlich einher mit der Forde-rung der Investoren nach vergleichbaren und entscheidungsrelevanten In-formationen über Unternehmen. So wird ein hoher Informationswert der Höhe des Eigenkapitals und dem Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital einer Unternehmung beigemessen. Oft ziehen Investoren die Höhe des bi-lanziellen Eigenkapitals zur Beurteilung der Solvabilität und Bonität eines Unternehmens heran. Dies ist auch ein wesentlicher Grund für den inter-nationalen Harmonisierungsprozess der Rechnungslegung.

Die Rechnungslegung nach den International Financial Reporting Stan-dards (IFRS) entwickelte sich parallel zu der Rechnungslegung nach den United States Generally Accepted Accounting Principles (US-GAAP).56 Die bestehenden älteren International Accounting Standards (IAS) behalten vorerst ihre Gültigkeit und Bezeichnung. Am 17. Dezember 2003 veröf-fentlichte das International Accounting Standards Board (IASB)57 den überarbeiteten Bilanzierungsstandard IAS 32, der die Anforderungen für die bilanzielle Darstellung von Finanzinstrumenten beschreibt. Als solche werden angesehen Finanzderivate und Verbindlichkeiten (wie das Eigen-kapital).

54 Vgl. Finnerty (1988), Financial Engineering in Corporate Finance: An Overview, in: Finan-cial Management, 17.

55 Vgl. Allen, F. (1989), The Changing Nature of Debt and Equity: A Financial Perspective, in: Are Distinctions between Debt and Equity Disappearing?, Conference Series Nr. 33, Federal Reserve Bank of Boston, Oktober 1989.

56 Die Beachtung der US-GAAP ist derzeit insbesondere für diejenigen Unternehmen von Bedeutung, die einen Börsengang in den USA durchgeführt haben oder einen solchen beabsichtigen.

57 Seit 2001 ist das IASB die Nachfolgeorganisation des International Accounting Standards Committee (IASC). Es entscheidet im Rahmen eines festgesetzten Normierungsverfah-rens über die IFRS und deren Interpretationen.

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Finanzwirtschaftliche Betrachtung

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Im IAS-32-Standard reichen bereits bedingte vertragliche Zahlungspflich-ten aus, um ein Finanzierungsinstrument als Fremdkapital zu klassifizie-ren. Dies hat beispielsweise zur Folge, dass Genossenschaften die Ge-schäftsguthaben in einem IAS/IFRS-Abschluss nicht mehr als Eigenkapital sondern als Finanzverbindlichkeit, also bilanzielles Fremdkapital, auswei-sen müssen. Wesentlicher Grund für diese Umqualifizierung des gesell-schaftsrechtlichen Eigenkapitals von Genossenschaften in bilanzielles Fremdkapital sind die von Gesetz wegen gegen die Gesellschaft gerichte-ten Abfindungs- oder Rückzahlungsansprüche des ausscheidenden Ge-nossen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass in der Öffentlichkeit die IAS-Regelung zur Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapital sehr rege dis-kutiert und auch kritisiert wird. Dem IASB ist es nicht vollumfänglich ge-lungen, die einzelnen Debt-Equity-Puzzleteile wieder zu einem Ganzen zu-sammenzusetzen.

Ziel des Beitrages ist es, die Probleme bei der Trennung von Eigen- und Fremdkapital aus betriebswirtschaftlicher Sicht zu analysieren. Im Ab-schnitt 9.2 werden die üblichen Eigenkapitalmerkmale vorgestellt und mit wichtigen Rechtsdefinitionen verglichen (wie HGB, GenG, IAS 32 und KWG). Es wird sich zeigen, dass sämtliche Rechtsdefinitionen große Schwächen bei der eindeutigen Abgrenzung von Eigen- und von Fremd-kapital aufweisen. Aus diesem Grund stehen im Abschnitt 9.3 fünf typi-sche betriebswirtschaftliche und eine idealtypische Definitionen des Ei-genkapitalbegriffes im Mittelpunkt der Analyse. Abschnitt 9.4 stellt die optionsbasierte finanzwirtschaftliche Definition des Begriffes „Eigenkapi-tal“ vor. Eine idealtypische Definition von Eigenkapitalausstattung und Verschuldung ist Gegenstand von Abschnitt 9.5. Abschnitt 9.6 fasst die Ergebnisse zusammen und gibt einen Ausblick.

9.2 Eigenkapitalausstattung und Eigenkapitaldefinitionen

Die neoinstitutionalistische Finanzierungsforschung58 hat auf der Grundla-ge der Property Rights Theory ein umfassendes begriffliches Instrumenta-rium geschaffen, um die Erklärungsansätze von Institutionen und Finanz-

58 Vgl. Meckling W.; Jensen M. (1976), Theory of the firm: Managerial Behavior, Agency costs and Ownership Structure, in: Journal of Economics, October 76, S. 305 - 360.

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beziehungen weiterzuentwickeln. Für einzelwirtschaftliche Entscheidungen sind die Erkenntnisse bislang kaum in praktische Handlungsanweisungen zu übersetzen, wenngleich sie einen wesentlichen Beitrag zum Verständ-nis der Metaebene von Finanzierungsentscheidungen erbringen.

Finanzierungsformen werden in der neoinstitutionalistischen Finanzierungs-theorie als Regelungen zur Aufteilung unsicherer Zahlungssaldi auf die verschiedenen Kapitalgeber interpretiert und die Ausgestaltung des Bün-dels von Rechten und Handlungsmöglichkeiten in den Kapitalüberlas-sungsverträgen als ausschlaggebend für die Bereitschaft zur Kapitalüber-lassung auf Seiten der Kapitalgeber und die Akzeptanz des jeweiligen Kontraktes durch die Kapitalnehmer eingestuft. Die bewährten Finanzie-rungsformen zeichnen sich insbesondere dadurch aus, dass sie das be-rechtigte Misstrauen der Kapitalgeber bei Hingabe ihres Kapitals durch die Einräumung spezifischer Rechte und Möglichkeiten in geeigneter Weise reduzieren. Die damit verbundenen Belastungen der Kapitalnehmer wer-den gleichzeitig auf ein vertretbares Maß begrenzt.59

Ein wesentliches Element zur Verringerung der Unsicherheit für ein Un-ternehmen ist die Eigenkapitalausstattung. Ist eine Unternehmung nicht in der Lage, zukünftige Ausgabenüberschüsse auszugleichen, droht die In-solvenz. Zwei Vorsorgemaßnahmen verringern die Gefahr einer Insolvenz: Zum einen kann das Halten eines ausreichenden Liquiditätspolsters (wie Kassenbestände, Bankguthaben oder Termingelder) dazu dienen, um Zah-lungsverpflichtungen bei Eintritt ungünstiger zukünftiger Situationen be-friedigen zu können. Zum anderen schafft das Halten eines Verlustpuffers (Eigenkapitalausstattung) unabhängig von der unverzüglichen Zahlungsfä-higkeit eine Möglichkeit, um durch die Auflösung von Investitionen die Zahlungsbereitschaft während des gesamten Planungszeitraumes sicher-zustellen.60

Der Verlustpuffer hat die betriebswirtschaftliche Funktion, ein Insolvenz-risiko zu begrenzen oder zu verringern. Wird ein messbares „kritisches“ Insolvenzrisiko beispielsweise durch die Feststellung erreicht, dass Zah-

59 Vgl. Perridon, L.; M. Steiner (2002), Finanzwirtschaft der Unternehmung, 11. Aufl., Mün-chen (Franz Vahlen) 2002, hier S. 25 und S. 357.

60 Vgl. Schneider, D. (1992), Investition, Finanzierung und Besteuerung, 7. Aufl., Wiesbaden (Gabler), S. 42 ff.

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lungsunfähigkeit oder Überschuldung als Insolvenzrechtstatbestände ein-getreten sind, sind Rechtseingriffe in die Verfügungsmacht über das Rest-vermögen einer Unternehmung die Folge. Der Verlustpuffer ist mithin Voraussetzung für die Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit, und die Verschuldung eine Messung für den Tatbestand eines „kritischen“ Insol-venzrisikos.

Einer Unternehmung dient derjenige Teil ihres Vermögens als Verlustpuffer, der in der betriebswirtschaftlichen Literatur Eigenkapitalausstattung und fälschlicherweise in der Umgangssprache Eigenkapital heißt. Es empfiehlt sich deshalb Begriffe, die in Theorien zur Erklärung empirischer Sachver-halte benutzt werden, und Begriffe für die Messung jener theoretischen Begriffe auseinander zu halten. Als betriebswirtschaftlich-theoretische Begriffe sind die „Eigenkapitalausstattung“ und „Verschuldung“ als Sach-verhalte aus der zu beobachtenden Wirklichkeit anzusehen. Die korres-pondierenden Messgrößen „Eigenkapital“ und „Fremdkapital“ bezwecken eine möglichst strukturgleiche Abbildung der theoretischen Begriffe in Zahlen, genauer in Eurobeträgen.61 Inwieweit diese Abbildung in den Rechtsbegriffen des bilanziellen (handelsrechtlichen) Eigenkapitals, des ge-nossenschaftsrechtlichen Eigenkapitals, des Eigenkapitals nach IAS 32.10 und des bankaufsichtlichen Eigenkapitals gelingt, soll nunmehr analysiert werden.

Das bilanzielle Eigenkapital ergibt sich in Abhängigkeit vom jeweiligen Rechnungslegungsstandard, wobei die Regelungen des Handelsgesetzbu-ches (HGB) betrachtet werden müssen.62 Das Eigenkapital in der Bilanzglie-derung gemäß § 266 HGB benennt als Saldo ein „Reinvermögen“. Es er-gibt sich also durch Saldierung des bilanziellen Vermögens mit den bilanziellen Verbindlichkeiten. Es besteht aus den folgenden Bilanzposten: Gezeichnetes Kapital, Kapitalrücklage, Gewinnrücklagen (gesetzliche Rück-lage, Rücklage für eigene Anteile, satzungsmäßige Rücklagen oder andere Gewinnrücklagen), Gewinn- oder Verlustvortrag sowie Jahresüberschuss

61 Vgl. Schneider, D. (1992), Investition, Finanzierung und Besteuerung, 7. Aufl., Wiesbaden (Gabler), S. 45 f. In der Physik ist ein solcher theoretischer Begriff die „Temperatur“ eines Körpers. Als Messzielbegriff kann die „Längenausdehnung einer Quecksilbersäule“ als Abbild für die Temperatur eines Körpers herangezogen werden.

62 Vgl. beispielsweise Coenenberg, A. (2003), Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse, Betriebswirtschaftliche, handelsrechtliche und internationale Grundsätze, HGB, IAS, US-GAAP, 19. Aufl., Landsberg/Lech (Moderne Industrie), 2003.

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oder -fehlbetrag. Gezeichnetes Kapital ist gemäß § 272 HGB das Kapital, auf das die Haftung der Gesellschafter für die Verbindlichkeiten der Kapi-talgesellschaft gegenüber den Gläubigern beschränkt ist.

Das Eigenkapital der Genossenschaften ist in Anlehnung an die Bestim-mungen für Kapitalgesellschaften zu bilanzieren (§§ 336, 337 HGB), wobei anstelle des gezeichneten Kapitals die (variablen) Geschäftsguthaben der Genossen ausgewiesen werden (§ 7 GenG). Seine Höhe hängt vom Ge-schäftsanteil, das heißt dem Höchstbetrag der zulässigen Einlage eines Genossen, vom darauf eingezahlten Betrag (Geschäftsguthaben), der Zahl der Geschäftsanteile jedes Genossen und von der Zahl der Genossen ab. An die Stelle der Gewinnrücklagen tritt bei Genossenschaften die Position „Ergebnisrücklage“, die ebenfalls zum Eigenkapital einer Genossenschaft zählt. Die Eigenkapitalbasis kann durch einen Mitgliederwechsel verändert werden, da unter Wahrung bestimmter Fristen Kündigungen einzelner Geschäftsanteile und der Mitglieder möglich sind (§ 65, 69 und 70 GenG). Der Betrag der Geschäftsguthaben der mit Ablauf des Geschäftsjahres ausgeschiedenen Genossen ist in der Bilanz gesondert anzugeben.

Als Eigenkapital ist nach IAS 32.10 der residuale Anspruch auf das nach Abzug des Fremdkapitals verbleibende Nettovermögen eines Unterneh-mens anzusehen.63 Im Gegensatz zu den positiven Bestimmungen des § 272 HGB, der die Bestandteile des Eigenkapitals explizit aufführt, wird das IAS-Eigenkapital als eine Residualgröße definiert. Es handelt sich um sämtliche Ansprüche an die Vermögenswerte eines Unternehmens nach Abzug aller Verbindlichkeiten, die wiederum als vertragliche Verpflichtung definiert sind, Bargeld oder andere Mittel an eine andere Partei auszulie-fern.

Das bankaufsichtliche Eigenkapital gemäß § 10 Abs. 1 KWG stellt ein Messziel dar, das insbesondere „eine angemessene Eigenkapitalausstat-tung“ als Schutz für die Institutsgläubiger und als Voraussetzung für die Kreditvergabe eines Institutes gewährleisten soll. Es dient insbesondere der Absicherung der im laufenden Geschäft auftretenden Risiken („Haf-tungsfunktion“) und ist notwendig, um eine allgemeine Handlungsfähig-

63 IAS 32.11: „An equity instrument is any contract that evidences a residual interest in the assets of an entity after deducting all of its liabilities”.

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keit sicherzustellen („Finanzierungsfunktion“).64 Durch die Verknüpfung mit dem Volumen der Bankgeschäfte kommt dem Eigenkapital eine „Brems-funktion“ zu, da die Geschäftsausweitungsmöglichkeit beschränkt wird. Auch werden in Abhängigkeit von den Berechnungsmodalitäten der Insti-tute die Kosten der verschiedenen Geschäftszweige und damit die Preis-festsetzung für die Bankprodukte beeinflusst, so dass mit der Bremsfunk-tion erhebliche allokative Wirkungen verbunden sein können. Die Eigen-mittelbestandteile nach dem KWG werden in die drei Klassen Kernkapital, Ergänzungskapital und Drittrangmittel untergliedert, wobei ein Wertig-keitsgefälle vom Kernkapital über das Ergänzungskapital hin zu den Dritt-rangmitteln unterstellt wird.

Zusammenfassend wird das Eigenkapital weder handels-, genossen-schafts-, bankrechtlich noch im IAS 32 explizit definiert, sondern ergibt sich im Wesentlichen als Saldo bestimmter Bilanzpositionen. Unter wel-chen Bedingungen dieses Reinvermögen im bilanzrechtlichen Sinne ein strukturgleiches Abbild der Wirklichkeit ist, also beispielsweise in seiner Höhe dem Marktpreis dieser Unternehmung entspricht, wird in keiner Weise in den Gesetzeswerken noch in der Literatur zum Bilanzrecht erläu-tert. Als wesentliche Eigenschaft des Eigenkapitals wird die Risiko- und Haftungsfunktion betont.

9.3 Betriebswirtschaftliche Eigenkapitaldefinitionen

In der Literatur zur Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre können bislang fünf unterschiedliche Definitionen für das Eigenkapital identifiziert werden:65

Definition 1: Eigenkapital ist von den Eigentümern direkt oder indirekt zur Verfügung gestelltes Kapital. Diese Definition ist vergleichsweise oft in

64 Wie Verlustausgleichs- und Haftungsfunktion, Finanzierungsfunktion, Vertrauensfunktion sowie Bindungsfunktion.

65 Vgl. zu diesem Abschnitt die Studie von Swoboda, P. (1985), Der Risikograd als Abgren-zungskriterium von Eigen- versus Fremdkapital, in: Stöppler, W. (1985), Hrsg., Information und Produktion, Festschrift für W. Wittmann, Stuttgart 1995, S. 343 - 361.

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der Literatur zu finden.66 Sie bietet eine eindeutige Trennung zwischen Eigen- und Fremdkapital, wenn juristisch alle Kapitalgeber zweifelsfrei in Eigentümer und Nicht-Eigentümer getrennt werden können. Schwierig wird die Abgrenzung, wenn der Fremdkapitalgeber (Gläubiger) eines Un-ternehmens zusätzlich auch noch Aktien derselben Unternehmung er-wirbt. Ohne die Festlegung weiterer Bestimmungsgründe zählt nach die-ser Definition jedes von einem Eigentümer zur Verfügung gestelltes Kapital zum Eigenkapital.

Definition 2: Eigenkapital ist Kapital mit gewinnabhängiger Vergütung.67 Der Vergütungsanspruch ist ein eindeutiges Trennmerkmal. Die Manipu-lierbarkeit bei diesem Charakteristikum ist jedoch sehr hoch. Jede gering-fügige Gewinnabhängigkeit von Zinszahlungen bei Krediten (wie Zahlung der Zinsen schwankt zwischen x und y nach Maßgabe des Gewinns) wür-de das betreffende Finanzierungsinstrument zum Eigenkapital machen. Dahingegen könnte man eine ansonsten sehr riskante Kapitalform nur durch die Festlegung eines fixen Rückzahlungsanspruches oder einer fixen jährlichen Vergütung zum Fremdkapital machen.

Definition 3: Eigenkapital ist haftendes Kapital.68 Die haftenden Finanzie-rungsmittel eines Unternehmens schützen die Ansprüche der Gläubiger (Fremdkapitalgeber). Bei dieser Definition kommt es – genau wie bei der Definition 1 – auf eine juristische Abgrenzung von Gläubiger und Eigentü-mer mit den damit verbundenen Problemen an.

Definition 4: Eigenkapital ist Kapital, das durch Herrschaftsrechte gekenn-zeichnet ist.69 Für die Eindeutigkeit dieser Definition ist zunächst festzule-gen, was man genau unter einem „Herrschaftsrecht“ versteht. Interessant

66 Vgl. Swoboda (1985), S. 344 - 349, der diesbezügliche Literaturstellen zitiert und kritisiert. Für neuere Literaturstellen vgl. Franke, G.; Hax, H. (2004), Finanzwirtschaft des Unter-nehmens und Kapitalmarkt, 5. Aufl., Berlin (Springer) 2004, S. 31, Jahrmann, F.-U. (1999), Finanzierung, 4. Aufl., Berlin (nwb) 1999, S. 17, Sprink, J. (2000), Finanzierung, Stuttgart (Kohlhammer) 2000, S. 4, und Überhör, M.; Warns, C. (2003), Grundlagen der Finanzie-rung, 2. Aufl., Heidenau (PD) 2003, S. 71.

67 Vgl. Schneider, D. (1980), Investition und Finanzierung, Wiesbaden (Gabler) 1980, S. 154. 68 Vgl. Jahrmann, F.-U. (1999), Finanzierung, 4. Aufl., Berlin (nwb) 1999, S. 18, und Sprink, J.

(2000), Finanzierung, Stuttgart (Kohlhammer) 2000, S. 4. 69 Vgl. Hahn, O. (1971), Die Kapitalformen: Eigen- und Fremdfinanzierung, in: Hahn, O.

(1971), Hrsg., Handbuch der Unternehmensfinanzierung, München 1971, S. 28 ff. und Spremann (1996), S. 114.

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dürfte in diesem Zusammenhang sein, wie mit Mitsprache- und Vetorech-ten von Kreditgebern umgegangen werden soll. Insgesamt führen die möglichen juristischen Manipulationen ohne den wirtschaftlichen Gehalt des Finanzierungsinstrumentes zu verändern, zu einer mangelnden Ein-deutigkeit bei der Zurechnung zum Eigen- oder Fremdkapital.

Definition 5: Eigenkapital ist Kapital mit Anspruch auf ein Auseinanderset-zungsguthaben. In der Betriebswirtschaftslehre ist es üblich, die Quellen, aus denen die Unternehmen ihren Kapitalbedarf decken, nach einem rechtlichen Kriterium zu spezifizieren. Dies reicht aber nicht aus, wenn der wirtschaftliche Gehalt der vertraglichen Abmachungen nicht der rechtli-chen Form der Kapitalüberlassung entspricht.70 Ist die Rückzahlung eines Finanzierungsmittels nicht von vornherein fixiert, sondern vom Unterneh-menswert zum Zeitpunkt der Rückzahlung abhängig, so zählt das Kapital zum Eigenkapital. Auch bei diesem Kriterium bestehen Manipulierungs-möglichkeiten. So wären extrem gewinnabhängige Ansprüche bei fixier-tem Rückzahlungsanspruch definitionsgemäß Fremdkapital, obwohl sie unter Umständen ein viel größeres Risiko als Ansprüche mit variablem Auseinandersetzungsguthaben aufweisen könnten.

Die vorgestellten Eigenkapitaldefinitionen sind im Hinblick auf die Kriterien Eindeutigkeit der Zuordnung bestimmter Kapitalinstrumente zum Eigen- oder Fremdkapital, Manipulierbarkeit der Zuordnung und Informationsge-halt zu kritisieren. Es folgt unmittelbar die Erkenntnis, dass die Grenze zwischen Eigen- und Fremdkapital nicht klar anhand eines einzelnen Krite-riums in einer Definition gezogen werden kann.71 Festzuhalten bleibt, dass die „Fristigkeit der Kapitalüberlassung“ von keinem Autor als primäres Kri-terium für die Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdkapital heran-gezogen wird.72 Wenden wir uns der finanzwirtschaftlichen Definition des Eigenkapitals zu, die insbesondere in der angelsächsischen Literatur do-miniert.

70 Vgl. Gutenberg, E. (1972), Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, Band 3, Die Finanzen, 5. Aufl., Berlin (Springer) 1972, S. 128 ff.

71 Vgl. Spremann, K. (1996), Wirtschaft, Investition und Finanzierung, 5. Aufl., München (Ol-denbourg) 1996, S. 114.

72 Vgl. Swoboda, P. (1985), Der Risikograd als Abgrenzungskriterium von Eigen- versus Fremdkapital, in: Stöppler, W. (1985), Hrsg., Information und Produktion, Festschrift für W. Wittmann, Stuttgart 1995, S. 343 - 361, S. 346 ff.

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9.4 Finanzwirtschaftliches Eigenkapital

In der modernen Literatur zur Finanzwirtschaft (Finance) werden Eigen- und Fremdkapitalinstrumente durchweg als „bedingte Auszahlungsan-sprüche“ definiert:

„In the words of finance theory, debt and equity securities are contin-gent claims on the total firm value.”73

In gewisser Weise werden in dieser finanzwirtschaftlichen Definition die Definitionen der Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre 2 und 5 mit dem Eigenkapitalmerkmal des Residualanspruches kombiniert. Neu ist die ausdrückliche Betonung der „Bedingung“ und die implizite Berücksich-tung einer „Risikomessgröße“,74 mit der gleichsam das ganze Instrumenta-rium der Optionspreistheorie anwendbar wird. Eigenkapital wird nicht nur definiert, sondern es wird mit Hilfe der Optionspreisformel von Black/ Scholes auch aufgezeigt, wie diese Messgröße zur Beschreibung der Ei-genkapitalausstattung eines Unternehmens quantifiziert werden kann.

Das Eigen- und Fremdkapital einer Unternehmung sind finanzwirtschaft-lich solche bedingte Zahlungsansprüche der Kapitalgeber und können deshalb mit der Optionspreistheorie verdeutlicht werden. Das wesentliche Charakteristikum des Fremdkapitals ist es, dass die Unternehmung dem Gläubiger verspricht, einen festgesetzten Geldbetrag zu einem bestimm-ten Zeitpunkt zurückzuzahlen. Zur Vereinfachung der Darstellung soll ein Kreditinstitut nur eine einzige Fremdkapitalposition besitzen, nämlich eine Nullkuponanleihe mit Nominalwert FK und Fälligkeit T in einem Jahr, also zum Zeitpunkt t = T= 1. Während der Laufzeit der Anleihe schüttet das Institut keine Gelder an ihre Eigenkapitalgeber aus. Der Marktwert des Kreditinstitutes VT (Marktwert der Aktiva) bei Fälligkeit des Fremdkapitals ergibt sich stets als VT = EKT + FKT (alles in Marktwerten ausgedrückt),

73 Brealey, R. A.; Meyers, S. C. (2003), Principles of Corporate Finance, 7. Aufl., Boston (McGraw-Hill) 2003, S. 1042, Merton, R. C.; Bodie Z. (2000), Finance, Upper Saddle River (Prentice-Hall). 2000, S. 419, Megginson, W. L. (1997), Corporate Finance Theory, Reading (Addison-Wesley). 1997, S. 240 und Ross, S. A.; Westerfield, R. W.; Jaffe, J. (2005), Cor-porate Finance, 7. Auflage, New York (Irwin) 2005, S. 10.

74 Damit wird die Eigenschaft „Risiko“, gemessen mit der Standardabweichung der Verän-derungen der Marktwerte der Aktiva, für das Eigenkapital eingeführt.

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[ ]; 0T T TE K M a x V F K= −

weil das Institut lediglich mit Eigenkapital EKt und Fremdkapital FKt (Anlei-he) finanziert sein soll.

Mit diesen einfachen Annahmen75 lässt sich der Wert des Eigenkapitals EKt zum Zeitpunkt T als eine Call-Option (Kaufoption) mit Restlaufzeit von

einem Jahr und Ausübungspreis FKt auf den Firmenwert VT angeben: Der Wert des Eigenkapitals „vor“ Fälligkeit, also vor dem Zeitpunkt T, lässt sich anhand der Black-Scholes-Formel bestimmen, was an dieser Stelle aufgrund der damit verbundenen Kom-plexität unterbleiben soll. 76

Sozusagen als Referenzpunkt für weitere Forschungsarbeiten zum Debt-Equity-Puzzle wird im nächsten Abschnitt eine idealtypische betriebswirt-schaftliche Definition der Eigenmittelausstattung und der Verschuldung vorgestellt.

9.5 Idealtypische Definitionen von Eigenkapitalausstattung und Ver-schuldung

Die vorgestellten Definitionen geben offensichtlich keine einhellige und keine befriedigende Antwort auf die Frage, was auf einer betriebswirt-schaftlichen Erklärungsebene die Eigenkapitalausstattung von der Ver-schuldung trennt. Oft werden in der betriebswirtschaftlichen Literatur zur Finanzierung und Bilanzierung unbestimmte Rechtsbegriffe übernommen. So wird das Wort „Eigenkapital“ nicht nur für Messziele mit ganz unter-schiedlichen Zwecksetzungen oder Inhalten benutzt, sondern zusätzlich auch für Sachverhalte, die betriebswirtschaftliche Zusammenhänge erklä-ren sollen.

75 Vgl. Merton, R. C. (1974), On the Pricing of Corporate Debt: The Risk Structure of Interest Rates, in: Journal of Finance, Vol. 29, S. 449 - 470, und die Erweiterungen durch Geske, R. (1977), The Valuation of Corporate Liabilities as Compound Options, in: Journal of Fi-nancial and Quantitative Analysis, S. 541 - 552, und Geske, R. (1979), The Valuation of Compound Options, in: Journal of Financial Economics, 7, S. 63 - 81.

76 Vgl. Black, F.; Scholes, M. (1973), The Pricing of Options and Corporate Liabilities, in: Journal of Political Economy, 81, May/June 1973, S. 399 - 417, und zur Herleitung der For-mel Kesting, H.; Schulte-Mattler, H. (1992a), Herleitung der Black-Scholes-Formel aus dem Binomialen Optionspreismodell, in: WiSt Wirtschaftswissenschaftliches Studium, Rubrik: Wissenschaftlicher Beitrag, Heft 4, S. 167 - 171.

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Die verbreiteten Eigenkapitaldefinitionen sind unbefriedigend, wenn man als Anforderungskriterium eine informative, stabile und eindeutige Zuord-nungsvorschrift zugrunde legt. So muss es die Definition möglich ma-chen, bestimmte Kapitalformen eindeutig dem Eigen- oder Fremdkapital zuzuordnen. Die Zuordnung sollte nicht durch geringfügige Veränderun-gen der vertraglichen Vereinbarung beeinflussbar oder veränderbar sein. Darüber hinaus sollte die Definition auch informativ sein, dass heißt etwas Wissenswertes über die Finanzierungsbeziehung aussagen.

Gedankliche Klarheit über die Merkmale einer Eigenkapitalausstattung und einer Verschuldung ist folglich nur – wie in allen Teilen der Theoriebil-dung – durch modellmäßige Vereinfachung zu erreichen. Wir wollen des-halb das Problem ausschließlich aus der Blickrichtung der Kapitalgeber (Investoren) betrachten, genauer von den Zahlungsansprüchen der Kapi-talgeber her. Investoren erwerben durch die Hingabe von Beteiligungska-pital, das in dieser Analyse vereinfachend mit Eigenkapitalausstattung gleichgesetzt wird, künftige Auszahlungsansprüche. Diese gehen wieder-um einher mit Rechten und Pflichten, die als idealtypische Ausprägungen der Eigenkapitalausstattung gewertet werden könnten. Als wesentliche Eigenschaften des Eigenkapitals werden die folgenden in der Literatur be-tont: 77

– Residualanspruch:78 Die Eigenschaft, Verschuldung sei mit (beding-ten) Auszahlungsansprüchen verbunden, die in Höhe und Zeitpunkt festliegen, während Eigenkapitalausstattung nur ergebnisabhängige Auszahlungsansprüche gewähre, erlaubt die vereinfachte Gegenüber-stellung „Festbetrags-Ansprüche“ gegen „Restbetrags-Ansprüche“.79 Damit verkörpern Eigenkapitalausstattung und Verschuldung vertraglich festgelegte künftige Auszahlungsansprüche, die entweder als Restbe-

77 Vgl. hierzu Schneider, D. (1992), Investition, Finanzierung und Besteuerung, 7. Aufl., Wies-baden (Gabler), S. 47 ff.

78 „Equity: Ownership interest of common and preferred stockholders in a corporation. Also, total asset minus total liabilities, or net worth.“ Ross; Westerfield; Jaffe (2005), S. 896, und Brigham; Ehrhardt (2002), S. 34.

79 Vgl. Stützel, W. (1981), Die Aktie und die volkswirtschaftliche Risiko-Allokation, in: Jung, M. (1981), Hrsg., Geld und Versicherung, Karlsruhe, S. 193 - 211, S. 208 f. Die Kurzformel kann natürlich nicht berücksichtigen, dass beispielsweise im Konkursfall der Inhaber von Schuldtiteln nur einen Restbetrag als Quotenanteil erhält.

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tragsanspruch ausschließlich ergebnisabhängig oder als Festbetrags-anspruch ergebnisunabhängig sind.80

– Dauerhaftigkeit: Die Eigenschaft, Eigenkapitalausstattung stehe dau-erhaft (unbefristet),81 Fremdkapitalausstattung nicht dauerhaft (nur be-fristet) zur Verfügung, ist sehr unbestimmt. Einen betriebswirtschaftli-chen Sinn erhält das Merkmal für die Eigenkapitalausstattung nur, wenn „dauerhaft“ oder „unbefristet“ durch „bis zum jeweiligen Pla-nungshorizont der Unternehmung“ oder „bis zum Zeitpunkt der Fällig-keit des Fremdkapitals“ ersetzt wird. Die optionsbasierte Betrachtung im letzten Abschnitt zeigt, dass es finanzwirtschaftlich überhaupt nicht auf dieses Kriterium ankommt, solange der Höhe nach ausrei-chend Eigenkapital während der Laufzeit des Fremdkapitals vorhan-den ist. Bei der Verschuldung ist der Zeitpunkt der Rückzahlung ver-traglich festgelegt.

– Haftung (Nachrangigkeit): Mit der Eigenschaft, Eigenkapitalausstat-tung hafte, Verschuldung nicht, wird der schlecht passende Rechts-begriff „Haftung“, also das Einstehen für die Erfüllung einer Schuld, für einen nicht klar ausgesprochenen wirtschaftlichen Sachverhalt gewählt. Mit der Haftungsfunktion ist eigentlich die Eigenschaft der Eigenkapitalausstattung als Puffer vor Verlusten („Pufferfunktion“) und nicht die rechtliche Erzwingbarkeit der Schulderfüllung gemeint. Nur solange ein Verlustpuffer besteht, lassen sich in Betrag und Zeitpunkt festliegende Auszahlungsansprüche erfüllen. Bei genauerer Betrach-tung lässt sich feststellen, dass das Haftungsmerkmal eine Folge aus dem Residualanspruch ist. Da eine reine Eigenkapitalausstattung ver-traglich ausschließlich ergebnisabhängige Auszahlungsansprüche be-inhaltet und eine reine Verschuldung ausschließlich ergebnisunab-hängige Auszahlungsansprüche, werden Verluste zunächst der Eigen-kapitalausstattung und erst nach deren Aufzehrung den Auszahlungs-ansprüchen der Inhaber der Fremdkapitalinstrumente angelastet.

– Verfügungsmacht: Auch bei diesem Merkmal, das eine Eigenkapital-ausstattung mit einer Verfügungsmacht (Leitungsbefugnis) verknüpft, wird eine rechtliche Zuordnung („Eigentum schafft Verfügungsmacht“)

80 Vgl. Olfert; Reichel (2003), S. 27. 81 Vgl. Däumler (1997), S. 20.

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fälschlicherweise für einen ökonomischen Sachverhalt gehalten. So sind natürlich in einer firmenbezogenen – im Gegensatz zu einer per-sonenbezogenen – Unternehmung Eigentum (im Sinne von Anteils-rechten) und Verfügungsmacht über den Kapitalmarkt getrennt. Die Eigenkapitalausstattung schützt die Fremdkapitalgeber vor Verlusten, nachdem solche eingetreten sind. Diese Risikoübernahme durch das Bereitstellen eines Verlustpuffers ist ökonomisch ein anderer Sach-verhalt als die Arbeitsqualifikation zur Leitung.

Die Betrachtung der genannten Merkmale (Funktionen) des Eigenkapitals mit den ebenfalls aufgeführten Vor- und Nachteilen führt zu dem Ergeb-nis, dass sämtliche Finanzkontrakte, so verschiedenartig sie auch sind oder sein mögen, sich in ihren Charakteristika auf die folgenden Grund-elemente zurückführen lassen:82

– Zeit: Mit „Zeit“ sind die Zeitpunkte gemeint, zu denen in einem Fi-nanzkontrakt Rückflüsse vorgesehen sind. Diese können fest verein-bart (wie bei einem Kredit) oder von bestimmten Bedingungen abhän-gen (wie Gewinnausweis der Unternehmung). Die Bewertung von Zahlungsströmen zu verschiedenen Zeitpunkten erfolgt durch Diskont-faktoren. Das Rechnen mit Barwerten betont geradezu das Element der Zeit (Time Value of Money).

– Risiko: Das Element Zeit beinhaltet sogleich das zweite Element der „Unsicherheit“, da auf die Zukunft gerichtete Finanzkontrakte regel-mäßig mit Entwicklungen zu tun haben, die von der Gegenwart aus betrachtet stets unsicher sind. So ist insbesondere bei Beteiligungs-titeln einzuschätzen, wie sicher die vereinbarten, vermuteten oder er-hofften Zahlungszeitpunkte und Rückflussbeträge eingehalten werden und von welchen Faktoren, exogenen Entwicklungen und auch Verhal-tensweisen des Kapitalnehmers sie zusätzlich beeinflusst werden. Bei Beteiligungstiteln wird die Unsicherheit besonders deutlich, da die Zeitpunkte und die Beträge der Rückflüsse an die Eigenkapitalgeber vom unternehmerischen Risiko abhängen. Können den denkbar mög-lichen Umweltzuständen (subjektive) Wahrscheinlichkeiten zugeord-

82 Vgl. zu diesem Ansatz Spremann, K. (1996), Wirtschaft, Investition und Finanzierung, 5. Aufl., München(Oldenbourg) 1996, S. 108 ff.

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net werden, spricht man von Risiko. Grundsätzlich sind Beteiligungsti-tel mit größeren Risiken behaftet als Forderungstitel.

– Information: Das Phänomen, dass der Kapitalnehmer regelmäßig einen Informationsvorsprung gegenüber dem Kapitalgeber bezüglich seiner Fähigkeit hat, Rückflüsse in der vereinbarten oder vom Kapital-geber erhofften Höhe zu tätigen, heißt asymmetrische Information. Beim Eigenkapital übernimmt der Kapitalgeber zum Teil erhebliche Ri-siken, die sich auf das spezifische Verhalten der Kapitalnehmer (Ma-nagement) zurückführen lassen. Aus diesem Grund sehen viele Fi-nanzkontrakte neben einer Renditeprämie für das übernommene Risiko zusätzlich Entscheidungs- und Kontrollrechte vor.

Insbesondere die letzten beiden Elemente, Risiko und Information, legen den Unterschied zwischen Eigen- und Fremdkapital fest. Innerhalb der beiden Grundtypen von Finanzierungstiteln gibt es vielfältige Möglichkei-ten zur differenzierten Ausgestaltung im Einzelnen. Beteiligungstitel kön-nen mit Eigenschaften ausgestattet werden, die sie den Forderungstiteln annähern (wie Vorzugsaktien mit fester Dividende). Auch Forderungstitel werden mit Eigenschaften ausgestattet, die sie in die Nähe von Beteili-gungstiteln bringen (wie Darlehen mit Gewinnbeteiligung). Betrachtet man die ökonomisch relevanten Eigenschaften, bestehen fließende Übergänge zwischen Forderungs- und Beteiligungstiteln. Damit gibt es auch keine feste Grenze zwischen Eigen- und Fremdkapital. 83

– Reine Eigenkapitalausstattung: Vertraglich vereinbarte (bedingte) Aus-zahlungsansprüche an eine Unternehmung aufgrund von Einlagen in Geld, Sachen, Diensten, Rechten oder Verzichten auf Einnahmen stel-len die reine Eigenkapitalausstattung dar. Die Auszahlungsansprüche sind ausschließlich ergebnisabhängig (residualbestimmt), wobei diese während der Lebensdauer des Unternehmens (Gewinnausschüttung und Einlagenrückzahlung) oder erst am Ende der Lebensdauer des Unternehmens (Liquidationsanteil) erfüllt werden können.

– Reine Verschuldung: Vertraglich vereinbarte (bedingte) Auszahlungs-ansprüche an eine Unternehmung von Einlagen in Geld, Sachen,

83 Vgl. Franke, G.; Hax, H. (2004), Finanzwirtschaft des Unternehmens und Kapitalmarkt, 5. Aufl., Berlin (Springer) 2004, S. 31.

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Diensten, Rechten oder aufgrund einseitiger Verpflichtungen der Un-ternehmung stellen die reine Verschuldung dar. Die Auszahlungsan-sprüche sind ausschließlich ergebnisunabhängig und im absoluten Betrag und Zeitpunkt festgelegt.

Die reine Eigenkapitalausstattung ist eine alle finanziellen Risiken tragende Kapitalanlage für die Inhaber solcher Zahlungsansprüche. Solange Verträ-ge eindeutig abgefasst und eingehalten werden, führt die reine Verschul-dung hingegen definitionsgemäß zu einer finanziell risikolosen Kapital-anlage für die Inhaber solcher Zahlungsansprüche („Gläubiger“).

9.6 Zusammenfassung: The Saga continues

Ziel des Beitrages ist es, die grundsätzliche Trennbarkeit von Eigen- und Fremdkapital aus betriebswirtschaftlicher Sicht zu analysieren. Im Mittel-punkt steht die Eigenkapitaldefinition, da die von diesen nicht erfassten Kapitalformen zwingend zum Fremdkapital zu zählen sind.

Es zeigte sich, dass alle gängigen Definitionen keine einhellige und keine befriedigende Antwort auf die Frage geben, was auf einer betriebswirt-schaftlichen Erklärungsebene die „Eigenkapitalausstattung“ von der „Ver-schuldung“ trennt. So sind die juristischen Zirkel-Definitionen der Begriffe „bilanzielles Eigenkapital“, „haftendes Eigenkapital“ und „Eigenmittel“ in den jeweiligen Gesetzen unbrauchbar, bestimmte Sachverhalte zur Eigen-kapitalausstattung einer Unternehmung zu zählen. Das tautologische Vor-gehen bei den Gesetzesdefinitionen mit der einhergehenden offenkundi-gen wirtschaftlichen Inhaltslosigkeit leitete über zu einer Darstellung und Analyse der betriebswirtschaftlichen Definitionsversuche.

Die in der Literatur zur Allgemeinen Betriebswirtschaftslehre vorgestellten fünf Eigenkapitaldefinitionen sind allesamt im Hinblick auf die Kriterien Eindeutigkeit der Zuordnung bestimmter Kapitalinstrumente zu Eigen- oder Fremdkapital, Manipulierbarkeit der Zuordnung und Informationsgehalt zu kritisieren. Die Betrachtung der finanzwirtschaftlichen Definition des Ei-genkapitals bei der die Residualdefinition des Eigenkapitals in Verbindung gebracht wird mit dem Merkmal der „bedingten Auszahlungsansprüche“, ergibt auch keine aussagekräftige Definition, mit der man Finanzierungsti-tel eindeutig dem Eigenkapital- oder Fremdkapital zuschlagen könnte. Ei-

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ne Grenze zwischen Eigen- und Fremdkapital klar anhand eines einzelnen Kriteriums in einer Definition zu ziehen, ist folglich nicht möglich.

Eine wissenschaftliche Betrachtung führte zu einer idealtypischen Defini-tion von Eigenkapitalausstattung, bei der die Vielzahl der Merkmale (Funk-tionen) des Eigenkapitals mit den ebenfalls aufgeführten Vor- und Nachteilen sich auf die drei Grundelemente Zeit, Risiko und Information zurückführen lassen. Ansprüche von Eigenkapitalgebern sind nach der idealtypischen Eigenkapitaldefinition gekennzeichnet durch eine vertragliche (absprache-konforme), ausschließliche Ergebnisabhängigkeit im Fortführungsfall (Nicht-Liquidationsfall) in Verbindung mit einer buchmäßigen Reduktion des Ka-pitalbestandes im Verlustfall und dem Fehlen eines vertraglich festgelegten Rückzahlungszeitpunktes, oder durch die vertragliche (absprachekonfor-me) Platzierung des Anspruches als Residualanspruch nach allen gesetz-lich und/oder vertraglich vorrangig platzierten Ansprüchen im (freiwilligen) Liquidationsfall oder (erzwungenen) Zerschlagungsfall.

Insgesamt betrachtet, bleibt das „Debt-Equity-Puzzle“ (Fremdkapital-Eigen-kapital-Puzzle) weiterhin ungelöst. Die Suche nach dem Kriterium oder den Kriterien, mit denen man eindeutig Eigen- von Fremdkapital trennen kann, geht weiter. Die Forderung der Investoren nach vergleichbaren und ent-scheidungsrelevanten Informationen über Unternehmen und über deren Eigenkapital im Speziellen macht es unausweichlich, dass man sich ver-stärkt diesem Problem zuwendet.

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Stand: August 2007

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Finanzkolloquium IAS 32– Weiterentwicklung von IAS 32 zwingend erforderlich –

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