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AUSGABE FRüHJAHR 2012 SCHWERPUNKT 5 FRAGEN GESELLSCHAFTS- TRANSFORMATION REINGELESEN: Praxisbuch »Die Welt verstehen« »Wozu seid ihr Christen eigentlich gut?« Johannes Reimer im Interview

francke-Magazin Theologie

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Die erste Ausgabe des francke-Magazins mit Themenschwerpunkt Theologie.

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Page 1: francke-Magazin Theologie

A u s g A b e F rü h j A h r 2012

s C h W e r P u N K T

5 F r A g e N

g e s e l l s C h A F T s -T r A N s F o r m AT i o N

r e i N g e l e s e N : Praxisbuch »Die Welt verstehen«

» Wozu seid ihr Christen eigentlich gut?«

Johannes Reimerim Interview

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Mit dem Studienprogramm „Development Studies & Transformation“ bieten das Marburger Bildungs-und Studienzentrum in Zusammenarbeit mit der University of South Africa (UNISA) eine internationale, interdisziplinäre und berufsbegleitende Studien- und Weiterbildungsmöglichkeit, die für Aufgaben in Entwicklungsprojekten sowie in Missions- und Hilfsorganisationen vorbereitet.

Das Studium ist:› berufsbegleitend: 3 Jahre › modular: 4 Module im Jahr plus Forschungstage › interdisziplinär: ultur- und Sozialwissenschaften, Entwicklungspolitik,

Community development und Theologie

› projektorientiert: eigenes Praxisprojekt vor Ort

› international: internationales Dozententeam

Mehr Informationen: www.developmentstudies.de

international. interdisziplinär. interkulturell.

Neu ab Oktober 2012: Studienprogramm Development Studies & Transformation (M.A.)

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international. interdisziplinär. interkulturell.

Neu ab Oktober 2012: Studienprogramm Development Studies & Transformation (M.A.)

Editorial

VeräNderuNg

Mitten in den stürmischen Veränderungen unserer Zeit bleibt unser Gott derselbe. Treu steht er zu seinen Geschöpfen, will Menschen begegnen. Wir sind ihm wich-tig, er sucht unsere Nähe. Wir Christen freuen uns über unser Verhältnis zu ihm, nehmen aber zugleich mit Verwunderung die Interesselosigkeit an christlichen Fra-gen in unserer Umgebung wahr. Wenn Gott aber treu zu den Menschen steht, dann ist es unser Auftrag als Glaubende,

unsere Erfahrungen weiterzugeben. Denn wir sind Gottes Mitarbeiter …Wie bringen wir Gott wieder ins Ge-spräch? Wie kommen wir mit Menschen ins Gespräch? Welche Menschen leben denn in unserer Umgebung? Mit diesem Heft wollen wir Ihnen Impulse geben und Sie auch auf unsere Bücher hinweisen.

Viel Freude beim Stöbern,Ihr Klaus Meiß (Geschäftsführer)

iNhAlT dieser AusgAbe:

Editorial 3

Wozu seid ihr Christen eigentlich gut? 4

Reingelesen: »Die Welt verstehen« 6

Impuls von René Padilla 8

Die verändernde Kraft des Evangeliums 10

Interview mit Johannes Reimer 12

Suchet des Dorfes Bestes! 14

Rezensionen 16

Die Sprache des Himmels lernen 18

Impressum 19

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Was sind die wichtigsten Erkenntnisse deiner Masterarbeit?

Ich stelle fest, dass sich die Beschäftigung mit dem Thema für mich persönlich trotz des Riesenaufwands sehr gelohnt hat. Durch die Verknüpfung von Theorie und Praxis kam es häufig zu konkreten Aus-wirkungen. Wäre das nicht so gewesen, wäre mir früher oder später die Motivation zur Aufarbeitung des komplexen Themas „Die missionale Ansprechbarkeit ostdeut-scher Konfessionsloser“ mit der recht aufwendigen Methode der Grounded Theory

ausgegangen. Es hat mich verblüfft, wie die schrittweise Anwendung der Ground-ed Theory nach dem Praxiszyklus von Faix tatsächlich zu neuen und nachvollziehba-ren Erkenntnissen geführt hat. Durch die selbstreflektive und zirkuläre Arbeitswei-se entstanden immer wieder Ergebnisse, die nicht mehr meiner eigenen Meinung und Erwartung entsprachen, sondern ob-jektive Ergebnisse darstellten.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse: Es konnte gezeigt werden, dass durch die

missionale (ganzheitliche, inkarnieren-de, kontextuelle) Gemeindegründungs-initiative nonamechurch tatsächlich Kon-fessionslose erreicht werden, und diese zumindest eine Zeit lang regelmäßig an den Treffen des Gesprächskreises teil-nehmen. Um Konfessionslose, die mitt-lerweile rund 75% der Bevölkerung im Osten Deutschlands ausmachen, zu errei-chen, stellt die missionale Gemeindeform also eine gute Alternative zu den typi-schen freikirchlichen und landeskirchli-chen Modellen dar. Im Verlauf der Unter-suchung zeigte sich die unterschiedliche Ansprechbarkeit von areligiösen und reli-giösen Konfessionslosen. Religiöse Kon-fessionslose, die noch wenigstens einen minimalen Kontakt mit Religion hatten, öffneten sich, wie zu erwarten, stärker und häufiger für den Glauben als areligi-öse Konfessionslose. Es zeigte sich, dass sich Konfessionslose in Krisensituatio-nen oft durch das ganzheitliche Angebot des christlichen Glaubens, welches auch soziale Komponenten einschließt, an-sprechen lassen.

» Wozu seid ihr Christen eigentlich gut?«

aktuell

Dr. Roland Baumann befasst sich in seiner Masterarbeit im Rahmen des Studienpro-gramms Gesellschaftstransformation mit der missionalen Ansprechbarkeit ostdeut-scher Konfessionsloser. Am Beispiel der Treffen der nonamechurch in Parchim hat er dazu eine qualitative Untersuchung durchgeführt. Welchen Nutzen seine Master-Arbeit für die Praxis hat, erklärt er hier.

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Welche Ergebnisse deiner empirisch-theologischen Studie haben dich über-rascht?

Überrascht hat mich die Beobachtung, dass sich erwachsene Konfessionslose leichter für den Glauben ansprechen las-sen, wenn ihre Kinder bereits vor ihnen konversive lebensverändernde Erfahrun-gen gemacht haben. Besonders bedeut-sam war darüber hinaus die Analyse der Gespräche von ehemaligen Teilnehmern. Aus den Gründen ihres Wegbleibens konnten konkrete Handlungsstrategien abgeleitet werden. Interessant und er-nüchternd war die Beobachtung, dass konvertierte Konfessionslose die missi-onale Struktur der nonamechurch nicht als Gemeinde erkannten und sich später zum Teil in eine für sie „richtige Gemeinde“, das heißt eine mit klassischen Struktu-ren und Abläufen, verabschiedeten. Um zukünftig (auch neue) Konfessionslose ansprechen zu können, muss es weiter-hin ein sehr niederschwelliges Angebot geben, was christliche Inhalte betrifft. Da solch ein Angebot von den Konfessions-losen, die bereits eine ambivalente oder gar konversive Glaubenshaltung einge-nommen haben, als nicht ausreichend empfunden wird, folgt daraus die Not-wendigkeit weiterer Aktivitäten, um den unterschiedlichen Bedürfnissen begeg-nen zu können.

Was können Gemeinden und Pastoren in Ostdeutschland für ihre praktische Ar-beit lernen?

Der erste Schritt, um Konfessionslose für den Glauben anzusprechen, besteht mei-nes Erachtens im Erkennen der Tatsache, dass sie anders und deswegen tatsächlich

auch schwerer für den Glauben zu errei-chen sind. Diese nicht zu unterschätzen-de Erkenntnis sollte zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der besonderen Kultur und Persönlichkeit von Konfessi-onslosen führen. Es muss eine verständ-liche Sprache in Wort, Zeichen und Tat gefunden werden, um die Fragen der Kon-fessionslosen zu beantworten: „Wozu seid ihr Christen eigentlich gut?“ und „Wie geht glauben?“. Der Zeit- und Personal-aufwand sollte dabei nicht unterschätzt werden.

Ich möchte Konfessionslose, insbeson-dere areligiöse, mit Patienten vergleichen, die in einem tiefen Koma liegen. Es ist not-wendig, sie immer wieder anzusprechen, weil man so Veränderungen zwar nicht bewirken, aber zumindest auslösen oder feststellen kann. Und selbst wenn es nicht dazu kommt, ist nicht geklärt, wie viel der Konfessionslose dennoch von seiner reli-giösen Umgebung wahrnimmt. Wir kön-nen also einen fruchtbaren Boden schaf-fen. Gelegentlich hört man von Patienten, die nach vielen Jahren aus ihrem Koma erwacht sind. Das Beispiel einer Teilneh-merin, die als areligiöse Konfessionslose eine Konversion erlebte, ist für mich ein mutmachendes Wunder. Es zeigt, dass wir nicht aufgeben sollten, denn Gott tut es auch nicht. „Bei ihm ist kein Ding un-möglich.“ n

Die Fragen stellte Tobias Müller.

Dr. Roland Baumann ist Allgemeinmediziner und hat 2003 in Parchim (mecklen-burg-Vorpommern) das Pro-jekt „nonamechurch“ mit der Zielgruppe ostdeutsche Konfessionslose initiiert.

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Sollte man früher sprichwörtlich die „Kir-che im Dorfe“ lassen, so spielt selbst in ländlichen Gebieten die Kirche eine im-mer geringere Rolle. In städtischen Gebie-ten ist sie in der zunehmenden Anonymi-tät fast völlig untergetaucht. Wie können wir dieser Entwicklung entgegenwirken? Wie kann eine Kirche oder Gemeinde wie-der ihre Rolle in ihrem Dorf, ihrer Stadt oder ihrem Stadtteil finden? Und was ist überhaupt ihre Rolle in einer pluralen Ge-sellschaft? Eine Möglichkeit, sich der Ant-wort auf diese Fragen zu nähern, ist dieKontextanalyse. Eine Kontextanalyse ist wie eine Brille, die einem das unmittel-bar vor Augen Stehende wieder klarer und schärfer, ja vielleicht sogar zum ersten Mal richtig sichtbar erscheinen lässt. Da-für gibt es viele Möglichkeiten, die zum einen aus der Mitte der Gemeinde kom-men und zum anderen soziologischer und pädagogischer Natur sind. Die Soziologie ist die Wissenschaft, die die Gesellschaft in erster Linie beobachtet und aus diesen Beobachtungen Schlüsse zieht. Sie ist nie frei von subjektiven Einflüssen des For-schenden, versucht aber durch die Nach-vollziehbarkeit ihrer Methoden möglichst neutral vorzugehen. Einige bewährte Beobachtungsmethoden können von Ge-

meinden entlehnt werden, um den eige-nen Ort wieder neu zu entdecken.

Daneben gilt es hier auch ganz einfache Fragen zu stellen wie: Kennen wir die Menschen, die neben uns wohnen? Die Menschen unseres Dorfes oder unseres Stadtteils? Ihre Probleme, Nöte und Hoff-nungen? Bei einer Kontextanalyse geht es nicht darum neue Strategien der Evange-lisation zu finden, sondern erst einmal sich selbst im eigenen Kontext und der eigenen Geschichte wahrzunehmen. Die Gemeinde soll vor Ort strukturell ein-gebunden sein und ihre Verantwortung wahrnehmen, die sie für die Menschen und die Gesellschaft hat.

Dies spiegelt auch die Dimension zivilge-sellschaftlicher Verantwortung wider, die die Gemeinde als Teil der Infrastruktur und ihre Mitglieder als Teil der Menschen vor Ort haben. Dies ist beileibe nichts Neues, sondern spielte schon bei den Pro-pheten im Alten Testament eine zentrale Rolle. Sie haben sich in die sozialen Struk-turen ihrer Zeit im Auftrag Gottes einge-mischt. Sie standen auf und haben soziale und moralische Missstände aufgedeckt und angeprangert (Micha 2). Sie liefen

Reingelesen

Die Kontextanalyse als Sehhilfe für die GemeindeeiN AusZug Aus dem buCh »die WelT VersTeheN«

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durch die Städte und was sie sahen, gefiel ihnen nicht. Sie beobachteten die Men-schen und riefen sie auf, ihre Lebensweise zu ändern, mehr aufeinander zu achten oder die Strukturen, in denen sie lebten, zu verändern (Amos 5). Dies ging von den Essgewohnheiten über den Umgang mit Armen (Jesaja 61) bis zu der Frage, ob Häuser gebaut werden sollen oder nicht (Jeremia 29). Das Leben hatte damals und heute immer etwas mit der jeweiligen Kul-tur, Politik und der praktischen Lebens-weise zu tun. Seitdem haben Christen immer eine „Kontrastgesellschaft“ mitten in ihrem Kontext gelebt um „Salz & Licht“ (Mt 6) für die Menschen um sie herum zu sein. Eine Kontextanalyse soll helfen, ei-nen Prozess zu starten, dies in die Praxis umzusetzen, angefangen in der eigenen Gemeinde bis zur Entdeckung des sozia-len Kontextes. n

StIMMEn zuM BuCh:

„Das vorliegende Buch ist eine hervorragende Hilfe und ein großartiges Praxisbuch.“Monika Deitenbeck-Goseberg, Pfarrerin ev. Kirchen-gemeinde Oberrahmede, Lüdenscheid

„Endlich mal ein Buch, in dem es um konkrete und nachvollziehbare Veränderungsprozesse im Kontext von Gemeinde und Gesellschaft geht. Danke.“timo Plutschinski, Geschäftsführer Christen in der Wirtschaft e.V.

„Das wahrscheinlich wichtigste Buch zum The-ma Gemeindebau der letzten Jahre.“

Gabriel Stängle, Leiter der Prisma-Gemeinschaft

„Die fundierte und interessante Analysehilfe ver-bindet das Lebensumfeld der Gemeinde und die Bedürfnisse der dort lebenden Menschen mit den Überlegungen zum missionarischen Gemein-deaufbau. Diese Verbindung ist verheißungsori-entiert.“ Dirk Möller, Referent für Missionarische Projekte und Evangelisation, AMD des Diakonisches Werkes der EKD

tobias Faix, Johannes Reimer (hg.)

Die Welt verstehen

isbN 978-3-86827-319-9288 seiten · € d 24,95

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Impuls

Wie kann eine christliche Antwort auf die Globalisierung aussehen? Viele Christen haben keine Ahnung, was da überhaupt vor sich geht. Wenn man sie fragt: „Was ist deine Antwort auf die kapitalistische Glo-balisierung?“, dann sagen sie: „Tja, daran kann man wohl nichts ändern!“ [...]

Ich sehe drei grundlegende Herausforde-rungen. Erstens in theologischer Hinsicht. Die theologische Herausforderung besteht darin zu sehen, dass das Evangelium mit dem Leben in seiner Ganzheit zu tun hat. Es betrifft nicht nur unsere Beziehung zu Gott, sondern auch die zu unserem Nächsten und zu Gottes Schöpfung. Es gibt dafür einen wunderbaren Ausdruck, der an vielen Stellen des Alten Testaments vorkommt: „Shalom“. Man kann das mit „Frieden“ übersetzen. Aber das reicht nicht. Denn „shalom“ bedeutet nicht nur die Abwesenheit von Konflikt. Der Begriff geht weit darüber hinaus. Er bedeutet Har-monie mit Gott. Harmonie mit meinem

Nächsten. Harmonie mit der Schöpfung Gottes.

„ Ich glaube an Gott, also muss ich nichts mehr essen.“

Die beste neutestamentliche Übersetzung für diesen Begriff ist das, was über seine Aufgabe gesagt hat: „Ich bin gekommen, um Euch ewiges Leben zu geben. Ich bin gekommen, um Euch ein Leben in Fülle zu geben.“ Das macht das Evangelium aus. Niemand hat die Fülle des Lebens nur da-durch, dass er in Beziehung zu Gott steht. Natürlich ist das ein entscheidender As-pekt eines Lebens in Fülle. Aber niemand kann sagen: „Ich glaube an Gott, also muss ich nichts mehr essen. Brauche kein Was-ser mehr. Kleidung auch nicht. Ich brau-che auch kein Dach über dem Kopf mehr. Keine Freundschaften. Ich kenne ja jetzt Gott.“ Gott zu kennen und eine Beziehung zu ihm zu haben, ist ein Grundbedürfnis. Das wichtigste, wenn man so möchte. Aber

Im Juni war René Padilla im Marburger Bildungs- und Studienzentrum zu Gast – einer der großen Vordenker in puncto ganzheitliches Christsein. Hier ein Auszug aus seinem Vortrag:

» niemand hat die Fülle des Lebens nur durch die Beziehung zu Gott.«

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nicht das Einzige! Die zweite Herausforde-rung besteht darin, unsere Missiologie zu überdenken. Beim Lausanner Kongress für Weltevangelisation 1974 wurde eine Erklärung abgegeben, die für evangelikale Christen weltweit sehr, sehr entscheidend war. In dieser Erklärung hieß es u.a., dass Evangelisation und sozio-politisches En-gagement beide Teil unserer christlichen Pflicht sind. Beide sind notwendige Aus-drucksformen der Doktrin von Gott und Mensch. Die Nachricht von der Erlösung enthält auch eine Nachricht des Gerichts über jede Form von Unterdrückung, Ent-fremdung und Diskriminierung. Und wir sollten uns nicht scheuen, das Böse und die Ungerechtigkeit anzuprangern, wo auch immer wir sie finden.

„Was hat Wirtschaft mit Ethik zu tun?“

Schließlich gibt es noch eine geistige He-rausforderung. Technologie und Kapital können einer Elite dienen. Oder sie können

Gott dienen. Wenn Letzteres geschieht, ist eine große Veränderung möglich. Doch dazu braucht man eine Vorstellung von Ethik. Und die lässt sich niemals aus dem Kapitalismus ableiten. Tatsächlich würden Ökonomen wohl eher fragen: „Was hat denn Wirtschaft mit Ethik zu tun?“ Wenn es bei dem Gebrauch von Geld keine ethi-schen Maßstäbe gibt, sind wir Sklaven des Geldes. Aber das ist natürlich nichts Neu-es – schon in Neuen Testament heißt es: „Du kannst nicht Gott und dem Mammon dienen.“ Denn wenn Geld das Leben be-herrscht, wird das Leben entmenschlicht. Die geistliche Herausforderung besteht darin, dem Geld einen angemessenen Platz zuzuweisen. Und Gott an die erste Stelle zu setzen. n

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René Padilla ist einer der führenden Theologen süd-amerikas und Präsident der Kairos-Foundation, die sich für die umsetzung integraler mission in der Praxis einsetzt.

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Dieses bekannte Bild kursierte in den letz-ten Monaten im Internet und verdeutlicht einen wichtigen Aspekt des Evangeliums: Das Kreuz Christi und seine rettende Kraft. Aber zugleich reduziert es das Evangelium auch auf diesen einen Aspekt. In diesem Buch wollen wir hingegen die verschiede-nen Aspekte der verändernden Kraft des Evangeliums biblisch-theologisch unter-suchen und für Christsein und Gemein-de fruchtbar machen. Dabei geht es ne-ben dem Kreuz auch um Aspekte wie die Auferstehung, das Leben Jesu, das Reich Gottes, die Kraft der Neuschöpfung, den Heiligen Geist und vieles mehr. Gott hat uns in Christus ein kraftvolles, vieldimen-sionales und veränderndes Evangelium gegeben, es wäre geradezu fahrlässig, die-ses auf einen Aspekt zu reduzieren. Das Evangelium, das Jesus und Paulus ge-

predigt und gelebt haben, die gute Nach-richt von Gottes anbrechender neuer Welt, ist voller verändernder und befreiender Kraft: für das eigene Leben, aber auch für die bestehenden (Un-)Ordnungen dieser Welt. Es hat eine persönliche, aber auch eine soziale und politische Dimension. Es führt zu Errettung, aber auch zu Erlösung und zu Befreiung. Es errettet nicht nur den einzelnen Menschen bzw. dessen See-le, sondern heilt das ganze Beziehungs-gefüge dieser Welt: die Beziehung des Menschen zu Gott, des Menschen zu sich selbst, des Menschen zu seinen Mitmen-schen sowie des Menschen zur Natur. Es führt zu einer Umkehr des menschlichen Herzens, aber auch zur Veränderung ge-sellschaftlicher Strukturen; es erlöst und befreit auch von Unterdrückung, Unge-rechtigkeit, Armut und Ausgrenzung.

Reingelesen

Eine stürmische See. Zwischen hohen Wellen und tobender Gischt sieht man Schiffe im Wasser versinken. Doch inmitten des stürmenden Meeres schwimmt ein großes Kreuz, auf das sich einige Menschen gerettet haben. Manche von ihnen liegen erschöpft am Boden, andere heben preisend die Arme.

Die verändernde Kraft des Evangeliums

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Genau das haben – bei allen Unterschie-den – alle Beiträge des vorliegenden Sam-melbandes gemeinsam: Sie versuchen, das Evangelium in seiner ursprünglichen Größe im Kontext des Judentums des 1. Jahrhunderts freizulegen und dieses daraufhin zeitgemäß für unsere Lebens-welt auszudrücken, damit es seine ver-ändernde Kraft entfalten kann – in unse-rem Leben, unseren Gemeinden, unseren Dörfern und Städten und der gesamten Gesellschaft.

Mit Beiträgen von N. T. Wright, Johannes Reimer, Miroslav Volf, Volker Rabens, Guido Baltes, Thomas Weißenborn, Mo-nika Deitenbeck-Goseberg, Tobias Faix, Volker Brecht, Tobias Künkler und Lesslie Newbigin. n

tobias Faix, tobias Künkler (hg.)

Die verändernde Kraft des Evangeliums

isbN 978-3-86827-320-5 · 368 seiten € d 14,95

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Johannes, was sind die hauptthesen dei-nes Buches »Multikultureller Gemeinde-bau«?

Unsere Gesellschaft wird immer multikul-tureller und optionaler. Kulturen stehen ja nicht nur für Ausländer, Migranten und Einwanderer, sondern auch für Unter-schiede im gesellschaftlichen Verständ-nis in den unterschiedlichen Milieus und Generationen. Das ist die Lage, in der sich unsere Gesellschaft befindet. Auf der an-deren Seite sind die meisten evangelischen Freikirchen, evangelischen Gemeinschaf-ten und sogar Kirchen oft sehr monokul-turell geprägt und bedienen nur ein ganz gewisses Milieu oder eine ganz gewisse ethnische Wirklichkeit. Das bewirkt na-türlich eine Schieflage in der Gesellschaft für die Kirche selbst. Das abzubauen und anzuregen, Gemeinde für alle Menschen vor Ort zu denken und zu bauen, ist die Hauptabsicht des Buches.

Das klingt herausfordernd, denn »mul-tikulti« ist bei Christen nicht unbedingt ein Lieblingswort. Warum ist es für Ge-meinden trotzdem oder gerade deshalb wichtig?

Weil es bei Gott ein Lieblingswort ist! Gott kann sich keine monokulturelle Wirklich-keit denken. Gott denkt in Farben und er

hat uns Menschen sehr farbenfroh ge-schaffen. Deshalb sollte sich die Gemein-de mit der Welt beschäftigen, wie Gott sie geschaffen hat. Und entsprechend auch die Menschen und Kulturen, wie sie nun mal sind, mit dem Evangelium anspre-chen.

Der untertitel heißt »Versöhnung le-ben«. Was hat das damit zu tun?

Ich glaube, dass Gemeinde Jesu nach Paulus Botschafterin der Versöhnung ist. Darin erblicke ich die Kernkompetenz der Gemeinde und zugleich auch eine Ge-meindebaumethode. Wenn wir in der Ge-sellschaft Zukunftsträger sein wollen, die Gesellschaft mitgestalten wollen, dann bitte schön mit der Kernkompetenz, die Gott in die Gemeinde gelegt hat. In mul-tikulturellen, multioptionalen Räumen ist nichts so selbstverständlich wie Konflikt. Konfliktlösungen sind sehr gefragt. Und wenn man Konflikte löst, versöhnt man. Gemeinde muss zu einem Mediator Got-tes in der Gesellschaft werden. Auf die-se Weise gewinnt sie natürlich auch ihre Chance, die Gesellchaft mitzuprägen und zugleich Gemeinde für alle Völker zu bauen.

Kannst du uns dafür ein Beispiel geben? Denn ich habe bisher wenige Gemeinden kennengelernt, die das leben.

Interview

»Gott denkt in Farben!«5 FrAgeN AN johANNes reimer

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Das stimmt. Das liegt daran, dass sich die Gemeinden vor allem in Deutschland sehr monokulturell entwickelt haben. In an-deren Ländern sieht das anders aus. Zum Beispiel in Brasilien, wo die Gesellschaft selbst sehr multikulturell gestaltet ist und man keine Angst vor Kulturen hat. Oder in Kanada, wo Multikulturalismus zum eigentlichen Gestaltungsprinzip der Ge-sellschaft gemacht wurde. Da gibt es viele Beispiele dafür, dass man in einer Deno-mination sehr viele ethnische Gruppen und Milieus versammelt. Diese befruchten einander und stellen auf diese Weise eine gesellschaftstransformative Kraft dar, die ihresgleichen sucht. Bei uns in Deutsch-land gibt es noch nicht so viele Beispiele. Wenn wir aber in einer Stadt wie Nürnberg z. Zt. etwa 36 nicht-deutsche Gemeinden haben – und einige dieser Ausländerge-meinden haben sich zusammengetan in multikulturelle Verbände, die ihre Stadt verändern wollen – dann ist das sicher ein Hoffnungszeichen. Gemeinsam für Ber-lin, Gemeinsam für Hamburg sind ande-re Beispiele, wo man ganz bewusst über die eigene Kultur und die Grenzen der eigenen sozialen Klasse und des eigenen Milieus blickt und so nach Wegen sucht, Gemeinde multikulturell zu bauen.

Was können Gemeinden denn von aus-ländischen Mitbürgerinnen und Mitbür-

gern lernen? Oder anders gefragt: Was hat die Gemeinde denn davon?

Gemeinde hat zunächst einmal Gemeinde davon. Gemeinde kann nicht monokultu-rell gedacht werden. Gemeinde hört auf, Gemeinde zu sein, sobald sie den unter-schiedlich gestalteten, unterschiedlich geprägten Menschen keine Lebensant-worten mehr bietet. Das ist das Eine. Zum Zweiten ist es ja nicht nur so, dass die Gesellschaft konfliktträchtig ist. Wir als Gemeinden erleben ja eine postchristli-che Grundeinstellung in der Gesellschaft und damit auch eine Mitgliederabnahme in unseren Gemeinden ohnegleichen. Die Leute trauen der Kirche nicht mehr, weil die Kirche keine Antworten auf die Kon-fliktsituationen ihres Lebens bietet. Wenn die Gemeinde sich der Herausforderung stellt, ein Mediator Gottes in der Welt zu sein, dann wird sie nicht nur zu sich selbst finden, sondern Menschen werden auch zu ihr gezogen. Das glaube ich, und das erlebe ich an vielen Stellen dieser Welt, und mein Buch soll dazu einen Beitrag lie-fern. n Die Fragen stellte Tobias Faix.

Johannes Reimer

Multikultureller Gemeindebau

isbN 978-3-86827-246-8 · 272 seiten € d 15,95

Dr. Johannes Reimer ist Professor an der universität von südafrika, gemein-degründer und Autor verschiedener bücher zum Thema gesellschaftstrans-formation.

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In einem Dorf mit etwa 4000 Einwohnern namens Rechtenbach versuchen eine pi-etistisch geprägte Gemeinde (Evangeli-sche Gemeinschaft Rechtenbach; ca. 150 Mitglieder) und der dazugehörige CVJM Rechtenbach (auch etwa 150 Mitglieder) den missionalen Wandel hin zu einem Auf- bzw. Ausbau der Gesellschaftsrele-vanz dieser Gemeinde.

Als Pastor und Initiator des Projekts habe ich im Studienprogramm Gesell-schaftstransformation den sogenannten Praxiszirkel des gesellschaftsrelevan-ten Gemeindebaus nach Johannes Rei-mer kennengelernt. Dieser inzwischen mehrfach modifizierte Praxiszirkel ist die Grundlage für den gesellschaftsre-levanten Gemeindebau in Rechtenbach. Meine Einstellung bei der Evangelischen Gemeinschaft Rechtenbach (EGR) im Sommer 2010 erfolgte unter der Prämisse, sich als Gemeinde dem oben erwähnten

Wandlungsprozess zu stellen. Das Pro-jekt begann mit einer intensiven Phase der Verortung, die geprägt war von mehreren Predigten zu missionalen Themen, einer ständigen Thematisierung in allen Gre-mien (insbesondere in den Vorständen der EGR und des CVJM), vielen Einzelge-sprächen und Besuchen bei gesellschaft-lich wichtigen Personen innerhalb der Gemeinde.

Im Mai 2011 wurde dann unter erstaunli-cher Beteiligung von ca. 100 Teilnehmern eine Potentialanalyse mit dem Slogan „Uns entdecken“ durchgeführt: Die Ge-meinde wurde auf ihr Potential für die Gesellschaft hin untersucht. Die Vielfäl-tigkeit, Qualität und Quantität des Ergeb-nisses war erstaunlich und konnte in den folgenden vier Wochen in Form eines Bil-des an zentraler Stelle des Gottesdienst-raumes bewundert werden.

aus der praxis

Suchet des Dorfes Bestes!

gesellsChAFTsreleVANTer gemeiNdebAu AuF dem lANd

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Im Juni 2011 begann unter gleichem Zu-spruch (ca. 100 Teilnehmer) die Kontex-tanalyse mit dem Slogan „Rechtenbach entdecken“. Hierzu wurden vier Gruppen gebildet, die auf unterschiedliche Art und Weise in den folgenden zwei Monaten den Ort Rechtenbach analysieren sollten.

Im August 2011 wurde dann mit wiederum guter Beteiligung (wieder ca. 100 Teilneh-mer) das gesammelte Material ausgewer-tet und enggeführt. Heraus kam folgen-de Vision: Begegnungsmöglichkeiten in Rechtenbach schaffen.

Im September 2011 traf sich erstmals eine Initiativgruppe, die seitdem die Umset-zung dieses Ziels plant. Konkret geht es momentan um die Ausarbeitung eines Konzepts für ein Café innerhalb eines Dorfmitte-Indoor-Marktes, dessen Eröff-nung für die Mitte des Jahres 2012 geplant ist. Daneben werden weitere Begegnungs-

möglichkeiten ausgearbeitet und teilwei-se auch schon umgesetzt: Gemeinsames Boule-Spielen auf dem Dorfplatz, Schlitt-schuhbahn im Winter 2012/13 auf dem Tennisplatz des hiesigen Tennisvereins, ein Mentorprojekt für Auszubildende un-ter dem Titel „Pack's!“ und einiges mehr.

Bisher hat das ganze Projekt eine erstaun-liche und unerwartete Dynamik entwi-ckelt, die uns hoffnungsvoll in die Zu-kunft blicken lässt, wo hoffentlich vieles umgesetzt und verinnerlicht wird. n

Simon hoffmann studiert gesell- schaftstransformation und ist Pastor der evangelischen gemeinschaft rechtenbach. dort konnte er schon viele positive erfahrungen in puncto gesellschaftsrelevanter gemeindebau sammeln: die ge-meinde wird von entscheidenden Teilen der dörflichen gesellschaft neu, anders und positiver gesehen.

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Alan Roxburgh, einer der Vordenker der missionalen Bewegung, skizziert in „Mis-sionale Leiterschaft. Gemeinde bauen in einer sich verändernden Welt“ zusam-men mit Fred Romanuk eine hilfreiche Landkarte der Prozesse, die Gemeinden durchlaufen, wenn sie sich auf die Ver-änderungen in Kultur und Gesellschaft einlassen. Die Autoren verpacken nicht einfach alte Modelle neu. Sie zeigen, dass es darum geht, eine spezifische Kultur zu entwickeln, nicht nur ein Programm ab-zuspulen. Sehr hilfreich ist das „Drei-Zo-nen-Modell des Leitens“. Es zeigt, wie es in Organisationen Phasen des Gestaltens, des Übergangs und der Überbrückung gibt und wie in diesen jeweiligen Phasen Führung aussieht.

Das Trendwort „missional“ steht in der Gefahr, zu einem hohlen Containerbegriff zu werden. Roxburgh und Romanuk er-klären, dass „Mission nicht ein bestimm-tes Arbeitsfeld innerhalb der Gemein-dearbeit [bezeichnet], Mission ist keine einmalige Veranstaltung, bei Mission geht es noch nicht einmal darum, Missionare auszusenden. Eine missionale Gemeinde ist eine Gemeinschaft von Christen, die den Menschen außerhalb der Gemeinde Gottes Wesen spiegelt.“

Missionale Leiterschaft hilft dabei, die Komplexität zu verstehen, in der sich

christliche Gemeinden und die sie um-gebende Kultur bewegen. Das Modell des missionalen Wandels zeigt, wie man Gemeinden durch diesen Wandel führt: indem man sich auf die missionale Um-gestaltung einlässt, versteht, auswertet, experimentiert, neue Wege geht und sich verpflichtet, Anderen in diesem Prozess zu helfen.

Man spürt den Autoren die Kompetenz und das Einfühlungsvermögen ab, das sie in ihrer langjährigen Beratertätigkeit entwickelt haben. So ist das Buch kein stereotyper 7-Punkte-Plan zum definitiven Erfolg. Es zeichnet sich aus sowohl durch seine Praxisorientierung als auch durch seine geistliche Tiefe. n

Gabriel Stängle(Leiter der Prisma Gemeinschaft)

rezensionen

Praxisnah mit geistlichem tiefgang»missioNAle leiTersChAFT« VoN AlAN roxburgh & Fred romANuK

Alan Roxburgh, Fred Romanuk

Missionale Leiterschaft

isbN 978-3-86827-245-1 · 288 seiten € d 15,95

Page 17: francke-Magazin Theologie

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Dieses Buch ist eine allgemein verständli-che Missionstheologie, die alle an Missi-on interessierte Menschen in Bewegung setzen will, die christliche Hoffnung in die Welt zu tragen. Bosch gelingt es, die verschiedenen theologischen Richtungen fair, offen und ehrlich zu beschreiben. Die Stärken und Schwächen der jeweili-gen Missionstheologie werden aufgezeigt und ihre kirchengeschichtlichen Wurzeln skizziert, wie beispielsweise „Ökume-nische Missio Dei“ trifft „evangelikale Seelenrettung“. Für Bosch gehören beide Richtungen zusammen. Gottes Mission in der Welt ist ganzheitlich und lebt von der „kreativen Spannung“.

Nach fast drei Jahrzehnten (1980: „Wit-ness to the world“) erscheint nun endlich die deutsche Übersetzung dieses missi-onstheologischen „Klassikers“.

In vier Kapiteln stellt Bosch seine integrale Theologie der Mission dar:

Teil I: Die gegenwärtige Missions- theologie

Teil II: Die biblische Grundlage der Mission

Teil III: Die Missionstheologie im Verlauf der Jahrhunderte

Teil IV: Auf dem Weg zu einer Theologie der Mission

Glaube, Liebe, Hoffnung – diese drei gro-ßen Worte umreißen den Auftrag der Kir-che in der Welt. Dieses Buch hat das Zeug dazu, einzelne Christen und viele Kirchen und Gemeinden wieder neu zu motivieren ihrer Berufung zu folgen, der Welt Glaube, Liebe und Hoffnung zu bringen. Ein tolles und lesenswertes Buch, das die Wichtig-keit von Mission neu bewusst macht. n

Andreas Schuss (ist Marketingreferent und studiert Gesellschaftstransformation)

Integral. herausfordernd. Wegweisend.»gANZheiTliChe missioN« VoN dAVid j. bosCh

David J. Bosch

Ganzheitliche Mission

isbN 978-3-86827-244-4 · 336 seiten € d 14,95

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Keine moralinsauren RegelnChristliche Tugenden sind nach Wrights Meinung nicht zu verwechseln mit mo-ralinsauren Regeln, an die man sich als bekehrter Mensch nun mal halten muss, deren Umsetzung aber letztlich für Got-tes große Geschichte mit der Welt nicht von Bedeutung ist. Wright vergleicht die christlichen Tugenden mit der aristoteli-schen Tugendlehre. Auch hier spielt die Frage des persönlichen Verhaltens eine große Rolle. Aber während es Aristoteles in erster Linie darum geht, einzelne Men-schen zu leuchtenden Vorbildern und Helden zu machen, kann die christliche Tugend „nur dann wirksam sein, wenn jeder Spieler der großen und vielfältigen Mannschaft seine einzigartige und be-stimmte Rolle übernimmt, in sorgfältiger Beziehung zu den anderen Mitspielern und für den Erfolg der ganzen Mann-schaft“ (S. 178). Dabei ist die christliche Gemeinde kein Selbstzweck. Sinn und

Ziel ist immer die Zukunft, zu der sie als Leib Christi berufen ist. Und diese Zu-kunft besteht aus zwei Aufgaben: Anbe-ten und regieren.

Anbeten und – regieren!Dass Anbetung in Gottes neuem Reich eine zentrale Stelle einnehmen wird, ist den meisten Bibellesern sicher bewusst. Dass die christliche Gemeinde aber auch aufgerufen ist, diese neue Welt mitzuge-stalten, wird im Hinblick auf die Zukunft des Volkes Gottes meist vergessen. Doch Wright ist sich – gerade im Hinblick auf das Buch der Offenbarung – sicher:

„Die Offenbarung, so oft als dunkel, seltsam und gewalttätig abgewiesen, malt uns eine Vision vor Augen, die nicht nur die gesamte erneuerte und jubelnde Schöpfung umfasst, sondern auch Men-schen in ihr [...]. Sie werden Priester und Herrscher sein, ein Spiegelbild für den Lobpreis der gesamten Schöpfung, und

Die Sprache des himmels lernen

rezension

»glAube – uNd dANN?« VoN N. T. WrighT

Was tun, wenn man sich für ein Leben mit Gott entschieden hat und nun Christ ist? Auf jeden Fall mehr, als vom Glauben zu erzählen und auf den Himmel zu warten. In „Glaube – und dann? Von der Transformation des Charakters“ entfaltet der anglikani-sche Theologe N.T. Wright die Bedeutung christlicher Tugend quasi vom Ende her. Er fragt: Wie werden Christen im Himmel, d.h. in Gottes neuem Reich, leben? Und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für das gegenwärtige Handeln und Denken des Ein-zelnen, aber auch der Gemeinde als Ganzes?

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im Auftrag Gottes und des Lammes Auto-rität ausüben“ (S. 77).

Jetzt schon leben, was wir einmal sein werdenVon diesem Ende gedacht ergibt das Ein-üben christlicher Tugend Sinn. Es geht nicht darum, durch besondere Anstren-gungen das Reich Gottes auf Erden zu verwirklichen. Oder darum, starre Regeln zu befolgen, während man halt auf den Himmel wartet. Es geht laut Wright viel-mehr darum, heute schon die Tugenden einzuüben, die die Bewohner in Gottes neuem Reich leben werden:

„Diejenigen, die Jesus nachfolgen, kön-nen in der Gegenwart damit beginnen, die Herzens- und Lebensgewohnheiten einzuüben, die dem Zustand der Dinge in Gottes Königreich entsprechen – dem Zu-stand, in dem die Dinge letztendlich sein werden, in dem sie aber jetzt bereits sind, weil Jesus hier ist“ (S. 97).

Die Sprache des himmels lernenDurch diese Ewigkeitsperspektive be-kommt die Frage nach einer christlichen Ethik eine ganz neue Dimension. Tugend ist weder frommer Selbstzweck noch der Versuch, sich den Himmel zu verdienen. Es geht darum, bereits heute zu leben (bzw. sich darin zu üben), wie wir oh-

nehin einmal leben werden. Das nimmt dem Ganzen die Verbissenheit, macht aber auch deutlich, dass es harte Arbeit sein kann.

Fazit„Glaube – und dann? Von der Transfor-mation des Charakters“ ist kein einfaches Buch. Wenngleich für Laien geschrieben, ist es doch theologisches Schwarzbrot, das gut gekaut und vor allem verdaut wer-den muss. Wer auf der Suche nach zehn einfachen Schritten einer christlichen Charakterschule ist, ist hier fehl am Platz. Es geht Wright vielmehr darum, den Zusammenhang zwischen christlicher Hoffnung und gegenwärtigem Handeln zu verdeutlichen. Das gelingt ihm hervor-ragend. Wer ein Buch sucht, das christli-ches Handeln und Leben in einer inspirie-renden und motivierenden Gesamtschau darstellt, dem sei dieses Buch wärmstens empfohlen. n

Michael Gerster, ERF Online (gekürzte Version – erschienen auf www.erf.de; mit freundlicher Genehmigung)

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n. t. Wright

Glaube – und dann?

isbN 978-3-86827-243-7 · 256 seiten € d 14,95

Page 20: francke-Magazin Theologie

20

544 s. · gebunden · isbN 978-3-86827-323-6 · € d 24,95

ihre buchhandlung:

»beim lesen dachte ich immer wieder: es wäre großartig, wenn ich dieses buch schon als student in die hände bekommen hätte! Thomas Weißenborn zeichnet ein klares und umfassendes bild der politischen, sozialen und religiösen bedin-

gungen, in denen das NT entstanden ist. der Verfasser beweist: die beschäftigung mit theologischen Themen muss nichts langweiliges oder ermüdendes sein.«

DR. ROLAnD WERnER, CVJM GEnERALSEKREtäR

die einführung in das

Neue Testament

Alle 3 Bändein einem

Buch