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1. Wofür brauchen wir einen Verfassungsschutz? 3 2. Aufgaben des Verfassungsschutzes 7 3. Änderung bei Organisation und Arbeitsweise 9 4. Parlamentarische Kontrolle 15 5. Verfassungsschutz und Transparenz 17 6. Prävention 18 7. Zusammenfassung 19 Inhalt Zukunft des Niedersächsischen Verfassungsschutzes Fraktion im Niedersächsischen Landtag März 2014 Bericht der Expertenkommission der CDU-Landtagsfraktion zur Zukunft des Niedersächsischen Verfassungsschutzes

Fraktion im Niedersächsischen Landtag Zukunft des ... · Zusammenfassung ... Das Scheitern der Weimarer Republik ist hierbei ... politische Radikalisierung großer Bevölkerungsteile

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1. Wofür brauchen wir einen Verfassungsschutz? 3

2. Aufgaben des Verfassungsschutzes 7

3. Änderung bei Organisation und Arbeitsweise 9

4. Parlamentarische Kontrolle 15

5. Verfassungsschutz und Transparenz 17

6. Prävention 18

7. Zusammenfassung 19

Inhalt

Zukunft des Niedersächsischen Verfassungsschutzes

Fraktion im Niedersächsischen Landtag

März 2014

Bericht der Expertenkommission der CDU-Landtagsfraktion zur Zukunft des

Niedersächsischen Verfassungsschutzes

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Im BlickpunktText der im Inhaltsverzeichniss auftauchen soll:

Zukunft des Niedersächsischen Verfassungsschutzes

Expertenkommission Seite 2 März 2014

„Wir haben die Gerechtigkeit zu suchen, zugleich die Rechtssicherheit zu beachten,

da sie selber ein Teil der Gerechtigkeit ist und einen Rechtsstaat wieder aufzubau-

en, der beiden Gedanken nach Möglichkeit Genüge zu tun hat. Demokratie ist

gewiss ein preisenswertes Gut, Rechtsstaat aber ist wie das tägliche Brot, wie Was-

ser zum Trinken und wie Luft zum Atmen und das Beste an der Demokratie gerade

dieses, dass nur sie geeignet ist, den Rechtsstaat zu sichern.“

(Gustav Radbruch, 1946)

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Zukunft des Niedersächsischen Verfassungsschutzes

März 2014 Seite 3 Expertenkommission

1. Wofür brauchen wir einen Verfassungsschutz?

Fast 70 Jahre nach dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft und im vierundzwanzigsten Jahr nach

der Wiedervereinigung ist die Bundesrepublik Deutschland eine gefestigte Demokratie, in der die Freiheits- und

Beteiligungsrechte der Bürger ein zuvor kaum für möglich gehaltenes Ausmaß erreicht haben. Die Beständigkeit

des Grundgesetzes war bei seinem Inkrafttreten 1949 alles andere als selbstverständlich. Die vorhergehenden

Generationen konnten bis zu fünf unterschiedliche Verfassungen in ihrer Lebensspanne erleben. Dass sich

dies geändert hat, ist den Bürgerinnen und Bürgern zu verdanken, die in ihrer deutlichen Mehrheit zu wahren

Demokraten geworden sind und die die Bundesrepublik gemeinsam zu einem Vorbild für zahlreiche andere Staaten

gemacht haben.

Die Werte unserer Verfassung haben ihren Ursprung in den gemeinsamen Grundüberzeugungen aller Demokraten,

welche auch als ein Gegenentwurf zur Diktatur des Nationalsozialismus zu sehen sind. Nach einem 12-jährigen

Absturz in den Abgrund stützten sich die Väter und Mütter des Grundgesetzes aber auch ganz erheblich auf die

jahrhundertelange Rechtserfahrung anderer demokratisch verfasster Staaten und der grundlegenden Hilfe der

westlichen Siegermächte. Der Wesenskern des Grundgesetzes konkretisiert sich in der freiheitlichen demokratischen

Grundordnung, deren Kernelemente das Bundesverfassungsgericht bereits 1952 bestimmt hat.

Kernelemente der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sind:

• die Achtung der im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte und des Rechts der Persönlichkeit auf Leben

und freie Entfaltung,

• die Volkssouveränität,

• die Gewaltenteilung,

• die Verantwortlichkeit der Regierung,

• die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung,

• die Unabhängigkeit der Gerichte,

• das Mehrparteienprinzip,

• die Chancengleichheit für alle politischen Parteien,

• das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.

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Zukunft des Niedersächsischen Verfassungsschutzes

Expertenkommission Seite 4 März 2014

Die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes war von Anfang an Bedrohungen und Angriffen

ausgesetzt. Besonders in den Anfangsjahren war es dabei durchaus denkbar, dass die Anhänger der Demokratie von

den Feinden der Freiheit verdrängt würden. Das Scheitern der Weimarer Republik ist hierbei ein mahnendes Beispiel.

Durch den schnellen Aufstieg der NSDAP und Adolf Hitlers zur bestimmenden politischen Kraft Deutschlands

innerhalb weniger Jahre wurde eine mehr als 100-jährige Rechtskultur zur Seite gewischt.

Vor dem Hintergrund der modernen Kommunikationsmöglichkeiten ist anzunehmen, dass eine durchgehende

politische Radikalisierung großer Bevölkerungsteile heutzutage sogar noch schneller möglich sein könnte, als sie es um

1930 war. Heute trägt das Internet erheblich zur Verbreitung von Ideen bei. Diese sind oftmals menschenverachtend.

Es soll allerdings nicht verkannt werden, dass das Internet auch vielfältige Chancen eröffnet. Durch die tiefgreifende

Vernetzung von Gesellschaften kann gleichzeitig auch eine Verbreitung des Freiheitsgedankens in der Welt erreicht

werden. Beispielhaft sind die Ereignisse des Arabischen Frühlings zu nennen.

Zum Selbstverständnis der Bundesrepublik gehört es auch, dass sie eine streitbare und wehrhafte Demokratie ist.

Das Konzept hierzu wurde bereits in den 1940er Jahren als Reaktion auf den Nationalsozialismus entwickelt. Aus

dem deutschsprachigen Europa emigrierte, zumeist jüdische Wissenschaftler prägten das Konzept der „militant

democracy“ (verständig übersetzt: wehrhafte oder abwehrbereite Demokratie). Sie stellten sich dabei dem Paradox,

dass es notwendig sein könne, Freiheiten einzelner Bürger über das strafrechtlich gebotene Maß einzuschränken,

um die Freiheit aller zu schützen.

Der Sozialdemokrat Carlo Schmid, einer der Väter des Grundgesetzes, sagte bereits 1948 im Parlamentarischen Rat:

„Ich für meinen Teil bin der Meinung, dass es nicht zum Begriff der Demokratie gehört, dass sie selbst die Voraussetzungen

für ihre Beseitigung schafft. (…) Man muss auch den Mut zur Intoleranz denen gegenüber aufbringen, die die Demokratie

gebrauchen wollen, um sie umzubringen.“

Als ein Instrument der „wehrhaften Demokratie“ wurde bereits im Jahr 1950 das Bundesamt für Verfassungsschutz

gegründet. Ämter für Verfassungsschutz gehören damit von Anfang an zum Konzept der wehrhaften Demokratie in

der Bundesrepublik. Ohne die mit nachrichtendienstlichen Mitteln arbeitenden Verfassungsschutzbehörden wäre

das Konzept unvollständig. Die Aufgabe des Verfassungsschutzes ist unmittelbar in unserer Verfassung verankert

und vom Bundesverfassungsgericht in zahlreichen Urteilen bestätigt und konkretisiert worden.

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Zukunft des Niedersächsischen Verfassungsschutzes

März 2014 Seite 5 Expertenkommission

Es gehört zu den Charakteristika verfassungsfeindlicher Bestrebungen, dass sie ihre demokratiefeindlichen und

menschenverachtenden Ziele nicht offen aussprechen, sondern vielmehr versuchen, die Öffentlichkeit über die

Qualität der tatsächlichen Ziele und die auf sie zielenden Verwirklichungsschritte zu täuschen. Solche Strategien

aufzudecken, um darüber die Regierung, gegebenenfalls aber auch die breite Öffentlichkeit zu informieren,

kann ausschließlich ein auch teilweise geheim arbeitender Nachrichtendienst leisten. Diese Aufgabe ist in den

Verfassungsschutzgesetzen des Bundes und der Länder mit konkretem Verweis auf den Schutz der freiheitlichen

demokratischen Grundordnung festgehalten. Der Verfassungsschutz hat damit eine Aufgabe sui generis, die weder

Strafverfolgung noch konkrete Gefahrenabwehr ist. Der Verfassungsschutz erfüllt als Frühwarnsystem einen

unverzichtbaren sicherheitspolitischen Bedarf, den Polizei und Justiz nicht in vergleichbarer Weise abdecken können.

Dieser Auftrag ist deutlich von dem der Polizei und anderer Strafverfolgungsbehörden zu unterscheiden und

hat zu einer institutionellen Trennung geführt. Diese ist unmittelbare Folge der Erfahrungen mit der geheimen

Staatspolizei der nationalsozialistischen Diktatur. Auf Initiative der westlichen Alliierten hat man der Polizei die

nachrichtendienstlichen Arbeitsmethoden auf dem Gebiet des Staatsschutzes zunächst vollständig entzogen. Der

Verfassungsschutz hat, anders als Polizei und Justiz, eine gesetzliche Zuständigkeit im Vorfeld konkreter Gefahren

und Straftaten. Er bleibt allerdings auch dann zuständig, wenn selbige vorliegen. Hieraus ergibt sich eine Schnittstelle

zu Polizei und Justiz. Ebenso ist die Information der Exekutive Kernaufgabe des Verfassungsschutzes geworden.

Der Verfassungsschutz ist daher im Wesentlichen ein Frühwarnsystem zum Schutz von Demokratie, Freiheit und

Menschenwürde und bildet somit einen unverzichtbaren Bestandteil der wehrhaften Demokratie. Ohne dieses

Frühwarnsystem und ohne nachrichtendienstliche Kompetenzen wäre die Demokratie nur eingeschränkt wehrhaft.

Dass die Menschen ein effektives Frühwarnsystem erwarten, ist besonders dort deutlich erkennbar, wo dieses

Frühwarnsystem nicht funktioniert hat, wie beispielsweise im Fall des NSU oder der Terroristen des 11. September

2001. Der Niedersächsische Verfassungsschutz war hiervon zwar nur am Rande betroffen und wurde im

Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages nicht erwähnt.

Dennoch kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Fehler, die bei diesen beiden Fällen anderswo geschehen sind,

auch in Niedersachsen hätten passieren können. Solche Fälle zeigen, dass eine ständige Anpassung der Arbeitsweise

an die aktuellen Herausforderungen erforderlich ist. Nur auf diese Weise können strukturelle Schwächen erkannt

und zukünftige Fehler vermieden werden.

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Zukunft des Niedersächsischen Verfassungsschutzes

Expertenkommission Seite 6 März 2014

Fehler in der Konstruktion eines Fahrzeuges führen jedoch nicht zu einem Verzicht auf Autos, sondern zu einer

Rückrufaktion zwecks Beseitigung der Fehler. Genauso wenig dürfen die Versäumnisse einzelner Landesämter für

Verfassungsschutz und von Ermittlungsbehörden zur Abschaffung des Niedersächsischen Verfassungsschutzes

führen. Richtig ist es vielmehr, daraus zu lernen und den Verfassungsschutz beständig weiterzuentwickeln. Auch

ein Nachrichtendienst unterliegt der Notwendigkeit ständiger Überprüfungen und Anpassungen, weil kein noch

so ausgefeiltes System unveränderbar gut bleibt. Die breite Verankerung der freiheitlichen demokratischen

Grundordnung in der Gesellschaft kann nicht als Begründung dafür herangezogen werden, dass der Verfassungsschutz

jetztundfürimmerüberflüssigwäre,dennDemokratieistkeinfragloserBesitz.AuchderBlickinandereLänder

und die eigene Vergangenheit zeigt, dass terroristische Bewegungen überall und jederzeit aus unterschiedlichsten

Motiven entstehen können.

Die Verfassungsschutzberichte selbst dokumentieren, dass auch gegenwärtig die verschiedensten

verfassungsfeindlichen Bestrebungen aktiv sind, um die freiheitliche demokratische Grundordnung durch

demokratie- und menschenverachtende Ideen zu ersetzen. Besonders vor dem Hintergrund der deutschen

Geschichte sind vor allem jene Tendenzen zu beobachten, die die Sicherung von Freiheit und Menschenwürde

gefährden.

Der Erfolg der Bundesrepublik als Demokratie beruht ganz wesentlich darauf, dass in zentralen Fragen

des Demokratieverständnisses und bei der Bekämpfung verfassungsfeindlicher Bestrebungen ein großer

gesellschaftlicher Konsens unter den Demokraten besteht. Ein solcher Konsens muss sich auch auf die Notwendigkeit

eines institutionellen Verfassungsschutzes erstrecken. Umso bedauerlicher ist es, dass seitens der Landesregierung

der Opposition das Recht an der Mitwirkung an einer gemeinsamen Kommission zur Zukunft des Verfassungsschutzes

in einer Plenarsitzung abgesprochen wurde. Bei der letzten umfassenden Reform des Verfassungsschutzes im Jahre

2009 hingegen war es gelungen, so auf die Opposition zuzugehen, dass die damals größte Oppositionsfraktion der

Reform zugestimmt hat. Diese Kommission hat die Hoffnung, dass die zukünftige politische Auseinandersetzung

von allen Fraktionen des Niedersächsischen Landtages und der Landesregierung wieder konstruktiv und ohne

politische Verdächtigungen betrieben wird. Ihr Bericht soll ein Beitrag zur Versachlichung der Debatte sein. Der

Schutz unserer freiheitlichen Gesellschaft sollte allen Parteien am Herzen liegen. Der Verfassungsschutz ist dabei

vonparteipolitischenEinflüssenfernzuhalten.

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Zukunft des Niedersächsischen Verfassungsschutzes

März 2014 Seite 7 Expertenkommission

2. Aufgaben des Verfassungsschutzes

In einem demokratischen Rechtsstaat kann der Verfassungsschutz nur als Nachrichtendienst und nicht als

Geheimdienst bestehen. Geheimdienste unterliegen gerade keiner Kontrolle durch unabhängige Instanzen.

Zur Erfüllung der Aufgabe als Frühwarnsystem für die Gesellschaft stehen dem Verfassungsschutz in einer

Demokratie nachrichtendienstliche Mittel zur Verfügung, welche teilweise erhebliche Grundrechtseingriffe nach

sich ziehen. Er hat andere Aufgaben als die Polizei und setzt mit seiner Arbeit im Vorfeld strafbarer Handlungen

und dem Eintritt konkreter Gefahren an. Die Arbeit des Verfassungsschutzes ist heutzutage jedoch nicht auf die

Informationsgewinnung als Nachrichtendienst zu beschränken.

2.1. Verfassungsschutz im engeren Sinne

Die vorrangige Aufgabe des Niedersächsischen Verfassungsschutzes ist es, Bestrebungen zu beobachten, die sich

gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung richten. Damit eine Bewegung als verfassungsfeindlich zu

bewerten ist, müssen tatsächlich Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie sich gegen die freiheitliche demokratische

Grundordnung wendet. Erst dann darf eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz erfolgen. Dabei ist die Gefahr

als solche zu betrachten und nicht die Richtung aus der sie kommt. Gefährdungen der freiheitlichen demokratischen

Grundordnung können aus allen politischen Richtungen kommen, notwendig ist daher ein „360°-Blick“ des

Verfassungsschutzes. Die Kernfrage ist immer, ob eine politische Bestrebung die Kernelemente der freiheitlichen

demokratischen Grundordnung ablehnt und bekämpft. So sind zum Beispiel sowohl Gottesstaat, Führerprinzip als

auch eine „Diktatur des Proletariats“ mit ihnen nicht vereinbar. Wer solche oder andere Formen der Diktatur in

unserer Gesellschaft aktiv herbeiführen möchte, muss von einem effektiven Verfassungsschutz beobachtet werden,

damit die wehrhafte Demokratie rechtzeitig einschreiten kann.

Verfassungsfeindliche Bestrebungen sind oftmals nicht auf den ersten Blick zu erkennen. Sie bewegen sich in einem

Vorfeld manifest strafbarer und manifest gewalttätiger Handlungen, sodass sie von den Strafverfolgungsbehörden

(noch) nicht belangt werden können. Gerade in der Aufklärung solcher ‘legalistischen’ Strukturen liegt die

Hauptaufgabe und Kernkompetenz des Verfassungsschutzes. Zudem sind verfassungsfeindliche Bestrebungen

vielfältiger geworden. An die Stelle von Personenzusammenschlüssen mit festen Organisationsstrukturen sind

vermehrt diffuse Bewegungen und Szenen getreten, die eine klare Einordnung in ein bestimmtes ideologisches

Muster und ein Urteil über ein möglicherweise nicht verfassungskonformes Verhalten erschweren.

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Zukunft des Niedersächsischen Verfassungsschutzes

Expertenkommission Seite 8 März 2014

Dennoch geht von ihnen weiterhin eine Gefährdung des freiheitlichen Gesellschaftsmodells aus. Wenngleich sich

die Erscheinungsformen verfassungsfeindlicher Bestrebungen und das Auftreten der individuellen Akteure geändert

haben, bleibt die Ablehnung der Prinzipien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bestehen.

2.2. Ausforschungsabwehr

Der Verfassungsschutz ist in seiner Tätigkeit klassischerweise nicht auf die Beobachtung verfassungsfeindlicher

Bestrebungen und die Information über sie beschränkt, obwohl sein Name dies nahe legt. Während der Zeit der

Systemauseinandersetzung des Kalten Krieges war Spionageabwehr gegen die vielfältigen geheimdienstlichen

Aktivitäten der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten von großer Bedeutung. Insbesondere die „Hauptverwaltung

Aufklärung“ des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR setzte zahlreiche Agenten mit erstaunlichem Erfolg

in der Bundesrepublik ein. Seit der Wiedervereinigung hat das Aufgabenfeld der Spionageabwehr erheblich an

Bedeutung verloren. Aber auch heute sind ausländische Geheimdienste in Deutschland und Niedersachsen aktiv.

Ihre Aktivitäten richten sich zumeist gegen Unternehmen der erfolgreichen niedersächsischen Wirtschaft. Ihnen ist

weiterhin mit den Mitteln eines modernen Verfassungsschutzes zu begegnen. Seit mehr als zehn Jahren unterhält

der Niedersächsische Verfassungsschutz mit dem Sachgebiet „Wirtschaftsschutz“ eine Einheit zur Erkennung und

Verhinderung von Wirtschaftsspionage. Im Wesentlichen leistet er hier präventive Informationsarbeit für und in

Zusammenarbeit mit über 700 Unternehmen.

Die Abwehr der Ausforschung von Behörden und Wirtschaft sollte nach Ansicht der Kommission auf den Schutz der

Bürger vor der Ausforschung durch fremde Dienste ausgedehnt werden. Zwar ist dies bereits jetzt eine gesetzliche

Aufgabe des Verfassungsschutzes und Aktivitäten fremder Geheimdienste sind in Deutschland schon heute auch dann

strafbar, wenn sie sich „nur“ gegen einzelne Bürger richten. Tatsächlich haben sich die Verfassungsschutzbehörden

bislang aber auf den Schutz von Behörden und entsprechende Angebote an Unternehmen konzentriert.

Die neue digitalisierte Welt mit unterschiedlichsten Formen der Informationstechnik hat auch neue Bedrohungen

der Freiheit geschaffen. Die Berichte um die Überwachungsaktivitäten der amerikanischen NSA zeigen, dass

dadurch auch das Recht niedersächsischer Bürger auf informationelle Selbstbestimmung gefährdet ist. Der

Verfassungsschutz sollte in Zukunft aufklären, auf welche Art und Weise fremde Dienste niedersächsische

Bürger technisch ausspähen. Insbesondere an den Knotenpunkten der Telekommunikation sind Maßnahmen zur

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Zukunft des Niedersächsischen Verfassungsschutzes

März 2014 Seite 9 Expertenkommission

Aufdeckung technischer Aufklärung denkbar. Auch der Einsatz von Geräten mit denen Mobilfunkgeräte abgehört

werden können, so genannte „IMSI-Catcher“, könnte beispielsweise aktiv aufgeklärt werden.

3. Änderungen bei Organisation und Arbeitsweise

Bereits in der Vergangenheit wurde der Verfassungsschutz in Niedersachsen ständig an aktuelle Entwicklungen

angepasst. So wurden im Jahr 2009 umfängliche Kennzeichnungs- und Benachrichtigungspflichten sowie

Verwendungsbeschränkungen bei bestimmten nachrichtendienstlichen Mitteln eingeführt. Somit wurden die

Befugnisnormen, die notwendige und gerechtfertigte Grundrechtseingriffe enthalten, nach den Grundzügen der

Verhältnismäßigkeit ausgestaltet. Dies hat den Rechtsschutz für Betroffene nachhaltig verbessert. Insgesamt

ist festzustellen, dass das Niedersächsische Verfassungsschutzgesetz bereits jetzt sowohl dem Erfordernis einer

effektiven nachrichtendienstlichen Aufgabenerfüllung als auch dem Grundrechtsschutz der Betroffenen Rechnung

trägt. Damit verfügt Niedersachsen über eines der modernsten Verfassungsschutzgesetze in Deutschland.

3.1. Empfehlungen anderer Kommissionen und beschlossene Reformen

In der jüngeren Vergangenheit wurden von verschiedenen Gremien zahlreiche Berichte und Empfehlungen

verabschiedet, die sich mit der Zukunft des Verfassungsschutzes auseinandersetzen. Zu nennen sind hier

unter anderem der Abschlussbericht der Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus vom 30. April 2013, der

Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses des 17. Deutschen Bundestages vom 22. August 2013

sowie die Beschlussniederschrift der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder vom

07. Dezember 2012 mit dem Bericht des AK IV zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes. In den Berichten

werden Empfehlungen abgegeben, die sich mit unterschiedlichen Bereichen der Arbeit des Verfassungsschutzes

beschäftigen. Die Kommission zur Zukunft des Verfassungsschutzes begrüßt die intensive Auseinandersetzung mit

der Thematik und greift im Folgenden einige Vorschläge für die eigene Arbeit auf.

3.1.1. Behördenstruktur und Informationsaustausch

Die Kommission zur Zukunft des Verfassungsschutzes teilt die Einschätzung, dass eine Zusammenlegung

verschiedener Landesämter für Verfassungsschutz zu erheblichen Folgeproblemen führen würde und abzulehnen

ist. Der Niedersächsische Verfassungsschutz nimmt die Entstehung lokaler und regionaler Phänomene in allen

Bereichen des Extremismus wegen der räumlichen Nähe eher als das Bundesamt für Verfassungsschutz wahr.

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Zukunft des Niedersäschischen Verfassungsschutzes

Expertenkommission Seite März 2014

Zudem ist die langjährige Kommunikation durch die Zusammenarbeit des Niedersächsischen Verfassungsschutzes

mit der Niedersächsischen Polizei und den Niedersächsischen Staatsanwaltschaften unter Berücksichtigung

des institutionalisierten Trennungsgebotes von besonderer Bedeutung. Zentralisierungsmaßnahmen oder das

Zusammenlegen von Behörden würden erhebliche Auswirkungen auf die Informationsgewinnung und -weitergabe

nach sich ziehen. Der Regionalbezug darf bei der Arbeit des Verfassungsschutzes nicht verloren gehen, damit dessen

Frühwarnfunktion nicht gefährdet wird.

Durch eine Zentralisierung würde auch die parlamentarische und politische Kontrolle des Verfassungsschutzes

deutlich erschwert werden. Sie stünde auch im Widerspruch zur traditionellen Aufgabenteilung nach dem

Grundgesetz, wonach grundsätzlich die Bundesländer für die innere Sicherheit verantwortlich sind.

Eine Stärkung der Zentralstellenfunktion des Bundesamtes für Verfassungsschutz kann nützlich sein. Damit das

Bundesamt für Verfassungsschutz dieser Herausforderung gerecht werden kann, ist es unerlässlich, dieses zuvor

strukturellundpersonellzuqualifizierenundbisherigeFehlentwicklungenabzustellen.

3.1.2. Zusammenarbeit mit der Polizei

Das institutionelle Trennungsgebot hat eine herausgehobene rechtsstaatliche Bedeutung. Vorschlägen, die

Befugnisse der Niedersächsischen Polizei in Richtung eines gemischten polizeilichen-nachrichtendienstlichen

Staatsschutzes zu erweitern, muss entschieden widersprochen werden.

Eine stärkere Kooperation zwischen dem Verfassungsschutz und der Polizei (insbesondere mit den Dienststellen

des Staatsschutzes) ist notwendig. Dies muss durch eine noch stärkere Berücksichtigung der Aspekte der

Strafverfolgung und Gefahrenabwehr in der alltäglichen Arbeit erreicht werden. Dazu ist eine Harmonisierung der

Übermittlungsvorschriften zwischen den Ländern erforderlich. Ein standardisiertes Verfahren für eine strukturierte

Informationsübermittlung könnte die Zusammenarbeit der Behörden ebenfalls erleichtern.

3.1.3 Einsatz von Vertrauenspersonen

Der Einsatz von Vertrauenspersonen ist für die Arbeit des Niedersächsischen Verfassungsschutzes unerlässlich.

In vielen Fällen kann er seiner Frühwarnfunktion nur durch verdeckte Informationsgewinnung gerecht werden.

Bedrohungen der verfassungsmäßigen Ordnung kann auf der Grundlage der über Vertrauenspersonen gewonnenen

Erkenntnisse gezielt entgegengetreten werden. Der Verzicht auf den Einsatz von Vertrauenspersonen oder eine

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Zukunft des Niedersäschischen Verfassungsschutzes

März 2014 Seite 11 Expertenkommission

Reduzierung der Arbeit auf Beobachtungen aus offen zugänglichen Quellen sind aufgrund des zu erwartenden

Informationsverlustes nicht zu verantworten. Die Kommission begrüßt, dass der Niedersächsische Innenminister

sich bereits in Interviews auf den weiteren Einsatz von Vertrauenspersonen für die Zukunft festgelegt hat.

Die Kommission zur Zukunft des Verfassungsschutzes stimmt den Vorschlägen der Ständigen Konferenz der

Innenminister und -senatoren der Länder zur Etablierung von bundeseinheitlichen Standards und Leitlinien

zur Führung von Vertrauenspersonen zu. Minderjährige, nicht voll geschäftsfähige Personen, Szeneaussteiger

sowie Teilnehmer von Aussteigerprogrammen dürfen nicht vom Verfassungsschutz angeworben werden.

Gleiches gilt für politische Mandatsträger und deren Mitarbeiter. Bei Angehörigen von Berufsgruppen, denen ein

Zeugnisverweigerungsrecht gemäß §§ 53 ff. StPO oder ein vergleichbares Recht zusteht, ist zu beachten, dass es zu

keiner Kollision mit selbigem kommt.

3.2. Eigene Empfehlungen

Über die in anderen Gremien bereits entwickelten Vorschläge hinaus, hat diese Kommission sich mit weiteren

Fragen der Organisation und Arbeitsweise des Verfassungsschutzes befasst.

3.2.1. Änderung der Aktenführung und Datenspeicherung

Die Kommission regt an, dass die Speicherung von personenbezogenen Daten langfristig überwiegend elektronisch

in Dateien geschehen sollte. Dabei muss sichergestellt sein, dass unbefugte Zugriffe auf die Daten nicht möglich

sind. Ein hoher Schutzstandard der Netzwerkarchitektur ist daher erforderlich. Ferner sollte die Zuständigkeit

für erstmalige Datenspeicherungen und die permanente Aufsicht über die gespeicherten Daten klarer und

restriktiver geregelt werden. Damit könnte verschiedenen Problemen der Datenspeicherung begegnet werden.

Von entscheidender Bedeutung ist es, bei den Mitarbeitern des Verfassungsschutzes das Bewusstsein beständig zu

schärfen, dass die Datenspeicherung einen Grundrechtseingriff bedeuten kann, der den rechtlichen Voraussetzungen

entsprechen muss.

3.2.1.1 System der Datenspeicherung

Im Niedersächsischen Verfassungsschutz werden personenbezogene Daten gegenwärtig auf verschiedenen Wegen

verarbeitet und gespeichert.

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Zukunft des Niedersächsischen Verfassungsschutzes

Expertenkommission Seite 12 März 2014

Zum einen werden Akten zu einzelnen Bestrebungen geführt (so genannte Sachakten). Solche in klassischer

Papierform geführte Akten enthalten naturgemäß auch personenbezogene Daten. Zum anderen werden Daten zu

Personen - in der Regel aus Sachakten heraus - in elektronischen Dateien gespeichert. Jede Datenspeicherung muss

gem. § 8 Abs. 2 NVerfSchG mit einer Akte zu einer Bestrebung (Sachakte) verbunden sein. Gespeichert werden neben

Angaben zur Person also Verweise auf die Sachakten. Die personenbezogenen Erfassungen sind insofern in erster

Linie Fundstellenregister für Sachverhalte. Nur in wenigen Fällen werden die elektronisch erfassten Fundstellen zu

einer Person in besonderen so genannten Personenakten in Papierform zusammengeführt.

Bei einer Löschung von personenbezogenen Daten in elektronischen Dateien bleiben sie in den Sachakten

(Papierform) bestehen. Sie sind dort aber nicht systematisch suchfähig und dürfen - ohne dass die Voraussetzungen

vorlägen - weder erneut gespeichert, noch verarbeitet, noch übermittelt werden. Eine Wiederherstellung von

gelöschten personenbezogenen Daten aus Sachakten heraus ist nach dem Grundgedanken des Datenschutzes

rechtlich unzulässig und deshalb auch im NVerfSchG nicht vorgesehen.

Insoweit die in Papierform geführten Sachakten und die (ausnahmsweise) so geführten Personenakten zukünftig

durch elektronische Akten ersetzt werden sollten, ist darauf hinzuweisen, dass solche Verfahren Vorteile bieten, aber

auch Probleme schaffen. Zum einen dürfen die in den elektronischen Sachakten gespeicherten personenbezogenen

Daten nicht suchfähig sein, um der Gefahr einer rechtswidrigen Wiederherstellung rechtmäßig gelöschter Daten

zu begegnen. Zum anderen können die personenbezogenen Daten in Sachakten aber auch nicht gelöscht werden,

weil diese sonst sowohl für die Behörde als auch für eine spätere Archivierung unbrauchbar würden. Unter

Datenschutzgesichtspunkten zu begrüßen wäre es allerdings, wenn die in Papierform geführten Personenakten

durch elektronische Akten ersetzt werden. Ein solches Verfahren hätte den Vorteil, dass personenbezogene Daten,

deren Speicherungsfristen abgelaufen sind, ohne Verzug und größeren Verwaltungsaufwand gelöscht werden

könnten.

3.2.1.2 Verantwortung und Kontrolle der Datenspeicherung

Wichtig sind ferner konkrete Regelungen zur Zuständigkeit der erstmaligen Datenspeicherung, der fortgesetzten

Datenspeicherung und des Löschens von Daten. Die erstmalige Datenspeicherung zu Personen sollte zukünftig nur

nochmitZustimmungdesReferatsleitersgeschehen.FürdiePflegeundErgänzungvonDateiensolltenimRegelfalldie

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Zukunft des Niedersächsischen Verfassungsschutzes

März 2014 Seite 13 Expertenkommission

Sachbearbeiter verantwortlich bleiben. Durch moderne Datenbanken ist sicherzustellen, dass regelmäßig innerhalb

bestimmter Fristen Daten gelöscht werden, wenn deren Speicherung nicht mehr notwendig ist. Durch technische

Maßnahmen der zufälligen Aussteuerung von Einzelfällen zur Kontrolle durch Vorgesetzte ist eine engmaschige

Kontrolle zu gewährleisten. Zukünftig ist während der Ausbildung, in Fortbildungen und in Dienstbesprechungen

gegenüber den Mitarbeitern des Verfassungsschutzes verstärkt herauszustellen, dass das Recht der Bürger auf

informationelle Selbstbestimmung von großer Bedeutung ist. Um unberechtigte Datenspeicherungen zu vermeiden,

müssen alle Mitarbeiter des Verfassungsschutzes sich dessen immer bewusst sein. Den Mitarbeitern ist dabei

offen zu kommunizieren, dass der Verzicht auf Datenspeicherungen durchaus dazu führen kann, dass in der Folge

hilfreiche Informationen fehlen können, dieses aber in Kauf zu nehmen sei.

3.2.2. Neudefinition der Beobachtungsobjekte

Die zu beobachtenden Objekte werden im Niedersächsischen Verfassungsschutzgesetz konkret in § 4 Abs. 1 NVerfSchG

definiert. Dabei wird auf Personenzusammenschlüsse abgestellt. Einzelpersonen können nur unter erweiterten

Voraussetzungen Beobachtungsobjekt sein. Dies wird der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung nicht

mehr gerecht. Zukünftig sollte, ähnlich wie im Bayerischen Verfassungsschutzgesetz, festgehalten werden, dass

verfassungsfeindliche Bestrebungen und Tätigkeiten von Gruppierungen oder Einzelpersonen ausgehen können.

Die Beobachtung von Einzelpersonen ist wegen der Zunahme von Einzeltätern verstärkt vorzunehmen, so zum

BeispielimBereichdesSalafismus.

3.2.3. Personalauswahl, Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter des Verfassungsschutzes

In der Vergangenheit scheiterten die Zusammenarbeit und der Austausch von Informationen zwischen Polizei,

Staatsanwaltschaften und Verfassungsschutzbehörden oft an zwei typischen Verhaltensweisen. Zum einen gab es

Widerstand gegen die Übernahme zusätzlicher Aufgaben von anderen Behörden (Motto: Keine zusätzliche Arbeit!).

Zum anderen gab es oft keine Bereitschaft, eigene Vorgänge an eine andere Behörde abzugeben (Motto: Niemanden

in die Karten schauen zu lassen!). Diesen beiden Verhaltensweisen kann am besten durch persönliche Bekanntschaft

und Vertrauen unter den Mitarbeitern der verschiedenen Behörden begegnet werden. Gemeinsame Ausbildung,

Fortbildung, Konferenzen und Abordnungen sind geeignet, dass sich die notwendigen persönlichen Verbindungen

ergeben.

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Zukunft des Niedersächsischen Verfassungsschutzes

Expertenkommission Seite 14 März 2014

Bei der Personalauswahl ist auf unterschiedliche kulturelle Hintergründe und Lebenserfahrungen Wert zu legen.

Besonders „Seiteneinsteiger“ können neue Impulse und Ansätze in die Arbeit des Verfassungsschutzes einbringen.

Durch die Heranziehung von Mitarbeitern aus unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen kommt es zudem

zueinerDiversifizierungundsomitzueinerSteigerungdeswissenschaftlichenAnalysepotenzials.Unverzichtbarist

eine regelmäßige Weiterbildung der Mitarbeiter. Diese sollte gemeinsame Fortbildungsmaßnahmen mit der Polizei

einschließen. Zudem müssen interne Weiterbildungen den Wissenstand der Mitarbeiter laufend aktualisieren, ihre

Analysefähigkeit stärken und ihnen auch Einblicke in andere Arbeitsbereiche eröffnen. Dies schärft ihr Verständnis

für Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen verschiedenen Phänomenen verfassungsfeindlicher Bestrebungen

und erweitert die Verwendungsbreite der Mitarbeiter.

3.2.4 Verbesserungen beim Einsatz von Vertrauenspersonen

Beim Einsatz von Vertrauenspersonen ist eine enge Begleitung notwendig. Die Zusammenarbeit mit diesen ist

oftmals problematisch. Zukünftig sollten die Vorgaben zur Zusammenarbeit konkreter gefasst werden. Anstelle einer

turnusgemäßen Rotation sollte eine verstärkte begleitende Supervision gewährleistet sein, um Fehlentwicklungen

durchSelbstreflexionbemerkenunddienötigenKonsequenzenziehenzukönnen.Esistdabeisicherzustellen,dass

Mitarbeiter des Verfassungsschutzes, die mit der Führung von Vertrauenspersonen betraut sind, umfassend auf

diese Tätigkeit vorbereitet werden. Regelmäßige Evaluationen und Abstimmungen zwischen den Führungspersonen

der V-Leute des Verfassungsschutzes sollen dies weiterhin unterstützen.

3.2.5 Fehlerkultur und Supervision

Die Diskussionen um den Verfassungsschutz entzünden sich regelmäßig an vermeintlichen Fehlern oder Skandalen.

Sie stehen im besonderen Fokus der Aufmerksamkeit, während die keineswegs seltenen Erfolge kaum an die

Öffentlichkeit dringen. Der Verfassungsschutz ist aufgabenbedingt gezwungen, die Grenzen des rechtsstaatlichen

Handelns aus der Nähe zu untersuchen. Es ist alles zu tun, dass Grenzverletzungen durch ihn selber aber vermieden

werden. Dies gilt insbesondere bei der Zusammenarbeit mit Vertrauenspersonen. Der Verfassungsschutz muss als

Frühwarnsystem an die Ränder des politischen und gesellschaftlichen Meinungsspektrums gehen und läuft stets

Gefahr, bei deren Erkundung von diesen herab zu fallen. Fraglich ist, wie damit zukünftig umgegangen werden soll.

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Zukunft des Niedersächsischen Verfassungsschutzes

März 2014 Seite 15 Expertenkommission

Behörden als hierarchische Organisationen hatten durch die innere Dienstaufsicht schon immer ein System zur

Fehlervermeidung und Fehleraufdeckung. In den letzten Jahren sind aber besonders in der Privatwirtschaft neue

Systeme des Fehler- oder Qualitätsmanagements aufgekommen. Techniken und Methoden aus diesen Ansätzen

sollten vom Verfassungsschutz (und anderen Behörden) geprüft und bei Eignung übernommen werden.

Besonderes Augenmerk sollte verstärkt auf den Umgang mit Fehlern gelegt werden. Als staatliche Einrichtung,

die in Grundrechte der Bürger eingreift, sind Fehler und damit Verletzungen von Grundrechten durchaus möglich.

Diese sind weitestgehend zu vermeiden. Dort wo dennoch Fehler geschehen, sollte man zukünftig aber einen

offenen Umgang mit diesen erreichen. Das Eingestehen von Fehlern, um daraus zu lernen, ist Kern einer positiven

Fehlerkultur. Gerade das Gefühl besonders aufmerksam beobachtet zu werden und Gegenstand der politischen

Auseinandersetzung zu sein, einschließlich verletzender Werturteile über den Verfassungsschutz als Ganzes,

sind geeignet, eine „Wagenburg-Mentalität“ hervorzurufen. Dies behindert eine offene Fehlerkultur. Als konkrete

Maßnahme zu einer neuen Fehlerkultur ist, neben der bereits erwähnten Förderung des Problembewusstseins bei

Datenspeicherungen, die Einführung von Supervision für bestimmte sensible Maßnahmen des Verfassungsschutzes

sinnvoll.

EineinstitutionalisierteSelbstreflexionmitverschiedenenAnsprechpartnernistnachAnsichtderKommissionein

geeignetes Instrument, um besonders den Problemen bei der Führung von Vertrauenspersonen zu begegnen. Im

Zusammenhang mit einem verbesserten Qualitätsmanagement sollte zukünftig vermehrt durch Personalwechsel

für neue Ideen und Ermittlungsansätze bei unaufgeklärten Fällen und stagnierenden Vorgängen gesorgt werden.

4. Parlamentarische Kontrolle

In allen Diskussionen rund um den Verfassungsschutz in Deutschland herrscht weitestgehend Einigkeit darüber,

dass die parlamentarische Kontrolle über den Verfassungsschutz auszubauen ist. Ein Konsens, wie die optimale

Kontrolle auszugestalten ist, hat sich jedoch noch nicht herausgebildet. Der Grundsatz der Gewaltenteilung und

der Kontrolle der Exekutive durch die Legislative bedingt umfassende Informationsrechte für den Landtag und

insbesondere für parlamentarische Minderheiten. Die Kommission schlägt vor, dass der gegenwärtige Ausschuss für

Angelegenheiten des Verfassungsschutzes zusätzliche Kompetenzen und Rechte gegenüber der Landesregierung

erhalten sollte.

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Im BlickpunktText der im Inhaltsverzeichniss auftauchen soll:

Zukunft des Niedersächsischen Verfassungsschutzes

Expertenkommission Seite 16 März 2014

So sollte insbesondere die Leitung des Verfassungsschutzes den Ausschuss für Angelegenheiten des

Verfassungsschutzes zukünftig detaillierter über aktuelle Vorgänge informieren. Das Zurückbehalten von

Informationen durch die Landesregierung mit Hinweis auf den geschützten Kernbereich der Willensbildung der

Exekutive ist in Zukunft auszuschließen. Der Kernbereich exekutiver Willensbildung ist nach neuerer Rechtsprechung

des Bundesverfassungsgerichtes so eng auf die eigentliche politische Abstimmung der Regierungsmitglieder

und ihrer unmittelbaren Mitarbeiter begrenzt, dass ein Kernbereich exekutiver Willensbildung im Bereich des

Verfassungsschutzes nicht denkbar ist.

Ein Instrument verbesserter parlamentarischer Kontrolle könnte die Beauftragung von Sachverständigen sein. Im

Bund und mehreren Bundesländern kann bereits jetzt mit Zwei-Drittel-Mehrheit der Mitglieder der Kontrollgremien

durch einem Beschluss ein Sachverständiger mit Untersuchungen beauftragt werden. Erfahrungen hierzu liegen

noch nicht vor.Eine Zurückhaltung von Informationen ist jedoch dort angebracht, wo ansonsten die Sicherheit

von Personen und die zukünftige Arbeitsfähigkeit gefährdet wären. Insbesondere ist dies im operativen Bereich

anzunehmen.

Zu keiner abschließenden Empfehlung ist die Kommission in der Frage gekommen, wie diese berechtigten

Schutzinteressen des Verfassungsschutzes mit den verfassungsgemäßen Auskunftsrechten des Verfassungsschutzes

in Einklang zu bringen sind. Auch Landtagsabgeordnete können zwar zur Vertraulichkeit von Informationen

verpflichtet werden. Dies scheint jedoch dort nicht viel versprechend, wo Abgeordnete selber in Verbindung

mit beobachteten Bestrebungen stehen. Es ist durchaus für die Zukunft denkbar, dass vom Verfassungsschutz

beobachtete Parteien im Niedersächsischen Landtag vertreten sind. Es sollte daher über Möglichkeiten nachgedacht

werden, wie mit solchen Fraktionen umzugehen ist und wie die Informationsrechte des Landtages sich nicht gegen

den Auftrag des Verfassungsschutzes wenden. Solche Überlegungen sollten bereits jetzt, wo die Notwendigkeit

scheinbar nicht vorliegt, angestellt werden. Empfehlungen hierzu sollten aber im Konsens aller Fraktionen des

Niedersächsischen Landtages getroffen werden. Ein solcher Konsens könnte in einer noch zu gründenden Enquete-

Kommission gefunden werden. Abschließend ist zu diesem Themenkreis festzuhalten, dass der Ausschuss zukünftig

mit seinem Namen klar als Kontrollgremium des Verfassungsschutzes erkennbar sein sollte. Wie im Bundestag und

anderen Bundesländern sollte der Name zukünftig „Parlamentarisches Kontrollgremium für den Verfassungsschutz“

lauten.

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Zukunft des Niedersächsischen Verfassungsschutzes

März 2014 Seite 17 Expertenkommission

5. Verfassungsschutz und Transparenz

Nur durch das Zugehen auf die Bürgerinnen und Bürger kann der Wert der Demokratie vermittelt werden. Hierzu

bedarf es eines transparenten Verfassungsschutzes.

5.1. Verfassungsschutz in der Mitte der Gesellschaft

Niedersachsen braucht einen handlungsfähigen Verfassungsschutz. Die Politik ist dafür verantwortlich, die

entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaffen, sodass eine bestmögliche Aufgabenerfüllung ermöglicht wird.

Dabei muss den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein hohes Maß an Wertschätzung entgegengebracht werden.

Misstrauensbekundungen als Mittel der politischen Auseinadersetzung sind für die gesellschaftliche Akzeptanz des

Verfassungsschutzes nicht förderlich. Die zurückliegende Debatte um eine Abschaffung des Verfassungsschutzes

war kontraproduktiv und hat zu einem Ansehensverlust des Verfassungsschutzes geführt.

Mit den vorgeschlagenen Empfehlungen soll die Rolle des Verfassungsschutzes als Institution in der Mitte der

Gesellschaft gestärkt werden. Durch die Expertise des Verfassungsschutzes in dem Bereich der Präventions- und

Aufklärungsarbeit über den Extremismus kann der Verfassungsschutz öffentliche Diskussionen zu den einschlägigen

Themenbereichen bereichern und zugleich die Akzeptanz der eigenen Arbeit in der Gesellschaft steigern. Durch

Veranstaltungen oder Ausstellungen, beispielsweise zu den Phänomenbereichen des Rechtsextremismus,

Linksextremismus oder Islamismus, hat der Verfassungsschutz in der Vergangenheit bereits seinen Expertenstatus

unter Beweis gestellt. Durch diese Präventions- und Aufklärungsarbeit werden gleichzeitig zivilgesellschaftliche

Akteure sensibilisiert und zu eigenem Handeln inspiriert. Der Wert eines Schutzes der gemeinsamen Grundordnung

wird durch den Verfassungsschutz somit in die Mitte der Gesellschaft transportiert.

Die Verfassungsschutzbehörden sind in der Vergangenheit transparenter geworden. Dies äußert sich in vielfältigen

Formen der Öffentlichkeitsarbeit, wie beispielsweise der Durchführung von Veranstaltungen und Ausstellungen

sowie der Veröffentlichung von Jahresberichten. Damit trägt der Verfassungsschutz zum Leitbild des aufgeklärten

und informierten Bürgers in der Demokratie bei. Vor diesem Hintergrund ist die Schließung der Niedersächsischen

Extremismus Informationsstelle (NEIS) ein Fehler. Gerade die dortigen Experten sorgten für die stets eingeforderte

Transparenz und interpretierten ihren Auftrag nicht ausschließlich mit dem Arbeiten mit nachrichtendienstlichen

Mitteln im Verborgenen. NEIS war Vorbild für andere Bundesländer und ein wesentlicher Schritt eines offenen

Verfassungsschutzes.

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Im BlickpunktText der im Inhaltsverzeichniss auftauchen soll:

Zukunft des Niedersächsischen Verfassungsschutzes

Expertenkommission Seite 18 März 2014

Die von der Kommission vorgeschlagene positive Fehlerkultur erfordert aber auch eine positive Resonanz in der

Öffentlichkeit und den Medien hierauf. Medien und Politik verwenden allzu gerne Stereotypen (zum Beispiel

„Schlapphutträger“), wenn sie über den Verfassungsschutz sprechen. So wird aus der Speicherung frei zugänglicher

Daten schnell eine „Bespitzelung“. Das Eingestehen von Fehlern bedarf einer verständnisvollen Reaktion, um

gerade keine „Wagenburg-Mentalität“ im Verfassungsschutz hervorzurufen. Eine positive Fehlerkultur bedarf einer

spiegelbildlichen Antwort.

5.2. Auskunftsansprüche der Bürger

Das Niedersächsische Verfassungsschutzgesetz sieht gegenwärtig bereits umfassende Auskunftsansprüche

vor. Ob diesen Ansprüchen in der Vergangenheit in ausreichendem Maße nachgekommen wurde, kann die

Kommission nicht ohne weitere Sachverhaltsermittlung beurteilen. Wichtiger erscheint es der Kommission, dass,

durch die angestrebte Fehlerkultur und ein verstärktes Bewusstsein über der Problematik der Datenspeicherung,

auch offener Auskunft durch den Verfassungsschutz gewährt und dadurch mehr Vertrauen geschaffen wird. Ein

Akteneinsichtsrecht für Bürger ist dem gegenüber nicht zielführend. Es ist zu berücksichtigen, dass auch Personen,

die sich ihrer verfassungsfeindlichen Einstellung durchaus bewusst sind, möglichst umfassend wissen möchten, was

über sie gespeichert ist. Freie Akteneinsicht bedeutete in vielen Fällen falsche Toleranz gegenüber den Gegnern

der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Weitere Erörterungen könnten in der Zukunft darüber angestellt

werden, ob in Fällen unberechtigter Datenspeicherungen ein pauschalierter Schadensersatzanspruch für die

Verletzung von Grundrechten gewährt wird.

6. Prävention

Der Verfassungsschutz als Frühwarnsystem ist auch ein geeignetes Instrument der Prävention.

6.1. Bildungsarbeit des Verfassungsschutzes

Der Verfassungsschutz fügt sich in seiner Konzeption in ein System der wehrhaften Demokratie als einer von

mehreren Verfassungshütern ein. Der Schutz der Verfassung sollte auch durch Information erreicht werden.

Es ist nicht erkennbar, warum der Verfassungsschutz ausschließlich die Exekutive informieren sollte. Die

Verfassungsschutzberichte wenden sich bewusst an alle Bürgerinnen und Bürger sowie auch an Schulen. Die

Mitwirkung des Verfassungsschutzes bei der politischen Bildungsarbeit sollte nicht aus ideologischen Gründen

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Zukunft des Niedersäschischen Verfassungsschutzes

März 2014 Seite 19 Expertenkommission

ausgeschlossen werden. Dabei ist zwischen der politischen Bildungsarbeit an Schulen und einzelnen Präventions-

und Aufklärungsmaßnahmen zu unterscheiden. Das Ziel des Verfassungsschutzes ist und war nicht die Indoktrination

der Schülerinnen und Schüler, sondern gerade die umfassende und differenzierte Aufklärung über Gefährdungen

der freiheitlichen demokratischen Grundordnung.

Es muss weiterhin möglich sein, dass die Experten des Verfassungsschutzes auf Einladung einer Schule von den

Erfahrungen ihrer Arbeit berichten. Um für unsere Demokratie streiten zu können, müssen die Schülerinnen und

Schüler lernen, wie sie verfassungsfeindliches Gedankengut erkennen können. Die Präventions- und Aufklärungsar-

beit des Verfassungsschutzes ist dabei besonders hilfreich. Nur wer gut informiert ist, wird sich gegen verfassungs-

feindliche Tendenzen wehren können. Der Verfassungsschutz sollte daher weiterhin aktiv Angebote der Aufklärung

über autoritäre Ideologien an Schulen und anderen geeigneten Einrichtungen machen.

6.2. Hilfe bei Extremismus vor Ort

Besonders von rechtsextremistischer Seite gab es in den letzten Jahren mehrfach Versuche sich mit Schulungs-

zentren in manchen Regionen zu etablieren. Auch von anderen verfassungsfeindlichen Bestrebungen sind solche

Versuche bekannt, die nicht immer abgewehrt werden konnten. Der Verfassungsschutz soll hier weiter Expertise zur

Abwehr solcher Versuche anbieten.

6.3. Angebote zum Schutz vor Ausforschung

Neben der technischen Aufklärung von Ausspähungsversuchen sollten in Zukunft auch den Bürgern verstärkt In-

formationen und technische Anleitung zum Selbstschutz vor dem Ausspähen durch fremde staatliche oder private

Gruppen angeboten werden. Dies ist im Bereich der Wirtschaft bereits seit längerem üblich. Ein offener und trans-

parenter Verfassungsschutz kann hier in Kooperation mit dem Datenschutzbeauftragten interessante und glaub-

würdige Angebote machen.

7. Zusammenfassung

Die Empfehlungen der Kommission sollen dem Verfassungsschutz helfen, sich weiterhin gegen die Bedrohungen

der Gegenwart und der Zukunft wenden zu können. Die Gefahr, dass wir uns unseres freiheitlichen Systems zu si-

cher sind und sich daraus neue Bedrohungen entwickeln, darf nicht vernachlässigt werden. Der Verfassungsschutz

als Frühwarnsystem hilft uns dabei. Seine Abschaffung würde unsere Freiheit nicht stärken, sondern schwächen.

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Im BlickpunktText der im Inhaltsverzeichniss auftauchen soll:

Zukunft des Niedersächsischen Verfassungsschutz

Expertenkommission Seite 20 März 2014

Heino Vahldieck(Rechtsanwalt und CDU-Politiker)

2002-2010: Leiter des Landesamtes für

Verfassungsschutz der Freien und Hansestadt Hamburg

2010-2011: Innen- und Justizsenator der Freien und

Hansestadt Hamburg

heute: Geschäftsführer der Hanseatischen

Siedlungsgesellschaft mbH (Tochter der Hamburger

Hochbahn AG)

Die Mitglieder der Kommission der CDU-Landtagsfraktion zur Zukunft des Niedersächsischen Verfassungsschutzes

Dr. Walter Remmers, Vorsitzender der Kommission (Rechtsanwalt und Notar a.D; CDU-Politiker)

1982-1990: Justizminister in Niedersachsen

1990: Vizepräsident des Niedersächsischen Landtages

1990-1994: Justizminister in Sachsen-Anhalt

1993-1994: Innenminister in Sachsen-Anhalt

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Zukunft des Niedersächsischen Verfassungsschutz

März 2014 Seite 21 Expertenkommission

Dr. Rudolf van Hüllen(Politikwissenschaftler)

1987-2006: Referent und Referatsleiter in den

Abteilungen Linksextremismus und Linksterrorismus im

Bundesamt für Verfassungsschutz

heute:freiberuflicherExtremismusforscherfür

politische Stiftungen und Institutionen, unter

anderem für die Konrad-Adenauer-Stiftung und die

Fachhochschule des Bundes für Öffentliche Verwaltung

in der Abteilung Verfassungsschutz

Elisabeth Winkelmeier-Becker(Rechtswissenschaftlerin und ehemalige Richterin am Amtsgericht)

seit 2005: Mitglied des deutschen Bundestages

seit 2012: stellvertretende Vorsitzende der CDU in

Nordrhein-Westfalen

2013: stellvertretendes Mitglied im NSU-

Untersuchungsausschuss

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Zukunft des Niedersächsischen Verfassungsschutz

Expertenkommission Seite 22 März 2014

Lutz Winkelmann(Rechtsanwalt, Land- und Forstwirt)

seit 2013: Mitglied des Niedersächsischen Landtages

Mitglied im Ausschuss für Rechts- und

Verfassungsfragen

Mitglied im Petitionsausschuss

Adasch, Thomas(Polizeibeamter a.D.)

seit 2008: Mitglied des Niedersächsischen Landtages

Stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für

Rechts- und Verfassungsfragen und des Ausschusses für

Angelegenheiten des Verfassungsschutzes

Beauftragter der CDU-Landtagsfraktion für den

Verfassungsschutz

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Zukunft des Niedersächsischen Verfassungsschutz

März 2014 Seite 23 Expertenkommission

Die Kommission der CDU-Landtagsfraktion zur Zukunft des Niedersächsischen

Verfassungsschutzes wurde auf Beschluss der CDU-Landtagsfraktion am 9. Dezember

2013 eingesetzt.

Die konstituierende Sitzung der Expertenkommission fand am 6. Januar 2014 statt.

Der vorliegende Abschlussbericht der Kommission wurde am 17. März 2014

verabschiedet und im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt.

I M P R E s sUM

Herausgeber: CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag Hinrich-Wilhelm-Kopf-Platz 1 30159 Hannover

Verantwortlich: Jens Nacke MdL Parlamentarischer Geschäftsführer

Redaktion: Timm Jacobsen Marvin Wolff Anna Anding

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Zukunft des Niedersächsischen Verfassungsschutzes

Expertenkommission Seite 24 März 2014

„Aufgabe des Verfassungsschutzes ist es, die freiheitlich demokratische Grundord-

nung als bleibendes Fundament unseres gesellschaftlichen und politischen Lebens

zu schützen. Gleichwohl ist die Tätigkeit des Verfassungsschutzes nicht auf die

Dauer fixiert oder fixierbar. So wie die Verfassung selbst lebt und die auf ihrer

Grundlage betriebene Staatspolitik sich wandelt, so muss auch der Verfassungs-

schutz mit seinen konkreten Objekten der Zeit folgen und sich ihr anpassen. […]

Wir können nicht auf Behörden verzichten, denen von Amts wegen der Schutz des

Staates und seiner Bürger anvertraut ist. Eine dieser Behörden ist der Verfassungs-

schutz. Seine Arbeit kann nur dauerhaften Erfolg haben, wenn die Bürger ihm das

Vertrauen entgegenbringen, dass der Verfassungsschutz sich im Denken und Han-

deln den Werten verpflichtet fühlt, zu deren Schutz er berufen wurde.“

(Helmut Schmidt in „Verfassungsschutz als gemeinsame Aufgabe von Bund und Ländern“ von 1966 )