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GendertrainingWie geschlechtergerecht ist die Sozialpolitik?
19. bis 21. Februar 2010
Ist die Pflege weiblich?
Wie männlich
ist Pflege?
GendertrainingWie geschlechtergerecht ist die Sozialpolitik?
19. bis 21. Februar 2010
Die besondere Qualität der Pflegearbeit
• Pflege von Angehörigen ist mit Kindererziehung nur bedingt vergleichbar. Denn Pflegenotwendigkeit …
... ist schlecht planbar, meist aber zunehmend.
... verlangt oftmals einen kurzfristigen Bedarf an zusätzlichen Zeitressourcen
... bedeutet eine gravierende Umstellung im Leben mit PartnerIn, Verwandten, nahen Bekannten und NachbarInnen
... erfordert Abstimmung mit Pflegediensten
... führt zu steigenden physischen und psychischen Belastungen
GendertrainingWie geschlechtergerecht ist die Sozialpolitik?
19. bis 21. Februar 2010
Übersicht Definition gesellschaftliche Rahmenbedingungen Umfang der häuslichen Pflegearbeit wird unterschätzt Geschlechtliche Ungleichheit bei Pflegenden und bei
Gepflegten Pflegeversicherung stabilisiert die
Geschlechterhierarchien Professionelle Pflege ist durch Geschlechterhierarchien
gekennzeichnet Zusammenfassung und Ausblick
Häusliche Pflege und Erwerbsarbeit tarifpolitisch gestalten
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19. bis 21. Februar 2010
Definition des Begriffs „Pflege“• bezahlte und unbezahlte Arbeit, die in der
Fürsorge für Abhängige (sei es wegen Alter, Krankheit oder Behinderung) besteht.
• Politische Steuerung: – des Umfangs, der Art und Weise der Pflege-
Arbeit– wer die Verantwortung für diese Arbeit
trägt (privat oder öffentlich), – über die Form der Bezahlung oder
Nichtbezahlung, – über die Rechte der Pflegenden und der
Pflegebedürftigen
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19. bis 21. Februar 2010
gesellschaftliche Rahmenbedingungen zunehmende Erwerbsarbeit von Frauen in jedem Alter, Verstärkung des
Problems der Doppelbelastung durch Pflege und Erwerbsarbeit und private Pflegearbeit wird nicht mehr wie früher durch ehelichen Unterhalt finanziert
Zunahme der Anforderungen an Mobilität und Flexibilität in der Erwerbsarbeit an Frauen und Männer macht tagtägliche Betreuung von Pflegebedürftigen an einem Ort zu bestimmten Zeiten immer schwieriger.
weitere Abnahme der niedrigen Geburtenrate und Zunahme Kinderloser, private Pflegearbeit wird nicht mehr in familiären Bindungen garantiert
Das Anwachsen der Anzahl der Pflegebedürftigen Singularisierung, Entfamilialisierung und soziale Isolierung: unfreiwilliges
„Singledasein“ im zunehmenden Lebensalter durch Verwitwung oder Trennung, Verwandtschafts- und Kontaktnetze des gestorbenen Ehepartners entfallen, ältere bzw. gleichaltrige Familienmitglieder und Freunde sterben, und soziale Kontakte sind bei Krankheiten und Behinderungen schwerer aufrecht zu erhalten.
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gesellschaftliche Rahmenbedingungen• Zahl der älteren Menschen (60 Jahre und älter) 2005 ca. 20,5 Millionen, 2030 ca.
28,5 Mio. • Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung ca. 25% (2005), ca. 36% im Jahr
2030• Lebenserwartung neugeborener Junge 75,9 Jahre, neugeborenes Mädchen 81,5
Jahre. Die fernere Lebenserwartung im Alter von 60 Jahren beträgt für Männer 20,0 Jahre, für Frauen 2 4,1 Jahre.
• Risiko der Pflegebedürftigkeit stark altersabhängig: • vor dem 60. Lebensjahr ca. 0,6% liegt, zwischen dem 60. und 80. Lebensjahr 3,9%,
nach dem 80. Lebensjahr 28,3%. • prognostizierte Zunahme der Pflegebedürftigen in der Pflegeversicherung von 1,97
Mio. (2006) über 2,13 Mio. (2010) und 2,64 Mio. (2020) auf 3,09 Mio. (2030)• ab dem 80. Lebensjahr sind Frauen wesentlich häufiger pflegebedürftig als Männer,
bei den 90- bis unter 95-jährigen Frauen liegt die Pflegequote mit 66% gegenüber den gleichaltrigen Männern, die auf 44% kommen.
• Frauen stellen bei Pflegenden undPflegebedürftigen quantitative Mehrheit
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Geschlechtergerechte Teilhabe im Pflegesystem?
• professionell geleistete Arbeit ist unterbezahlt
• Vielzahl prekärer Arbeitsverhältnisse, von Teilzeit bis zum Minijob• Frauen pflegen häufiger als Männer
(Die familiäre Verpflichtung als Partnerin, als Tochter oder Schwiegertochter ist stärker als die der Männer, die allenfalls als Partner pflegen.)
• Frauen geben ihre Erwerbsarbeit zur Pflege eher auf als Männer, Männer betreiben eher ein Pflegemanagement.
• Frauen arbeiten eher Teilzeit, um Erwerbsarbeit und Pflegearbeit zu vereinbaren. Sie begeben sich dadurch eher in finanzielle Abhängigkeit.
• Aufgrund des höheren Lebensalters des Partners und dessen geringerer Lebenserwartung ist für Frauen die Wahrscheinlichkeit viel höher, dass sie bei Pflegebedürftigkeit alleine leben und nicht auf einen pflegenden Partner rechnen können, wie dies umgekehrt für Partner eher der Fall ist.
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Der Umfang der häuslichen Pflegearbeit wirdim extremen Maße unterschätzt
• Pflegestatistik ist in einem soziologischen Sinne „individualisiert“, insofern sie nur Pflegebedürftige und Pflegepersonen kennt, aber keine „Pflegebeziehung“
• Soziale Form der häuslich-familiären Pflege nicht in der amtlichen Berichterstattung (das „Pflegearrangement“ zwischen Pflegebedürftigen, pflegenden Angehörigen und professionellen Diensten)
• Erfassung „Hauptpflegepersonen“, nicht „Nebenpflegepersonen“ (kann dazu führen, dass der von Männern geleistete Beitrag in der häuslichen Pflege, der häufig in der Unterstützung der weiblichen Hauptpflegeperson liegt, unterschätzt wird)
• statistische Aufgliederung der Hauptpflegepersonen nach Beziehung und Geschlecht unvollständig(Während zwischen Vater und Mutter sowie (Schwieger-) Töchtern und (Schwieger)-Söhnen differenziert wird, werden (Ehe-)Partner, Enkelkinder, weitere Verwandte und Freunde, Nachbarn und Bekannte, nicht nach Geschlecht getrennt betrachtet)
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Der Umfang der häuslichen Pflegearbeit wird im extremen Maße unterschätzt
• Inanspruchnahme und Leistungsfähigkeit häuslich-familiärer Pflegearrangements hängen von sozialen Faktoren ab
• ältere Menschen pflegen noch ältere Menschen, Anteil an jüngeren Hauptpflegepersonen rückläufig
• Doppelbelastungen bei gleichzeitiger Sorgearbeit für Kinder/Jugendliche und ältere Personen
• Anteil der Männer an den Hauptpflegepersonen gestiegen, vor allem der Anteil der pflegenden Söhne
• männliche Hauptpflegepersonen vor allem dort, wo mehrere Helfer und/oder professionelle Hilfen in das Pflegearrangement eingebunden und stärker die Rolle des Pflegemanagements übernehmend („indirekte Pflege“)
• Partner(innen)pflege zurückgegangen, Pflege durch Kinder gestiegen, Zuwachs an Söhnen als Hauptpflegepersonen
• Anteil an nichtfamiliären Hauptpflegepersonen (Freunde, Bekannte, Nachbarn) gestiegen.
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Der Umfang der häuslichen Pflegearbeit wird im extremen Maße unterschätzt
• Mittelwerte für geleisteten täglichen Gesamtaufwand:– 4,2 Stunden in Pflegestufe 1,
– 6,1 Stunden in Pflegestufe 2
– 7,7 Stunden in Pflegestufe 3,
wobei individuellen Angaben abhängig von Pflegestufe, Art des Pflegebedarfs, Art der Beziehung und der räumlichen Nähe
• durchschnittliche Zeitaufwand für Betreuung hilfs- und pflegebedürftiger Menschen: 81 Stunden pro Monat (Männer 84 h, Frauen 79 h)
• durchschnittliche Zeitaufwand bei den 70–85jährigen mit 115 Stunden (Frauen: 119, Männer: 104)
• bei den 40–54jährigen 54 Stunden (Frauen: 62, Männer: 42), betreuen vor allem hilfs- und pflegebedürftige (Schwieger-)Eltern.
• Männer pflegen zwar etwas seltener als Frauen, aber dann mit vergleichbaren Zeitaufwand.
• Männer erhalten mehr Hilfe und Pflege als Frauen, bei Männern vorwiegend von ihren Ehefrauen erbracht, bei Frauen von ihren Töchtern bzw. Schwiegertöchtern.
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Die Vereinbarkeit von Erwerbstätigkeit und Pflege
• Hauptpflegepersonen verbinden Sorgearbeit selten mit beruflicher Tätigkeit, Hälfte von ihnen zu Beginn der Pflegetätigkeit nicht erwerbstätig, die eigene Erwerbstätigkeit im Zuge der Pflege eingeschränkt oder aufgegeben
• wachsender Anteil der privaten Hauptpflegepersonen mit eigener Berufstätigkeit (1991: 18%, 2002: 23%)
• vorliegende Daten differenzieren nicht nach Voll- und Teilzeitstellen oder Geschlecht
• Grundsatz der Pflegeversicherung „ambulant vor stationär“ setzt auf (zumeist weibliche) häusliche Pflegebereitschaft, unterstützt einen Lebensentwurf mit traditioneller Rollenverteilung zwischen „männlichen Haupternährern“ und „weiblichen Hauptpflegepersonen“
• Anteil der sozialen Milieus mit höchster Bereitschaft zur häuslichen Angehörigenpflege nehmen immer weiter ab, berufliche Pflege durch ambulante Dienste und Heimen immer wichtiger
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Gesundheitliche Belastungen der Hauptpflegepersonen
• geschlechtsspezifisch unterschiedliche gesundheitliche und soziale Belastungen durch Übernahme einer informellen Hauptpflegetätigkeit
• Studie über die Belastung pflegender Angehöriger Demenzkranker:o Frauen empfinden sich im Vergleich zu den Männern als subjektiv
höher belasteto unterschiedliche Reaktionen der sozialen Umwelt:
Geschlechtsrollenkonform und Selbstverständlichkeit versus große soziale Anerkennung
o Konfliktpotenzial Vereinbarkeit von Pflegeaufgaben und weiteren familiären Verpflichtungen
o größere persönliche Einschränkungen
o Belastung pflegende Angehörige im selben Haushalt wie gepflegte Person
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Die geschlechtliche Ungleichheit zeigt sich bei den Pflegenden und bei Gepflegten
Zwei Drittel der unbezahlten Pflegearbeiten werden von Frauen, ein Drittel von Männern geleistet.
90 Prozent der über die Pflegeversicherung sozialversicherten Pflegepersonen sind Frauen.
Anteil der Männer an den Hauptpflegepersonen gestiegen, übernehmen eher Pflegemanagementaufgaben
gesellschaftliche Tabuisierung der weiblichen Sorgearbeit für Pflegebedürftige führt zur Geringschätzung der „atypischen“ Pflegeleistung der Männer
Alte und hochaltrige Männer verfügen in der Regel über Partnerinnen, die sie pflegen, alten und hochaltrigen Frauen fehlt in der Regel dieser Partner, weil er oft bereits verstorben ist.
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Die geschlechtliche Ungleichheit zeigt sich bei den Pflegenden und bei Gepflegten
• Männer pflegen aus Liebe (Partnerinnenpflege), weniger aus Pflichtgefühl
• Bei Schilderung ihrer Pflegetätigkeit Verwendung von Bildern und Begriffen aus ihrem Arbeitslebens
• Eignen sich spezielles Wissen an, notieren Beobachtungen, werten systematisch aus, setzen erworbene Wissen gegen das Fachwissen professioneller Pflegekräfte ein
• Selbstüberschätzung hinsichtlich ihrer eigenen emotionalen Belastung
• gezielt und planmäßig hergestellte außerhäusliche Verbindlichkeiten für Gesprächspartner
• Männer halten wenig von weiblich dominierten Angehörigengruppen oder Gesprächskreisen; Beistand und Unterstützung im Internet
• weitaus überwiegende Teil dieser männlichen Pflegearbeit in der Familie erfolgt erst im nachberuflichen Leben, also im Rentenalter
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Die geschlechtliche Ungleichheit zeigt sich bei den Pflegenden und bei Gepflegten
• Pflegeheim „Welt der Frauen“, in der klassische familiär-häusliche Rollenverteilung von versorgenden Frauen und umsorgten Männern reproduziert wird
• Feminisierung des Alters: Alte Frauen sind ...– überproportional stark von Armut und schlechten Wohnbedingungen betroffen– stärker von gesundheitlichen Einbußen betroffen, müssen damit im sehr hohen
Alter weitgehend allein zurechtkommen und sind bei Hilfe und Pflege eher auf Unterstützung durch Dritte angewiesen
• Deutung des verrentungs- bzw. pensionierungsbedingte Wechsel von Männern aus der männerdominierten öffentlichen Erwerbs- und Berufssphäre in die frauendominierte private Haushalts- und Familiensphäre
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Die Pflegeversicherung stabilisiert die Geschlechterhierarchien
Viele Regelungen setzen pflegende (weibliche) Familienangehörige voraus, zementieren geschlechtliche Arbeitsteilung (den männlichen Haupternährer und der Hausfrau und Mutter, später der weiblichen Hauptpflegeperson)
Subsidiaritätsprinzip in der Pflege führt zur Verstärkung der geschlechtsbezogenen Macht- und Ungleichheitsstrukturen
Trend zur professionellen Versorgung von pflegebedürftigen Menschen durch ambulante Dienste und in Pflegeheimen und rückläufiger Anteil reiner PflegegeldempfängerInnen steht in Widerspruch zum Vorrang der häuslich-familiären Betreuung
Pflegegeld keine Entlohnung, Anreiz zur privaten Pflegearbeit Spannung zwischen Qualitätsanforderungen und Wirtschaftlichkeitsgebot
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19. bis 21. Februar 2010
Professionelle Pflege ist durch Geschlechterhierarchien gekennzeichnet
direkte Pflege des Körpers ist weiblich, die Managementaufgaben in der Pflege sind männlich konnotiert und besetzt
Männer und Frauen, die in der Pflege arbeiten, leben mit Tücken und Schwierigkeiten kultureller Annahmen über Geschlechter, über Pflege und Arbeit der Pflegenden
Typische Merkmale für die Diskriminierung von Frauenarbeit: Unterbezahlter Qualifikationseinsatz bei extremer Belastung, Sackgassenberufe ohne Aufstiegsmöglichkeiten, Teilzeitarbeit, prekäre Beschäftigung, hohe Fluktuation bei den Beschäftigten, hohes Burn-out der Beschäftigten und die Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch Migrantinnen.
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Professionelle Pflege ist durch Geschlechterhierarchien gekennzeichnet
• Frauenanteil berufliche Pflege 88% ambulante Dienste, 85% stationärer Bereich
• patriarchale Dividende für Männer in der Pflege• Männer in der Pflege überwiegend zwischen 27 und 39 Jahre alt• Anteil der über 40-jährigen Frauen 95% • Altenpflege für Frauen nach der Erziehungsphase wieder bzw. neu
in ein berufliches Arbeitsverhältnis einsteigen • Karriereverlauf von Frauen behindernde Faktoren• förderliche Faktoren werden selten thematisiert.
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Professionelle Pflege ist durch Geschlechterhierarchien gekennzeichnet
„Pflege“ als ein dem weiblichen Geschlecht „von Natur aus“ zugehöriges Arbeitsvermögen
berufliche Pflege als weiblicher „Halbberuf“, eher Berufung denn Beruf; Motivation und Einstellung („ein gutes Herz haben“) wichtiger als dazugehörige Fachkompetenzen
Konnotation von Pflege als „weiblicher“ Tätigkeit (unabhängig vom biologischen Geschlecht der pflegenden Person)
Männliche Karrieren in der Altenpflege meist pflegefremd Unterordnung des Pflegesystems unter das medizinische System
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19. bis 21. Februar 2010
Professionelle Pflege ist durch Geschlechterhierarchien gekennzeichnet
• pflegebedürftige Männer und Frauen werden zu geschlechtsneutralen Objekten von Pflege und Betreuung,
• „Mütterlichkeit“ als Pflegeressource trägt zu Infantilisierung und Entsexualisierung der BewohnerInnen bei
• direkter Kontakt mit Körperlichkeit und Sexualität der zu pflegenden Personen
• Pflegende üben „informelle Macht“ über Pflegebedürftige aus• Thematisierung stößt an soziale Grenzen
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19. bis 21. Februar 2010
Zusammenfassung und Ausblick• Pflegesystem ist fragil geworden• biografische Verortung weiblicher und männlicher
Angehörigenpflege im Lebenslauf zeigt den großen Einfluss, den materielle Grundlagen auf Pflegeentscheidungen in der Familie ausüben
• Pflegearbeit unter Geschlechterperspektive zu betrachten, heißt:1. Wissen und Daten generieren,
2. die Feminisierung der Pflegearbeit aufheben,
3. Pflegearbeit aus der Privatheit herausholen,
4. Pflegearbeit professionalisieren,
5. Umfang der Pflegearbeit durch Prophylaxe verringern.
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19. bis 21. Februar 2010
Feminisierung der Pflegearbeit aufhebenWas wäre konkret zu tun?
• Weder Männer noch Frauen stereotypisieren, wenn es um Pflege geht,
• mehr Praktika von Jungen und Männern im Pflegebereich,
• Männern, die pflegen wollen, Beratungsangebote im Betrieb machen,
• Pflegearbeit als Qualifizierung anerkennen,
• männliche Mentoren für Männer in der Pflege schaffen,
• Imagekampagnen in Schulen für Pflegeberufe für Männer durchführen.
• Parallelführung von Erwerbsarbeit und Pflege im Erwerbssystem ermöglichen:• Die Care Orientierung eines jeden Menschen muss in die betriebliche Kultur
implementiert werden, MitarbeiterInnen haben und sind Söhne und Töchter,
• kurzzeitige Freistellung bei Pflegeanforderungen ohne finanziellen Verlust ermöglichen, mindestens 10 Tage im Jahr aus der Pflegeversicherung bezahlen,
• Lohnfortzahlung in der Pflegezeit für alle Pflegenden gewähren,
• Rechtsanspruch auf Arbeitszeitreduzierung bei Pflegeanforderung verankern,
• Arbeitszeitflexibilisierung im Sinne der Beschäftigten bieten,
• logistische Unterstützung für pflegende Angehörige durch das Unternehmen anbieten.
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Pflegearbeit aus der Privatheit herausholenWas wäre konkret zu tun?
• Unterstützende Strukturen im Wohnumfeld schaffen• niedrigschwellige Dienstleistungen, bezahlbare Haushaltshilfen anbieten,• fachliche Anleitung für privat Pflegende durch Professionelle anbieten,• professionelle Dienste synchronisieren,• kleinräumige Versorgungsnetze aufbauen,• Runde Tische unter Einbezug der Pflegenden fördern,• systemübergreifendes Pflegemanagement etablieren,• Pflegende in die Entscheidung über die Angebote mit einbeziehen.• Innovative Ansätze gemeinsamen Wohnens verstärken, in die Regelförderung
aufnehmen • gute stationäre Einrichtungen schaffen, die in die Kommune eingebunden sind,• Pflegestützpunkte flächendeckend einrichten.• Ehrenamtliche Arbeit darf die professionelle Arbeit nicht ersetzen,• ehrenamtliche Arbeit muss anerkannt sein.
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Pflegearbeit professionalisierenWas wäre konkret zu tun?
• Eigenständigkeit und Wert der Pflege gegenüber der Medizin betonen und die Geschlechtskonnotationen abbauen (Pflege weiblich, Medizin männlich),
• Ausbildungsgänge bis hin zu universitärem Abschluss schaffen,
• die Ausbildung für Gesundheitsberufe modularisieren und die Pflegeausbildung integrieren,
• Image der Pflegeberufe verbessern,
• Geschlechtersensibilität in der Pflegearbeit vermitteln.
• Die professionelle Pflegearbeit diskriminierungsfrei, belastungsgerecht und leistungsgerecht, damit höher bezahlen, nicht nur im Mindestlohn,
• bessere Aufstiegschancen und Spezialisierungen sowie die Durchlässigkeit in den Berufen schaffen,
• Leistungen der Pflegeversicherung an die Qualität der Arbeit binden,
• obligatorische Supervision einführen.
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19. bis 21. Februar 2010
Umfang der Pflegearbeit durch Prophylaxe verringern
• Die geschlechtsbezogenen Armutsrisiken verhindern, denn Armut im Alter führt zu chronischen Erkrankungen und erhöhter Pflegebedürftigkeit: Besonders nicht/gering erwerbstätige Mütter, allein erziehende Mütter, Mütter mit 3 und mehr Kindern und von männlicher Gewalt betroffene Frauen sind armutsgefährdet.
• Die Vorsorgeorientierung vor allem bei Männern stärken, dem betrieblichen Gesundheitswesen eine gewichtigere Bedeutung zukommt
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19. bis 21. Februar 2010
geschlechtersensible (Alten-)Pflege
Entwicklung einer geschlechtersensiblen Altenpflege setzt voraus,
„dass man/frau die skizzierten geschlechterhierarchischen Grundstrukturen und Verhältnisse in ihrer Bedeutung für die Pflege in ihren unterschiedlichen Konstellationen zur Kenntnis nimmt, in ihrer Wirkungsweise erfasst und den überindividuellen Charakter erkennt“ (Backes 2005a, S. 376).
Dabei sollte die Wirkung, der sich über den Lebenslauf hinweg ausprägenden Geschlechterverhältnisse auf die Beziehungsdynamik, Handlungsspielräume und Belastungen innerhalb der privaten wie beruflichen Pflegesituation berücksichtigt werden. Dabei müssen auch die demographischen Entwicklungen, der Altersstrukturwandel und die normativen Veränderungen im Feld der Altenpflege beachtet werden.
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19. bis 21. Februar 2010
Häusliche Pflege und Erwerbsarbeit tarifpolitisch gestalten
Das 2008er Gesetz zur Pflegezeit stellt einen Fortschritt auf dem Weg zur besseren Vereinbarkeit von Erwerbs- und Pflegearbeit dar, ist aber auf dem halben Weg stehen geblieben – vor allem in drei Punkten:•AnspruchsberechtigungDas Gesetz schließt rund 6,5 Mio. Beschäftigte in 1,8 Mio. Betrieben mit weniger als in der Regel 15 Beschäftigten aus.•FinanzierungDie Pflegezeit muss von den Beschäftigten alleine finanziert werden. Bei der kurzzeitigen Arbeitsunterbrechung ist in der Regel kein Lohnausgleich vorgesehen.•Definition AngehörigeBegrenzung auf Verwandtschaftsverhältnisse
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TarifpolitischeHandlungsfelder (1)
• Ausweitung des persönlichen Geltungsbereichs auf nahe Bekannte• Unterstützungsleistungen wie kostenlose Dienstleistungsangebote,
Zuschüsse• Bei längeren Freistellungen Aus- und Wiedereinstiegsgespräche,
Recht auf betriebliche Fort- und Weiterbildung• Bei kurzzeitiger Arbeitsverhinderung: Ausweitung des Berechtigten-
kreises, Wiederholungsmöglichkeit, keine Anrechnung mit anderen tariflichen Freistellungsansprüchen, Nachweisverfahren regeln
• Bei längerer Freistellung: Berechtigtenkreis erweitern, Bestimmungen des Pflegegesetzes aufgreifen und präzisieren: Freistellung, Fristen, Nachweis, Ankündigung, Kombination von Pflegezeit mit Regelungen aus Manteltarifverträgen wie Beurlaubungen, Freistellungen und Arbeitszeitkonten festschreiben
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TarifpolitischeHandlungsfelder (2)
• Inanspruchnahme von Teilzeit bzw. Vollzeit light attraktiver machen: Gewährleistung und Förderung, Wahlarbeitszeit und Befristungsmöglichkeiten, Verhältnis zu Überstunden etc. klären, Recht auf Qualifikation und Fortbildung, teilzeitgerechte Arbeitsstruktur und Kommunikation, Arbeitgeberzuschuss, Aufstockung Beiträge zur Rentenversicherung durch Arbeitgeber
• Ausweitung des Kündigungsschutzes auf erweiterten Berechtigtenkreis
• Keine Verschlechterung von tariflichen Leistungen bei Unterbrechung und Reduzierung der Arbeitszeit
• Rückkehrrecht• Arbeitgeberbeteiligung bei betrieblicher Altersvorsorge,
Rentenbeiträge, Krankenversicherung
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Quellen
• „Gender in der Pflege – Herausforderungen für die Politik“, G. M. Backes, L. Amrhein, M. Wolfinger, Aug. 2008, FES WISO, Abt. Wirtschafts- und Sozialpolitik,
• „Wenn die Töchter nicht mehr Pflegen“, WISO Diskurs Sept. 2009, FES Abt. Wirtschafts- und Sozialpolitik, Werkstattbericht erstellt von Heike Gumpert,
• www.fes.de/wiso • https://arbeitszeit.verdi.de/material
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These 1• In der formellen und informellen Pflege-Arbeit besteht eine grundlegende Struktur der primären Zuweisung der Arbeit an Frauen und sekundären an Männer, die Ausdruck der hierarchischen geschlechterspezifischen Arbeitsteilung in unserer Gesellschaft sowie entsprechender institutioneller Strukturen, Interaktions-, Handlungs- bis hin zu Motivationsstrukturen ist.
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These 2
• Die Geschlechterverhältnisse in der Pflege sind wie in anderen gesellschaftlichen Bereichen hierarchisch strukturiert.
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These 3
• Hierarchische Geschlechterstrukturen verbinden sich mit anderen z.B. beruflichen (rechtliche und symbolische Herrschaft von Berufsgruppen) und sozialen Hierarchien und führen zu geschlechtsspezifischen Mustern der Kumulation bzw. Kombination von Bevor- und Benachteiligungen.
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These 4
• Diese Geschlechterstrukturen werden im beruflichen wie familiär-häuslichen Bereich im Lebensverlauf reproduziert und schlagen sich in einer gesellschaftlichen Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern („Geschlechter-verhältnisse“) und damit verbundenen geschlechtsvermittelten Lebenslagen nieder.
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These 5
• Sorge- und Pflegearbeit für ältere Menschen ist eine geschlechtsvermittelte Tätigkeits-form, d.h. die Definitionen und Bewertungen der Sorge- und Pflege-Arbeit erfolgen über interaktiv, institutionell und gesellschaftlich hergestellte Geschlechts-zuschreibungen und -darstellungen.
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These 6
• Geschlechterstrukturen in der Pflege sind nicht nur ein Resultat von bewussten Aushandlungs- und Definitionsprozessen, sondern entstehen auch als ungeplante und nicht-intendierte Folgen von sozialen Prozessen und von unbewußt-habitualisierten Verhaltensweisen.
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These 7• Die Sorge- und Pflegearbeit in Deutschland findet in männlich orientierten Lebenslauf-, Karriere- und Berufsstrukturen statt, die zur Diskriminierung von „abweichenden“ weiblichen und nicht dem männlichen Arbeits- und Lebenszusammenhängen folgenden Modell führen.
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„Die Gewohnheit ist die schlimmste aller Krankheiten, sie lässt uns alles hinnehmen, jedes Unglück, jede Belastung , jeden Schmerz. Aus Gewohnheit lebt man mit verhassten Menschen zusammen, lernt man in Ketten zu leben, Ungerechtigkeiten über sich ergehen zu lassen; man lernt zu leiden und sich mit allem abzufinden.“
Oriana Fallaci (1929-2006), italienische Journalistin und Schriftstellerin