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Frühe Bindungserfahrungen – Bedeutung für die Entwicklung, Therapie und Prävention von Suchterkrankungen Karl Heinz Brisch Kinderklinik und Poliklinik im Dr. von Haunerschen Kinderspital Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie Ludwig-Maximilians-Universität München

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Frühe Bindungserfahrungen –Bedeutung für die Entwicklung, Therapie und Prävention von

Suchterkrankungen

Karl Heinz Brisch

Kinderklinik und Poliklinikim Dr. von Haunerschen Kinderspital

Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und PsychotherapieLudwig-Maximilians-Universität

München

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Übersicht

• Bindungsentwicklung

• Sucht als Ersatz für eine Bindungsperson

• Therapie

• Prävention durch SAFE®

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Bindungstheorie

• Ein Säugling entwickelt im Laufe des ersten Lebensjahres eine spezifische emotionale Bindung an eine Hauptbindungsperson

• Die emotionale Bindung sichert das Überleben des Säuglings

• Die Bindungsperson ist der

„sichere emotionale Hafen“für den Säugling

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Bindungstheorie I

• Durch Angst und Trennung wird das Bindungsbedürfnis aktiviert

• Durch körperliche Nähe zur Bindungsperson wird das Bindungsbedürfnis wieder beruhigt

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Stress -Toleranz-Fenster und Gefühle

Übererregung � Parasympathikus � Dissoziation � ERSCHLAFFUNG

Übererregung � Sympathikus � Dissoziation� EINFRIEREN

+

-

Modifiziert nach Lutz Ulrich Besser © Copyright Besser 2008

Panik

Todesangst

Aktiviertes Bindungsbedürfnis

SuchtmittelSuchtmittel

Suchtmittel

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Sucht als Surrogat für Bindung

• Suchtmittel– Beruhigt das Bindungssystem

– Stress-Reduzierung auf physiologischer Ebene

– Beruhigung wie durch Körperkontakt mit Bindungsperson

– Mehr oder weniger leicht verfügbar

– Selbst zu beschaffen

– Unabhängigkeit von Bindungsperson

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Beginn der Sucht

• Trennungssituationen • Nach Verlassenwerden• Einsamkeit• Angstsituationen• Stress in Beziehungen• Überforderung mit Stress allgemein• Bedrohliche Affekte• Keine Affektsteuerung• Immer ist Bindungsbedürfnis aktiviert

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Entzugsymptome

• Absetzen des Suchtmittels– Körperlicher Entzug– Seelischer Entzug, weil „Surrogat-Bindungsperson“

fehlt– Bindungsperson ist für das Überleben wichtig– Symptome wie nach Verlust der Bindungsperson– Extreme psychische Schmerzen und Gefühle von

Angst, Panik, Hilflosigkeit, Ohnmacht und Todesbedrohung

– Ohne „Mutter“ kein Überleben!– Kampf um das Suchtmittel

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Drei-Zügel-Therapie bei „Verbrennungsopfer“

Bindung

Trauma Sucht

Psychosoziale Probleme

VIER

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Heftigste Gegenübertragung des Therapeuten bei Bindungsaufbau

• Abwertung• Ekel• Betrogen und Belogen - Enttäuschungen • Wut• Angst• Eigener Suchtdruck• Rauswerfen des Patienten• Abbrechen der Therapie• Überidentifikation mit dem Trauma

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Therapie der Sucht bei traumatischer Bindungserfahrung

• Aufbau einer sicheren therapeutischen Bindung

• Besonderheiten der therapeutischen Bindung bei Suchterkrankungen– Gegenübertragung– Intensiv-distanziert– häufige sichere Kontakte– Ersatz des Suchtmittels durch

NEUE intensive sichere Bindungserfahrungen in der Therapie

– Emotionale Wirkung der Bindungserfahrung muss intensiver sein als die Wirkung des Suchtmittels

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Sucht in der Schwangerschaft

• Sehnsucht nach Bindung und Bemutterung

• Frühe Deprivation in der eigenen Kindheit

• Ersatz durch Drogen/Alkohol etc.

• Sichere therapeutische Bindung aufbauen

• Stabilisierung• Emotionale Bearbeitung der

Sehnsüchte der Schwangeren (Schutz, Sicherheit, Versorgung)

• Stabilisierung und Stress-Coping

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„Ilona“

• Vernachlässigung und Gewalt bis ins Kleinkindalter

• Herausnahme aus der Familie

• Pflegefamilie• Heim ab 12. Lebensjahr• Alkohol, Drogen• Dissoziale Entwicklung• Schwangerschaft im 16 Lj.

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„Ilona“ (Forts.)

• Mutter-Kind-Heim

• Misshandlung des Babys

• Angst vor Therapie

• Wünsche nach Versorgung

• Bindungsaufbau:

• Langsamer, vorsichtig, aber häufiger Unmittelbare Veränderung im Verhalten mit Baby

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Säuglinge und Kleinkinder• Adipositas• Medien: Internet, Video• Mütterliche/Väterliche

Sucht • Keine Differenzierung von

Stress-Signalen des Kindes

• Statt Bindung Angebot des Suchtmittels

• Intensive Arbeit mit der Mutter/Vater

• Feinfühligkeit • Mentalisierung

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„Sebastian“

• Gameboy-Sucht• Selbstberuhigung• Störung der Eltern-Kind-

Beziehung• Feinfühligkeitstraining mit

den Eltern• Wahrnehmung von

kindlichen Bedürfnissen• Gemeinsames Spiel mit

VATER• Bindungsaufbau

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Schulkinder

• Medien – Exploration• Schnelle Reizfolge – hohe

Stimulation und Selbstwirksamkeit• Therapie – Sichere therapeutische

Bindung• Exploration der Medien in der

therapeutischen Beziehung• Entdeckung von neuen Welten

außen und innen• Selbstwirksamkeit UND Lob,

Freude, Erfolg IN der therapeutischen Beziehung

• Arbeit mit den Bezugspersonen• Psychotherapie des Kindes im

Spielzimmer - Symbolspiel

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„Petra“

• Einzelkind

• Im Kindergartenalter viele Stunden alleine zu Hause

• Gameboy – TV – DVD-Player – Playstation

• Essen

• Depression, Schlafstörung

• Schulversagen

• Schulschwänzen

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„Petra“ (Forts.)

• Kinderspieltherapie

• Sandspiel

• Entdeckung der inneren Welten

• Elternarbeit – ZEIT für Kinder

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Jugendliche• Autonomie vs.

Gruppe/Clique• Suchtmittel verbindet in

der Gruppe• Reduziert Angst,

Entspannung• Sensation, Stimulation• Therapie: Sichere

emotionale Basis• Abenteuer und Erkundung

IN der Beziehung

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„Frank“

• Häusliche Gewalt• Schulprobleme• Freundin verlässt ihn• Sicherheit in der

Clique• Depression • Alkohol• Exzessives

Computerspiel

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„Frank“ (Forts.)

• Ambivalenz gegenüber der Therapie

• Regelmäßige Termine angeboten

• Nimmt Termine unregelmäßig war

• SMS, Emails

• Rückruf von mir, wenn Frank Therapie-Termin „vergessen“ hat

• Häusliche Gewalt als Kind erlebt

• Angst vor erster Partnerschaft

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Anorexia: Mager-Sucht

• Hungern kontrolliert Affekte• Körper-Dissoziation• Therapie: Aushalten der

Bindungsvermeidung/Desorganisation

• Langsame sichere Bindungserfahrungen in Therapie

• Traumatherapie• Neue Körpererfahrungen in

KBT und Entspannung

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„Sandra“

• Sexuellen Missbrauch und Gewalt in der Kindheit

• Angst vor Veränderungen in der Pubertät• Hungern als Kontrolle über alle Gefühle

UND die Veränderungen im Körper• CAVE: Verschreibung von

Psychopharmaka • Entzug: tägliche Kurztermine

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Erwachsene

• Medikamente/Alkohol/Drogen – Ersatz für sichere Bindung

• Workaholic – Selbstwirksamkeit• Sexaddicts – Panik vor Einsamkeit• Therapie: Sichere therapeutische Bindung• Emotionale Neuerfahrungen durch

emotionale Verfügbarkeit des Therapeuten.• Reduzierung des Suchtverhaltens

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Tom: Mister „Erfolgreich“

• Als Kind: Emotionale narzisstische Versorgung der Erwachsenen (Eltern, Lehrer) durch schulische Super-Leistung

• Studium und Promotion mit Auszeichnung

• Rasante Karriere• Heirat und Kinder• 70-80 Stundenwoche und

mehr• Keine Zeit für Familie

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Mister „Erfolgreich“ (Forts.)

• Ehefrau und Kinder trennen sich von ihm

• Noch mehr Arbeiten• Burn-Out / Depression• Spekulationen an der

Börse• Spielsucht• Verlust des Vermögens• Alkohol/Kokain• Stationärer Entzug und

Therapie

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Zusammenfassung

• Bindungserfahrungen sind überlebenswichtig

• Suchtmittel als Surrogat für fehlende Bindung

• Therapie: Aufbau einer sicheren Bindung

• Drei-Zügel-Therapie

• „Verbrennungsopfer“

• Verzicht auf Suchtmittel und Ersatz durch neue Bindungserfahrungen in der Therapie

• Stabilisierung

• Bearbeitung des Suchtgedächtnis

• Bearbeitung des Traumas

• Variationen des Settings

SICHERE AUSBILDUNG

FÜR ELTERNEin Trainingsprogramm zur Förderung einer sicheren

Bindung zwischen Eltern und Kind

SAFE

Karl Heinz BrischKinderklinik und Kinderpoliklinik

im Dr. von Haunerschen Kinderspital

Abteilung Pädiatrische Psychosomatik und Psychotherapie

Ludwig-Maximilians-Universität München

©

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Prävention

• SAFE-Special für Drogenabhängige junge Schwangere

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Multiplikatoren

• Weiterbildung in SAFE für Menschen, die mit Schwangeren, Eltern und Säuglingen arbeiten– Schwangerschaftsberaterinnen – Hebammen und Stillberaterinnen– Krankenschwestern– Geburtshelfer– Psychologen – Kinderärzte– Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten– Sprachheilpädagogen und Sprachtherapeuten – Und andere

SAFE - Mentor-

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Ausbildung zum SAFE-Mentor

• Modul I: Pränatale Inhalte von SAFE• Modul II: Postnatale Inhalte von SAFE I• Modul III: Postnatale Inhalte von SAFE II• 1-2 Praxistage

– Erwachsenen-Bindungs-Interview– Video-Feedback-Technik– Fragebogen

• Traumatische Erfahrungen

• Zertifizierung als "SAFE-Mentor"• Supervisionsgruppen

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www.base-babywatching.de

B.A.S.E.Babywatching

®

Ein Präventionsprogramm zurVorbeugung von aggressiven und ängstlichen

Verhaltensstörungen

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Internationale Konferenz11. – 13. Oktober 2013 in München

Bindung und Psychosomatik

Information und Programm

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