1
16 Blaulicht 10-2015 AKTUELLES Aktuelles kommentiert Gefährlicher Abfall! DR. OTTO WIDETSCHEK Am 29. August 2015 ist es in der idyllischen Marktgemeinde Wildon zu einem Großbrand gekom- men, der die Öffentlichkeit aufge- schreckt hat: Kilometerweit war eine schwarze Rauchsäule über der Recy- clingfirma Ecoplast zu sehen, welche sich rasch ausbreitete. Nach Mittei- lung der Brandverhütungsstelle für Steiermark war dies bereits der vier- te Brand im laufenden Jahr in einer derartigen Anlage für Plastikabfälle. Warum kommt es dazu? HEIZWERTREICHE ABFÄLLE In einer umfassenden Studie des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Was- serwirtschaft wurden im Jahre 2007 die Anforderungen an die Zwi- schenlagerung von heizwertreichen HOHE BRANDLASTEN Es ist heute schon eine Binsenweis- heit, dass Kunststoffe einen hohen Heizwert besitzen. So erzeugt 1 Ki- logramm Polyethylen bei der Ver- brennung eine Energie von 46 MJ (MJ = Mega-Joule = 1 Million Joule), Polystyrol etwa 42 MJ und Polyvinylchlorid (weich) an die 30 MJ. Dies sind unerhört große Energiewerte, denn im Vergleich dazu produziert 1 Kilogramm Holz „nur“ etwa 15 MJ. Daraus resultie- ren im Brandfall jedoch große Ge- fahren im Feuerwehreinsatz. Ja, und viele dieser Plaste können ab- schmelzen und bilden dabei einen gefährlichen Flüssigkeitsbrand. TOXISCHE BRANDGASE Immer wieder wird nach derartigen Bränden die Meinung vertreten, dass der in großen Mengen entste- hende Brandrauch nur unwesentli- che Anteile an Giftstoffen enthält und daher keine Gefahr für die An- rainer darstellt. Dies ist natürlich ein aufgelegter Humbug! Denn je nach chemischer Zusammenset- zung können neben Kohlenmon- oxid (CO) auch Salzsäure (HCl), Brom- und Cyanwasserstoff (HBr und HCN), polyzyklisch aromati- sche Kohlenwasserstoffe (PAK) und andere toxische Substanzen, wie Dioxine und Furane, etc. ent- stehen. Denn spätestens seit dem Großbrand von Lengerich bei Münster (Nordrhein-Westfalen) im Jahre 1992, bei welchem etwa 2.500 Tonnen Kunststoffe verbrannten, wissen wir dies ganz genau. Natür- lich werden die giftigen Schadstoffe mit der Entfernung vom Brandort verdünnt und damit in ihrer Aus- wirkung ungefährlicher. Vor allem wenn – wie in Wildon – ein inten- sives Großfeuer vorhanden ist, wer- den sie glücklicherweise sehr hoch in die Atmosphäre getragen, wo sie biologisch nicht unmittelbar wirk- sam werden können. PHÄNOMEN SELBSTENTZÜNDUNG Die Brände haben stets verschiede- ne Ursachen, doch eine fällt beson- ders ins Auge: die Selbstentzün- dung von Kunststoffabfällen, welche auch im vorliegenden Fall der Auslöser für den Großbrand ge- wesen sein soll. Dazu muss man einmal feststellen, dass gerade in Abfalllagern für die Entstehung und Entwicklung eines Brandes gute Voraussetzungen gege- ben sind. Das Material liegt meist in zerkleinerter Form vor (große innere Oberfläche) und ist auch noch stark verunreinigt. Es bedarf nun nur mehr einer „Initialzündung“, bis das Material anfängt, selbst zu brennen. Die Zündung kann dabei – wie dem Artikel von Pölzl in dieser Ausgabe zu entnehmen ist – durch die Um- gebungstemperatur, die Isolierungs- wirkung des Materials (es wird dabei ein Wärmestau im Schüttkegel be- wirkt) und durch chemische, mikro- biologische oder physikalische Vor- gänge ausgelöst werden. WELCHE MASSNAHMEN? Zusammenfassend kann gesagt wer- den: Um Brände von heizwertrei- chen Abfällen möglichst zu vermei- den, sind innerbetrieblich sowohl technische als auch organisatorische Maßnahmen erforderlich. So kann man beispielsweise die Temperatu- ren in den Ballen mit den bekannten Heusonden messen, Rauchverbote erlassen, Feuer- und Heißarbeiten konsequent überwachen, Brand- schutzkontrollen durchführen und elementare Ordnungsprinzipien ein- halten. Damit kann brandgefährli- cher Abfall einigermaßen entschärft werden. Und das alles sind auch Maßnahmen des Betriebsbrand- schutzes, um der Feuerwehr ihre Arbeit im Ernstfall zu erleichtern! Literaturhinweise Brandvorbeugung am Beispiel Recy- clingbetrieb; Sicherheitsberater 10/2015. HOLZER C. u.a.: Anforderungen an die Zwischenlagerung von heiz- wertreichen Abfällen; www.lebens- ministerium.at, 2007. WIDETSCHEK O.: Großbrand in einem Kunststoff-Recyclingbetrieb in Lengerich; BLAULICHT 7/1993. Sind diese Rauchwal- zen ungiftig? Quelle: Christophorus 12 Abfällen festgelegt. Darunter ver- steht man die Abfallprodukte von Rest-, Sperr- und Gewerbemüll so- wie verschiedener Kunststoffver- packungen. Vor allem die diversen Kunststoffabfälle spielen dabei eine große Rolle, da sie einen hohen Heizwert besitzen. DREI THEMENBEREICHE Im Zusammenhang mit heiz- wertreichen Abfällen spielen vor al- lem drei Themenbereiche eine wichtige und auch für die Feuer- wehren interessante Rolle. Es sind dies • die Gefahren durch hohe Brand- lasten, • die mögliche Bildung von Schad- stoffen im Brandrauch und • die Brandursachen und im Be- sonderen das Phänomen der Selbstentzündung.

Gefährlicher Abfall! · elementare Ordnungsprinzipien ein-halten. Damit kann brandgefährli-cher Abfall einigermaßen entschärft werden. Und das alles sind auch Maßnahmen des Betriebsbrand-schutzes,

  • Upload
    others

  • View
    2

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Gefährlicher Abfall! · elementare Ordnungsprinzipien ein-halten. Damit kann brandgefährli-cher Abfall einigermaßen entschärft werden. Und das alles sind auch Maßnahmen des Betriebsbrand-schutzes,

16 Blaulicht 10-2015

AKTUELLES

Aktuelles kommentiertGefährlicher Abfall!

DR. OTTO WIDETSCHEK

Am 29. August 2015 ist es in der idyllischen Marktgemeinde

Wildon zu einem Großbrand gekom-men, der die Öffentlichkeit aufge-schreckt hat: Kilometerweit war eine schwarze Rauchsäule über der Recy-clingfirma Ecoplast zu sehen, welche sich rasch ausbreitete. Nach Mittei-lung der Brandverhütungsstelle für Steiermark war dies bereits der vier-te Brand im laufenden Jahr in einer derartigen Anlage für Plastikabfälle. Warum kommt es dazu?

HEIZWERTREICHE ABFÄLLEIn einer umfassenden Studie des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Was-serwirtschaft wurden im Jahre 2007 die Anforderungen an die Zwi-schenlagerung von heizwertreichen

HOHE BRANDLASTENEs ist heute schon eine Binsenweis-heit, dass Kunststoffe einen hohen Heizwert besitzen. So erzeugt 1 Ki-logramm Polyethylen bei der Ver-brennung eine Energie von 46 MJ (MJ = Mega-Joule = 1 Million Joule), Polystyrol etwa 42 MJ und Polyvinylchlorid (weich) an die 30 MJ. Dies sind unerhört große Energiewerte, denn im Vergleich dazu produziert 1 Kilogramm Holz „nur“ etwa 15 MJ. Daraus resultie-ren im Brandfall jedoch große Ge-fahren im Feuerwehreinsatz. Ja, und viele dieser Plaste können ab-schmelzen und bilden dabei einen gefährlichen Flüssigkeitsbrand.

TOXISCHE BRANDGASEImmer wieder wird nach derartigen Bränden die Meinung vertreten, dass der in großen Mengen entste-hende Brandrauch nur unwesentli-che Anteile an Giftstoffen enthält und daher keine Gefahr für die An-rainer darstellt. Dies ist natürlich ein aufgelegter Humbug! Denn je nach chemischer Zusammenset-zung können neben Kohlenmon-oxid (CO) auch Salzsäure (HCl), Brom- und Cyanwasserstoff (HBr und HCN), polyzyklisch aromati-sche Kohlenwasserstoffe (PAK) und andere toxische Substanzen, wie Dioxine und Furane, etc. ent-stehen. Denn spätestens seit dem Großbrand von Lengerich bei Münster (Nordrhein-Westfalen) im Jahre 1992, bei welchem etwa 2.500 Tonnen Kunststoffe verbrannten, wissen wir dies ganz genau. Natür-lich werden die giftigen Schadstoffe mit der Entfernung vom Brandort verdünnt und damit in ihrer Aus-wirkung ungefährlicher. Vor allem wenn – wie in Wildon – ein inten-sives Großfeuer vorhanden ist, wer-den sie glücklicherweise sehr hoch in die Atmosphäre getragen, wo sie biologisch nicht unmittelbar wirk-sam werden können.

PHÄNOMEN SELBSTENTZÜNDUNGDie Brände haben stets verschiede-ne Ursachen, doch eine fällt beson-ders ins Auge: die Selbstentzün-dung von Kunststoffabfällen,

welche auch im vorliegenden Fall der Auslöser für den Großbrand ge-wesen sein soll. Dazu muss man einmal feststellen, dass gerade in Abfalllagern für die Entstehung und Entwicklung eines Brandes gute Voraussetzungen gege-ben sind. Das Material liegt meist in zerkleinerter Form vor (große innere Oberfläche) und ist auch noch stark verunreinigt. Es bedarf nun nur mehr einer „Initialzündung“, bis das Material anfängt, selbst zu brennen. Die Zündung kann dabei – wie dem Artikel von Pölzl in dieser Ausgabe zu entnehmen ist – durch die Um-gebungstemperatur, die Isolierungs-wirkung des Materials (es wird dabei ein Wärmestau im Schüttkegel be-wirkt) und durch chemische, mikro-biologische oder physikalische Vor-gänge ausgelöst werden.

WELCHE MASSNAHMEN?Zusammenfassend kann gesagt wer-den: Um Brände von heizwertrei-chen Abfällen möglichst zu vermei-den, sind innerbetrieblich sowohl technische als auch organisatorische Maßnahmen erforderlich. So kann man beispielsweise die Temperatu-ren in den Ballen mit den bekannten Heusonden messen, Rauchverbote erlassen, Feuer- und Heißarbeiten konsequent überwachen, Brand-schutzkontrollen durchführen und elementare Ordnungsprinzipien ein-halten. Damit kann brandgefährli-cher Abfall einigermaßen entschärft werden. Und das alles sind auch Maßnahmen des Betriebsbrand-schutzes, um der Feuerwehr ihre Arbeit im Ernstfall zu erleichtern!

Literaturhinweise

Brandvorbeugung am Beispiel Recy-clingbetrieb; Sicherheitsberater 10/2015.

HOLZER C. u.a.: Anforderungen an die Zwischenlagerung von heiz-wertreichen Abfällen; www.lebens-ministerium.at, 2007.

WIDETSCHEK O.: Großbrand in einem Kunststoff-Recyclingbetrieb in Lengerich; BLAULICHT 7/1993.

Sind diese Rauchwal-

zen ungiftig? Quelle:

Christophorus 12

Abfällen festgelegt. Darunter ver-steht man die Abfallprodukte von Rest-, Sperr- und Gewerbemüll so-wie verschiedener Kunststoffver-packungen. Vor allem die diversen Kunststoffabfälle spielen dabei eine große Rolle, da sie einen hohen Heizwert besitzen.

DREI THEMENBEREICHEIm Zusammenhang mit heiz-wertreichen Abfällen spielen vor al-lem drei Themenbereiche eine wichtige und auch für die Feuer-wehren interessante Rolle. Es sind dies

• die Gefahren durch hohe Brand-lasten,

• die mögliche Bildung von Schad-stoffen im Brandrauch und

• die Brandursachen und im Be-sonderen das Phänomen der Selbstentzündung.

WWW.JOLLYSCARPE.COM FEEL THE EVOLUTION

CROSSTECH® MEMBRANE DER NEUESTEN GENERATIONASYMMETRISCHE ZEHENSCHUTZKAPPE MIT ERWEITERTEM SCHUTZBEREICHNAHTSCHUTZ AN VORDER- UND HINTERKAPPE (KANN NICHT AUFGERIEBEN WERDEN)REISSVERSCHLUSSSCHLITTEN EINFACH ZU WECHSELN

+ + + +

3D KNÖCHELSCHUTZ MIT MEMORYSCHAUMSTOFFDURCHTRITTSCHUTZ METALLFREI BIS 2000 NEWTONFUNKTIONIERENDE BEUGEZONEN

+ + +

FIRE GUARD SLARTIKEL 9300

JETZT IM GUTEN FACHHANDEL!