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Fotografisches (De)Konstruieren Vorlesung vom 25.11.2010

Fotografisches (De)Konstruieren · Fotografie zur Visualisierung des Entwurfes (inklusive Retusche) und zur Monumentalisierung der Architektur. Ludwig Mies van der Rohe, Philipp Johnson,

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Fotografisches (De)KonstruierenVorlesung vom 25.11.2010

Fotografie bildet Reales ab, aber durch die Wahl des Ausschnittes, des Blickwinkels, der Farbigkeit ist sie ein interpretierendes Bild der Wirklichkeit. Fotografie konstruiert Wirklichkeit. Ihr Charakter, den Raum zum Bild zu machen, ihn seiner dritten Dimension zu entledigen, ist Interpretation.

Irving Penn, Mies van der Rohe und Philip Johnson mit Bronzemodell des Seagram-Building, New York, 11 May 1955Ludwig Mies van der Rohe (1886–1969) – Philip Johnson, Henry-Russell Hitchcock: „The International Style: Architecture since 1922“drei Grundprinzipien der modernen Architektur: Architektur als Volumen, Regelmäßigkeit als ordnendes Mittel, Absage an Dekoration

Mies, Deutscher Pavillon, Weltausstellung, Barcelona, 1928/29. Ansicht der Hauptseite mit deutscher Fahne.Selbstdarstellung der Weimarer Republik – Neuartigkeit/Präzision der Architektur = Symbolisierung der Leistungsfähigkeit der deutschen Industrie/des Handwerks – Pavillon über ausgewählte Fotografien bekannt – Untersicht, perspektivische Flucht , Freistellung (freistehende, ionische Säulen)

Luftaufnahme Weltausstellung mit Deutschem Pavillon von Mies van der Rohe, Barcelona, 1929.

Mies, Deutscher Pavillon, Weltausstellung, Barcelona, 1928/29. – Bildmanipulation durch Retusche – Turm der Casaramona-Fabrik.

Mies, Deutscher Pavillon, Weltausstellung, Barcelona, 1928/29. Grundriss.„freier Grundriss“ – Wände von Tragfunktion befreit – leichte Raumteiler – Flächen im Raum – verschiedene räumliche Zusammenhänge.

Mies, Deutscher Pavillon, Weltausstellung, Barcelona, 1928/29. „Fließender Raum“, Verbindung von Innen und Außen durch Glaswände – Fehlen der Stahlglastüren auf Originalfotos – Lesart des RaumkontinuumsMaterialien: grüner Marmor, Travertin, Onyx doré, getöntes Glas in grün, weiß, transparent, verchromte Stahlstützen im Kreuzgrundriss

Mies, Deutscher Pavillon, Weltausstellung, Barcelona, 1928/29. Blick auf Skulptur „Der Morgen“ von Georg Kolbe.

Mies, Deutscher Pavillon, Weltausstellung, Barcelona, 1928/29.

Mies, Deutscher Pavillon, Weltausstellung, Barcelona, 1928/29. – Dynamisierung und Rhythmisierung des architektonischen Raumes

William H. Rau, The Free Library of Philadelphia, 1917. Postkarte (links) – László Moholy-Nagy, Balkone, Bauhaus Dessau, 1926 (rechts)Dynamisches Verhältnis zwischen Betrachter und Architektur, Betrachter in den Bildraum hineingezogen, schräge Blickwinkel, rundum erfahrbarer Räume, keine Fassadenarchitektur, Licht-/Schatteneffekte („Licht, Luft, Sonne“), Benutzbarkeit der Architektur, Fotografie als Medium eines neuen Lebensgefühls

Das Bauhaus in Dessau von Walter Gropius, 1926. – Schrägstellung, Spiegelung, Illusion räumlicher Durchdringung, Komposition

Fritz Lang, Broadway, 1924 (links) und Jan Kamman, Architektur, 1929 (rechts).Fotografische Verfahren auf Architektur übertragen – Doppel- und Überbelichtung – zwei übereinanderkopierte Fotos (negativ), Illusion räumlicher Durchdringung, Entmaterialisierung – Zeitdimension des Raumes im Bild integriert

linke Abbildung in: László Moholy-Nagy: Malerei, Fotografie, Film. München 1925.Bisher Unsichtbares sichtbar machen – innere Struktur des geschlossenen Körpers – geometrische Strukturen und Texturen in Natur und Technik

Fotomontagen

Mies, Hochhaus an der Friedrichstraße, Berlin, Entwurf, 1921. Fotomontagen, Perspektive von Norden und von Süden, erste Fassung. Visualisierung des Umraumes – Fotografie als Bild und Material – fotografische Realität und zeichnerische Vision – Überhöhung der Architektur aus Fußgängerperspektive – perspektivische Flucht – scharfkantiges, immaterielles Glashochhaus – Kontrast zwischen Foto/Einzeichnung, alter/neuer Architektur

Perspektive von Norden, erste Fassung und Zwischenfassung (auf Pappe aufgezogener Gelatine-Silber-Abzug mit Mischtechnik, 140 x 100 cm). Verbindung von Fotografie und Zeichnung – Abdunkelung der Fotografie, Detaillierung der Zeichnung, Reduktion des Bildausschnittes

Perspektive von Norden, Kohle, Bleistift auf Transparentpapier, auf Karton montiert, 173,5 x 122 cm. Reine Zeichnung – fotografisch abgebildete Architektur als schematischer Rahmen – Ränder beschnitten – Glasbau ins Bild rücken – keine fotorealistische Simulation des Entwurfs, sondern gesteigerte Wirkungskraft der Darstellung

Mies, Bürohaus aus Beton, Entwurf, 1923. Perspektivische Ansicht, Kohle und Buntstift auf Papier, 138,8 x 289 cm.unbekannter Standort – von geschwärzten Altbauten gerahmte Architekturvision – Entwertung des historischen Bestandes

Mies, Entwurf für ein Hochhaus aus Glas, 1922. Aufrissstudie, 138,5 x 83,2 cm/Titel der Zeitschrift „G – Material zur elementaren Gestaltung“ 3, Juni 1924.Ansicht statt Perspektive – Bruch mit der Simulation realistischer Blickpunkte – Monumentalisierung der Architektur – Abstraktion – Architektur als Zeichen

Mies, Entwurf für ein Hochhaus aus Glas, 1922. Aufrissstudie und Modellfotografie, Gouache (Spritztechnik) über Gelatine-Silber-Abzug, 18,8 x 13,7 cm.Fotografie zur Visualisierung des Entwurfes (inklusive Retusche) und zur Monumentalisierung der Architektur.

Ludwig Mies van der Rohe, Philipp Johnson, im Hintergrund Modellfotografie des Seagram-Building, New York, 1958.Fotografie als Mittel der Visualisierung der eigenen Entwürfe – Realitätsanspruch der Fotografie auf Entwurf übertragen

Herbert Matter, Blick in die Mies-van-der-Rohe-Ausstellung im Museum of Modern Art, New York, 1947 (Kurator: Philipp Johnson).Fotografie als Mittel zur Raumbildung und Raumerweiterung – vier Fotowände (ca. 6 x 4 Meter)

Rotation und Schichtung der großformatigen Fotografien – Überlagerung der Bild- und Raumebenen – Im Bildraum stehen.

Links: Hanna Höch, Schnitt mit dem Küchenmesser Dada durch die letzte Bierbauchkulturepoche Deutschlands, Fotocollage, 1919/20., 1919/1920Rechts: Kurt Schwitters, zwei gelbe Flecken, 1947. Collage auf Papier. Collage – Zerlegung der vorgefundenen Bildwirklichkeit und deren Neugruppierung in eine neue, vieldeutige Bildonstruktion – instabile Ordnung

Mies, Collage für ein kleines Kunstmuseum, Innenperspektive mit Reproduktionen eines Gemäldes von Kandinsky und einer Plastik von Maillol, 1941–42.

Zeichnung in Collage integriert – innere Einheitlichkeit der Sichtachsen und des Raums – Darstellung der Architektur von innen nach außen – Skulptur als Referenz- und Orientierungspunkt – fotografische Vermittlung räumlicher und zeitlicher Dimensionen

Mies, Haus Resor, Jackson Hole, Wyoming, 1937–41. Collage mit Reproduktion von Paul Klees „Bunte Mahlzeit“ (1928), Holzfurnier, Landschaftsfotografie.Perspektivisch angedeutete Kreuzstützen, aber keine räumliche Tiefe – Raumkomprimierung – entmaterialisierte Negativelemente – Untergrund als Rahmen Wände als frei im Raum schwebende Bildobjekte – Frontalität der umgebenden Landschaft – Vorder-/Hintergrund, Nahsicht – Desorientierung

Mies, Museum für eine kleine Stadt, Entwurf, 1942. Collage aus zerschnittenen und geklebten Reproduktionen und Fotos auf Karton, 76,2 x 101,6 cm.Montage, Schichtung und Auslassung – im Raum schwebende Flächen (Kunst, Architektur und Natur) – Natur als Bildtextur – Filmstreifen, filmische Annäherung an Raum – Linearität und Simultanität

Mies, Collage, 1941–42. – Bürohaus in Zeitschrift „G – Material zur elementaren Gestaltung“, Nr. 1, Juli 1923.Hans Richter, Vertreter des frühen abstrakten Films in Deutschland und Mitherausgeber der Zeitschrift „G“

Hans Richter, Rhythmus 21 (4 Minuten, stumm), 1921/23, 35 mm.Animation von Papierquadraten verschiedener Größe – Rhythmus – Spannungs- und Kontrastverhältnisse des neuen Materials Licht – abstrakte Formen, die sich überlappen und wiederum neue Formen bilden – Übertragung filmischer Verfahren auf Architektur

Film 1

Mies, Projekt einer Konzerthalle, Collage mit Fotografie einer Flugzeugmontagehalle von Albert Kahn und Skulptur von Maillol, 1942.Filmformen in Architekturformen – perspektivisch angeordnete Flächen – Trennung von Konstruktion/Raumbegrenzung – Raum im Raum flexible Wände, freier Grundriss

Mies, S.R. Crown Hall, Hauptgebäude des College of Architecture, Planning and Design des Illinois Institute of Technology (IIT), Chicago, 1940/1954–56.„Eine Binderkonstruktion auf Außenstützen mit untergehängtem Dach und gläserner Haut - das ist der universale Raum, jeder Nutzung offen."

Mies, Chicago Convention Hall, Modell, vorläufige Version, 1953.

Mies, Chicago Convention Hall, Collage, 120 x 100 cm, 1953. Fotografie, marmoriertes Papier, Offset-Rasterbilder und Tuch, befestigt auf Setzbrett.Mehrzweckhalle für 50.000 Zuschauer – Universalraum mit frei überspannter Konstruktion – vier Teile: Fachwerkkonstruktion, grüne Marmorplatten mit präsidialen Emblemen, Montage eines 1952 abgedruckten Fotos des Parteikonvents der republikanischen Partei und amerikanische Flagge aus Stoff

Mies, Neue Nationalgalerie, Berlin, 1962–68. Hebung des Stahlfachwerkrostes. Kantenlänge Dach 64,8 Meter.

Wechselbeziehung zwischen Montage, gebautem Werk, fotografischer Abbildung

Mies, Pavillon, Barcelona, 1928/29 und Hans Richter, Filmstudie, 1926.Neue Wahrnehmungsweisen durch Fotografie, Film, Architektur – Zerlegung des Blicks – Simultane Ereignisse – Transparenz der Schichten.

Film 2

Mies, Deutscher Pavillon, Barcelona, 1928/29. Perspektivische Innenansicht (ohne Möbel). Buntstift u. Bleistift auf Zeichenkarton, 99,1 x 130,2 cm.

Bild vom Bild

Thomas Ruff, l.m.v.d.r., d.p.b. 02. 1999, 130 x 195 cm. Farbige, flache, menschenleere Räume – Horizontalität – Bewegungsunschärfe„Ein Bild ist ein Bild. Es soll keine Illusion von Räumlichkeit erzeugen. [...] Ich mache mir mein Bild auf der Oberfläche.“ (2002)

Thomas Ruff, l.m.v.d.r., h.t.b. 08. 1999.

Kaye Fingerle, Haus Tugendhat, Brünn, 2001.

Auseinandersetzung mit Abbildgeschichte der Architektur – Licht, Lichtfarbe, Farbigkeit der Materialien – Raumatmosphäre versus Raumstruktur

Kaye Fingerle, Deutscher Pavillon, Barcelona (Rekonstruktion 1983–86), 2001.

Material und Ornament – Architektur und Natur – Dekoration

Kaye Fingerle, Neue Nationalgalerie, Berlin (links) und Haus Esters, Krefeld (rechts), 2001.Innen/Außen – Raum im Raum – Transparenz – fließender Raum – Illusion räumlicher Durchdringung – Undurchschaubarkeit – voyeuristischer Blick

Thomas Florschütz, Enclosure, Barcelona Pavillon, 2001. – Mehrteilige Arbeiten – fotografischen Abstraktion eines realen Raumes – vertikale Struktur

Raumgrenze – Vertikalität – Hochformat – Überschneidungen, Verschattungen, Unschärfen, Lichtbrechungen – diffuse Farbatmosphäre im Kontrast zu geometrischen Elementen – Raumerweiterung in Breite und Tiefe durch Spiegelungen – Verunsicherung

Jeff Wall. Morning Cleaning, Mies van der Rohe Foundation, Barcelona, 1999, Transparent in Lichtkasten, 150 x 280 cm.Musealer Raum – bekannte Schägansicht – Entmythisierung – Skulptur hinter eingeseifter Glaswand, Barcelona-Sessel als Garderobe, unordentlicher Teppich

Rem Koolhaas, Miestakes, 2003.Verwackeltes Foto – Rückseite des Pavillons: Büro- und Souvenirbereich – gespiegelte Touristen, Pavillon als touristischer Ort