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Religiöser Fundamentalismus wird häufig als Reaktion auf die Dominanz der west- lichen Zivilisation gedeutet – doch reicht diese Betrachtungsweise aus, um die Kon- fliktlinien zwischen radikalen Fanatikern und religiösen Liberalisten zu verstehen? Aus ihren jahrzehntelangen Erfahrungen mit »Theologie interkulturell« können die katholischen Theologen der Universität Frankfurt zusätzliche Denkanstöße für die- se Debatte in der globalisierten Welt ge- ben: Das religiöse Bewusstsein, ob im Christentum, Islam, Hinduismus oder in an- deren Religionen, ist immer geprägt von ei- ner unauflöslichen Dialektik – von der grundlegenden Unterscheidung zwischen Gott und der erlösungsbedürftigen Welt und von der Gegenwart des Göttlichen in der Welt. Wenn dieses sensible dialektische Gefüge gestört wird, wenn beispielsweise die eigene religiöse Welt mit der Wahrheit Gottes gleichgesetzt wird, wie Fundamenta- listen aller Religionen es praktizieren, ist auch der interkulturelle Dialog in Gefahr. as haben religiöse Traditionen, die sich begeg- nen, mit dem Gehirn, das denkt und entschei- det, gemeinsam? Beide stehen für menschliche Individuen, die handeln. Das Gehirn ist ein evolutiv entstandener Teil des Zentralnervensystems von Wirbel- tieren. Kulturelle und religiöse Traditionen sind Objekti- vationen sozialen menschlichen Handelns, zum Beispiel Normen, Gewohnheiten, Rituale, Institutionen, Stile. Aber irgendeinen Sinn muss die analoge Redeweise von den sich begegnenden Traditionen und dem denkenden Gehirn haben. Wenn die christlichen Erfahrungs- muster nicht greifen Während eines Indienaufenthalts im Frühjahr 1994 be- suchte ich zusammen mit einem Frankfurter Kollegen und einem indischen Freund auch die berühmte Tem- pelstadt Kanchipuram in der Umgebung von Madras, eine der sieben heiligen Städte Indiens. Wir gingen dort auch in den riesigen, seit dem 16. Jahrhundert weiter ausgebauten Ekambareshwara-Tempel, der dem Haupt- gott Shiva geweiht ist und in dem sich der berühmte mythische Mangobaum befindet, der 3500 Jahre alt sein soll und als Manifestation Shivas gilt. In einer der vielen Kultnischen mit einem Kultbild Shivas und seiner Ge- mahlin Parvati wurden wir von zwei jungen Priestern freundlichst zu einem Gottesdienst eingeladen. Unser indischer Freund nickte uns aufmunternd zu, zahlte den gewünschten Obulus, und ehe wir uns versahen, nah- men wir an einer gottesdienstlichen Handlung teil, die uns zugleich irritierte durch ihre Fremdheit, wie sie uns religiös anrührte wegen ihrer Ernsthaftigkeit, ihres Sym- bolreichtums und ihrer Würde. Nach Beendigung der Kulthandlung setzten wir dann – begleitet von den bei- den jungen Hindu-Priestern – unseren Rundgang fort, Forschung intensiv Forschung Frankfurt 1/2006 18 Wie Religionen fundamentalistisch werden Über die Rolle religiöser Traditionen im interkulturellen Dialog Von Siegfried Wiedenhofer Der Imam aus dem dänischen Århus, Achmed Akkari, mit sei- nem Dänemark-Dossier – eine 43 Seiten dicke Akte, in der die Mohammed-Karikaturen aus der Zeitung »Jyllands Posten« enthalten sind. Er ist der Sprecher einer Gruppe von 27 mus- limischen Organisationen, die Delegationen mit diesem Dos- sier in die arabische Welt schickten. W

Forschung intensiv Wie Religionen fundamentalistisch werden · werden. Da war es kein weiter Schritt, auch mit Theolo-gen anderer Länder darüber zu debattieren, wie inter-kultureller

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Rel ig iöse r Fundamenta l i smus wi rd häuf iga ls Reakt ion auf d ie Dominanz der wes t -l i chen Z iv i l i sa t ion gedeute t – doch re ichtd iese Bet rachtungsweise aus , um d ie Kon-f l i k t l in ien zwischen rad ika len Fanat ike rnund re l ig iösen L ibera l i s ten zu ve rs tehen?Aus ih ren jahrzehnte langen Er fahrungenmi t »Theo log ie in te rku l tu re l l« können d iekatho l i schen Theo logen der Unive rs i tä tF rankfur t zusä tz l iche Denkanstöße fü r d ie -se Debat te in der g loba l i s ie r ten Wel t ge -ben: Das re l ig iöse Bewuss tse in , ob imChr i s tentum, I s lam, Hinduismus oder in an-deren Re l ig ionen, i s t immer gepräg t von e i -ne r unauf lös l ichen Dia lek t ik – von derg rund legenden Unte rsche idung zwischenGot t und der e r lösungsbedür f t igen Wel t undvon der Gegenwar t des Göt t l i chen in derWel t . Wenn d ieses sens ib le d ia lek t i scheGefüge ges tö r t w i rd , wenn be isp ie l swe ised ie e igene re l ig iöse Wel t mi t de r Wahrhe i tGot tes g le ichgesetz t w i rd , w ie Fundamenta -l i s ten a l le r Re l ig ionen es p rak t i z ie ren , i s tauch der in te rku l tu re l le D ia log in Gefahr.

as haben religiöse Traditionen, die sich begeg-nen, mit dem Gehirn, das denkt und entschei-det, gemeinsam? Beide stehen für menschliche

Individuen, die handeln. Das Gehirn ist ein evolutiventstandener Teil des Zentralnervensystems von Wirbel-tieren. Kulturelle und religiöse Traditionen sind Objekti-vationen sozialen menschlichen Handelns, zum BeispielNormen, Gewohnheiten, Rituale, Institutionen, Stile.Aber irgendeinen Sinn muss die analoge Redeweise vonden sich begegnenden Traditionen und dem denkendenGehirn haben.

Wenn die christlichen Erfahrungs-muster nicht greifen

Während eines Indienaufenthalts im Frühjahr 1994 be-suchte ich zusammen mit einem Frankfurter Kollegenund einem indischen Freund auch die berühmte Tem-

pelstadt Kanchipuram in der Umgebung von Madras,eine der sieben heiligen Städte Indiens. Wir gingen dortauch in den riesigen, seit dem 16. Jahrhundert weiterausgebauten Ekambareshwara-Tempel, der dem Haupt-gott Shiva geweiht ist und in dem sich der berühmtemythische Mangobaum befindet, der 3500 Jahre alt seinsoll und als Manifestation Shivas gilt. In einer der vielenKultnischen mit einem Kultbild Shivas und seiner Ge-mahlin Parvati wurden wir von zwei jungen Priesternfreundlichst zu einem Gottesdienst eingeladen. Unserindischer Freund nickte uns aufmunternd zu, zahlte dengewünschten Obulus, und ehe wir uns versahen, nah-men wir an einer gottesdienstlichen Handlung teil, dieuns zugleich irritierte durch ihre Fremdheit, wie sie unsreligiös anrührte wegen ihrer Ernsthaftigkeit, ihres Sym-bolreichtums und ihrer Würde. Nach Beendigung derKulthandlung setzten wir dann – begleitet von den bei-den jungen Hindu-Priestern – unseren Rundgang fort,

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Wie Religionen fundamentalistisch werden

Über die Rolle religiöser Traditionen im interkulturellen Dialog

Von Siegfried Wiedenhofer

Der Imam aus dem dänischen Århus, Achmed Akkari, mit sei-nem Dänemark-Dossier – eine 43 Seiten dicke Akte, in derdie Mohammed-Karikaturen aus der Zeitung »Jyllands Posten«enthalten sind. Er ist der Sprecher einer Gruppe von 27 mus-limischen Organisationen, die Delegationen mit diesem Dos-sier in die arabische Welt schickten.

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mit einem seltsam zwiespältigen Gefühl: Einerseits ani-miert und geradezu verwandelt, es war tatsächlich soetwas wie eine neue spirituelle Erfahrung geschehen;zugleich aber auch verunsichert und ratlos, ließ sichdiese doch nicht in unsere gewohnten christlichen Er-fahrungsmuster einordnen. Nun ist klar, wer einanderhier begegnet ist, das waren nicht religiöse Traditionen,das waren nicht Christentum und Hinduismus, sondernbestimmte Individuen, die sich als Hindus beziehungs-weise als Christen verstanden haben.

Vielleicht wäre die Begegnung anders abgelaufen,wenn andere Hindus und Christen beteiligt gewesenwären, aber auch sie hätten sich – bewusst oder unbe-wusst – als Mitglieder unterschiedlicher religiöser Ge-meinschaften und vor dem Hintergrund unterschiedli-cher religiöser Traditionen getroffen. Denn wie Gesell-schaften, Kulturen und Religionen aus dem kreativenund sozialen Handeln von Individuen und Gruppenentstanden sind und sich darin auch weiter entwickeln,so werden auch einzelne Menschen zu Individuen, in-dem sie in einer bestimmten Gesellschaft, Kultur undReligion sozialisiert werden.

Goethe hat diese dialektische Erfahrung in einem äs-thetischen Zusammenhang nach 1812 in folgendenSpruch gefasst:

»Gern wär' ich Überlieferung losUnd ganz original;Doch ist das Unternehmen großUnd führt in manche Qual.Als Autochthone rechnet' ichEs mir zur höchsten Ehre,Wenn ich nicht gar zu wunderlichSelbst Überliefrung wäre.«

Die Herausforderungen der Globalisierung

Im Zeitalter der Globalisierung scheint das alles insofernnoch komplizierter zu werden, als nun das Nebeneinan-der, Gegeneinander und Miteinander von unterschied-lichen Gesellschaften, Kulturen und Religionen zu einersolchen substanziellen Gegebenheit wird, dass sich ihrkeine Gesellschaft, Kultur und Religion mehr entziehenkann. Wenn ich mich als Vertreter einer westlichen Ge-sellschaft und Kultur verstehe, so steht damit heute un-abwendbar das Verhältnis zu nicht-westlichen Gesell-schaften und Kulturen zur Debatte. Und wenn ich michals Christ bekenne, so ist das heute nicht mehr möglich,ohne mein Verhältnis zu den anderen Religionen zuklären.

Im gemeinsamen Projekt »Theologie interkulturell«ist diese komplexe Fragestellung lange vor der heutigenGlobalisierungsdebatte aufgenommen worden: Zu-nächst ging es uns vor allem darum, wie der christlicheGlaube sich in den regionalen Kulturen entwickelt undsich auf die katholische Weltkirche auswirkt – kurz ge-sagt: um die Frage nach einem weltkirchlichen Dialogder unterschiedlichen regionalen Theologien. RegionaleKultur und Religion müssen gemeinsam betrachtet

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Muslimische Fundamentalisten verbrennen die dänische Flag-ge – hier am 19. Februar 2006 in Pakistan. Die Veröffentli-chung von Mohammed-Karikaturen in der dänischen Zeitung»Jyllands Posten« hat weltweit für große Spannungen gesorgt.Gewalttätige Proteste in der islamischen Welt sind die Folge,während im Westen die Veröffentlichung mit dem Argumentder Pressefreiheit verteidigt wird. Die Empörung vieler Musli-me stößt im säkularisierten Europa auf Unverständnis. Dochmelden sich auch nachdenkliche Stimmen: Sind nicht auchdie religiösen Gefühle von Andersgläubigen zu achten?

Jubelnde Hindus auf der Kuppel der eroberten Babri-Moscheein Ayodhya: Radikale Hindus, überwiegend angereist, zerstör-ten am 6. Dezember 1992 die 1528 erbaute Moschee, um anderen Stelle zu Ehren des Hindu-Gottes Rama einen Tempelzu errichten. Sie sahen ihre gewaltsame Aktion dadurch legiti-miert, dass an diesem Ort vor Jahrhunderten ein Tempel andie Geburtsstätte Ramas erinnert habe, der ebenfalls zerstörtworden sei – was historisch nicht belegt ist. Immer wiederwechselten Phasen von Koexistenz und Konflikt; so hattenbeispielsweise im 19. Jahrhundert die britischen Kolonial-machthaber einen Kompromiss zwischen den Religionsge-meinschaften ausgehandelt: Muslime durften weiter in derMoschee beten, Hindus ihre Riten im Hof des Gotteshausesvollziehen. Die 1992 durch die Zerstörung ausgelösten Unru-hen forderten in ganz Indien mehr als 2000 Menschenleben.Die Stadt Ayodhya ist seitdem ein Synonym für Hass und Ge-walt zwischen den Religionsgemeinschaften auf dem Subkon-tinent.

werden. Da war es kein weiter Schritt, auch mit Theolo-gen anderer Länder darüber zu debattieren, wie inter-kultureller und interreligiöser Dialog zu realisieren ist.Dass kulturelle und religiöse Identitäten auch immersehr existenzielle und politische Fragen sind, zeigtenunsere intensiven internationalen Begegnungen. Sowurden beispielsweise mit einem unserer Kooperations-partner, dem »Institute for the Study of Religion« inPoona/Indien, vier interreligiöse Konferenzen, die inIndien stattfanden, organisiert.

Bei diesen Konferenzen machten wir eine Vielzahlinterkultureller und interreligiöser Erfahrungen, ähn-lich wie sie eingangs geschildert worden sind: Ahnun-gen eines Verstehens, Angezogensein vom Fremden,erste Schritte einer Anerkennung des Anderen, Sich-Begegnen in einer gemeinsamen spirituellen Grunder-fahrung. Aber auch das Gegensätzliche erlebten wir: Dabauten sich unerwartet unüberwindlich scheinende Dif-ferenzen in theologischen und politischen Fragen auf,Missverständnisse und wechselseitige Verdächtigungenblieben nicht aus, führten auch zu Konflikten. Diese Er-fahrungen haben die ursprüngliche Ahnung bestätigt,dass religiöse Traditionen und ihre Wechselwirkungenäußerst komplex sind.

Das moderne »Höhlen-Gleichnis«und die Dialektik der Tradition

Selbst das Verhältnis von Religion und moderner Gesell-schaft und Kultur ist längst noch nicht abschließend ge-klärt. Nicht nur fundamentalistische Strömungen inallen Religionen sind eine Herausforderung, die immernoch nicht hinreichend verstanden ist. Der inzwischenweltweite Konflikt um die zwölf Mohammed-Karikatu-ren in der dänischen Zeitung »Jyllands Posten« enthülltgerade in der Spannung zwischen der Achtung vor reli-giösen Überzeugungen und den individuellen liberalenFreiheitsrechten der Moderne nur ein weiteres Mal,dass auch in den modernen Gesellschaften eine latente

Grundspannung zwischen Religi-on und Moderne vorhanden ist,die offenbar noch nicht hinrei-chend aufgearbeitet ist.

Dies ist im Übrigen eng miteiner weiteren Grundspannungder Moderne verbunden – mitder Dialektik von Vernunft undTradition. Auf der einen Seite istdie Moderne seit der Aufklärungvon der Opposition zwischendem Bloß-Überkommenen undden durch kritische und kreativeVernunft neu gestalteten Lebens-verhältnissen bestimmt. Auf deranderen Seite wurde in der Mo-derne umgekehrt deutlich, dassdie Vernunft selbst nur als ge-schichtliche, und das heißt, ein-gebettet in Traditionen, existiert.Jede noch so revolutionäre Be-wegung muss sich umgehend

auch als Tradition formieren. Und keine neue menschli-che Erfahrung und Erkenntnis wäre realisierbar ohneeinen Bewusstseinshorizont, den geschichtliche Tradi-tionen immer schon bereitstellen. Der polnische Philo-soph Leszek Kolakowski hat diese Dialektik des Traditi-onsbegriffs einmal auf die einfache Formel gebracht: »Esgibt zwei Umstände, deren wir uns immer gleichzeitigerinnern sollen: Erstens, hätten nicht die neuen Gene-rationen unaufhörlich gegen die ererbte Tradition revol-tiert, würden wir noch heute in Höhlen leben; zweitens,wenn die Revolte gegen die ererbte Tradition einmaluniversell würde, werden wir uns wieder in den Höh-len befinden.«

Universale Zeichensysteme und die komplexe Traditionstheorie

Das Teilprojekt von »Theologie interkulturell«, »Logik,Hermeneutik und Pragmatik religiöser Traditionen. Einekomplexe Theorie und Theologie der Tradition«, unter-nimmt nun ausdrücklich einen Versuch, diese Komple-xität kultureller und religiöser Traditionen durch eineumfassende komplexe Traditionstheorie abzubilden, inder nicht nur der Pluralismus der Kulturen und Religio-

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Geöffnete Hände – eine Gebetshaltung, die Muslime, hier ineiner Moschee in Bonn, ebenso einnehmen wie Christen. Siesymbolisiert die Bereitschaft, das wahre Leben als Gabe Got-tes zu empfangen.

Segen erteilenund empfangen –auch diesen Ritusgibt es in ganz un-terschiedlichenReligionen. Hierder Blasius-Se-gen: Er wird amGedächtnistag desHeiligen Blasiusals »Halssegen«für die Gesundheitin der katholischenLiturgie gespen-det. Der Märtyrer-bischof Blasius,der vorher Arztwar, soll um 300ein Kind, das eineFischgräte ver-schluckt hatte, vordem Ersticken be-wahrt haben.

nen seinen festen Ort findet, sondern in der auch nochdie verschiedenen Disziplinen und auch die verschiede-nen theoretischen Ansätze so miteinander ins Gesprächgebracht und zueinander in Beziehung gesetzt werdenkönnen, dass ein umfassenderes und differenzierteresBild von religiösen (und kulturellen) Traditionen ge-wonnen werden kann.

Als übergreifender Rahmen wurde ein kultursemio-tischer Ansatz gewählt, der sich jedenfalls bisher sehrgut bewährt hat. Wie Sprachen als sprachliche Zeichen-systeme und Zeichenprozesse in einer Zeichenlehre (Se-miotik) hinsichtlich ihrer Grammatik (in Bezug auf dieRegeln, nach denen Zeichen miteinander verbundenwerden), hinsichtlich ihrer Semantik (in Bezug auf dieRegeln, nach denen Zeichen etwas bedeuten bezie-hungsweise bezeichnen) und hinsichtlich ihrer Pragma-tik (in Bezug auf die Regeln, nach denen Zeichenbenüt-zer handeln) untersucht werden können, so könnenauch Kulturen und Religionen beziehungsweise kultu-relle und religiöse Traditionen als Zeichensysteme undZeichenprozesse analysiert werden.

Was leistet nun eine solche semiotisch fundiertekomplexe Theorie religiöser Traditionen als wechselsei-tige Bestimmung einer Grammatik (Logik), Semantik(Hermeneutik) und Pragmatik religiöser Traditionen?Ich möchte das nur an einem Beispiel aus dem Bereichder Logik religiöser Traditionen erläutern. Woher kommtder religiöse Fundamentalismus? Woher kommt dieserneue religiöse Fanatismus, dieser neue aggressive Abso-lutheitsanspruch von ganzen Gruppen von Gläubigen?In heutigen wissenschaftlichen Analysen und ihren me-dialen Vereinfachungen dominieren vor allem funktio-nale und historische Erklärungen. Dass religiöse Tradi-tionen fundamentalistisch werden, hängt dann etwadamit zusammen, dass sie unter der Macht der moder-nen Gesellschaft und Kultur beziehungsweise ange-sichts der Dominanz der westlichen Zivilisation unterExistenzdruck geraten und sich sozusagen selbst verab-solutieren müssen, um sich retten zu können, oderauch damit, dass sie noch einer primitiven »mittelalter-lichen« Entwicklungsstufe zugehören, die noch nichtzwischen Religion und Politik, Kirche und Staat unter-scheiden kann. Bei allen Erklärungen dieser Art bleibennormative Aspekte, wie etwa die Unterscheidung von

wahrer und falscher Religion, authentischer und nicht-authentischer Religion ausgeklammert. Ist beispiels-weise die Scientology Church eine Religion? HabenFußballspiele einen religiösen Charakter? Was ist dieauthentischere Form des Christentums, Katholizismus,Protestantismus oder Orthodoxie? Solche Fragen wer-den üblicherweise am ehesten der Theologie zugescho-ben. Als Binnenreflexion religiöser Traditionen hat sieimmer schon die schwierige Aufgabe wahrgenommen,die Wahrheitsansprüche religiöser Traditionen in derdoppelten Perspektive der wissenschaftlichen Vernunftund des Glaubens einer bestimmten Glaubensgemein-

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Das Göttliche erfahren Menschen aller Religionen auch übersinnliche Wahrnehmungen wie Berühren, Riechen undSchmecken. Hier ein buddhistischer Mönch bei einer Tempel-weihe.

Prof. Dr. Siegfried Wiedenhofer, 64, (links) studierte Theo-logie und Philosophie an den Universitäten Graz, Bonn,Münster und Tübingen, und was wissenschaftlicher Assis-tent in Tübingen und Regensburg. Seit 1981 lehrt undforscht er als Professor für Fundamentaltheologie und Dog-matik am Fachbereich Katholische Theologie der UniversitätFrankfurt. Neben anderen grundlagentheoretischen Fragender Theologie gilt sein Hauptinteresse schon seit früher Zeitden Fragen einer Traditionstheorie und Traditionstheologie,zumal es dabei nicht nur um die Möglichkeit einer interdis-ziplinären Zusammenarbeit, sondern auch um methodologi-sche Grundfragen der Auslegung christlicher Glaubensüber-lieferung, insbesondere auch im interkulturellen undinterreligiösen Kontext, geht.

Prof. Dr. Thomas Schreijäck, 53, studierte katholische Theo-logie, Philosophie und Pädagogik in Mainz, Basel, Salzburg

und Freiburg. Von 1982 bis 1992 warer wissenschaftlicher Assistent undLehrbeauftragter an den UniversitätenSalzburg, Fribourg und Tübingen;1993 wurde er auf die Professur fürTheologie und ihre Didaktik an derUniversität Kiel berufen. Seit 1995 istSchreijäck Professor für Pastoraltheo-logie, Religionspädagogik und Keryg-matik am Fachbereich KatholischeTheologie an der Universität Frankfurtund seit 2003 erster Vorsitzender von»Theologie interkulturell«. Zu seinen Arbeits- und Forschungs-schwerpunkten gehören: religionspädagogische Bildungstheo-rie, Theorie und Praxis religiöser Bildung und Erziehung, kon-textuelle Theologien in Lateinamerika, Theologie interkulturellin praktisch-theologischer Perspektive.

Die Autoren

schaft zu reflektieren. Aber mit solchen normativen Fra-gen hängt durchaus zusammen, wie und warum reli-giöse Überzeugungen zu achten sind und welche Kritik,welche Satire und welche Karikaturen sich Gläubige ge-fallen lassen müssen.

Das im Zeichen verborgene transzendente Geheimnis

In der Logik religiöser Traditionen geht es nicht um dieInhalte religiöser Zeichensysteme – diese sind sehr un-terschiedlich –, sondern um deren Strukturen, insbe-sondere um die Struktur des religiösen Bewusstseins,das die religiösen Zeichenwelten hervorbringt. Wennder Begriff »Religion« sinnvoll sein soll und etwas »Re-ligiöses« von etwas Nicht-Religiösem abgegrenzt wer-

den soll, dann muss eine letzte Gemeinsamkeit reli-giöser Traditionen mindestens in der Struktur des reli-giösen Bewusstseins anzutreffen sein. Tatsächlich findetsich in allen authentischen religiösen Zeugnissen einedialektische Grundbestimmung: So wird auf der einenSeite streng unterschieden zwischen Gott (dem Göttli-chen, dem Heiligen, Absoluten), der allein das wahreSein und Leben gewährt, und der erlösungsbedürftigenirdischen Welt; gleichzeitig setzen religiöse Zeugnisseaber auch eine Einheit von Gott und Welt voraus, inso-fern das Göttliche inmitten dieser Welt und vermittelsdieser Welt den Gläubigen zeichenhaft begegnet. Ohnesolche weltlichen Zeichen wie Heilige Schriften, Riten,Normen, Institutionen, Personen, Orte, Zeiten und Bau-werke gäbe es keine Gegenwart des Göttlichen in dieserWelt – Menschen können alles Göttliche nur nach derMaßgabe ihrer menschlichen Erfahrungsfähigkeit erle-ben. Aber kein weltliches Zeichen ist das Göttliche. Indieser zeichenhaften Gegenwärtigkeit des Göttlichen inder Welt ist Gott im weltlichen Zeichen offenbar und er-fahrbar, doch bleibt er zugleich das im Zeichen verbor-gene transzendente Geheimnis. Religiöser Glaube istdaher die Fähigkeit, weltliche Zeichen als Erscheinungs-gestalt göttlicher Nähe und Gegenwart zu verstehenund auf diese Weise religiöse Erfahrungen zu machen.Diese Fähigkeit wird in den einzelnen religiösen Tradi-tionen über ihre spezifische religiöse Zeichen-, Bedeu-tungs- und Handlungsstruktur eingeübt. Im Hinduis-mus zum Beispiel geschieht dies vor allem über Haus-und Tempelrituale, im Judentum vor allem über dieWeisung Gottes, im Christentum vor allem über Gottes-dienst und Katechese in einer kirchlichen Gemein-schaft.

Pervertierung der Religion bei Fundamentalisten wie Liberalisten

Aber bereits diese gemeinsame dialektische Grundstruk-tur lässt erkennen, dass es eine doppelte strukturelleMöglichkeit für religiöse Traditionen gibt, sich selbst zuverfehlen. Einmal kann die Einheit von Gott und Weltbetont und deren Differenz ausgeblendet werden,indem die eigene religiöse Welt mit der Wahrheit Gottesidentifiziert wird. Aus dieser Perspektive wird sichtbar,warum die religiösen Fundamentalisten sich als diewahren Gläubigen verstehen können – sie aktivierentatsächlich eine wesentliche Grundbedingung religiöserErfahrung. Aber warum stellt religiöser Fundamentalis-mus, wenn er diese Identifikation des eigenen religiösenZeichensystems mit seinem Inhalt – der Absolutheit desGöttlichen – extrem und exklusiv durchführt, theolo-gisch gesprochen, die schlimmste Pervertierung der Re-ligion, nämlich Götzendienst dar? Weil er damit Gottund Welt verwechselt und die eigene religiöse Zeichen-gestalt vergöttlicht.

Aber auch das andere Extrem lässt sich in der Gegen-wart diagnostizieren: Viele Menschen in der westlichenWelt betonen die Differenz zwischen Gott und Welt zusehr und verdrängen damit das andere Moment, diezeichenhafte Gegenwärtigkeit Gottes in der Welt. Das istin den verschiedenen Spielarten des religiösen Liberalis-mus der Fall. Auch diese strukturelle Selbstverfehlunggeschieht aus einer genuin religiösen Motivation he-raus: Solche Gläubigen wollen das transzendente Ge-heimnis des Göttlichen schützen, Gott die Ehre geben,

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Prozessionen sindrituelle Zeichen-handlungen, indenen entwederdie Ankunft Got-tes in der Welt ge-feiert oder seineGegenwärtigkeitaus dem Innerendes Heiligtums indie profane Weltgetragen wird. Sotragen die Hindusauf der Insel LaReunion blumen-geschmückte Altä-re auf einem lan-gen Marsch durchdie Stadt. Bei derkatholischen Fron-leichnamsprozes-sion wird das Al-tarssakrament inGestalt der Hostiefeierlich durch dieStraßen getragen.

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Gewalteskalationen, die religiös oder kulturell be-gründet werden, machen mit Nachdruck darauf auf-merksam, dass bislang ungekannte Globalisierungs-prozesse auf allen Ebenen nach Kompetenzen imBereich des interreligiösen und interkulturellen Dia-logs verlangen. Dagegen galt es im Jahr 1985, demGründungsjahr von »Theologie interkulturell«, zu-nächst einmal, das Bewusstsein für die kulturell-kon-textuelle Bedingtheit von Religion und Religiosität zuschärfen.

Selbstverständlich sieht auch die katholische Kirchetrotz des weltweit gemeinsamen Bekenntnisses nichtauf der ganzen Welt gleich aus, und ebenso wird dieTheologie als wissenschaftliche Disziplin nicht unab-hängig von der kulturellen Perspektive betrieben. Schon das Zweite Vatikanische Konzil (1962 – 65)hatte von der »Weltkirche« in jenem Sinn gespro-chen, dass sich Kirche in dieser Welt verortet, undzwar auf der ganzen Welt, daher auch in einer jewei-ligen konkreten Umwelt und Bezugswelt. Damit ver-steht sich die Kirche als allumfassende Einheit in dif-ferenzierter Vielfalt. Entsprechend gehört es zumSelbstanspruch von »Theologie interkulturell«, Theo-logie als Gesamtheit von partikularen, kontextuellenTheologien zu verstehen, die ihren je eigenen Beitragzu einer universalen Theologie leisten, ohne jedochdas ihnen Besondere dafür aufzugeben.

Mit dem Anliegen, Theologie im weltkirchlichen Ho-rizont zu treiben und damit »Abschied vom Gott derEuropäer« zu nehmen, das heißt, die eurozentrischePerspektive der Theologie aufzubrechen, wurde»Theologie interkulturell« am Fachbereich Katholi-sche Theologie als Projekt in Forschung und Lehreeingerichtet. Auf diese Weise öffnete sich die wissen-schaftliche Theologie für Ansätze aus dem nicht-west-lichen Kontext und für theologische Verfahren, diesituations- und erfahrungsbezogen ansetzen und dieihre Forschung interdisziplinär betreiben.

Dies dokumentiert insbesondere die Gastprofessurvon »Theologie interkulturell«: In jedem Studienjahrwird eine Theologin beziehungsweise ein Theologeaus einem außereuropäischen Kulturkreis nachFrankfurt berufen. Die Finanzierung erfolgt aus Eigen-und eingeworbenen Drittmitteln von »Theologie in-terkulturell«. In Form einer öffentlichen Vorlesungs-reihe sowie einem begleitenden Seminar für Studie-rende und einem Oberseminar für Postgraduierte, dievorrangig im internationalen Promotionsprojekt »Re-ligion im Dialog« ihre Forschungsstudien betreiben,führen die Gastprofessoren in ihren kulturellen Kon-text ein und thematisieren die Inkulturation vonChristentum, Theologie und Kirche. Zentrales Anlie-gen ist die Entwicklung einer interreligiösen und in-terkulturellen Kommunikations- und Handlungs-kompetenz im globalen Horizont.

Die Gastvorlesungen werden in einer eigens einge-richteten Schriftenreihe publiziert; zusammen mit

den ebenfalls veröffentlichten Forschungsergebnissender Symposien liegen bis Ende des Jahres insgesamt 30Bände vor.

In den vergangenen zwei Jahrzehnten entstandenzahlreiche Kontakte und Kooperationen sowie Freund-schaften mit Kolleginnen und Kollegen weltweit. ImLaufe der Jahre vertieften die Wissenschaftler ihre Zu-sammenarbeit, dazu zählen gegenseitige Forschungs-aufenthalte und Gastvorträge sowie gemeinsame uni-versitäre Veranstaltungen; auch Doktorarbeiten werdengemeinsam betreut.

Die langjährigen Erfahrungen mit »Theologie interkul-turell« trugen maßgeblich dazu bei, dass im Oktober2001 das internationale Promotionsprogramm »Religi-on im Dialog« eingerichtet werden konnte, einer derForschungsschwerpunkte der Universität. Das Pro-gramm wird vom Deutschen Akademischen Aus-tauschdienst (DAAD) und der Deutschen Forschungs-gemeinschaft (DFG) gefördert.

Thomas Schreijäck

Informationenim Internet:www.theologie-interkulturell.dewww.religion-in-dialogue.net

20 Jahre »Theologie interkulturell«

Collage aller Gastprofessorinnen und -professoren der Jahre 1985 bis 2005 (vonlinks oben nach rechts unten): Bénézet Bujo (Kongo), Francis X. D’Sa (Indien), Be-nigno Beltran (Philippinen), John D’Arcy May (Pazifik), Juan Carlos Scannone (Ar-gentinien), Thaddäus Tui-Chieh Hang (China), Wladimir Iwanow (Russland), EnriqueDussel (Mexiko), Louis J. Mascarenhas (Pakistan), Fernando Diaz (Chile), HarukoK. Okano (Japan), Robert Schreiter (USA), Felix Wilfred (Indien), Obiora Ike (Nige-ria), Paulo Suess (Brasilien), Seemampillai Emmanuel (Sri Lanka), Luis Gutheinz(Taiwan), Nazaire Bitoto Abeng (Kamerun), Mary John Mananzan (Philippinen), Da-nielle Palmyre-Florigny (Mauritius).

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20 Jahre »Theologie interkulturell« geben Anlass zurBestandsaufnahme und zur Formulierung weiterfüh-render Perspektiven. Alle ehemaligen Gastprofesso-rinnen und -professoren werden vom 18. bis 20. Maizu einem internationalen Forschungssymposium inFrankfurt zusammenkommen. Damit wird das zen-trale Anliegen von »Theologie interkulturell«, ein Fo-rum der Begegnung und des Dialogs zwischen Konti-nenten und ihren kulturellen Kontexten im Horizontder christlichen Botschaft zu schaffen, in besondererWeise umgesetzt. Denn im Rahmen dieser Veranstal-tung treten die Kolleginnen und Kollegen aus Afrika,Asien, Nord- und Südamerika und dem Pazifik erst-mals auch untereinander in den theologisch-interkul-turellen Diskurs. Das Jubiläumssymposium findet un-ter dem programmatischen Titel statt: »Aufbruch ineine Welt für alle. Glaubenskommunikation in derVielfalt der Kulturen.«

Als authentische Repräsentanten ihrer eigenen Kultu-ren werden die ehemaligen Gastprofessorinnen und

-professoren schildern, wodurch ihr jeweiliger Le-bensraum heute gekennzeichnet ist und welche He-rausforderungen sich aktuell stellen. Sie werden auchdavon berichten, welche kultureigenen Potenzialemobilisiert werden, um diesen Herausforderungen zubegegnen. Folgende Fragen werden den Diskurs be-stimmen: Wie kann angesichts der häufig unmensch-lichen Zustände von Gott gesprochen werden? Wel-che Rolle spielen Religion, Ortskirche und Theologie,wenn sie um der Menschen willen beispielsweise Ein-spruch gegen politische und soziale Missstände erhe-ben und sie dennoch ihr ursprüngliches Selbstver-ständnis nicht in humanitärer Hilfe allein aufgehenlassen wollen? Ist die Kirche auf einem richtigen Weg,unterstützt oder hemmt sie den Aufbruch in eineWelt für alle? In welche Richtung gehen theologischeÜberlegungen im jeweiligen Kontext? Und schließ-lich: Lassen sich gemeinsame Optionen aus einerchristlichen Perspektive formulieren, die kulturelleDifferenzen beachten und somit dem Anspruch genü-gen, Theologie interkulturell zu betreiben?

Thomas Schreijäck

Jubiläumssymposium »Aufbruch in eine Welt für alle. Glaubenskommunikation in der Vielfalt der Kulturen«

Faculdade de TeologicaNossa Senhora

da Assunçao,São Paulo/Brasilien

Instituto Superiorde Ecuménico

Andino De TeologicaLa Paz/Bolivien

KatholischeUniversität

Cardenal RaulSilva HenriquezSantiago/Chile

Universität AntonioRuiz de Montoya

Lima/Peru

Faculté de Théologiede l‘Université

Catholiqued’Afrique CentraleYaoundé/Kamerun

The CatholicUniversity of

Eastern AfricaNairobi/Kenia

Catholic Institute for Development,Justice and Peace

Enugu/Nigeria

Enugu State Universityof Science & TechnologyEnugu/Nigeria

Institute for EcumenicalEducationEnugu/Nigeria

Institute for the Studyof Culture and Religion,Chonnam NationalUniversityKwangju/Südkorea

West Japan ResearchInstitute for AppliedEthics, Graduate Schoolof Letters,Hiroshima UniversityHiroshima/Japan

Renmin Universityof ChinaBejing/China

Universityof MadrasMadras/Indien

Institute for the Studyof Religion in PoonaPoona/Indien

Pontificia UniversidadCatólica del EcuadorQuito/Ekuador

Vernetzung des Fachbereichs Katholische Theologie mit theologischen Forschungs- und Lehreinrichtungen an Universitätenweltweit: Auch 20 Jahre nach der Gründung ist »Theologie interkulturell« ein in Deutschland einmaliges Programm in Forsch-ung und Lehre, das im wissenschaftlich-theologischen Diskurs untrennbar mit der Universität Frankfurt verbunden ist. Seit Be-ginn des Programms wurden 15 Kooperationsverträge geschlossen; zwei weitere stehen kurz vor der Unterzeichnung.

T h e o l o g i e i n t e r k u l t u r e l l

ihn nicht in unsere allzu menschlichen Vorstellungenvom Absoluten herabziehen. Wo sich diese Unterschei-dung aber extrem und absolut setzt, stellt sie ebenfallseine Pervertierung der Religion dar. Denn sie entziehtdem Göttlichen in dieser Welt jedwede Erscheinungsge-stalt und muss letztlich relativistisch auf jede Unterschei-dung zwischen dem Heiligen und dem Nicht-Heiligenverzichten. Beide strukturellen Fehlformen von Religionkönnen allein nicht existieren; sie legitimieren sich fak-tisch mit dem Hinweis auf die jeweils andere Fehlform:der Fundamentalist etwa mit Verweis auf die Ehrfurchts-losigkeit der westlichen Kultur und der liberale Gläubi-ge, der Liberalist, umgekehrt etwa mit Verweis auf denblutigen Terror des Fundamentalismus. Wenn das so ist,dann hat das auch Konsequenzen politischer und päda-gogischer Art. Der politische Kampf gegen den Funda-mentalismus reicht dann nämlich nicht aus.

Es bedarf dann in einer pluralistischen Gesellschaftzugleich auch eines wirkungsvollen politisch-recht-lichen Schutzes dessen, was den Gläubigen heilig istund einer öffentlichen Achtung ihrer religiösen Über-zeugungen. Nicht jede antireligiöse Karikatur ist danndurch die Meinungsfreiheit legitimiert. Aber vor die-sem Hintergrund wäre es mindestens möglich, dassReligionskritik und damit auch antireligiöse Karikatu-ren von den Gläubigen als Hinweis für die Notwendig-keit der Erneuerung von bestimmten Zeichengestaltenihrer religiösen Tradition verstanden und akzeptiert

werden. Von der Dialektik religiöser Erfahrung her ge-hört es ohnedies zu den unbedingten und steten Auf-gaben religiöser Gemeinschaften, ihre konkreten reli-giösen Zeichengestalten so zu erneuern, dass sie zueinem transparenten Zeichen göttlicher Gegenwart inder Welt werden. ◆

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Weiterführende Literatur

S. Wiedenhofer(2004): Tradition –Geschichte – Ge-dächtnis. Wasbringt eine kom-plexe Traditions-theorie?, in: Erwä-gen Wissen Ethik15. Nr. 2, S. 229 –240 (mit Diskussi-on, S. 240 – 277und Replik »Tradi-tionstheorie aufdem Prüfstand«,S. 277 – 284).

S. Wiedenhofer(2004a): Logik,Hermeneutik undPragmatik destheologischen Be-griffs »successio

apostolica«, in:Theodor Schneider,Gunther Wenz(Hrsg.), Das kirch-liche Amt in apos-tolischer Nachfolge.Bd. I: Grundlagenund Grundfragen,Freiburg, Basel,Wien, Göttingen:Herder, Vandenho-eck & Ruprecht(Dialog der Kirchen12/I), S. 417 – 484.

S. Wiedenhofer(1990): Tradition,Traditionalismus,in: O. Brunner,W. Conze, R. Kosel-leck (Hrsg.), Ge-

schichtliche Grund-begriffe. Histori-sches Lexikon zurpolitisch-sozialenSprache inDeutschland. Bd. 6,Stuttgart: Klett-Cotta, S. 607 – 650.

B. Schoppelreich,S. Wiedenhofer(Hrsg.) (1998): ZurLogik religiöserTraditionen, Frank-furt a.M.: IKO Ver-lag.

T. Larbig, S. Wie-denhofer (Hrsg.)(2005): Kulturelleund religiöse Tradi-tionen. Beiträge zu

einer interdiszipli-nären Traditions-theorie und Traditi-onsanalyse,Münster: LIT Ver-lag, (Studien zurTraditionstheorie/Studies in traditiontheory 1).

T. Larbig, S. Wie-denhofer (Hrsg.)(2006): Traditionand TraditionTheories: An Inter-national Discussi-on, Münster: LITVerlag, (Studienzur Traditionstheo-rie/Studies in tradi-tion theorie 2).