Author
others
View
2
Download
0
Embed Size (px)
Generierung von gesättigten N-Heterozyklen
mit Iminreduktasen
Von der Fakultät 4: Energie-, Verfahrens- und Biotechnik der Universität Stuttgart genehmigte Abhandlung zur Erlangung der Würde eines
Doktors der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.)
Vorgelegt von
Niels Borlinghaus
aus Wuppertal
Hauptberichter: Prof. Dr. Bernhard Hauer
Mitberichter: Prof. Dr. Albert Jeltsch
Vorsitzender: Prof. Dr.-Ing. Ralf Takors
Tag der mündlichen Prüfung:
12.12.2019
Institut für Biochemie und Technische Biochemie
Abteilung Technische Biochemie
2019
II
III
Folgende Fachartikel wurden im Rahmen dieser Arbeit veröffentlicht:
M. Lenz, N. Borlinghaus, L. Weinmann, B. M. Nestl „Recent advances in imine reductase
catalyzed reactions.“ World J. Microbiol. Biotechnol. 2017, 33, 199.
N. Borlinghaus, B. M. Nestl „Switching the Cofactor Specificity of an Imine Reductase.“
ChemCatChem 2018, 10, 183–187.
N. Borlinghaus, S. Gergel, B. M. Nestl „Biocatalytic Access to Piperazines from Diamines
and Dicarbonyls.” ACS Catal. 2018, 8, 3727–3732.
A. Al-Shameri, N. Borlinghaus, L. Weinmann, P. N. Scheller, B. M. Nestl, L. Lauterbach
„Synthesis of N-heterocycles from diamines via H2-driven NADPH recycling in the presence
of O2.“ Green Chem. 2019, 21, 1396–1400.
N. Borlinghaus, L. Weinmann, F. Krimpzer, P. Scheller, A. Al-Shameri, L. Lauterbach,
A.-S. Coquel, C. Lattemann, B. Hauer, B. Nestl „Cascade biotransformation to access 3-
methylpiperidine in whole cells.“ ChemCatChem. 2019, 11, 5738– 5742.
N. Borlinghaus, S. Gergel, Bettina M. Nestl, F. Thol, H. Penders “Preparation of imine
reductases at 15L scale and their application in asymmetric piperazine synthesis”,
accepted book chapter for „Practical methods for Biocatalysis and Biotransformations 3”,
edited by J. Whittall and P. W. Sutton, published by Wiley-VCH.
N. Borlinghaus, B. M. Nestl „Reductive Hydrazinations with Imine Reductases”
Manuscript in preparation.
IV
V
I. Eidesstattliche Erklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit mit dem Titel „Generierung von
gesättigten N-Heterozyklen mit Iminreduktasen“ selbstständig verfasst habe, und dass
ich keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe. Alle
wörtlich oder sinngemäß aus anderen Werken übernommenen Aussagen sind als solche
gekennzeichnet worden. Des Weiteren bestätige ich, dass die vorgelegte Arbeit nicht in
gleicher oder ähnlicher Form bei einer anderen Institution zur Erlangung eines
akademischen Grades eingereicht wurde
I. Declaration of Authorship:
I hereby declare that the present thesis entitled “Generation of saturated N-Heterocycles
with imine reductases” is the result of my own work, that all sources used or quoted
have been indicated, and that I have not used any illegitimate means. I further declare
that I have not submitted this thesis for a degree in some form or another.
Korntal, 05.07.2019
Niels Borlinghaus
VI
II. Danksagung
An erster Stelle möchte ich mich bei Herr Prof. Dr. Bernhard Hauer bedanken, der
mich als Doktorand in seinen Arbeitskreis aufgenommen hat und mir die Bearbeitung
dieses spannenden Themas überlassen hat. Weiterhin möchte ich mich für die
Unterstützung und die Ermutigung während meiner Arbeit bedanken. Auch für die
vielen Freiheiten, die ich in meiner Forschung hatte, und das damit verbundene
Vertrauen, möchte ich mich bedanken.
Herrn Prof. Dr. Albert Jeltsch und Herrn Prof. Dr.-Ing. Ralf Takors danke ich herzlich
für die Übernahme des Zweitgutachters, bzw. für die Übernahme des
Prüfungsvorsitzenden.
Ganz besonders bedanken möchte ich mich bei Dr. Bettina Nestl für die hervorragende
Betreuung während meiner gesamten Zeit als Doktorand. Vor allem für die fachliche
Unterstützung und den Austausch über theoretische und praktische Fragestellungen,
sowie für die Überarbeitung von Manuskripten und die Überarbeitung dieser Arbeit
möchte ich mich herzlich bedanken. Danken möchte ich auch für deine ständige und
unermüdliche Motivation in allen Phasen dieses Projektes.
Ein weiterer Dank gilt Dr. Bernd Nebel für die fachliche Unterstützung bei analytischen
Fragestellungen, sowie für die Sicherstellung einer funktionierenden Analytik.
Bedanken möchte ich mich auch bei meinen Kooperationspartnern Dr. Oliver Lenz,
Dr. Lars Lauterbach und Ammar Al-Shameri an der TU Berlin. Hierbei möchte ich
mich vor allem für die enge und produktive Zusammenarbeit bedanken, sowie für den
fachlichen Austausch. Auch für die herzliche Aufnahme bei meinen Aufenthalten in
Berlin möchte ich mich bedanken.
Ein weiterer Dank geht an meine Kollegen aus dem IRED-Team (Maike Lenz, Philipp
Scheller, Leonie Weinmann und Bettina Nestl). Dies war eine sehr lehrreiche und
produktive Zusammenarbeit für mich.
Auch möchte ich mich bei den Kollegen des Rosalind-Franklin-Labors (Sebastian
Gergel, Benjamin Aberle, Ludwig Bengel, Maike Lenz, Julia Halder, Sara Hoffman,
Lars Hinner) für die freundschaftliche Arbeitsatmosphäre und die vielen fachlichen
Diskussionen bedanken.
VII
Darüber hinaus möchte ich mich bei allen Kolleginnen und Kollegen bedanken, mit
denen ich in den letzten drei Jahren zusammen arbeiten durfte. Bei euch bedanke ich
mich vor allem für die angenehme Atmosphäre und die Hilfsbereitschaft im Laboralltag,
sowie für die Bereitschaft sich jederzeit über fachliche und technische
Problemstellungen auszutauschen.
Bedanken möchte ich mich auch bei den Studenten Sebastian Gergel, Andreas Reichl,
Phillip Jegl und Steffen Bernhard, welche in verschieden Bereichen dieses Projektes
beteiligt waren und von mir betreut wurden.
Auch bedanken möchte ich mich bei der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) für
die finanzielle Unterstützung dieses Projektes.
Nicht zuletzt möchte ich mich bei meiner großartigen Frau Mareike bedanken, die mich
stets voll und ganz bei meiner Arbeit unterstützte.
VIII
III. Inhaltsverzeichnis
I. Eidesstattliche Erklärung ......................................................................................................................... V
II. Danksagung ................................................................................................................................................ VI
III. Inhaltsverzeichnis ............................................................................................................................... VIII
IV. Abkürzungsverzeichnis ..................................................................................................................... XIII
V. Zusammenfassung ................................................................................................................................. XIV
V. Abstract .................................................................................................................................................... XVII
1. Einleitung ................................................................................................................................................. 1
1.1. Biokatalyse ....................................................................................................................................... 1
1.2. N-Heterozyklen .............................................................................................................................. 2
1.2.1. N-Heterozyklen als Pharmabausteine ............................................................................... 3
1.2.2. Piperazine .................................................................................................................................... 4
1.3. Enzymatische Bildung von chiralen N-Heterozyklen ...................................................... 6
1.4. Iminreduktasen .............................................................................................................................. 7
1.4.1. Reaktionsmechanismus .......................................................................................................... 9
1.4.2. IRED katalysierte Reaktionen............................................................................................ 11
1.4.3. Promiskuitive, iminreduzierende Enzymaktivitäten ............................................... 13
1.4.4. Enzymkaskaden mit Iminreduktasen ............................................................................ 14
2. Motivation ............................................................................................................................................ 16
3. Material und Methoden ................................................................................................................. 17
3.1. Materialien .................................................................................................................................... 17
3.1.1. Chemikalien .............................................................................................................................. 17
3.1.2. Vewendete Enzyme ............................................................................................................... 17
3.1.3. Verwendete Kits ..................................................................................................................... 18
3.1.4. Verwendete Plasmide ........................................................................................................... 18
3.1.5. Verwendete Mutagenese-Primer ..................................................................................... 19
IX
3.1.6. Verwendete E. coli Stämme ................................................................................................. 21
3.1.7. Verwendete Puffer und Lösungen .................................................................................... 22
3.2. Molekularbiologische Methoden ........................................................................................... 24
3.2.1. Polymerase-Kettenreaktion (PCR) ................................................................................... 24
3.2.2. Klonierung mittels Gibson assembly ................................................................................ 25
3.2.3. Ortsgerichtete Mutagenese mittels Gibson assembly ................................................ 25
3.2.4. Ortsgerichtete Mutagenese mittels QuikChangeTM .................................................... 26
3.2.5. Agarose-Gelelektrophorese ................................................................................................ 26
3.2.6. Herstellung chemisch kompetenter Zellen ................................................................... 27
3.2.7. Hitzeschocktransformation von E. coli Zellen ............................................................. 27
3.2.8. Plasmidisolierung aus E. coli .............................................................................................. 28
3.2.9. DNA-Sequenzierung ............................................................................................................... 29
3.3. Kultivierung und Protein-Expression ................................................................................. 29
3.3.1. Verwendete Kulturmedien .................................................................................................. 29
3.3.2. Expression von IREDs im Schüttelkolben ..................................................................... 30
3.3.3. Expression von PuOs im Schüttelkolben ....................................................................... 31
3.3.4. Toxizitätsstudie in E. coli JW5510 .................................................................................... 31
3.4. Proteinreinigung und Validierung ........................................................................................ 32
3.4.1. Zellaufschluss ........................................................................................................................... 32
3.4.2. Co2+-basierte Affinitätschromatographie ...................................................................... 32
3.4.3. Proteinkonzentrationsbestimmung ................................................................................ 34
3.4.4. SDS-Polyacrylamid-Gelelektrophorese (SDS-PAGE) ................................................. 34
3.5. Bestimmung der Enzymaktivität........................................................................................... 35
3.5.1. Photometrischer NAD(P)H-Assay für IREDs ................................................................ 35
3.5.2. Photometrische Analyse kinetischer Parameter für IREDs .................................... 37
3.5.3. Photometrischer NAD(P)H -Assay für Alkoholdehydrogenasen .......................... 38
3.5.4. Photometrischer H2O2-basierter Assay für Oxidasen ............................................... 39
X
3.5.5. In vitro Biotransformationen mit IREDs ....................................................................... 40
3.5.6. In vitro Biotransformationen mit kontinuierlicher Substratzugabe .................. 43
3.5.7. In vitro Biotransformationen mit Enzymkaskaden ................................................... 44
3.6. In vivo Biotransformation in E.coli JW5510 ..................................................................... 46
3.7. Probenaufarbeitung (Extraktion und Derivatisierung) ............................................... 46
3.8. Screening-Systeme ..................................................................................................................... 50
3.8.1. Screening-System zur Identifizierung von IRED-Varianten mit geänderter
Kofaktorspezifität .................................................................................................................................... 50
3.8.2. Screening-System zur Identifizierung von IRED-Varianten mit erhöhter
Aktivität für Substrate mit niedriger Anfangsaktivität ............................................................. 52
3.8.3. Screening-System zur Identifizierung von IRED-Varianten mit geänderter
Stereoselektivität ..................................................................................................................................... 54
3.9. Analytische Methoden .............................................................................................................. 55
3.9.1. Gaschromatographie (GC) .................................................................................................. 56
3.9.2. Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) ................................................ 59
3.10. Bioinformatische Methoden ............................................................................................... 60
3.10.1. Erstellung eines Homologiemodells ........................................................................... 60
3.10.2. Docking, Energieminimierung und MD-refinements mit Yasara .................... 60
3.10.3. Multisequenzalignments ................................................................................................. 60
3.10.4. Strukturalignments ........................................................................................................... 61
4. Ergebnisse ............................................................................................................................................ 62
4.1. Asymmetrische Reduktion von zyklischen Iminen ....................................................... 62
4.1.1. Vergleich der kinetischen Parameter von R-IRED_Ms mit R-IRED_Sr für
Modellsubstrate........................................................................................................................................ 62
4.1.2. Testen neuer Iminsubstrate ............................................................................................... 63
4.2. Reduktive Aminierung .............................................................................................................. 64
4.2.1. Reduktive Aminierung mit ausgewählten Beispielsubstraten ............................. 65
4.2.2. Erweiterung des Substratspektrums durch Verwendung von Hydrazinen .... 66
XI
4.3. Doppelte reduktive Aminierung ............................................................................................ 69
4.3.1. Studien zur Aufklärung des Reaktionsweges ............................................................... 72
4.3.2. Aktivitätsvergleich mit R-IRED_Sr und S-IRED_Pe ..................................................... 74
4.3.3. Untersuchung des Substratspektrums ........................................................................... 75
4.3.4. Quantifizierung, Upscaling und Produktisolierung ................................................... 77
4.3.5. Aktivitätssteigerung durch Verwendung von Additiven ......................................... 79
4.3.6. Toxizitätsstudie ....................................................................................................................... 81
4.3.7. In vivo Biotransformationen ............................................................................................... 83
4.3.8. Verwendung von α-Ketosäureester an Stelle von Dicarbonylen ......................... 85
4.3.9. Verwendung von α-Hydroxycarbonylen an Stelle von Dicarbonylen ................ 86
4.3.10. Doppelte reduktive Hydrazinierung ........................................................................... 89
4.4. Bildung von N-Heterzyklen mithilfe von Enzymkaskaden ......................................... 91
4.4.1. Enzymkaskade mit Putrescinoxidase und IRED ......................................................... 91
4.4.2. Enzymkaskade mit Alkoholdehydrogenasen oder Alkoholoxidasen und
R-IRED_Ms ................................................................................................................................................... 95
4.5. Entwicklung von NADH-abhängigen R-IRED_Ms-Varianten ...................................... 98
4.5.1. Weiterführende Untersuchung von Varianten V8 und V10 ................................ 100
4.5.2. Kristallstruktur von R-IRED_Ms-WT und R-IRED_Ms-V8 ..................................... 103
4.6. Mutationsstudie zur Identifizierung von Stereoselektivitäts-bestimmenden
Aminosäurepositionen ........................................................................................................................ 104
5. Diskussion .......................................................................................................................................... 111
5.1. Charakterisierung von R-IRED_Ms..................................................................................... 111
5.2. Reduktive Hydrazinierung.................................................................................................... 113
5.3. Doppelte reduktive Aminierung ......................................................................................... 115
5.4. Doppelte reduktive Hydrazinierung ................................................................................. 119
5.5. Verwendung von Additiven zur Steigerung der Enzymaktivität ........................... 119
5.6. IRED katalysierte Reaktion von α-Hydroxycarbonylen mit Diaminen ............... 120
XII
5.7. Änderung der Kofaktorspezifität ........................................................................................ 121
5.8. Änderung der Stereoselektivität......................................................................................... 126
6. Ausblick ............................................................................................................................................... 131
7. Anhang .................................................................................................................................................. 133
7.1. Archivierte Plasmide ............................................................................................................... 133
7.2. Aminosäure- und DNA-Sequenzen .................................................................................... 133
7.2.1. DNA-Sequenz der R-selektiven Iminreduktase aus Myxococcus stipitatus .... 133
7.2.2. Aminosäure-Sequenz der R-selektiven Iminreduktase aus Myxococcus
stipitatus (WT) ........................................................................................................................................ 134
7.2.3. Aminosäure-Sequenz der NADH-abhängigen R-IRED_Ms-Variante V8 .......... 134
7.2.4. Aminosäure-Sequenz der NADH-abhängigen R-IRED_Ms-Variante V10 ........ 134
7.2.5. Aminosäure-Sequenz von R-IRED_Ms-Variante 44A2 (veränderte
Stereoselektivität) ................................................................................................................................. 135
7.2.6. Plasmidkarte von pBAD33_R-IRED_Ms-His6 ............................................................ 135
7.3. Beispielhafte SDS-Gele ............................................................................................................ 136
7.4. Beispielhafte Chromatogramme ......................................................................................... 137
7.5. Mögliche Substratorientierungen für die Bildung von enantiokomlementären
Produkten ................................................................................................................................................. 140
8. Literaturverzeichnis ..................................................................................................................... 141
9. CURRICULUM VITAE ...................................................................................................................... 152
XIII
IV. Abkürzungsverzeichnis
Å Ångström 1 Å = 10−10 m HPLC Hochleistungsflüssigkeitschromatograohie
ABTS 2,2-Azino-di(3-ethylbenzthiazolin-6-sulfonsäure)
HRP horseradish peroxidase
ACN Acetonitril IPTG Isopropyl-β-D-thiogalactopyranosid
ADH Alkoholdehydrogenase IRED Iminreduktase
ADP Adenosindiphosphat kb Kilobasen
AO Alkoholoxidase KBE Koloniebildende Einheiten
APS Ammoniumpersulfat kDa Kilodalton
ATP Adenosintriphosphat Kpi Kaliumphosphat
AU Absorptionseinheiten LB lysogeny broth
β-HAD β-Hydroxysäuredehydrogenase M Molar (mol L-1)
BCA Bicinchoninsäure MeOH Methanol
BSA bovine serum albumin MD molecular dynamics
C Kohlenstoff MOPS 3-(N-Morpholino)propansulfonsäure
CMC Kritische Mizellbildungskonzentration MS Massenspektrometrie(-Detektor)
Co Cobalt MTBE tert-Butyl-Methylether
CV Säulenvolumen N Stickstoff
DAD Diodenarray-Detektor NAD(P)H Nikotinamidadenindinukleotid(phosphat)
DCM Dichlormethan NH3 Amoniak
ddH2O Doppelt deionisiertes Wasser NMR Kernspinresonanz(-Messung)
de Diastereomerenüberschuss O2 Molekularer Sauerstoff
DHFR Dihydrofolatreduktase OD600 Optische Dichte bei λ = 600 nm
DMSO Dimethylsulfoxid P2CR Pyrrolin-2-carboxylatreduktase
DNA Desoxyribonukleinsäure PAGE Polyacrylamidgelelektrophorese
dNTP Desoxyribonukleosidtriphosphat PCR Polymerasenkettenreaktion
dr Diastereomerenverhältnis PDB Proteindatenbank
DRR Dihydroreticulinreduktase PEG Polyethylenglycol
DTT Dithiothreitol PP Pyrophosphat
E. coli Escherichia coli PuO Putrescinoxidase
EDTA Ethylendiamintetraessigsäure rr Regioisomerenverhältnis
ee Enantiomerenüberschuss RT Raumtemperatur
ELAA Ethyl-4-chloroacetoacetat SDS Natriumdodecylsulfat
EtOH Ethanol SDR short chain dehydrogenase/reductase
F420 Koenzym F420 SH Lösliche Hydrogenase
FDH Formiatdehydrogenase TAE TRIS-Acetat-EDTA
FE Flächeneinheiten TB Terrific Broth
FID Flammenionisationsdetektor TIRED Thiazolinyl Iminreduktase
G6P Glukose-6-phosphat TOF turnover frequency
G6PDH Glukose-6-phosphatdehydrogenase TRIS Tris(hydroxymethyl)aminomethan
GC Gaschromatograph(ie) U Unit (1 U ≙ 1µmol min-1)
H2 Molekularer Wasserstoff WT Wildtyp
H2O2 Wasserstoffperoxid
XIV
V. Zusammenfassung
Gesättigte N-Heterozyklen sind sehr gefragte Verbindungen, die als Bausteine für die
Synthese von Pharmazeutika und Agrochemikalien eingesetzt werden. Insbesondere die
Bereitstellung von chiralen Vorstufen gilt in der organischen Chemie als sehr
herausfordernd. Immer häufiger setzt man deshalb Biokatalysatoren ein, welche sich
durch ihre exzellente Stereo-, Regio- und Chemoselektivität auszeichnen. Für die
enzymvermittelte Generierung von chiralen, gesättigten N-Heterozyklen sind nur
wenige Enzyme bekannt, von denen die meisten zu spezifisch sind, um sie abseits ihrer
natürlichen Funktion einzusetzen. Iminreduktasen (IREDs) hingegen erwiesen sich in
letzter Zeit als sehr vielversprechende Biokatalysatoren mit vergleichsweise breitem
Substratspektrum. Die Entwicklung von neuen und bereits bestehenden IRED-basierten
Biotransformationen zur Herstellung chiraler N-Heterozyklen ist deshalb ein
Forschungsgebiet mit großem Potenzial.
Im Rahmen dieser Arbeit konnte das Reaktions- und Produktspektrum von IREDs
erheblich erweitert werden. Die Entwicklung von neuen Methoden und die Erschließung
neuer Substratfamilien ermöglichte die Bildung von N-Heterozyklen, welche zuvor
enzymatisch nicht zugänglich waren. Erstmals wurde eine IRED katalysierte, doppelte
reduktive Aminierung angewendet, bei welcher Diamine und Dicarbonyle zu Piperazin
Heterozyklen oder Piperazin-ähnlichen Produkten umgesetzt wurden. Die verwendeten
Substratgruppen stellen hochreaktive Substanzen dar, welche ohne die Anwesenheit
von IREDs rasch zu diversen Nebenprodukten abreagieren. Durch die Verwendung von
IREDs konnte die Nebenproduktbildung hingegen fast vollständig unterdrückt werden,
da die Substrate kontrolliert und mit hoher Aktivität umgesetzt wurden. Dabei konnten
ausgezeichnete Produktbildungen von bis zu > 99%, sowie Stereoselektivitäten von bis
zu > 99% und Regioselektivitäten von bis zu > 99% erreicht werden. Die Durchführung
von spezifischen Kontrollexperimenten führte außerdem zu ersten Hinweisen bezüglich
der Abfolge der einzelnen Katalyseschritte. Eine besonders hohe Aktivität und ein sehr
breites Substratspektrum gegenüber dieser neuartigen Applikation wurde bei der
R-selektiven IRED aus Myxococcus stipitatus (R-IRED_Ms) festgestellt. So konnten 84
verschiedene Produkte gebildet werden. Neben Piperazinen konnten auch
Homopiperazine (Diazepane), sowie bi- und trizyklische Produkte gebildet werden.
Dabei war es möglich an allen sechs Positionen des Piperazinrings unterschiedliche
XV
Substituenten einzuführen. In Up-Scaling Experimenten mit 50 mM Substrat konnten bis
zu 8,1 g L-1 Produkt gebildet und eine isolierte Ausbeute von bis zu 87% erreicht
werden.
Durch die Kombination von α-Hydroxycarbonylen mit Diaminen, sowie durch die
Verwendung von Hydrazinen anstelle von Diaminen, konnte das Substrat- und
Produktspektrum zusätzlich erweitert werden. So konnte beispielsweise erstmals
(S)-2-Hydroxymethylpiperazin ausgehend von Dihydroxyaceton und Ethylendiamin
gebildet werden. Des Weiteren gelang die Bildung von Hexahydropyridazinen und
1,2-Diazepanen mit Hilfe von Hydrazinen und Dicarbonylen.
Weitere sehr bedeutsame N-Heterozyklen sind Pyrrolidine und Piperidine. Durch die
Anwendung einer Enzymkaskade mit einer Putrescinoxidase und einer IRED konnten
verschiedene 1‘-, 2‘- und 3‘-substituierte Pyrrolidine und Piperidine ausgehend von
Diaminen gebildet werden. Dabei konnten Produktbildungen von bis zu 99% und
Stereoselektivitäten von bis zu 93% (ee) erreicht werden. Auf diesem Weg gelang auch
die Bildung von N-Methylpyrrolidin, welches ein tertiäres, zyklisches Aminprodukt ist
und durch andere alternative Enzymkaskaden bislang nicht zugänglich war.
Ein weiterer Schritt zur Verbesserung der Anwendbarkeit von IREDs war die
Generierung einer NADH-abhängigen IRED-Variante. Bislang sind nur NADPH-
abhängige IREDs bekannt, jedoch hat die Verwendung von NADH gegenüber NADPH
einige Vorteile. So ist NADH deutlich günstiger und stabiler als NADPH. Außerdem
stehen effizientere und kostengünstigere Kofaktor-Regenerationssysteme zur
Verfügung.
Durch die Mutagenese der Aminosäurereste an den Positionen N32, R33, T34, K37, L67
und T71 in R-IRED_Ms, sowie durch die photometrische Untersuchung von über 1800
Kolonien konnten einige vielversprechende Varianten identifiziert werden. Die besten
Varianten V8, V9 und V10 zeigten eine bis zu 2900-fach gesteigerte NADH/NADPH
Spezifität, sowie bis zu 100% Aktivität mit NADH verglichen mit dem Wildtypenzym und
NADPH.
Die durchgeführten Studien mit R-IRED_Ms zeigen ein einzigartiges Reaktions- und
Substratspektrum. Für einige Pharmabausteine wird jedoch eine enantiokomplementäre
IRED benötigt, um das gefragte Produktenantiomer zu bilden. Eine S-selektive IRED mit
XVI
ähnlichen Eigenschaften zu finden könnte jedoch sehr aufwendig sein. Es wurde deshalb
versucht die Stereoselektivität von R-IRED_Ms durch enzyme engineering zu ändern, in
der Hoffnung, dass die Eigenschaften gegenüber dem Substrat- und Reaktionsspektrum
erhalten bleiben. In einem enantio-sensitiven Screening mit über 3000 Kolonien konnte
eine neue Region identifiziert werden, welche einen starken Einfluss auf die
Stereoselektivität des Enzyms hat. Die Variante 44A2 mit fünf Mutationen in dieser
Region zeigte einen Enantiomerenüberschuss von 91% (S) gegenüber der Bildung von
2-Methylpyrrolidin. Im Vergleich zum Wildtyp (>99% R) wurde die Stereoselektivität
somit fast vollständig umgekehrt. Es zeigte sich, dass die eingeführten Aminosäurereste
in Variante 44A2 eine substratspezifische Stereoselektivitätsänderung bewirken. Es
konnte jedoch noch nicht geklärt werden, welche Interaktionen letztendlich für die
substratabhängige Änderung der Selektivität verantwortlich sind.
Insgesamt konnte durch diese Arbeit die Anwendbarkeit und das Verständnis gegenüber
IREDs verbessert werden. Die Entwicklung von neuen Methoden und Reaktionen, sowie
die Mutagenesestudien zeigen, dass IREDs sehr vielseitige Biokatalysatoren mit
erstaunlichen Fähigkeiten sind. Vor allem für die Bildung von N-Heterozyklen weisen sie
ein großartiges Potenzial auf, das im Bereich der Biokatalyse bislang einzigartig ist und
in Zukunft stark an Bedeutung gewinnen könnte.
XVII
V. Abstract
Saturated N-heterocycles are highly demanded compounds that are used as building
blocks for the synthesis of pharmaceuticals and agrochemicals. In particular, the
provision of chiral precursors is very challenging in organic chemistry. Therefore,
biocatalysts with excellent stereo-, regio- and chemoselectivity are increasingly used.
Only a few enzymes are known for the enzyme-mediated generation of chiral, saturated
N-heterocycles. Most of them are very specific demonstrating activity towards the
natural substrates. In contrast, imine reductases (IREDs) have recently proven to be
very promising biocatalysts with a broad substrate scope. Therefore, the development of
new and existing IREDs for the production of chiral N-heterocycles is a field of research
with great potential.
In this work, the reaction and product spectrum of IREDs could be considerably
expanded. The development of new methods and the use of new substrate families
enabled the formation of N-heterocycles, which were previously not accessible by
biocatalytic approaches. For the first time, an IRED-catalyzed double reductive
amination was applied, in which diamines and dicarbonyls were directly converted to
piperazine heterocycles or piperazine-like products. The used substrates represent
highly reactive substances which rapidly react, without the presence of IREDs, to various
by-products. By using IREDs, however, the by-product formation could be almost
completely suppressed because the substrates were controlled and reacted with high
activity. Excellent product formations of up to > 99%, stereoselectivities of up to > 99%
as well as regioselectivities of up to > 99% were achieved. The performance of specific
control experiments also led to initial indications regarding the sequence of the
individual catalysis steps. Particularly high activity and a broad substrate spectrum were
observed for the R-selective IRED from Myxococcus stipitatus (R-IRED_Ms). Thus 84
different products could be formed. In addition to piperazines and homopiperazines
(diazepanes), bi- and tricyclic products could also be generated. Thereby, it was possible
to introduce different substituents at all six positions of the piperazine moiety. In up-
scaling experiments with 50 mM substrate, up to 8.1 g L-1 product could be formed, and
an isolated yield of up to 87% could be achieved.
XVIII
The combination of α-hydroxycarbonyls with diamines, as well as the use of hydrazines
instead of diamines, further expanded the substrate and product spectrum. For example,
(S)-2-hydroxymethyl piperazine could be formed for the first time from
dihydroxyacetone and ethylenediamine. Furthermore, hexahydropyridazines and
1,2-diazepanes were formed from hydrazines and dicarbonyls.
Other very important N-heterocycles are pyrrolidines and piperidines. By applying an
enzyme cascade combining a putrescine oxidase with an IRED, different 1'-, 2'- and 3'-
substituted pyrrolidines and piperidines could be formed from diamines. Product
formations of up to 99% and stereoselectivities of up to 93% (ee) could be achieved. In
this way, the formation of N-methyl pyrrolidine, which is a tertiary cyclic amine product
and has not been accessible through other alternative enzyme cascades, was also
successfully generated.
A further step to improve the applicability of IREDs was the generation of an NADH-
dependent IRED variant. So far only NADPH-dependent IREDs are known, but the use of
NADH has some advantages over NADPH. NADH is much cheaper and more stable than
NADPH. Besides, more efficient and cost-effective cofactor regeneration systems are
available.
By mutagenesis of amino acid residues at positions N32, R33, T34, K37, L67 and T71 in
R-IRED_Ms, and by photometric analysis of over 1800 colonies, promising variants could
be identified. The best variants V8, V9, and V10 showed up to 2900-fold increased
NADH/NADPH specificity and up to 100% activity with NADH compared to wild type
enzyme and NADPH.
The studies performed with R-IRED_Ms show a remarkable reaction and substrate
spectrum. However, for some pharmaceutical building blocks, enantiocomplementary
IREDs are required to form the desired S- as well as R-product enantiomers. In this light,
finding an S-selective IRED with similar properties remains challenging. As an
alternative, the stereoselectivity of R-IRED_Ms was changed with enzyme engineering. In
an enantio-sensitive screening with over 3000 colonies, a new region could be
identified, which has a strong influence on the stereoselectivity. The variant 44A2 with
five mutations in this region showed an enantiomeric excess of 91% (S) for the
formation of 2-methylpyrrolidine. Thus, the stereoselectivity was almost completely
reversed compared to the wild type (> 99% R). By further experiments, it was shown
XIX
that the amino acid residues introduced in variant 44A2 caused a substrate-specific
change in stereoselectivity. However, it has not yet been clarified, which specific
interactions are responsible for the substrate-dependent change in selectivity.
Overall, this work improved the applicability and understanding of IREDs. The
development of new methods and reactions as well as the mutagenesis studies show
that IREDs are very versatile biocatalysts with incredible capabilities. Especially for the
formation of N-heterocycles, they show great potential, which is unique in the field of
biocatalysis and could gain more and more importance in the future.
XX
Einleitung
1
1. Einleitung
Der weltweite Bedarf an Feinchemikalien ist enorm. Insbesondere in der
pharmazeutischen Industrie werden ständig neue komplexe chemische Bausteine
benötigt, sodass auch neue Herstellungsverfahren entwickelt werden müssen.[1]
Besonders herausfordernd ist dabei der Umstieg auf nachwachsende Rohstoffe, da die
meisten etablierten chemischen Prozesse auf fossilen Ressourcen basieren.[2,3]
Außerdem müssen für die Herstellung von komplexen Feinchemikalien oft zahlreiche
Prozessschritte mit teils niedriger Effizienz und hohem Energiebedarf angewendet
werden, was die Nachhaltigkeit zusätzlich verschlechtert.[4] Die Nachfrage für
alternative, bioökonomische Prozesse ist deshalb sehr hoch, sodass chemische
Verfahren zunehmend durch biotechnologische Ansätze ersetzt werden.[5–7] Die
Verwendung von Enzymen oder ganzen Zellen als Biokatalysatoren gewinnt deshalb in
den letzten Jahren immer mehr an Bedeutung.[8–15]
1.1. Biokatalyse
Im Fokus der Biokatalyse stehen Enzyme und deren Fähigkeit spezifische Reaktionen
katalysieren zu können.[16,17] Es handelt sich somit um ein naturwissenschaftliches Feld,
das die Fachbereiche Biotechnologie und Chemie verbindet. Der größte Vorteil von
enzymvermittelten Reaktionen gegenüber chemischen Reaktionen ist die meist hohe
natürliche Selektivität von Enzymen. So können chemo-, regio- und stereoselektive
Biotransformationen gewährleistet werden.[18–21] Des Weiteren bietet eine
biokatalytische Applikation die Möglichkeit zu nachhaltigeren und
umweltfreundlicheren Prozessen.[7,22,23] Weitere Vorteile sind die Evolvierbarkeit und
Kombinierbarkeit von Enzymen.[18,24] Dennoch gibt es auch einige Nachteile von
Biokatalysatoren gegenüber chemischen Katalysatoren. Die Verfügbarkeit von Enzymen
ist beschränkt und häufig weisen sie ein vergleichsweise schmales Substratspektrum
auf.[17] Auch die Stabilität und Aktivität von Enzymen unter nicht natürlichen
Gegebenheiten ist oft ein limitierender Faktor.[25] Einige Enzyme sind außerdem
abhängig von teuren Kofaktoren, sodass diese in einem Prozess bereitgestellt werden
müssen.[17] Durch den Einsatz von Ganzzellsystemen oder enzymatischen Kofaktor-
Regenerationssystemen kann die Bereitstellung von Kofaktoren zwar deutlich reduziert
werden,[26–29] jedoch ist dies nicht immer erfolgreich.
Einleitung
2
Weltweit arbeiten Forschergruppen an der Verbesserung von biokatalytischen
Systemen um die Anwendbarkeit von Enzymen zu verbessern. Durch ein sogenanntes
„enzyme engineering“ können einige der erwähnten Schwachstellen adressiert werden.
Die zur Verfügung stehenden Technologien für die Entwicklung von Enzymen haben
sich in den letzten Jahren maßgeblich verbessert, was zuletzt sogar zur Verleihung des
Chemienobelpreis an Prof. Frances H. Arnold geführt hat.[30] Das Prinzip beim enzyme
engineering ist die zyklische Anwendung von Mutagenese, Genexpression und Selektion,
um die Eigenschaften von Enzymen gezielt zu verändern.[31–34] Zahlreiche Studien
zeigen, dass beispielsweise Stabilität und Aktivität deutlich verbessert werden
können.[35,36] Auch das Substratspektrum und die Selektivität von Enzymen kann über
ein enzyme engineering verändert und erweitert werden.[37–41] Zusätzlich sorgt die
Identifizierung neuer natürlich vorkommender Enzyme für eine stetig steigende
Verfügbarkeit von Biokatalysatoren. Auch die Entwicklung nicht natürlicher
Enzymaktivitäten,[42–44] sowie die Entwicklung von artifiziellen Enzymen (denovo
design)[45] tragen dazu bei, dass immer mehr neue und verbesserte Enzymsysteme für
industrielle Applikationen zur Verfügung stehen.[13]
1.2. N-Heterozyklen
N-Heterozyklen sind zyklische organische Verbindungen, deren Ringsysteme neben
Kohlenstoffen aus mindestens einem Stickstoffatom bestehen. Solche Verbindungen sind
in der Natur weit verbreitet und für Organismen jeglicher Art lebensnotwendig.[46] Das
Vorkommen von N-Heterozyklen in Lebewesen ist breit gefächert. Essentielle
Komponenten sind z.B. die Pyrimidin- und Purinbasen der DNA, die Aminosäuren Prolin,
Histidin und Tryptophan, sowie verschiedene Porphyrine und andere Kofaktoren.
Daneben gibt es eine Vielzahl an komplexen Sekundärmetaboliten, bei denen
N-Heterozyklen als Grundbausteine auftreten.[47] Solche Verbindungen machen einen
Großteil der sogenannten Alkaloide aus und haben typischerweise sehr spezifische
biologische Wirkungen.[48,49] Besonders bekannt sind beispielsweise einige Opioide,
welche durch ihre spezifische Bindung an verschiedenen Rezeptoren des
Nervensystems eine schmerzlindernde Wirkung erzeugen.[50] Über 20.000 Alkaloide
sind bereits beschrieben worden.[51] Die meisten dieser Verbindungen enthalten die im
Folgenden abgebildeten N-Heterozyklen (Abb.1).[49,52]
Einleitung
3
Abbildung 1: Häufig auftretende N-Heterozyklen in Alkaloiden. Die wichtigsten Alkaloid-Gruppen wurden anhand der strukturellen Verwandtschaft (ohne Berücksichtigung des Biosynthesewegs) zugeordnet. Weitere wichtige Alkaloid-Gruppen sind die Phenylethylamino-Alkaloide, welche in der Regel keinen N-Heterozyklus enthalten, sowie die Terpenoid- und Stereoid-Alkaloide, welche nicht zu einem bestimmten N-Heterozyklus zugeordnet werden können.
1.2.1. N-Heterozyklen als Pharmabausteine
Auch in der Entwicklung von pharmazeutischen Wirkstoffen macht man sich die
biologische Wirksamkeit von N-Heterozyklen zu Nutze. So enthalten drei Viertel der 120
umsatzstärksten niedermolekularen Pharmazeutika aus 2018 einen N-Heterozyklus.[53]
Ein wichtiger Ausgangspunkt für nachfolgende Syntheseschritte in der Herstellung von
pharmazeutischen Wirkstoffen ist deshalb die Bildung eines N-Heterozyklus. Hierfür
existieren teilweise gut etablierte chemische Verfahren. Häufig werden vor allem fünf-
und sechsgliedrige Heterozyklen mit unterschiedlichen Sättigungsgraden benötigt
(Abb.2).[54] Die chemische Herstellung aromatischer N-Heterozyklen kann z.B. über eine
Paal-Knorr- Synthese[55] oder eine Michael-Addition[56] erfolgen. Für nicht aromatische
N-Heterozyklen existieren andere chemische Verfahren, die häufig miteinander
kombiniert werden müssen. Der mehrstufige Prozess beinhaltet dabei zum Beispiel
Metall katalysierte Zyklisierungen, C-H-Aminierungen, Hydroaminierungen, Ring-
Transformationen, oder Imin- bzw. Enamin- Reduktionen.[57–59]
Einleitung
4
Abbildung 2: Die fünf häufigsten N-Heterozyklen bezogen auf 640 N-heterozyklische Pharmazeutika (modifiziert nach E. Vitaku et al.).[54] Neben Pyridinen (blau, aromatisch) zählen vier nicht aromatische N-Heterozyklen (Piperidine, Piperazine, Cepheme, Pyrrolidine, rot) zu den fünf häufigsten Vertretern. Der angegebene prozentuale Anteil bezieht sich auf die 640 analysierten N-heterozyklischen Pharmazeutika (zugelassen in den USA).
Eine zusätzliche Herausforderung sind C-substituierte gesättigte Heterozyklen, da bei
diesen Verbindungen Stereozentren existieren. Somit müssen stereoselektive Verfahren
eingesetzt werden um ein pharmazeutisches Endprodukt mit möglichst hoher
Enantiomerenreinheit zu erhalten.[60] Dies ist jedoch in einem rein chemischen Prozess
meist aufwendig und nur mit Hilfe von aufwendigen Verfahren oder teuren
Katalysatoren realisierbar.[57,58,61,62] Die Identifizierung und Entwicklung von Enzymen
zur biokatalytischen Herstellung von chiralen N-Heterozyklen ist daher eine
vielversprechende Alternative.
1.2.2. Piperazine
Piperazine sind privilegierte Bausteine der Pharmaindustrie, welche in über 6% aller
oral verabreichten Medikamente enthalten sind.[63,64] Damit gilt Piperazin als der dritt
häufigste Heterozyklus in allen Pharmazeutika.[54,65] Umso erstaunlicher ist es, dass
Piperazine in der Natur quasi nicht vorkommen. Nur eine Hand voll Piperazin-haltiger
Naturstoffe konnten bislang gefunden werden.[66–71] Die Biosynthese dieser Stoffe lässt
sich nach derzeitigem Wissensstand auf die Dimerisierung von Aminoaldehyden bzw.
Aminosäuren zurückführen.[66,68,70] Hierfür spricht vor allem eine symmetrische
Anordnung der Substituenten an Position 2 und 5 des Piperazinrings, sowie die
Aufklärung des Biosynthesewegs von Herquilin A in Penicillium herquei.[66] Im Gegensatz
zur natürlichen Bildung von Piperazin gibt es zahlreiche chemische Verfahren zur
Bildung von Piperazinen, welche sich aufgrund der hohen Nachfrage etabliert haben.
Einleitung
5
Neben der Reduktion von Pyrazinen oder Diketopiperazinen werden auch Metall-
vermittelte oder Metall-katalysierte Zyklisierungsreaktionen angewendet.[64,72–79]
Bekannte Beispiele für Piperazin-haltige Pharmazeutika sind das Bruskrebs-
Medikament Palbociclib, die Leukämie-Medikamente Dasatinib und Imatinib, die
Schizophrenie-Medikamente Aripiprazol und Brexpiprazol, das Herzmedikament
Ranolazin oder das Potenzmittel Sildenafil.[53] Besonders häufig weisen Piperazin-
haltige Verbindungen psychoaktive Wirkungen auf, sodass einige Piperazinvorstufen
auch für die Herstellung von verschiedenen Drogen missbraucht werden.[80]
Meistens werden Piperazine ohne C-Substituenten als Vorstufe benötigt. Doch auch
chiral substituierte Piperazine werden immer häufiger in der Entwicklung von
Pharmazeutika eingesetzt.[81–86] Bekannte Beispiele sind die HIV-Medikamente Indinavir
und Vicriciroc, das Antidepressivum Mirtazapin, das Beruhigungsmittel Vestipiant oder
das Antibiotikum Sparfloxacin (Abb.3).[87–91] Hier werden chirale C-substituierte
Piperazine als Pharmabausteine benötigt, deren chemische Bereitstellung sehr
herausfordernd ist.[73,92]
Abbildung 3: Beispiele für bekannte Pharmazeutika, bei welchen chirale C-substituierte Piperazine (rot markiert) als Vorstufe benötigt werden.
Einleitung
6
1.3. Enzymatische Bildung von chiralen N-Heterozyklen
Aufgrund der signifikanten Präsenz von N-Heterozyklen in Lebewesen, gibt es
zahlreiche Enzyme die bei deren Biosynthese beteiligt sind. Dabei sind für eine
biotechnologische Applikation vor allem solche Enzyme interessant, die die Bildung von
chiralen N-Heterozyklen ermöglichen. In den meisten bekannten Biosynthesewegen
werden hierfür Reduktasen eingesetzt, welche die stereoselektive Reduktion eines
prochiralen zyklischen Imins katalysieren. Ein sehr bekanntes Beispiel hierfür findet
man im Primärstoffwechsel in der Biosynthese von L-Prolin.[93–95] Wie alle
proteinogenen Aminosäuren wird auch L-Prolin mit einer exzellenten
Enantiomerenreinheit gebildet. In manchen Biosynthesewegen wird das Stereozentrum
schon durch die Vorstufe L-Ornithin oder L-Glutaminsäure vorgegeben. Besonders
interessant ist jedoch die Biosynthese mittels Pyrrolidin-2-carboxylatreduktase (P2CR).
Dieses Enzym ist in der Lage eine prochirale zyklische Imin-Zwischenstufe
stereoselektiv zu reduzieren, sodass ausschließlich L-Prolin entsteht (Abb.4, A).[96] Die
P2CR gehört zu der Familie der Ketimin-Reduktasen, welche auch für die Reduktion von
weiteren zyklischen Iminen genutzt werden können. Jedoch sind sie auf Substrate mit
einem 2‘-Carboxylsubstituent angewiesen.[97,98]
Daneben sind ein paar Enzyme des Sekundärstoffwechsels bekannt, welche ebenfalls die
Reduktion von zyklischen Iminen katalysieren. Ein Beispiel ist die
Dihydrofolatreduktase (DHFR), welche die selektive Reduktion von 7,8-Dihydrofolat zu
(S)-5,6,7,8-Tetrahydrofolat katalysiert (Abb.4, B).[99] Die Thiazolinyl Iminreduktase
(TIRED) katalysiert die Reduktion eines Thiazolinrings in der Biosynthese der
Siderophore Pyochelin und Yersiniabactin (Abb.4, C).[100,101] Auch in der Biosynthese
von Morphin wird ein zyklisches Imin reduziert. Hier katalysiert die
Dihydroreticulinreduktase (DRR) die Reduktion eines Dihydroquinolinrings
(Abb.4, D).[102,103] Ein weiteres Enzym, das an dieser Stelle zu erwähnen ist, ist die F420-
abhängige Reduktase (TomJ) im Biosyntheseweg von Tomaymycin, welche eine
Pyrrolin-ähnliche Struktur reduziert (Abb.4, E).[104] Jedoch wird bei diesem Schritt kein
Stereozentrum erzeugt.
Im Gegensatz zu diesen sehr spezifischen Enzymen (A-E) weisen Iminreduktasen
(IREDs) ein deutlich breiteres Substratspektrum auf, sodass eine Vielzahl zyklischer
Iminsubstrate selektiv reduziert werden können (Abb.4, F).[105] Die natürliche Funktion
Einleitung
7
dieser Enzymfamilie ist bislang nicht bekannt. Aufgrund des breiten Substratspektrums
ist die Beteiligung in einem einzigen spezifischen Biosyntheseweg eher
unwahrscheinlich.
Abbildung 4: Die Abbildung zeigt verschiedene bekannte Enzyme, welche die stereoselektive Reduktion von zyklischen Iminen katalysieren können und damit zur Bildung von chiralen N-Heterozyklen beitragen.
1.4. Iminreduktasen
Lange Zeit gab es kaum biokatalytische Möglichkeiten um chirale gesättigte
N-Heterozyklen herzustellen, da entsprechende Enzyme noch nicht beschrieben
Einleitung
8
wurden. Erst 2010 wurde die Enzymfamilie der Iminreduktasen (IREDs) entdeckt,
sodass neue enzymatische Ansätze möglich waren.[106] 2011 wurden die ersten IREDs
aus Streptomyces-Stämmen erfolgreich isoliert und charakterisiert.[107] Seit 2013 kennt
man außerdem die ersten Röntgenstrukturen von IREDs (Abb. 5).[108] IREDs sind
homodimere Proteine mit je einem N-terminalen NADPH-Bindemotiv
(Rossmannfaltung). Eine Besonderheit ist, dass die beiden Monomere sehr stark
ineinander verschränkt sind. Nach der N-terminalen Domäne durchdringt eine lange
α-Helix die C-terminale Domäne des jeweils anderen Monomers. Anschließend folgt der
C-terminale Teil, welcher wiederum von der langen α-Helix des anderen Monomers
durchdrungen wird. Es handelt sich also nicht um zwei Monomere, die über eine
Oberflächeninteraktion miteinander verbunden sind. Stattdessen sind die Monomere so
sehr ineinander verflochten, dass eine Dissoziation unter Beibehaltung der
Proteinfaltung kaum möglich scheint.
Abbildung 5: Darstellung der Röntgenstruktur der R-selektiven IRED aus Streptomyces kanamyceticus, welche 2013 gelöst wurde (pdb-ID = 3zhb).[108] Gezeigt ist sowohl die Sekundärstrukturdarstellung (A) als auch die Oberflächendarstellung (B). Die beiden (Homo-)Monomere sind in Grau und Beige dargestellt. Die beiden gebundenen NADP+-Moleküle sind ebenfalls gezeigt. Die Darstellung erfolgte mit Pymol.
Einleitung
9
Das aktive Zentrum wird jeweils aus der N-terminalen Domäne des einen Monomers
und der C-terminalen Domäne des anderen Monomers gebildet. Erste Hinweise weisen
darauf hin, dass es einen „offenen“ und „geschlossenen“ Zustand des aktiven Zentrums
gibt, bei welchen sich die beiden Domänen in einem unterschiedlichen Abstand
zueinander befinden.[109] Dies hängt auch davon ab, ob NADPH gebunden ist oder nicht.
Die Kristallstrukturen von unterschiedlichen Enzymkonformationen bestätigen, dass
das aktive Zentrum einer starken Dynamik unterliegt.[109]
Die Funktionen der konservierten Aminosäurereste im aktiven Zentrum sind bislang
weitestgehend ungeklärt. Die Position 171 (Nummerierung bezogen auf die R-selektive
IRED aus Myxococcus stipitatus, R-IRED_Ms) wurde bereits mehrfach als katalytisch
aktive Aminosäure beschrieben. Sie befindet sich auf der gleichen Domäne wie die
NADPH Bindetasche. Hier ist in den meisten R-selektiven IREDs eine Asparaginsäure
(D-Typ) und in den meisten S-selektiven IREDs ein Tyrosin (Y-Typ) konserviert.[110]
Aufgrund der Ausrichtung und der Konservierung dieser Position, vermutet man eine
Beteiligung an der Protonierung des Substrates.[108,111] Allerdings könnte die
Protonierung auch über ein aktiviertes Wassermolekül ablaufen.[105,111] Bei
Negativkontrollen mit einer Mutation an dieser Stelle wurden unterschiedliche
Beobachtungen gemacht. Häufig zeigte sich eine drastisch reduzierte Aktivität.[112]
Teilweise wurden jedoch auch erhebliche Restaktivitäten detektiert.[113] Es könnte sein,
dass die katalytische Beteiligung von Position 171 nur auf einen Teil der IREDs zutrifft.
Hierfür spricht auch die Tatsache, dass manche IREDs an dieser Stelle Aminosäuren
aufweisen, welche keine Protonierung übernehmen können (z.B. Phenylalanin, Alanin
oder Asparagin).[114]
1.4.1. Reaktionsmechanismus
Verschiedene Studien weisen darauf hin, dass der Katalysemechanismus von
Iminreduktasen (Abb. 6) ähnlich wie bei den Ketoreduktasen, bzw. wie bei der
Reduktionsreaktion von Alkoholdehydrogenasen abläuft.[109,115–117]
Der entscheidende Schritt im Reaktionsmechanismus von IREDs ist der nukleophile
Angriff des Hydrids von NADPH auf den positiv teilgeladenen und damit elektrophilen
Kohlenstoff der Iminbindung. Bei diesem Schritt wird außerdem die Stereoselektivität
Einleitung
10
determiniert. Abhängig davon, ob der Angriff des Hydrids von der Re- oder Si-Seite
erfolgt, entsteht das S- oder R-Enantiomer.[118] Mit diesem Schritt verbunden ist eine
Elektronenumlagerung im Nikotinamid-Teil, sodass NADP+ entsteht. Das
π-Elektronenpaar der Imin-Doppelbindung klappt zum Stickstoff. Dieser wird
protoniert, sodass aus dem Iminsubstrat schließlich ein Aminprodukt gebildet wird.
Falls die Protonierung durch einen Aminosäurerest erfolgt, muss dieser anschließend
wieder regeneriert werden. Bevor ein weiterer Katalysezyklus durchlaufen werden
kann, muss der verbrauchte Kofaktor (NADP+) diffusiv durch NADPH ersetzt werden.
Außerdem muss das Produkt aus dem aktiven Zentrum entlassen werden, um die
Aufnahme eines neuen Substrates zu ermöglichen.
Abbildung 6: Vorgeschlagener Katalysezyklus für Iminreduktasen am Beispiel der Reduktion von 2-Methylpyrrolin zu (R)- oder (S)-2-Methylprrolidin. 1) Hydridtransfer und Protonierung; 2) Gegebenenfalls Regenerierung der katalytischen Aminosäure durch Protonierung.
Einleitung
11
1.4.2. IRED katalysierte Reaktionen
Die Reduktion von Iminen ist der namensgebende Reaktionstyp welcher durch IREDs
katalysiert wird (Abb. 7). Die Herausforderung bei Iminen ist, dass sie Hydrolyse-labil
sind und in eine Carbonyl- und Aminkomponente zerfallen können.[119] Im wässrigen
Milieu stellt sich ein pH-abhängiges Gleichgewicht zwischen dem Imin und dem
Hydrolyseprodukt ein, wobei die Hydrolyse bei hohen pH-Werten vermindert
stattfindet.[120] Azyklische Imine sind im Vergleich zu zyklischen Iminen meist deutlich
instabiler. Durch Substituenten mit einem +I- oder +M-Effekt kann die Imingruppe
stabilisiert werden.[119,121]
Die IRED katalysierte Reduktion des Imins zum Amin hat ebenfalls einen Einfluss auf
das Hydrolysegleichgewicht. Das Imin wird dem Gleichgewicht entzogen, sodass sich
dieses zu Gunsten der IRED verschiebt.
Abbildung 7: IRED katalysierte Reduktion von zyklischen bzw. azyklischen Iminen, sowie das Hydrolysegleichgewicht des Iminsubstrats. Als Beispiele wurden die Substrate 2-Methylpyrrolin (zyklisches Imin) und N-Benzylidenmethylamin (azyklisches Imin) dargestellt.
Um die Stabilität des Iminsubstrats zu gewährleisten wurden zunächst nur zyklische
Imine oder durch Phenylgruppen stabilisierte azyklische Imine eingesetzt.[107,113,122–124]
So wurden mit IREDs anfangs hauptsächlich Pyrrolidine, Piperidine,
Tetrahydroisoquinoline, Indoline oder Hexahydro-β-carboline gebildet.[112,125–127] Dabei
wurden neben zyklischen Iminen auch zyklische Iminium-Ionen eingesetzt. Später
Einleitung
12
stellte man fest, dass auch instabile Imine von IREDs umgesetzt werden können. Hierfür
setzt man jedoch nicht das Imin sondern das Carbonyl- und Aminsubstrat ein.[98,128]
Beide Substrate stehen in einem Gleichgewicht mit dem Imin, welches durch die IRED
reduziert werden kann (Abb. 8). Diese Art der Anwendung wird als reduktive
Aminierung bezeichnet und bietet extrem viele Möglichkeiten im Vergleich zur
normalen Imin Reduktion.[98,109,128–131] Im Gegensatz zu Iminsubstraten stehen
vielzählige stabile und kostengünstige Substrate zur Verfügung, welche miteinander
kombiniert werden können.[132,133]
Abbildung 8: Reaktionsschema der IRED katalysierten Iminreduktion (blau) ausgehend vom Iminsubstrat, sowie die reduktive Aminierung (orange) ausgehend vom Carbonyl- und Aminsubstrat.
Eine interessante Thematik bezüglich der reduktiven Aminierung ist auch die
Fragestellung, ob IREDs einen Einfluss auf die Kondensationsreaktion haben. Erste
Hinweise deuten darauf hin, dass zumindest manche IREDs die Fähigkeit besitzen, die
Kondensation katalytisch zu beschleunigen. Anhand von Kristallstrukturen von Enzym-
Substrat-Komplexen wurde eine Tyrosinrest-vermittelte Aktivierung der
Carbonylgruppe bei einer IRED aus Aspergillus terreus postuliert.[109] Es wird deshalb
angenommen, dass auch die Kondensationsreaktion enzymatisch beschleunigt wird,
sodass beide Reaktionsschritte der reduktiven Aminierung unter dem Einfluss der
Iminreduktase stehen. In diesem Zusammenhang wird deshalb auch die Bezeichnung
„reduktive Aminase“ anstelle von Iminreduktase verwendet.[109,132]
Auch die Rückreaktion, also die Oxidation eines Amins zu einem Imin, kann durch IREDs
katalysiert werden, wobei hierfür höhere pH-Werte (
Einleitung
13
werden. Jedoch konnte dies bislang nur für ein Substrat (2,2,2-Trifluoroacetophenon)
gezeigt werden, welches stereoselektiv zum entsprechenden Akloholprodukt umgesetzt
wurde.[135]
1.4.3. Promiskuitive, iminreduzierende Enzymaktivitäten
Abseits der IREDs wurden mittlerweile in weiteren Enzymfamilien Imin-reduzierende
Aktivitäten detektiert. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um die natürliche Funktion,
sondern um eine promiskuitive Aktivität, welche in der Regel auch nicht sehr stark
ausgeprägt ist. Eine nah verwandte Enzymfamilie der IREDs sind die
β-Hydroxysäuredehydrogenasen.[114] Sie katalysieren normalerweise die Oxidation von
Hydroxygruppen oder die Reduktion von Carbonylgruppen. Jedoch weisen sie zusätzlich
eine, wenn auch schwache, promiskuitive Aktivität für die Reduktion von zyklischen
Iminen auf. Dies konnte am Beispiel von 2-Methylpyrrolin gezeigt werden.[115] Durch
einen gezielten Austausch einer Aminosäure im aktiven Zentrum von β-HADs konnte
diese Anfangsaktivität außerdem um das 12-fache gesteigert werden.[115]
Des Weiteren zeigt die Glutamatdehydrogenase eine reduzierende Aktivität gegenüber
Pyrrolin-2-carboxylat und Piperidin-2-carboxylat. Dabei wird ähnlich wie bei der P2CR
die stereoselektive Bildung von L-Prolin bzw. L-Pipecolinsäure beobachtet.[136] Eine
weitere promiskuitive Aktivität wurde bei der Glukosedehydrogenase gegenüber
Dihydroisoquinolin-Derivaten festgestellt.[137] Die Glukosedehydrogenase gehört zu der
großen Enzymfamilie der kurzkettigen Dehydrogenasen/Reduktasen (SDRs) mit über
168 000 bekannten Proteinen.[138] Es ist also wahrscheinlich, dass noch weitere Enzyme
dieser Familie existieren, die eine ähnliche promiskuitive Aktivität aufweisen.
Neben promiskuitiven Aktivitäten konnten auch schon artifizielle Enzymaktivitäten für
die Reduktion von zyklischen Iminen erzeugt werden. Dies gelang mit Hilfe von
artifiziellen Metalloenzymen.[139–141] Hierbei konnten jedoch nur moderate
Stereoselektivitäten erreicht werden.[141]
Auch für die reduktive Aminierung wurden bereits weitere Enzymfamilien gefunden,
welche diese Reaktion promiskuitiv katalysieren können. Hierzu gehört die
Opinsäuredehydrogenase, sowie die Ketiminreduktasen und die Amin
Einleitung
14
Dehydrogenasen.[142–146] Die Möglichkeiten sind im Vergleich zu IREDs jedoch deutlich
beschränkter, vor allem in der Wahl des Aminsubstrates.
1.4.4. Enzymkaskaden mit Iminreduktasen
Eine wichtige Voraussetzung für eine wirtschaftliche Anwendung von
Biotransformationen ist die Zugänglichkeit der Ausgangsverbindungen. In diesem
Zusammenhang sind Multienzymsysteme sehr förderlich.[147] So können komplexe
Strukturen schrittweise ausgehend von einfachen Verbindungen aufgebaut werden. Die
Aneinanderreihung von mehreren biokatalytischen Schritten wird dabei als
Enzymkaskade bezeichnet. Auch für die Generierung von gesättigten N-Heterozyklen
wurden bereits einige Enzymkaskaden mit IREDs entwickelt (Abb. 9).[148–151] Die
Anwendung von zusätzlichen Enzymen ermöglicht die Verwendung von sehr einfachen
linearen Ausgangsverbindungen.
Abbildung 9: Verschiedene Enzymkaskaden zur Bildung von gesättigten N-Heterozyklen ausgehend von einfachen linearen Verbindungen. Als Ausgangsverbindung können Diamine (A,B), Dicarbonyle (C) oder Ketosäuren (D) verwendet werden.
Einleitung
15
Ausgehend von Diaminen (A, B), Dicarbonylen (C) oder Ketosäuren (D) können
Aminoaldehyde in ein oder zwei Schritten enzymatisch gebildet werden. Die
Aminoaldehyde reagieren spontan unter Abspaltung von Wasser zu zyklischen Iminen,
welche schließlich durch eine IRED reduziert werden können, sodass gesättigte
N-Heterozyklen entstehen. Die abgebildeten Enzymkaskaden A, C und D konnten
außerdem auch im Ganzzell-System (E. coli) durchgeführt werden.
Die angewendete Route über eine Aminoaldehyd Zwischenstufe erinnert stark an die
natürlichen Biosynthesewege von gesättigten N-Heterozyklen. Auch hier verläuft die
Synthese in der Regel über ein Aminoaldehyd.[93,94,152–156]
Motivation
16
2. Motivation
Die Untersuchung und Entwicklung von Iminreduktasen (IREDs) führte in den letzten
neun Jahren zu beeindruckenden Ergebnissen. Vor allem durch die reduktive
Aminierung konnte die Anwendbarkeit von IREDs erheblich gesteigert werden, sodass
nun die Bildung von vielzähligen chiralen primären, sekundären und tertiären Aminen
möglich ist. Der Zugang zu N-Heterozyklen ist jedoch immer noch sehr beschränkt. Zwar
können einige zyklische Imine stereoselektiv reduziert werden, jedoch sind für viele
wichtige N-Heterozyklen entsprechende Iminvorstufen nicht verfügbar. Piperazin ist
beispielsweise der zweithäufigste gesättigte N-Heterozyklus in Pharmazeutika. Dennoch
gibt es (abseits dieser Arbeit) bislang keine biokatalytischen Methoden um Piperazine
mit unterschiedlichem Substituierungsmuster aufzubauen.
Ziel dieser Arbeit war es, den enzymatischen Zugang zu neuen N-Heterozyklen zu
schaffen. Hierfür sollten insbesondere IREDs sowie IRED-basierte Enzymkaskaden
eingesetzt werden.
Für die Anwendung von Enzymkaskaden sollten unter anderem unterschiedliche
Kofaktorregenerationssysteme in Betracht gezogen werden. Hierbei ist jedoch die
strikte NADPH Abhängigkeit von IREDs eine große Einschränkung. Um dies zu umgehen
sollte eine NADH abhängige IRED mittels ortsgerichteter Mutagenese entwickelt
werden, sodass neue Möglichkeiten eröffnet werden.
Neben Enzymkaskaden sollten auch neue Substrate und Reaktionen mit IREDs getestet
werden. Ein besonderes Augenmerk sollte dabei dem Aufbau von Piperazingerüsten
gelten, da dies sehr gefragte Pharmabausteine sind. Des Weiteren sollten analog zu
Aminen auch Hydrazine als neuartige IRED-Substrate getestet werden. Auch sollte
geprüft werden, ob sich diese für die IRED katalysierte Bildung von N-Heterozyklen
eignen.
Zuletzt sollten außerdem Aminosäurepositionen in der aktiven Tasche identifiziert
werden, welche zur Stereoselektivität von IREDs beitragen. Die identifizierten
Positionen sollten schließlich für ein beispielhaftes enzyme engineering herangezogen
werden, um die Stereoselektivität einer ausgewählten Iminreduktase vollständig
umzukehren. So sollte auch das Verständnis über die Funktion verschiedener
selektivitätsbestimmender Aminosäuren im aktiven Zentrum verbessert werden.
Material und Methoden
17
3. Material und Methoden
3.1. Materialien
3.1.1. Chemikalien
Alle in dieser Arbeit verwendeten Chemikalien wurden, sofern nicht anders angegeben,
von den Firmen Sigma Aldrich und Fluka (Steinheim, DE), abcr GmbH (Karlsruhe, DE),
VWR (Darmstadt, DE), Thermo Fisher (Braunschweig, DE), Alfa Aesar (Karlsruhe, DE),
Fluorochem (Hadfield, UK) und Prozomix (Haltwhistle, UK) bezogen.
3.1.2. Vewendete Enzyme
Neben den selbst hergestellten Enzymen kamen auch einige kommerziell erhältliche
Enzyme zum Einsatz (Tab. 1).
Tabelle 1: Verwendete Enzyme und deren Verwendung.
Enzym Herkunft Verwendung
PfuUltraII Fusion HS DNA-Polymerase
Agilent (Santa Clara, US) PCR, QuikChange-PCR
Phusion High-Fidelity DNA-Polymerase
NEB (Frankfurt, DE) Gibson assembly
T5-Exonuclease NEB (Frankfurt, DE) Gibson assembly
Taq DNA-Ligase NEB (Frankfurt, DE) Gibson assembly
Dpn1 NEB (Frankfurt, DE) Verdau von DNA-Templat
DNAseI (Rind) Sigma Aldrich (Steinheim, DE)
Enzymatischer Zellaufschluss
Lysozym aus Hühnereiweiß AppliChem GmbH (Darmstadt, DE)
Enzymatischer Zellaufschluss
Peroxidase (Meerrettich) AppliChem GmbH (Darmstadt, DE)
Aktivitäts-Assay für Oxidasen
Glukose-6-P-Dehydrogenase aus Leuconostoc mesenteroides
Alfa Aesar (Karlsruhe, DE) Regeneration von NADPH und NADH
Formiat-Dehydrogenase aus Candida boidinii
Sigma Aldrich (Steinheim, DE)
Regeneration von NADH
Material und Methoden
18
3.1.3. Verwendete Kits
Für verschiedene molekular- und mikrobiologische Techniken wurden
Anwendungsspezifische Kits verwendet, welche im Folgenden aufgeführt sind (Tab. 2).
Tabelle 2: Verwendete Kits und deren Verwendung.
Kit Herkunft Verwendung
ZyppyTM Plasmid Miniprep Kit
Zymo Research (Irvine, US)
Isolierung von Plasmid-DNA aus E. coli
DNA Clean and ConcentratorTM
Zymo Research (Irvine, US)
DNA-Reinigung
ZymocleanTM Gel DNA Recovery Kit
Zymo Research (Irvine, US)
Extraktion von DNA aus einem Agarosegel
PierceTM BCATM Protein Assay Kit
Thermo Fisher (Braunschweig, DE)
Bestimmung der Gesamt-Proteinkonzentration
3.1.4. Verwendete Plasmide
Für die heterologe Expression und Herstellung von Iminreduktasen (IREDs) und
Putrescinoxidasen (PuOs) wurden drei verschiedene Expressionssysteme verwendet,
sodass auch drei verschiedene Plasmide eingesetzt wurden (Tab 3).
Tabelle 3: Verwendete Plasmide.
Plasmid Empfänger-stamm
Resistenz-marker Operon
Verwendeter Induktor
An-wendung
pET28a(+) E. coli DH5α / E. coli BL21(DE3)
Kanamycin-Resistenz
Lactose-Operon
IPTG IREDs
pBAD18[157] E. coli JW5510 Ampicillin-Resistenz
Arabinose-Operon
L(+)-Arabinose
PuOs
pBAD33[157] E. coli JW5510 Chlor-amphenicol-Resistenz
Arabinose-Operon
L(+)-Arabinose
IREDs
Material und Methoden
19
3.1.5. Verwendete Mutagenese-Primer
Für das Einfügen von zielgerichteten Mutationen wurden verschiedene Techniken
angewendet, wobei spezifische Oligonukleotide (Primer) eingesetzt wurden (Tab 4,5).
Alle Primer wurden von Metabion International AG (Planegg, DE) bezogen.
Tabelle 4: Verwendete Primer zur Generierung von R-IRED_Ms Enzymvarianten mit geänderter Kofaktorspezifität.
Ziel- Mutation
Verwen-detes Templat
Muta-genese Strategiea
Ange-wendete Technikb
Sequenz (5‘->3‘) V = vorwärts, R = rückwärts
R33X, T34X, K37X
WT 3 B V: GTGGAACHVCRMKAAAGCCDAKAGCGAACCGCTGGCAAAACTG R: GTTCGCTMTHGGCTTTMKYGBDGTTCCACACCGTGGTCGTGTAG
N32X V1 2 A V: CACGACCACGGTGTGGNNKTACGAGAAAGCC R: GGCTTTCTCGTAMNNCCACACCGTGGTCGTG
K37X V1 2 A V: GAACTACGAGAAAGCCNNKAGCGAACCGCTGGC R: GCCAGCGGTTCGCTMNNGGCTTTCTCGTAGTTC
L67X V5 2 A V: CGTGGTTAATGTGNNKGATTATGACACCTCTGATC R: GATCAGAGGTGTCATAATCMNNCACATTAACCACG
T71X V5 2 A V: GTGCTGGATTATGACNNKTCTGATCAGCTGCTGC R: GCAGCAGCTGATCAGAMNNGTCATAATCCAGCAC
L75X V8 2 A V: GACACCTCTGATCAGNNKCTGCGCCAAGACGAAG R: CTTCGTCTTGGCGCAGMNNCTGATCAGAGGTGTC
N32E V3 1 A V: CACGACCACGGTGTGGGAATACGAGAAAGCC R: GGCTTTCTCGTATTCCCACACCGTGGTCGTG
R33Y WT 1 A V: CCACGGTGTGGAACTACACCAAAGCCAAAAGCG R: CGCTTTTGGCTTTGGTGTAGTTCCACACCGTGG
R37A V8 1 A V: GAATACGAGAAAGCCGCGAGCGAACCGCTGGC R: GCCAGCGGTTCGCTCGCGGCTTTCTCGTATTC
L67I V7 1 A V: CGTGGTTAATGTGATTGATTATGACGTGTCTGATC R: GATCAGACACGTCATAATCAATCACATTAACCACG
T71V WT 1 A V: GTGCTGGATTATGACGTGTCTGATCAGCTGCTGC R: GCAGCAGCTGATCAGACACGTCATAATCCAGCAC
T71V V6 1 A V: CGTGGTTAATGTGATTGATTATGACGTGTCTGATC R: GATCAGACACGTCATAATCAATCACATTAACCACG a Folgende Mutagenesestrategien kamen zum Einsatz: 1) Punktmutation(en); 2) Sättigungsmutagenese an einer Position; 3) Kombinatorische Teilsättigungsmutagenese
an drei Positionen gleichzeitig. b Folgende Techniken zum Einführen von Mutationen wurden angewendet:
A) QuikChange™-PCR; B) Gibson assembly.
Tabelle 5: Verwendete Primer zur Generierung von R-IRED_Ms Enzymvarianten mit geänderter Stereoselektivität. Die Mutationsstelle im Primer ist grau markiert.
Ziel- Mutation
Verwen-detes Templat
Muta-genese Strategiea
Ange-wendete Technikb
Sequenz (5‘->3‘) V = vorwärts, R = rückwärts
A122V, T123P, P124A
V8 1 A V: CGGTGCGATCATG GTT CCG GCG GATTTTATTGGCCAG R: CTGGCCAATAAAATC CGC CGG AAC CATGATCGCACCG
D171Y V8 1 A V: CATGCCTCAGCACTG TAT AGCGCCCTGCTGTTTCAG R: CTGAAACAGCAGGGCGCT ATA CAGTGCTGAGGCATG
M178F V8 1 A V: CCTGCTGTTTCAG TTC TGGGGCACCCTGTTC R: GAACAGGGTGCCCCA GAA CTGAAACAGCAGG
Material und Methoden
20
Q234D, T235V, L236D
V8 1 A V: CTGACCGCAGACGCT GAT GTG GAT GCAAGTCTGGAAGG R: CCTTCCAGACTTGC ATC CAC ATC AGCGTCTGCGGTCAG
H242G V8 1 A V: CAAGTCTGGAAGCT GGT AACGTGGCGTTC R: GAACGCCACGTT ACC AGCTTCCAGACTTG
S95X, D171X
V8 3 B V: CAGCTGACC KHT GGTTCTCCGGCACTGGC R: CAGGGCGCT ADM CAGTGCTGAGGCATGACC V: CTCAGCACTG KHT AGCGCCCTGCTGTTTCAG R: CGGAGAACC ADM GGTCAGCTGAACCAGCAG
I120X, M121X
V8 3 A V: CTGGACGGTGCG KHT KHT GCCACCCCGGATTTTATTG R: CAATAAAATCCGGGGTGGC ADM ADM CGCACCGTCCAG
A122X, T123X
V8 3 A V: GACGGTGCGATCATG KHT KHT CCGGATTTTATTGGC R: GCCAATAAAATCCGG ADM ADM CATGATCGCACCGTC
L175X, M178X
V8 3 A V: GACAGCGCCCTG KHC TTTCAG KHT TGGGGCACCCTG R: CAGGGTGCCCCA ADM CTGAAA GDM CAGGGCGCTGTC
A241X, H242X
V8 3 A V: CTGGCAAGTCTGGAA KHT KHT AACGTGGCGTTCC R: GGAACGCCACGTT ADM ADM TTCCAGACTTGCCAG
V212X V8 2 A V: CTGACCGAACCG NNK ACCCAGGGTGCCGTTG R: CGGCACCCTGGGT MNN CGGTTCGGTCAGTTTG
A237X V8 2 A V: GACGCTCAGACGCTG NNK AGTCTGGAAGCTCATAAC R: GAGCTTCCAGACT MNN CAGCGTCTGAGCGTCTG
M13X V8 2 A V: GTTATTGGCGCTGGCCGT NNK GGCTCCGCACTG R: CAGTGCGGAGCC MNN ACGGCCAGCGCCAATAAC
P124X V8 2 A V: CGATCATGGCCACC NNK GATTTTATTGGCCAGGC R: GCCTGGCCAATAAAATC MNN GGTGGCCATGATCG
A245X V8 2 A V: GGAAGCTCATAACGTG NNK TTCCAACACCTGCTG R: CAGCAGGTGTTGGAA MNN CACGTTATGAGCTTCC
L170X, D171Y, S172Q
V8 1+2 A V: CATGCCTCAGCACTG NNK TAC CAG GCCCTGCTGTTTCAG R: CTGAAACAGCAGGGC CTG GTA MNN CAGTGCTGAGGCATG
A245X 15B7 2 A V: GGAAGTTTATAACGTG NNK TTCCAACACCTGCTG R: CAGCAGGTGTTGGAA MNN CACGTTCAAATATTCC
A241X, H242X
110D2 3 A V: CTGGCAAGTCTGGAA KHT KHT AACGTGTTGTTCC GGAACAACACGTT ADM ADM TTCCAGACTTGCCAG
A241X 15B7 2 C
V: GCTCAGACGCTGGCAAGTCTGGAA NDT TATAACGTGGCGTTCCAACACCTGC V: GCTCAGACGCTGGCAAGTCTGGAA VHG TATAACGTGGCGTTCCAACACCTGC V: GCTCAGACGCTGGCAAGTCTGGAA TGG TATAACGTGGCGTTCCAACACCTGC R: CAGACTTGCCAGCGTCTGAGCGTCTGCGGTCAGGCGATTTTGCTG
H242X 15B7 2 C
V: GCTCAGACGCTGGCAAGTCTGGAAGTT NDT AACGTGGCGTTCCAACACCTGCTG V: GCTCAGACGCTGGCAAGTCTGGAAGTT VHG AACGTGGCGTTCCAACACCTGCTG V: GCTCAGACGCTGGCAAGTCTGGAAGTT TGG AACGTGGCGTTCCAACACCTGCTG R: CAGACTTGCCAGCGTCTGAGCGTCTGCGGTCAGGCGATTTTGCTG
A241M, H242X
V8 1+2 C
V: GCTCAGACGCTGGCAAGTCTGGAA ATG NDT AACGTGGCGTTCCAACACCTGCTG V: GCTCAGACGCTGGCAAGTCTGGAA ATG VHG AACGTGGCGTTCCAACACCTGCTG V: GCTCAGACGCTGGCAAGTCTGGAA ATG TGG AACGTGGCGTTCCAACACCTGCTG R: CAGACTTGCCAGCGTCTGAGCGTCTGCGGTCAGGCGATTTTGCTG
E240X, N243X
15B7 3 B V: GCTCAGACGCTGGCAAGTCTG KHT GTTTAT KHT GTGGCGTTCCAACACCTGCTGGCC R: CAGACTTGCCAGCGTCTGAGCGTCTGCGGTCAGGCGATTTTGCTG
V244X, F246X
110C2 3 A V: GTCTGGAAGCTCATAAC KHT TGT KHT CAACACCTGCTGGCC R: GGCCAGCAGGTGTTG ADM ACA ADM GTTATGAGCTTCCAGAC
V244X, 15B7 1+3 A V: GTCTGGAAGTTTATAAC KHT TGT KHT CAACACCTGCTGGCC R: GGCCAGCAGGTGTTG ADM ACA ADM GTTATAAACTTCCAGAC
Material und Methoden
21
A245C, F246X
V244X, F246X
110D2 3 A V: GTCTGGAAGCTCATAAC KHT TTG KHT CAACACCTGCTGGCC R: GGCCAGCAGGTGTTG ADM CAA ADM GTTATGAGCTTCCAGAC
V244X, A245L, F246X
24E4 1+3 A V: GTCTGGAAATTTATAAC KHT TTG KHT CAACACCTGCTGGCC R: GGCCAGCAGGTGTTG ADM CAA ADM GTTATAAATTTCCAGAC
A245L D171Y 1 A V: GGAAGCTCATAACGTG TTG TTCCAACACCTGCTGG R: CCAGCAGGTGTTGGAA CAA CACGTTATGAGCTTCC
A245X 24E4 2 A V: GTCTGGAAATTTATAACGTG NNK TTCCAACACCTGCTGG R: CCAGCAGGTGTTGGAA MNN CACGTTATAAATTTCCAGAC
G96D, S79X
V8 1+2 A V: GTTCAGCTGACCAGC GAT NNK CCGGCACTGGCTC R: GAGCCAGTGCCGG MNN ATC GCTGGTCAGCTGAAC
T94X, G96D, S79X
V8 1+3 A V: CTGGTTCAGCTG KHT AGCGAT KHT CCGGCACTGGCTG R: CAGCCAGTGCCGG ADM ATCGCT ADM CAGCTGAACCAG
F246X 110D2 2 A V: GAAGCTCATAACGTG TTG NNK CAACACCTGCTGGCC R: GGCCAGCAGGTGTTG MNN CAA CACGTTATGAGCTTC
A241X 23B3 2 A V: GCTGGCAAGTCTGGAA NNK TATAACGTGTTGTTCC R: GGAACAACACGTTATA MNN TTCCAGACTTGCCAGC
H242X 23B3 2 A V: GGCAAGTCTGGAAGTT NNK AACGTGTTGTTCCAAC R: GTTGGAACAACACGTT MNN AACTTCCAGACTTGCC
N243X 23B3 2 A V: CAAGTCTGGAAGTTTAT NNK GTGTTGTTCCAACACC R: GGTGTTGGAACAACAC MNN ATAAACTTCCAGACTTG
N243X V244X
23B3 3 A V: CAAGTCTGGAAGTTTAT KHT KHT TTGTTCCAACACCTGC R: GCAGGTGTTGGAACAA ADM ADM ATAAACTTCCAGACTTG
a Folgende Mutagenesestrategien kamen zum Einsatz: 1) Punktmutation(en); 2) Sättigungsmutagenese an einer Position; 3) Kombinatorische Teilsättigungsmutagenese an zwei Positionen gleichzeitig. b Folgende Techniken zum Einführen von Mutationen wurden angewendet:
A) QuikChange™-PCR; B) Gibson assembly; C) Gibson assembly kombiniert mit „22c-trick”.[158]
3.1.6. Verwendete E. coli Stämme
Das Gen für R-IRED_Ms wurde im Rahmen eines früheren Projektes von GenSkript
(Piscataway, US) synthetisiert und in einem pET28a(+)-Vektor geliefert. Deshalb wurde
zunächst mit einem passenden Expressionsstamm (E. coli BL21(DE3)) gearbeitet,
welcher das Gen für die nötige T7-Polymerase trägt. Für die Klonierungsarbeiten mit
pET28a(+) wurde außerdem der Klonierungsstamm E. coli DH5α verwendet. Im
weiteren Verlauf wurde das Gen in einen pBAD33-Vektor überführt. In diesem Plasmid
standen auch weitere IREDs zur Verfügung, welche bereits in Vorarbeiten kloniert
wurden. Für pBAD-Plasmide wurde der Stamm E. coli JW5510 aus der Keio-
Collection[159] herangezogen, bei welchem die Gene der Abbauenzyme von
L(+)-Arabinose ausgeschaltet sind. Auch für die Arbeiten mit PuOs, welche in einem
Material und Methoden
22
pBAD18-Vektor integriert waren, wurde E. coli JW5510 verwendet. Neben der
Expression von IREDs und PuOs wurden auch sämtliche Klonierungsarbeiten in diesem
Stamm durchgeführt. Tabelle 6 zeigt den Genotyp der verwendeten Stämme.
Tabelle 6: Genotypen der verwendeten E. coli Stämme.
Stamm Genotyp
E. coli DH5α F- fhuA2 lac(del)U169 phoA glnV44 Φ80' lacZ(del)M15 gyrA96 recA1 relA1 endA1 thi-1 hsdR17
E. coli BL21(DE3) F- ompT gal dcm lon hsdSB(rB- mB-) λ(DE3 [lacI lacUV5-T7 gene 1 ind1 sam7 nin5])
E. coli JW5510 F- Δ(araD-araB)567 ΔlacZ4787(::rrnB-3)λ-ΔygjG763::kann rph-1 Δ(rhaD-rhaB)568 hsdR514
3.1.7. Verwendete Puffer und Lösungen
3.1.7.1. Puffer zur Herstellung kompetenter E. coli-Zellen (RbCl-Methode)
Tabelle 7: Puffer zur Herstellung kompetenter E. coli-Zellen.
TFBI-Puffer TFBII-Puffer
Kaliumacetat 0,59 g MOPS 0,21 g
RbCl 2,42 g RbCl 0,12 g
CaCl2 0,29 g CaCl2 1,1 g
MgCl2·4H2O 2,0 g Glycerin 37,8 g
Glycerin 37,8 g ddH2O 200 mL
ddH2O 200 mL pH 6,5 mit NaOH
pH 5,8 mit Essigsäure
3.1.7.2. Puffer und Lösungen für die Agarose-Gelelektrophorese
Tabelle 8: Puffer und Lösungen für die Agarose-Gelelektrophorese.
DNA-Ladepuffer 50x TAE-Puffer 0,7%ige Agaroselösung
Saccharose 4 g TRIS 0,21 g Agarose 3,5 g
Orange G 20 mg Essigsäure 57,1 mL 1x TAE-Puffer Ad 500 mL
ddH2O 10 mL EDTA 18,6 g
ddH2O ad 1 L
Material und Methoden
23
3.1.7.3. Puffer und Lösungen für die Proteinreinigung
Tabelle 9: Puffer und Lösungen für die Proteinreinigung.
Bindepuffer Waschpuffer (5 mM Imidazol)
Elutionspuffer (500 mM Imidazol)
KCl 22,4 g KCl 22,4 g KCl 22,4 g
Kpi-Puffer (50 mM)
ad 1 L
Imidazol 342 mg
Imidazol 34,2 g
Kpi-Puffer
(50 mM) ad 1 L
Kpi-Puffer (50 mM)
ad 1 L
3.1.7.4. Puffer und Lösungen für die SDS-PAGE
Tabelle 10: Puffer und Lösungen für die SDS-PAGE
6x SDS-Ladepuffer Coomassie Färbelösung
Coomassie Entfärbelösung
DTT 926 mg Ethanol 300 mL Ethanol 300 mL
Glycerin 3,78 g Essigsäure 100 mL Essigsäure 100 mL
SDS 1 g Coomassie 1 g ddH2O 600 mL
Bromphenol-blau 12 mg ddH2O 600 mL
TRIS-HCl Puffer pH 8,0 (350 mM)
10 mL
Material und Methoden
24
3.2. Molekularbiologische Methoden
3.2.1. Polymerase-Kettenreaktion (PCR)
Zur Amplifikation linearer DNA-Fragmente wurden PCR-Methoden angewendet. Hierbei
wird die DNA zunächst thermisch in die Einzelstränge aufgetrennt. Durch Absenken der
Temperatur erfolgt anschließend die Anlagerung von Oligonukleotiden (Primer) an die
Einzelstränge. Im nächsten Schritt wird die Temperatur wieder erhöht, sodass das
Temperaturoptimum der DNA-Polymerase erreicht wird. Diese bindet an das 3‘-Ende
des Primers und beginnt den fehlenden Strang in 5‘->3‘ Richtung zu vervollständigen.
Durch periodische Wiederholung dieser drei Schritte mit einem passenden
Temperaturprogram kann das DNA-Fragment exponentiell vervielfältigt werden. Im
Folgenden sind die Komponenten eines PCR-Ansatzes (Tab 11), sowie das allgemeine
Temperaturprogram gezeigt, (Tab 12).
Tabelle 11: Zusammensetzung eines PCR-Ansatzes (Endvolumen 50 µl).
Komponente Volumen / µl
10x PfuUltraII-Puffer 5
DMSO 1
dNTPs (10 mM) 1,25
DNA-Templat (50-100 ng µl-1) 0,5-1
Vorwärts-Primer (10 µM) 1
Vorwärts-Primer (10 µM) 1
PfuUltraII Fusion HS Polymerase 0,75
ddH2O 39-39,5
Tabelle 12: Temperaturprogram für eine PCR.
Schritt Temperatur Dauer Zyklen
Hot-start PfuUltraII Denaturierung Primer-Anlagerung Elongation Auffüllreaktion
95°C 95°C 55°C 72°C 72°C
2 min 30 s 45 s 20s / kb 4 min
1 30 1
Material und Methoden
25
3.2.2. Klonierung mittels Gibson assembly
Die Durchführung des Gibson assembly erfolgte nach Gibson et al.[160] Zunächst wurden
geeignete Primer designt, welche für die PCR eingesetzt wurden. Die gewonnenen
linearen DNA-Fragmente wurden anschließend mit einem präparativen Agarosegel
getrennt, ausgeschnitten und mit dem ZymocleanTM Gel DNA Recovery Kit gereinigt.
Schließlich wurden 5 µl der DNA-Fragmente mit 15 µl eines 1,33-fach konzentrierten
Gibson-Mastermix vermischt. Die enthaltenen Komponenten sind in Tabelle 13
aufgeführt. Abhängig von Anzahl und Größe der Fragmente wurde ein bestimmtes
Mischungsverhältnis gewählt. Meistens wurden ein großes und ein kleines Fragment
vermischt. Hierbei wurde ein Verhältnis von 1 (großes Fragment) zu 3 (kleines
Fragment) bezogen auf die Stoffmengenkonzentration gewählt.
Tabelle 13: Auflistung aller im Gibson-Mix enthaltenen Komponenten, sowie die resultierenden Endkonzentrationen.
Komponente Endkonzentration
TRIS-HCl Puffer (pH 7,5) 100 mM
PEG-800 5% (w/v)
MgCl2a 10 mM
DTT 10 mM
dNTPs je 0,05 mM
NAD+ 1 mM
T5 Exonuklease 4 U mL-1
Phusion® High-Fidelity Polymerase 25 U mL-1
Taq DNA Ligase 4000 U mL-1
a hydratisiertes Salz wurden verwendet
3.2.3. Ortsgerichtete Mutagenese mittels Gibson assembly
Neben der Klonierung von DNA-Fragmenten können auch Mutationen über Gibson
assembly in ein Gen eingeführt werden. Ähnlich wie bei der QuikChange™-Methode
(Kap. 3.2.4) wird auch hier die Mutation über Primer eingefügt. Der Hauptvorteil hierbei
besteht jedoch darin, dass mehrere Mutationen an sehr unterschiedlichen Stellen
gleichzeitig eingefügt werden können. Weitere Vorteile gegenüber der QuikChange™
Material und Methoden
26
Methode sind die exponentielle Amplifikat-Bildung und eine höhere Effizienz bei der
anschließenden Transformation von E. coli Zellen.
3.2.4. Ortsgerichtete Mutagenese mittels QuikChangeTM
Bei dem von Stratagene (La Jolla, US) entwickelten QuikChangeTM-Protokoll können eine
oder mehrere nebeneinanderliegende Mutationen mit Hilfe von mutagenen Primern in
ein Gen eingefügt werden. Im Vergleich zur ortsgerichteten Mutagenese mittels Gibson
assembly ist die QuikChange™-Methode etwas schneller, außerdem sind die benötigten
Primer kleiner und damit günstiger. Die QuikChange™-Primer sind etwa 30-35
Nukleotide lang und sind (abgesehen von der Mutationsstelle in der Mitte des Primers)
komplementär zur Templat-DNA. Bei jedem PCR-Zyklus wird das ganze Plasmid
amplifiziert. Die amplifizierten DNA-Stränge tragen die gewünschte Mutation, jedoch
können sie nicht für weitere Zyklen als Templat dienen, da der nun komplementäre
Primer in die falsche Richtung zeigt. Aus diesem Grund ist die Amplifikatbildung nicht
exponentiell sondern nur linear ansteigend, sodass nach 30 Zyklen das Verhältnis von
Amplifikat zu Templat maximal 30:1 beträgt. Aus diesem Grund ist der anschließende
Verdau der Templat-DNA mit Dpn1 sehr wichtig. Um einen maximal wirksamen Verdau
zu erreichen, wurden 2 µl Dpn1 zu 50 µl PCR-Produkt gegeben und für 1-2 h bei 37°C
inkubiert.
3.2.5. Agarose-Gelelektrophorese
45 mL Agaroselösung (0,7% w/v, 70°C) wurden mit 2,5 µl Midori Green (Nippon
Genetics Europe GmbH, Düren, DE) vermischt und zum Aushärten in eine
Agarosegelkammer gegossen. Nach Überschichtung mit TAE-Puffer und Beladung der
Geltaschen erfolgte die Elektrophorese (100 Volt, 45-60 min). Als Marker wurde der
1kbp plus DNA Marker (Fermentas, St. Leon-Rot, DE) verwendet. Die aufgetrennten
DNA-Fragmente wurden anschließend unter UV-Licht (λ = 365 nm) analysiert und
gegebenenfalls aus dem Gel ausgeschnitten.
Material und Methoden
27
3.2.6. Herstellung chemisch kompetenter Zellen
Die Herstellung chemisch kompetenter E. coli Zellen erfolgte nach der RCl-Methode.
Hierfür wurden 100 mL vorgewärmtes LB-Medium mit 500 µl Zellsuspension
(Vorkultur) angeimpft und in einem 250 ml Erlenmeyerkolben bei 37°C und 180 rpm
inkubiert. Nach etwa 2,5-3,5 h wurden die Zellen bei einer OD600 von 0,5-0,7 geerntet
(10 min, 3220 g, 4°C). Das Zellpellet wurde anschließend mit 40 mL gekühltem TFBI-
Puffer resuspendiert und 15 min auf Eis gelagert. Anschließend wurden die Zellen
erneut zentrifugiert (10 min, 3220 g, 4°C). Das Pellet wurde nun mit 5 mL TFBII-Puffer
resuspendiert und erneut für 15 min auf Eis gelagert. Anschließend wurden die Zellen
auf vorgekühlte Plastik-Tubes verteilt (je 25 µl) und zügig bei -80°C tiefgefroren.