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FRANK LLOYD WRIGHT MODERNE HÄUSER

FRANK LLOYD WRIGHT MODERNE HÄUSER - bilder.buecher.de · 8 ALAN HESS FRANK LLOYD WRIGHT: MODERNE HÄUSER 9 Fallingwater ist nur die Spitze des Eisbergs. Mit dem Bau seines berühmtesten

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FRANK LLOYD WRIGHTMODERNE HÄUSER

FRANK LLOYD WRIGHTMODERNE HÄUSER

Fotos von Alan Weintraub | Text von Alan Hess

Mit Beiträgen von John Zukowsky und Monica Ramírez-Montagut

Deutsche Verlags-Anstalt

INHALT

Frank Lloyd Wright: Moderne Häuser

Von Alan Hess

Frank Lloyd Wright und der Zweite Weltkrieg

Von John Zukowsky

Die überschwenglichen Fünfziger:

Wright und das Guggenheim

Von Monica Ramírez-Montagut

Moderne Häuser

Die Einfamilienhäuser Frank Lloyd Wrights der Zeit von

1933 bis 1961

Literatur

Anmerkungen

Register

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1. AuflageCopyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2009Deutsche Verlags-Anstalt, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Titel der englischen Originalausgabe: Frank Lloyd Wright. Mid-Century Modern© 2007 Rizzoli International Publications, New YorkAlle Rechte vorbehalten

Abbildung auf der Umschlagvorderseite: Haus Wilbur PearceAbbildung auf der Umschlagrückseite: Haus Goetsch-WincklerVorsätze: Haus Llewellyn WrightSeite 2: Ferienhaus Seth Condon PetersonSeite 6/7: Haus Raymond CarlsonSeite 48/49: Haus C. Leigh StevensSeite 336: Haus Arch Obeler

Gestaltung: Zand GeeSatz der deutschen Ausgabe: Boer Verlagsservice, GrafrathPrinted and bound in ChinaISBN 978-3-421-03720-6

www.dva.de

Für Michael Duté – AW

Für Jonathan, Emma, und Familie – AH

Aus dem Englischen übersetzt

von Cornelius Brand mit Agnes Riedel

Haus Nathan und Jeanne Rubin 1952

Haus R. W. Lindholm 1952

Haus Jorgine Boomer 1952

Haus Andrew und Maude Cooke 1953

Haus Harold Price Jr. 1953

Haus William Thaxton 1953

Haus Gloria Bachman und Abraham Wilson 1954

Haus Maurice und Margaret Greenberg 1954

Haus Harold Price Sr. 1954

Haus Cedric und Patricia Boulter 1954

Haus Gerald Tonkens 1954

Haus Elizabeth und William Tracy 1954

Haus John Rayward 1955

Haus Harriet und Randall Fawcett 1955

Haus H. und Dorothy Turkel 1955

Haus Maximilian Hoffman 1955

Haus Donald und Virginia Lovness 1955

Haus Theodore und Bette Pappas 1955

Haus Llewellyn und Elizabeth Wright 1956

Haus Allen Friedman 1956

Marshall Erdman Prefabricated Homes 1957–1961

Haus Robert und Mary Walton 1957

Haus Paul und Helen Olfelt 1958

Haus George und Millie Ablin 1958

Haus Don Stromquist 1958

Ferienhaus Seth Condon Peterson 1958

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Moderne Häuser

Haus Liliane und Edgar J. Kaufmann 1935

Haus Herbert und Katherine Jacobs I 1936

Haus Herbert Johnson 1937

Taliesin West 1938

Haus C. Leigh Stevens 1939

Haus Stanley und Mildred Rosenbaum 1939

Haus Goetsch-Winckler 1939

Haus George Sturges 1939

Haus Clarence Sondern 1939

Haus Gregor und Elizabeth Affleck 1940

Haus Lowell und Agnes Walter 1945

Haus Sara und Melvyn Smith 1946

Haus Herman T. Mossberg 1946

Haus Mrs. Clinton Walker 1948

Haus Katherine und Maynard Buehler 1948

Haus J. Willis Hughes 1949

Haus Henry Neils 1949

Haus Anne und Eric Brown 1949

Haus Wilbur Pearce 1950

Haus Don und Mary Lou Schaberg 1950

Haus R. Bradford und Ina Harper 1950

Haus Robert und Gloria Berger 1950

Haus William und Mary Palmer 1950

Haus Karl Staley 1950

Haus Russell und Ruth Kraus 1950

Haus Roland und Ronny Reisley 1951

Haus Gabrielle und Charlcey Austin 1951

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Fallingwater ist nur die Spitze des Eisbergs.

Mit dem Bau seines berühmtesten Hauses,das über einem Flüsschen in den WäldernPennsylvanias thront, gelang Frank LloydWright 1935, nach zwei Jahrzehnten relativerZurückgezogenheit, die Rückkehr ins Ram-penlicht der architektonischen Welt. In denverbleibenden zwei Jahrzehnten seines Le-bens konnte er sich nicht nur eines wachsen-den Vermögens, sondern auch wachsenderBerühmtheit erfreuen, und – das war dasWichtigste für ihn – er hatte endlich genü-gend Bauaufträge, um seine Ideen zu verwirk-lichen. Beinahe über Nacht überschüttetenihn Autoren, Architekten und Kritiker nur somit Lob. Bauherren aus aller Welt strömten zuihm, um ihm Aufträge zu erteilen, und seineAnsichten über Architektur inspirierten Hun-derte anderer Architekten. Was Wright jedocham meisten Genugtuung verschaffte, war,dass sowohl Freunde als auch Gegner seinerArchitektur ihn nun nicht länger ignorierenkonnten.In den mehr als zwanzig Jahren bis zu seinemTod 1959 sollte er einige der erstaunlichstenGebäude des zwanzigsten Jahrhunderts ent-werfen und bauen. Insbesondere das auf denZweiten Weltkrieg folgende Jahrzehnt wareine Zeit außerordentlicher architektonischerErneuerungen, an denen Wright einen nichtunerheblichen Anteil hatte. Doch trotz all sei-ner Erfolge entfernte sich seine Architektur inden fünfziger Jahren langsam von den vor-herrschenden architektonischen Strömungen– er hatte sich schon immer gern in der »ge-rechten Minderheit« gesehen. Kreativität undFantasie vieler seiner Entwürfe ließen sich

nicht übersehen, doch wurden andere Ent-würfe dieser Periode eher skeptisch aufge-nommen. Einige glaubten, der »Barde von Ta-liesin« sei zu weit gegangen, er sei seinemEgo und den Schmeicheleien unterlegen undhabe jegliche Disziplin verloren. So wurdendie innovativsten Entwürfe Wrights von denKritikern eher zurückgewiesen oder still-schweigend ignoriert, auch wenn die Großar-tigkeit seiner besten Werke weiterhin aner-kannt wurde. Wir sollten uns jedoch davorhüten, Teile des Werks eines so wandelbarenKünstlers als unwichtig abzutun. Womit sich die Kritiker damals schwer taten,waren Ansammlungen von Kreisen, Spiralen,weiten Auskragungen, Türmen und anderenmerkwürdigen Formen, wie man sie bei demMarin County Civic Center, der Beth ShalomSynagoge, dem Grady Gammage Auditorium,Auldbrass und bei den Häusern David Wrightund Sol Friedman findet sowie bei einigen un-gebauten Entwürfen wie dem Donahoe-Trip-tychon-Haus und dem Huntington HartfordPlay Resort. Von herkömmlichen architektoni-schen Meilensteinen der Mitte des zwanzigs-ten Jahrhunderts – Mies van der Rohes Sea-gram Building, das General Motors TechnicalCenter von Eero Saarinen und auch Le Corbu-siers Chandigarh – waren diese Entwürfe weitentfernt. Sie verkörperten eindringlich einevöllig neue Geometrie, eine Ästhetik der Opu-lenz statt der Schlichtheit. Auch aus heutiger Sicht bleibt die Vielfältig-keit und Frische von Wrights architektoni-scher Spätphase schlichtweg erstaunlich.Selbst die beiden Jahrzehnte seiner Prärie-haus-Periode zu Beginn des zwanzigstenJahrhunderts können da nicht mithalten. Auch

wenn es zutrifft, dass Wright in seinen ge-schäftigen letzten Jahrzehnten häufig auf un-gebaute Entwürfe seiner mittleren Jahrzehn-te, in denen er als Architekt isoliert war,zurückgriff, sind die Energie und die Vorstel-lungskraft der entstandenen Werke bewun-dernswert.1

In unserem Zusammenhang werden wir dieEinschätzung der späteren Arbeiten Wrightsauf seine Wohnhausentwürfe beschränken.Welches von ihnen ist das wichtigste? Ist eseins unter den Dutzenden von Usonian-Häu-sern, die sich über ganz Amerika verteilen, je-ner Häuser von bescheidener Größe mit ih-rem offenen Wohn-, Ess- und Kochbereich,die dem neuen legeren Lebensstil der ameri-kanischen Mittelklasse eine kultivierte Formverliehen? Oder ist sein bedeutendstes Werkeins der prachtvollen Anwesen wohlhabenderKlienten? Ist Fallingwater großartiger alsWingspread? Passt Auldbrass in seinem ar-chitektonischen Ausdruck besser zur umge-benden Sumpflandschaft als Eaglefeatherzum Küstengebirge? Jedes dieser großarti-gen Häuser verkörpert eine eigene Idee undästhetische Richtung, die gestalterisch per-fekt umgesetzt wurde. Oder sind die bedeu-tendsten Bauten Wrights jene Häuser, dieden Wohlstand, die Technik und die Zukunfts-gläubigkeit der Jahrhundertmitte verkörpern?Sind es seine Projekte zur Erforschung vonAsbestzementplatten (»Cemesto«) in dreidi-mensionalen Rahmenmodulen, seine Experi-

FRANK LLOYD WRIGHT : MODERNE HÄUSER Von Alan Hess

Haus Jean und Paul Hanna (Honeycomb House), Palo Alto,

Kalifornien, 1936

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Wright nicht nur die Häuser, sondern auch dieStraßen und Grundstücke gestaltete. Die Galesburg- und die Parkwyn-Siedlung amRan de von Kalamazoo, Michigan, sind zweiFragmente von Broadacre City, die tatsächlichgebaut wurden. Ihre Straßen folgen der natür-lichen Topografie der hügeligen Waldland-schaft, und jedes Haus hat ausgedehnte Ra-senflächen und individuelle Ausblicke. Das Konzept zu Broadacre City reicht bis indie dreißiger Jahre zurück, eine Zeit, in derWright nur wenige Bauaufträge hatte. In sei-nen Entwürfen für diese ideale Stadt projizier-te er aktuelle gesellschaftliche Trends auf seine tief verwurzelten philosophischen An-sichten, die auf Jefferson, Emerson, Whit-man und Sullivan zurückgingen. Sorgfältigkombinierte er die Möglichkeiten modernerTechnik, etwa des Automobils, mit tiefemRespekt vor der Natur; Wohnhäuser, Fabri-ken, Büros, Geschäfte, Schulen und öffent -liche Gebäude lagen in seinen Modellen soweiträumig über das Gelände verteilt, dass jeder Bürger eine enge Beziehung zu Agrar -flächen oder zur unberührten Natur hatte. Vie-le der nach 1935 entstandenen EntwürfeWrights für Wohnhäuser oder öffentliche Ge-bäude spiegeln diese architektonische Visionwider, und auch Entwicklungen in der realenWelt wie das in den fünfziger Jahren gebauteInterstate-Highway-System und die kommer-zielle Massenproduktion von Eigenheimen ka-men dem neuen mobilen Lebensstil entge-gen. Für Wright war jeder Auftraggeber, derein Grundstück und die Mittel für einen Haus-bau mitbrachte, ein Förderer dieses Ziels. Natürlich war Wrights Motivation zu bauenvielschichtig – er war ein eitler und ehrgeizi-ger Mann, der ein großes Bedürfnis nach An-erkennung hatte, aber er war auch ein in derphilosophischen Tradition Amerikas verwur-zelter Visionär. Ein ständiges Thema seinerVorträge, Artikel und Entwürfe war die Trans-formation der Vereinigten Staaten in eine mo-derne Version von Jeffersons Agrargesell-

mente mit vorgefertigten Betonblöcken beiden Usonian-Automatic-Häusern, sein Einsatzvon Schlackenzementsteinen oder seine Ent-würfe für vorgefertigte, massenproduzierbareHäuser? Sind es seine kreisförmigen oder ge-schwungenen Bauten, jene auf der Basis vonausgeklügelten Dreiecksformen, Parallelo-grammen oder von rechten Winkeln und Git-terrastern?

* * *

An dieser Schaffensperiode Wrights ist be-sonders faszinierend, dass sie in zwei völligvoneinander getrennten Dimensionen statt-fand – die eine im Einklang mit den Vorgängenin der realen Welt, die andere in einer visionä-ren Welt, die allein die seine war. Wright war sich der gesellschaftlichen Verän-derungen, die nach dem Zweiten Weltkriegum ihn herum stattfanden, vollkommen be-wusst. Auch wenn er selbst im goldenen Zeit-alter der Pferdekutschen, Salons und Hausan-gestellten aufgewachsen war, haben schondie Häuser, die er Mitte der zwanziger Jahreentwarf, offene Küchen- und Wohnbereiche –gut geeignet für junge Familien ohne die Bediensteten seiner früheren Häuser im vik-torianischen Stil. Er liebte Autos, Carports,Drive-ins und mit dem Auto zugängliche Vor-stadtgrundstücke, und seine Entwürfe warendavon inspiriert. In seiner Begeisterung fürmoderne Kommunikationstechniken entwarfer Fernsehtische für seine Häuser, und dasTransportsystem von Broadacre City umfasstauch atombetriebene Fahrzeuge.2 Seit Wrightin den neunziger Jahren des neunzehntenJahrhunderts in Oak Park bei Chicago mitdem Bauen begonnen hatte, war er eher einVorstadt- als ein Stadt-Architekt gewesen;und als »Suburbia« nach dem Zweiten Welt-krieg zur Hauptwachstumsbranche in denUSA wurde, entwarf er weiterhin Häuser, dieauf brillante Weise das moderne Familienle-ben in mit dem Automobil erreichbarer Nähe

zur Natur verkörperten. Er begriff den Geistseiner Zeit mit einer Vertrautheit, die denmeisten Elite-Architekten abging. Im Gegen-zug liebte ihn sein Publikum, wenn er, das exzentrische Genie mit der selbstsicherenStimme eines Fernsehpropheten, die Nationmit geistreichem Witz wegen ihrer architekto-nischen Sünden und Schwächen rügte. Zei-tungen und Fachzeitschriften zitierten ihn als Autorität oder tratschten wohlwollend überseine neuesten Exzentrizitäten. Selbst derKongress hörte bei Gebäuden von nationalerBedeutung auf seine Meinung, zum Beispielbei der neuen Air Force Academy, die in Colo-rado Springs gebaut werden sollte. Der da-mals über siebzigjährige Wright lag voll imTrend seiner Zeit. Sein sicheres Gespür für die kulturellen Trendsder vierziger und fünfziger Jahre zeigt sichauch in seiner komplexen Beziehung zu demin dieser Zeit populärsten und meistgebautenHaustyp, dem Ranchhaus. Für die meisten indie Vorstädte ziehenden jungen Mittelklasse-Familien war dies der Haustyp ihrer Wahl –ein eingeschossiges Einfamilienhaus mit fla-chem Satteldach, offener Innenraumgestal-tung und engem Bezug zum Garten. Es konn-te mit den für das traditionelle Ranchhaustypischen Bretterwänden und dem Schindel-dach daherkommen oder mit den klaren Lini-en des zeitgenössischen Stils. Vor allem wares typisch vorstädtisch – ein Sinnbild für diedurch das Automobil ermöglichte demogra-phische Abwanderung aus den traditionellenStädten in deren als neues Bauland erschlos-sene Randgebiete. Wrights Jahrzehnte davorentworfene Präriehäuser waren ein früherPrototyp dieses Stils, den er in den fünfzigerJahren wieder aufgriff und weiterentwickelte.Das Bulbulian-Haus und die Häuser Brown,Schaberg und Zimmerman sind langgestreck-te Gebäude in typischen Vorstadtgegenden,mit flachen Satteldächern, die elegant überdie Baukörper hinausragen. Ebenso im Trendder Zeit lagen drei Vorstadtsiedlungen, für die

Ranchhäuser

Oben: Haus A. H. Bulbulian, Rochester, Minnesota, 1947; Mitte:

Haus Albert Adelman, Fox Point, Wisconsin, 1948; unten: Haus

Isadore und Lucille Zimmerman, Manchester, New Hampshire,

1950

Usonian-Häuser

Gegenüberliegende Seite, oben: Haus John C. Pew, Shorewood

Hills, Wisconsin, 1938; unten: Haus Loren B. Pope (Pope-Leighey),

Falls Church, Virginia, 1939

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schaft – in Emersonscher Verehrung der Na-tur und nach dem Abbild der Vision von FrankLloyd Wright. Die Kraft dieser Vision ist auch heute nochdeutlich zu spüren. Betreten wir eins vonWrights Häusern aus dieser Zeit, haben wirdas Gefühl, in eine andere Welt zu gelangen.Die Wände haben eine Geometrie, die andersist als alles, was uns vertraut ist; die Orna-mentik erscheint exotischer und prächtigerals unser heutiger Glanz und Glamour. Wir ha-ben ein kleines Stück von Broadacre City vorAugen. Die Spannung zwischen Wrights realer Prä-senz in der Welt der Mitte des zwanzigstenJahrhunderts und seinem Anspruch, für eineWelt zu bauen, die deren Grenzen sprengt, er-schuf jenes faszinierende Dilemma, das fürdie letzte Phase seiner Karriere charakteris-

tisch ist. Dies erklärt auch, warum wir häufigProbleme mit seinen späteren Entwürfen ha-ben, selbst wenn wir Wright noch immer alsden ultimativen Architekten betrachten. Wirverehren ihn auch als Visionär, aber vielen vonuns bereitet das Leben mit seinen in der rea-len Welt umgesetzten Visionen ein wenig Un-behagen. Wright ist jemand, den wir in klei-nen Dosen genießen können – bei einemgelegentlichen Besuch des Guggenheim-Mu-seums in New York oder einer Besichtigungs-tour zu seinen Häusern. Die Angestellten undsonstigen Benutzer seines größten öffentli-chen Baus, des Marin County Civic Center,das als Gerichts- und Verwaltungsgebäude,Bibliothek und Gefängnis fungiert, sind dage-gen täglich mit einer Wrightschen Vision kon-frontiert – und die langen Wege, die offenenKorridore und die an dem inzwischen fünfund-

Usonian-Häuser

Oben, von links nach rechts: Haus Ben Rebhuhn, Great Neck

Estates, New York, 1937; Haus Lloyd Lewis, Libertyville, Illinois,

1939; Haus Joseph Euchtman, Baltimore, Maryland, 1939; unten,

von links nach rechts: Haus James B. Christie, Bernardsville, New

Jersey, 1940; Haus Charles Weltzheimer, Oberlin, Ohio, 1947

Gegenüberliegende Seite: Haus Edward Serlin; Pleasantville,

New York, 1949

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sem zweiten langen Abschnitt seiner Karriereist schlichtweg verblüffend. Seine Formenfaszinieren und provozieren noch heute, undder Reichtum seiner Ornamentik, die fast im-mer aus dem Baukörper, dem Ort oder demBaugrundstück zu erwachsen scheint, er-schafft eine Welt der Wunder, die uns überdie minimalistische Strenge der alterndenAvantgarde von heute hinausführt.

* * *

Die gut zwanzig Jahre, die zwischen WrightsAuftrag für das Imperial Hotel, 1913, und demBeginn seines Entwurfs von Fallingwater,1934, lagen, waren bitter. Das Grandhotel hät-te sein Sprungbrett zu einer steilen Karrieresein sollen, so wie das Auditorium Hotel sei-ne Mentoren Adler und Sullivan zu führendenArchitekten Chicagos gemacht hatte. Statt-dessen gingen ihm, wie sein Sohn Lloyd war-nend vorausgesagt hatte, durch seine Jahrein Übersee die Verbindungen zu seinen Klien-ten verloren.3 Bei seiner Rückkehr überlegteer kurzfristig, nach Los Angeles zu ziehen,dem Ort seiner in dieser Periode sehr spärli-chen Bauaufträge, ließ sich dann aber inSpring Green, Wisconsin, nieder – nicht dergünstigste Standort, um größere Auftragge-ber anzulocken. Eine nervenaufreibende Be-ziehung zu Miriam Noel raubte ihm weitereEnergie, die ihm zum Aufbau eines erfolgrei-chen Architekturbüros fehlte. Das Wunder-kind der Präriehaus-Jahre zog kaum nochBauherren an. Dennoch kam Wright seine Kreativität nichtabhanden. Er entwarf einen interessantenWolkenkratzer für New York, an Indianer- Tipiserinnernde Ferienhäuschen am Lake Tahoeund das »Textilblock«-System in Betonbau-weise, das er für seine Los-Angeles-Häuser inden frühen zwanziger Jahren verwendete. Erwar zwar chronisch verschuldet, fand aber im-mer wieder ausreichend experimentierfreudi-ge und wohlhabende Klienten, um sich auch

vierzig Jahre alten Bau erforderlichen War-tungsarbeiten bringen diese Vision schnell aufden Boden der Tatsachen zurück.

* * *

Ein Teil der exotischen Anziehungskraft vonWrights Spätentwürfen beruht darauf, dassseine Vision letztendlich den »kulturellenKampf« verlor, der in den vierziger und fünfzi-ger Jahren stattfand. Zwar hatten seine IdeenEinfluss auf die Entwicklung der Vorstädte,doch seine Entwürfe liegen aus heutiger Sichtweitgehend außerhalb der konventionellenÄsthetik, auch wenn sie zu ihrer Zeit fast zum dominierenden Stil der Jahrhundertmitte wurden. Organische Architektur hatte in Amerika ei-nen großen Aufschwung zu verzeichnen, dermit Wrights Entwürfen von Fallingwater, derJohnson Wax Company, den Usonian-Häu-sern, der Synagoge, dem Price Tower, demGuggenheim-Museum und Dutzenden wei -terer national und international veröffentlich-ter Bauten zusammenfiel. Architekten, dieWrights Taliesin-Fellowship angehört hatten,machten in den vierziger und fünfziger Jahrenim ganzen Land bemerkenswerte Karrieren,etwa John Lautner in Los Angeles, AaronGreen in San Francisco, Fray Jones in Ar -kansas, Alden Dow in Michigan und MarkMills in Monterey. Auch andere Architekteneinschließlich einiger großer Büros, die vonWrights Ideen inspiriert wurden, waren Ver-treter des organischen Architekturstils, MacKie und Kamrath in Houston, AlfredBrowning Parker in Florida, Paul Schweikherin Chicago, Anshen und Allen in San Francis-co, Armét und Davis in Los Angeles, AugustSarmiento in St. Louis, Harwell Hamilton Har-ris in Texas und Kalifornien und Bruce Goff inOklahoma. Diese Welle inspirierter Entwürfezeigt die Vitalität der organischen Moderneangesichts des vorherrschenden Internationa-len Stils, vertreten durch Mies van der Rohe,

Walter Gropius, Pietro Belluschi, Skidmore,Owings & Merrill, Welton Becket Associatesund andere große Büros. Zwischen diesenbeiden Extremen gab es Architekten wie EeroSaarinen, Minoru Yamasaki, Morris Lapidus,Edward Durell Stone und William Pereira, dieorganische und expressionistische Formenernst genug nahmen, um eine breite Mitte zuschaffen. Diese große Bandbreite an Ideensorgte für Debatten sowohl in Fachjournalenals auch in populären Zeitschriften. Die He-rausgeberin von House Beautiful, ElizabethGordon, war eine einflussreiche Befürworte-rin aller Wrightschen Ideen, und in den Jahrenum 1960 schien es, als würde Wrights organi-sche Moderne sich zum vorherrschenden Stilder Nation entwickeln. Vielleicht war es Wrights Tod im April 1959,der diese Entwicklung beendete. Mit ihm ver-lor die Bewegung ihren wichtigsten Vertreter,während die Gegenseite sehr machtvoll wur-de. Trendsetter wie das New Yorker Museumof Modern Art gaben Wright zwar weiterhinseinen »Pflichtteil« an Ausstellungsraum, ten-dierten aber ansonsten deutlich zum Interna-tionalen Stil, wie man zum Beispiel an der Ka-riere von Phillip Johnson, einem Kurator desMOMA und tonangebenden Architekten derModerne sehen kann. Johnson hatte vonMies geprägte, expressionistische und post-moderne Phasen, aber trotz seiner langenFreundschaft mit Wright entwarf er nie im or-ganischen Stil. Zusätzlich gingen die sozialen,kommerziellen und technologischen Entwick-lungen eher in Richtung einer elementiertenMassenproduktion, die Wrights philosophi-scher Betonung der Individualität nicht ent-sprach. Auch bei den Architekturschulen hat-te sich sein Stil nie durchgesetzt – mitAusnahme von Taliesin und der University ofOklahoma unter Bruce Goff in den frühenfünfziger Jahren. Was jedoch damals verworfen wurde, ver-dient aus heutiger Sicht durchaus eine nähereBetrachtung. Wrights Fantasiereichtum in die-

Usonian-Häuser

Oben: Haus Stuart Richardson, Glen Ridge, New Jersey, 1941; Mit-

te: Haus Theodore Baird, Amherst, Massachusetts, 1940; unten:

Haus Chauncey und Johanna Griggs, Tacoma, Washington, 1946

Gegenüberliegende Seite, oben: Zeichnung des Hauses Arch Obo-

ler (Eaglefeather), Malibu, Kalifornien, 1941; unten: Grundriss vom

Haus Herbert Johnson (Wingspread), Wind Point, Wisconsin, 1937

© 2007 für Zeichnungen von Frank Lloyd Wright: The Frank Lloyd

Wright Foundation, Taliesin West, Scottsdale, Arizona

FRANK LLOYD WRIGHT: MODERNE HÄUSER 17ALAN HESS16

in diesen kargen Zeiten über Wasser halten zukönnen – und wenn seine Gläubiger gar nichtmehr zu vertrösten waren, konnte er immernoch das eine oder andere Blatt seiner japa -nischen Druckgrafiken verkaufen. Die jungeOlgivanna Laszovich, die er 1928 heiratete, in-spirierte ihn 1932 zur Gründung der Taliesin-Architektengemeinschaft, die seiner Lauf-bahn wieder neuen Aufschwung geben sollte. Ende der dreißiger Jahre, als die letzten bei-den Jahrzehnte seines Lebens im Herzen desblühenden und selbstbewussten Amerika an-brachen, war Wright wieder wohl etabliert,wie seine Entwürfe erkennen lassen. Auf Fallingwater folgten die Hauptverwaltungder Johnson Wax Company und ein Wing-spread getauftes Haus in Racine, Wisconsin,für den Company-Chef Herbert Johnson. Fürdie Häuser von zwei Professoren aus Stan-ford entwarf er ein faszinierendes Raster, dasauf bienenwabenförmigen Modulen basierte.Wohlhabende Auftraggeber wie Edgar Kauf-mann, Herbert Johnson, C. Leigh Stevensund Arch Oboler gaben Wright die Gelegen-heit zum Bau großzügiger Anwesen; er arbei-tete aber auch an kleinen Häusern für dieamerikanische Durchschnittsfamilie und ent-warf das erste seiner sogenannten Usonian-Häuser für Herbert und Katherine Jacobs.

Auch große öffentliche Aufträge kamen he-rein und wurden gebaut, so zum Beispiel derFlorida Southern College Campus (1938) unddas Guggenheim Museum (1943). Größerenicht gebaute Projekte waren ein Wellness-Center für Elizabeth Arden und eine Ferien-siedlung für Huntington Hartford. Die außerordentliche Vielfalt an Formen undKonzepten in Wrights Entwürfen um die Jahr-hundertmitte zeugt von seinem Ideenreich-tum und von der Fruchtbarkeit seiner Konzep-te. Gelegentlich griff er auf frühere ungebauteEntwürfe zurück, und einige seiner bevorzug-ten Formen wiederholen sich, aber insgesamtzeigt diese Vielfalt, dass er seiner Grundauf-fassung, ein Gebäude solle die einzigartigeNatur eines Baugrundstücks, eines Klienten,eines Klimas oder einer bestimmten Kon-struktionsweise ausdrücken, meist folgte.Dies war ein Schlüsselaspekt seiner Philoso-phie vom organischen Bauen.

* * *

Die großen Anwesen, die Wright zu Beginnder zweiten Phase seiner Karriere für eineReihe wohlhabender Klienten entwarf, sindbeispielhaft für die bemerkenswerte Vielfaltan Lösungen und Formen, die zu produzierener fähig war, selbst wenn er schon auf dieSiebzig zuging. Das einen Wasserfall in einerWaldlandschaft Pennsylvanias überblickendeFallingwater (1935) ist mit seinen langen, er-staunlich weit auskragenden Aussichtsbal -konen, die über den vertikalen »Abhängen«seiner Natursteinmauern schweben, ein poe-tisches Echo der wilden, felsigen Umgebung.Das im Flachland von Wisconsin gelegeneWingspread (1937) ignoriert selbstbewusstdie in seiner Nachbarschaft üblichen prunkvol-len Säulenfassaden und präsentiert sich statt-dessen in einer ganz einzigartigen Form – miteiner achteckigen Kuppel im Zentrum, von deraus sich vier Flügel in die Landschaft erstre-cken. Wright nannte es »das letzte der Prärie-

häuser«, was in seiner Einschätzung durch-aus zutreffen mag.4 In der Tat erinnern diewindmühlenförmig angeordneten Flügel andas Grundmuster des Hauses Coonley undanderer Präriehäuser aus der Zeit dreißig Jah-re zuvor, allerdings lässt Wright hier die recht-winklige Raumanordnung des Präriehaus-Stilshinter sich und macht sich in diesem neuenTeil seiner Karriere auf, das Reich der Drei-ecke und Kurven zu erforschen. Wie seit denZeiten der Römer üblich, bildet die Kuppelden Mittelpunkt des Hauses und der Rauman-ordnung, die aber ansonsten von Wright in je-der nur denkbaren Beziehung komplett neuerfunden wird. Die Kuppel ist ein langge-strecktes Achteck, durchbrochen von Fens-terbändern statt eines zentralen Oberlichtsund über ein abgesetztes Lichtband mit demHimmel verbunden. Der zentrale Kamin wirdim Inneren von vier Feuerstellen umringt, wel-che die Eingangshalle, den Salon, den Essbe-reich und ein Musikzimmer beheizen. Das An-wesen Wingspread stellt alle Erwartungen anein traditionelles Haus gründlich in Frage – einThema, das sich die nächsten zwanzig Jahredurch Wrights Architektur ziehen sollte. Dasin einem tiefliegenden feuchten Waldgebietgelegene Auldbrass (1938) ist eine Ansamm-lung von Holzbauten, die für jede kühlendeBrise offen und dem feuchten Klima bestensangepasst sind. Mit den schrägen Wändenwirkt es sehr lässig, beinahe baufällig, und an-ders als alle sonstigen Werke Wrights aus die-ser Zeit. Alle Gebäude von Auldbrass strotzennur so vor ornamentalen Details, die ihrePfosten und Dachüberstände betonen undwie ein Echo der moosbehangenen Bäumewirken. Man sollte dieser Liste noch eine viertes großartiges Haus hinzufügen – Eagle-feather für den Radio- und FilmproduzentenArch Oboler. Es wurde zwar nie vollendet,aber die gebauten Teile zeigen einen weiterenEntwurfsgedanken, der ebenso eigenwillig istwie der von Fallingwater, Wingspread undAuldbrass. Hier wurden die kahlen Berggipfel

Usonian-Häuser

Oben, von links nach rechts: Haus Carrol Alsop, Oskaloosa, Iowa,

1947; Haus John Carr, Glenview, Illinois, 1950; Haus Robert und Eli-

zabeth Muirhead, Plato Center, Illinois, 1950 (1951)

Mitte, von links nach rechts: Haus Seamour und Gerte Shavin, Chat-

tanooga, Tennessee, 1950; Haus Frank Sander (Springbough), Stam-

ford, Connecticut, 1952; Haus Ray Brandes, Issaquah, Washington,

1950

Unten, von links nach rechts: Haus Alice und Ellis Feiman, Canton,

Ohio, 1954 (1955); Haus Paul und Ida Trier, Johnston, Iowa, 1956

(1960)

FRANK LLOYD WRIGHT: MODERNE HÄUSER 19ALAN HESS18

plex wurde nie gebaut, aber einige andere hypermoderne Häuser, die Wrights Vorstel-lungswelt bevölkerten, wurden tatsächlich indie Realität umgesetzt. Am zahlreichsten sind die Entwürfe zur Serieder Usonian-Häuser, die modern, gleichzeitigaber von einfacher Konstruktionsweise undan einem praktischen Lebensstil ausgerichtetwaren. Bei anderen Entwürfen dagegen er-laubte sich Wright, die konventionellen Gren-zen von Form und Raum weit hinter sich zulassen und seine Fantasie auf ähnliche archi-tektonische Höhenflüge zu schicken wie seinSchüler John Lautner und sein Kollege BruceGoff. Die innovativen Usonian-Entwürfe strotzennur so vor Ideen: Kellerlose Häuser wurdenauf einem Betonplattenfundament errichtet,und mit heißem Wasser gefüllte Rohre, diedurch diese Bodenplatte verlaufen, gebeneine gleichmäßige Wärme an das Haus ab.Brettverschalte Holzwände ersetzen Wand-konstruktionen aus Putz und Ziegel. Die klei-ne effiziente Küche ist zum Essplatz hin of-fen, und dieser wiederum öffnet sich zumWohnzimmer. Eingebaute Sitzbänke verrin-gern den Bedarf an Möbeln und sorgen füreine einheitliche Raumgestaltung. Ein offenerCarport ist direkt neben der Eingangstür ele-gant in die Dachlinie des Hauses integriert;das Auto wird nicht in einem dunklen Schup-pen versteckt, sondern ist selbst Teil des Ent-wurfs. Die Materialien im Innen- und Außen-bereich sind im Allgemeinen Ziegel in war-men Farbtönen und geschliffenes Naturholz. Die Usonian-Häuser waren jedoch keine mas-senproduzierten Eigenheime wie jene, diesich in den fünfziger Jahren in »Suburbia«ausbreiten sollten. Auch wenn sie formaleGemeinsamkeiten hatten, wurde jedes Hausan die individuellen Bedürfnisse des Bauherrnund an das Grundstück angepasst – häufigvon Taliesin-Mitarbeiter John Howe unter Su-pervision von Wright. Der offene Grundrissund die einfache Konstruktionsweise machten

des den Pazifik überblickenden Grundstücksmit Baukörpern aus Beton und Holz gekrönt,die den Charakter der trockenen, baumlosenLandschaft ebenso gut einfangen wie Falling-water die Waldlandschaft Pennsylvanias. Doch das fünfte großartige Gebäude aus die-ser Periode, Wrights zweites Heim TaliesinWest in Scottsdale, Arizona, ist im Hinblickauf seine formalen Experimente wahrschein-lich das wichtigste. Seit 1927 hatte Wrightder Wüste Arizonas regelmäßig Besuche ab-gestattet und dort jedes Jahr mit seinenSchülern gecampt; die Entscheidung aller-dings, die Wüste zu seinem zweiten Wohn-sitz zu machen, ergänzend zum geliebten Ta-liesin in Spring Green, Wisconsin, markierteine tiefgreifende, unzweideutig neue Rich-tung seiner Arbeit. Im Hinblick auf seine Karriere erschien derUmzug nach Arizona eher unklug. Als WrightsLaufbahn in den späten dreißiger Jahren wie-der in Schwung kam, hätte er sich eine neueBasis in Chicago oder zumindest in Los Ange-les schaffen können. Stattdessen wählte ereine Wildnis, die so abgelegen war, dass sei-ne Mitarbeiter damit zu kämpfen hatten, guteTelefonverbindungen zu den immer zahlrei-cher werdenden Klienten und Baustellen her-zustellen. Doch Wrights Intuition drängte eszu den Farben, dem Raum und den Materia-lien der Wüste. Und wieder einmal war er densozioökonomischen Entwicklungen seinerZeit voraus; denn Phoenix sollte, auch wennnur wenige dies vor dem Zweiten Weltkriegerkannten, ein Teil des »booming Sunbelt«werden, ein Magnet amerikanischen Wachs-tums in der Mitte des zwanzigsten Jahrhun-derts. Es sollte seinen Vorstadtcharakter undseine Verbindung zur Natur bewahren. DassWright in diesem Prototyp einer Vorstadt Fußfasste, verschaffte ihm Einfluss auf vieleWachstumstrends in der realen Welt derzweiten Jahrhunderthälfte.Wie auch seine anderen Stützpunkte OakPark und Spring Green war Taliesin West ein

Experimentierlabor. Als sein eigener Klientkonnte Wright seinen ästhetischen Neigun-gen nachgehen und mit Hilfe seiner vor Ort le-benden Schüler nach Herzenslust bauen, ab-reißen, revidieren und umbauen. Im Schatteneines Berggipfels breitete sich Taliesin Westin die Wüste aus und erlaubte dem Architek-ten, in größerem Rahmen mit ungewöhnli-chen Winkeln und einer Auswahl variierenderFormen zu experimentieren, mit langen, kühngeschwungenen Linien, hervorgehoben durchständig wechselnde Muster, Oberflächen undFarben. Beim Haus Hanna (1936) hatte erzum ersten Mal mit dem Sechseck-Modul ge-arbeitet, und beim Haus Wall (1941) verwen-dete er erstmals Dreieck und Parallelogrammals Organisationsprinzip von Wänden, Türenund Fenstern. Nun benutzte er diese schrä-gen und spitzwinkligen Geometrien, um einenüber ein großes Grundstück verteilten Kom-plex von Gebäuden zu erstellen und zu verei-nen. In Harmonie mit der Wüstenlandschaftwuchsen vertikale und horizontale Formen,Gebäude und Innenhöfe, und das dabei Ge-lernte fand in den folgenden zwanzig JahrenAnwendung an zahlreichen Häusern.

Die Broadacre-Häuser

Wrights Eigenheimentwürfe waren in denvierziger und fünfziger Jahren von großerBandbreite. Eine in den fünfziger Jahren vonihm und seinen Schülern angefertigte Serievon Zeichnungen zu Broadacre City zeigt sei-ne ultimative Vision von einer Stadt in der Na-tur. In den Hügeln und Tälern dieser sanft ge-wellten Landschaft verstreut sind sowohl dieGebäude zu sehen, die Teil von Wrights ge-bautem Werk wurden, als auch jene, die Teilseiner Fantasie blieben. Die Zeichnungen um-fassen einige der fantastischsten EntwürfeWrights, zum Beispiel das Play Resort fürHuntington Hartford, einen pyramidenartigen»Auswuchs«, dessen tellerförmig auskragen-de Räume eine seltsam skulpturale Komposi-tion bilden. Dieser außergewöhnliche Kom-

Verschiedene Konzepte

Oben: Suntop Homes, Ardmore, Pennsylvania, 1938; Mitte: Haus

Thomas Keys, Rochester, Minnesota, 1951

Parkwyn Village

Unten: Haus Robert Levin, Kalamazoo, Michigan, 1948

Gegenüberliegende Seite, oben: Zeichnung Broadacre City, 1958;

unten: Zeichnung Kulturzentrum Bagdad, 1957. © 2007 für Zeich-

nungen von Frank Lloyd Wright: The Frank Lloyd Wright Founda -

tion, Taliesin West, Scottsdale, Arizona

ALAN HESS20

es möglich, dass einige Bauherren ihr Haussogar selbst errichten konnten – Wrights Idealvorstellung für diese Entwürfe. AlsWright 1956 versuchte, ein echtes vorgefer-tigtes Haus für den Bauunternehmer MarshallErdman zu entwerfen, führten die Einschrän-kungen durch die Produktionsprozesse zu ei-ner weit weniger flexiblen und innovativenGestaltung als bei den Usonian-Häusern. Neben dem Usonian-Modell entwickelteWright auch andere einfachere und reprodu-zierbare Haustypen. Für einige spielten dievon ihm benutzten Konstruktionstechnikeneine wesentliche Rolle, wie für die Cemesto-und Usonian-Automatic-Häuser. Erstere ba-sierten auf einem System vorgefertigter, inHolz gerahmter Asbestzement-Paneele, derenrechtwinklige Geometrie deutlich erkennbarist (siehe Haus Carlson und Haus Penfield):

die Form folgt der Grundstruktur, aufgelockertdurch ein geschicktes Ineinandergreifen ein-und zweigeschossiger Bereiche. Die Usonian-Automatic-Häuser waren ein Ergebnis vonWrights Interesse an Betonblocksteinen.1951 entwickelte er ein System aus 1 mal 2Fuß großen Blöcken, die mit einer speziellenMaschine direkt vor Ort hergestellt werdenkonnten. Neben soliden Blöcken gab es sol-che mit Glaseinsätzen und Spezialblöcke fürdie Decken. Beispiele wie die Häuser Benja-min Adelmann, Turkel und Kalil zeigen, wiedie Variabilität an Mustern die Härte der Be-tonblöcke abmildert; zugleich zeigt die sichobsessiv durchziehende Geometrie im bie-nenstockartigen Inneren aber auch, dassWrights Verlangen nach einer totalen Durch-gestaltung manchmal zu weit ging, dass zuviel Einheitlichkeit auch ungünstig sein kann.

Galesburg Country Homes

Oben, von links nach rechts: Haus Samuel Eppstein, Galesburg, Mi-

chigan, 1948; Haus David und Christine Weisblat, Galesburg, Michi-

gan, 1948; Haus Eric und Pat Pratt, Galesburg, Michigan, 1948

Usonian Automatic

Unten links: Haus Benjamin Adelman, Phoenix, Arizona, 1951;

rechts: Haus Toufic Kalil, Manchester, New Hampshire, 1955

Usonian-Häuser

Gegenüberliegende Seite: Haus John und Catherine Christian, West

Lafayette, Indiana, 1954 (1956)

FRANK LLOYD WRIGHT: MODERNE HÄUSER 23ALAN HESS22

Sinn für Ästhetik verloren, der ihn beim Ent-wurf der Präriehäuser und von Fallingwatergeleitet hatte. Gerüchte über das an mittelal-terliche Gutsherren erinnernde Leben, dasMr. und Mrs. Wright mit ihren Jüngern in Ta-liesin angeblich führten, gaben dieser Kritikweitere Nahrung. Zwar war es Wright egal,was andere über ihn dachten, aber dennochschadeten diese Reaktionen in den fünfzigerund sechziger Jahren seinen Bemühungenum die Verbreitung der organischen Architek-tur der Moderne. Dabei reichten die meisten der originellenBauten, die Wrights Kritiker in Aufruhr ver-setzten, längst nicht an seine kühnsten unge-bauten Projekte heran – Entwürfe, die selbstdem abenteuerlichen Innovationsgeist einesBruce Goff zur Ehre gereicht hätten. Dazuzählt unter anderem ein 1946 entworfenesHaus für V. C. Morris am Golden Gate, beste-hend aus runden, auskragenden Gehäusen,die von einem weit über das Kliff ragendenAusleger gehalten werden. Einer der kühns-ten Entwürfe war das Play Resort für Hunting-ton Hartford (1947). Der in einer trockenen,felsigen Landschaft angesiedelte Komplexumfasst enorme dreiecksförmige »Felsfor-mationen« aus Beton, die direkt aus demBerg zu wachsen scheinen und als Veranke-rungen für weit auskragende, tellerförmige,von Glaskuppeln bedeckte »Wohnkapseln«dienen. In die »Abhänge« der künstlichen Fel-sen eingebettet liegen runde Pools, aus de-nen Wasser fließt.7 Es handelt sich hier umeine primär skulpturale Komposition, die nichtdurch die rigorosen geometrischen Moduleoder Raster diszipliniert wurde, die Wright fürgewöhnlich verwandte. Diese Richtung – derLandschaft entlehnte Formen, die direkt auseinem Berg zu wachsen scheinen und überserpentinenartige Straßen erreichbar sind –setzt sich im Donahoe-Triptychon (1959) fort.Weitere ungebaute Entwürfe zeugen vonWrights anhaltendem Interesse an Kreisfor-men und Kuppeln, wie er sie für die Häuser

Einen weiteren Haustyp entwarf Wright 1938für eine Siedlungsgenossenschaft in MadisonHeights, Michigan. Der nahende Krieg been-dete das Projekt, aber Wright bewahrte diePläne auf und baute 1950 ein Beispiel diesesPrototyps als Einzelauftrag für die Familie Keyin Minnesota. Im Gegensatz zum Flachdachder Usonian-Häuser besitzt dieses Haus einSatteldach. Wohnzimmer, Küche und Essbe-reich sind zu einem einzigen großen Raum zu-sammengefasst, definiert durch rechteckigeBlöcke, welche die Funktionsbereiche enthal-ten und das Dach stützen. Dieser Prototypwurde als Teil einer Nachbarschaft aus ähnli-chen Häusern entworfen, die anders aussa-hen als die Usonians. Während die Usoniansder Straße eine geschlossene Mauer zuwen-den und sich mit großen Glastüren an der an-deren Seite zum Garten öffnen, hat dieserPrototyp Patios und Glaswände auf beidenSeiten. Erdwälle, die sich bis zur Hälfte derBetonblockwände erheben, kennzeichnenden Entwurf; hohe Fenster liegen im Schutzdes weit überstehenden Satteldachs. DerEntwurf ist einfach, logisch und effizient. Erzeigt auch, dass sich Wrights ruhelose Vor-stellungskraft niemals mit einer einzigen Lö-sung zufrieden gab und immer auf der Suchenach neuen Lösungen und Ausdrucksformenfür das Konzept des Eigenheims war.Auf ihre Art waren die Usonian-Häuser eben-so zukunftsweisend wie die Bücher von H. G.Wells und die Filme von Arthur Clarke. IhreWiederholbarkeit und Modularität verliehendem Aufbau und den Formen der Usonianseine gewisse Stringenz, doch Wright scheuteauch nicht vor gewagten, extravaganten Ent-würfen zurück, um seiner Vision von Broad -acre City Nachdruck zu verleihen. Bei derarti-gen Bauten handelt es sich oft um Fantasie-gebilde, extreme Konzepte, die einem fried-vollen Reich der Vorstellung angehörten.Wrights ideale Welt mit ihren libellenförmigenTransportmitteln, die Menschen von hier nachda befördern, erinnert an Szenen aus Science-

Fiction-Filmen jener Zeit. Wright war fest da-von überzeugt, dass die Architektur in derLage sei, die Konflikte zwischen Gesellschaft,Technik und Natur zu lösen.Wrights Entwürfe nahmen häufig Bezug aufzukunftsweisende technische Entwicklun-gen. Das berühmte Haus Robie zum Beispielwurde mit einem Dampfschiff verglichen,1906 einem der stolzesten Symbole für dentechnischen Fortschritt, das Haus Gilmore(1908) wurde nur fünf Jahre nach dem erstenFlug der Brüder Wright unter dem Namen»Flugzeug-Haus« bekannt. Doch nach 1950galten solche Zukunftsprojektionen den meis-ten tonangebenden Architekten als zu roman-tisch. Wrights kühne und in den Augen man-cher exzessive Suche nach Neuem brachtebisweilen seltsame, unirdische Formen her-vor, die viele nicht ernst nehmen konnten. Aufdie gleiche Reaktion traf Oscar Niemeyers ge-kurvte, surreale Architektur, die 1957 in sei-nem monumentalen Kapitolgebäude in Brasi-lia gipfelte. Den meisten Anhängern derMainstream-Moderne mit ihrer betont rationa-len und funktionalen Architektur bereitetensolch mystische und mythische Aspekteziemliches Unbehagen.5

Wrights in späteren Jahren zunehmende Ten-denz zu exotischen Formen und opulenter Or-namentik brachte ihn auf Kollisionskurs mitdem architektonischen »Establishment« derfünfziger Jahre. Man schrieb diese Tendenzseinem ausgeprägtem Widerspruchsgeist zu– er hatte ihm zuweilen ja gut gedient – sowieseiner noch von der Romantik des neunzehn-ten Jahrhunderts geprägten Sensibilität. Dochals er 1957 vom irakischen König eingeladenwurde, ein Opernhaus und Auditorium in Bag-dad zu entwerfen, brachte ihn sein an einMärchen aus Tausendundeiner Nacht erin-nernder, mit vergoldeten Schleifen und Edel-steinen verzierter Bau in den Augen seinerKritiker vollends als dekadent in Verruf.6

Viele Kritiker meinten, der alte Mann sei zuweit gegangen und habe seinen sicheren

Unterschiedliche Geometrien

Oben: Haus Charles L. Manson, Wausau; Wisconsin, 1938; Mitte:

Haus Andrew Armstrong, Ogden Dunes, Indiana, 1939; unten:

Haus James und Dolores Edwards, Okemos, Michigan, 1949

Cemesto System: Gegenüberliegende Seite, oben: Haus Louis

Penfield, Willoughby Hills, Ohio, 1952

Organische Moderne: Gegenüberliegende Seite, unten: Hunting-

ton Hartford Play Resort (1947). © 2007 für Zeichnungen von Frank

Lloyd Wright: The Frank Lloyd Wright Foundation, Taliesin West,

Scottsdale, Arizona

ALAN HESS24 FRANK LLOYD WRIGHT: MODERNE HÄUSER 25

Sol Friedmann und David Wright und das Ma-rin County Civic Center verwendete. BeimBoulder-Haus, einem enormen Anwesen fürSenor Bailleres in Acapulco, überspannte erdie Wohnbereiche mit einer flachen Kuppel,während er die Gestaltung der Randzonen ander Aussicht auf die Bucht und die Berge ori-entierte.8 Und für Crownfield, ein ungebautesHaus für Robert Windfohr, stellte sich Wrighteine Ansammlung von Kuppeln mit gläser-nem Röhrenwerk im Zentrum vor, ähnlich wiebeim Johnson Wax Building. Aus heutiger Sicht verdienen all diese WerkeBeachtung – als individuelle Entwürfe und alsSchaffensphase eines bemerkenswerten Ar-chitekten. Die schwungvollen kantigen Dach-linien der Häuser Boomer, Blair, Elam und Ablin sorgen für unverwechselbare Außenan-sichten und dynamische Innenräume. Die

dreieckigen Grundrisse und Flügel der HäuserGillin und Mc Cartney schaffen eleganteÜbergänge zwischen Innen- und Außenberei-chen, und die kreisförmigen Häuser DavidWright und Sol Friedman sowie die vielenhalbkreisförmigen Häuser zeigen Wrightsmeisterhafte Beherrschung komplexer, inein -andergreifender Formen.

Haus Lowell und Agnes Walter

Wright äußerte oft, ein Haus solle aus seinemGrundstück und dessen Struktur erwachsen,und er entwarf nach diesem Prinzip häufig.Das Haus Walter (1945) profitiert von seinerLage auf einer Anhöhe in der Nähe eines Flus-ses in Iowa. Der Wohnraum, den Wright alsGartenraum bezeichnete, ist so geschnitten,dass man den Fluss hinauf und hinunter bli-cken kann; Glaswände machen das Panoramazu einem integralen Bestandteil des Wohner-lebnisses. Für das flache Betondach ersannWright eine ebenso einfache wie ausdrucks-volle und dem Material angemessene Lö-sung: er ließ es ein Stück über die Wände hi-nausragen und dann in einem durchgehendenSchwung nach oben kurven, so dass sich kei-ne harten Kanten ergeben. Der Entwurf isteine Fortführung der Konzepte von Fallingwa-ter – die Gemeinschaftsräume sind großzü-gig, rechtwinklig und mit Glas eingefasst, dieDecke ist zum Teil hochgesetzt und durchFensterbänder und Oberlichter erhellt. DasHaus ist harmonisch, lichtdurchflutet und an-ders als alle herkömmlichen Häuser. Die sau-beren Linien der nach oben schwingendenDachüberstände wurden als Alternative zuden harten Linien des Internationalen Stils derModerne bald zu einem festen Bestandteildes modernen Vokabulars vieler anderer Ar-chitekten. Wie zahlreiche weitere Häuser Wrights ausjener optimistischen Ära nach Kriegsende wardieser Entwurf zukunftsweisend und kosten-günstig. Ein »Pullman-Bad« sorgte für einen

Häuser mit Dreiecksrastern

Oben: Haus Jack Lamberson, Oskaloosa, Iowa, 1947

Gegenüberliegende Seite, oben links: Haus Carlton und Margaret

Wall (Snowflake), Plymouth, Michigan, 1941; oben rechts: Haus

Helen und Ward McCartney, Parkwyn Village, Kalamazoo, Michigan,

1949

Gegenüberliegende Seite, Mitte links: Haus Berenice und Richard

Smith, Jefferson, Wisconsin, 1950; Mitte rechts: Haus Margaret und

Patrick Kinney, Lancaster, Wisconsin, 1951

Gegenüberliegende Seite, unten links: Haus Dorothy Ann und

Sterling Kinney, Amarillo, Texas, 1957 (1961); unten rechts: Haus

E. Clarke Arnold Columbus; Wisconsin, 1954

FRANK LLOYD WRIGHT: MODERNE HÄUSER 27ALAN HESS26

zusätzlichen Touch moderner Effizienz: esenthielt eine Metallbadewanne, Waschbe-cken und Toilette in einer stromlinienförmigenEinheit und war ein Vorbote jener erschwing -lichen Fertighäuser, die mit dem Lastwagenoder Hubschrauber zum Grundstück transpor-tiert werden konnten. Wrights in überregiona-len Magazinen und der lokalen Presse veröf-fentlichte Häuser wurden zu Sinnbildern fürdie Zukunft. Sie wirkten sogar noch modernerals die kastenförmigen Flachdach-Bauten desInternationalen Stils, die die Öffentlichkeit inden dreißiger Jahren begeistert hatten. ImVergleich zu ihnen bot die organische Archi-tektur eine frische, häufig wärmere Vision derWelt von morgen.

Haus David und Gladys Wright

Dieser häufig veröffentlichte Wrightsche Ent-wurf ist eine außergewöhnliche, allen forma-len und strukturellen Konventionen trotzendearchitektonische Komposition – ein mit Beton-steinen errichtetes, über dem Boden schwe-bendes Haus aus wirbelnden Kurven und Krei-sen, erreichbar über geschwungene Rampen.Der Entwurf war zunächst ein lebhafter, kom-promissloser Prototyp für das Konzept »Le-ben im Südwesten« und wurde dann fürWrights Sohn David, Mitarbeiter einer Beton-fabrik in Phoenix, überarbeitet und realisiert.Wie auch das berühmte spiralförmige Gug-genheim-Museum, das zur gleichen Zeit inNew York gebaut wurde, bot David WrightsHaus der Öffentlichkeit ein greifbares Beispielfür eine völlig neuartige Architektur. Nochweit mehr als beim Haus Sol Friedman oder

seinen anderen halbkreisförmigen Häusernzerlegte Wright hier die Kreisform in separate,aber einander überlappende Segmente, umdie Innen- und Außenbereiche zu definieren. Der Entwurf ist beispielhaft für seine originel-le Auffassung von Architektur – weit originel-ler als alles, was die Mainstream-Architekturjener Zeit hervorbrachte. Einige Kollegen wa-ren über so viel formale Kühnheit empört undkritisierten sie als übertrieben, andere warenbegeistert. Trotz aller Komplexität der Struk -turen und Formen bildet das Ganze eine ar -chitektonische Einheit. Der geschwungeneWohnbereich wurde höhergelegt, um eineungehinderte Aussicht über den umgebendenZitrushain zu bieten, und harmonisch ineinan-dergreifende Kurven und Kreisformen bestim-men alles, von der Anordnung der Räume bishin zu den Teppichmustern. Auch wennWright seit den zwanziger Jahren für seinmaßgeschneidertes »Textilblock«-System ge-worben hatte, besteht dieses Haus bis aufeinzelne, an strategischen Stellen platzierteOrnament-Blöcke aus industriellen Standard-Betonsteinen. Wright wollte zeigen, welchesPotential in diesem von vielen als banal be-trachteten Baumaterial steckt, und benutztees in den fünfziger Jahren recht häufig. Die geschwungenen Wände des Hauses sindäußerst fotogen in den Garten mit Pools undParkplätzen für die Autos eingebettet. DerEntwurf unterstrich Wrights Unkonventionali-tät und seinen Anspruch, eine Alternative fürBauherren und Architekten bieten zu können,die mit den Glaskästen der vom »Establish-ment« vertretenen Richtung der Modernenicht zufrieden waren. Seine Formen warenvielleicht ungewöhnlich, aber so meisterhaftgeplant und ausgeführt, dass man sie nichtignorieren konnte.

Haus John Gillin

In den fünfziger Jahren waren Fensterwändezu einem festen Bestandteil der modernen

Architektur geworden. Die Kombination neuerVerfahren zur Herstellung großflächiger, inAluminium- oder Stahlrahmen eingefassterGlasscheiben mit dem Konzept, eine visuelleEinheit zwischen Innen- und Außenraum her-zustellen, führte dazu, dass Glaswände zu einem wesentlichen Element moderner Ar-chitektur wurden. Natürlich kamen sie nichtnur bei Wright, sondern auch bei anderen Ar-chitekten der Fünfziger zum Einsatz, etwa beiRichard Neutra, Ludwig Mies van der Rohe,Craig Ellwood, Pierre Koenig, John Lautner,Philip Johnson, Marcel Breuer und zahlrei-chen anderen. Wright verwendete häufig Glaswände, aberfür sein 1950 in Dallas gebautes Haus Gillinexperimentierte er mehr als für jedes frühereHaus mit ihrem Einfluss auf den Innenraumund die Offenheit des Grundrisses. Die Gar-

tenseite ist fast vollständig verglast, mit glä-sernen Schiebetüren an Stelle der traditionel-len französischen Fenstertüren. Während Philip Johnson Glas so einsetzte, dass einekompakte geometrische Box entstand, be-nutzte Wright es, um eine ununterbrocheneFläche zwischen Boden und Decke herzustel-len, die dem abgewinkelten Verlauf der Haus-flügel folgt. Entsprechend dem visuell offe-nen Charakter des Materials Glas entwarfWright hier einen seiner offensten Grundrisseüberhaupt. Der langgestreckte Innenraum mitBlick auf Garten und Pool umschließt Zonenfür den Wohn- und Essbereich sowie eine Ka-minecke, die großzügiger gestaltet sind alsdie üblichen eng verwobenen GeometrienWrightscher Häuser und nicht durch Wände,sondern nur durch Wandvorsprünge und De-ckenflächen definiert werden.

Halbkreis-Häuser

Oben links: Haus Kenneth und Phyllis Laurent, Rockford, Illinois,

1949; rechts: Haus Dudley Spencer, Wilmington, Delaware, 1956

Unten, von links nach rechts: Haus Clifton und George Lewis

(Spring House), Tallahassee, Florida, 1952; Haus Louis Marden, Mc

Lean, Virginia, 1953; Haus Robert D. Winn, Kalamazoo, Michi-

gan;1950 (Parkwyn Village)

Gegenüberliegende Seite: Haus Lillian und Curtis Meyer, Gales-

burg, Michigan, 1948 (Galesburg Country Homes)

FRANK LLOYD WRIGHT: MODERNE HÄUSER 29ALAN HESS28

Die mit einem Kupferdach versehene Resi-denz Gillin ist ein weiteres Beispiel fürWrights Fähigkeit, ein Raumkonzept kreativund auf originelle Weise strukturell umzuset-zen. Mit seinem langen, niedrigen und weitausladenden Profil passte das Haus gut zu an-deren zeitgenössischen Vorstadthäusern imRanchhausstil, wie sie in neuen Städten, etwaDallas oder Phoenix, üblich waren. Die Art,wie Grundriss und Struktur des Hauses sichmit reichhaltigen Details zu einem organi-schen Ganzen verbinden, ist typisch für dieWrightsche Architektur.

Haus Harold Price Senior

Das für Harold Price, einen seiner treuestenKunden, entworfene Ferienhaus führte Wrightwieder in eine andere Richtung, für die eskein weiteres gebautes Beispiel gibt. DasWüstenklima inspirierte ihn zu einem nach au-ßen offenen Atrium im Zentrum des langge-streckten, schmalen Hauses. Die hohe Deckewird von sich nach oben verbreiternden Säu-len getragen, die Wände bestehen aus indus-triellen Betonsteinen. Auch wenn der Wrightsche Stil deutlich er-kennbar ist, handelt es sich um einen einzig -

artigen Entwurf. Die Idee eines »Außenwohn-raums« ist ein natürliches Resultat von WrightsAnsicht, dass die architektonische Form demKlima und dem Grundstück entsprechen soll-te, aber das Haus Price (1954) ist langge-streckt und linear, ohne jeden Schnörkel durcheigenwillige Winkel oder Kreisformen. Es hatzwei Flügel – einen für Gäste und einen fürden Eigentümer. Zwar wird die Härte der Be-tonwände durch architektonische Ornamentikabgemildert, aber insgesamt hat das Haus einen etwas strengen Charakter, der eher un-typisch für Wright ist.

Haus Harriet und Randall Fawcett

Im Vergleich zum Haus Price in Phoenix istdas 1955 im ländlichen Los Banos, Kalifor-nien, gebaute Haus Fawcett luxuriöser gestal-tet. Es besteht ebenfalls aus Betonsteinen,aber der auf dreieckigen statt rechteckigenModulen basierende Grundriss verleiht denWänden größere Lebhaftigkeit. Die schrägenWinkel des Hauses umschließen einen offe-nen Patio, der die beiden Flügel verbindet. Dieeinzelnen Betonsteinreihen wurden gegen -einander versetzt, so dass leicht abgeschräg-te Wände entstanden, die von außen betrach-tet den unkonventionellen Charakter des Hau-ses betonen und im Inneren Kaminecken undNischen für eingebaute Sitzbänke ergeben.Die Endpunkte des Gebäudes und der Haupt-eingang werden durch kantige Wandelemen-te und nach oben auslaufende Dach linien akzentuiert, die das Haus mit dem weitenHimmel über dem Central Valley zu verbindenscheinen. Zwar haben wir es hier nicht mit ei-nem großen Anwesen wie Auldbrass oderWingspread zu tun, aber dennoch ist die Ge-staltung eindrucksvoll und originell wie auchdie anderer Häuser von moderater Größe, bei-spielsweise der Häuser Walter (1945), Walker(1948) oder David Wright (1950). Wright konn-te auf jeder Stufe der architektonischen Grö-ßenskala beeindruckend kreativ sein.

Halbkreis-Häuser

Links: Haus David Wright, Phoenix, Arizona,

1950; rechts: Grundriss Haus David Wright

© 2007 für Zeichnungen von Frank Lloyd Wright:

The Frank Lloyd Wright Foundation, Taliesin

West, Scottsdale, Arizona

FRANK LLOYD WRIGHT: MODERNE HÄUSER 31ALAN HESS30

Wright die Gelegenheit zu einem seiner spek-takulärsten Entwürfe: es wurde auf einem inden Pazifik ragenden Felsvorsprung an derCarmel Bay errichtet und ist ein Sinnbildmenschlichen Erfindungsgeistes in trauterZweisamkeit mit den Naturgewalten. Das Haus wurde überwiegend aus goldfarbe-nem, lokalem Naturstein gebaut, aber seinder tosenden Brandung zugewandter »Bug«ist ein hexagonales Observatorium aus Glas.Trotz der unmittelbaren Nähe zur wildenSchönheit der Natur bietet es seiner Bewoh-nerin einen guten Schutz vor den Elementen.Die das Wohnzimmer umgebende, abgestuf-te Glaswand wird von Stahlrahmen gehalten,die so dünn sind, wie die moderne Technik esnur eben zuließ, um das Gefühl des Einsseinsmit der Natur möglichst wenig zu stören. Ihreabgestufte Konstruktionsweise mit teils festeingesetzten, teils verstellbaren Paneelen er-möglicht ein dem Seewind angepasstes varia-bles Lüften.

Geometrie

In der Spätphase seines Werks konzentriertesich Wrights Suche nach immer neuen archi-tektonischen Ausdrucksformen auf das Poten -tial unterschiedlicher geometrischer Module.Rechteck, Kreis, Dreieck oder Parallelogramm– das gewählte Grundmodul, aus dem derEntwurf sozusagen organisch herauswuchs,bestimmte fast jeden seiner Aspekte: dieForm der Räume, die Position der Wände, Kü-chen und Bäder, die Beziehung eines Flügelszum anderen und den Umriss des Hauses aufdem Grundstück. Für Geometrien hatte Wright schon immerein besonderes Fingerspitzengefühl gehabt,angeblich seit seine Mutter ihm die erstenFroebel-Bauklötze gekauft hatte. Die Prärie-häuser und die Textilblockhäuser seiner frü-hen Zeit basierten auf großräumigen, häufigkomplexen geometrischen Anordnungen lan-ger, zentraler und sekundärer Achsen, akzen-tuiert durch große quadratische und recht-

Der 1950 dreiundachtzigjährige Wright warein anderer als der sich gerne als Künstlertypdarstellende, im Grunde aber recht bürgerli-che Familienvater fünfzig Jahre zuvor. Nungefiel er sich in der Rolle des heldenhaftenPropheten. Er hatte diese Persönlichkeitsorgfältig entwickelt, um Interesse zu findenund Aufträge zu erhalten – und sein Egosonnte sich in all der Aufmerksamkeit, dieihm zuteil wurde. Wright und seine Frau Olgi-vanna hatten eine Künstlerkommune um sichherum geschaffen, die ihnen als Quelle er -gebener Mitarbeiter und als Resonanzbodenfür ihre Ideen diente. In der Taliesin-Gemein-schaft ging es häufig recht turbulent zu;manchmal fragt man sich, wie Wright über-haupt zum Arbeiten kam neben all den Musikabenden und Tanzveranstaltungen, der Errichtung neuer Anbauten und Wege sowieden persönlichen Konflikten, die sich zwangs-läufig zwischen den vielen Künstlerseelen er-gaben. Angeheizt von Olgivanna köchelte undschäumte das Leben in Taliesin vor sich hin.Die aus Montenegro stammende Olgivannawar in Europa eine Schülerin Georgi Gurd-jieffs gewesen und vertrat die Meinung,Schwierigkeiten machen stark – auch wennsie künstlich herbeigeführt werden. Man ad-diere dazu Wrights überdimensionales Ego,seine Empfindlichkeit gegenüber der kleins-ten Kränkung durch seine Schüler, die seifen-opernreife Manipulation von Persönlichkeitenund Freundschaften, und man kann sich inetwa vorstellen, welch herausfordernde Um-gebung Taliesin darstellte. Doch der Respektvor der Schönheit, ausgedrückt in einem ein-fachen Blumenarrangement und der Zuberei-tung der Mahlzeiten, die wöchentlichen Musikveranstaltungen, die gemütlichen Pick-nicks in den Feldern von Spring Green, Wis-consin, der Zustrom lebhafter, kreativer jun-ger Leute und die Chance, direkt aus demMunde eines der größten Architekten desJahrhunderts etwas über Architektur zu hö-

ren, waren für viele Anreiz genug, auch dieschwierigen Seiten von Taliesin in Kauf zunehmen. Taliesin erfüllte Wrights Bedürfnisse perfekt.Er hatte ständig einen Pool junger Männer(und einiger Frauen) um sich, die sein Egostreichelten und ihn respektvoll »Mr. Wright«nannten – und »Papa Frank« hinter seinemRücken. Die Atmosphäre jugendlicher Vitali-tät schien ihm gut zu tun, und er bewahrtebis zum Tod seine körperliche und geistigeSpannkraft. Sein Ruhm brachte ihm vielegeistreiche und berühmte Freunde ein, dieTaliesin zu Picknicks, Konzerten und Auffüh-rungen besuchten, darunter Clare BoothLuce, Alexander Woolcott, Paul Robeson,Adlai Stevenson, Charles Laughton und CarlSandburg. Zu Lebzeiten Wrights war dasCamp im abgelegenen Scottsdale keines-wegs isoliert, doch nach seinem Tod führtedie Gemeinschaft allmählich ein Inseldasein,und ihr Selbstverständnis als einsame Zita-delle wahrer Kultur wurde arg strapaziert.

Natur

Eine zentrale Botschaft der WrightschenPresse der fünfziger Jahre – ob in HouseBeautiful, Life, der lokalen Presse oder in ei-genen Schriften – lautet, Architektur müsseunbedingt einen Bezug zur Natur haben. Ineinem zunehmend von Vorstadtarchitekturgeprägten Amerika herrschte große Sehn-sucht danach, durch das eigene Wohnzim-merfenster einen Blick in die Natur werfen zukönnen, und Wright reagierte darauf. Falling-water ist vielleicht seine ultimative visuelleund räumliche Antwort auf diesen Wunsch,aber andere Wrightsche Häuser verkörpernihn ebenfalls. Das Haus Walter (1945) über-blickt eine friedvolle Flusslandschaft im Mitt-leren Westen, das Haus Hagan (1954) einenWald und das Haus Bott (1957) ein Tal am Zu-sammenfluss von Kansas und Missouri. DasHaus für Mrs. Clinton Walker in Carmel bot

Hexagonale Raster

Oben: Haus Sidney Bazett, Hillsborough, Kalifornien, 1939; unten:

Haus Jean und Paul Hanna (Honeycomb House), Palo Alto, Kalifor-

nien, 1936

Links: Schemazeichnung Haus Jean und Paul Hanna; © 2007 für

Zeichnungen von Frank Lloyd Wright: The Frank Lloyd Wright

Foundation, Taliesin West, Scottsdale, Arizona

Kreisgrundrisse

Oben: Haus Sol Friedman, Pleasantville, New York, 1947; Mitte:

Haus Julia und Duey Wright, Wausau, Wisconsin, 1958; unten:

Haus Aime und Norman Lykes, Phoenix, Arizona, 1959

FRANK LLOYD WRIGHT: MODERNE HÄUSER 33

eckige Flächen. Nun, in der Mitte des zwan-zigsten Jahrhunderts, begann Wright eine Artkonzeptuellen Grundbaustein zu suchen, eineunteilbare Einheit, die man vervielfältigen undzu größeren Kompositionen zusammenfügenkonnte. Der erste Durchbruch in dieser Rich-tung war das Haus Hanna (1936); sein Hexa-gon-Modul ergab einen aufsehenerregendenEntwurf ohne rechte Winkel. Alle Wände undRäume werden durch die offenen Winkel desHexagons bestimmt, die sowohl vertikal alsauch horizontal zum Ausdruck kommen. Daes keine langen geraden Wandflächen gibt,entstehen fließende Innenräume. Wright wie-derholte dieses Modul bei dem kleinerenHaus Bazett (1939) ganz in der Nähe, gingdann aber zu neuen Experimenten mit Drei-ecks-Modulen und Parallelogrammen über,die sich als noch befriedigender erwiesen. Siebesaßen noch immer schräge Winkel, dieeine ungezwungene Positionierung der Wän-de und fließende Räume ohne die Schroffheitrechter Winkel ermöglichten, aber aufgrundihrer Gerichtetheit war es möglich, ganzeHausflügel auf eine einheitlichere Weise zugestalten.

Obwohl Wright als selbsternannter Prophetoft ästhetische Verallgemeinerungen von sichgab wie »Naturholz darf niemals gestrichenwerden« oder »Ein Haus sollte nicht auf ei-nem Hügel stehen, sondern ein Teil des Hü-gels sein«, zögerte er nie, seine eigenen Re-geln zu brechen, wenn die künstlerischeInspiration ihn in eine andere Richtung führte.Selbst bei seinen auf geometrischen Modu-len basierenden Entwürfen experimentierteer mit erfinderischen Abweichungen, etwabei den Häusern Armstrong und Greenberg;letzteres besteht sozusagen aus einer Kolli -sion dreier unterschiedlicher Raster.

* * *

Die Mehrzahl von Wrights Bauten der letztenbeiden Jahrzehnte seines Lebens waren Ei-genheime, aber häufig dominierten etlichegrößere Aufträge sein Interesse. So überließer einen Großteil der Entwurfs- und Ausfüh-rungsplanung für die Usonian-Häuser JohnHowe, über lange Jahre hinweg ein kompe-tentes Mitglied der Taliesin-Gemeinschaft.Wright selbst konzentrierte sich auf die gro-

FRANK LLOYD WRIGHT: MODERNE HÄUSER 35ALAN HESS34

ßen öffentlichen Aufträge: die Johnson WaxHeadquarters, das Florida Southern College,die Kansas City Community Church (1940),das Guggenheim Museum (in Auftrag gege-ben 1943, fertiggestellt 1959), das UnitarianMeeting House (1947), den V. C. Morris Shop(1948), den Price Tower (1948), die Beth Sha-lom Synagoge (1948), das Humphrey Theater(1948), die Griechisch-orthodoxe Kirche(1956), das Marin County Civic Center (1959)sowie zahlreiche ungebaute Projekte. In die-sen großen Projekten finden sich bisweilendie gleichen Themen, mit denen er sich auchbei den Eigenheimen auseinandersetzte – dieKurve als raumbestimmende Form, die Ver-wendung geometrischer Ornamentik und derGebrauch moderner Materialien wie Alumini-um oder Kunststoff. Wrights Einfluss in der Mitte des Jahrhun-derts war enorm, und andere Architektenmussten sich mit ihm auseinandersetzen,egal ob sie ihn liebten oder hassten. Vielemachten sich seine Ideen zu eigen. GroßeBüros wie MacKie und Kamrath sowie An -shen und Allen übertrugen die Konzepte orga-nischen Bauens auch auf Hochhäuser und öf-fentliche Gebäude. Wrights naturverbundeneVorstadtarchitektur für die moderne Familiefand Anklang bei einem breiten Massenpubli-kum. Auch viele hochmoderne Restaurantswurden nach Konzepten aus seiner Hand ge-plant. House Beautiful, Life und andere popu-läre Zeitschriften brachten regelmäßig Artikelüber seine Ideen und Bauten. Wrights Visionen waren häufig, aber nicht im-mer umzusetzen. So erwiesen sich zum Bei-spiel die von ihm bevorzugten horizontal be-plankten Holzwände und andere konstruktiveInnovationen als nicht praktikabel bei denUsonian-Häusern für die Durchschnittsfami-lie; die langweiligeren, aber einfacher herzu-stellenden, mit Wandplatten verkleidetenHolzständerwände waren flexibler in der Mas-senproduktion einzusetzen. Die zunehmendeTendenz zum Großunternehmertum in Archi-

tektur und Gesellschaft isolierte Wright undseinen tief verwurzelten Glauben an das Indi-viduum. Durch seine Weigerung, sich solchengesellschaftlichen Entwicklungen anzupas-sen, geriet er wieder einmal ins Abseits. Auch Wrights Idee von »Schönheit« brachteihn auf Kollisionskurs zu anderen Trends derJahrhundertmitte. Für ihn war Schönheit eineromantische, spirituelle Qualität im SinneEmersons, während sich der Schönheitsbe-griff der Architektur in der zweiten Hälfte deszwanzigsten Jahrhunderts in Anlehnung andie moderne Kunst von seinen traditionellenkulturellen Wurzeln löste. Exponierte Stahlträ-ger und galvanisierte Heizungsrohre, rostigerCortenstahl, strenge geometrische Formenund nackter Beton waren der neue Stoff, ausdem »schöne Häuser« gemacht wurden. DieVorstellungen Wrights von einem »House

Beautiful«, entsprechend dem Titel der in denneunziger Jahren des neunzehnten Jahrhun-derts von ihm mitbegründeten Zeitschrift, wa-ren da anders. Die Kühnheit der Häuser, die Wright in denletzten zwanzig Jahren seines Lebens baute,ging weit über die der Präriehäuser hinaus.Mehrere sind anerkannte Meisterwerke derWeltarchitektur wie Fallingwater, das HausWalker und das Haus Jacobs II. Doch mit an-deren fühlen sich Kritiker bis heute ein wenigunbehaglich. Die extreme Unkonventionalitätdes Huntington Hartfort Play Resort zum Bei-spiel gibt, auch wenn es nie gebaut wurde,Anlass zu einigen kritischen Fragen. Befandsich Wright auf einem einsamen Forschungs-pfad in das Reich der Ästhetik, der ihn so weitvom etablierten Geschmack entfernte, dassdie Gesellschaft ihm einfach nicht mehr fol-

Hypermodern

Oben, von links nach rechts: Haus Charles Glore, Lake Forest, Illi-

nois, 1951; Haus Lewis Goddard, Plymouth, Michigan, 1953; Haus

Karen Johnson & Willard Keland, Racine, Wisconsin, 1954

Unten, von links nach rechts: Haus Robert Sunday, Marshalltown,

Iowa, 1955 (1963); Haus Carl Schultz, Saint Joseph, Michigan, 1957

(1959); Haus Frank und Eloise Bott, Kansas City, Missouri, 1957

(1963)

Gegenüberliegende Seite, oben: Haus I. N. Hagan, Chalkhill, Pennsyl-

vania, 1954; unten: Haus Conrad Edward und Evelyn Gordon, Wilson-

ville, Oregon, 1956 (1964)

Vorangehende Seiten 32–33, links: Haus Richard und Madelyn Davis,

Marion, Indiana, 1950; rechts: Haus Douglas und Jackie Grant, Cedar

Rapids, Iowa, 1946

FRANK LLOYD WRIGHT: MODERNE HÄUSER 37ALAN HESS36

gen konnte? Wurde er durch sein Ego odervielleicht auch durch abnehmende Schaffens-kraft zu solchen Extremen angestachelt, umweiterhin die Aufmerksamkeit der Welt aufsich zu ziehen? Oder ist die Tatsache, dassder Berufsstand der Architekten die wachsen-den Vorstädte als Quelle ernstzunehmenderArchitektur überwiegend ignorierte, Schulddaran, dass sich die von Wright vertretenenIdeen so wenig durchsetzen konnten? Und so befinden wir uns in der merkwürdi-gen Situation, dass Frank Lloyd Wright fastein halbes Jahrhundert nach seinem Tod alsAmerikas berühmtester Architekt gilt, seinGesamt werk aber noch immer nicht ganz be-kannt oder anerkannt ist. Die Präriehaus-Ent-würfe haben einen unangreifbaren Status er-reicht, das Guggenheim-Museum und die

Johnson-Wax-Hauptverwaltung sind Ikonen,die Wrights Ruf selbst dann noch aufrechter-halten werden, wenn andere Architekten sei-ner Zeit längst Geschichte geworden sind.Doch was ist mit dem Rest seiner späterenWerke?Jedes Haus, jedes Bauwerk war ein Teil vonWrights Plan, die Vereinigten Staaten in Broad -acre City zu verwandeln. Auch wenn er oft zynische Bemerkungen über die ihn umge-bende »Mob-okratie« machte, war er imGrunde optimistisch. Die Zukunft mit ihremsich ständig wandelnden technischen Poten -tial und der heiteren Ruhe der Natur ver-sprach eine unendliche Vielfalt von Lebens -stilen. Wright tat sein Bestes, um Häuser zuentwerfen, die diese Möglichkeiten wider-spiegelten und diese Suche förderten.

Hypermodern

Oben: Price Tower, Bartlesville, Oklahoma, 1952 (1953–1956)

Gegenüberliegende Seite: Haus Quintin und Ruth Blair, Cody,

Wyoming, 1952

ALAN HESS38

Von links nach rechts: Pfeiffer-Kapelle, Florida Southern

College, Lakeland, Florida, 1938; Anderton Court Shops,

Beverly Hills, Kalifornien, 1952; Beth Shalom Synagoge,

Elkins Park, Pennsylvania, 1954

FRANK LLOYD WRIGHT UND DER ZWEITE WELTKRIEG 41JOHN ZUKOWSKY40

hungen ablehnte, geriet in dieser Zeit etwasins Abseits. Viele amerikanische Architekten,insbesondere jüngere, dienten im Army Corpsof Engineers oder im Navy’s Construction Bat-talion (CB), auch »Seabees« genannt. MyronGoldsmith zum Beispiel, der nach dem KriegWolkenkratzer für Skidmore, Owings & Mer-rill konstruierte, wurde im Corps of Engineersin Konstruktionstechnik ausgebildet. BruceGoff, vor dem Krieg ein Anhänger Wrights,war bei den »Seabees« und legte dort denGrundstein für seinen späteren »organi-schen« Architekturstil mit sehr individualisti-schen, eigensinnigen Entwürfen. Ältere Archi-tekten wie Erich Mendelsohn und KonradWachsmann arbeiteten mit der amerikani-schen Industrie und dem Militär zusammenan der Konstruktion von Gebäuden im deut-schen und japanischen Stil, die dann verwen-det wurden, um die Effektivität von Spreng-stoffen und Brandbomben zu testen. Anderewie Bertrand Goldberg entwarfen material-sparende Konstruktionen für das Board ofEconomic Warfare und das Office for Strate-tegic Services (O.S.S.), zum Beispiel Trans-portkisten für die Verschiffung von Waffen,die dann später als Truppenunterkünfte ver-wendet werden konnten. Wright soll in dieserZeit bis auf einige kleinere private Jobs unddie Beratertätigkeit für eine Filmversion derNovelle »The Fountainhead« nur sehr wenigeAufträge gehabt haben. Seine Bemerkungengegen Großbritannien und Roosevelt, dieEmpfehlung an seine Schüler, sich als Kriegs-dienstverweigerer aus Gewissensgründen ei-ner Einberufung zu widersetzen, und seinedurch Antikriegsbemerkungen bedingte Ent-fremdung von einigen prominenten Persön-lichkeiten im kulturellen Bereich hatten nega-tiven Einfluss auf Wrights Möglichkeiten,Regierungsaufträge zu bekommen4 – im Ge-gensatz zu Architekturbüros wie Skidmore,Owings & Merrill, deren politische Verbindun-gen aus der Zeit vor dem Krieg ihnen umfang-reiche Aufträge in der Kriegs- und Nachkriegs-

zeit sicherten. Zu seinem Glück konnteWright zumindest einige Arbeiten für Firmenwie S. C. Johnson & Son in Racine, Wiscon-sin, fortsetzen und dem Campus seines Flori-da Southern College ein paar Institutsgebäu-de hinzufügen, wenn sie auch zum Teil erstnach Ende des Krieges fertiggestellt wurden. Wright konnte auch für einige private KlientenHäuser fertigstellen, die er zu Beginn desKriegs entworfen hatte. Ein wichtiger Entwurf(1944) in den Kriegsjahren war das oben ab-gebildete zweite Haus für Herbert und Kathe-rine Jacobs in Middletown, Wisconsin. Daserste, 1936, war Wrights erstes Usonian-Haus gewesen, das zweite war Wrights ers-tes halbkreisförmiges Solarhaus; dessen in einen Erdwall hineingebauter Baukörper ausNaturstein bildete den Auftakt für eine ganzeReihe von Nachkriegshäusern, die häufig ganzanders waren als die von rechtwinkligen For-

men geprägten Usonian-Häuser der Zeit vordem Krieg.Zwar hatte Wright schon Mitte bis Ende derdreißiger Jahre gelegentlich Kurven- undKreisformen verwendet, etwa beim JohnsonWax Building (1936) und dem nicht gebautenHaus Ralph Jester in Kalifornien (1938), be-stimmend für seinen Stil wurden sie aber erstin der Nachkriegszeit – am Haus Kaufmann inPalm Springs (1951), Haus Winn in Kalamazoo(1950), im Entwurf von Haus und Sportclubfür Huntington Hartford in Hollywood (beide1947) sowie am berühmten Guggenheim-Mu-seum, das bereits 1943/44 entworfen, abererst 1959 fertiggestellt wurde. Das sogenann-te zweite Haus Jacobs (1944–1948) ist eingreifbarer Ausdruck für Wrights Neigung zuuramerikanischen Formen, die sich in dieLandschaft »Usonias« einfügen. Man könnteauch versucht sein, das an einen Bunker im

Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs warenneutrale Länder wie die Vereinigten Staatenund ihre Bürger zwischen isolationistischenTendenzen und Unterstützung einer der krieg-führenden Parteien hin- und hergerissen.Auch Architekten bildeten da keine Ausnah-me. Philip Johnsons Befürwortung des deut-schen Vormarschs in Polen und Frankreich1939/40 in der antisemitischen Zeitung SocialJustice ist ein häufig zitiertes Beispiel für dieParteiergreifung eines amerikanischen Archi-tekten in dieser ersten Kriegsphase. Archi -tekten deutscher Abstammung wie PaulSchweik her betrachteten Deutschlands früheErfolge auf dem Schlachtfeld als einen Aus-gleich für die harten Bedingungen des Versail-ler Vertrags im Anschluss an den Ersten Welt-krieg.1 Auch Frank Lloyd Wright machteBemerkungen, die, zumindest unabsichtlich,diese frühen Siege der Deutschen zu begrü-ßen schienen. In Wrights am 15. Mai 1941 erschienenemArtikel A Taliesin Square-Paper: A NonpoliticalVoice from Our Democratic Minority (etwa:Eine unpolitische Stimme unserer demokra -tischen Minderheit) heißt es, dem British Em-pire drohe trotz seiner großartigen Royal Navyeine Niederlage gegen die Deutschen; Eng-land zu helfen, sei »unmöglich und würde nurden Todeskampf eines großen Weltreichesverlängern …«. Ferner: »Ich liebe England,aber ich hasse das Empire …«, und Wright at-tackiert Präsident Franklin Delano Rooseveltund seine Unterstützer als »Überbleibsel ausalten Zeiten, die immer noch versuchen, un-

sere östlichen Staaten als treue englische Ko-lonien zu erhalten«. Andererseits schrieb ernach der deutschen Blitzkriegoffensive aucheinen von News Chronicle of London erbete-nen Artikel, in dem er Vorschläge für einen de-zentralen Wiederaufbau Londons nach demPrinzip von Broadacre City macht. Dies war ingewisser Weise eine Wiederholung seinerebenfalls sehr kontroversen Rede vor demRoyal Institute of British Architects im Jahr1939, nur einige Monate vor Kriegsbeginn.Wohl hätte ihm der Vergleich nicht gefallen,doch man muss sagen, dass Wrights Befür-wortung einer dezentralisierten Architektur imPrinzip nicht so viel anders war als das, wasLudwig Hilbersheimer in seinen Büchern TheNew City (1944) und The New Regional Pat-tern (1949) vorschlug. Allerdings sahenWrights Häuser anders aus als die europäi-scher Architekten der Moderne, von denen erseine Bemühungen, mit den demokratischenUsonian-Häusern einen ureigenen amerikani-schen Architekturstil zu schaffen, gründlichmissverstanden fühlte. In einem Telegramman das Museum of Modern Art bezüglich sei-ner bevorstehenden Ausstellung schreibtWright, er sei »die Verschwörungen dieserausländischen Clique leid«.2 Später, am 24.August 1941, verfasst er in A Taliesin Square-Paper quasi seine eigene »Unabhängigkeits-erklärung« in Form eines Artikels mit dem Titel »Usonia, Usonia South, and New Eng -land«. Darin kritisiert er Präsident RooseveltsAnsicht, Amerika solle in diesem Krieg Groß-britannien zur Seite stehen, er geht sogar so

weit, die Gründung einer Drei-Staaten-Födera-tion mit dem Namen Vereinigte Staaten vonNordamerika vorzuschlagen, welche die dreiStaaten Usonia, Usonia South und New Eng-land umfassen sollte. Angesichts seiner sons-tigen Befürwortung dezentraler Strukturenwirkt seine Behauptung, diese drei Staatenwürden effizienter sein als die früheren acht-undvierzig, ziemlich absurd und widersprüch-lich, doch die Absicht ist deutlich: Das archi-tektonisch und politisch kontaminierte »NewEngland« – das Gebiet von Washington D.C.,Maryland und Pennsylvania bis nach Maine imNorden war nach seinem Dafürhalten zu sehrdurch den kulturellen Ballast Europas und Bri-tanniens belastet – sollte vom wahren ameri-kanischen Rest der Nation getrennt werden,welcher dann frei von den »fremden Einflüs-sen des alten Europas« sein würde. Dieseanti-europäische Einstellung mag vielen scho-ckierend erscheinen, aber im Kontext der Zeitbetrachtet wird sie verständlicher. Auch ande-re Amerikaner wie der berühmte Pilot CharlesLindbergh oder der Industrielle Eddie Ricken-backer hegten ähnliche Empfindungen Groß-britannien und Präsident Roosevelt gegen-über und unterstützten anfangs eine Politikder Nichteinmischung.3 Doch mit dem Angriffder Japaner auf Pearl Harbor am 7. Dezember1941 waren die Fronten klar – außer vielleichtin Wrights Welt. In den Jahren 1941 bis 1945 kämpfte Amerikaauf der Seite der Alliierten; der sonst rechthörbare und sichtbare Wright, der noch im-mer jede Unterstützung militärischer Bemü-

FRANK LLOYD WRIGHT UND DER ZWEITE WELTKRIEGVon John Zukowsky

JOHN ZUKOWSKY42

Erdwall erinnernde Haus als Kompensationfür Wrights gescheiterte Bemühungen umKriegsaufträge der Regierung zu sehen, aberdas würde wohl zu weit führen.Das Ende des Zweiten Weltkriegs und derWirtschaftsboom in den fünfziger Jahrenbrachten Wright wieder mehr Aufträge, ins-besondere für Eigenheime, sowie zunehmen-de öffentliche Anerkennung, die auch zu Fern-sehauftritten und Interviews durch HughDowns 1953 und Mike Wallace 1957 führten.Doch einige größere Projekte wie der geplan-te Mile High Skyscraper für Chicago (1956)scheiterten an den Nachwirkungen seinesVerhaltens während des Krieges – Skidmore,Owings & Merrill erhielten 1954 den Großauf-trag der Air Force Academy und bauten einigeJahre nach Wrights Tod den einhundertStockwerke hohen John Hancock Tower inChicago (1965–1969).

Seite 41 oben, unten und rechts: Haus Herbert und Katherine

Jacobs II, Middleton, Wisconsin, 1944

DIE ÜBERSCHWENGLICHEN FÜNFZIGER: WRIGHT UND DAS GUGGENHEIM 45MONICA RAMÍREZ MONTAGUT44

Man kann Frank Lloyd Wrights Leben als Aus-druck der Zyklen von Hoffnung und Desillusio-nierung im Industriezeitalter sehen; in ähnli-cher Weise steht die Geschichte des von ihmentworfenen Solomon-R.-Guggenheim-Muse-ums (1943–1959) für das Lebensgefühl derfünfziger Jahre und die Hinwendung der mo-dernen Architektur zu organischeren und plas-tischeren Formen. Die Verzögerungen in derinsgesamt sechzehnjährigen Entstehungsge-schichte des Gebäudes1 sind unter anderemauf kriegsbedingte Materialengpässe zurück-zuführen. Das zur Zeit der »Krise der Moder-ne«2 langsam in die Höhe wachsende spiral-förmige Museum trug zur Konsolidierungeiner sich in der zweiten Generation moder-ner Architekten abzeichnenden Tendenz zuüppigeren Formen bei. Bis in die frühen fünfziger Jahre setzte manmoderne Architektur mit einfachen, strengengeometrischen Volumina gleich, frei von ober-flächlicher Ornamentik und gebaut unter Ein-satz technischer Innovationen. Diese Archi-tektur galt als klar und rational, objektiv undmaschinenhaft, und sie war überwiegend ur-ban. Diese Auffassung repräsentierte amdeutlichsten Le Corbusier, weniger Wright,dessen Stil als warm, expressionistisch, emo-tional, individualistisch und überwiegend vor-städtisch betrachtet wurde. Doch obwohlWright insgesamt eher am Rand der Architek-tur der Moderne3 gesehen wird, ist das alssein Meisterwerk der fünfziger Jahre gelten-de Guggenheim-Museum zu einer Ikone derModerne der Jahrhundertmitte geworden.

Das Leben des 1950 bereits über achtzigjähri-gen Wright war eng mit den intensiven Ent-stehungsprozessen des Museums verbun-den. Das neue Jahrzehnt hatte mit einemdenkbar schlechten Auftakt begonnen, dennSolomon Guggenheim war kurz zuvor verstor-ben4 und die Kühnheit des Entwurfs stieß aufzahlreiche Gegner, zum Beispiel die Fifth Ave-nue Association. Doch das Jahr 1952 ließ sichvielversprechender an. Die Pläne für das Mu-seum waren eingereicht, und eine Wander-ausstellung zu Wrights Werken mit dem Titel»60 Jahre lebendige Architektur« tourte durchItalien und Mexiko; sie sollte dann in einemprovisorischen Pavillon auf dem Museumsge-lände untergebracht werden. Mit dem Verwal-tungsgebäude für die im Erdölgeschäft tätigePrice Company in Oklahoma konnte Wrightseine lang gehegten Ideen zu mehr Plastizitätin der Struktur von Hochhäusern5 endlich Ge-stalt annehmen lassen – in Form eines mono-lithischen Baukörpers, dessen nahtlos inein -ander übergehende Wände, Decken undBöden zu einem einheitlichen Ganzen ver-schmolzen. Auch andere, ähnlich inspirierteProjekte stammen aus dieser Zeit, etwa derMile High Skyscraper, die Griechisch-orthodo-xe Kirche in Wisconsin, der Golden BeaconTower und mehr als zwanzig Privathäuser. Diese optimistische Stimmung wurde jedochdurch ständige Auseinandersetzungen zwi-schen Wright und dem 1952 ernannten Direk-tor des Guggenheim-Museums, James John-son Sweeney, überschattet. Sweeney undeine Gruppe namhafter Künstler verlangten

»traditionell-moderne« Räume – orthogonal,weiß und künstlich beleuchtet. Wright hinge-gen lehnte es ab, Gemälde in einer »im altenstatischen Architekturstil gestalteten Umge-bung« auszustellen7, er strebte eine »unun-terbrochene Einheit« von Gebäude undKunstwerken an. Wie beim Price Tower woll-te Wright im Guggenheim-Museum einen»harmonischen Fluss« der Innenräume erzie-len, was er mit spiralförmigen Grundrissen,geneigten Wänden, vielschichtigen Rampenund nahtlosen Brüstungen auch umsetzte.Wrights letzte Meinungsverschiedenheit mitSweeney8 betraf die Farbgestaltung des Inne-ren. Der Direktor verlangte reines Weiß, wäh-rend Wright argumentierte, Weiß sei die »lau-teste« aller Farben, und einen Elfenbeintonvorschlug.9 An diesem Museum, das er mitder Zeit als sein »Archeseum« bezeichnete,die Krönung seiner Vorstellung von Architek-tur, war ihm jedes Detail wichtig. Die Aus -einandersetzungen zwischen Sweeney undWright waren auch Ausdruck der Richtungs-kämpfe in der Welt der Architektur.Die zweite Generation moderner Architekten,zu der beispielsweise Charles Eames undEero Saarinen zählen, traf auf ähnliche festge-fügte Vorstellungen zur modernen Architek-

DIE ÜBERSCHWENGLICHEN FÜNFZIGER: WRIGHT UND DAS GUGGENHEIMVon Monica Ramírez Montagut

Frank Lloyd Wright, Hilla Rebay und Solomon Guggenheim bei der

Präsentation des Modells für das Museum, 1945; Foto von Ben

Greenhaus © 2007 Donald Greenhouse/Artist’s Right Society (ARS),

New York

UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Alan Hess, Alan Weintraub

Frank Lloyd Wright - Moderne Häuser

Gebundenes Buch mit Schutzumschlag, 336 Seiten, 25,5 x 25,5 cm494 farbige Abbildungen, 4 s/w AbbildungenISBN: 978-3-421-03720-6

DVA Architektur

Erscheinungstermin: Februar 2009

Meilensteine der Architektur Taliesin West, Fallingwater, die Usonian Houses: Zwischen 1935 und 1958 entstanden für dieArchitekturmoderne wegweisende Wohnhäuser Frank Lloyd Wrights, die bis heute nichts vonihrer Faszination verloren haben. Dreiundfünfzig dieser Meisterwerke hat der ArchitekturfotografAlan Weintraub beeindruckend vielseitig in Szene gesetzt. Die Außen- und Innenraumansichten,zum Teil mit Möbeln nach Wrights Entwürfen, begleiten erläuternde Texte von Alan Hess undzwei Gastessays zum Werk des Architekten in dieser Zeit. • Bedeutende Schaffensperiode im Werk des Architekten• Großzügige Bilddokumentation der wegweisenden Wohnhäuser• 50. Todestag des Architekten am 9. April 2009