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Geschichte der E-Mobilität Von Dampf und Öl über die Sonne zur Zukunft Hannes Neupert folgt der Entwicklung der Leicht-Elektro-Fahrzeuge (LEVs) seit seiner Jugend und war an ihrem Erfolg in den letzten 20 Jahren maßgeblich beteiligt. Für das ExtraEnergy Magazin hat er in Archi- ven gekramt und das LEV Museum in Tanna durchforstet, um eine kleine Geschichte der E-Mobilität aufzuzeichnen. Gegenwärtig ist E-Mobilität en vogue und wird als Hoffnungs- träger modernen Massentransports gewinnträchtig gehandelt. Dabei ist die Idee des motorunterstützten Rades so alt, wie das Fahrrad selbst und entspringt dem menschlichen Grundbedürf- nis sich immer mehr mit weniger Anstrengung fortzubewegen. Ausgewählte Leicht-Elektro-Fahrzeuge (LEVs), die wir in ihren historischen Kontext gestellt haben, erzählen exemplarisch von kreativen Notlösungen, kompetitiven Höchstleistungen, regula- torischen Hürden und bewussten Umwälzungen. Es ist eine äu- ßerst wechselhafte Geschichte und wir sind mitten drinnen… ExtraEnergy.org17

Geschichte der E-Mobilität Von Dampf und Öl über die Sonne ...€¦ · Gottlieb Daimler ein Motorrad, welches eigentlich auf Fahrradtechnik basierte – im Prinzip der Reitwagen

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Page 1: Geschichte der E-Mobilität Von Dampf und Öl über die Sonne ...€¦ · Gottlieb Daimler ein Motorrad, welches eigentlich auf Fahrradtechnik basierte – im Prinzip der Reitwagen

Geschichte der E-Mobilität Von Dampf und Öl über die Sonne zur Zukunft

Hannes Neupert folgt der Entwicklung der Leicht-Elektro-Fahrzeuge (LEVs) seit seiner Jugend und war an ihrem Erfolg in den letzten 20 Jahren maßgeblich beteiligt. Für das ExtraEnergy Magazin hat er in Archi-ven gekramt und das LEV Museum in Tanna durchforstet, um eine kleine Geschichte der E-Mobilität aufzuzeichnen.

Gegenwärtig ist E-Mobilität en vogue und wird als Hoffnungs-träger modernen Massentransports gewinnträchtig gehandelt. Dabei ist die Idee des motorunterstützten Rades so alt, wie das Fahrrad selbst und entspringt dem menschlichen Grundbedürf-nis sich immer mehr mit weniger Anstrengung fortzubewegen.

Ausgewählte Leicht-Elektro-Fahrzeuge (LEVs), die wir in ihren historischen Kontext gestellt haben, erzählen exemplarisch von kreativen Notlösungen, kompetitiven Höchstleistungen, regula-torischen Hürden und bewussten Umwälzungen. Es ist eine äu-ßerst wechselhafte Geschichte und wir sind mitten drinnen…

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Ab 19. Jh. Fahrräder mit mehr als MuskelkraftDie beginnende Industrialisierung im 19ten Jahrhundert findet in der Eisenbahn das erste Massentransportmittel und ist gekenn-zeichnet durch gestiegene Mobilitätsansprüche. Zunehmend vollere und größere Städte mit schlechten Straßen wecken den Erfindungs-geist und führen über Lauf – Zweiräder, gern »hobby horses« genannt, zum Fahrrad. Schnell folgen Ideen das Fahrrad mit Motor auszustat-ten und nutzen die Mittel ihrer Zeit. Frühe Versuche orientieren sich an der Dampfmaschine, andere erfinden das Motorrad oder eine Art E-Bike. Aus der Not heraus ein erschwingliches Motor-Fahrzeug auch fahren zu können, wenn der Motor ausfällt entsteht bereits die Idee »Pedelec« als Hybridfahrrad aus Muskel und Motor, selbst Rekuperati-on wird angedacht.

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Pierre Michaux gilt vielen als der Erfinder des Pedalantriebs und steht für den ersten Ver-such, Fahrräder mit Motorantrieben auszu-statten. Eine Variante hatte eine integrierte Dampfmaschine, mit deren Hilfe man Berg-fahrten mit einer annehmbaren Geschwindig-keit bewältigen wollte.

Über die Praxistauglichkeit dieser Konstrukti-on ist leider nichts bekannt. Es lässt sich je-doch vermuten, dass das Gefährt, wenn über-haupt, nur für längere Fahrten geeignet war, da eine Dampfmaschine eine erhebliche An-heizzeit benötigt.

Ende 19. Jh. Zweiräder mit Elektro motor im WettbewerbEnde des 19ten Jahrhunderts tauchen erste Patentzeichnungen auf, die unterschiedliche Anbringungsmöglichkeiten für Elektromotoren an Fahrradrahmen zeigen. Für den Elektroantrieb entscheiden sich zunächst vor allem Sportler, die an den zu dieser Zeit sehr populären Schrittmacher-Rennen teil-nehmen. Durch den Einsatz des Motors reichen nun zwei statt vier Männer aus, um das Schrittmacher-Fahrrad zu fahren. Der Hinter-mann steuert die Motorleistung über einen Schieberegler. Damals ent-stehen über zwanzig solcher »elektrischen Rennteams«. Mit der wachsenden Zuverlässigkeit der Verbrennungsmotoren wer-den die Elektroantriebe in diesem Bereich jedoch wieder verdrängt.

Technologisches und gestalterisches Meisterwerk: das 1894 von Wolfmüller und Hildebrand in München fabri-zierte und für 1200 Reichsmarkt angebotene Motorrad mit dem dominanten Kühlwassertank in Form des hinte-ren Schutzblechs.

Die Idee des Fahrrades ist so alt wie die, es mit Hilfsantrieb auszustatten. Dies dokumentiert die Zeichnung eines Fahrrades mit dem ersten maschinellen Antrieb, der den Menschen zur Verfügung stand, der Dampfmaschine.

1860 Dampf-Michauline

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1895 – 1899

1885 Zweiräder mit VerbrennungsmotorIm Jahr 1885 erfolgte ein weiterer Schritt in Richtung eines motorun-terstützten Zweirades, wenn auch vorerst als reines Motorrad konzi-piert. Der von Gottlieb Daimler gebaute Reitwagen mit einer Petrole-um-Kraftmaschine erreichte mit seinem Einzylindermotor Geschwin-digkeiten zwischen 6 und 12 km/h.

Als wesentlich praxistauglicher erwies sich das erste Serienmotorrad der Welt, welches Wolfmüller und sein Partner Hildebrand in Mün-chen entwickelten und nach sich benannten. Der Radrennfahrer Karl Zachmann erreichte damit 1895 als einziger Teilnehmer das Ziel des Kraftfahrzeug-Rennens Bordeaux-Paris-Rennes. Trotz dieser erstaunlichen Leistung des allein durch Motorkraft ange-triebenen Rades setzten sich in den Jahren bis 1910 Konstruktionen mit kleiner dimensionierten Motoren und zusätzlichen Pedalen durch, da sie leichter im Gewicht und günstiger in der Anschaffung waren. Vor allem war es mit ihnen aber möglich, bei den noch recht häufig auftretenden Problemen mit den damaligen Verbrennungsmotoren, die Fahrt auch ohne Motorunterstützung fortzusetzen.

1932 E-Bike Serienversuch und Rekuperation

Die Elektromotoren-Firma EMI, ein Tochterunternehmen von Philips, stellte 1932 ein Fahrrad mit elektrischem Zusatzantrieb vor. Es wies bereits alle Module der heutigen E-Bikes auf, also neben dem Mo-tor gleich ein Ladegerät für die Batterie aus Glas und außerdem eine Mensch-Maschine Schnittstelle und einen Kabelbaum. Allerdings war es damals nicht so einfach die Motorkraft zu dosieren, weil es noch keine Leistungselektronik gab, dafür aber bspw. die Modulation der Betriebsspannung durch Änderung der Serien und Parallelschal-tung der Bleibatterie Zellen. Welche Lösung Philips anwandte ist lei-der nicht bekannt. Zusammen mit dem Batterielieferanten AFA plante Philips eine Lizenzproduktion bei verschiedenen Radherstellern, doch blieb es letztlich bei einer kleinen Produktion im eigenen Hause.

In England beschäftigte sich zur selben Zeit eine Londoner Entwick-lungsfirma mit einem Rad mit Nabenmotor im Hinterrad. Durch die-se Konstruktion sollte es möglich sein, den Motor auch als elektri-sche Bremse zu nutzen und die dabei anfallende Energie wieder in den Akku zu laden. Leider existiert von diesem Rad lediglich eine Patent-zeichnung, doch die Rekuperation war geboren.

Nach 1945 Automobilismus der WirtschaftswunderjahreMaterialknappheit, Armut und zerstörte Straßen bescheren dem Fahr-rad im Deutschland der Nachkriegsära einen regelrechten Boom, ins-besondere denen mit Hilfsmotor. Doch dieser sollte nur kurz anhalten, bis in den Wirtschaftswunderjahren eine beispiellose (Auto-) Mobili-sierungswelle einsetzt, die das Fahrrad zum Vehikel für Arme degra-diert. Sich pedalierend fortzubewegen wird imageschädigend, zeugt es doch davon, dass man sich kein besseres Fortbewegungsmittel wie ein Auto oder wenigstens ein Motorrad leisten kann. Angestoßen hat die Motorisierung Gottlob Honolds Entwicklung des ersten einsatzfähigen Vorläufers heutiger Zündkerzen im Jahre 1902, die erst den Bau von schnell laufenden Benzinmotoren ermöglich-te. Durch die nach dem Krieg schnell zunehmende Verfügbarkeit von Erdöl und die immer stärker werdende Erdöllobby, geraten die frühen Elektrofahrzeuge – Automobile, wie Zweiräder – immer mehr ins Hin-tertreffen und schließlich in Vergessenheit.

Vornehmlich aus Geldmangel war das erste Auto von Gottlieb Daimler ein Motorrad, welches eigentlich auf Fahrradtechnik basierte – im Prinzip der Reitwagen von 1817, den der Karlsruher Freiherr Carl von Drais konstru-ierte, mit eingebautem Verbrennungsmotor.

Die Idee des elektrisch unterstützen Fahrrades ist defi-nitiv nicht neu, nur hat es noch rund 100 Jahre gedau-ert bis die Technologien so weit waren, dass sie sich in ei-ner von Markt akzeptierten Art und Weise praktisch um-setzen liessen.

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19321921

In der in Berlin erscheinenden Allgemeine Automobil Zei-tung war 1921 zu lesen: »Das Auto ist jetzt vollkommen. Es bedarf keiner Verbesserung mehr.«

Das Simplex Philips Elektrofahrrad ist das älteste Serien-Elektrofahrrad (1932) und hatte schon alles was ein heu-tiges Elektrofahrrad hat.

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Erst Anfang der 70er Jahre wird der Grund-stein für eine Wiederbelebung des Fahrrad-marktes gelegt. Verantwortlich ist zum einen die Ölkrise, zum anderen eine Gruppe von amerikanischen Fahrrad-Fans, die anfängt mit sogenannten »Klunkers« Berge herunter zu fahren – die Vorläufer der Mountainbikes. Die MTB-Welle macht Fahrradfahren plötzlich wieder modern und wertet das Fahrrad als Produkt auf. Kostet ein Fahrrad vorher maxi-mal 300 DM, verdoppelt und verdreifacht sich dieser Preis mit der neuen Spezies. Das MTB als Trendprodukt lässt das ungünstige Kos-ten-Nutzen Verhältnis vergessen und lädt das Fahrrad mit Luxus auf. Der Preis- und Image-wandel hilft Autofahrernationen wie Deutsch-land, den Ruf des Rades als »Armeleute Vehi-kel« zu vergessen.

Die Fahrradindustrie folgt erstaunlich zöger-lich. Diejenigen, die den Trend frühzeitig er-kennen, wie Komponentenhersteller Shima-no, verdanken der neuen Fahrzeugspezies da-gegen ihre heutige Bedeutung. Als in den 90er Jahren der letzte Fahrrad-hersteller kapiert, dass das MTB das Fahrrad technologisch aus dem Dornröschenschlaf geweckt hat, steht schon der nächste Trend, die Elektrifizierung des Fahrrades, an. Ähn-lich wie vorher beim MTB ist die Industrie der Meinung, dass Elektrofahrräder ein Nischen-markt bleiben würden, aber nichts auf das man spezielles Augenmerk oder gar größere Investitionen richten sollte. Ein Fehler, den schon IBM in den 40er Jahren machte, als nie-mand die Bedeutung erahnte, die Computer einmal für private Haushalte spielen sollten.

ab 1970 Das Mountainbike als Sprungbrett für das Fahrrad in die Moderne

1945 Stottervelos Verbrennungsmotor als Nachrüstsatz

Bei den damals liebevoll »Stottervelos« genannten Fahrrädern mit Verbrennungsmotor handelte es sich in aller Regel um Nachrüstsät-ze für bereits vorhandene Fahrräder. Doch sind sie im wahrsten Sin-ne nur eine »Notlösung« zum Übergang in eine Zeit der immer stär-keren Motoren.Beispielhaft für die bald losgetretene Motorisierungsspirale ist der Werbespruch eines Herstellers »Warum treten, wenn es auch ohne geht«.Diese Aussage zeugt vom vorherrschenden Zeitgeist und nimmt voraus warum das Fahrrad mit Hilfsmotor nach seinem rasanten Auf-stieg mit mehr als 100.000 verkauften Exemplaren schnell wieder in der Versenkung verschwand. Es war letztlich eben nichts anderes als ein Trittbrett zum nächst schnelleren und stärkeren Fahrzeug, dem Motorrad, später dem eigenen Auto.

spezial — historie

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19521945

Die Motorisierungswelle nach dem zweiten Weltkrieg ging nur in eine Richtung: stärker, größer, schneller und schwerer. Der Messerschmitt Kabinenroller ist ein typi-scher Vertreter dieser deutschen Automobilisierung.

Ein Fahrrad mit Cyclemaster Verbrennungsmotor inklusive Tank in der Hinterradnabe aus Großbritannien – ein Zeugnis des Zeitalters der Mechanik, in dem man keine Kom-plexität scheute.

Cyclemaster Anzeige von 1952. In Großbritannien nann-te man die motorisierten Räder schlicht »Cycle Motors« oder scherzhaft »Auto-Bikes«.

Klunker Mountainbike von Russ Ma-hon mit Gangschaltung per Dau-menschalthebel (1974)

Werbung der motorisierten 50er Jahre: Wer es sich leisten kann, verzichtet auf das Pedalieren.

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1972

1985198� 1982

Ab 1973 Kind der Ölkrise – Elektrofahrrad bewegtDie Ölkrise verändert das Mobilitätsklima nachhaltig, man wird sich der Umwelt-bewusst. Der Preisschock von 1973 und 1979 bringt die Abhängigkeit von, sowie die Endlichkeit der fossilen Energieträger in das Licht der Öffentlichkeit und bewirkt, dass sich Automobil- und Zweiradindustrie wieder dem Elektroantrieb zuwenden. Bald geht es nicht mehr »nur« darum elektrisch unterwegs zu sein, sondern auch um die Frage, woher der Strom für den Elektromotor kommt. Der Atomunfall von Tschernobyl 1986 verleiht den Ideen re-generativer Energieerzeugung zunehmende Popularität. Die Solarbe-wegung, einst aus Bastler- und Abenteuerdrang geboren, erlebt nun ihren ersten Aufschwung und zieht einen Schweif an Innovationen nach sich.

1980er Serienversuche mit Bastlertouch

In den 80er Jahren gab es weltweit rund drei-ßig Firmen, die sich am Elektrofahrrad ver-suchten und es manchmal auch bis zur Klein-serie brachten. Durchschlagender Erfolg war keinem dieser Hersteller vergönnt. Die Produkte vermittelten in dieser Pionier-zeit meist einen ausgesprochenen Bastler-touch, der sich beispielsweise in am Rahmen entlang verlegten Kabeln und abenteuerlich mit Schellen befestigten Motoren ausdrück-te. Diese frühen Exemplare waren in der Regel eher als Nachrüstsätze konzipiert und oute-ten ihren Benutzer vor allem als faulen Mode-muffel. Vor diesem Hintergrund fanden sich als Kunden fast ausschließlich Technik-Freaks oder Menschen, die aufgrund einer körperli-chen Schwäche auf eine motorische Unter-stützung angewiesen waren.

Technisch konnten diese Fahrzeuge kaum überzeugen da sie eigentlich viele Nachteile miteinander verbanden: Sie waren in der Re-gel um die 30 kg schwer, die Reichweite lag bei knappen 20 km (optimistisch gemessen) und die Unterstützung war meist per Dreh-griff oder An- und Ausschalter rudimentär zu regeln.

1982 Pedelec Patent und erste Solarmobile

Zumindest auf dem Papier gab es schon An-fang der 80er Jahre ein Pedelec. Egon Gel-hard aus Zülpich-Dürscheven bei Köln hatte die Idee des Pedelecs entwickelt und 1982 pa-tentiert. Nicht ahnen konnte er damals, dass es dann weitere 10 Jahre dauern sollte bis das erste Pedelec hergestellt wurde.Zeitgleich machte sich der Australier Hans Tholstrup mit dem ersten Solarmobil der Welt auf den Weg von Perth nach Sydney. Sein An-trieb war Abenteuerlust und zu schaffen, was andere für unmöglich hielten: eine Reise über mehrere Tausend Kilometer mit reiner Son-nenenergie zu unternehmen. Weltweite Pres-seberichte lösten bei vielen Menschen den Wunsch aus, sich ebenfalls mit der Energie der Sonne zu bewegen und verliehen der Solar-energiebewegung Auftrieb.

Ab 1985 Tour de Sol als Innovationsmotor

Die Tour de Sol, die bis 1993 jährlich ausgetra-gene Weltmeisterschaft der Solarmobile wur-de von dem Schweizer Josef Jenni initiiert. Sie war ein enormer Turbo für die technologi-sche Entwicklung der solaren, aber vor allem der elektrischen Mobilität und hat sie in den wichtigen Kontext der regenerativen Energie-erzeugung gestellt. Für Michael Kutter, den Erfinder des Dol-phin Pedelecs, war die Tour de Sol der Motivator zum Bau des ersten Dolphins und gleichzeiti-ge Erprobungsstrecke. Auch die automobile Seite konnte sich dem Innovationsanreiz des Rennens nicht entzie-hen und brachte einen Drehstromantrieb mit Elektronik der Firma Bursa hervor. Der Horla-cher von Paul Schweizer mit Natrium-Schwe-fel-Batterie von ABB erreichte 1992 auf deut-schen Autobahnen schon eine Reichweite von 542 km.

Solo brachte 1972, passend zu Ölkrise, das Solo Electra auf den Markt. Es wurde auch in Lizenz von den Marken Hercules, Malaguti und Kynast angeboten. Zwei Bleibatte-rien, ähnlich den Auto Starterbatterien, brachten die Ma-schine rasant in Fahrt und den Motor auf Drehzahl, der dann mittels einer Fliehkraftkupplung einkuppelte.

Der Firmengründer von Panasonic, Konuske Mat-sushita, stellte schon An-fang der 70er persönlich ein E-Bike in Japan vor. Es wurde nie in Serie ge-baut, doch waren abge-sehen vom Kraftsensor schon fast alle Eigenschaf-ten und der Aufbau dem heutigen Modell ähnlich.

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1985

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1989 »Lex Hercules« und SaxonetteIm Jahr 1989 erprobte Hercules eine Vorserie des Modells Electra. Für diese, sowie dessen verbrennungsmotorische Schwester Saxonet-te, setzte das Unternehmen in Deutschland die Leichtmofa-Verord-nung, auch Lex Hercules genannt, durch. Sie erlaubte ein Benutzen die-ser Fahrzeuge bei einer rein motorischen Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h ohne Helm, erforderte aber ein Versicherungskennzeichen. Die Verordnung war vorerst drei Jahre in der Probezeit. Da jedoch das befürchtete Unfallchaos nicht eintrat erhob man sie 1991 zum Gesetz. Die Verkaufszahlen waren anfangs durchaus beachtlich, doch kamen dann relativ schnell ins Stocken. Es gelang nicht, eine eigenständige Fahrzeugkategorie zu schaffen, die auch auf Dauer Akzeptanz fand.

1989 Sensible japanische VorreiterNachdem der Versuch von Sanyo Cycle Systems ein Elektrofahrrad mit Versicherungskennzeichen und Helmpflicht in Japan zu vermarkten auf wenig Resonanz stieß, suchte die Firma Yamaha nach einer vom Gesetzgeber abgesegneten Lösung um ein elektrisch unterstütztes Fahrrad ohne Versicherungs- und Helmpflicht anbieten zu können. Man einigte sich schließlich auf eine »Power Assist Technik«. Die Wahrung des Fahrrad-Charakters wurde nicht durch spezielle Bau-vorschriften, sondern allein durch die Vorgabe, dass der Motor nicht mehr als die gleichzeitig aufgewendete Muskelkraft leisten darf ge-wahrt. Diese Anforderung konnte durch die Entwicklung eines Sen-sors erfüllt werden, der die Muskelkraft maß und den Motor entspre-chend steuerte. Yamaha erreichte durch diese Konstruktionsweise eine rechtliche Gleichstellung mit dem Fahrrad. Damit war der Schlüssel gefunden, um endlich einen Durchbruch am Zweiradmarkt erzielen zu können. Nach diesem ersten Verkaufserfolg, der nicht zuletzt auch auf eine groß angelegte Marketingkampagne mit vielen Probefahrmöglichkei-ten auf Testparcours zurückzuführen war, tauchten bald weitere Bran-chenakteure auf. Honda, Suzuki, Sanyo, Mitsubishi und Panasonic gin-gen nun neben Yamaha bei der Entwicklung und Vermarktung ent-sprechender Produkte voran.

Ab 1989 EmanzipationsbewegungDas Elektrofahrrad ist geboren, doch sein Status ungeklärt. Die neue Fahrzeugspezi-es hat weder einen Namen, noch ist klar, in welchem rechtlichen Rahmen man sich da-mit befand. Wer elektrisch unterwegs ist, be-wegt sich faktisch illegal oder zumindest mit Motorradhelm. Bis heute bestehen Gesetzeslücken, die vom Gesetzgeber bisher unterbelichtet und un-angetastet bleiben. Die existierenden Regu-larien sind das Ergebnis eines Wechselspiels aus beispielloser internationaler Lobbyarbeit, von Firmen, Pionieren und Enthusiasten, und vom Gesetzgeber eröffneten Möglichkeiten. Schwierigkeit und Durchbruch für das Pedelec bedeutet heute wie damals die Gleichstellung mit dem Fahrrad.

Das erste Pedelec in Produktion, das Yamaha P.A.S. (Power Assisted System), hatte ei-nen Winkelgetriebe-Motor, der über ein Stirnrad- auf ein Planetegetriebe im Tretlager-bereich wirkte. Dies war notwendig um über die Abstütz- die Muskelkraft messen zu können. Das Antriebssystem war sehr robust, hatte allerdings einen Schönheitsfehler. Es verschlang rund 20 W Muskelleistung, so dass das Fahren ohne Antrieb zur Strafe wurde. Trotzdem erzielte es schon im ersten Jahr enormen Absatz.

Die Electra war das erste in Deutschland als Leichtmofa zugelassene Fahrzeug. Über 10 Jahre in leichten Variatio-nen gebaut und rund 19000 mal verkauft.

Das Sanyo ENACLE verfügte als erstes Elektrofahrrad über einen Ni-CD Akku in Serie. Der elektrische Kern des CMU Nabenmotors war ein abgeänderter Staubsauger Motor.

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1991 1992

1992 Erster Test ExtraEnergy e.V.1992 erstellte Hannes Neupert für die Zeitschrift EcoRegio eine Markt-übersicht zu allen auf dem Weltmarkt erhältlichen Elektrofahrrädern. Damals waren das genau drei Stück: Hercules Elektra, Diamant City-Blitz und Schachner Solar Bike. Dazu gesellten sich drei Prototypen. Aus dieser Marktübersicht entwickelte sich die Idee eines Vergleichstests, da sich herausstellte, dass auf die Reichweitenangaben der Hersteller kein Verlass war. Johannes Dörndorfer, ebenfalls solarmobil begeis-terter Elektrotechniker, erklärte sich bereit die Messungen zu machen und legte den Grundstein für die heutigen ExtraEnergy Tests.

1993 wurden die ersten Testergebnisse im Rahmen der Elektromobil-messe alternativ Mobil in Karlsruhe präsentiert. Neben anderen Publi-kationen erschien im ADFC Mitglieder Magazin damals ein Artikel mit dem ExtraEnergy Testbericht, der enorme Wellen schlug. Die meisten Leser sahen die Elektrofahrräder als Affront gegen das Fahrrad an, an-statt als seine Evolution.

1992 gab es ein historisches Treffen zwischen dem Lohner Porsche mit Nabenmotoren aus dem Jahr 1900 und dem Simson Roller mit zwei Nabenmotoren von Bethold Joni-entz und Johannes Dörndorfer. Sie hatten, gegenüber Ferdinand Porsche, den Vorteil das sie auf stärkere Permanentmagneten (Neodym) sowie eine besser Leistungselektro-nik (Power Mosfets) zurückgreifen konnten.

Die Idee des mobilen Testparcours hatte sich ExtraEnergy 1995 aus Japan abgeschaut und 1997 das erste Mal auf der IFMA in seiner europäisierten Version der Öffentlich-keit vorgestellt.

Auf der Tour de Sol 1990 startete das Team von Michael Kutter das erste mal mit einem Pedelec mit dem legendären Doplphin An-trieb. Das besondere bei diesem ist, dass hier die Muskelkraft und die Elektrokraft auf einer Art Kraftwagen im Planetengetriebe des Hinterrades dynamisch gemischt werden – das sorgt für ein zuerst etwas ungewöhnlichen Fahreindruck, ist aber unglaublich dyna-misch und fordert zu höchstem sportlichen Engagement heraus.

1991 Erfolgsfaktor S-Pedelec, SchweizDie Schweiz stellte lange Jahre einen rechtlichen Ausnahmezustand dar. Als einziges Land in Europa waren dort schnelle Pedelecs erlaubt. Neben Dolphin E-Bikes entstand hier die Firma BKTech (heute BikeTec), die die nun allseits beliebten Flyer Pedelecs auf den Markt brachte.

Das Pedelec machte die Schweiz zu einem Land des Fahrrad-Touris-mus. Kurt Schär von BikeTec erkannte, das man Pedelecs oder, wie die Schweizer sagen, Elektro-Velos, am besten als Vehikel verkaufen kann, die den täglichen Weg zur Arbeit mit den wunderschönen Erinnerun-gen an einen Urlaub in den Schweizer Bergen und das Bergaufradeln mit elektrischem Rückenwind verbinden. Die Idee erwies sich als genial und die Firma Movelo hat es geschafft sie nach Deutschland und Österreich zu exportieren. Sie hat heute schon über 5.000 Pedelecs in Tourismusregionen platziert und expandiert. Der Radtourismus speziell in hügligem oder windigem Umfeld be-kommt durch das Pedelec eine neue Dimension. Bald wird das Angebot eines Pedelecs zu jedem guten Hotel gehören wie ein W-Lan Zugang.

v.l.n.r.: R. Bohlen (Elektroingenieur), P. Kohlbrenner (technischer Kaufmann) und C. Häuselmann (Betriebs-wirt). Das F-Flyer war optisch und technisch revolutio-när, konnte aber am Berg für schwerere Personen nicht die hohen Erwartungen erfüllen und führte zum Kon-kurs von BKTech, die als BikeTec mit Panasonic Motor wiederauferstanden.

Das Pedelec macht Fahrradtourismus in der Schweiz überhaupt erst möglich und erweist sich als geniale Marketingform.

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1994 Japanische Vorschriften für deutsche PedelecsDank der Lobbyarbeit von Yamaha, in der Person von Maxime de la Morandiere, wurde die japanische »Power Assist« Vorschrift 1994 zu-nächst in Deutschland, später auf europäischer Ebene in entsprechen-den Gesetzen niedergelegt. Damit wurde der Weg frei für Fahrräder mit elektromotorischer Unterstützung, die nur dann dazu geregelt wurde wenn auch getreten wurde – also Pedelecs.

Unter der Leitung von Eberhard Brendel präsentierte das Unterneh-men ITG Zschopau mit dem Modell Yoker schon bald das erste europäi-sche Pedelec, unterstützt von Egon Gelhard, dem Vater der Idee. Bis 1995 blieb jedoch das Leichtmofa Hercules Elektra das meist ver-kaufte Elektrofahrrad in Europa, danach wurde es abgelöst von Spar-ta und Kynast die jeweils ein Pedelec mit dem Yamaha Antrieb auf den Markt brachten und damit in ihrem jeweiligen Heimatland zu Bestsel-lern wurden.

Einen Meilenstein für die Erfolgsgeschichte des Elektrofahrrads bilde-te das 1996 vorgestellte Mercedes Benz Hybrid Bike. Dieses von Sachs gefertigte Modell trug dank seiner spektakulären, dynamischen Op-tik wesentlich dazu bei, das bis dahin vorherrschende Image von Rent-ner- und Behindertenvehikeln zu korrigieren. Speziell Schwaben durf-ten danach nicht mehr über Pedelecs schmunzeln, denn mit dem Ein-stieg von Daimler war es quasi über Nacht zu einem seriösen Produkt geadelt worden.

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1995

ab 1999 Das Elektrofahrrad kommt (langsam) in Fahrt Trotz der Vorreiter in Japan, in der Schweiz oder in den Niederlanden und den juristisch geschaffenen Grundlagen kommt das Elektrofahr-rad in Europa nur langsam in Fahrt. Zu sehr ist es behaftet mit dem Reha-Image und Benzin noch billig genug. Der heute als modern empfundene Begriff »E-Bike« steht für das Ge-genteil, unmoderne Gefährte für Menschen, die nicht anders weiter-kommen. 2008 findet eine komplette Umkehr statt und Elektrofahr-räder werden zum Trend. Verantwortlich dafür sind zum einen App-le die alles »i-…« nennen, was ein wenig nach »E-…« klingt, und zum anderen der aufgekommene E-Mobilitäts Boom, in dem die um 2000 noch als komplett »out« geltende Elektromobilität »in« wird. Nicht nur ein Zeiten- und Wortwandel führt zum Trend, sondern wieder einmal technologischer Fortschritt.

spezial — historie

Der Yorker der ITG Zschopau war das erste europäische Pe-delec – es entstand in den ehemaligen MZ Motorradwer-ken in Zschopau mit Unterstützung von Egon Gelhard dem Erfinder des Pedelecs, der sich dieses 1982 patentie-ren lassen hat.

Das Kynast Pedelec mit dem Yamaha Antrieb war 1999 mit rund 5000 Exemplaren das meistverkaufte Pedelec in Deutschland. Die meisten Exemplare wurden von Karstadt Sport Filialen verkauft, da diese viel Zeit in die Ausbildung der Verkäufer und Zweirad-mechaniker zum Thema Pedelec investierten, die sich so trauen konnten, diese immer noch exotischen Produkte anzubieten. Im Gegensatz zu vielen Fahrradeinzelhändlern, die sich zu dieser Zeit noch nicht ernsthaft genug mit dem Thema Elektrofahrrad ausei-nandergesetzt hatten.

Das Mercedes Benz Hybrid Bike war ein gewaltiger Schritt zur Etablierung des Pedelecs in den Köpfen einer breite-ren Öffentlichkeit. Das Werbebild mit einer offensicht-lich sportlichen Frau sowie das Pedelec selbst, platziert das Produkt bewusst als sportiv und nicht, wie oft zu-vor, als Rehafahrzeug. Der Sanyo Nabenmotor mit inte-grierter Zuging Dreigang-Schaltung fuhr sich wunder-bar – lediglich der futuristisch anmutende Keilriemen-antrieb von Thun war im reinen Muselkraftbetrieb etwas zäh, wenn man eine gute Kette gewohnt war. Das Fahr-zeug wurde in drei Jahren (1996 – 99) rund 10.000 Mal verkauft.

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Ende der 90er Jahre wurde der chinesische Markt für elektrisch angetriebene Zweirä-der per Diktat aus der Nichtexistenz heraus zum globalen Marktführer (in Stückzahlen) katapultiert. Der Regierungsbeschluss zur Transportwen-de war durch Notwendigkeit ausgelöst. Vie-le Städte wie Shanghai erstickten fast an den Abgasen der Millionen von Zweitakt-Motor-rädern, die die städtischen Straßen als quasi einziges erschwingliches privat Kraftfahrzeug bevölkerten. PKWs waren zur damaligen Zeit für Privatleute noch weitgehend unbezahl-bar. Einzig die Volkswagen Santana oder Pas-sat basierten Taxis oder Limousinen der Par-teigenossen bzw. Unternehmer schlängelten sich durch die Massen der verbrennungsmo-torisierten Zweiräder. Diese kleinen Luftver-pester wollte die Regierung schnell von den Straßen bekommen und erreichte dies durch eine Steuererhöhung über Nacht. Rund vier Monatslöhne eines Arbeiters kostete nun ein Motorrad pro Jahr. Die Maßnahme schlug so schnell ein, wie sie eingesetzt war. Binnen ei-nen Jahres hatte sich die Geräuschkulisse wie auch die Luftqualität in den meisten chinesi-schen Großstädten extrem verändert. Das Problem war allerdings, dass es zur glei-chen Zeit keine existierende Elektro-Zweirad Industrie in China gab. Um diese aufzubau-

en, bot die Regierung unterschiedlichsten Fir-men einen einmaligen Zuschuss von umge-rechnet rund 100.000 € für die Entwicklung von mindestens einem Elektrofahrrad an. Das Angebot entwickelte sich innerhalb weniger Monate dramatisch. Zwar funktionierten die ersten Generationen der subventionierten Elektrofahrräder eher miserabel, doch waren Industrie und Nutzer aufgrund der Gesetzes-lage quasi zum Erfolg verpflichtet.

Heute fahren in China über 100 Mio. E-Bikes, die meist eher kleine Elektroroller sind. Rund 22  Mio. Stück verlassen pro Jahr die Fabri-ken, wobei Wert über Masse geschöpft wird. Die Qualität ist nach europäischem Standard weiterhin eher mau, doch für die Anwender in China ist sie aufgrund der gut ausgebauten Serviceinfrastruktur akzeptabel. Die Fahrzeuge sind in fast allen chinesischen Metropolen zum neuen Massenverkehrs-mittel geworden. Ein Großteil der Chinesen wünscht sich aber eigentlich ein eigenes Auto, das auf der Motorisierungsleiter ganz oben steht und das Prestige bietet, nach dem man eifert. Immer mehr erreichen die Anschaffung und haben E-Bikes nicht mehr nötig. Trotz-dem wird China noch lange Zeit das größte Produktions- und Konsumland der elektri-schen Mobilität sein.

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spezial — historie

In den meisten chinesischen Städten sind elektrische Zweiräder omnipräsent. Sie gelten für den Gesetzgeber als Elektrofahrräder solange sie noch über Pedalstummel oder zumindest ein Tretlager verfügen, auch wenn sie eigentlich Elektroroller sind. Obwohl diese Fahrzeuge lautlos sein sollen, ergeben ihre quietschenden Bremsen eine ganz spezielle Geräuschkulisse, die exemplarisch für die Qualität dieser Vehikel steht, deren Zahl mittlerweile auf 150 Mio in China geschätzt wird.

Susanne Brüsch testete 1999 das Yellow Drama ein nur in Kleinserie gefertigtes Koh-lefaser Rennrad mit Panasonic Antrieb der italienischen Firma La Prima aus Como.

Das MBK Axiom von 1995 ist eine mutige Neuinterpreta-tion des Elektrofahrrades. Es verkörpert die Idee des Pe-delecs als kraftunterstützendes Fahrrad und zeigt op-tisch in der Rahmenform seine »Muskeln«. Der Rahmen ist wohl bis heute der einzige Glasfaser-Rahmen, der je in Serie gebaut wurde. Trotz innovativem Design war das MBK kommerziell ein Flop, wohl auch weil die sportliche Optik Erwartungen weckte, die der Yamaha Antrieb sei-nerzeit nicht erfüllen konnte. Gestalt und Funktion müs-sen übereinstimmen, damit ein Produkt Erfolg hat.

1998 Massenbewegung E-Bike, China

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2001 Prototyp Sparta Ion2001 ist fast ein Initialjahr für die Entwicklung des Pedelecs, weil in diesem Jahr Sparta den Urprototypen des Ion Pedelecs auf der IFMA vorstellte. Auch wenn es noch zwei Jahre dauern sollte bis dieses Mo-dell wirklich in den Verkauf ging, hatte es einen ganz neuen Weg auf-gezeigt. Erstmals gab es ein Elektrorad, dem man es nicht ansah, da die Batterie im Rahmen versteckt war und der Antrieb in der Hinter-radnabe saß. Diese integrierte und damit salonfähige Version hat den holländi-schen Fahrradmarkt binnen weniger Jahre so elektrifiziert, dass vom Sparta Ion bis heute über 500.000 Exemplare verkauft wurden und es so das meistverkaufte Pedelec in Europa wurde.

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ab 2010 Der Wettbewerb ist eröffnetDie neue Technologie mit mehr Energie auf weniger Raum und fri-sches Design verhilft den Pedelecs zu neuer Qualität, die sich letztlich durchsetzt, da zufriedene Nutzer Produkte weiter empfehlen und so neue Kunden generieren. Heute verwirklichen Firmen wie Derby Cycle Stückzahlen von 50.000+ Stück, die Accell Gruppe gar 100.000+, während 1999 das Kynast Pede-lec mit »nur« 5000 Stück schon als Verkaufsschlager galt. Der Erfolg der e-mobilen Zweiräder ruft neue Anbieter auf den Plan und lässt »fahrradfremde«, ökonomisch potente Firmen z. B. rund um die Automobilindustrie auf das Pedelec aufsteigen. Die Produzenten sehen den Markt der Leicht-Elektro-Fahrzeuge als attraktiv an, mit hohen Margen und sehr großem Wachstumspotential.

spezial — historie

Der Ur-Prototyp des Sparta Ion. Es ist bis heute das in Europa meistverkaufte Pedelec. Etwa eine halbe Mio. Fahrzeuge sollen verkauft worden und viele davon noch heute in Betrieb sein. Das Sparta Ion sieht unscheinbar aus, ist aber innovativ. Es setzte die Idee der rahmenintegrierten Batterie von Hercules (1987) erstmals in Großserie um. Des wei-teren fungierte der Fahrradcomputer als Schlüssel, der elektronisch mit dem restlichen System gepaart war. Ein gestohlenes Fahrzeug war so für den Dieb nur sehr schwer ge-winnbringend abzusetzen. Für das Fahrradland Niederlande und gleichzeitiges König-reich der Fahrraddiebe ist diese Funktion nicht zu unterschätzen.

1999 Taufe einer FahrzeugspeziesExtraEnergy führte 1999 seinen Test im italie-nischen Modena durch. Die Stadt ist trotz des nahegelegenen Ferrari Werkes eine der weni-gen in Italien, in der sich ein hoher Fahrrad-verkehrsanteil gehalten hat. Hier stellte Su-sanne Brüsch in einer Pressekonferenz von ExtraEnergy zum ersten Mal den Namen »Pe-delec« vor. Die Abkürzung für Pedal-Electric-Cycle wurde von ihr im Rahmen ihrer Dip-lomarbeit entwickelt, die von ExtraEnergy be-treut wurde. Heute ist Pedelec als Name nicht mehr weg-zudenken. Das gegenwärtig oft verwendete »E-Bike« bezeichnet das juristische Leichtmo-fa, bei dem man unterstützt wird ohne treten zu müssen, das es de facto in Europa eigent-lich fast nicht mehr gibt.

Designer Norbert Haller präsentiert die Mantis Konzept-studie im Rahmen des ExtraEnergy Tests in Modena. Das mantis strotzt vor innovativen Ideen, die aber bis heute nicht umgesetzt wurden, darunter ein Hybridantrieb mit Brennstoffzelle und Batterie.

Das Entertainment Vehicle von Sony 2001 vorgestellt, war ein revolutionäres Pedelec, das aber nie in Serie ging, ob-wohl es viele geniale Detail-Lösungen hatte, die noch heute wünschenswert wären.

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2002 Lithium Technologie in PedelecsDie Lithium-Mangan Flachzellen der Firma NEC Tokio, die ab 2002 und bis 2011 in den Produkten von Panasonic Cycle Technology fast unverändert verwendet wurden, waren eine wirkliche Revolution in der Batterietechnolo-gie. Sie hat den japanischen Markt umgehend beflügelt und auch in Europa den Neuanfang der Firma BikeTech, die als erstes auf den neu-en Panasonic Antrieb gesetzt hat, ermöglicht.

Pünktlich zur Weihnachtszeit 2002 führ-te Bosch den ersten Akkuschrauber mit Li-thium Ionen Batterie, den IXO, ein. Sony war es gelungen, die damals gerade erst 11 Jah-re alte Li Ion Batterie Technologie, die bisher nur für sehr geringe Ströme (langsame Entla-dung) geeignet waren, auch für hohe Ströme (schnelle Entladung) zu optimieren. Für Bosch bedeutete dies den Sieg über Billig-Schrauber aus China, für Pedelecs den Durchbruch. Die Firma BionX nutzte die Sony Batterietech-nik aus dem Akkuschrauber umgehend, um dem kräftigen Nabenmotor die notwendige Power und Reichweite bei überschaubarem Gewicht zu verpassen. Mit den neuen Lithi-um Batterien und den zuverlässigen Antrie-ben von Panasonic und, im kleineren Maßstab BionX, wuchs der Markt sehr schnell, da Kun-den dauerhafter Nutzen gebracht wurde.

2003 Sparta Ion in SerieSparta profitierte bei der Markteinführung der Sparta Ion Produktreihe im Jahr 2003 vom guten Ruf, den sich Lithium Ionen Batterien erarbeitet hatten. Die meisten Kunden gin-gen wohl davon aus, dass das »Ion« auch Io-nen Batterien hat. Eingesetzt waren jedoch Ni-Mhd Batterien, die aber sehr zuverlässig ihren Dienst taten. So zuverlässig, dass die Accell Gruppe zu der Sparta gehört, nach eini-gen Jahren Erfahrung eine Garantie auf zwei Jahre dafür anbieten konnte und dies noch heute tut. Eine Garantieverlängerung für wei-tere drei Jahre entspricht ziemlich genau dem Materialpreis einer Neubatterie.

2010 Bosch AntriebDie Grundlage für den Einstieg von Bosch ins Leicht-Elektro-Fahrzeug Geschäft legte eine Marktprognose, u.a. von HNC, die LEVs großes Wachstum voraussagte und den Vor-stand zum Schritt in das Elektro-Antriebsge-schäft bewegte. Den Markteintritt von Bosch im Frühjahr 2010 nutzten gleich 13 Fahrrad-hersteller, speziell die, die bisher nichts Elek-trisches in ihrem Programm hatten, für ihren Einstieg in das Elektroradgeschäft. Im Januar 2011 hat Bosch seine erste Produk-tionsstätte der Antriebe in der Normandie hochgefahren – die Produktionskapazität dort beträgt aktuell bei voller Auslastung 300.000 Einheiten pro Jahr, eine identische Produkti-onslinie soll im Laufe des Jahres noch im un-garischen Miskolz aufgebaut werden.

2011 Reluktanz Fluss MotorenZwei Unternehmen, eines davon Motor Excel-lence aus den USA, überraschten auf der Taipei Cycle Show 2011 in Taiwan die Industrie mit der Vorstellung von Reluktanz Fluss Motoren. Diese gab es zwar schon einmal 1995, doch erst heute gibt es die entsprechende Elektro-nik zur Steuerung.

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ausblickVor allem die Software und Ansteuerungselektronik birgt gegen-wärtig noch viel Optimierungsbedarf und Entwicklungspotenzi-al. In der Batterietechnik wird sich voraussichtlich in puncto Ener-giedichte, Lebensdauer und Sicherheit einiges tun. Die Innovation geht weiter, so dass die Elektrotechnik und die Software in die letz-ten Winkel des Fahrrades vordringen und es komplett verändern werden. Eines ist sicher – Pedelecs und Elektroroller sind kein kurzfristiger Hype, der schon wieder vergehen wird. Sie sind stattdessen Aus-druck langer Entwicklungen und innovative Antwort auf drängen-de Probleme der Gegenwart und Zukunft, wie z .B. Mobilität für im-mer mehr Menschen auf beengtem urbanen Lebensraum, die mit endlichen fossilen Energieträgern auskommen wollen. Heute noch undenkbare Funktionen können diesem alten-neuen Vehikel schon bald neue Anwendungen und Märkte erschließen.

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Peugeot startet 2011 das MU Projekt. Fahrräder, Pedelecs, Elektroroller und E-Autos werden an Stationen in Rom und Mailand verliehen. Sie sind für kleine Tagespau-schalen gegen Vorab-Buchung per Internet zu bestellen und werden wie bei einer Autovermietung persönlich übergeben.

Hier ist der Bosch Antrieb in einem Prototyp der Marke VSF Fahrradmanufaktur zu sehen. Eine erste Probefahr-möglichkeiten des Antriebs gab es am 14. August 2010 auf dem Händlertag der Firma Cycle Union in Oldenburg.

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