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Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 8 (1985): Rezensionen 57 die Geschichtsschreibung maflgeblich be- einfluflt. Es wurde dann auch Konsens dankenaustausch. daruber erzielt, die Trennung zwischen beiden nicht zu mechanistisch zu vollzie- hen. Die Veranstaltungen zur Geschichte der Soziologie hinterlieflen den Eindruck von grofler Lebendigkeit, das richtige Ma13 an Kontroverse und Konsens war kennzeichnend fur diesen fruchtbaren Ge- Susanne Schroder D~, susanne Schroder Institut fur Demoskopie Allenshach 7753 Allenshach Rezensionen Friedrich Herneck: Die heilige Neugier. Erinnerungen, Bildnisse, Aufsatze zur Ge- schichte der Naturwissenschaften. Berlin [Ost]: Buchverlag Der Morgen 1983. 264 SS. und 16 Schwarz-Weifl-Tafeln (Portrats), gebunden 9,50 M. Friedrich Herneck, Altmeister und Nestor der deut- schen Naturwissenschaftsgeschichte, gleichermafien anerkannt in Ost und West, hat in diesem Band eine Auswahl von insgesamt 50 kleineren Beitragen zur Geschichte (vornehnilich der exakten) Naturwissen- schaften zusammengestellt, die uber einen Zeitraum von mehr als zwanzig Jahren an den verschiedensten Orten erschienen waren, teilweise aber auch nur als Manuskript vorlagen. Auf die ,,bibliographischen Nachweise der Erstveroffentlichung" hat der Verfas- ser jeweils verzichtet, weil alle Artikel mehr oder weniger stark fur diese Zusammenstellung uberar- heitet wurden. Es handelt sich also nicht um eine ,Schriftensammlung', sondern aufgrund der Anglei- chung und Auswagung speziell ausgewahlter Artikel durchaus um eine Darstellung mit monographi- schem Charakter, der durch den gemeinsamen Aspekt der ,,hedigen Neugier" des naturforschenden Denkers erreicht wird. Herneck hat nie zwischen sog. internalistischer und externalistischer Wissenschaftsgeschichte ge- trennt, letzrere vielmehr sets mit beachtet, lange be- vor die Diskussion um eine angebliche Gegensatz- lichkeit beider Aspekte enthrannte. Er war sich auch sets hewufit, dafi Innovationen immer von Indivi- duen erbracht werden, dafi die inner- und aufierwis- senschaftlichen Bedingungen und Ursachen nur in einer Person zur Wirkung kommcn konnen, wenn auch selhst dann nur zu einer hestimmten Zeit. Folg- lich hat die wissenschaftliche Biographik fur Her- neck schon immer eine zentrale Rolle gespielt, und er hat eine grofle Meisterschaft in biographischen Miniaturen entwickelt. Solche Skizzen sind hier zu finden uher Niels Bohr, Emil du Bois-Reymond, Max Born, Thomas A. Edison, Friedrich Engels (,,, . . und die Naturwissenschaften", S. 47-53), Leo- Ber.Wissenschaftsgesch. 8 (1985) 57 nard Euler, Otto von Gucricke, Ernst Haeckel, Otto Hahn, Hermann von Helmholtz, A/. von Humholdt, James Hutton, Christiaan Huygens, Paul Langevin, Max von Laue, Ernst Mach, James Clerk Maxwell, Lise Meitner, Alfred Nobel, Wil- helm Ostwald, Max Planck, Erwin Schrodinger, Si- mon Stevin, Christian Wolff - wenn auch gelegent- lich nur unter einem bestimmten, meist personlich hegrundeten Aspekt, so dafi Albert Einstein etwa die Zentralfigur in mehreren Artikeln werden konn- te. Der Wissenschaftshistoriker hatte natiirlich gern gewufit, in welchem zeitlichen Zusammenhang und fur welche Art von Puhlikation die Artikel ur- sprunglich gedacht waren (so heruhen mehrere auf ehemaligen Rezensionen, so von Buchern A. Her- manns, J. 0. Fleckensteins und des Rezensenten, ohne dal3 der Buchautor immer genannt ist; der Pu- blikationsort - 3. Ausgabe der GroJen Sowjet-Enzy- klopudie, 1969 - ist nur fur den Beitrag ,,Die Ent- wicklung der Physik in Deutschland bis 1933", S. 133- 143, genannt); allerdings ist zwar manche Themenstellung durch die marxistische Grundein- stellung des Autors beeinflufit, doch ist Herneck Wissenschaftshistoriker und fallt nicht in den Fehler, marxistisches Denken schon zu Zeiten vorauszuset- zen, die lange vor Karl Marx lagen. Das Buch ist zu- dem popular in positivstem Sinne: fachlich einwand- frei, mit neuen Erkenntnissen auch fur den Fachhi- storiker, dennoch auch fur gehildete Laien fafilich. Das Buchlein ist jedenfalls jedem zu empfehlen, der sich von Forscherpersonlichkezten fesseln lassen oder anderen einen Einhlick in die Rolle vermitteln mochte, die sie fur die und in der Geschichte der Na- turwissenschaften spiel(t)en. Fritz Krafft, Maim

Friedrich Herneck: Die heilige Neugier. Erinnerungen, Bildnisse, Aufsätze zur Geschichte der Naturwissenschaften. Berlin [Ost]: Buchverlag Der Morgen 1983. 264 SS. und 16 Schwarz-Weiß-Tafeln

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Page 1: Friedrich Herneck: Die heilige Neugier. Erinnerungen, Bildnisse, Aufsätze zur Geschichte der Naturwissenschaften. Berlin [Ost]: Buchverlag Der Morgen 1983. 264 SS. und 16 Schwarz-Weiß-Tafeln

Berichte zur Wissenschaftsgeschichte 8 (1985): Rezensionen 57

die Geschichtsschreibung maflgeblich be- einfluflt. Es wurde dann auch Konsens dankenaustausch. daruber erzielt, die Trennung zwischen beiden nicht zu mechanistisch zu vollzie- hen. Die Veranstaltungen zur Geschichte der Soziologie hinterlieflen den Eindruck von grofler Lebendigkeit, das richtige Ma13 an Kontroverse und Konsens war

kennzeichnend fur diesen fruchtbaren Ge-

Susanne Schroder

D ~ , susanne Schroder Institut fur Demoskopie Allenshach 7753 Allenshach

Rezensionen

Friedrich Herneck: Die heilige Neugier. Erinnerungen, Bildnisse, Aufsatze zur Ge- schichte der Naturwissenschaften. Berlin [Ost]: Buchverlag Der Morgen 1983. 264 SS. und 16 Schwarz-Weifl-Tafeln (Portrats), gebunden 9,50 M.

Friedrich Herneck, Altmeister und Nestor der deut- schen Naturwissenschaftsgeschichte, gleichermafien anerkannt in Ost und West, hat in diesem Band eine Auswahl von insgesamt 50 kleineren Beitragen zur Geschichte (vornehnilich der exakten) Naturwissen- schaften zusammengestellt, die uber einen Zeitraum von mehr als zwanzig Jahren an den verschiedensten Orten erschienen waren, teilweise aber auch nur als Manuskript vorlagen. Auf die ,,bibliographischen Nachweise der Erstveroffentlichung" hat der Verfas- ser jeweils verzichtet, weil alle Artikel mehr oder weniger stark fur diese Zusammenstellung uberar- heitet wurden. Es handelt sich also nicht um eine ,Schriftensammlung', sondern aufgrund der Anglei- chung und Auswagung speziell ausgewahlter Artikel durchaus um eine Darstellung mit monographi- schem Charakter, der durch den gemeinsamen Aspekt der ,,hedigen Neugier" des naturforschenden Denkers erreicht wird.

Herneck hat nie zwischen sog. internalistischer und externalistischer Wissenschaftsgeschichte ge- trennt, letzrere vielmehr s e t s mit beachtet, lange be- vor die Diskussion um eine angebliche Gegensatz- lichkeit beider Aspekte enthrannte. Er war sich auch s e t s hewufit, dafi Innovationen immer von Indivi- duen erbracht werden, dafi die inner- und aufierwis- senschaftlichen Bedingungen und Ursachen nur in einer Person zur Wirkung kommcn konnen, wenn auch selhst dann nur zu einer hestimmten Zeit. Folg- lich hat die wissenschaftliche Biographik fur Her- neck schon immer eine zentrale Rolle gespielt, und er hat eine grofle Meisterschaft in biographischen Miniaturen entwickelt. Solche Skizzen sind hier zu finden uher Niels Bohr, Emil du Bois-Reymond, Max Born, Thomas A. Edison, Friedrich Engels (,,, . . und die Naturwissenschaften", S. 47-53), Leo-

Ber.Wissenschaftsgesch. 8 (1985) 57

nard Euler, O t t o von Gucricke, Ernst Haeckel, O t t o Hahn, Hermann von Helmholtz, A/ . v o n Humholdt, James Hutton, Christiaan Huygens, Paul Langevin, Max von Laue, Ernst Mach, James Clerk Maxwell, Lise Meitner, Alfred Nobel, Wil- helm Ostwald, Max Planck, Erwin Schrodinger, Si- mon Stevin, Christian Wolff - wenn auch gelegent- lich nur unter einem bestimmten, meist personlich hegrundeten Aspekt, so dafi Albert Einstein etwa die Zentralfigur in mehreren Artikeln werden konn- te. Der Wissenschaftshistoriker hatte natiirlich gern gewufit, in welchem zeitlichen Zusammenhang und fur welche Art von Puhlikation die Artikel ur- sprunglich gedacht waren (so heruhen mehrere auf ehemaligen Rezensionen, so von Buchern A. Her- manns, J. 0. Fleckensteins und des Rezensenten, ohne dal3 der Buchautor immer genannt ist; der Pu- blikationsort - 3. Ausgabe der GroJen Sowjet-Enzy- klopudie, 1969 - ist nur fur den Beitrag ,,Die Ent- wicklung der Physik in Deutschland bis 1933", S. 133- 143, genannt); allerdings ist zwar manche Themenstellung durch die marxistische Grundein- stellung des Autors beeinflufit, doch ist Herneck Wissenschaftshistoriker und fallt nicht in den Fehler, marxistisches Denken schon zu Zeiten vorauszuset- zen, die lange vor Karl Marx lagen. Das Buch ist zu- dem popular i n positivstem Sinne: fachlich einwand- frei, mit neuen Erkenntnissen auch fur den Fachhi- storiker, dennoch auch fur gehildete Laien fafilich. Das Buchlein ist jedenfalls jedem zu empfehlen, der sich von Forscherpersonlichkezten fesseln lassen oder anderen einen Einhlick in die Rolle vermitteln mochte, die sie fur die und in der Geschichte der Na- turwissenschaften spiel(t)en.

Fritz Krafft, M a i m