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GAINSBOURG Der Mann, der die Frauen liebte Ein Film von JOANN SFAR mit ÉRIC ELMOSNINO – LUCY GORDON – LAETITIA CASTA – DOUG JONES – ANNA MOUGLALIS – MYLÈNE JAMPANOÏ – SARA FORESTIER – YOLANDE MOREAU – CLAUDE CHABROL – PHILIPPE DUQUESNE Kinostart: 14. Oktober 2010 ca. 121 Minuten / Frankreich 2009 / Format 1:2.35 Cinemascope / Dolby Digital Material erhältlich unter www.prokino.medianetworx.de VERLEIH PROKINO Widenmayerstr. 38 80538 München FON (089) 210114-0 FAX (089) 210114-11 E-MAIL [email protected] PRESSEBETREUUNG VERMIETUNG ana radica! Presse Organisation Twentieth Century Fox Herzog-Wilhelm-Str. 27 Darmstädter Landstr. 114 80331 München 60598 Frankfurt FON (089) – 23 66 12-0 FON (069) – 60 90 2-0 FAX (089) – 23 66 12-20 FAX (069) – 60 90 2-63 E-MAIL [email protected]

GAINSBOURG Presseheft deutsch - Filmfest Hamburg 2019€¦ · GAINSBOURG – DER MANN, DER DIE FRAUEN LIEBTE blättert im Lebensbuch der französischen Musiklegende und nimmt uns

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GAINSBOURG Der Mann, der die Frauen liebte

Ein Film von

JOANN SFAR

mit ÉRIC ELMOSNINO – LUCY GORDON –

LAETITIA CASTA – DOUG JONES – ANNA MOUGLALIS – MYLÈNE JAMPANOÏ – SARA FORESTIER – YOLANDE MOREAU – CLAUDE

CHABROL – PHILIPPE DUQUESNE

Kinostart: 14. Oktober 2010

ca. 121 Minuten / Frankreich 2009 / Format 1:2.35 Cinemascope / Dolby Digital

Material erhältlich unter www.prokino.medianetworx.de

VERLEIH PROKINO

Widenmayerstr. 38 80538 München

FON (089) – 210114-0 FAX (089) – 210114-11

E-MAIL [email protected]

PRESSEBETREUUNG VERMIETUNG ana radica! Presse Organisation Twentieth Century Fox Herzog-Wilhelm-Str. 27 Darmstädter Landstr. 114 80331 München 60598 Frankfurt FON (089) – 23 66 12-0 FON (069) – 60 90 2-0 FAX (089) – 23 66 12-20 FAX (069) – 60 90 2-63 E-MAIL [email protected]

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INHALT Besetzungsliste 4 Stabliste 5 Deutsche Synchronisation 6 Pressenotiz 7 Kurzinhalt & Inhalt 8 Anmerkung der Produzenten 10 Joann Sfar über seinen Film 11 GAINSBOURG – ENTSTEHUNG EINES MÄRCHENS 14

HALB GAINSBOURG, HALB SFAR ... 19 Interview mit Éric Elmosnino – Serge Gainsbourg

LAETITIA CASTA, DIE BARDOT VON SFAR 23 ICH HABE SERGE WAHNSINNIG GELIEBT Brigitte Bardot im Gespräch mit Henry-Jean Servat

WIR WOLLTEN MÄRCHENHAFTES UND REALES VERMISCHEN 25 Interview mit Guillaume Schiffman – Kamera

JEDER GEGENSTAND, JEDE FARBE STEHT FÜR 28 EINE BESTIMMTE ZEIT Interview mit Christian Marti – Ausstattung

DIE FIGUREN SOLLTEN AUF DEN ERSTEN BLICK 31 ZU ERKENNEN SEIN Interview mit Pascaline Chavanne – Kostüme

LEITIDEE DES FILMS WAR ES, NICHT ZU IMITIEREN 34 Interview mit David Marti – Kunstfiguren, Spezialeffekte Maske

„DIE FRESSE“ UND GAINSBOURG VERHALTEN SICH ZUEINANDER 36 WIE DR. JEKYLL UND MR. HYDE Interview mit Doug Jones – Darsteller von „Die Fresse“

AB DER ERSTEN PROBE MIT ÉRIC WUSSTEN WIR, DASS WIR 39 GERETTET WAREN Interview mit Olivier Daviaud – Komponist

GAINSBOURG – STATIONEN SEINES LEBENS 41

JOANN SFAR 45

DIE MITWIRKENDEN 48 Éric Elmosnino (Serge Gainsbourg) 48 Doug Jones (“Die Fresse”) 49 Laetitia Casta (Brigitte Bardot) 50 Lucy Gordon (Jane Birkin) 51 Anna Mouglalis (Juliette Gréco) 52 Mylène Jampanoï (Bambou) 53

DER SOUNDTRACK 54

AUSGEWÄHLTE PRESSESTIMMEN 56

HINTERGRUNDINFORMATIONEN 57 Serge Gainsbourg. Für eine Handvoll Gitanes 57 Das heroische Leben des Evgenij Sokolov 58

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„Ich möchte nicht hingehen und in Gainsbourgs Privatleben herumschnüffeln, um herauszufinden, wer er wirklich war. Die Wahrheit

könnte mir gar nicht gleichgültiger sein. Ich liebe Gainsbourg viel zu sehr, um ihn ins Reich der Realität zurückzuholen. Ich möchte, dass

dieser Film so viel Energie hat wie ein Sergio-Leone-Western und so viel Eleganz wie Fred Astaire. Ich möchte einen Kultfilm machen, keinen

journalistischen Bericht über sein Leben abliefern.“

Joann Sfar

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BESETZUNG Serge Gainsbourg ÉRIC ELMOSNINO Jane Birkin LUCY GORDON Brigitte Bardot LAETITIA CASTA Die Fresse DOUG JONES Juliette Gréco ANNA MOUGLALIS Bambou MYLÈNE JAMPANOÏ France Gall SARA FORESTIER Lucien Ginsburg KACEY MOTTET KLEIN Joseph Ginsburg RAZVAN VASILESCU Olga Ginsburg DINARA DRUKAROVA

Boris Vian PHILIPPE KATERINE

Elisabeth DEBORAH GRALL

Fréhel YOLANDE MOREAU

Das Model OPHÉLIA KOLB

Der Musikproduzent CLAUDE CHABROL

Der Internatsleiter FRANÇOIS MOREL

Lucky Sarcelles PHILIPPE DUQUESNE

Der Zigeuner mit der Gitarre ANGELO DEBARRE

Phyphy GRÉGORY GADEBOIS Judith ALICE CAREL Vater von France Gall ROGER MOLLIEN

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STAB Regie JOANN SFAR Produktion MARC DU PONTAVICE DIDIER LUPFER Produktionsleitung MATTHEW GLEDHILL 1. Regieassistent YANN CUINET Skriptgirl ISABEL RIBIS Casting STÉPHANE BATUT Kamera GUILLAUME SCHIFFMAN Schnitt MARYLINE MONTHIEUX Ausstattung CHRISTIAN MARTI Kostüme PASCALINE CHAVANNE Kunstfiguren, Spezialeffekte Maske DAVID MARTI Ton DANIEL SOBRINO Tonschnitt JEAN GOUDIER Mischung CYRIL HOLTZ Maske GILL ROBILLARD Frisuren FABIENNE BRESSAN Komponist OLIVIER DAVIAUD Klavier GONZALES Gesangscoach NATHALIE DUPUY Musikalischer Produktionsleiter PAUL LAVERGNE Leiter der Produktion PASCAL BONNET Leiter der Postproduktion CHRISTINA CRASSARIS VFX Supervisor CEDRIC FAYOLLE Standfotograf JÉRÔME BRÉZILLON

Eine Produktion von: ONE WORLD FILMS In Koproduktion mit

STUDIO 37 – FOCUS FEATURES INTERNATIONAL – FRANCE 2 CINÉMA – LILOU FILMS – XILAM FILMS

Unter Beteiligung von UNI ÉTOILE 6

Und mit Beteiligung von CANAL + FRANCE TÉLÉVISIONS und ORANGE CINÉMA SÉRIES

Mit Unterstützung von RÉGION ILE-DE-FRANCE

Vertrieb durch UNIVERSAL PICTURES INTERNATIONAL FRANCE

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DEUTSCHE SYNCHRONISATION Produktion TaunusFilm GmbH Synchron Berlin

Produktionsleitung Michael Graf

Buch & Regie Beate Klöckner

Aufnahmeleitung Matthias Fiebig

Schnitt Mark Meyer

Tonmeister Sprache Reinhard Kunow

Tonmeister Mischung Ekkehard Strauhs

Sprecher:

Serge Gainsbourg (Éric Elmosnino) Frank Schaff

Jane Birkin (Lucy Gordon) Laura Cameron

Brigitte Bardot (Laetitia Casta) Kathrin Zimmermann

Die Fresse (Doug Jones) Olaf Reichmann

Juliette Gréco (Anna Mouglalis) Arianne Borbach

Bambou (Mylène Jampanoï) Maria Koschny

France Gall (Sara Forestier) Rubina Kuraoka

Lucien Ginsburg (Kacey Mottet Klein) Gideon Finimento

Joseph Ginsburg (Razvan Vasilescu) Oleg Tarasov

Olga Ginsburg (Dinara Drukarova) Anna Liljeberg

Boris Vian (Philippe Katerine) Christian Gaul

Elisabeth Levizky (Deborah Grall) Tanja Geke

Fréhel (Yolande Moreau) Katarina Tomaschesky

Das Model (Ophélia Kolb) Britta Steffenhagen

Der Musikproduzent (Claude Chabrol) Axel Lutter

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PRESSENOTIZ

Als Joann Sfar, ein Star der französischen Comic-Szene, die Chance erhält, seinen ersten eigenen Film zu entwickeln, steht für ihn schnell fest, dass es ein Werk über das Idol seiner Jugend werden soll – Serge Gainsbourg, einen der wichtigsten, provokantesten und vielseitigsten französischen Musiker des 20. Jahrhunderts. Einen Künstler, der auch 20 Jahre nach seinem Tod noch den Ruf eines exzentrischen Genies und legendären Verführers genießt. Aber Joann Sfar geht es weniger darum, Leben und Werk seines frühen Vorbilds für die Leinwand zu rekonstruieren. Sein Wunsch ist es vielmehr, in Bilder zu fassen, was der Motor von Gainsbourgs schier unerschöpflicher Kreativität war, zu veranschaulichen, was ihn so faszinierend und so anziehend machte. Sfars Annäherung an Gainsbourg ist in jedem Moment selbst eine künstlerische; er analysiert nicht, er erzählt in atemberaubenden Bildern. Er schildert eingängig die Geschichte des berühmten Musikers Serge Gainsbourg und lässt uns dabei ebenso hinreißende wie erschreckende, betörende wie irritierende Entdeckungen machen. GAINSBOURG – DER MANN, DER DIE FRAUEN LIEBTE blättert im Lebensbuch der französischen Musiklegende und nimmt uns mit auf eine poetisch-musikalische Reise zu den wichtigsten Etappen seiner Karriere, die stets von skandalträchtigen Liebesgeschichten begleitet war: Brigitte Bardot, Juliette Gréco, Jane Birkin – die meistbegehrten Schönheiten erlagen seinem Charme und begeisterten sich für seine Musik. Zugleich findet Joann Sfar einen fantasievollen Weg, uns Einblicke in die Ängste und Sehnsüchte zu vermitteln, die diesen vielseitig talentierten Künstler zeit seines Lebens antrieben. Joann Sfar stand für seinen Film eine Riege exzellenter Schauspieler und Musiker zur Verfügung. Als Darstellerin der berühmten B. B. konnte er das international gefragte Model Laetitia Casta gewinnen; sie gilt heute ebenso als Inbegriff der Sinnlichkeit wie Brigitte Bardot in den 1950er- und 1960er-Jahren. Gainsbourgs langjährige Lebensgefährtin Jane Birkin wird kongenial von der zartgliedrigen jungen Britin Lucy Gordon verkörpert. Die Titelrolle besetzte Sfar mit Éric Elmosnino, der in seiner Heimat Frankreich ein gefragter Theaterschauspieler ist. Diese Besetzung erweist sich als absoluter Glücksgriff, denn Elmosnino verfügt nicht nur über erstaunliche äußerliche Ähnlichkeiten mit Gainsbourg, sondern ihm gelingt auch mit verblüffender Leichtigkeit, das Charisma dieses großen Musikers und Liebhabers der Frauen wiederaufleben zu lassen.

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KURZINHALT ___________________________________________________________________

Musikalisches Allroundgenie, Verführer der schönsten Frauen, Popstar, Poet, Provokateur – Joann Sfar zeigt die vielen Gesichter der Ikone Serge Gainsbourg, zeichnet zentrale Stationen seines Wegs zum Ruhm nach und wirft mit augenzwinkerndem Humor einen Blick hinter die öffentliche Maske eines der faszinierendsten und schillerndsten Musiker des 20. Jahrhunderts. ____________________________________________________________________ Dies ist die komische und fantastische Geschichte von Serge Gainsbourg und seiner berühmten Visage. Ein kleiner jüdischer Junge zieht laut singend durch die Straßen des von den Deutschen besetzten Paris; ein schüchterner junger Poet gibt die Malerei auf und verlässt seine Dachkammer, um die Pariser Nachtklubs der Swinging Sixties zu erobern. Was folgt, ist ein Leben voller Leidenschaft und Poesie, ein Leben voller Provokationen und Skandale, ein ruhmreiches, ein aufreibendes, ein heldenhaftes Leben. INHALT Es war einmal ein kleiner Junge, Lucien; er lief durch die Straßen von Paris und stellte stolz den schrecklichen gelben Stern zur Schau, der an seine Jacke geheftet war. Es ist 1941. Als dieses Kind russisch-jüdischer Eltern der französischen Miliz über den Weg läuft, die auf der Seite der Nazis steht, stimmt es mit einem frechen Funkeln in den Augen die Marseillaise an – obwohl es den Text gar nicht richtig kann. Dann bleibt der kleine Lucien plötzlich vor einem antisemitischen Plakat stehen, das die Karikatur eines Juden zeigt: ein hässliches Gesicht, das etwas zu viel Ähnlichkeit mit ihm hat. Eine Fratze, die aufgehängt wurde, um von allen gesehen und verspottet zu werden. Er möchte weglaufen oder diese groteske Karikatur vernichten, tut jedoch keins von beidem. Plötzlich erwacht die Karikatur zum Leben, springt von der Wand und heftet sich dem Jungen an die Fersen. Von diesem Punkt an weicht ihm die hässliche Fratze nie mehr von der Seite. Sie wird sein Schatten, sein Fluch, seine Inspiration, sein einziger Gefährte, sein Alter Ego. Der kleine Lucien weiß es noch nicht, aber er wird eines Tages als Serge Gainsbourg berühmt werden. Dieses Märchen erzählt aus dem Leben eines Helden. Es erzählt von einem kleinen Jungen, der durch die Straßen des besetzten Paris zieht und Worte daherplappert, als würde er Blumen in einen Gewehrlauf stecken. Es ist eine Geschichte voller Eroberungen. Gainsbourg ist trotz seines nicht eben guten Aussehens ein leidenschaftlicher Liebhaber und lockt die legendäre Brigitte Bardot in

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sein Bett. Er verführt Jane Birkin, indem er mit einer Unterhose in den Farben der Trikolore bekleidet badet, und bringt Juliette Gréco dazu, in den frühen Morgenstunden barfuß mit ihm Walzer zu tanzen. Diese legendenumwobenen Frauen singen ausnahmslos den poetischen Unsinn, den er für sie schreibt. Es ist eine Geschichte voller Zweikämpfe. Das tödlichste Duell ficht Gainsbourg mit seinem Alter Ego aus: „Die Fresse“, eine dürre, katzenhafte Gestalt, wacht eifersüchtig über seine Liebesaffären und erinnert ihn immer dann, wenn er gerade glücklich ist, an all die Demütigungen, die er verdrängt hat. „Die Fresse“ ist ein raffinierter Witzbold, der immer zur Stelle ist, um den kreativen Prozess zu beflügeln oder zu erschweren; er geistert durch die Nächte des Poeten und Sängers und lässt ihn niemals seinen Seelenfrieden finden. Es ist eine Geschichte, in der Gainsbourg sich vom erfolglosen Maler zum Meister des französischen Popsongs entwickelt. Seine Musik reißt die Zügel der Erzählung an sich und verwandelt ein plumpes Weib in eine Hippopodame (ein weibliches Nilpferd) oder einen ehebrecherischen und leidenschaftlichen Abend in einen Welthit, „Je t’aime … moi non plus“ (Ich liebe dich, ich auch nicht). Und so lasst uns den Klartext gegen wilde Rhythmen eintauschen und in das Paris der Swinging Sixties eintauchen, um die Geschichte dieses Meisters der Provokation zu erzählen, dieses Manipulators der Worte und der Frauen, dieses schüchternen, aber leidenschaftlichen Abenteurers, und um an einer Geschichte teilzuhaben, die ebenso kühn ist wie die Risiken, die der kleine Lucien eingehen musste, damit er schließlich ein anderer werden konnte ... Serge Gainsbourg.

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ANMERKUNG DER PRODUZENTEN Vor einigen Monaten lernten wir einen sehr begabten Mann kennen, den wohl talentiertesten und angesehensten Comiczeichner seiner Generation: Joann Sfar. Doch Joann ist weitaus mehr als ein Comiczeichner. Er ist ein geborener Geschichtenerzähler, ein bildender Künstler und auch ein begabter Musiker. Darum glauben wir fest daran, dass sein Wechsel in die Welt des Films höchst erfolgreich sein wird. Unter den vielen Werken und Dingen, die für uns alle gleichermaßen prägend waren, sticht eins besonders hervor, für das wir dieselbe leidenschaftliche Bewunderung hegen: das Leben und die Musik von Serge Gainsbourg. Nicht so sehr für den Provokateur Gainsbourg als vielmehr für den Musiker, das Idol, den genialen Künstler, den Pygmalion, den Künstler mit den hundert Talenten und vor allem für den Gainsbourg der ersten vierzig Jahre seines Lebens, die so produktiv waren und über die doch alle so viel weniger wissen. Wir möchten einen Film machen, der weitaus mehr ist als ein einfaches Biopic. Wir möchten einen grafischen, fast expressionistischen Film machen, der von einer völlig anderen Atmosphäre bestimmt ist, als es eine Rekonstruktion der Fakten wäre; er soll im Gegenteil ein kräftiger Kontrapunkt dazu sein und vielmehr die Essenz von Gainsbourgs kreativer Ambition erfassen. Denn wir glauben, dass es nur so möglich ist, seiner künstlerischen Fantasie und seiner komplexen, in einem ständigen Prozess der Anpassung und Weiterentwicklung begriffenen Persönlichkeit gerecht zu werden. Joann möchte einen Film machen, der über die simple Version der Medien weit hinausgeht, und uns Gainsbourgs eigene, komplexere Vision näherbringen. Wie Gainsbourg ist auch Joann ein Mann des Wortes, der Bilder und der Töne. Darum sind wir auch so überzeugt von diesem Gainsbourg-Projekt, dieser Begegnung zweier Künstler und ihrer Arbeit.

Marc du Pontavice & Didier Lupfer

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Es sind nicht Gainsbourgs Wahrheiten, die mich interessieren, sondern seine Lügen.

J. Sfar JOANN SFAR ÜBER SEINEN FILM Manche Künstler suchen sich ihre Vorbilder in der gleichen Disziplin, die sie selbst gewählt haben. Mein Vorbild war schon immer Gainsbourg. Und weil ich ihn nicht durch hilflose Versuche, Sänger zu werden, beleidigen wollte, wurde ich Comiczeichner. Als ich aus Nizza wegging, hatte ich ein Ziel vor Augen: Serge Gainsbourg kennenzulernen. Ich nahm an, dass er mich, weil ich ihn verehrte, automatisch auch verehren würde. Ursprünglich wollte ich einen Comic zeichnen, der auf Gainsbourgs Roman „Das heroische Leben des Evgenij Sokolov“ basierte. Große jüdische Maler, Volksmusiker aus Osteuropa – alle meine Bildergeschichten haben mich auf die eine oder andere Weise immer wieder zu Gainsbourg geführt. Mein Film geht sehr gewissenhaft mit seinem Leben um, ist aber dennoch kein Biopic. Er erzählt eine Geschichte. Paris fungiert in diesem Film als eine Art eigenständige Figur. Während wir Gainsbourgs Fußstapfen folgen, entdecken wir alle möglichen Schlupfwinkel und Underground-Welten. In meinem Film gibt es keinerlei Pornografie, keine Anstößigkeiten oder Obszönitäten, aber es gibt eine Menge verletzlicher Figuren, die im Bett – vor allem auf horizontaler Ebene – miteinander zu kommunizieren scheinen. Ich möchte nicht, dass mein Film irgendjemanden verletzt. Ich möchte, dass Gainsbourgs Erben stolz darauf sind. Er ist unter der Maxime entstanden, dass es hier letztlich um die Geschichte eines großen Dichters geht. Gainsbourg hat immer die Grenzen ausgetestet, aber nur ein Dummkopf würde glauben, dass Zynismus das Motiv seines Handelns war. Dies ist die Geschichte eines schüchternen und unsicheren Mannes, der sich selbst so gut beschützt, wie er es vermag. Das Leben dieses Helden ist schwierig und abenteuerlich. Wir sollten spüren, dass russisches Blut durch die Adern der Geschichte fließt. Es gibt darin keine Originalaufnahmen von Gainsbourgs Songs. Keinen jazzigen oder kitschigen Soundtrack. Alles ist neu gemacht, neu gearbeitet, neu gesungen und größer als das Leben. Keine Originaltracks sind künstlich über neue Bilder gelegt. Stimme, Musik und Bild bilden eine harmonische Einheit. Mein Wunsch war es, einen Film zu drehen, der mit „Ray“ oder „Walk the Line“ vergleichbar ist. Der Film beginnt damit, dass Gainsbourg als kleiner Junge mit einem Judenstern an der Jacke durch das verregnete Paris flitzt. Als er stampfende Schritte näherkommen hört, versteckt er sich in panischer Angst in einem Gässchen, um seinen Davidstern in einen Sheriffstern zu verwandeln.

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Von seinen frühen Jahren als Maler bis zu seiner späteren Karriere im Musikbereich hat Gainsbourg immer eine extreme und doch unterdrückte romantische Veranlagung gezeigt. Alles, was er tat, tat er mit Feingefühl. Doch hin und wieder sprang er auch auf und betrieb die Dinge auf aggressive Art und Weise. Wir sehen, wie viel es ihm abverlangte, Lieder zu schreiben und sie und sich jedes Mal zu verteidigen, wenn er ein neues Album herausbrachte. Gainsbourg hatte den Mut, das zu schreiben, wonach die Jugend suchte. Er ist der zugleich klassischste und modernste Songwriter. Er erreicht beim Texten und Komponieren unglaubliche Höhen, auf die unmittelbar danach Tiefpunkte während Interviews im Fernsehen folgen. Jeder Künstler macht die traurige Erfahrung, dass er versucht, vor einem Publikum witzig oder liebenwert zu erscheinen, während er tatsächlich nur ein intelligentes Ohr, ein freundliches Lächeln oder eine herzliche Umarmung sucht. GAINSBOURG – DER MANN, DER DIE FRAUEN LIEBTE berührt mich sehr tief mit seinem Mut und seiner extremen Verletzlichkeit. Ich liebe das Geräusch, das seine weißen Repetto-Schuhe beim Gehen machen. Ich liebe es, dass er nie Socken trägt, auch wenn es draußen kalt ist. Ich liebe seine Besessenheit vom Kino, vom Zeichnen und Malen. Ich liebe es, dass er wütend wird, weil er in diesen Sprachen nicht dieselbe Kunstfertigkeit erreichen kann wie in seiner Musik. GAINSBOURG ist weder ein historiografischer noch ein anekdotenhafter Film. Nein, dieser Film strebt an, einen modernen Mythos nachzuerzählen, denn die Figur Gainsbourg ist radikal modern. Kein Buch oder Film hat sich jemals eingehend mit seinen heldenhaften Eigenschaften beschäftigt. Es gibt niemanden, der christusgleicher, jüdischer oder russischer ist als Gainsbourg. Ich kenne Gainsbourgs „wirkliches Leben“ in- und auswendig, aber ich möchte keinen „realistischen“ oder „journalistischen“ Film machen. Ich möchte etwas erschaffen, das eher an ein russisches Märchen erinnert, eine moderne Legende. Diejenigen, die meine Comics kennen, „Die Katze des Rabbiners“ (Le Chat du Rabbin), „Pascin“ oder „Klezmer“, werden in meinem Gainsbourg alle meine üblichen Obsessionen und Manien wiederfinden: Liebe als ein Allheilmittel, die Tragödie und Absurdität des slawischen Dichters, allgegenwärtige Ironie und übernatürliche Geschöpfe, die unmittelbar einem Chagall-Gemälde entsprungen sein könnten. Dieser Film ist voller Lügen, weil ich Lügen liebe. Das ist die Art, wie ich an so ein Werk herangehe: mit Lügen, stets mit Lügen. Ich mache vorher immer gründliche Recherchen und vergesse anschließend absichtlich die Hälfte wieder. Dann nehme ich meine Hauptfigur und mache einen legendären Helden daraus. Es gibt trashige, poppige und sexbesessene Darstellungen von Gainsbourg. Mein Gainsbourg wird russisch sein, ein Held wie aus einem Werk von Isaac Babel oder Gogol oder Dostojewski. Ich möchte auch, dass dieser Film ein ausländisches Publikum anspricht, das Gainsbourg vielleicht noch nicht so gut kennt. Die Zuschauer sollen nicht nur ein außergewöhnliches Schicksal sehen, dass ihnen in diesem Film vorgeführt wird, sondern sie sollen Gainsbourg als einen modernen Archetyp vor sich sehen. Ich finde, dass Gainsbourg heldenhafter ist als Superman, in dem Sinne, wie die Griechen es verstanden, denn ein Held ist jemand, der leidet und dem übel mitgespielt wird, der aber trotzdem brennende Kohlen in den bloßen Händen hält. Ein

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echter Held ist einer, der seinem Publikum glühend heiße, geschmolzene Lava darbringt, wie Prometheus es getan hat. Ich bin mir der großen Last, die ich auf den Schultern trage, durchaus bewusst, aber ich liebe es, Lasten zu tragen, die zu schwer sind, als dass man sie auf sich nehmen könnte.

Joann Sfar

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GAINSBOURG – ENTSTEHUNG EINES MÄRCHENS Joann erträumt sich eine Begegnung mit Gainsbourg Die untergehende Sonne über dem Kap von Nizza, eine Zunge aus Felsen zwischen Himmel und Meer, Azur und Kobalt. Ein Junge, der den Wellen dabei zusieht, wie sie zu seinen Füßen auslaufen. Schwarze Augen, schwarze Haare, ein rundes Gesicht. Er heißt Joann Sfar. (Vielleicht ist das nicht sein richtiger Name. Was spielt das schon für eine Rolle.) Ein Phantom zieht vorbei, zufällig und zerzaust. Serge Gainsbourg, damals schon. „In den Schallplatten und Zeitschriften meiner Mutter war Gainsbourg allgegenwärtig. Ich bin umgeben von diesen Dingen aufgewachsen.“ Ein Vater, der früher Pianist war. Zarte Klaviermusik, zarte Blumen, die rasch verblühen. Die Mutter, eine Sängerin, ist zu früh gestorben. So wächst Joann auf: zwischen abgebrochenen Akkorden, Vinyl, dem Fehlen der Abwesenden und den Auftritten des betrunkenen Gainsbourg im Fernsehen. Die Jahre ziehen dahin („My Lady Héroïne“, „Aux Armes et Cætera“, „Lemon Incest“, „Sorry Angel“ als Untermalung). Sfar erschafft sich eine Welt aus Tinte, berauscht von weiblichen Formen, trunken von Gainsbourg. „Als Jugendlicher habe ich mir alles von Gainsbourg besorgt und es mir beim Zeichnen angehört. Mir gefiel die Vorstellung, dass er Maler werden wollte, damit aber keinen Erfolg hatte, dass er Frankreich gegenüber auf der Suche nach Liebe und Legitimität war, genau wie ich mit meiner halb-russischen, halb-algerischen Familie.“ Er studiert Philosophie. Liest „Das heroische Leben von Evgenij Sokolov“ (1980, erschienen 2010 auf Deutsch im Blumenbar Verlag), den Roman von Gainsbourg mit Schwefel- und Terpentingeruch. Joann ist ganz berauscht von den ganzen Winden und Fürzen in diesem Buch und macht daraus einen Comic. Später, so plant er, wird er nach Paris gehen und ihn Serge überreichen, bitte sehr, das wird alles ganz einfach. Aber. Joann verpasst die Begegnung mit Gainsbourg „Ich kam drei Monate nach Gainsbourgs Tod in Paris an. Ich fuhr in die Rue de Verneuil, warf meinen Sokolov-Comic in den Briefkasten und ging wieder weg.“ Mit der Zeit vergilben die zerstreuten Blätter in der Vergessenheit eines leeren Hauses. Sechs Jahre ziehen ins Land. Joann liegt der Zeichenstift weiter gut in der Hand. Er findet seinen Weg. Er geht von Sokolov zu Pascin über. Sein Pascin ist ein obszöner bulgarischer Maler, Schürzenjäger und Raufbold, der im Montmartre der 1920er-Jahre in verrauchten Spelunken und miefigen Bordellen verkehrt. „Ich habe mit Pascin das gemacht, was zu machen ich mir im Zusammenhang mit Gainsbourg noch nicht erlaubte.“ Joanns Chance zur Wiederbegegnung mit Gainsbourg Eine Arche aus Glas und Metall. One World Films über die Gegensprechanlage. Drinnen ein Dom aus Licht und zwei marineblaue Sofas. Ein niedriger Tisch mit einer 7 d’Or, einem französischen Fernsehpreis. Das Büro des erfolgreichen Produzenten Marc du Pontavice. (Es gibt dort zwar nicht so etwas Profanes wie einen Wandkalender, der das Datum Freitag, den 30. Juni 2006, anzeigt. Aber dennoch.)

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Der Produzent im weiten cremefarbenen Hemd: „Ich wollte dich kennenlernen, weil ich möchte, dass du einen Film machst; keinen Zeichentrickfilm, sondern einen richtigen Film. Du sollst nicht einen deiner Comics adaptieren, sondern etwas ganz Neues machen. Du bekommst alle Freiheiten, die du haben willst.“ Der Künstler: „Ach so? Aber was gefällt dir denn an meinem künstlerischen Universum? Nur damit ich auch verstehe, was du willst.“ Der Produzent: „Pascin. Ich finde ganz wunderbar, was du mit Pascin machst.“ Der Künstler: „Aber das ist mein pornografischstes, merkwürdigstes, unverkäuflichstes Buch.“ Der Produzent: „Genau. Das interessanteste.“ Der Künstler: „Für mich steckt hinter diesem Pascin Gainsbourg. Ich könnte mir einen Film über Gainsbourg vorstellen.“ Der Produzent: „Einverstanden. Aber du musst eine ziemlich originelle Perspektive finden, wenn du einen Film über ihn machen willst.“ Der Künstler, ein in seinen Erinnerungen versunkener Junge aus Nizza: „Es sind nicht Gainsbourgs Wahrheiten, die mich interessieren, sondern seine Lügen.“ Der Produzent: „Das gefällt mir. Die Familie von Gainsbourg wird es wahrscheinlich niemals akzeptieren, aber leg mal los, schreib mir was. Wir schicken es dann an die Kinder und an Jane.“ Erste Entwürfe in Joanns Atelier Rue d’Avron, das Atelier von Joann Sfar. Die Boheme im 20. Jahrhundert. Die Wände haben über die Jahre gelitten, ein altersschwaches Sofa und ein von Stiften, Schreibfedern und Pinseln übersäter Schreibtisch. In einem Notizbuch skizziert Sfar seinen Gainsbourg mit Strichen, gesäumt von Sätzen, gehetzt von Wörtern. Er erzählt darin die Geschichte eines Dichters, der beschließt, Frankreich zu erobern, indem er sich der französischen Sprache bemächtigt; eine Eroberung, die einen bitteren Beigeschmack hat, wenn sie gelingt. „Wenn das Ganze nicht den ungestümen Schwung eines russischen Romans hat, ist es verfehlt“, schreibt Sfar. In seiner Vorstellung gibt es echte Schauspieler darin, einige Zeichentrickfilmpassagen und vielleicht auch ein paar Marionetten. Sein Notizbuch gleicht einem mit Anisschnaps und Feuerzeug flambiertem Gemälde, vollgesogen mit fantastischen Visionen, die nach Theke und Rauch riechen. Gogol pur. Die Kinder von Serge sind begeistert. Marc du Pontavice jubelt in seinem Lichtdom: „Das Fabelartige, die Zärtlichkeit, der Respekt, das gefiel ihnen. Anfangs wollte Joann, dass Charlotte die Rolle von Gainsbourg spielt, doch nach ein paar Monaten lehnte sie das Angebot ab. Fast das ganze Jahr 2007 über arbeitete Joann an dem Skript. Er schrieb elf Fassungen. Die erste, ohne Bilder, war 164 Seiten lang. Es waren Kürzungen notwendig. (Einwurf von Joann Sfar aus dem Off:) „Ich kann nicht kürzen, das ist die Hölle, ich habe meine Frau darum gebeten.“ Zur Musik des Films Die Melodie von „La Javanaise“ schwebt im Raum, zerbrechlich und durchscheinend wie Glas. Die Konsolen, das Sofa, die Mikros und die mit karminrotem Samt drapierten Wände liegen in einem orangefarbenen Dämmerlicht. Joann Sfar sitzt da, seine Augen flackern. Sein Freund Mathias Malzieu, der Sänger von Dionysos, hat ihm den Arrangeur Olivier Daviaud empfohlen, diesen unerschrockenen Fuchs, der mit großen Schritten im Aufnahmestudio hin und her geht. Draußen pulsiert die Avenue Ledru-Rollin in der neongestreiften Nacht. Joann erzählt von Gainsbourgs

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Einflüssen, von seiner „omnipräsenten“, wie er betont, Gespaltenheit zwischen dem Rhythmus der Schwarzen und der russischen Musik. Er möchte, beziehungsweise er träumt davon, dass der Soundtrack bei allen Musikgenres wildert – bei der Gitarrenmusik, dem Swing, der traditionellen jüdischen Musik, der Rockmusik, dem Reggae, der klassischen Musik. Wie Gainsbourg, aber nicht genauso. Olivier nickt zustimmend, nicht genauso, einverstanden. Er kratzt sich heftig am Kopf. Gibt einen Eindruck von der ersten Version der „Javanaise“ im Film. Er hört ein zunächst noch zaghaftes Klavier, dann emphatische Noten, als „Die Fresse“ spielt, eine schwach rieselnde Stimme, gefolgt von aufbrausender Musik, die die Leinwand überwältigt. „Die Schauspieler werden ihre Lieder selbst singen. Du wirst sie alle begleiten und die Lieder mit ihnen einspielen müssen“, erwidert der Geschichtenerzähler. Merkzettel von Joann Sfar Nicht vergessen: – Drehorte für die Außenaufnahmen ausfindig machen (ungefähr 40). – Die Rechte für „Parce que“ von Aznavour einholen, für „Je bois“ von Vian und für „J’ai rendez-vous avec vous“ von Brassens. – Die Leute von DDT Efectos Especiales wegen des Alter Egos („Die Fresse“), der Juden-Karikatur, der Prothesen für Gainsbourg und der Maske treffen. – Nathalie Dupuy, die von Matthew Gledhill vorgeschlagene Repetitorin, aufsuchen. – Die Zahl der Drehtage in den Studios von Épinay für die Sequenzen in der Stadtvilla, der Mansarde, dem Flur in der Cité des Arts, der Wohnung in der Rue Chaptal schätzen. – Mit Pascaline Chavanne Kostüme entwerfen (dabei im Hinterkopf haben: französische Eleganz). – Szeneneinteilung machen mit Guillaume Schiffman (Kamera), Yann Cuinet (Erster Assistent) und Isabel Ribis (Skriptgirl). – Gemälde und Zeichnungen anfertigen, die Gainsbourg zugeschrieben werden, den Entwurf für das Plakat mit dem Juden und Frankreich. – Christophe Blain, Mathieu Sapin, Emmanuel Guibert und Edmond Baudoin bitten, ein Porträt von Ophelia zu zeichnen für die Szene in der Kunsthochschule. – DAS CASTING!!!! Zum Casting Das Café de la Paix am Opernplatz, eines Morgens im Januar 2008: Rokokosäulen reichen bis zur goldgetäfelten Decke; rote Polsterbänke werden von Lampenschirmen überragt, die den Gästen Heiligenscheine aufsetzen wie der Jungfrau Maria; steife Kellner in Schürzen mit Werbeaufdruck. Das ist das Reich von Joann Sfar. Hier trifft er die, die sein Abenteuer mit ihm bestreiten werden. Ihm gegenüber sitzt ein langes Elend mit zerzausten Haaren namens Éric Elmosnino. Joann: „Kennst du Gainsbourg?“ Éric: „Äh, nicht so wirklich, ich bin kein Fan von ihm, er ist mir ziemlich egal.“ Joann lächelt, insgeheim begeistert: „Bist du denn damit einverstanden, das Drehbuch zu lesen und Probeaufnahmen zu machen?“ Es gab andere Schauspieler vor Elmosnino. Stars, die Gainsbourg in sich aufgesogen hätten. Sfar will keine Stars, keine Kopien, sondern Verwandtschaften, Naheliegendes. Wie Philippe Katerine, der Boris Vian spielen soll, den Dichter der Flasche; wie Laetitia Casta für die Bardot, den Inbegriff der Sinnlichkeit; wie Mylène Jampanoï für die Göttin der Pariser Nächte, extrem wie der Orient. Und wie Éric

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Elmosnino. „Es gefiel mir, dass Éric Gainsbourg nicht kannte, denn das bedeutete, dass er sich von der Figur nicht erdrücken lassen würde. Und von der ersten Probe an begeisterten mich seine Entspanntheit und sein Humor.“ Jane Birkin ließ auf sich warten. 400 Babydolls zwischen Frankreich und England wurden begutachtet, bevor die Wahl auf Lucy Gordon fiel, die Schauspielerin mit Beinen bis zu den Sternen und einem Sixties-Puppengesicht. Éric Elmosninos Annäherung an Gainsbourg Éric Elmosnino hört von seinem Sofa aus die lauten, drängenden Sirenen des Krankenwagens. Nichts Dringliches. Er tut nichts. „Das ist meine Methode: Ich arbeite nicht, aber ich denke darüber nach. Ich sauge ich weiß nicht was in mich auf, meine Fantasie geht spazieren. Doch manchmal packt mich auch die Angst und ich sage mir: Das geht nicht, ich mache ja gar nichts! Die DVDs mit den Aufnahmen von Gainsbourg, die man mir gegeben hatte, habe ich lange Zeit einfach liegen gelassen. Aber eines Morgens habe ich sie mir dann angesehen.“ Und er sieht: Gainsbourg, der in einer Kneipe der 1960er-Jahre eine Show abzieht. Den betrunkenen Gainsbarre, der zweifelt und zerbricht. „Ich habe mir seine Hände ein wenig angesehen, aber ich wollte ihn wirklich sehen, nicht ihn analysieren. Das kann ich nicht. Ich nähere mich ihm an und verarbeite meine Eindrücke, und wenn ich spiele, kommt all das wieder zum Vorschein.“ Man hat ihm gesagt: „Du musst zehn Kilo abnehmen.“ Also trinkt er keinen Alkohol mehr. Und hüllt sich in blaue Nikotinschwaden, er, der mit dem Rauchen aufgehört hatte. Man sagt ihm auch, dass er Klavier, Gitarre und Mandoline spielen und singen muss. Daraufhin lacht er: „Also so was, ihr seid wohl verrückt, Jungs, ich kann nicht singen, ich verstehe nichts von Musik!“ Und so findet er sich im Studio des Variétés wieder und singt den Refrain des „Poinçonneur des Lilas“ mit Nathalie Dupuy. Wie durch ein Wunder hat er ein musikalisches Ohr und die richtige Stimme. (Einwurf aus dem Off von Marc du Pontavice:) „Er hat vom Juni 2008 an ein viermonatiges musikalisches Coaching bekommen. Es ist ergreifend zu sehen, wie ein Schauspieler seine Stimme entdeckt. Er war unglaublich.“ Er macht Aufnahmen mit Olivier Daviaud, führt sich auf wie ein Rockstar, macht die Nächte durch, brennt seine Stimme herunter wie einen Zigarettenstummel. „Aber ich habe auch viele Momente der Mutlosigkeit erlebt, ich sah all das vor mir, was ich zu tun hatte, und sagte mir, dass ich es nie schaffen würde.“ Er absolviert Kostümproben, Perückenproben, probiert die Nasen- und Ohrenprothesen aus. Nicht schlecht, gar nicht schlecht für einen, der gar nichts macht. Die Dreharbeiten – Fakten und Impressionen „Das Budget betrug am Ende mehr als 16 Millionen Euro, eine sehr beträchtliche Summe für einen Erstlingsfilm“, kommentiert Produzent Didier Lupfer. „Aber das Drehbuch von Joann hat es unseren ersten Geschäftspartnern sehr schnell angetan, und am Ende waren es Studio 37, Canal+, Universal, France 2 Cinéma, Orange und die Region Île-de-France, die sich uns angeschlossen haben. Und in diesem Moment ist Joanns Traum wahr geworden.“ Laut Drehplan des ersten Tages betrug die Temperatur an diesem Dienstag, dem 20. Januar 2009, sechs Grad. Es ist der Tag der ersten Male. Erster Schritt am Drehort, erstes Scharfstellen, erste Symptome. „Am ersten Tag habe ich mich an mein Notizbuch geklammert, das war mein Spickzettel. Dank dieses Büchleins hatte ich während der siebzig Drehtage nie Angst.“ Der argentinische Teil des internationalen

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Studentenwohnheims wird in ein Krankenhauszimmer umgestaltet, das amerikanische Krankenhaus, in dem Gainsbourg sich von einem Herzinfarkt erholt. Éric Elmosnino spielt den Sterbenden, Lucy Gordon beschimpft ihn und „Die Fresse“, steckt ihm Kippen in den Mund. Handwerklich ziemlich gut. Selbstvertrauen, no comment. Fragile Nächte, weiße Spitze, eine Dame wie aus Goldpapier, ein Kuss auf Zehenspitzen. „Es war bewegend, die Komplizenschaft zwischen Lucy und Éric in der Szene des ersten Kusses zu sehen“, sagt Joann Sfar. „Wir hatten 200 Kilo Beleuchtung auf Notre-Dame gerichtet.“ Provence-Tage, Rosmarin und Nebel für einen Nosferatu aus Latex. „‚Die Fresse‘ musste rauchen, viel und andauernd“, erklärt Doug Jones, „da ich von Zigaretten krank werde, haben sie mir Kräuterzigaretten gegeben, die nach Barbecue rochen.“ Glühende Tage, nackte weibliche Rundungen, die hinter einem schneeweißen Laken tanzen. „Laetitia arbeitete für sich in ihrer Ecke“, erinnert sich Marc du Pontavice, „wir hatten ihr ein paar Choreografien vorgeschlagen, die sie jedoch alle verwarf. Wir wussten nicht, was sie machen würde, was ein bisschen beängstigend war. Als sie dann kam, war sie supergut vorbereitet, und wir sind einfach dahingeschmolzen. Es war großartig.“ Es mussten auch einige schwierige Entscheidungen getroffen werden, erinnert sich Produzent Didier Lupfer: Wie sollte man beispielsweise Jamaika in den Norden Frankreichs versetzen? Jamaika-Tage aus Pappe, Rastafari und Reggae im Sand, für eine Marseillaise im April. „Das war schon witzig, Kingston in Berck in Nordfrankreich zu drehen, obwohl es kalt war“, räumt Éric Elmosnino ein. „Die haben Telefonmaste wie Orgelpfeifen aufgestellt und ein Techniker hat die Palmen in den Töpfen hin und her gefahren, damit sie immer im Blickfeld der Kamera waren.“ Schwarze Schmetterlinge am Morgen, eine zerbrochene Puppe, das Spiel ist verloren, arme Lucy. „Ihr Tod hat mich sehr getroffen“, gesteht Joann. „Ich habe begriffen, dass ich Monate mit Lucy verbracht hatte und nichts über ihr Intimleben wusste, dass ich ihr nicht so nahegestanden habe, dass sie mich anruft, wenn es ihr dreckig geht.“ Kerosin im Blut, ausgelassene Abende. „Chabrol hatte mir geraten, mit dem Team zu feiern. Also habe ich in der Mitte der Dreharbeiten eine Party gemacht, in einer russischen Bar im XV. Arrondissement, die von alten Freunden von Gainsbourg geführt wird; sie haben uns mit Wodka abgefüllt“, erinnert sich Sfar lachend, „irgendwann bin ich rausgegangen und hab mich auf den Bürgersteig gesetzt und gewartet, dass mein Haus vorbeikommt.“ Das Haus ist vorbeigelaufen, die Dreharbeiten sind zu Ende. In Le Touquet nimmt der Rolls-Royce von Gainsbourg am 25. April 2009 seine letzte Kurve zwischen Azur und Kobalt, Himmel und Meer. Von den Schauspielern ist nur noch Éric Elmosnino übrig. „Wir standen ziemlich blöd da, wir umarmten uns und weinten. Ich habe echte Freunde gefunden. Ich habe geweint, als Doug seine letzte Szene in der Rue de Verneuil hatte. Und er hat unter seiner Maske ebenfalls geweint. Das war weit mehr als nur die Geschichte eines Films.“

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HALB GAINSBOURG, HALB SFAR ... Éric Elmosnino im Gespräch mit Bertrand Dicale Wie sind Sie zu Sfars Gainsbourg geworden? Joann hatte zuerst Charlotte Gainsbourg die Rolle ihres Vaters angeboten. Als er sich dann entschloss, sie einem Mann anzuvertrauen, traf er sich mit mehr oder weniger bekannten Darstellern. Stéphane Batut, der sich um das Casting kümmerte und mich aus dem Theater kannte, erzählte ihm von mir. Wir lernten uns zu einem Zeitpunkt kennen, als er noch unter dem Eindruck von Charlottes Absage stand. Er erzählte mir von seinem Film, wir haben Proben gemacht, und er hat mich genommen. Wie war denn damals Ihr Wissensstand in der Gainsbourgologie? Der ging gegen null. Ich kannte oberflächlich den Gainsbourg der 1980er-Jahre, einiges von dem Blödsinn, den er im Fernsehen gemacht hat, aber von seinem Werk kannte ich nur sehr wenig. Meine Eltern standen mehr auf „Le Grand Échiquier“, eine beliebte Fernsehsendung dieser Zeit, in der Musiker wie Georges Brassens und Raymond Devos auftraten. Kein einziger meiner Freunde war ein Fan von Gainsbourg, und ich habe „Histoire de Melody Nelson“ erst vor einem Jahr entdeckt. Hat Joann Sfar Ihnen von Anfang an gesagt, dass sein Film ein Märchen ist und kein konventionelles Biopic? Diese Dimension ist in den Gesprächen erst gegen Ende aufgetaucht. Als Joann mir sein Drehbuch zu lesen gab, sagte er nicht, dass es sich um ein Märchen handele, sondern um ein Biopic nach seiner Façon. Beim Lesen erkennt man noch nicht so gut, was in visueller Hinsicht daraus werden wird. Das Drehbuch folgt einem konventionelleren Raster: die Kindheit, die Jugend, das reife Alter, das Ende ... Viele Dinge erscheinen nicht in der Art eines Märchens. Es geht natürlich auch nicht, aus Gainsbourg einen großen Blonden zu machen; wir streben Glaubwürdigkeit an und sogar Realismus, was das Aussehen angeht, die Kostüme und die Dekors. Das ist nicht „I’m not there“, der Film von Todd Haynes über Bob Dylan. Auf jeden Fall hat die Tatsache, dass man diesen Film als Märchen oder als eine Phantasmagorie bezeichnet, nichts an meiner Arbeit geändert. Waren Sie sich denn der Tatsache bewusst, was für ein Mythos Gainsbourg ist, wenn Sie ihn nicht kannten? Der Bedeutung, die er für die zeitgenössische Kultur hat? Seiner Aura als Künstlerideal? Wenn man spielt, eliminiert man natürlich alles, was der Sache schaden könnte, genauso wie der Körper Giftstoffe eliminiert. Das soll nicht heißen, dass all das nicht existiert, aber dass es die Arbeit behindert. Man muss es von Anfang an wegschieben, weil es die Dinge sonst unmöglich macht. Genauso ist es auch, wenn man Don Juan auf der Bühne spielt. Ich habe mich also nicht generell mit Gainsbourg beschäftigt, sondern mit dem Gainsbourg von Sfar. Ich musste versuchen zu verstehen, wie dieser funktioniert. Ich habe dieses „Oh mein Gott, das ist ein Film, der sehr viel Aufmerksamkeit bekommen wird!“ ausgeblendet, andernfalls hätte ich zu viel Angst gehabt. Ein Schauspieler muss eine gute Portion Unwissen und Ehrgeiz besitzen. Vor der Kamera muss man sich sagen: „Hier spiele ich, ich ganz allein.“ Man darf sich nicht dafür entschuldigen, dass man spielt, sogar

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wenn man Gainsbourg spielt. Das war mein Problem, als ich mit dem Singen anfing: Jedes Mal, wenn ich anfing, einen Chanson zu singen, habe ich mich entschuldigt. Wie haben Sie sich der Figur angenähert? Ich habe die Biografie von Gilles Verlant gelesen, ein wenig in die DVDs reingeschaut, in die Interviews von Gainsbourg mit Denise Glaser, und ich habe mir die Bilder aus den 1960er-Jahren angesehen, wo man ihn mit der Kippe im Mund über die Straße laufen, in ein Café hineingehen und was trinken sieht. Aber mehr nicht. Ich musste vielmehr eine Verbindung zu dem finden, was Joann über ihn und mit ihm erzählen wollte, und dann etwas aus uns allen dreien zusammenweben, Gainsbourg, Joann und mir. Der Gesang war sozusagen die Eintrittstür, die es mir erlaubt hat, mich ihm zu nähern. Weil Joann wollte, dass seine Darsteller die Chansons des Films selbst singen, musste ich Gesangsunterricht nehmen. Abgesehen von der großen Portion Unwissenheit war es gerade die Tatsache, dass ich kein Gainsbourg-Fan war, die mir sehr geholfen hat. Andernfalls hätte ich mich das alles, glaube ich, gar nicht getraut. Heute gelingt es mir, die große Kunst von Gainsbourg zu erkennen, seine Präzision, die Schönheit seiner Art des Vortrags, und ich finde das alles beeindruckend. Damals war es mir nicht bewusst. Ich habe mir einfach gesagt: „Nimm Gesangsstunden und dann sehen wir, wo das hinführt.“ Wie bringt man die Nachahmung und die Freiheit des Schauspielers in Einklang, wenn man eine reale Figur spielt? Das Wichtige ist, sich innerhalb der bestehenden Zwänge einen Teil von sich, einen Teil Echtheit zu bewahren. Der Zwang ergibt sich daraus, dass jeder Gainsbourg kennt, jeder weiß, wie er gesprochen hat, jeder seine Gestik kennt. All dem muss man Rechnung tragen. Aber da mir klar war, dass es mein Tod sein würde, wenn ich einmal damit anfange, habe ich mich damit gar nicht groß abgegeben. Wenn es Sfar einzig und allein um die Ähnlichkeit gegangen wäre, hätte er einen Imitator genommen, keinen Schauspieler. In der Szene in dem Nachtlokal, in der Gainsbourg mit einem Typen konfrontiert wird, der ihn nachahmt, hatte ich so ein seltsames Gefühl: Ich war in der Rolle und hatte einen Typen vor mir, der ihm absolut nicht ähnlich sah und ihn trotzdem besser darstellte als ich! Das war schon eigenartig. Die äußere Ähnlichkeit konnten wir künstlich herstellen – den Mund, die Nase, die Ohren, den Haarschnitt ... Aber ich habe auch andere kleine Dinge von Gainsbourg hinzugefügt – dandyhaften Kram, die Art, jemanden schief anzusehen, Gesten. Das habe ich aber erst am Ende der Vorbereitung gemacht. Man hat mir nach den Dreharbeiten erzählt, Joann und das Team seien eine ganze Zeit lang besorgt gewesen, weil ich nichts von diesen Dingen zeigte, weil ich Éric Elmosnino im Kostüm und in der Maske von Serge Gainsbourg blieb. Sie sagten sich: „Aber das ist doch nicht Gainsbourg!“ Bestimmte Gebärden habe ich beispielsweise erst während des Drehs hinzugefügt. Ihre Hände und Ihr Gesang geben perfekt die einmalige Arrhythmie von Serge Gainsbourg wieder. Da ich keine besondere musikalische Bildung habe, hatte ich gar nicht gemerkt, dass Gainsbourg nie im Takt war, sondern immer zu schnell oder zu langsam. Er hatte auch eine ganz besondere Art, mit den Wörtern umzugehen. Die Sprache seiner Hände ist interessant, aber auch sein Kleidungsstil. Die Kostümbildner haben mich darauf hingewiesen, dass Gainsbourgs Ärmel immer ein wenig zu kurz waren, wenn

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man die Fotos und Fernsehbilder genau betrachtet, wie um den Eindruck zu erwecken, dass seine Hände sehr lang sind, und um seine Gesten zu betonen. Sie waren während des gesamten Films besonders gestylt. War die Zeit in der Maske ermüdend? Für die Gainsbarre-Zeit ja. Wir brauchten vier oder viereinhalb Stunden, um für den Dreh fertig zu sein. Am Ende des Tages hatte ich dann noch mal anderthalb Stunden damit zu tun, alle kleinen Teile wieder abzunehmen, wenn die anderen schon was trinken gegangen waren. Glücklicherweise sind die Spanier von DDT, die sich um die Maske kümmerten, Genies. Ich hatte den Eindruck, in den Händen von Chirurgen zu sein. Ist es schwer, Gainsbourg zu singen? Ein Glücksfall: Ich verstand zwar nichts davon, aber ich singe richtig. Glücklicherweise musste ich nicht mehrere Monate lang mit einem Coach arbeiten, um auf dem Niveau eines Pavarotti oder einer Piaf singen zu lernen, was absolut unvorstellbar gewesen wäre! Da Gainsbourg im Gesang weniger auffällig ist, hält man ihn auch für leichter erreichbar. Aber es ist erschreckend, wenn man monatelang an den Chansons arbeitet und dann wieder Gainsbourg hört. Es ist zum Heulen, da liegen Lichtjahre dazwischen. Das ist wie bei den Theaterstücken von Samuel Beckett. Man sagt sich, dass man diese Art zu schreiben nachmachen kann, indem man Sätze mit wenigen Wörtern bildet. Aber was zählt ist, eine solche Reduktion und Präzision zu erreichen, dass man gar nicht anders kann, als Sätze mit wenigen Wörtern zu schreiben. Der Gesangsstil von Gainsbourg ist mit seiner Nonchalance und seiner Distanziertheit extrem schwer zu reproduzieren. Was bin ich hinter Gainsbourg hergelaufen, um zu versuchen, ihn einzuholen! Welches Chanson war denn das schwierigste? An „Les Amours perdues“ habe ich viel gearbeitet. Das ist ein sehr schwieriges Lied, das wir am Ende dann gar nicht genommen haben. „La Javanaise“ hat mir ebenfalls Probleme bereitet, vielleicht weil es eins der meistgehörten ist. Seltsamerweise haben mir die Chansons aus der letzten Schaffensperiode von Gainsbourg weniger Schwierigkeiten bereitet, vielleicht, weil ich mich mit meinen fünfundvierzig Jahren einem Typen von fünfzig Jahren näher fühle als einem Sänger von dreißig. Wie benimmt Joann Sfar sich bei den Dreharbeiten? Unerträglich! Er macht die ganze Zeit Blödsinn, redet laut, erzählt Witze, die nicht lustig sind. Aber auf diese Weise lockert er die Dinge auf, profanisiert sie. Er spielt den zurückgebliebenen Jugendlichen, der herumgrölt: „Das ist super, Leute, wir machen Kino!“ Aber dieser Enthusiasmus erlaubt es ihm, das zu erreichen, was er will. Man hatte den Eindruck, in einem Ferienlager zu arbeiten, das war perfekt. Das wäre nie gelungen mit einem Regisseur, der uns jeden Tag daran erinnert hätte, wie wichtig das ist, was wir gerade tun, und wie viel dabei auf dem Spiel steht. Wie führt Sfar seine Darsteller? Er weiß, was er nicht will, aber er weiß noch nicht, wie er seinen Schauspielern dabei helfen kann, dass sie ihm das geben, was er sehen möchte. Was normal ist, denn das ist ja sein erster Film. Er ist kein Schauspielerregisseur. Wenn er will, dass eine Figur etwas Bestimmtes tut, nimmt er für gewöhnlich seinen Stift und zeichnet es!

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Hat er das bei Ihnen auch so gemacht? Ja, es kam vor, dass er das, was er wollte, gezeichnet hat und ich seine Intention sofort besser verstanden habe. Bei den Dreharbeiten waren Joann und ich uns extrem nah und extrem fern zugleich. Wir hatten unterschiedliche Aufgaben. Und da er sehr intelligent ist, hat er mich sehr schnell in Ruhe gelassen, damit ich mich auf das konzentriere, was ich zu tun hatte. Eine schöne Begegnung? Zwischen uns gab es die ganze Zeit echte Zuneigung und gegenseitigen Respekt für die Arbeit, die der andere leistete. Ich kenne mich nicht mit Comics aus, und er wusste nicht, was Schauspieler sind und wie sie funktionieren. Werden Sie wieder mit ihm arbeiten? Er hat mir ein ganz besonderes Geschenk gemacht. Jetzt mache ich alles, worum er mich bittet.

Quelle: Casemate, Hors-Série Ciné, Gainsbourg.

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LAETITIA CASTA, DIE BARDOT VON SFAR Kurvig, blond, ein Fahrgestell wie ein Ferrari, Laetitia Casta erweckt die Legende Bardot zu neuem Leben. Sie ist unglaublich schön im Film von Joann Sfar. Und doch war sie von ihrer Leistung anfangs nicht überzeugt. Zu Beginn hat sie nicht daran geglaubt und auch die Franzosen hatten ihre Bedenken: die heißblütigste unserer Schauspielerinnen in den Overknee-Stiefeln der Kultfigur aus den 1960ern inmitten eines Wahnsinn-Casts … Es war unheimlich und hätte in einem totalen Desaster enden können. Aber dann hat Laetitia Casta Bardot angerufen, die ihr von ihren fröhlichen Sechzigern erzählt hat, von ihrer schönen Romanze mit Gainsbourg und vom Anfang der Paparazzis. Für die dreißigjährige Casta war es eine Geschichtsstunde, es waren aber auch Geschichten einer Frau, einer Schauspielerin, eines Sexsymbols. Diese Geschichten haben Laetitia Casta von ihren Zweifeln befreit und das Schauspielfeuer in ihr entfacht. Und am Ende wurde alles gut, nach nur vier Drehtagen saß es: der katzenartige Gang, das Wasserstoffblond, in dem man fast einen Hauch von Guerlain zu riechen glaubt, die ruckartigen Bewegungen, bei denen man nicht so recht weiß, ob es die einer arglosen Schülerin oder einer peitschenschwingenden Domina sind. ICH HABE SERGE WAHNSINNIG GELIEBT Brigitte Bardot im Gespräch mit Henry-Jean Servat Die Ikone der Sixties, die in Joann Sfars Film von Laetitia Casta gespielt wird, erzählt von ihrer großen Leidenschaft für den Mann mit dem Kohlkopf. „Wir haben eine sehr reine und sehr romantische Liebe erlebt – eine Liebe, wie man sie sich einmal in seinem Leben erträumt. Vierzig Jahre sind vergangen, unsere Geschichte bleibt aber ein überwältigender Moment der Leidenschaft. Serge war ein zurückhaltender und keuscher junger Mann, wirklich sehr keusch, an den ich mich unheimlich gerne erinnere. Es gibt nichts, was mich mehr aufregt als diese Unwahrheiten, die über ihn erzählt werden. Er hatte nichts, aber wirklich gar nichts von einem Perversling oder einem Gestörten. Er liebte einfach das Schöne und zog auch das Schöne an. Ich habe ihn geliebt, er hat mich geliebt, wahnsinnig geliebt. In Saint-Tropez – trotz des schlechten Wetters, der den Horizont verwischt, und des starken Windes, der in die Bucht der Canoubiers hineinbläst – lässt Brigitte Bardots Warmherzigkeit die Erinnerung an den Serge Gainsbourg, den sie geliebt hat, wieder aufleben – nicht, weil sie danach gefragt worden wäre, und auch nicht, weil sie sich nach der Vergangenheit zurücksehnen würde. Joann Sfars Film hat sie nicht gesehen. Sie erinnert sich daran, wie die süße, reizende Laetitia Casta sie an einem Abend vor ein paar Monaten bei sich zu Hause in La Madrague anrief, weit bevor sie zugestimmt hat, die Rolle der B. B. zu spielen. „Wir haben lange miteinander geredet. Gestern habe ich die ersten Bilder des Filmes im Fernsehen gesehen. Das hat mich amüsiert. Ich mag sie gern, und ich finde, dass sie mich am allerbesten verkörpert.“

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Die B. B. lacht, als sie hört, dass sie im Film in ihrer ersten Szene mit einem entschlossenen Gang und einem afghanischen Windspiel an der Leine porträtiert wird. „Zu keiner Zeit besaß ich einen solchen Hund.“ Die Legende besagt, dass das erste Treffen zwischen Gainsbourg und ihr in einem Restaurant stattgefunden habe, wo ihre Hände einander unter dem Tisch zaghaft berührten. Die Schauspielerin erzählt aber, dass Gainsbourg sie angerufen habe, während sie sich auf die TV-Show für Silvester 1968 vorbereitete. Relativ wortkarg und sehr leise sagte er ihr, „er wolle mich persönlich kennenlernen und mir ein paar Lieder, die er komponiert habe, vorspielen. Er hat mich gefragt, ob ich ein Klavier in meiner Wohnung in der Avenue Paul Doumer habe. Dort hatte ich einen Pleyel, der sich jetzt in meinem Haus in Bazoches befindet. Serge ist zu mir gekommen und wir waren beide sehr eingeschüchtert. Fast sprachlos. Er hat dann ‚Harley Davidson‘ gespielt, eine komische Idee eigentlich, denn ich bin noch nie Motorrad gefahren. Ich traute mich nicht, vor ihm zu singen. Ich blieb stehen, die Kehle wie zugeschnürt. Man musste die Stimmung auflockern. Er hat mich gefragt, ob ich Champagner da hätte. Wir haben zuerst ein bisschen, dann sogar sehr viel davon getrunken, und so konnte ich beginnen, den Song mit Sinnlichkeit und Frechheit zu spielen. Am Tag danach ließ er mir eine Kiste von seinem Lieblingschampagner zukommen und kam zu meiner Probe – immer und immer wieder. Es passierte erst einige Tage später, nachdem wir ‚Harley Davidson‘ aufgenommen hatten, dass unsere Hände sich berührt haben und auch kein anderer mehr für mich von Bedeutung war. Ich war damals mit Gunter Sachs – meinem Scheinehemann – verheiratet. Ich wollte aber einem Mann mit Leib und Seele gehören, den ich bewundern würde und der auch für mich da wäre. Serge war für mich da und ich bewunderte ihn wahnsinnig. Den Rest der Geschichte kennt jeder.“ Brigitte Bardot erzählt, dass am Tag der Aufnahme von „Je t’aime … moi non plus“ jeder sein eigenes Mikrofon hatte und dass die beiden einen Meter voneinander entfernt standen. „Wir hielten Händchen, während wir die Worte und die Geräusche eines Paares beim Sex nachgeahmt haben. Ich glaube, dass die flüchtige Berührung unserer Finger dabei einer der erotischsten Momente war, die ich je erlebt habe.“ Bardot stellt noch mal klar, dass sie nie die Ginsburg-Eltern kennengelernt hat. „Es gab große Teile seines Lebens, die er mir nicht gezeigt hat. Ich habe neulich erst entdeckt, dass Serge Maler war und dass er Kinder aus einer früheren Ehe hatte.“ Sachs drohte, einen Skandal daraus zu machen, sollte Gainsbourg den Song „Je t’aime … moi non plus“ herausbringen. Bardot erinnert sich daran, wie Gainsbourg in letzter Minute billigte, den Song von der Platte zu nehmen und die Aufnahme stattdessen in einen Safe einzuschließen. Kurz danach verabschiedete sich Gainsbourg von Brigitte, bevor diese nach Almeria zum Dreh von „Shalako“ (einem Western mit Sean Connery) fuhr. Gainsbourg steckte Tausende auf Notenblätter gekritzelte Liebesnotizen in ihr Gepäck. „Er wollte mich in Spanien treffen, mein Ehemann war aber dort. Unsere reibungslose leise Trennung wurde dann endgültig.“ Als Abschiedsgeschenk komponierte Gainsbourg das Lied „Initiales B. B.“, „das ist eine sehnsüchtige Hymne an das Bild einer über alles beliebten Göttin, das ich in den Augen dieses außergewöhnlichen Künstlers verkörperte.“

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WIR WOLLTEN MÄRCHENHAFTES UND REALES VERMISCHEN Interview mit Guillaume Schiffman – Kamera Wie haben Sie mit Joann Sfar die Art der Inszenierung des Films festgelegt? Ohne etwas Konkretes zu beschreiben, einfach indem wir über vier Monate hinweg über alles und nichts geredet haben. Aber diese scheinbar unverfänglichen Gespräche haben es uns erlaubt, unsere Gemeinsamkeiten zu entdecken und Vertrauen zueinander zu fassen. Wir sprachen über uns, über das, was wir mögen und was wir für den Film wollen. Wir gingen von der Idee aus, dass wir ein Märchen erzählen, in dem es Kunstfiguren gibt, in dem Gefühlsdinge eine wichtige Rolle spielen und das eine alles andere als lineare Struktur hat. Wir wollten den Geist einer bestimmten Zeit transportieren, ohne uns zwanghaft darauf zu beziehen, und wir wollten, dass der Film total in einer Realität verankert ist, die Ausflüge ins Fantastische erlaubt. Danach ist dann alles instinktiv passiert, aus dem Moment heraus, in dem Wissen, dass wir sehr ähnlich empfinden. Von dem Moment an, in dem Joann spürt, dass er einen kreativen Menschen neben sich hat, lässt er ihn gewähren, selbst wenn er Vorschläge macht, die ihm zunächst nicht gefallen. Und er sagt seine Meinung, wenn er sich Muster ansieht. Am Drehort sagte ich zu ihm: „Willst du dieses Waisenhaus grau haben oder eher sonnenbeschienen? Befürchtest du nicht, dass wir die Traurigkeit dieses Ortes zu sehr betonen, wenn er grau ist?“ Und er antwortete: „Ja, tauche ihn in helles Sonnenlicht.“ Bei der Szene am Strand mit Jane und Gainsbourg musste ich zum Beispiel an Godards berühmten Film „Elf Uhr nachts“ (Pierrot le Fou, 1965) denken. Also beschlossen wir, diese Szene in der Art von „Elf Uhr nachts“ zu drehen. Das traf sich gut, es war dieselbe Zeit, und da die Szene total surrealistisch ist, passte es absolut. An einem anderen Tag entdeckten wir, dass wir beide total auf Schatten stehen, also beschlossen wir, große Schatten einzubauen. So funktionierte das zwischen uns, es war sehr komisch und sehr angenehm. Sie gehen an die Darstellung von Frauen ganz ähnlich heran wie Joann in seinen Comics ... In dem Punkt waren Joann und ich uns vollkommen einig. Wir lieben beide gleichermaßen die Sinnlichkeit des weiblichen Körpers, die Haut von Frauen. Das ist etwas zugleich sehr Intellektuelles und sehr Gefühlsmäßiges. Hier ging es ja zudem darum, Legenden ins Bild zu setzen, die schönsten Frauen der Welt. Wir wollten, dass sie beides sind, ins Erhabene gesteigert und Wesen aus Fleisch und Blut, aber jede auf ihre Art, unter Berücksichtigung ihrer Persönlichkeit und des Bildes, das sie von sich vermittelt. Man filmt die Bardot nicht so, wie man Jane filmt. Als Joann mir sagte, ich solle Laetitia Casta wie eine goldene Brioche aussehen lassen, die frisch aus dem Ofen kommt und in die man am liebsten reinbeißen würde, war mir sofort völlig klar, welches Bild ihm vorschwebte. In welchem Maße waren Sie den Bildern treu? Es gibt Dinge, von denen man sich nicht freimachen kann. Ich wollte, dass die Bardot schön ist, wenn sie nackt auf diesem Bett liegt, aber nicht auf die Weise schön, wie sie es in der Realität war. Ich glaube, dass die Leute in diesem Moment ein starkes Bild brauchen. Normalerweise mag ich so etwas im Kino überhaupt nicht. Abgesehen

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davon, dass der Film ein Märchen ist, gibt es Dinge, die aus dem Reich der Mythen stammen, und die nackte Bardot mit Gainsbourg, der zwei Schritte von ihr entfernt komponiert, gehört in das Reich des Mythos. Das hat es so sicherlich nicht gegeben. Sie stand natürlich nicht in so einem Licht, schön und golden. Und sie hat ganz bestimmt nicht dort geschlafen. Aber in diesem Moment ist das wie ein Gemälde, ein eingefrorener Augenblick. Es soll ein Bild sein, das bleibt und das einem suggeriert, dass dieses Chanson so entstanden sein könnte. Das gleiche Prinzip gilt für die Szene, in der Gainsbourg und Jane Birkin sich zum ersten Mal küssen. Die Kathedrale Notre-Dame sollte wie ein Windbeutel aussehen, golden schimmern in der Nacht, irreal wirken, und die Uferstraße sollte an das Paris der alten amerikanischen Musicals erinnern. Das war ihr erster Kuss, und dieses Bild sollte einprägsam sein wie ein magischer Augenblick. Und die Szene mit Juliette Gréco? Wie haben Sie die konzipiert? Die Gréco ist ein noch größerer Mythos als die Bardot, weil man nicht weiß, wer sie ist; sie ist stets von einer geheimnisvollen Aura umgeben. Sie ist Belphégor. („Belphégor oder das Geheimnis des Louvre“ ist eine vierteilige französische Fernsehserie aus dem Jahre 1965. In Deutschland ist die Produktion als 13-teilige Serie zu je 25 Minuten erstmals 1967 im Vorabendprogramm der ARD gelaufen. Sowohl in Frankreich als auch in Deutschland war die Fernsehserie ein Straßenfeger. Einer ihrer begeisterten Anhänger war der damalige französische Staatspräsident Charles de Gaulle.) Weil es nur eine Szene mit Juliette Gréco gab, wollte Joann für die Wohnung der Gréco etwas sehr Starkes haben. Also haben wir überall Rot verwendet und schwarze Tapeten, um eine mysteriöse Atmosphäre zu schaffen, wie in einem Traum. Es gibt nichts Realistisches in dieser Sequenz. Die Art, wie Anna Mouglalis die Gréco spielt, ist vollkommen zeitlos. Und dazu kommt dann Éric, der eine Mischung aus Buster Keaton und Gainsbourg gibt, und die Kunstfigur („Die Fresse“), die Klavier spielt und mit der Gréco tanzt ... Das ist der einzige Moment, in dem ich mir gesagt habe: „Seien wir nicht realistisch, das bringt nichts, dazu ist diese Szene zu stark. Aber schön soll es sein, lasst uns diese Szene in ein warmes Licht tauchen.“ Wie haben Sie die Unschuld von Jane Birkin vermittelt? Für mich ist sie eine weiße Engländerin, jemand, der in strahlend weißem Licht gebadet wurde. Aber es ist ein Weiß mit der ganzen Schönheit des Weißen, mit der ganzen Zartheit, die weißes Licht in ein solches Gesicht zaubern kann. Und Gainsbourg taucht mit ihr plötzlich aus dem Schatten auf, steht in einem helleren Licht. Jetzt kann ich das alles sagen, aber bei den Dreharbeiten habe ich es mir gar nicht so klargemacht. Und wie haben Sie Gainsbourg gefilmt? Wenn es um einen Mann geht, versetzt man sich an die Stelle der Frauen; man versucht zu verstehen, warum sie ihn lieben, was an ihm sie verführt hat, was sie berührt hat. Indem man über diese Dinge nachdenkt, indem man diesen Mann betrachtet, versteht man es und liebt ihn schließlich auch. Und entsprechend weiß man dann auch, wie man ihn filmen muss. Aber der Darsteller trägt in diesem Fall viel dazu bei. Als ich erfuhr, dass Éric Elmosnino Gainsbourg verkörpern würde, wusste ich, dass all das kein Problem werden würde; ich bewundere ihn seit fünfzehn Jahren als Theaterschauspieler; es war also schon klar, dass ich ihn sehr mag. Ich wusste, dass ich ihn zu einem gutaussehenden, liebenswerten Mann machen kann. Gainsbourg war nicht gutaussehend, er war zu dünn, zu blass, zu schmächtig, aber

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er hatte trotzdem eine große Schönheit in sich. Éric ist es gelungen, das aufzuspüren und sichtbar zu machen. Ich habe gar nicht viel dazu beigetragen, dass er ebenso gut zur Geltung kommt wie die Frauen, die ihn begleiten, denn von ihm ging so viel Ausstrahlung aus, dass ich nichts weiter tun musste, als ihn zu filmen. Welche Zwänge haben Sie sich auferlegt? Um eine gewisse Irrealität herzustellen und die Märchenatmosphäre zu betonen, haben wir zusammen mit dem Ausstatter beschlossen, Kulissen mit niedrigen Decken zu bauen. Wir mussten Räume erfinden, die keine echten Räume waren. Wir wollten die Decke im Bild haben und die Kulissen nicht endlos umbauen müssen, weil das Zeit kostet, aber gleichzeitig hat das die Inszenierung verkompliziert. Meine schwierigste Aufgabe war es, dafür zu sorgen, dass das Bild die emotionale Wirkung des Films nicht erdrückt. Wir wollten ein schönes Bild, wir wollten Märchenhaftes und Reales vermischen, aber nicht auf Kosten der Geschichte. Zu Beginn ist die Machart des Films recht klassisch. Warum haben Sie sich entschlossen, die Kamera von den 1960er-Jahren an auf die Schulter zu nehmen? Das entspricht der Zeit: Die 1960er-Jahre sind bewegter als die vorangegangenen Jahre. Das ist die Zeit der Bardot, des Yé-yé, wir nähern uns der sexuellen Revolution. Es ist die Zeit, in der Gainsbourg sich befreit, denn er ist anfangs sehr klassisch und steht unter einer Art Joch, er ist noch auf der Suche nach sich selbst, macht nicht wirklich das, was er machen möchte. Und wir sagten uns, dass wir Gainsbourg in dem Moment, in dem er sich entspannt, in Bewegung versetzen müssen. In den 1960er-Jahren macht er erstmals, was er will, also hatten wir den Anspruch, mittels der Kamera an seinem Leben teilzunehmen.

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JEDER GEGENSTAND, JEDE FARBE STEHT FÜR EINE BESTIMMTE ZEIT Interview mit Christian Marti – Ausstattung Welche Vorgaben hatten Sie von Joann Sfar bezüglich der Ausstattung? Anfangs nichts Genaues. Als Anhaltspunkt hat er mir zunächst russische Gemälde gegeben sowie Filme wie „Nosferatu“ von Murnau, „Kinder des Olymp“ von Carné und „Amarcord“ von Fellini. Ich habe mir dann meinerseits expressionistische Filme angesehen, mir „Rebecca“ von Hitchcock noch mal vorgenommen und mich von Préverts Collagen inspirieren lassen, vor allem aber von Gainsbourgs Chansontexten. In der ersten Zeit waren wir auf der Suche nach einer Art Rückgrat für den Film, nach einem generellen Konzept, das auf alle Dekors angewendet werden konnte. Wir trafen uns und diskutierten und schließlich waren wir uns einig, was die Stimmung anging: Joann wollte einen schlichten, ziemlich monochromen Film. Anschließend arbeitete ich mit Christian Gambiasi, dem Chefbühnenmaler zusammen, um die gleichen Farbpaletten zu schaffen wie in den Gemälden, die wir ausgewählt hatten. Joann zeichnete Storyboards von den Ansichten, die er sich wünschte, und ich sorgte dafür, dass er seine Zeichnungen in den Dekors wiederfand. Er hat Guillaume Schiffman, dem Kameramann, und mir gegenüber immer wieder betont, wie sehr er uns wegen seiner fehlenden Kino-Erfahrung vertraue. In welchem Punkt waren Sie besonders wachsam? Der Film sollte keine Rekonstruktion werden; jeder Gegenstand, jede Farbe steht für eine bestimmte Zeit, für einen psychologischen Zustand von Serge Gainsbourg. Meine Aufmerksamkeit bezog sich darauf, nicht ins Anekdotische zu verfallen, in seelenlose Füllsel. Alles, was wir ausgesucht haben, beschreibt Gainsbourgs Universum. Wir sind intime Kenner seiner Welt geworden. Welche der Kulissen ist ein reines Produkt Ihrer Fantasie? Die Mansarde, die als Gainsbourgs Atelier diente. Wir haben sie von A bis Z in den Studios in Épinay-sur-Seine gebaut und erfunden. Diese Kulisse sollte als Schauplatz einer tiefgreifenden Veränderung im Leben Serge Gainsbourgs dienen: Dort beschließt er, die Malerei aufzugeben und alle seine Bilder zu verbrennen. Was nicht der Wirklichkeit entspricht, denn Gainsbourg hat seine Werke nie verbrannt. Joann malte Aquarelle, die wir vergrößerten und auf Leinwände zogen; wir haben jeweils zehn Exemplare davon hergestellt, ebenso wie von den Möbeln und Accessoires, damit wir die Brandszene mehrmals wiederholen konnten. Mit Claude Vincent, dem Chefkonstrukteur, haben wir Proben durchgeführt und Materialien ausgesucht, die den Flammen lange genug widerstehen konnten, um die Sicherheit der Darsteller und des Filmteams zu gewährleisten. Für welche Zeit haben Sie die umfangreichsten Recherchen durchführen müssen? Für die Zeit der ersten Ehe Gainsbourgs. Wir haben viele Nachforschungen angestellt, aber nur wenige Informationen über diese Zeitspanne seines Lebens gefunden. Er hat nicht darüber gesprochen, hat sie in keinem Interview erwähnt, und

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wir hatten nur ein oder zwei Fotos, die über sein bürgerliches Leben dieser Jahre Auskunft gaben. Inwiefern haben Sie sich an historische Details gehalten? Die aufwendigsten Recherchen bezogen sich auf die Musikinstrumente. Jedes einzelne trug einen bestimmten, seiner Machart entsprechenden Klang, und sie sollten jeweils entweder Reichtum oder Armut ausdrücken. Jean-Philippe Reverdot, unser Aufnahmeleiter für die Außenaufnahmen, hat mehrere Monate damit zugebracht, die Musikinstrumente, die im Film auftauchen sollten, Stück für Stück zusammenzusuchen, aber weil das unmöglich war, haben wir sie schließlich anhand von Archivdokumenten nachbauen lassen. Was die anderen Accessoires anging, so wussten wir, dass Gainsbourg bis zur Grenze des Fetischismus pedantisch war. Also haben wir alle Dokumentaraufnahmen, jeden Film und jedes Foto genau studiert, und die Szenenbildnerinnen Isabelle Girard und Françoise Doré haben die Gegenstände dann sorgfältig zusammengesucht. Wenn etwas nicht aufzufinden war, haben wir es neu hergestellt. Was hat Sie zu der Ausstattung von Dalís Zimmer inspiriert? Was dessen Ausstattung angeht, hatten wir nur eine einzige Informationsquelle: einen Bericht von Serge Gainsbourg in einem Interview. Er erwähnte darin Gemälde bedeutender Maler, die nachlässig auf dem Boden herumgelegen hätten, und er sagte, besonders hätte ihn der schwarze Persianer an den Wänden beeindruckt. Dalí war größenwahnsinnig; wir haben uns vorgestellt, dass er in einem seiner Bilder gelebt hat. Also malte Valentina Laroca, unsere Dekorationsmalerin, Bilder im Stile der großen Maler, die Gainsbourg erwähnt hatte, und unser Plastiker, Arnaud Beauté, reproduzierte Gegenstände, die man in den Bildern von Dalí findet. Der Raum wurde dann in der Abtei von Royaumont eingerichtet; wir haben einen Großteil der Wände mit schwarzem Persianer verkleidet, aber die gotischen Pfeiler haben wir freigelassen, weil wir fanden, dass sie die barocke Seite von Dalí ausdrücken. Und wie sind Sie an die Gestaltung von Gainsbourgs Privathaus in der Rue de Verneuil herangegangen? Gainsbourg war nach seinem Besuch bei Dalí so beeindruckt von dessen schwarzen Wänden, dass er dieses Konzept für sein Privathaus übernommen hat. Entsprechend haben wir mit der gleichen Sorgfalt, die er angewandt hätte, eine geeignete schwarze Farbe und Seide von guter Qualität ausgewählt, um dem Schwarz eine Tiefe zu verleihen. Das Schwarz ist ziemlich immateriell, fast unsichtbar, wie eine Schatulle. Es ist die Schatulle, die die Sammlungen von Gainsbourg beherbergt. Wie haben Sie dafür gesorgt, dass bestimmte reich dekorierte Interieurs das Bild nicht ersticken? Man braucht nur sehr wenige Dinge, um eine ganze Ansammlung zu zeigen, der Eindruck von Reichtum entsteht durch die Auswahl der Dinge, durch den Untergrund, auf dem sie liegen, und durch ihre Position im Raum. Und die Auswahl des Bildausschnitts ist natürlich wichtig, doch sie liegt nicht in unserem Aufgabenbereich; es war an Joann und Guillaume, die letzten Entscheidungen zu treffen. Mir gefällt die Arbeit von Guillaume sehr; das Licht, das er gewählt hat, und seine Bildausschnitte haben viel dazu beigetragen, unsere Arbeit zu verschönern.

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Wie haben Sie die verzerrten Perspektiven erreicht? Als wir die Zeichnungen von Joann und seine Comics analysierten, entdeckten wir ziemlich expressionistische Tendenzen in seinem Stil, übertriebene Perspektiven und überdimensionierte Gegenstände. In diesem Sinne haben wir ebenfalls mit falschen architektonischen Linien, verzerrten Perspektiven und übertriebenen oder verkürzten Proportionen gearbeitet. Welche Kulisse ist die am meisten konstruierte beziehungsweise künstlich entworfene? Wir waren mit Überzeugung bei der Sache, nichts erschien uns unmöglich, und Joann hat uns vertraut. So kam es, dass wir, weil wir nicht in Jamaika drehen konnten, Jamaika einfach rekonstruiert haben ... an einem Strand in Nordfrankreich, in Berck.

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DIE FIGUREN SOLLTEN AUF DEN ERSTEN BLICK ZU ERKENNEN SEIN Interview mit Pascaline Chavanne – Kostüme Welcher Stil schwebte Joann Sfar generell für die Kostüme vor? Er wollte alles extrem stilisiert, um die Frauen optimal zur Geltung zu bringen, das war ihm sehr wichtig. Ich habe ihm eine Mappe mit Bildmaterial aus allen Zeitphasen des Films zusammengestellt. Dabei war es schwierig, die unterschiedlichen, von starken Persönlichkeiten geprägten Welten in Bildern darzustellen, ohne in eine historische Rekonstruktion abzugleiten. Diese Mappe enthielt die wahren Protagonisten der Geschichte, aber auch ähnliche Welten aus den Zeiten und den Milieus, die Gainsbourg durchschritten hat. Davon ausgehend habe ich zunächst sehr neutrale Entwürfe angefertigt. Da Joann zeichnet, musste das Ganze auch seine Handschrift tragen, und er hat mir mit Zeichnungen geantwortet. Das war toll, ich habe noch nie so gearbeitet, und es ist einer der Gründe, warum ich dieses Projekt so sehr mag. Es wurde von Beginn an von einer so großen Ideenfülle getragen. Welche Art von Recherchen haben Sie betrieben? Wir sind zum Institut für audiovisuelle Medien gegangen, wir haben alle Bildarchive durchforstet, wir haben uns Modemagazine angesehen, die alten Ausgaben der Vogue. Wir haben auch Quellen benutzt, die in der Biografie von Gilles Verlant über Gainsbourg zitiert werden, wir haben die jüdisch-russische Einwanderungsbewegung nach Frankreich in den 1930er und 1940er Jahren studiert, um die Welt der Eltern neu erstehen lassen zu können ... Und dann haben wir das alles wieder fallen gelassen, denn bei der Anprobe sah Joann, dass Dinara Drukarova, der Darstellerin von Gainsbourgs Mutter Olga, die Kleider aus den 1930er-Jahren überhaupt nicht standen. Da Joann seine Mutter im Alter von drei Jahren verloren hat, wollte er eine Mutter, die nicht altert; er hatte dieses Bild von einer ewig jungen und schönen Mutter im Kopf und wollte diese Vorstellung unbedingt in seine Geschichte und damit auch in die Kostüme einbringen. Allgemeiner gesagt: Er wollte, dass von der Schönheit all dieser Frauen eine Poesie ausgeht, auch wenn das auf Kosten des Realismus geschieht. Die Idee war, die Illusion einer Zeit herzustellen, gefiltert durch die poetische Vision Joanns. Haben Sie echte Kostüme aus der Zeit verwendet? Nein, wir haben alles angefertigt, sogar für die Statisten, und häufig in mehreren Exemplaren. Joann hat die Kleider entworfen, und wir haben sie überarbeitet, die Kostüme angefertigt und sie mit einer Patina versehen, sie älter gemacht, damit sie so wirken, als wären sie bereits getragen worden. Wie haben Sie die Persönlichkeit der ersten Frau von Gainsbourg zum Ausdruck gebracht? Die erste Frau von Gainsbourg musste eine dominante Frau sein; wir haben sie verfeinert, indem wir sie in ein Korsett und in enge Röcke zwängten und ihr Schuhe mit Zwölf-Zentimeter-Absätzen gaben.

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Was war Ihre Grundidee für die Figur der Juliette Gréco? Mit dem Rückendekolletee haben wir Sinnlichkeit erzeugt und einen Überraschungseffekt gesetzt. Wir wollten kein schlichtes schwarzes Kleid im Stil einer Kutte, wie die echte Gréco sie getragen hat; das war zu streng. Joann wollte, dass man die Sinnlichkeit zwischen Gainsbourg und allen seinen Frauen spürt, also mussten wir Haut zeigen. Daher der große Rückenausschnitt des Kleides, der von einem Kettchen zusammengehalten wird. Wie haben Sie sich der Darstellung der Bardot genähert? Joann wollte, dass sie wie eine Katze ist. Und mit Laetitia Casta lag das auch auf der Hand. Wir haben Combi-Shorts für sie entworfen, die wie eine zweite Haut waren. Sie fühlte sich nackt, als sie sie trug. Das war wichtig für sie, denn das Gefühl, nackt zu sein, veränderte alles an ihrem Gang, ihrer Gestik und ihrer Haltung. Es gab eine große Auseinandersetzung über die Länge des Leopardenfellmantels, und am Ende haben wir uns für das sehr kurze Modell entschieden, weil man so von Anfang an die Overknee-Stiefel sieht. Das ist vielleicht nicht das, was die Bardot wirklich getragen hat, bis auf diese Stiefel, aber es entsprach dem Bild, das alle Welt von ihr hat. Und wie waren die Vorgaben in Bezug auf Jane Birkin? Was Jane anging, wollte Joann, dass wir uns so eng wie möglich an die Realität halten, mit der weißen Bluse, der Unterwäsche von Petit Bateau, den Shirts, der Jeans. Joann hat das Kleid aus weißer Spitze entworfen, das Lucy Gordon in ihrer ersten Szene trägt. Es stimmt nicht exakt mit dem überein, das Jane getragen hat, aber es sieht ihm sehr ähnlich. Lucy Gordon hat sehr viele Kostümproben absolviert. Jane Birkin besaß in den 1970er-Jahren eine unglaubliche Ausstrahlung, eine Art inneres Leuchten, das nur ihr vorbehalten war, und Lucy strahlte etwas anderes aus. Die Kleidungsstücke mussten Lucy also das gewisse Etwas verleihen, das Jane gehabt hat. Und was waren Ihre Anhaltspunkte in Bezug auf Bambou? Joann hatte Lust, die Welt zum Ausdruck zu bringen, aus der sie kam: die 1980er-Jahre, die Drogen, die Pariser Nachtklubs, die Nacht. Er sah sie barbusig und mit Rollschuhen vor sich wie in dem Clip. Bambou, das ist ein Symbol der 1980er-Jahre, das ist die kurze Lederjacke, alles sehr synthetisch. Die vielen Figuren in dieser Geschichte sollten auf den ersten Blick zu erkennen sein. Sie werden symbolisiert durch das Repräsentativste, was sie in dieser Zeit getragen haben, aus dem Milieu, in dem sie sich bewegt haben. Wie haben Sie das Kostüm von „Die Fresse“ entworfen? Das ist ein echtes Kostüm, das vom Anfang des Jahrhunderts inspiriert ist. Wir haben es in sechs Exemplaren erstellt. Bei diesem Kostüm haben wir viel rumprobiert, weil es Joann erst nicht so recht gelang, zu formulieren, was ihm vorschwebte. Es gab einige Fehlversuche; wir haben Vorschläge gemacht, aber es gab immer etwas, was nicht richtig war, ohne dass man genau wusste, wieso. Schließlich haben wir begriffen, dass Joann diesen kleinen Vampir aus seinen Comics im Kopf hatte. Es hat eine Weile gedauert, bis wir das verstanden haben. Wie haben Sie Éric Elmosnino in Gainsbourg verwandelt? Éric hat einen ganz anderen Körper als Serge Gainsbourg. Und er verändert sich im Laufe der Jahre nach und nach, also haben wir am Ende des Films ein wenig an den

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Kostümen herumgebastelt und ihm einen ganz kleinen falschen Bauch verpasst. Es ist nicht leicht, einen Schauspieler zu verwandeln, der ebenso viele Zeiten wie Orte durchläuft. Die Zeitunterschiede zeigen sich bei den Kleidungsstücken von Männern in Kleinigkeiten, in unterschiedlich großen Revers, der Höhe, in der die Knöpfe angebracht sind, im Schnitt der Hosen. Wir haben viele Kostümproben mit Éric gemacht. Er war derjenige, der am schwierigsten einzukleiden war. Dieselben Sachen, die Gainsbourg getragen hat, wirkten bei Éric ganz anders. Wir mussten alles umarbeiten, um die Lässigkeit von Gainsbourg zu treffen und so realistisch wie möglich zu bleiben. Ich habe mir die Filme mit Gainsbourg angesehen und viele Archivaufnahmen aus dem Fernsehen, um den Kleidungsstil von Gainsbourg so gut wie möglich zu beachten und die Essenz dessen zum Ausdruck zu bringen, was ihn ausmacht. Alles, was Éric trägt, hat Gainsbourg auch getragen, aber vielleicht nicht unbedingt im selben Moment. Das war Joann nicht so wichtig. Das Wichtigste war, dass beides harmonierte.

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LEITIDEE DES FILMS WAR ES, NICHT ZU IMITIEREN Interview mit David Martí – Spezialeffekte Maske Wo sind Sie bei diesem Film zum Einsatz gekommen? Bei den Figuren, die im Verlauf dieser Geschichte altern, wie den Eltern Gainsbourgs und Gainsbourg selbst. Wir haben die Prothesen von Gainsbourgs Nase und Ohren hergestellt, den Kopf, dieses Gesicht, das halb Kohlkopf, halb „Die Fresse“ ist und das Gainsbourg beim Friseur im Spiegel sieht. Und bei den beiden Kunstfiguren selbst waren wir natürlich im Einsatz, bei der dreidimensionalen Karikatur eines Juden, die einem antisemitischen Plakat entsteigt, und bei „Die Fresse“, dem Alter Ego von Gainsbourg. Welche Wünsche hat Joann Sfar geäußert? Er wollte, dass alles, was er sich vorgestellt hatte, mithilfe von Maske und Marionetten umgesetzt wurde, denn er lehnte es ab, auf digitale Effekte zurückzugreifen. Er wollte zwar Hightech, aber Hightech zum Anfassen. Wie viele Regisseure, die ihren ersten Film machen, hatte Joann Ideen, die vollkommen aberwitzig waren. In der Regel kann man so etwas nicht umsetzen. Aber bei Joann habe ich gelernt, dass nichts unmöglich ist. Allerdings musste er seine Träume an die ökonomischen Gegebenheiten des Films anpassen. Zum Beispiel war „Die Fresse“ zuerst zwei Meter fünfzig groß und extrem dünn. Ich habe ihm erklärt, dass man Drahtseile benötigen würde, um die Figur zu handhaben, und dass man diese Drahtseile dann in der Postproduktion mühsam wieder würde entfernen müssen; das hätte aber unser Budget gesprengt. Ich habe ihm daher vorgeschlagen, eine kleinere Figur zu entwerfen, in der sich ein Schauspieler verbergen kann. Ich hatte mit Doug Jones in „Pans Labyrinth“ zusammengearbeitet und wusste, dass er perfekt war für „Die Fresse“. Joann ließ sich von meinen Argumenten überzeugen. Wie haben Sie „Die Fresse“ genau hergestellt? Gestützt auf die Maße von Doug Jones haben wir die Haut aus Latexschaum hergestellt, das ist ein sehr leichtes Material; der Kopf ist wie ein Helm und innen drin mit kleinen Motoren ausgestattet, die von Chris Clarke entwickelt wurden, um die Augen und die Augenbrauen bewegen zu können. Wir haben jedem Finger von Doug ein Gelenk hinzugefügt und dieses neue Fingerglied mit einem Mechanismus versehen, damit er die Fingerspitzen bewegen konnte. Dann haben wir seine Hände mit einer Art Handschuh aus Latexschaum überzogen. Und jeden Tag haben wir ihm Lippen und einen Hals angeklebt, damit er sprechen und den Kopf drehen konnte. Doug konnte nur durch die Nasenlöcher von „Die Fresse“ etwas sehen, das heißt, er konnte eigentlich gar nichts sehen, und er musste durch den Mund atmen. Es hat jeden Tag fünf Stunden gedauert, bis wir ihn in diese Figur verwandelt hatten. Jeder andere wäre unter diesen Bedingungen verrückt geworden, aber nicht so Doug. Er hat eine unglaubliche Gelassenheit. Er hat sich niemals beklagt, und er ist ein überaus reizender Mensch. Wie sind Sie bei der Karikatur vorgegangen, die von der Wand hüpft? Anfangs wollte Joann auch hier ein Ding von gigantischen Ausmaßen haben, aber das hätte Mittel erfordert, die wir bei DDT Efectos Especiales nicht haben. Also haben wir die Figur auf zwei Meter reduziert, was ja auch schon beachtlich ist. Das Problem war, dass wir keinen Ofen hatten, der groß genug war, um sie zu brennen,

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aber wir mussten die Figur im Ofen brennen, damit das Material fest wurde. Deshalb haben wir uns an das Atelier 69 gewandt, Franzosen, die auf Spezialeffekte spezialisiert sind; die haben uns dann ihren Ofen geliehen. Und wir haben meine Geschäftspartnerin Montse Ribé, die ausgesprochen klein ist, gebeten, die Figur zu spielen. Und? Alles gut gegangen? Es gab keinen Unfall, aber es war schwierig für sie: Sie musste fünfzig Kilo tragen, zwei falsche Beine zusätzlich zu ihren eigenen bewegen und gehen, laufen und tanzen, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Sie hat sich wunderbar geschlagen, bis zu dem Tag, an dem wir am Montmartre waren. Joann wollte, dass sie eine sehr steile Straße herunterrennt. Das zwang uns dazu, die Figur mit Drahtseilen zu versehen, um zu vermeiden, dass sie die Straße runterkullert. Andernfalls wäre das Gewicht nach vorn gekippt, und weder Montse noch sonst jemand hätte sie dann aufhalten können. Schließlich sind wir auf eine flache Straße ausgewichen. Außerdem ist Montse mit knapper Not davongekommen, denn in einer anderen Version des Drehbuchs musste die Figur mit dem kleinen Gainsbourg zusammen vom Boden abheben, durch die Luft fliegen und in einem Baum explodieren. Joann hat diese Idee jedoch mit Rücksicht auf das Budget verworfen. Wenn ein Regisseur ein unbegrenztes Budget hat, dreht er durch, und das macht den Film nicht unbedingt besser. Die finanziellen Zwänge verpflichten einen dazu, auf die Fantasie zurückzugreifen, und wenn es etwas gibt, woran es Joann nicht mangelt, dann ist es Fantasie! Wie ist es Ihnen gelungen, einen solchen Grad an Realismus in der Darstellung von Gainsbourg zu erreichen? Zuallererst mal haben wir mit Joann darüber diskutiert. Er hatte sich einen Gainsbourg à la Dick Tracy vorgestellt, sehr kantig, mit einer übertriebenen Nase und stark abstehenden Ohren. Eine Art menschliche Kopie von „Die Fresse“. Wir haben ihm erklärt, dass das dem Spiel des Darstellers schaden würde, dass die Figur an Glaubwürdigkeit verlieren und die Zuschauer so mehr Schwierigkeiten haben würden, Zuneigung zu ihm zu fassen. Das Gute an Joann ist, dass er hört, was man ihm sagt; dann setzt er sich hin und zeichnet und überdenkt seine erste Idee noch mal. Schließlich haben wir uns für leichte Prothesen auf Nase und Ohren entschieden, die aus Éric keine Karikatur von Gainsbourg machten. Wir wollten das Wesen, den Geist von Gainsbourg bewahren und nicht unbedingt eine regelrechte Kopie herstellen. Das war die Leitidee des Films: nicht zu imitieren, nicht die Realität nachzuahmen, sondern die Grundzüge wiederzugeben. Und was Gainsbarre angeht? Selbst bei dem gealterten Gainsbourg haben wir Latexmasken vermieden, damit Éric Emotionen ausdrücken konnte, ohne in seiner Mimik und seinen Dialogen behindert zu sein. Wir haben entschieden, ihm weder das Gesicht noch den Körper zu vergrößern, obwohl Gainsbourg in seinen letzten Jahren weniger hager war; es erschien uns nicht notwendig, da etwas hinzuzufügen. Wir haben ihm einfach eine Perücke aufgesetzt, die Falten und das Grau des Teints betont und ein bisschen Silikon auf die Oberlider gegeben. Ich sage „einfach“, aber trotzdem haben wir dafür zwischen drei und vier Stunden in der Maske gebraucht, zusammen mit dem Anbringen der Prothesen. Éric kam um vier Uhr morgens an, um rechtzeitig fertig zu sein. Das war nicht einfach für ihn, denn er war an so etwas nicht gewöhnt, im Gegensatz zu Doug. Aber er war extrem geduldig.

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„DIE FRESSE“ UND GAINSBOURG VERHALTEN SICH ZUEINANDER WIE DR. JEKYLL UND MR. HYDE Interview mit Doug Jones – „Die Fresse“ Was wussten Sie vor den Dreharbeiten über Serge Gainsbourg? Ich war in den 1970er-Jahren noch ein Jugendlicher; der Name Serge Gainsbourg war mir aber trotzdem vertraut, als man mich das erste Mal auf den Film ansprach. In den Vereinigten Staaten war Gainsbourg ebenfalls bekannt, aber nicht so populär wie in Europa. Ein Radiomoderator sagte bei einem Interview zu mir, ich müsse mir unbedingt auf YouTube eine Sendung ansehen, in der Gainsbourg mit Whitney Houston zu sehen sei. Was dazu führte, dass das Erste, was ich von Gainsbourg sah, diese Talkshow war, in der er grässliche Dinge zu einer berühmten Sängerin sagte. Ein Teil von mir war schockiert, aber der andere Teil hatte Lust herauszufinden, was ihn dazu geführt hat, sich in einer Talkshow der 1980er-Jahre so aufzuführen. Obwohl betrunken, war er noch eloquent. Ich fand ihn faszinierend. Anschließend habe ich bei der Sichtung von Dokumentaraufnahmen dann einen jungen, ruhigen und coolen Gainsbourg entdeckt. Es gibt sicherlich verführerischere Männer als ihn, aber er strahlte ein immenses Selbstvertrauen aus und hatte eine so geniale poetische und musikalische Begabung, dass ich schließlich nachvollziehen konnte, warum sich die schönsten Frauen der Welt in ihn verliebt haben. Wie haben Sie sich der „Fresse“ genähert? Als ich in Paris ankam, um Joann Sfar kennenzulernen und das Kostüm und die Maske dieser Figur zu probieren, überreichte mir der Chauffeur, der am Flughafen auf mich gewartet hatte, eine Nachricht von Joann, der eine Comiczeichnung von „Die Fresse“ und vier DVDs beilagen. In dem Brief schlug Joann mir vor, mir Dokumentaraufnahmen von Serge Gainsbourg anzusehen, um seine Gestik, seine Ticks, seinen Gang, seine Haltung, seinen Stil ganz allgemein zu studieren. Er wollte, dass ich eine übertriebene Version von ihm darstellte; die Figur sollte den Aspekt von Gainsbourgs Persönlichkeit spiegeln, der die Entscheidungen motiviert, die er im Verlauf seines Lebens trifft. Als ich Joann kennenlernte, hat er mir die Storyboards gezeigt, die er für den Film angefertigt hatte. Ich mochte schon den künstlerischen Stil seiner Comics auf Anhieb sehr. Und das Alter Ego, das er sich für Gainsbourg ausgedacht hatte, hatte auch etwas Cartoonistisches. Indem er den Kopf und die Hände überzeichnete, betonte er, dass Gainsbourg schon zu seinen Lebzeiten eine Seite hatte, die größer war als das Leben. Das war eine fantastische Arbeitsgrundlage für mich. Wie haben Sie sich die Existenz dieser Kunstfigur erklärt? Für mich verhalten sich „Die Fresse“ und Gainsbourg zueinander wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Aber was mir am meisten geholfen hat, war, „Die Fresse“ als eine Art Überspitzung von Gainsbourgs Persönlichkeit zu sehen, diese Persönlichkeit, die wir alle haben und die uns manchmal zu Extremen treibt. Sie repräsentierte die extreme Kreativität Gainsbourgs, seine extreme Sicht der Dinge, seine extremen Wutausbrüche, seine Kindheitsfantasien. Ich habe all die Facetten gespielt, die Gainsbourg berühmt gemacht haben, aber alles, um sein Verständnis von Moral zu unterlaufen oder zu verfälschen. Wir neigen alle dazu, diese Facetten in uns zu bekämpfen, und so habe ich es auch mit Éric gespielt. Ich war seine Muse, aber

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auch alles, was er an sich selbst nicht ausstehen konnte. Wir haben dieselbe von Hassliebe geprägte Beziehung, die jeder von uns zu sich selbst hat. Wie haben Sie sich an die Ausstattung von „Die Fresse“ gewöhnt? Nach dieser Probe in Paris bin ich nach Los Angeles zurückgekehrt, um die Dokumentaraufnahmen zu studieren und zu üben, mit einer abgemilderten Maskenversion der „Fresse“ zu spielen. Ich musste mich daran gewöhnen, diesen Kopf mit der großen Nase und den großen Ohren zu tragen, und lernen, Emotionen ausdrücken, ohne den Kopf zu sehr zu heben, um die Nasenlöcher nicht zu zeigen. Dabei musste ich die ganze Zeit die Neigungswinkel beachten, die während unserer Probe am besten funktioniert hatten. Zwei Wochen vor Beginn der Dreharbeiten bin ich nach Paris zurückgekehrt, um zu trainieren, mit den Verlängerungen an den Fingern ein Musikinstrument zu spielen. Es war echt schwer, mit so unglaublich langen Fingern Klavier oder Gitarre zu spielen, aber mir standen zum Glück exzellente Musiker zur Seite, die meine Fehler im Timing oder der Position korrigierten. Glücklicherweise hatte ich als Kind Klavierspielen gelernt und war vorübergehend mal Sänger gewesen, sodass ich wenigstens ein Gefühl für den Rhythmus hatte. Und ich habe meine Freizeit dazu genutzt, mit diesen riesigen, spitz zulaufenden Schuhen in der Umgebung meines Hotels herumzulaufen, um einen sicheren und graziösen Gang hinzubekommen. Wie haben Sie die Mechanismen innerhalb der Maske in den Griff bekommen? Der einzige motorisierte Teil des Kostüms befand sich in den Augen. Sie mussten sich bewegen, zwinkern, leuchten und über die Augenbrauen und die Lider eine ganze Palette von Gefühlen ausdrücken. Das Team von DDT hat diesen Mechanismus per Fernsteuerung bedient, aus dem Off. Wir haben extra Proben abgehalten, um meine Dialoge und diese mimischen Dinge in Einklang zu bringen. Haben Sie denn Französisch gelernt? Ja! Ich musste Éric Elmosnino Antworten geben. Ich konnte kein Wort Französisch und hatte eine Riesenangst. Ich wusste, dass mein englischer Akzent niemals französisch genug klingen würde, aber es war wichtig, dass ich gut genug artikulierte, damit es hinterher keine Probleme mit der Lippensynchronisation gab. Man hat mir Anne-Sophie Gledhill als Coach zur Seite gestellt und mir eine Übersetzung meiner Dialoge ins Englische gegeben, damit ich den Sinn verstehe, dann habe ich mir meine Repliken in Lautschrift aufgeschrieben. Schließlich haben wir jede einzelne Szene mit Anne-Sophie geprobt, bis ich die Sätze korrekt aussprechen konnte. Das größte Kompliment hat mir Joann gemacht: Er hat mir erzählt, dass er den Stil meiner Phrasierung in der Synchronisation beibehalten will, weil sie der „Fresse“ den einzigartigen Ton verleihen würde, den er gesucht hätte. Welche Herausforderungen mussten Sie außer Französisch zu lernen noch bestehen? Oh, zahlreiche. Ich hatte ein sehr eingeschränktes Gesichtsfeld, konnte nur durch die Nasenlöcher sehen, hatte aber gleichzeitig immer ein Accessoire in den Händen. Ich musste die Gegenstände mit den Fingerverlängerungen festhalten, was bedeutete, dass ich sie nicht spürte. Ich musste Markierungen auf dem Boden beachten, die ich gar nicht sehen konnte. Ich musste mir meine Bewegungen während der Wiederholungen genau einprägen, um zu vermeiden, während der Aufnahmen gegen Möbelstücke oder auf einen Schauspieler zu prallen. Von den Dialogen der Kollegen und den Anweisungen von Guillaume und Joann habe ich so gut wie

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überhaupt nichts verstanden, weil die Augenmotoren im Kopf der „Fresse“ vibrierten. Bis der Toningenieur mir einen Knopf ins Ohr gesetzt hat, über den ich die Anweisungen von Joann und die Dialoge dann hören konnte. Ich hatte Gleichgewichtsprobleme, weil ich nichts sah und diese Schuhe mit riesigen Absätzen trug. Und ich habe täglich fünf Stunden in der Maske verbracht. Aber das ist mein Job, das gehört zu den Dingen, mit denen man umzugehen lernt, wenn man so ein künstliches Wesen verkörpert.

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AB DER ERSTEN PROBE MIT ÉRIC WUSSTEN WIR, DASS WIR GERETTET WAREN Interview mit Olivier Daviaud – Komponist Wie sind Sie an die Musik zu diesem Film herangegangen? Mit Demut, weil es das erste Mal war, dass ich einen Soundtrack komponierte, weil es um Gainsbourg ging und weil ich ganz in Joanns Poesie eintauchen musste. Er wollte nicht, dass man sich von Serge entfernt, während man ihn neu erfindet. Aber es gibt mehr als sechzig musikalische Momente in diesem Film, was mir Spielraum ließ. Ich habe mir die Chansons von Gainsbourg neu angeeignet und für die zusätzlichen Musiken Kompositionen geschaffen, in die ich Elemente des musikalischen Universums von Gainsbourg eingeflochten habe. War das Gewicht der Ikone Gainsbourg nicht erdrückend? Wie haben Sie sich davon befreit? Indem ich die Dinge auf meine Art machte, indem ich versuchte, eine gewisse Universalität zu finden, und vor allem, indem ich mich in den Dienst von Joanns Drehbuch stellte. Wir befinden uns in einem Märchen, also war es nicht notwendig, dass ich versuchte, einen Soundtrack für Musiker oder die Fans von Gainsbourg zu machen; vielmehr musste ich eine Musik schreiben, die diese Geschichte begleitet. Das ist eine Herausforderung, und das Ergebnis wird sicher nicht allen gefallen. Welcher Einflüsse haben Sie sich bedient? In „Initials B. B.“ hat Gainsbourg den ersten Satz von Dvořáks Sinfonie „Aus der neuen Welt“ benutzt; folglich habe ich für die Szene des Bruchs zwischen Gainsbourg und B. B. den Anfang dieser Sinfonie angespielt, bevor ich zu „Initials B. B.“ überleitete. Das ist ein kleines Augenzwinkern in Richtung der Kenner und es passte emotional zur Szene. Gainsbourg war stark von klassischen Musikern wie Beethoven, Brahms oder Chopin beeinflusst. Also gibt es in dem Film ein Präludium von Chopin, die dritte Sinfonie von Brahms, an der Gainsbourg sich für „Baby alone in Babylone“ bedient hat, und ein Stück von Beethoven, das „Marilou“ inspirierte. Welche Chansons bleiben den Originalen am treusten? „Je t’aime ... moi non plus“. Wir haben die Version von Gainsbourg benutzt. Mit „Valse de Melody“ ist das eins der wenigen Originalstücke des Films. Doch ich habe den Klang mit Streichern verstärkt; wir sind nach Sofia gefahren, um ein Orchester mit Streichinstrumenten aufzunehmen, und wir haben die Akkorde nachgespielt. Warum haben Sie Dionysos, Emily Loizeau und Nosfell für die Neubearbeitung einiger Chansons ausgewählt? Für „Nazi Rock“ suchte ich eine Gruppe, die Rock ’n’ Roll machen und ein gewisses Unbehagen hervorrufen kann. Dafür war Dionysos wie geschaffen. Für „Love on the Beat“ brauchte ich eine menschliche Beatbox, Geräuschkulissen, Schreie, Miauen, Geräusche, die in ihrer Gewalttätigkeit noch viel weiter gehen, als Bambou es gemacht hat. Nosfell erfüllte all diese Kriterien. Was „Aux Armes et Cætera“ betrifft, habe ich K2R Riddim angefragt, die für mich die beste Reggae-Rhythmusgruppe in Frankreich sind. Und Tyrone Downie, der Keyboarder von Bob Marley, hat mich begleitet, um dem Stück den richtigen Reggaeklang zu geben, ohne die Version von Gainsbourg nachzuahmen. Für „Qui es ‚in‘, qui est ‚out‘“ habe ich mich an Emily

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Loizeau und Jeanne Cherhal gewandt. Wir wollten etwas Verrücktes, Witziges, den Eindruck von grölenden Jugendlichen erwecken, aber mit den Stimmen von erprobten Sängerinnen. Die Musiker der Gruppe Zone libre kamen bei „L’Hôtel particulier“ zum Einsatz, weil wir echten, harten Rock wollten, um die Gewalt der Szene mit dem Herzanfall zu betonen. Gonzales spielte zwei Drittel der Klavierstücke von Gainsbourg. Er hat einen einzigartigen Anschlag, und wir brauchten für diese musikalischen Partien einen echten Könner. Die Hände, die man beim Klavierspielen im Bild sieht, sind allerdings meine. Was haben Sie von den Darstellern erwartet? Dass sie es schaffen, so zu singen, als wäre es ganz normal für sie. Wir wollten nicht, dass sie zu den Originalplatten Playback singen, und auch nicht, dass sie von einem Sänger oder Imitator gedoubelt werden. Wir wollten, dass alles echt und natürlich ist. Aber der Knackpunkt war selbstverständlich Éric Elmosnino. So wie er sich Gainsbourg nähern musste, ohne ihn zu imitieren, musste er auch wie Gainsbourg singen, ohne ihn nachzuäffen. Glücklicherweise ist Éric ein hervorragender Sänger, was er gar nicht wusste, bevor er Unterricht bekam. Ab der ersten Probe mit Éric wussten wir, dass wir gerettet waren. Wir hatten zwar einen Plan B für den Fall, dass er nicht hätte singen können, was ja immer passieren kann, aber das wäre dann nicht der gleiche Film geworden. Wir ließen ihn an fünf Chansons arbeiten und hörten uns nach sechs Wochen die Ergebnisse an. Er war nicht unbedingt sehr nah an Gainsbourg dran, aber er hatte eine starke emotionale Wirkung; es rieselt ein wohliger Schauer durch einen, wenn man seine Stimme hört. Allen anderen Darstellern, Laetitia Casta, Sara Forestier, Anna Mouglalis, Lucy Gordon, Philippe Duquesne, Yolande Moreau und dem kleinen Kacey, der den jungen Gainsbourg spielt, ist es gelungen, diese Wahrhaftigkeit zu treffen, die dafür sorgt, dass man sich keinerlei Fragen stellt, wenn man ihnen zusieht. Wie haben Sie sich an die stimmlichen Fähigkeiten der Darsteller angepasst? Das war sehr leicht, denn sie waren alle begabt. Für Philippe Duquesne, der „Antoine le Casseur“ singt, ein unveröffentlichtes Chanson von Gainsbourg, musste ich die Tonlage verändern, weil er eine tiefere Stimme hatte als gedacht. Bei Anna Mouglalis habe ich einen kleinen Schreck bekommen. Ich hatte die Befürchtung, dass das Duo aus „La Javanaise“ zu tief für sie ist, doch es zeigte sich, dass sie in den tiefen Lagen eine umwerfende Stimme hat. Und Laetitia war der Bardot relativ nah, da musste ich gar nichts machen. Wir haben nur im Studio geprobt, weil „Bonnie and Clyde“ mit Dialogpartien vermischt ist; deshalb mussten wir zugleich an der Darstellung und an dem Lied arbeiten, damit sich alles natürlich in die Szene einfügt. Welche Chansons wurden während der Dreharbeiten live gesungen? „Le Canari est sur le Balcon“. Lucy hat dieses Chanson direkt beim Dreh gesungen. Sie hatte eine sehr sanfte Stimme, und das war ein schöner Moment während der Dreharbeiten. Für „Bonnie and Clyde“ saß ich hinter den Kulissen am Klavier. Laetitia und Éric hatten einen Knopf im Ohr, damit sie die Musik hören konnten, und ich habe über einen Monitor gesehen, was sie gerade spielten. Aber der Großteil der Chansons wurde vorher aufgenommen. Die Bedingungen bei den Dreharbeiten waren zu schwierig, als dass man ständig alles live machen konnte. Es dauerte bei jedem Chanson mehrere Tage, bis das Ergebnis perfekt war. Also sangen die Schauspieler während der Dreharbeiten Playback, aber zu ihren eigenen Stimmen.

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GAINSBOURG – STATIONEN SEINES LEBENS Gainsbourg wird am 2. April 1928 unter dem Namen Lucien Ginsburg als Kind russisch-jüdischer Einwanderer in Paris geboren. Seine Mutter Olia bestellt den Haushalt und kümmert sich um die Kinder. (Lucien hat eine ältere Schwester, Jacqueline, und eine Zwillingsschwester, Liliane.) Der Vater, Joseph, ist Pianist. Er spielt abends in Bars und Kabaretts und probt tagsüber zu Hause. Lucien erhält von ihm eine klassische Klavierausbildung. 1939 verlässt die Familie wegen eines Engagements des Vaters vorübergehend ihr Pariser Quartier und zieht in die Normandie. Vom Ausbruch des Krieges zwischen Deutschland und Frankreich bekommt Lucien zunächst gar nichts mit. Als die Ginsburgs im Sommer 1940 zurückkehren, ist Paris von den Deutschen besetzt, die neue Regierung sanktioniert den Antisemitismus. Joseph kann jedoch weiter in Paris arbeiten. Lucien erhält Unterricht an der Kunstschule Montmartre. Aus den Kursen in Aktmalerei wird er wegen seines Alters – er ist gerade mal dreizehn – ausgeschlossen. Ab 1942 erhebt die Regierung das Tragen des Judensterns für alle jüdischen Einwohner zur Pflicht; ab acht Uhr abends gilt eine Ausgangssperre für Juden. Damit verliert der Vater seine Arbeit. Die Familie zieht in den Südwesten des Landes und kehrt erst 1944, nach der Befreiung von Paris, zurück. 1945 bricht Lucien die Schule ab und erklärt, Künstler werden zu wollen. Sein Vater meldet ihn an der renommierten École des Beaux-Arts an. Er lernt verschiedene Surrealisten kennen. In Künstlerkreisen begegnet er auch seiner ersten Frau: Elisabeth Lewitsky, einer russischen Aristokratin, die als Model arbeitet. Sie nimmt Lucien mit in die Wohnung von Salvador Dalí, deren exzentrische Inneneinrichtung ihn stark beeindruckt. Da er sein Kunststudium nicht zielstrebig verfolgt, legt sein Vater ihm nahe, sein Geld mit der Musik zu verdienen. Er engagiert einen Mann aus dem fahrenden Volk, der ihm das Gitarrespielen beibringt. Anschließend spielt Lucien für Geld auf Festen und Partys. 1948 geht er für zwölf Monate zur Armee. 1951 folgt die Heirat mit Elisabeth. Die beiden beziehen ein gemeinsames Appartment; Lucien gibt Kindern von Holocaust-Überlebenden Kunstunterricht in einem Internat und studiert parallel weiter an der Kunstakademie. Zudem vertritt er seinen Vater hin und wieder bei Auftritten in Bars und Nachtklubs und findet Gefallen an dieser Art des Geldverdienens. 1954 beantragt er die Aufnahme in die französische Songschreiber-Vereinigung und lässt die ersten eigenen Songs registrieren. Dabei beschließt er, seinen Namen von Lucien Ginsburg in SERGE GAINSBOURG zu ändern. Er gibt das Kunststudium und die Malerei auf, pflegt das Leben eines Bohemiens. 1957 folgt die Scheidung von Elisabeth; er zieht zurück in die Wohnung seiner Eltern. Er erhält ein regelmäßiges Engagement im Nachtklub Milord, wo er den Schriftsteller Boris Vian kennenlernt; dessen Auftritte eröffnen ihm ganz neue Perspektiven für das Schreiben eigener Songs. Auch die Sängerin Michèle Arnaud lernt er dort kennen, die 1958 erstmals Songs von Serge Gainsbourg auf einer Pariser Bühne vorträgt. Denis Bourgeois, ein Produzent der Plattenfirma Philips, bietet Serge seinen ersten Plattenvertrag an. Somit ist er – im Alter von 30 Jahren – bei demselben Label unter Vertrag wie die französischen Stars Juliette Gréco, George Brassens und Jacques Brel. Im September 1958 veröffentlicht er sein erstes Album: „Du chant à la

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une!“, über das Boris Vian einen begeisterten Artikel veröffentlicht. Das Album wird dennoch kein Erfolg. 1959 lädt Juliette Gréco ihn in ihre Wohnung ein; sie ist auf der Suche nach begabten jungen Songschreibern für ihr Comeback nach einer mehrjährigen Auszeit. Gainsbourg ist so nervös, dass er ein Glas Whiskey umstößt, doch die Gréco findet Gefallen an seiner Musik. Die LP „Juliette Gréco chante Serge Gainsbourg“ erscheint und befördert Gainsbourgs Popularität. Er erhält erste Filmangebote und wird in den folgenden Jahren immer wieder kleinere Rollen als Schauspieler annehmen. Ende 1959 erscheint Gainsbourgs zweites Album: „Gainsbourg No. 2“. Im Folgejahr schreibt er seine erste Filmmusik (der im Laufe seines Lebens Dutzende folgen werden). 1961 wird Gainsbourgs drittes Album veröffentlicht: „L’Éotonnant Serge Gainsbourg“, auch dieses bringt nicht den ersehnten großen Durchbruch. Amerikanische und englische Musiker erobern die Hitparaden in ganz Europa; der Siegeszug des Rock ’n’ Roll und des Twist ist in vollem Gange. „No. 4“, Gainsbourgs viertes Album, erscheint 1962, im gleichen Jahr wie „Love Me Do“ von den Beatles. Angesichts des weiterhin geringen Erfolgs beschließt Gainsbourg, seine nächste Platte in London aufzunehmen: 1963 erscheint „Vilaine Fille, Mauvais Garçon“. Zahlreiche Songs daraus werden von bekannten Größen wie Petula Clark, Brigitte Bardot oder Juliette Gréco nachgesungen, das Album selbst verkauft sich enttäuschend. Serge Gainsbourg lernt die schöne, besitzergreifende Béatrice, mit bürgerlichem Namen Françoise Antoinette Pancrazzi, kennen. 1964 heiratet er Béatrice. Sie stammt aus einer reichen Familie, liebt den Luxus und reagiert äußerst eifersüchtig auf Serges weibliche Fans. Mit ihr bekommt Serge Gainsbourg zwei Kinder: Natacha (geb. 1964) und Paul (geb. 1968). 1965 gewinnt die junge France Gall mit einer Interpretation seiner Komposition „Poupée de Cire, Poupée de Son“ den Eurovision Song Contest. Dieser Erfolg verschafft Gainsbourg auch bei den jungen Yé-yé-Fans, den französischen Anhängern der Beatmusik, Popularität und fördert seine Karriere gewaltig. Ab 1966 verlegt er sich verstärkt auf Popmusik und wird damit zunehmend erfolgreich. Serge avanciert zu einem begehrten Hitschreiber, um den sich immer mehr schöne, erfolgreiche Sängerinnen scharen. Da seine Ehefrau mit Eifersucht reagiert, verlässt er sie. Bald darauf kommt es zur Scheidung von Beátrice. Gainsbourg schreibt zahlreiche Songs für andere Künstler und nimmt seine nächsten Platten auf; eine äußerst produktive Zeit beginnt. Parallel arbeitet er weiter für den Film. 1967 zieht er, nach vorübergehenden Aufenthalten in Hotels, einer WG und einem Künstlerheim, zurück in die elterliche Wohnung. Im selben Jahr kommt es zur Begegnung mit Brigitte Bardot, die schon seit den 1950er-Jahren ein internationaler Star ist und auch bereits einige von Gainsbourg geschriebene Songs aufgenommen hat. Eine leidenschaftliche Liebesaffäre beginnt, in deren Verlauf Serge zahlreiche neue Lieder für sie schreibt. Die B. B. ist zu dieser Zeit mit Gunter Sachs verheiratet, weshalb sie die Affäre zunächst verheimlicht. Serge und Brigitte spielen verschiedene Songs ein, darunter „Harley Davidson“ und „Bonnie & Clyde“. Den im Winter 1967 aufgenommenen Song „Je t’aime … moi non plus“, der schon vor Erscheinen zum Skandal wird, zieht die Bardot noch vor der Veröffentlichung zurück. Kurz darauf kehrt sie zu ihrem Ehemann zurück. Serge Gainsbourg bleibt unglücklich in Paris zurück, genießt aber fortan nicht nur die Aufmerksamkeit der Boulevardpresse, sondern auch den Ruf eines großen Verführers.

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Gainsbourg stürzt sich in die Arbeit und produziert als Hommage an die Bardot „Initials B. B.“ 1968 macht er gleichzeitig in zwei verschiedenen Studios Aufnahmen. Auch seine Filmarbeit nimmt er wieder auf. Bei den Dreharbeiten für den Film „Slogan“ von Pierre Grimblat lernt er die junge Britin Jane Birkin kennen, die 1966 in ihrer Rolle als Fotomodell in Antonionis „Blow up“ ihren Durchbruch hatte. Birkin hat bereits eine Ehe mit dem Komponisten John Barry hinter sich, aus der ihre Tochter Kate hervorgegangen ist. Serge Gainsbourg behandelt sie zunächst mit Herablassung, doch im Verlauf ihrer gemeinsamen Arbeit nähern die beiden sich einander immer mehr an und werden schließlich ein unzertrennliches Liebespaar. Die Titelmelodie von „Slogan“ erscheint 1969 als Single; es ist Jane Birkins Debüt als Sängerin. Mit ihr zusammen nimmt Serge bald darauf „Je t’aime … moi non plus“ noch einmal auf. Der Song wird wegen seiner offenen Erotik zu dem Skandalsong schlechthin und macht Gainsbourg mit einem Schlag reich. Als nächstes veröffentlicht Gainsbourg sein Konzeptalbum „Histoire de Melody Nelson“, mit dem er international seinen Rang als Musiker zementiert; zahlreiche andere Musiker lassen sich von diesem Werk inspirieren. In dieser Zeit verändert er sein Outfit und zeigt sich fortan gern mit längeren Haaren, legerer gekleidet und unrasiert. Das Haus in der Rue de Verneuil Nr. 5, das er seit Langem für sich umbauen lässt, wird endlich fertiggestellt. Die Einrichtung ist – nach dem Vorbild Salvador Dalís – ganz in Schwarz gehalten. Dorthin zieht er nun mit Jane. Die gemeinsame Tochter Charlotte kommt 1971 zur Welt. Jane macht weiterhin erfolgreich Filme, Serge komponiert, unter anderem Songs für Françoise Hardy, Juliette Gréco und France Gall, und übernimmt ebenfalls kleinere Filmrollen. Im Mai 1973 erleidet Serge Gainsbourg, der im Alter von 13 Jahren mit dem Rauchen angefangen hat, einen Herzinfarkt. Auch im Krankenhauszimmer kann der Kettenraucher nicht von seiner Sucht lassen. Da die Presse von seinem Zustand keine Notiz nimmt, lädt er einen Journalisten ein, ihn am Krankenbett zu besuchen. Nach der Entlassung arbeitet und raucht er weiter wie zuvor. „Vu de l’Extérieur“, eine neue Platte, entsteht. 1975 erscheint „Rock around the Bunker“, ein provozierendes Album, das sich humorvoll mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzt und zum kommerziellen Misserfolg wird. Nachdem auch sein neues Projekt, der Film „Je t’aime … moi non plus“ floppt, weil er als zu pornografisch gilt, wendet Gainsbourg sich dem Drehen von Werbefilmen zu. In einer Pariser Galerie entdeckt er eine Skulptur, die ihn fasziniert: Claude Lalannes „L’Homme à Tête de Chou“ – der Mann mit dem Kohlkopf. Er erwirbt sie und lässt sich von ihr zum gleichnamigen Album inspirieren, das 1977 erscheint, eine abgeschlossene Geschichte erzählt und ein großer Erfolg wird. Mit seiner nächsten Platte, „Aux Armes et Cætera“, geht er das Wagnis ein, den Reggae nach Frankreich zu bringen, wo diese Musikrichtung bis dahin noch keine Rolle spielt. Im September 1978 fliegt er nach Kingston auf Jamaika, um dort mit den besten und bekanntesten Reggaemusikern zu arbeiten. Doch auch dieses neue Werk enthält eine Provokation: eine Reggaeversion der Marseillaise. Die französischen Zeitungen reagieren empört, doch die französische Jugend ist begeistert und hebt das Album in die Hitparaden. Davon ermutigt plant Serge Gainsbourg eine Frankreich-Tournee mit den jamaikanischen Musikern. Die extreme Rechte in Frankreich schäumt und versucht alles, um dieses Vorhaben zu torpedieren. Gainsbourg trotzt dem Widerstand von rechts und eröffnet seine

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Tournee in Straßburg, indem er ohne seine jamaikanischen Mitstreiter auf die Bühne geht und die Originalversion der Marseillaise anstimmt. Danach wird er in Frankreich wie ein Held gefeiert. 1980 kommt es zur Trennung von Jane Birkin. Jane verlässt den zunehmend trunksüchtigen Serge, nachdem sie bei Dreharbeiten den Regisseur Jacques Doillon kennengelernt hat. Der Verlassene ist tief enttäuscht, stürzt sich aber wieder in die Arbeit. Im selben Jahr veröffentlicht er seinen ersten und einzigen Roman: „Evguénie Sokolov“ (unter dem Titel „Die Kunst des Furzens. Das explosive Leben des Evgenij Sokolov“ 1988 erstmals auf Deutsch erschienen), der von der Kritik kaum wahrgenommen wird. Aber auch an Musikaufträgen mangelt es nicht. Er schreibt unter anderem die Filmmusik zu Claude Berris Film „Je Vous Aime“ mit Catherine Deneuve und übernimmt auch eine kleine Nebenrolle darin. 1981 lernt Gainsbourg die junge Caroline von Paulus, genannt Bambou, kennen; das 21-jährige Model wird seine neue Lebensgefährtin. Auf den Bahamas nimmt Gainsbourg sein zweites Reggaealbum auf: „Mauvaises Nouvelles des Ètoiles“; es enthält „Ecce homo“, den Song, in dem er erstmals die Figur Gainsbarre vorstellt, sein cooles, kettenrauchendes Alter Ego, das sich über Gainsbourg lustig macht. 1984 wird für ihn zu einem Jahr der Skandale: Den ersten entfacht er, als er während eines Fernsehauftritts einen 500-Franc-Schein anzündet. Kurz darauf nimmt er das Album „Love on the Boat“ in den USA auf. Ein Titel daraus, „Lemon Incest“, den er gemeinsam mit der 13-jährigen Charlotte performt, löst den nächsten Eklat aus: Ein Teil der Öffentlichkeit fällt auf die Provokation herein und unterstellt ihm, er vergehe sich an seiner Tochter. Und im selben Jahr ereignet sich auch der berühmte Zwischenfall mit der jungen Whitney Houston, der er in einer Liveshow im französischen Fernsehen sturzbetrunken ein unmoralisches Angebot macht. 1986 kommt Lucien Gainsbourg, genannt Lulu, der gemeinsame Sohn mit Bambou, zur Welt. Gainbourg schreibt daraufhin seinen ersten Song für ihn: „Lulu“. 1987 nimmt er seine zweite Platte in Amerika auf, „You’re under Arrest“, ein Rap-Album. In seinen öffentlichen Auftritten wirkt Gainsbourg zunehmend von seiner Alkoholsucht gezeichnet und stark gealtert. 1989 erscheint die CD-Box „De Gainsbourg à Gainsbarre“, die neun CDs mit über zweihundert Stücken aus seiner Karriere enthält. Gainsbourg wird wegen gesundheitlicher Probleme mehrmals im Krankenhaus behandelt. Nach einer Leberoperation gibt er vorübergehend das Trinken auf, fängt aber wieder damit an, während er Songs für eine Platte für die junge Vanessa Paradis schreibt. Anschließend verfasst er ein Drehbuch: „Stan the Flasher“, das er 1990 mit Claude Berri in der Hauptrolle selbst verfilmt. Bertrand Blier beauftragt ihn mit der Filmmusik zu „Merci la Vie“, dem neuesten Film seiner Tochter Charlotte. Für den März 1991 ist die Aufnahme einer Bluesplatte in New Orleans geplant. Am 2. März 1991 stirbt Serge Gainsbourg in Paris an einem Herzstillstand. Alle Informationen stammen aus: Sylvie Simmons: Serge Gainsbourg. Für eine Hand

voll Gitanes. JSV Jens Seeling Verlag, Frankfurt am Main 2007.

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JOANN SFAR (Buch & Regie) Joann Sfar kommt am 28. August 1971 in Nizza in einer halb sephardischen, halb aschkenasischen Familie zur Welt, in der man ihm alle möglichen Sagen und Geschichten erzählt. Sobald er einen Stift in der Hand halten kann, fängt er an zu zeichnen. Mit ungefähr fünfzehn Jahren beginnt er damit, Comic-Projekte an verschiedene Verlagshäuser zu schicken, die im gleichen Rhythmus abgelehnt werden, wie er sie einsendet. Ungefähr im selben Alter lernt er seine Mentoren, die Comiczeichner Fred, Baudoin und Pierre Dubois, kennen. „Sie haben mir vernünftige Dinge beigebracht. Alles, was ich mache, mache ich, um ihnen zu gefallen.“ Anfang der 1990er-Jahre schreibt er sich an der Kunsthochschule in Paris ein, nachdem er ein dem Vater zuliebe absolviertes Philosophiestudium mit Auszeichnung abgeschlossen hat. Er belegt Kurse in Formenlehre und malt Stillleben, wie beispielsweise Kinder mit zwei Köpfen und andere Monstrositäten aus der Sammlung des Naturhistorischen Museums. Zudem assistiert er mit einem Freund aus der Rechtsmedizin bei Autopsien und zeichnet alle Arten von Innereien. Ergebnis dieser Erfahrung ist letztlich das Vergnügen daran, lebendige, angezogene Wesen zu zeichnen, die auf der Straße gehen. Mit 23 Jahren erlebt er eine Überraschung. Er erhält im selben Monat von den drei Verlagshäusern Dargaud, Delcourt und L’Association positive Antworten auf seine Einsendungen. Seitdem hat er nicht mehr aufgehört zu zeichnen. „Comiczeichen ist etwas Zwanghaftes, man muss es ständig tun. Und wie schon Charlier sagte, ist es leichter, zehn Geschichten gleichzeitig zu erzählen als nur eine einzige.“ So entsteht eine Fülle von Welten, die durch einen sehr persönlichen Cocktail aus Gefühl, Humor und Intelligenz zusammengehalten werden – den umwerfenden grafischen Charme nicht zu vergessen. Innerhalb weniger Jahre wird der junge Mann, der für sein mangelndes Talent kritisiert worden war, neben Christophe Blain, Lewis Trondheim und Emmanuel Guibert einer der führenden Vertreter der „neuen Welle“ von Comickünstlern. Er zeichnet weniger formell und weniger kommerziell und stellt das Geschichtenerzählen stärker in den Vordergrund. Joann und diese anderen führenden Comiczeichner schaffen es, ein weitaus größeres Publikum anzusprechen. Joann hat, allein oder in Zusammenarbeit mit anderen Künstlern, bereits über 150 Alben erstellt sowie einige Graphic Novels und Zeichentrickfilme, darunter ein Videoclip, der 2006 auf dem Internationalen Zeichentrickfilm-Festival von Annecy ausgezeichnet wird. Im selben Jahr erhält er einen Eisner Award für „Die Katze des Rabbiners“ (Le Chat du Rabbin) – seinen eigenen Comic, der kurz zuvor verfilmt worden war. Bei Gallimard Jeunesse gibt Sfar eine Comicreihe für Groß und Klein mit dem Namen „Bayou“ heraus. Irgendwie schafft er es, die Zeit zu finden, um Ukulele, Mandoline und Mundharmonika zu spielen, und er behauptet, sein Geigenlehrer fände, er könne gut mit dem Bogen umgehen.

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Preise und Ehrungen 1997 Prix René Goscinny 1999 Prix Petit Robert auf dem Festival Quai de Bulles in Saint-Malo 2002 Prix Jaques Lob in Blois und Yellow Kid in Lucca 2003 Prix Oecuménique de la Bande Dessinée in Angoulême und

Prix des Fondateurs pour le 30e Anniversaire von Angoulême 2004 Prix d’Album Jeunesse 7-8 ans in Angoulême und

Max-und-Moritz-Preis als „Bester Szenarist“ für „Die Katze des Rabbiners“ beim Internationalen Comic-Salon Erlangen

2006 Eisner Award für „Die Katze des Rabbiners“ und Prix du Meilleur Vidéo-clip (Thomas Fersen, Hyacinte) beim Internationalen Zeichentrickfestival in Annecy

Bibliografie: Bei Dargaud: Merlin (Bände 1 bis 5) mit José-Luis Munuera in Deutschland unter dem Titel „Merlin“ im Carlsen Verlag erschienen Urani mit David B. (1 Band) Le Minuscule Mousquetaire Socrate le Demi-chien mit Christophe Blain (3 Bände) Le Chat du Rabbin (5 Bände verfügbar) in Deutschland unter dem Titel „Die Katze des Rabbiners“ im Avant-Verlag erschienen Andere Verlage: Professeur Bell (5 Bände verfügbar) mit Tanquerelle – Delcourt in Deutschland unter dem Titel „Professor Bell“ im Avant-Verlag erschienen Petrus Barbygère (2 Bände verfügbar) mit Pierre Dubois – Delcourt Troll (Bände 1 bis 3) mit Jean David Morvan & O.G. Boiscommun – Delcourt Petit Vampire (7 Bände verfügbar) (7 Bände verfügbar) – Delcourt in Deutschland unter dem Titel „Desmodus“ im Avant-Verlag erschienen Petit Vampire – Romane (2 Bände verfügbar) mit Sandrina Jardel – Delcourt Grand Vampire (6 Bände verfügbar) – Delcourt Les Potamoks (3 Bände verfügbar) mit Munuera – Delcourt in Deutschland unter dem Titel „Die Potamoks“ im Carlsen Verlag erschienen Donjon Zénith (5 Bände verfügbar) in Zusammenarbeit mit Lewis Trondheim und Boulet – Delcourt in Deutschland unter dem Titel „Donjon“ im Reprodukt-Verlag erschienen Donjon Crépuscule (6 Bände verfügbar) in Zusammenarbeit mit Lewis Trondheim, Kerascoët und Obion – Delcourt in Deutschland unter dem Titel „Donjon/Abenddämmerung“ im Reprodukt-Verlag erschienen Donjon Potron-Minet (5 Bände verfügbar) in Zusammenarbeit mit Lewis Trondheim, Christophe Blain und Christophe Gaultier – Delcourt in Deutschland unter dem Titel „Donjon/Morgengrauen“ im Reprodukt-Verlag erschienen

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Donjon Parade (5 Bände verfügbar) mit Manu Larcenet und in Zusammenarbeit mit Lewis Trondheim – Delcourt in Deutschland unter dem Titel „Donjon Parade“ im Reprodukt-Verlag erschienen Donjon Monsters (2 Bände verfügbar) mit Mazan, Jean-Christophe Menu, Andreas, Blanquet, Vermot-Desroches, Yoann, Blutch, Nine, Killoffer, Bézian und Stanislas Kermidas in Zusammenarbeit mit Lewis Trondheim – Delcourt in Deutschland unter dem Titel „Donjon Monster“ im Reprodukt-Verlag erschienen Donjon Bonus mit Arnaud Moragues – Delcourt Noyé le poisson – L’Association Le Borgne Gauchet – L’Association Le Petit Monde du Golem – L’Association in Deutschland unter dem Titel „Die kleine Welt des Golem“ im Avant-Verlag erschienen Pascin (6 Bände verfügbar) – L’Association in Deutschland unter dem Titel „Pascin“ im Avant-Verlag erschienen Pascin La Java Bleue Paris-Londres – L’Association Harmonica – L’Association Ukulélé – L’Association Parapluie – L’Association Piano – L’Association Les Aventures d’Ossour Hyrsidoux (2 Bände verfügbar) – Cornélius La Fille du Professeur mit Emmanuel Guibert – Dupuis Les Olives noires mit Emmanuel Guibert (3 Bände verfügbar) – Dupuis in Deutschland unter dem Titel „Schwarze Oliven“ im Epsilon-Verlag erschienen Des Animaux Fantastiques mit Christophe Blain und Brigitte Coppin – Nathan Contes et Récits des Héros du Moyen Âge mit Gilles Massardier – Nathan Sardine de l’Espace (9 Bände verfügbar) mit Emmanuel Guibert – Bayard Le Banquet de Platon – Bréal Candide de Voltaire – Bréal Monsieur Crocodile a beaucoup faim – Bréal L’Atroce Abécédaire – Bréal Orang-Outan mit Sandrina Jardel – Bréal Klezmer (9 Bände verfügbar) in Deutschland unter dem Titel „Klezmer“ im Avant-Verlag erschienen La Conquête de l’Est – Gallimard Jeunesse Le Petit Prince: D'après l'œuvre d'Antoine de Saint-Exupéry – Gallimard in Deutschland unter dem Titel „Der kleine Prinz: Nach der Erzählung von Antoine de Saint-Exupéry“ im Carlsen Verlag erschienen

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DIE MITWIRKENDEN ÉRIC ELMOSNINO (Serge Gainsbourg) Éric Elmosnino kam 1964 in Suresnes, Hauts-de-Seine, zur Welt. Er studierte Schauspiel am Pariser Conservatoire National Supérieur d'Art Dramatique. Danach führte ihn ein Theater-Engagement zunächst ans Théâtre Nanterre-Amandiers. Seither brillierte er in zahlreichen modernen und klassischen Rollen auf französischen Bühnen. So spielte er beispielsweise 1999 in Brechts „Baal“ und 2002 in Büchners „Léonce und Lena“; für diese Rolle erhielt er den angesehensten französischen Theaterpreis, den Prix Molière, als „Entdeckung des Jahres“. Seine Hauptrolle in Ibsens „Peer Gynt“, die er 2005 unter der Regie von Patrick Pineau beim Theaterfestival in Avignon spielte, brachte ihm erneut eine Nominierung als „Bester Hauptdarsteller“ für den Prix Molière ein. 2006 sah man ihn in Tschechows „Platonow“ und zuletzt in Yasmina Rezas jüngstem Stück, „Der Gott des Gemetzels“. Bei drei Stücken führte Elmosnino selbst Regie; zuletzt inszenierte er Serge Valettis „Le Nègre au Sang“ am renommierten Pariser Théâtre national de Chaillot. Sein Kinodebüt gab Éric Elmosnino 1985 in Michel Langs Komödie „Her mit den Jungs“. 1994 sah man ihn in Yves Angelos „Die Auferstehung des Colonel Chabert“. 2007 spielte er den Raymond in Valeria Bruni Tedescis Film „Actrices – Oder der Traum aus der Nacht davor“. 2010 stand er in der Rolle des Pierre in Judith Godrèches Drama „Toutes les Filles Pleurent“ vor der Kamera. Zudem lieh er kürzlich der Figur des Professor Soliman in der Verfilmung von Joann Sfars Comic „Die Katze des Rabbiners“ seine Stimme. Filmografie Éric Elmosnino (Auswahl) 2010 Toutes les Filles Pleurent

Regie: Judith Godrèche GAINSBOURG – DER MANN, DER DIE FRAUEN LIEBTE (Gainsbourg – Vie héroique)

Regie: Joann Sfar 2009 Der Vater meiner Kinder (Le Père de mes Enfants)

Regie: Mia Hansen-Løve Bancs Publics (Versailles Rives Droite) Regie: Bruno Podalydès

2008 L’Heure d’Été Regie: Olivier Assayas

2007 La Vie d’Artiste Regie: Marc Fitoussi Actrices – Oder der Traum aus der Nacht davor (Actrices) Regie: Valeria Bruni Tedesci

2005 Gentille Regie: Sophie Fillières

2003 Fehler nicht erlaubt (Zéro éfaut) Regie: Pierre Schöller

2001 Liberté-Oleron Regie: Bruno Podalydès

1999 La Vie ne me Fait pas Peur Regie: Noémie Lvovsky

1998 Ende August, Anfang September (Fin Août, Début Septembre) Regie: Olivier Assayas

1996 Bernie Regie: Albert Dupontel

1994 Die Auferstehung des Colonel Chabert (Le Colonel Chabert) Regie: Yves Angelo

1985 Her mit den Jungs (À nous les Garçons) Regie: Michel Lang

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DOUG JONES („Die Fresse“) Doug Jones wurde 1960 in Indianapolis geboren und studierte Telekommunikation und Theater an der Ball State University. Bekannt wurde Jones, der seine Karriere als biegsamer „Schlangenmensch“ in Werbespots begann, als Darsteller nicht menschlicher Kreaturen in Fantasy- und Horrorfilmen, wobei sein eigenes Gesicht oft unter aufwendigen Masken und Prothesen verborgen blieb. 1992 wirkte er als Clown in Tim Burtons „Batmans Rückkehr“ mit. In Henry Selicks „Monkeybone“ spielte er 2001 den Yeti, in Guillermo Del Toros „Pans Labyrinth“ 2006 den Faun, 2007 in Tim Storys Realverfilmung des Comics „The Rise of the Silver Surfer“ die Titelrolle, in Del Toros „Hellboy 2 – Die goldene Armee“ einen Todesengel. Darüber hinaus wird Doug Jones aber durchaus auch regelmäßig für menschliche Rollen besetzt. In Des McAnuffs „Rocky und Bullwinkle“ gab er im Jahr 2000 einen FBI-Agenten, 2002 wirkte er in Spike Jonzes „Adaption – Der Orchideendieb“ mit. 2009 übernahm er die Hauptrolle des Jerry in Morgan Meads Independent-Komödie „My Name is Jerry“ über einen mausgrauen Vertreter in der Midlife-Crisis, dessen Leben durch die zufällige Begegnung mit einer Punkrockerin eine neue Wendung nimmt. 2010 spielte er den Rattenfänger in Brian Corders Horrorfilm „Carnies“. 2011 wird er voraussichtlich in Christopher Nolans neuem „Batman“ sowie in Guillermo Del Toros geplanter Verfilmung von „Der kleine Hobbit“ mitwirken. Filmografie Doug Jones (Auswahl) 2010 GAINSBOURG – DER MANN, DER DIE FRAUEN LIEBTE (Gainsbourg – Vie héroique)

Regie: Joann Sfar Carnies

Regie: Brian Corder 2009 Greyscale Regie: Ryan Dunlap

Cyrus Regie: Mark Vadik

My Name ist Jerry Regie: Morgan Mead Legion

Regie: Scott Charles Stewart Super Capers

Regie: Ray Griggs 2008 Quarantäne (Quarantine) Regie: John Erick Dowdle Hellboy 2 – Die goldene Armee (Hellboy II: The Golden Army) Regie: Guillermo Del Toro 2007 The Fantastic Four: Rise of the Silver Surfer Regie: Tim Story The Wager Regie: Judson Pearce Morgan 2006 Das Mädchen aus dem Wasser (Lady in the Water) Regie: M. Night Shyamalan Pans Labyrinth (El laberinto del fauno) Regie: Guillermo Del Toro The Cabinet of Dr. Caligari Regie: David Lee Fisher 2004 Hellboy Regie: Guillermo Del Toro 2002 Adaption – Der Orchideendieb (Adaptation) Regie: Spike Jonze Men in Black II Regie: Barry Sonnenfeld 1997 Mimic – Angriff der Killerinsekten (Mimic) Regie: Guillermo Del Toro

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1992 Batmans Rückkehr (Batman Returns) Regie: Tim Burton 1991 Hook Regie: Steven Spielberg

LAETITIA CASTA (Brigitte Bardot) Laetitia Casta wurde 1978 in Pont-Audemer in der Normandie geboren. Casta verbrachte ihre Kindheit in der Normandie. Sie besuchte mit ihren Eltern häufig Korsika, woher ihr Vater Dominique Casta stammt. Im Alter von fünfzehn Jahren startete sie eine Model-Karriere und stieg schnell zu einem international begehrten Topmodel auf. Weltweit bekannt wurde sie mit einem Titelbild für die Zeitschrift „Elle“. Im Jahr 2000 wurde sie zur neuen „Marianne“ ausgerufen; seither wurden nach ihrem Vorbild zahlreiche Büsten der französischen Nationalfigur gestaltet. Ihre Schauspielkarriere begann Laetitia Casta 1998 mit ihrer Rolle als schöne Falbala in Claude Zidis ersten Realfilmversion von „Asterix und Obelix“. Bald darauf war sie bereits in Hauptrollen zu sehen, so als Thérèse in Raoul Ruiz’ Drama „Die starken Seelen“ oder als Marion in Patrice Lecontes „Straße der heimlichen Freuden“ von 2001. In der Komödie „Le grand Appartement“ stand sie 2006 neben Schauspielgrößen wie Mathieu Amalric und Pierre Arditi vor der Kamera. Auch Bühnenrollen hat Laetitia Casta bereits mehrfach übernommen. 2005 gab sie als Wassernixe in Jean Giraudoux’ „Ondine“ unter der Regie von Jacques Weber ihr Debüt auf der Bühne des Pariser Théâtre Antoine. 2008 spielte sie die Hauptrolle in „Elle t’attend“, einem zeitgenössischen Stück des jungen Florian Zeller. Filmografie Laetitia Casta (Auswahl) 2010 GAINSBOURG – DER MANN, DER DIE FRAUEN LIEBTE (Gainsbourg – Vie héroique)

Regie: Joann Sfar Visage Regie: Tsai Ming-liang

2007 La jeune Fille et les Loups Regie: Gilles Legrand Liebe und Revolution (Nés en 68)

Regie: Olivier Ducastel, Jacques Martineau 2006 Le grand appartement Regie: Pascal Thomas 2003 Der Irrläufer (Errance) Regie: Damien Odoul 2001 Straße der heimlichen Freuden (Rue des plaisirs) Regie: Patrice Leconte 2000 Die starken Seelen (Les Âmes fortes) Regie: Raoul Ruiz 1999 Gitano Regie: Manuel Palacios 1998 Asterix und Obelix gegen Caesar (Astérix et Obélix contre César) Regie: Claude Zidi

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LUCY GORDON (Jane Birkin) Leuchtend wie eine Sternschnuppe. Lucy Gordon hatte Beine, die bis zum Himmel ragten, den Teint einer englischen Rose, Anmut direkt aus Oxfordshire und funkelnde Augen, in denen man eine unheimliche Melancholie sehen konnte. Die britische Schauspielerin Lucy Gordon kam 1980 in Oxford zur Welt und verbrachte Teile ihrer Kindheit in Frankreich. 2001 feierte das ehemalige Model (sie war das Gesicht der amerikanischen Marke „Cover Girl“) ihr Debüt mit einer kleinen Rolle in dem amerikanischen Film „Perfume“. Im selben Jahr spielte sie auch in Peter Chelsoms Komödie „Weil es dich gibt“ (Serendipity). 2002 war sie als Isabelle in Shekhar Kapurs „Die vier Federn“ (The Four Feathers) an der Seite von Heath Ledger zu sehen. 2005 folgte dann erstmals eine Rolle in einem französischen Film: Lucy Gordon wirkte in Cédric Klapischs international erfolgreicher Komödie „L’Auberge espagnole – Wiedersehen in St. Petersburg“ (Les Poupées russes, 2005) mit. In Sam Raimis „Spider Man 3“ gab sie 2007 die junge Jennifer Dugan. Danach spielte sie in der Komödie „Frost“ eine ihrer größten Rollen. Unter einer großen Zahl von Mitbewerberinnen wurde Lucy Gordon für die wichtige Rolle der Jane Birkin in GAINSBOURG – DER MANN, DER DIE FRAUEN LIEBTE ausgewählt. Es sollte ihre letzte werden. Am 20. Mai 2010, ein paar Wochen nach Drehende, hat dieses elfengleiche Wesen, das schöner war als eine Porzellanpuppe und das das Leben in vollen Züge zu genießen schien, sein Leben ein für allemal beendet. Lucys lebloser Körper wurde im Pariser Domizil ihres Lebenspartners, des französischen Regisseurs Jérôme Alméras, gefunden. Während des Drehs war sie äußerst beliebt. „Ihr Tod hat uns tief bestürzt“, sagt Éric Elmosnino, ihr Schauspielpartner in GAINSBOURG. Bevor Sie sich das Leben nahm, hinterließ die Schauspielerin, die bald ihren neunundzwanzigsten Geburtstag hätte feiern sollen, zwei Nachrichten: Die eine umfasst ihren letzten Willen, die andere war an ihre Eltern Richard und Susan gerichtet. An alle anderen hinterlässt sie die Erinnerung an eine reizende und frische junge Frau und noch dazu an einen wunderschönen Film, den Joann Sfar ihr gewidmet hat. Filmografie Lucy Gordon (Auswahl) 2010 GAINSBOURG – DER MANN, DER DIE FRAUEN LIEBTE (Gainsbourg – Vie héroique)

Regie: Joann Sfar 2009 Cinéman

Regie: Yann Moix Brief Interviews with Hideous Men

Regie: John Krasinski 2008 Frost

Regie: Steve Clark 2007 Spider Man 3 Regie: Sam Raimi

Serial Regie: Kevin Arbouet, Larry Strong

2005 L’Auberge espagnole – Wiedersehen in St. Petersburg (Les Poupées russes) Regie: Cédric Klapisch

2002 Die vier Federn (The Four Feathers) Regie: Shekhar Kapur

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2001 Weil es dich gibt (Serendipity) Regie: Peter Chelsom Perfume Regie: Michael Rymer, Hunter Carson

ANNA MOUGLALIS (Juliette Gréco) Anna Mouglalis kam 1978 in Nantes zur Welt. Sie hat eine französische Mutter und einen griechischen Vater. Bereits 1997 stand sie in Frank Wedekinds „Frühlings Erwachen“ erstmals auf einer Theaterbühne und gab im selben Jahr in Francis Girods „Terminale“ auch ihr Leinwanddebüt. Bis 2001 studierte sie Schauspiel am Conservatoire National Supérieur d’Art Dramatique in Paris, parallel verfolgte sie ihre Karriere sowohl am Theater als auch beim Film. Als die junge Pianistin Anna in Chabrols Psychothriller „Süßes Gift“ (Merci pour le Chocolat) hatte sie im Jahr 2000 ihren Durchbruch. Seither wirkte die vielsprachige Darstellerin sowohl in zahlreichen französischen wie auch in italienischen und griechischen Filmen mit. In dem französischen Fernsehfilm „Les Amants de Flore“ überzeugte sie 2006 das Publikum mit ihrem Kollegen Lorànt Deutsch als das berühmte intellektuelle Liebespaar Simone de Beauvoir und Jean-Paul Sartre. Neben der Schauspielerei arbeitet Anna Mouglalis auch sehr erfolgreich als Model, 2002 wurde sie von Karl Lagerfeld für eine Chanel-Werbekampagne ausgewählt. 2009 gab sie selbst die große Coco Chanel in Jan Kounens „Coco Chanel & Igor Stravinsky“, der beim Filmfestival in Cannes gezeigt wurde. Filmografie Anna Mouglalis (Auswahl) 2010 GAINSBOURG – DER MANN, DER DIE FRAUEN LIEBTE (Gainsbourg – Vie héroique)

Regie: Joann Sfar 2008 Coco Chanel & Igor Stravinsky Regie: Jan Kounen 2007 J’ai toujours Rêvé d’Être un Gangster Regie: Samuel Benchetrit 2005 Mare nero Regie: Roberta Torre 2004 Romanzo criminale Regie: Michele Placido Alithini zoi Regie: Panos H. Koutras To oneiro tou Ikarou Regie: Costas Natsis 2003 En Attendant le Déluge Regie: Damien Odoul Sotto falso nome Regie: Roberto Ando 2002 La Vie nouvelle Regie: Philippe Grandrieux 2002 La companie des hommes Regie: Arnaud Desplechin 2001 Le Loup de la Côté Ouest Regie: Hugo Santiago Novo Regie: Jean-Pierre Limosin 2000 Die Gefangene (La captive) Regie: Chantal Ackerman Süßes Gift (Merci pour le Chocolat) Regie: Claude Chabrol 1997 Terminale Regie: Francis Girod

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KURZINTERVIEW MIT ANNA MOUGLALIS Wann haben Sie Gainsbourg entdeckt? Ich hatte immer seine Platten zu Hause. Ich erinnere mich bei Gainsbourg vor allem an die Szene mit Whitney Houston und an die Nachricht seines Todes, die mir immer noch in Erinnerung ist. Ich bin aber kein fanatischer Fan. Er hätte es sowieso gehasst, hätte man aus ihm einen positiven Helden gemacht. Mein Respekt ist vor allem künstlerischer Natur. Seine Musik war wunderschön, seine Texte voller Humor, lyrisch und vulgär zugleich. Wie würden Sie sein Verhältnis zu den Frauen beschreiben? Sehr komplex, das kann ich sagen. Mit Bardot, Deneuve und Jane war er bis zum Ende befreundet. Ich glaube, dass sein Frauenhass auf seine ziemlich ausgeprägte weibliche Seite zurückzuführen ist. Der Gainsbourg-Stil, was kann man sich darunter vorstellen? Ein wenig dreckig, ein wenig dandyhaft, ein Stil, der inspiriert. In Chabrols „Süßes Gift“ (Merci pour le Chocolat, 2000) habe ich im Übrigen weiße Repetto an, so wie er. Ist der Name Gainsbourg in der heutigen Zeit noch ein Begriff? Ja, weil sein Talent nie aus der Mode gekommen ist, und weil er wusste, wie man Musikstile miteinander verbinden kann. MYLÈNE JAMPANOÏ (Bambou) Mylène Jampanoï wurde 1980 in Aix-en-Provence geboren; sie hat eine französische Mutter und einen chinesischen Vater. Nachdem sie durch die Fernsehserie „St. Tropez“ bekannt geworden war, fand sie mühelos den Weg ins Filmgeschäft. In „Die Töchter des chinesischen Gärtners“ spielte sie 2005 erstmals eine Hauptrolle. Neben ihrer Filmarbeit ist Mylène Jampanoï auch als Model, zum Beispiel für Dior und Armani, sehr erfolgreich. 2010 besetzte Clint Eastwood sie in seinem neuen Film, dem Thriller „Hereafter“, der sich noch in der Postproduktion befindet. Aktuell steht sie für Barthélémy Grossmans Actionfilm „Clean out“ vor der Kamera. Filmografie Mylène Jampanoï (Auswahl) 2010 Clean out

Regie: Barthélémy Grossman Hereafter Regie: Clint Eastwood GAINSBOURG – DER MANN, DER DIE FRAUEN LIEBTE (Gainsbourg – Vie héroique) Regie: Joann Sfar

2008 Martyrs Regie: Pascal Laugier 2007 Valley of Flowers Regie: Pan Nalin 2006 Die Töchter des chinesischen Gärtners (Les Filles du Botaniste) Regie: Dai Sijie 2005 Cavalcade Regie: Steve Suissa 2004 Die purpurnen Flüsse 2 – Die Engel der Apokalypse

(Les Rivières pourpres II) Regie: Olivier Dahan

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DER SOUNDTRACK Bei Serge Gainsbourg kommt selbstverständlich zuerst die Musik, ist sie doch Alpha und Omega seines Lebens. Von daher widmete man sich mit der allergrößten Hingabe der Filmmusik von GAINSBOURG – DER MANN, DER DIE FRAUEN LIEBTE. Untrennbar mit dem Film verbunden, umschmiegt sie die Handlung, drängt sie sich öfter in den Mittelpunkt, zeichnet sie dabei den stilistischen Werdegang Gainsbourgs vom klassischen Chanson zu Glamour, Rock, Disco und Reggae akkurat nach. Aber ebenso wenig wie der Film einfach nur das Leben des Chansoniers nacherzählen will, sondern ein Kunstwerk sein, das dem Porträtierten gerecht wird, genauso wenig ist der Soundtrack von GAINSBOURG eine konventionelle Best-Of-Veranstaltung. Produziert und betreut hat dieses musikalische Abenteuer der Komponist Olivier Daviaud. Daviaud co-komponierte den Song „De toi a moi“ aus dem 2005er Multi-Platin-Album „La femme chocolat“ von Olivia Ruiz. In Frankreich kennt man ihn durch seine Arbeit mit Jacques Higelin, Bénabar, Dionysus oder Tryo. Olivier Daviaud hat auch die Musik für den demnächst erscheinenden Film MIRAL von Julian Schnabel geschrieben (weibliche Hauptrolle: Freida Pinto aus „Slumdog Millionär“), wie auch für den französischen Animationsfilm „Le Chat du Rabbin“, das nächste große Feature von Joann Sfar. Für GAINSBOURG rekonstriert Daviaud die Pop-Ikone Gainsbourg wie in einem Puzzle. In einem für sich selbst stehenden Album hat er mit den Schauspielern (traditionell sind Schauspieler in Frankreich ja auch Popmusiker) neue Versionen der Gainsbourg-Klassiker eingespielt, hier und da ein paar Lichtgestalten der französischen Popszene dazu genommen, sie alle hauchen Gainsbourg neues Leben ein. Mit Demut habe er sich an die Filmmusik herangemacht, sagte Daviaud im Interview. Es war sein erster Soundtrack für einen Featurefilm, der handelte dann gleich von Serge Gainsbourg. Daviaud wollte sich der poetischen Vision des Regisseurs anschließen. „Joann (Sfar) entfernt sich nie groß von Serge, während er ihn die ganze Zeit neu erfindet. Ich fing die Songs im Film neu ein und ich komponierte um die Handlung, um das musikalische Universum Gainsbourgs herum: Russland, der Jazz der 1930er Jahre, klassische Musik...“ In seiner Strategie, aus der DNA dieser 21 Songs etwas Neues zu machen, brachte Daviaud die Schauspieler ganz nah an die Originalsongs heran, ohne sie Gainsbourg banal nachsingen zu lassen. Ein schmaler Grat, doch die Strategie ging hervorragend auf, etwa auf „Nazi Rock“, hier in der Version von Dionysus. Oder bei Sara Forestier mit France Galls „Baby Pop“. Oder Anna Mouglalis mit ihrer sinnlichen Interpretation von Juliette Gréco’s „Javanaise“. Der French-Rocker Nosfell macht auf seiner Version von „Love On The Beat“ den Serge. Die Reggaeband K2R Riddim bringt einen neuen Groove in „Aux armes et caetera“. „Ich wollte den Songs eine starke Identität geben“, kommentiert Daviaud. „Für „Nazi Rock“ brauchte ich eine Rock´n´Roll-Band, die Unbehagen stiftet, da fielen mir sofort Dionysus ein. Für „Love On The Beat“ brauchte ich eine menschliche Beatbox, Soundeffekte, wildes Miauen, in diese Kerbe schlagen Nosfell. K2R Riddim haben die beste Reggae-Rhyhmusgruppe in ganz Frankreich. Eine erste Version von „Aux armes...“ habe ich mit Tyrone Downie, dem Keyboarder von Bob Marley eingespielt.“ Emily Loizeau und Jeanne Cherhal klingen wie zwei überdrehte Teenies auf „Qui est

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"in", qui est "out". Laetitia Casta (als Brigitte Bardot) macht Klassikern wie „Comic Strip“ oder „Bonnie And Clyde“ alle Ehre. Jazz-Gitarrist Philippe Katherine (der im Film einen Gastauftritt als besoffener Boris Vian hat) begleitet Éric Elmosnino auf „Je bois versus Intoxicated Man“. Wo wir beim Star, eben nicht nur des Films, sondern auch des Soundtracks wären: Elmosnino hat nicht nur eine ähnlich packende „Gueule“, sprich Visage wie Gainsbourg. Ohne ihn zu kopieren, in ganz persönlichen Versionen bringt Elmosnino die Essenz des Dandys zwischen Fatalismus und Verletzlichkeit, Eleganz und Rebellion rüber. Die Musik von Brahms, Chopin und Beethoven, die Serge Gainsbourg so liebte – Daviaud hat sie in seinen Adaptionen betont. Etwa die Anlehnung an Dvoraks „Symphonie der Neuen Welt“ in „Initials BB“, richtig schön herausgekitzelt in der Interpretation des bulgarischen Symphonieorchesters von „Initials BB“ auf dem Album. Auf Augenhöhe mit den Originalen mussten diese Re-Interpretationen stehen, denn hier und da taucht auf dem Soundtrack auch ein echter Gainsbourg auf, etwa das unvermeidliche „Je t’aime … moi non plus“ („unantastbar“, so Daviaud), dem Gonzales dann auf einem instrumentalen Track nachspürt. Wie passend, hat der in Paris lebende kanadische Pianist ja nicht nur Leslie Feist produziert, sondern auch auf den jüngeren Alben von Jane Birkin mitgewirkt. Tracklisting: 01. Taxi 69 - Albin De La Simone (1:15) 02. Nazi Rock - Éric Elmosnino (2:47) 03. Je Bois Versus Intoxicated Man - Éric Elmosnino (2:50) 04. La Javanaise (Chez Gréco) - Anna Mouglalis (2:13) 05. Elaeudanla Téitéia - Éric Elmosnino (1:31) 06. Je t’aime … moi non plus - Serge Gainsbourg (4:22) 07. Chez Dali - Bulgarian Symphony Orchestra (1:13) 08. Parce Que (Pour Elisabeth) - Éric Elmosnino (1:23) 09. Qui Est "In" Qui Est "Out" - Emily Loizeau (2:24) 10. Baby Pop - Sara Forestier (3:44) 11. Le Poinçonneur Des Lilas - Jean-Yves Lacombe (2:43) 12. Le Canari Est Sur Le Balcon - Éric Elmosnino (1:48) 13. L'Hôtel Particulier - Éric Elmosnino (4:19) 14. Le Salon De Coiffure - Olivier Daviaud (2:49) 15. Initials BB - Bulgarian Symphony Orchestra (0:50) 16. Bonnie And Clyde - Laetitia Casta (1:32) 17. Comic Strip - Laetitia Casta (1:52) 18. Gainsbourg Cherche „Je t’aime … moi non plus" - Gonzales (0:53) 19. Aux Armes Et Caetera - Éric Elmosnino (3:11) 20. Love On The Beat - Éric Elmosnino (2:59) 21. La Valse De Von Paulus - Bulgarian Symphony Orchestra (2:05)

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AUSGEWÄHLTE PRESSESTIMMEN Einer der kühnsten Filme des Jahres. (…) Éric Elmosnino erweckt den Künstler auf brillante Weise zum Leben.

(Le Figaroscope)

Diesem hervorragenden Spielfilm gelingt etwas sehr Schwieriges: Von einem Idol zu erzählen und dabei zugleich neue Wege zu beschreiten.

(Le Parisien)

Ein ultrapersönliches Biopic; dieser Film ist elegant und spritzig, spielerisch und ernst, schwer und leicht zugleich, wie Gainsbourg es auch war. (…) Ein totaler Erfolg.

(Les Inrockuptibles)

Aus den ersten zwei Dritteln dieses heroischen Lebens macht Sfar eine verblüffende und fesselnde Erzählung, die uns dieses eine Mal glauben lässt, dass der Comic und das Kino sich etwas zu sagen haben.

(Le Monde)

Ein schöner Autorenfilm, elegant und entspannt zugleich, ein bisschen wie ein Dreitagebart.

(Paris Match) Der fantasievolle Stil rechtfertigt die Bezeichnung als Märchen, und man spürt, dass der Autor in seinem Element ist.

(L'Humanité)

Was nur ein klassisches Biopic hätte werden können, entpuppt sich als eine Ode an den Künstler.

(20 Minutes) Der Film ist spielerisch, grafisch, phantasmagorisch, häufig bewegend und auf jeden Fall niemals reißerisch oder anstößig.

(Marianne)

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HINTERGRUNDINFORMATIONEN Wer nicht provoziert, hat nichts zu sagen. (Serge Gainsbourg) SERGE GAINSBOURG. FÜR EINE HANDVOLL GITANES Biographie von Sylvie Simmons: Mit einem Vorwort von Jane Birkin und über 60 Abbildungen. Auch mehr als 15 Jahre nach seinem Tod ist und bleibt Serge Gainsbourg das größte Genie des französischen Pop. Obwohl er auch außerhalb Frankreichs in den letzten Jahren einen stetig wachsenden Kultstatus erlangt hat, verbindet man mit seinem Namen in der Öffentlichkeit allenfalls den Hit „Je t'aime, moi non plus“ und eine Anzahl von Skandalen und Affären. Höchste Zeit, Serge Gainsbourg auch in Deutschland endlich entsprechend zu würdigen. Einen wichtigen Schritt in diese Richtung unternimmt die erste und immer noch einzige deutschsprachige Biografie „Für eine Handvoll Gitanes“ von Sylvie Simmons. Die Autorin gewährt dem Leser Einblick in das vielschichtige Lebenswerk des Sängers, Texters, Komponisten, Schauspielers, Regisseurs, Werbefilmers, Schriftstellers und Provokateurs. Sie entfaltet das öffentliche und private Leben eines Getriebenen. Der Bogen spannt sich von den Erlebnissen als Kind einer russisch-jüdischen Familie im Frankreich der NS-Besatzungszeit bis zu den Skandalauftritten, die seinen letzten Lebensabschnitt überschatteten. Zu Wort kommen wichtige Menschen aus dem Privatleben und dem kreativen Umfeld des Ausnahmekünstlers, allen voran Jane Birkin, seine Tochter Charlotte, sein Produzent Philippe Lerichomme, Musiker wie Sly & Robbie, Marianne Faithfull und Alan Hawkshaw, aber auch Fans und Bewunderer wie Beck oder Nicolas Godin von der französischen Popgruppe Air. Das Buch enthält 60 Fotografien und Abbildungen, sowie umfangreiche Disko-, Filmo- und Bibliografien. Autorin Sylvie Simmons ist eine der bekanntesten Musikjournalistinnen Großbritanniens. In den späten 1970er Jahren begab sie sich auf eine musikalische Pilgerreise nach Los Angeles, wo sie als Korrespondentin für britische Musikzeitschriften begann. Ihre Interviews und Artikel erschienen in zahllosen Büchern und Zeitschriften. Die faszinierendste Musikerbiografie des Jahres.

(The Independent on Sunday) Eine wundervolle Einführung in das Leben eines der unterschätztesten Künstler des 20. Jahrhunderts.

(The Times)

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DAS HEROISCHE LEBEN DES EVGENIJ SOKOLOV Ein Roman von Serge Gainsbourg Mit einem Vorwort von Bela B. Ein herzzerreissend komisches Buch – Grosses Kino! Wie die Songs, die Serge Gainsbourg für Brigitte Bardot und Jane Birkin geschrieben hat, ist auch sein einziger Roman provokant, aufrichtig und sehr komisch: die Geschichte vom Aufstieg und Fall des Malers Evgenij Sokolov, dessen künstlerischer Erfolg aus einem pathologischen Leiden erwächst. Gainsbourgs Roman liegt nun seit 25 Jahren zum ersten Mal wieder auf Deutsch vor: eine bösartige Abrechnung mit dem Kunstbetrieb und eine zugleich komische und traurige Geschichte über die Lust und die Angst, die intimsten Leiden zu einem öffentlichen Spektakel zu machen. Und so auch ein Roman über den Autor selbst und die Probleme, die es mit sich bringt, ein Enfant terrible zu sein. Der wahre Meister der peristaltischen Prosa.

(FAZ) In epischer Genauigkeit von der Wiege bis zur Bahre sämtliche Stationen aus Glück und Elend, Aufstieg und Fall einer Künstlerexistenz ab, die aus ihrer Malaise ein Meisterwerk macht.

(Deutschlandradio Kultur) Ein Geniestreich.

(Bela B.) Dreißig Jahre vor Charlotte Roche erzählte der größte Komponist aller Zeiten, dass auch ein Arschloch schön sein kann, und schrieb darüber diesen soooo traurigen Roman.

(Maxim Biller, FAS)

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