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DIE NATURWISSENSCHAFTEN WOCHENSCHRIFT FUR DIE FORTSCHRITTE DER NATURWISSENSCHAFT~ DER MEDIZINUND DER TECHNIK tIERAUS(~E GEBEN VON DR. ARNOLD BERLINER u~D PROF. DR. AUGUST PJJTTER Siebenter Jahrgang. 17. Oktober 1919. Heft 42. Genetik und Mimikry. Von E. Study, Bonn., Was kann die moderne Erblichkeitsforsehung zum Verstiindnis der i~[imikry beitragen? -- Sehr wenig, wird man zun~ehst wohl meinen. Denn daft der phylogenetisehe Fortsehritg dureh bIoge Xombinat.ionen vbn sehon Vorhandenem nieht zustande gekommen sein kann, liegt auf der Hand, die elgentllehen Neubildungen -- die ~u- tationen ~ aber sind in Kulturen zu spiirlich ~u£getret~en, ,als daft man ,aus d e~ vorlfegenden Beobaehtungen weitreichende Sehliisse ziehen kSnnte, und vlele Xutationen sind a~Jch gar nieht yon der Art, dag ihnen eine stammesge- schichtliche Bedeutung zukommen kSnnte (De- fekte, erblieho ¥erkriippelungen nnd ghnliehes). Alles, was sieh zuniichst zu ergeben sehein~, ist die Best~i~igu~g yon Darwins Ansieht, dab die verwickelteren Anpassungen iiberl~aupt, und also aueh die vollendeteren Beispiele yon ]Y[imikry ihre Entstchung der Summation odor ~Iintereinander- schal¢ung violet /sleiner orb]ichor Xnderungen verdanken werden, d. h. so]chef ~[utationen, die wenig auffgllig sind odor hSchstens so beschaffen, wie etwa die Xnderung einer Blfitenfarbe odor die Xnderung der Grundf~rbung eines Sehmetter- lingsfltigels. Noeh niemals hat man ja bet Xul- turformen so rad~ikale Xnderungen g]eich in einer Menge yon Strukturen beobachtet, wie sie nStig wgren, usa z. B. die Trachte~ der versehiedenen Weibchen des berfihmten Falters Papilio dar- danus (merope) unvermittelt, sprungha~t, aus dem aueh fiir die Weibchen vorauszusetzenden Xleid hervorgehen zu Iassen, das das }[~nnehen noch heute tri~gt, und das uns. aueh beim Weib- chen in In selrassen und in Abe s:syn.ien noch er- halten ist. Nun is tim Jahre 1915 eln Buch Mimicry in Butterflies erschienen, dessen Yerfasser den eben bezeichneten Sachverhalt zwar nieh% geradezu in Abrede s~ellt, aber tatsg.chllch ganz andere Folge- rungen aus der Erblichkeitsleh,re ziehen will. t=[err R. C. Punnett, F. R. S., ist Professor of Genetics an der Universit~t Cambridge (England), und sehon um dleser seiner 5ffeatlichen Stellung willen verdien¢ seine Anslcht Beach%ung. Diese geh~ nun damn, daft ]ede solehe Anpassung mit elnem Male, also dureh je eine ei~zige Xn~atiou ans moistens ganz anders beschaffenem :~ateria] entstanden sein mug, und daft sle dal~n unter dem Einflufl der SeleIstion, eben well sie dutch die ~Sg]ichkeit einer Verweehselung mit einem geschiitzten Modelle vorteilhaft war, erhalten go- blieben ist. Punnett schtiel~t sich also in sainem Spezialfa]l der ]~ein~ng yon de Fries an, der neuerdings alle phylogenetlse~ ~bedeu~samen Xnde- rungen (nicht nut Anpassungen) dutch solche gr6flere (yon ande~en zuweilen Saltationen ge- nannte) Spriinge zustande kommen I~ft±. (Na- ~urwisse~sehaften 1916, S. 593 u. ff.). Ganz neu ist diese Lehrmeinung freilich nicht~, und s~e brauchte a,uch nicht erst auf dam Boden der Genetik .zu erwachsen. Die Idee ,,p]Stz- iicher" Xnderungen ist sehr alt, sie finder sich z. B. bet E t Geoffroy-Saint-H~taire. Eben den- selben Gedanken hatten dann Darwin und Bates erSrtert, freilich nut, um ihn zuriickzuweisen. Nach Darwin sind zahllose Anpassungen viet zu let,n, als d:afl ma~ ernsthaft ,dla~an denken ~:Snnte, sie ale das ausschlieftliche Produkt yon sports odor single variations (~d:. h:. eben gewaltsa~ea ]~[It~%a- tionen odor ,,Sa'l'tationen") aufzufassen- ein schwerwiegendes Argument, mit dem auffallen- derweise weder Punnett sich auseina~dergesetzt hat, noch vor ibm (sovie] ich weift) de Vries. Bates aber hat ganze Reihe.~ yon Loka}var[et~ten mimetischer Falter abgebildet, yon denen einige bessere, andere schlechtere l~bereinstimmung mit ihren :godel]en zeigen (Transactions of the Linnean Society 23, 1872). 1893 hat sodann der Zoo]oge C. Emery in einer anscheinend ganz in Vergessenheit geratenen Arbeit eben diesen Ge- danken entwickelt ~) (Bio~ogisehes Zentr,alb]att Bd. 13, S. 408). Es finder sich bet ihm bereits ziemlieh genau die erst viel sp~ter zur Geltung gekommene Gliederdng des Sammelbegriffs ,,Variation" in Modifikationen, Kombinationen und Mutationen. Aufterdem abet butte Emery, im Gegensat~ zu de Vries und Punnett, auch, dem Einwand Darwins Reehnung getragelL indem er ueben den grol]en Sprtingen zur Ausarbeitung der feineren Anpassungen auch kleine zulieg ~ also, naeh s~p~terer Terminologie, ebensolche Mutatio- non, w~e s~e i~ den Experimenten der Erbtich- /eeitsforscher in den letzten Dezennien wir/dich zum Vorsch~n ge/sommen sind. Schlieftlleh ist auch die Xhn]iehkeit nicht zu ver kennen, die der Gedanke Pun netts mit Eimers Ideen yon ether ,,unabh~ngigen Ent~vicklu~gsgleickheiV' hat (HomSogenesis, 1897). Anch Elmer nahm ja eine sprunghafte Ent~vicklung (Halmatogenesis) an. A ufter den Namen yon Emery und Elmer babe ~eh iibrlgens in dem :Buche yon Punnett 'auch den 1) Insbesondere fiihrt Emery das Beispiel gewisser Phasmiden an, die neben gefliigelten M~nnchen auch sekundKr und dann vielleieht plStzlich entst~an, dene un- gefliigelte haben. Nw. I919. 103

Genetik und Mimikry

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DIE NATURWISSENSCHAFTEN WOCHENSCHRIFT FUR DIE FORTSCHRITTE DER NATURWISSENSCHAFT~ DER MEDIZIN UND DER TECHNIK

tIERAUS(~E GEBEN VON

DR. A R N O L D B E R L I N E R u~D PROF. DR. A U G U S T PJJTTER

S i e b e n t e r J a h r g a n g . 17. O k t o b e r 1 9 1 9 . H e f t 42.

Genetik und Mimikry. Von E. Study, Bonn.,

Was kann die moderne Erblichkeitsforsehung zum Verstiindnis der i~[imikry beitragen? - - Sehr wenig, wird man zun~ehst wohl meinen. Denn daft der phylogenetisehe Fortsehritg dureh bIoge Xombinat.ionen vbn sehon Vorhandenem nieht zustande gekommen sein kann, liegt auf der Hand, die elgentllehen Neubildungen - - die ~u- tationen ~ aber sind in Kulturen zu spiirlich ~u£getret~en, ,als daft man ,aus d e~ vorlfegenden Beobaehtungen weitreichende Sehliisse ziehen kSnnte, und vlele Xutationen sind a~Jch gar nieht yon der Art, dag ihnen eine stammesge- schichtliche Bedeutung zukommen kSnnte (De- fekte, erblieho ¥erkriippelungen nnd ghnliehes). Alles, was sieh zuniichst zu ergeben sehein~, ist die Best~i~igu~g yon Darwins Ansieht, dab die verwickelteren Anpassungen iiberl~aupt, und also aueh die vollendeteren Beispiele yon ]Y[imikry ihre Entstchung der Summation odor ~Iintereinander- schal¢ung violet /sleiner orb]ichor Xnderungen verdanken werden, d. h. so]chef ~[utationen, die wenig auffgllig sind odor hSchstens so beschaffen, wie etwa die Xnderung einer Blfitenfarbe odor die Xnderung der Grundf~rbung eines Sehmetter- lingsfltigels. Noeh niemals hat man ja bet Xul- turformen so rad~ikale Xnderungen g]eich in einer Menge yon Strukturen beobachtet, wie sie nStig wgren, usa z. B. die Trachte~ der versehiedenen Weibchen des berfihmten Falters Papilio dar- danus (merope) unvermittelt, sprungha~t, aus dem aueh fiir die Weibchen vorauszusetzenden Xleid hervorgehen zu Iassen, das das }[~nnehen noch heute tri~gt, und das uns. aueh beim Weib- chen in In selrassen und in Abe s:syn.ien noch er- halten ist.

Nun is t i m Jahre 1915 eln Buch Mimicry in Butterflies erschienen, dessen Yerfasser den eben bezeichneten Sachverhalt zwar nieh% geradezu in Abrede s~ellt, aber tatsg.chllch ganz andere Folge- rungen aus der Erblichkeitsleh,re ziehen will. t=[err R. C. Punnett, F. R. S., ist Professor of Genetics an der Universit~t Cambridge (England), und sehon um dleser seiner 5ffeatlichen Stellung willen verdien¢ seine Anslcht Beach%ung. Diese geh~ nun damn, daft ]ede solehe Anpassung mit elnem Male, also dureh je eine ei~zige Xn~atiou ans moistens ganz anders beschaffenem :~ateria] entstanden sein mug, und daft sle dal~n unter dem Einflufl der SeleIstion, eben well sie dutch die ~Sg]ichkeit einer Verweehselung mit einem geschiitzten Modelle vorteilhaft war, erhalten go-

blieben ist. Punnett schtiel~t sich also in sainem Spezialfa]l der ]~ein~ng yon de Fries an, der neuerdings alle phylogenetlse~ ~bedeu~samen Xnde- rungen (nicht nut Anpassungen) dutch solche gr6flere (yon ande~en zuweilen Saltationen ge- nannte) Spriinge zustande kommen I~ft±. (Na- ~urwisse~sehaften 1916, S. 593 u. ff.).

Ganz neu ist diese Lehrmeinung freilich nicht~, und s~e brauchte a,uch nicht erst auf dam Boden der Genetik .zu erwachsen. Die Idee ,,p]Stz- iicher" Xnderungen ist sehr alt, sie finder sich z. B. bet E t Geoffroy-Saint-H~taire. Eben den- selben Gedanken hatten dann Darwin und Bates erSrtert, freilich nut, um ihn zuriickzuweisen. Nach Darwin sind zahllose Anpassungen viet zu let,n, als d:afl ma~ ernsthaft ,dla~an denken ~:Snnte, sie ale das ausschlieftliche Produkt yon sports odor single variations (~d:. h:. eben gewaltsa~ea ]~[It~%a- tionen odor ,,Sa'l'tationen") a u f z u f a s s e n - ein schwerwiegendes Argument, mit dem auffallen- derweise weder Punnett sich auseina~dergesetzt hat, noch vor ibm (sovie] ich weift) de Vries. Bates aber hat ganze Reihe.~ yon Loka}var[et~ten mimetischer Falter abgebildet, yon denen einige bessere, andere schlechtere l~bereinstimmung mit ihren :godel]en zeigen (Transactions of the Linnean Society 23, 1872). 1893 hat sodann der Zoo]oge C. Emery in einer anscheinend ganz in Vergessenheit geratenen Arbeit eben diesen Ge- danken entwickelt ~) (Bio~ogisehes Zentr,alb]att Bd. 13, S. 408). Es finder sich bet ihm bereits ziemlieh genau die erst viel sp~ter zur Geltung gekommene Gliederdng des Sammelbegriffs ,,Variation" in Modifikationen, Kombinationen und Mutationen. Aufterdem abet butte Emery, im Gegensat~ zu de Vries und Punnett, auch, dem Einwand Darwins Reehnung getragelL indem er ueben den grol]en Sprtingen zur Ausarbeitung der feineren Anpassungen auch kleine zulieg ~ also, naeh s~p~terer Terminologie, ebensolche Mutatio- non, w~e s~e i~ den Experimenten der Erbtich- /eeitsforscher in den letzten Dezennien wir/dich zum Vorsch~n ge/sommen sind. Schlieftlleh ist auch die Xhn]iehkeit nicht zu ver kennen, die der Gedanke Pun netts mit Eimers Ideen yon ether ,,unabh~ngigen Ent~vicklu~gsgleickheiV' hat (HomSogenesis, 1897). Anch Elmer nahm ja eine sprunghafte Ent~vicklung (Halmatogenesis) an. A ufter den Namen yon Emery und Elmer babe ~eh iibrlgens in dem :Buche yon Punnett 'auch den

1) Insbesondere fiihrt Emery das Beispiel gewisser Phasmiden an, die neben gefliigelten M~nnchen auch sekundKr und dann vielleieht plStzlich entst~an, dene un- gefliigelte haben.

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des Botanikers Korschinsl~y vermiSt, der bei a l ler Abweiehnng der Grundanf fas sung in diesem Zn- sammenhang doeh woht sine Erwiihn'ung verd ien t hgtte.

Versueh~n vcir uns nun eln UrteiL zu bilden, so ist dis Kardinalfrage nat i i r l ieh die: Paflt das Vorgetragene zu den bekannten Tatsachen? Das abet is~ schlechthin zu verneinen. K ie r seheint dem t~errn Yer~asser der (hash der ¥o r r ede zu schllel~en) nut. ger inge Umfang seiner Pr iva t - sammlung, viel leicht aueh sine zu welt getr iebene Riicksieht auf die Spezial interessen gewisser entomologiseher Liebhaber, verh~ngnisvotl gewor- den zu sein. 3/[it ether wohl sehon 2ert igen 3lei- hung ha t er seine Arbe i t begonnen, deren Sto~f seinem sonstigen Tgt igkei ts fe ld ziemtie~: fe rn tiegt, u n d als er diese Ansicht in einem ziemlieh eng abgegrenzten Xre i s yon Tatsachen bestiitig~ fund - - oder zu f inden g l a u b t e - - , ha t er sich zu sehnell beruhigt .

Das englisehe Wor t Butterfly ist nieht so~ wie manches Lexikon es angibt , ngm]ieh nicJat mi t Schmet ter ] ing zu iibersetzen. Es bezeiehnet vie]mehr nur, in', ~bere ins t immnng mi t nieder- deutschen Dia]ekten (But terf l iege, But tervogel) , die in unserer L i t e ra tu r , sehr unzweekm~Siger- weiss, vielfaeh seMeehthi~ ;sogenannten Tagfa.lter, d. h. die Famil{engruppen der Rhopalocera and Grypocera. AHe anderen F a m i l i e n der Sehmetter- l inge - - deren viele ebenfalls bet Tags f l iegen - - heiSen im Englisehen moths, , ,5[otten". Z~a diesen ~ o t t e n geh5ren also al]e unsere Sehwgrmer, Spin- ner, Spanner usw., n ieh t etwa na r das t I ee r der , ,Xle insehmet ter l inge" (M@rolepidoptera). Yon solehen ,,~{otten" werden yon Punnett nur ganz wenige, zufg]lig herausgegri~£ene ,Beispie] e ~beriiek- slehtigt, o.bwoh] gerade sis i,n sin era ]3uehe, das zu neuen t leobachtungen anregen will, e'ine besom- dere Beri icksicht igung verd ien t hiitten~). Die 3~imikryersehein~ngen s ind ja nieht auf jene Tag- fa l ter besehrgnkt, sondern s i s verkni ipfen Fa l t e s der verschiedensten F a m i l l e n nnd dari iber h inaus Sehmet ter l lnge mi t anderen Ordnungen der ' In- sekten and se]bst m i t leb]osen Gegenstiinden, terr ier Insekten der versehiedensten Ordnungen nn te re inander ; aueh gibt es solche bet Spinnen, Krnstaeeen und sel'bst Wirbel t ieren. Und da ran seheitert die Punnet t sehe Theorie.

Punnetts Geda~kengang ist dieser: Es mag sein, dag in den versehiedensten Fami l i en der Seh~metterlinge aus unb,eka~nten Ursachen (eben denen vo~ Eimers ar~geMieher }tomSogenesis) die- selben Entwicklnngsanlagen (Gene) auf t re ten. Dann miissen uns diese Fa l t e r aueh sehr ~ihn- Iiehe Farbenmus te r zeigen~). Und so sell es

a) D~sselbe gilt yon den zu den ButtervSgela ge- h~irlgen Nryci~,idae, you denen iiberhaupt nicht die Reds ist. t i ler sind sogar unsere Kenntnisse noch ~m M]erdiiritigsten.

~) Schon dieser SchluB i,st aniechtbar. In sehr ver- schiedener Umgebung der heranwaehsendea un4 sich teilen,den Kgrperzellen muB sich das Da~ein derselben :Radikale auf sehr verschiedene Art geltend machen.

Study: Genetik und l~{imikry, [ Die Natur- lwissensehaften

namentlich in den Fgllen yon ~imikry zugegan- gen sein.

~ a n f inder a u ~ z. ]3. in R. Hertwigs Lehr- bush der Zoologie (10. Auflage, 1912) auf S. 39 zwei Schm:etter]inge aus derselben Gegend ab- g~bitdet, aaf Idle dieser Ged~anke passen kSnnte~). Dieht daneben uther steht das Bei,spi,d s ines Kiifer.s u,ntl e iner Wespe, .a~uf ,alas ein solehe~ ~edanke ,bes@mmt n icht mehr paint. Denn bier wird des Vorderfli~gel der Wespe dutch den Histerfl '~gd des Kgfers nachgeahmt, dessen Yorderf l i igel (Fl i igeldeeken) verkf immert sin& Solehe Beispiele gibt es unz~hlige, nnd sis sind dutch else Menge son Zwischenstufen mit denen der ersten Art verbunden. W i e kann man auch nur e inen Augenbl ick daran denken, dab da ,,die- selben En twiek lungsan lagen" im Spiele sein kSgnten? T atsgeh]ieh behauptet t t e r r Punnett anch niehts derart iges. Abe t er sprich~ eben n ieht yon diesen Fgl]en, die sieh yon den i ibrigen nicht qualitativ, sondern nu t quant i ta t iv nnter- scheiden, ngmlieh dureh den z. B. im Fa l l s des Xgfers und der Wespe viel ger ingeren G r a d der Yerwandtschaft , und entsprechend gr88eres Aus- mall der s t ruk ture l len Vntersehiede. Das gauze gro~e Heer der Syn%omiden, die f re i l ieh keine ,But te rvSget" stud, abet doch mi~ gr51]tem Er - folg Wespen .naehahmen, zuweilen bis an t die TaLlte and den Schein s ines Legestaehels, bleibt in dem Buche vo~ Punnett vollkommen nn- erw~hnt ! J a hg~te H e r r Punnett auch nur die yon ibm sel bst behandel ten Beispie]e genax~er nnter- sucht, so hiitte er aueh da sehon dieselbe Ersehei- mmg (Auf t re ten gugerlich iihnlieher Zeiehnnn- gen and Fa rben under morphologisch versehiede- hen Umstgnden) l inden miissen, f re i l i eh bet der grol]en s t ruktnre l len Xhnl iehkei t aller But te r - vSgel n ieht in so anffgl l iger Weise.

W i t miissen also den besproehenen Gedanken vSIlig ablehnen: :Riehtig daran, abet n ieht neu, di irf te nur so viel sein, dab zur Erk l i i rung der N: imikryerseheinungen die kieinen, wenig auf- fi i t l igen ~[utat ione~ nleht immer ausreiehen.

~br igens nn te r l i eg t der Funne t t sehe Versuch auch noch anderen Bedenkem Die geographische Ve~te~lu~g tier X imikrye r sche innngen zwingt n~mlieh den Ver t re te r ether, solchen Theorie zu der Annahme, d'a~ solche Mutafionen, wie Pun- nett sie al lein ale b edeutungs~oll gelten ]assen will, nut dal~n erhal ten bleiben konnten, wenn sis nii tzlieh waren. Zu der wei teren I£ypothese, .dal3 es sieh gerade bier nm s ine besondere Ar t des ~£utierens handele, l iegt aber kei.nerlei Grun,d vo,r. Also erg lb t sich die Folgerung, dal? in der Iebendiger,, ~NatuT ,,atles"

1) Der el,he dieser Falter ist Dismo~phia (Lepta,~is) o rise ~. Punnett bi~det als Dismorphia orise schleehthin alas ziemlich viel ~nder.s aussehende M~nnehen dersel- ben Art ~b. - - lm Interesse der Leser des Punnettschen Buches sei hier noch angemerkt, dab auf TMel ¥ I die Zif~ern 2, 3 zu vert~uschen sind, und dab tier auf Tafel XII unten abgebildete nieht genauer benannte SeSmetterling Castnia heliconoldes ist.

Heft 42. ] Study: Genetik 17. 10. 1919]

angepaflt sein mul~ - - so wie A. Weismann es tat- s~chlich behauptet hat. Herr Punnett schelnt diese Folgerung aus seinen ¥oraussetzungen gar nicht gezogen zu hahen, sonst h~tte er sieh mi~ den naeh Ansieht Vieler unlSsbaren Schwierig- keiteu ,herumsch]agml mfissen, in die ma~ damit geriit.

We steckt nun tier Fehler ? Ganz gewifl nieht in der Erblichkeitslehre, auf die sieh Herr Punr~ett wnd mit ibm neuerdings, in einer Re- zension des Punnettschen ]~lmhes, ttei'r Federley beruft~). Die Geneti.k ist durch die Experimen- talforschnngen yon Johannsen und seiner Schule viel zu sorgfiiltig und solide begrfindet, als dab die hier zutage getretene Diskrepanz yon Theorle and Tatsachen auf sie zuriick£allen k5nnte. Es mu~ also die theoretische Argumentation mangeI- haft sein.

Die zufo]ge einer einzelnen :~[utat~on neu auf- getretenen Eigenschaften mendeln. Das hat die Er~ahrung ,geIehrt. Herr Punnett legt nun an der Hand einer Experimentahntersuchung yon J. U. F. Fryer dar, dab die verschiedenen ~Weib- ehen~ormen des polymorphen Falters Papillae polytes den l~Iende]sehen R egeln folgen. Auch hiergegen is~ niehts einzuwenden, es ist,dieses K apltel ohne ZwelfeI sogar der wiohtigste Tell vo~ Punnetts Bueh. Nun abet wird der Seh]ul~ gemacht: ~Veil diese 'E!igens~chaften~ mend'eln, sind sie mit ein,em lV[ale (durch eine ein, zige ]~Iu- ration oder $esser SMtation) aus der ~lrsprfing]ieh al]ein vorhandenen Form entstanc[en, die dem Mfinnchen der Art i~hn]ich ist. Dos hell't, es wird ein richtiger Satz au£ unerlaubte Weise umge- kehrt. Niehts derart lehrt die Gene~ik.

l~Iachen wlr uns die" Saehe an einem Schul- beispiel Mar, das nicht erst eine Yertiefung in komplizierte Erblichkeits,forme~n er~or'd.e,rt !

Wi~ ,angenomrnen wird nnd wi, e ani~c~est,ens Mer ganz gewil] angenommen werden dart, ergibt sieh die Art der GeseMechtsvererbung beim ~[ensehen aus der Formel Ww (Mann) und W W (Weib) far die Zygoten. Nehmen wir nun weiter an, dab dutch l~[utation an .elner Erbeinheit W etwa beim Weib elne ~.nderung auftritt (Anlage zur !gotgrfinbllndhelt), so dab an Stelle der obi- gen Formeln in eini,gen Paarea die andere~ Ww, W W ' {retene). Di ,e N~a,ehkommen~sehaft eines solchen ~Paares gehSrt dann, theoretiseh, zu der Formel:

Ww + W'w + W W + WW'. Unter den Nachkommen der Paare veto Typus

W'w, WW" befinden sleh nun ouch solehe, die den Form:ela W'w, W'W' zugehS~en. Nebmen wit an, dull die ~utat ion W o W " vor~el]haft war (was bei Rotgrfinblindheit natiirlieh nieht zu- trifft), so kann eine Selektion es bewirken, dal~

1) Dieser leider in sehr verschgrfter Tonart. Zeit- schrift fiir ind, uk~ive A'bstammungslehre Bd. 19, 1918, & 213.

~) S'iehe F. Lenz, Archly ffir Rassen- un~ Gesell- schaftsbiologie Bd. 13, 1918, S. 1 ft.

und Mimikry. 763

schlieBlieh i~berhaupt nur noeh diese Kombi- nationen da sind. Nichts hindert nun, daft der- selbe Prozel] mit einer neuen ~[utation (Hinzu- treten einer Form der Naehtblindheit) W " ~ W'" noehma]s einsetzt und vollst~ndig abl~uft. Dann ist also schlie~]ieh eine Anderung W ~ W" ein- getreten, die so aussieht, als ob sie in einem Schritte entstanden wiire, tats~ehlieh aber in zweien entstanden ist ( W + W' -->~"). Und wenn dann W und W" wieder zusammenkommen, so werden aueh diese Anlagen mendeln (wenn sis nioht, was ~wahrsehein]ieh, bereits zu weir yon ei'nan,der entfernt sing). Die do- zwisehen aufgetretefie Anlage W' wird isoliert, in greifbsrer Form, bei der Spaltung yon W " w und W " W " fiberhaupt nieht zum Vorsehein kommen.

Es ist also nieht zutreffend, was Punnett (S. 141) behauptet, dab dss Niehterseheinen yon ~[ittelbildungen bei Kre~zungen der Extreme einen Einwand ~ und zwar einen Haupteinwand --- gegen die her,kSmmliehe ~Iimikrytheorie dar- ste]lt. Die heutige Erblichkeitslehre gibt auf die Frage nach der Entstehung tier ~[imikryersehei- nungen und der An.passungen tats~ehlieh keine A.ntwort. Was sie wirklieh tekrt, ist nut, dab in den der Se]ektionstheorie zugrunde liegenden theoretischen Er~e~gungen an Stelle der soge- nannten kontinuierl,ichen Varia,bilit~t ~[utationen zu setzen sind, die yon einer Generation zur an- deren mit bestimmtem, nieht zu untersehreiten- dem GrSBenmM] auftreten. Erschliel]en l~tBt sieh dann noch, daft am stammesgeschichtlichen Ge- schehen I~oppelungen yon Erbeinheiten in hohem l~[afle beteiligt sein miissen.

Wegen fernerer Einwiinde, die Punnett er- hebt, kanu ant eine Dar]egung verwiesen we~den, die kfirzHeh in den ,,Naturwissenschaften" er- schienen isL i~[an finder dor~ ouch eine ab- weichende Anslcht fiber den yon Punnett (au~ TafeI IV) abgebildeten sogenannten ]~{imikryring der Insel Ceylon dargelegt (1919, S. 395). NichV einverstanden bin ich ferner mit Punnetts Polemik gegen Fritz Miiller und mit der gegen Poulton (S. 4:[). Indessen ist mlr der Gedanke wenig sympathlsch, in , elnem Falle Wie diesem die Kritlk allzustark zu betonen. Dos Werkehen des He rrn Pun nett ist ein liebenswfirdiges Buch, anregend und behaglich zu ]esen, und bei seiner hiibschen Ausstattung woh] geeignet, Beobachter in tropischen L~indern ffir den Gegen- stand zu interessleren nnd zu weiteren Experi- menten ztt ermutlgen. Sehr angenehm berfihrt es besonders, dal] in Punnetts Art zu po]emisieren keine Spur jener schu]meisterliehen, mit krasser Unkenntnis gepsarten ~ber]egenhelt zu flnden ist, die die Beschfiftigung mit so ziem]ich der ge- samten a,~t~d'arwlni~st~sehem Literatur mlserer T age so widerw~rtig macht.

In einem Anhang wird eine Tafel mitgeteilt, die den Verlauf einer dutch vide Generatienen hindurch ausgefibten Selektionswlrkung aufweisen

Nw. 1~19. 10~

7@4 Gehrts: Die Entwicklung der Verst~rkerrShre and ihre Verwendung. r Die ~atur- [wissensehafte~

soil. ttleri/ber sind so viele verkehrte Vorstethn- gen verbreitet, dab es wirktich sehr zu begriiBen wiire, wenn darin einmal Mn grfindlicher Wan- del herbeigeffihrt werden kSnnte, mad dkzu dfirf- ten Tafeln dieser Art sehr geeignet sein. Leider feh]t fiber die ~[ethode der Berechnung jede An- deutung, u~n4 was die An.gahe ,besagen soil, die Feh]er hielten sich innerha]b yon 5 %, .ist mir nleht klar, da es sich zum Teil um Abrun- dungen auf gan,ze Zahlen der erste~ Dekade handelt. Hdffen~lieh wird der Hersteller dieser Tafe], Herr H. T. J. Norton, sein ¥.erfahren ver- ~ffent]ichen.

Die E n t w i c k l u n g der Verst~rkerrShre u n d ihre V e r w e n d u n g .

Von Dr. F. Gehrts, Berlin-Charlottenburg.

Dnreh das einheitliche Zusammen'arbeiten der hervorragendsten wissenscha~iichen an4 ~echni- schen Kr~fte 'ha~ die Entwicklung des Fern- sprech- und Tel egraphenwesens, besonders auch der Funkentelegraphie, unter dem D'ruck der Kriegsnotwendigkeit in den wenigen Kr]egs- jahren einen derartig rapiden Aufschwung ge- nommen, wie wir ihn bei normalen Verh~ltnissen in so kurzer Zeit woht kaum hSt~n erwarten diirfen. Ein wesenttieher Faktor bei dieser rasehen Entwickelung war die Einffihrung and technische Vervotlkommnung der Yerst~irkerrShre. Trotz ihrer ~ul~erlichen Unscheinbarkeit ist sie sowohl ~iir die DrahtteIephon]e wie ffir die draht- lose Te]egraphie und Telephonie yon epoehe- machender Bedeutung geworden, un~ der Bereich der VerwendungsmSg]ichkeiten anch anBerha]b der ~achrichtenteehnik ers eheint bei weiCem ~och nieh~ erschSp~t.

Die Yersuehe, ~iir die Zwecke der Telephonic ein ReiMs za seha,ffen, reichen welt zurfick und h'atte~ schoa vet E i n f i i h r ~ g des Kathoden rShrenre]ais in dem Brownschen Yerst~irker zu einer verh~]tnlsm~l~ig brauehbaren rein mechani- sehen Konstruktion geffihr~; mit einem derarti- gen Relais erh~]~ man schon eine etwa 20-faehe Verst~rkung oder eine Yersti~rkung yon etwa

l = 3,0~). ~) Es ist in der F.ern~prechtechnik iib]ich, den Ver-

st~rku~gsgra5 eines V.erstiirkers nicht durch alas Ver- hi~l~nis der " Stromampl,ituden vor ~nd kinter . dem Yerst~rker anz~geben, sondern in ~ I. ~ n versteht da~unter den Betrag an D~Lmpf.ung, den man vor den Verst~.rker uchalt~en muB, ~m dieselbe Amplitude wie ohne Verst~rker zu erhalten. Den Wert [J l bezeichnet m.£h Ms den DS~pfu~sexponente~ einer LeW~ung, wo- bM "l die L~nge der LeiLung in Kilometer and ~ die sogenannte spezifische D~mI)fung der Leltung (abhEn- g~g yon Widerstand, Selbstinduktion, Kapazitiit und A bleitmng) bedeuLet. Die Bezeichnung DEmpf'ungs- exponent rfihr~ daher, dab b¢i einer Leitung mit einem 5~stimmL@n ~ 1 sl,ch .die Strom~mp~litude~. am Anfang und Ende wle 1 ~: e--, 6 l verhalten. Die Angabe des Ver- st~rkungsgrades eines Versti~rker,s in [31 hat infolge- dessen den ¥orteit, dab sie ~ahn~ weiteres ers~hen l~Bt, um welchen Betrag sich .die Sprecht~higkeit.Mner Lei- tu.ng ~t~reh den E~nbuu eiffer Vers~rkeranordnung ea~l~ht.

Der ~ro~]e Nachteil dleser Relals besteht aber in der auSerorden£1ieheu EmpYindliehkeJt gegen meehani.~ehe Ersehfitt,eru, ngen UlIrd der Notwendigkeit elner dauernden Nachregulie- rung. Dazu'kommt noeh, daI] eine ttintereinan- dersc~altung derartiger RelMs zweeks Erzielung einer hSheren Verst~rkung infolge der dadurch bewlrkten Yerzerrung der Spraehe nieht mSg- lioh ist.

1. Die Liebenr6hre. Alle diese Sehwierigkelten warden dutch

Verwendtmg der nahezu tr~gheitslosen Gasionen zur Erzielung des Yerst~rkungseffektes an StelIe einer ~[embran oder sonstigen mechanischen Vorriehtnng iiberwunden. Trotz der groBen Ver- finderung beziig]ich tier Dimensioaen, des Gas- inh.altes, des inneren Aufbaues usw., welche die alte LiebenrSh~e von den modernen Verstiirker- rShren ~nterscheiden, enth~]t die LiebenrShre doch bereits dieselben Konstrnktlonselemente, wie dle heutigen Verst~rkerlampen; die wesentlich- sten Bestandt, ei]e: Gliihkathode, Gitter and Anode sind geblieben. Eine Gliihkathode wurde bereits friiher in der draht]osen Telegraphle als Derek- for unter Ausnutzung der Gleichrichterwirkung verwendet; so benutzte We.hnelt eine Oxyd- kathode, Fleming einen gewShnlichen Gliihdraht,

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Fig, 1. 7enti,iriihre (t,udion).

umgeben yon elnem als Anode dienenden ]~[etall- zy]iader aus Aluminium. Die Gese]lschaft fiir drahtloso TeIegraphio verbesserte ,dana diese~ De- tektor weiter dutch Hinzuffigu~g einer Batterie in .den Kreis zwisehen Glfihkathode und Anode. Fi,g. 1 zeigt eine derartige Anordnung mlt Yentildetektor, wie sie friiher u. a. viel van der ~[arconlg~se]]scha£t benutzt wurde. ,T ist der Koppluagstransformator der Antenne mit dem Detektorkreise, BI die tteizbatterle ~iir die Glii.h- kat.hode, B~ die Anodenbatterie, H der Fern- hSrer, der para]]eI zum Kendensator C gelegen ist, V die VentHrShre mit . Glfihkathode and zylindriseher Anode.

Die Wirkungsweise einer derartlgen Ventil- rShre ist folgende: Durch die Oxydkathode rcsp. Glfihkathode finder eine dauernde Emission yon Elektronen 'start mit dem Erfo]ge, dab dadurch der segenannte Kathe.denfal], wie er bei elner selbst~ndig~en Ent~dung (d. h. ohne Gliih- kathode) vorhanden ist, verschwindet. In£olge-