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STRAHLQUELLEN www.laser-journal.de LTJ 27 © 2006 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Glas trifft Scheibe Der Scheibenlaser hält Einzug in die Bearbeitung von Spezialgläsern Moderne Glasprodukte stellen im- mer höhere Anforderungen an den Glas- veredelungsprozess. Der Scheibenlaser etabliert sich derzeit in diesem Bereich für viele Anwendungen als ideales Werkzeug. Seine hohe Strahlqualität bei geringer Abhängigkeit von der Laserleistung und seine sehr gute Leistungsskalierbarkeit erlauben heute die Verfügbarkeit von Sys- temen im Bereich von einigen Watt bis zu mehreren Kilowatt. Der Werkstoff Glas ist längst über seine ur- sprüngliche Funktion des transmissiven Mediums hinausgewachsen. Glas ist heute integraler Bestandteil unterschiedlichster Produkte. Ob Spezialgläser für Gebäude- verglasungen, Hohl- und Behältergläser für den Einsatz in der Konsumgüterindus- trie oder Funktionsbauteil in Displays. Der Bedarf an anspruchsvollen Glasprodukten wächst weltweit langfristig um 4–5 % pro Jahr [1]. Die zunehmende Globalisierung der Märkte und die daraus resultierende Verschärfung des Wettbewerbes wird der Konkurrenzkampf unter den Anbietern von Glasprodukten oder Spezialmaschinen für die Glasbearbeitung in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang innova- tiven Produktionstechnologien zu, durch deren Einsatz neue Produkte, neues Design oder Produktivitätsvorteile gegenüber der Konkurrenz auf dem Weltmarkt generiert werden können. Glas und seine Eigenschaften Der Werkstoff Glas zeichnet sich neben sei- nen bekannten optischen Eigenschaften dadurch aus, dass seine thermischen, me- chanischen oder chemischen Eigenschaften durch Zusammensetzung und Herstellungs- verfahren auf die industrielle Anwendung optimal angepasst werden können. Ein Un- terscheidungsmerkmal ist die oxidische Zu- MICHAEL HAASE Michael Haase ist seit 2005 geschäftsführen- der Gesellschafter der H2B Photonics GmbH. Er hat in Hamburg Maschinenbau studiert, mit dem Schwerpunkt Werkstoffe, Schweiß- technik und Thermochemie. Er startete seine industrielle Laufbahn im Unternehmen Phi- lips GmbH Glasfabrik Aachen als Produkti- onsingenieur. In der Schott AG leitete er die Produktionsbereiche Displayglas Heißfer- tigung und die Nachverarbeitung Entspie- gelte Spezialgläser. 2002 wechselte er in das Laser Zentrum Hannover e.V. mit fachlichem Schwerpunkt Laserglasbearbeitung. DER AUTOR ●● Dipl.-Ing. Michael Haase Managing Director H2B Photonics GmbH Schönebecker Allee 2 30823 Garbsen Tel.: +49 (0)511 762-18250 Fax: +49 (0)511 762-18252 E-Mail: [email protected] Web: www.h2b-photonics.de ABBILDUNG 1: Der Scheibenlaser eignet sich hervorragend zum Abtrennen von Blaskappen (links), oder auch zum Verschließen von Ampullen (rechts). sammensetzung, nach der die Gläser in vier Hauptgruppen eingeteilt werden können: Borosilikatgläser, Erdalkali-Alumino-Silikat- gläser, Alkali-Blei-Silikatgläser und Alkali- Erdalkali-Silikatgläser (Natron-Kalk-Glas) [2]. Die Bearbeitung von Glaswerkstoffen mit Laserstrahlung kann in Abhängigkeit von Glasart und Werkstoffeigenschaften mit Lasern unterschiedlicher Wellenlängen und Verfahren durchgeführt werden (Abb. 1). Im UV-Bereich werden die einfallenden Pho- tonen von den Elektronen absorbiert und diese dadurch zu Schwingungen angeregt. Die Elektronen geben ihre Energie an die Atome ab, sodass die Energie der Strahlung in Gitterschwingungen und damit in Wärme umgewandelt wird. Im Bereich der IR-Strah- lung (Infrarot) bedingen die Si-O-Gitter- schwingungen eine vollständige Absorption der Laserstrahlung in Silikatgläsern [3]. Die Wärmeentwicklung unter Einwirkung von NIR-Strahlung (Nah-Infrarot) wird durch niederenergetische Elektronenübergänge im Glaswerkstoff befindlicher Elemente wie z. B. Fe verursacht. Abbildung 2 zeigt die Wechselwirkung von Laserstrahlung in Ab- hängigkeit der eingesetzten Wellenlänge des Lasers.

Glas trifft Scheibe – Der Scheibenlaser hält Einzug in die Bearbeitung von Spezialgläsern

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STRAHLQUELLEN

www.laser-journal.de LTJ 27 © 2006 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Glas trifft ScheibeDer Scheibenlaser hält Einzug in die Bearbeitung von Spezialgläsern

Moderne Glasprodukte stellen im-mer höhere Anforderungen an den Glas-veredelungsprozess. Der Scheibenlaser etabliert sich derzeit in diesem Bereich für viele Anwendungen als ideales Werkzeug. Seine hohe Strahlqualität bei geringer Abhängigkeit von der Laserleistung und seine sehr gute Leistungsskalierbarkeit erlauben heute die Verfügbarkeit von Sys-temen im Bereich von einigen Watt bis zu mehreren Kilowatt.

Der Werkstoff Glas ist längst über seine ur-sprüngliche Funktion des transmissiven Mediums hinausgewachsen. Glas ist heute integraler Bestandteil unterschiedlichster Produkte. Ob Spezialgläser für Gebäude-verglasungen, Hohl- und Behältergläser für den Einsatz in der Konsumgüterindus-trie oder Funktionsbauteil in Displays. Der Bedarf an anspruchsvollen Glasprodukten wächst weltweit langfristig um 4–5 % pro Jahr [1]. Die zunehmende Globalisierung der Märkte und die daraus resultierende Verschärfung des Wettbewerbes wird der Konkurrenzkampf unter den Anbietern von Glasprodukten oder Spezialmaschinen für die Glasbearbeitung in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang innova-tiven Produktionstechnologien zu, durch deren Einsatz neue Produkte, neues Design oder Produktivitätsvorteile gegenüber der Konkurrenz auf dem Weltmarkt generiert werden können.

Glas und seine Eigenschaften

Der Werkstoff Glas zeichnet sich neben sei-nen bekannten optischen Eigenschaften dadurch aus, dass seine thermischen, me-chanischen oder chemischen Eigenschaften durch Zusammensetzung und Herstellungs-verfahren auf die industrielle Anwendung optimal angepasst werden können. Ein Un-terscheidungsmerkmal ist die oxidische Zu-

MICHAEL HAASEMichael Haase ist seit 2005 geschäftsführen-der Gesellschafter der H2B Photonics GmbH. Er hat in Hamburg Maschinenbau studiert, mit dem Schwerpunkt Werkstoffe, Schweiß-technik und Thermochemie. Er startete seine industrielle Laufbahn im Unternehmen Phi-lips GmbH Glasfabrik Aachen als Produkti-onsingenieur. In der Schott AG leitete er die Produktionsbereiche Displayglas Heißfer-tigung und die Nachverarbeitung Entspie-gelte Spezialgläser. 2002 wechselte er in das Laser Zentrum Hannover e.V. mit fachlichem Schwerpunkt Laserglasbearbeitung.

DER AUTOR

●●Dipl.-Ing. Michael Haase

Managing DirectorH2B Photonics GmbHSchönebecker Allee 2

30823 GarbsenTel.: +49 (0)511 762-18250Fax: +49 (0)511 762-18252

E-Mail: [email protected]: www.h2b-photonics.de

ABBILDUNG 1: Der Scheibenlaser eignet sich hervorragend zum Abtrennen von Blaskappen (links), oder auch zum Verschließen von Ampullen (rechts).

sammensetzung, nach der die Gläser in vier Hauptgruppen eingeteilt werden können: Borosilikatgläser, Erdalkali-Alumino-Silikat-gläser, Alkali-Blei-Silikatgläser und Alkali-Erdalkali-Silikatgläser (Natron-Kalk-Glas) [2]. Die Bearbeitung von Glaswerkstoffen mit Laserstrahlung kann in Abhängigkeit von Glasart und Werkstoffeigenschaften mit Lasern unterschiedlicher Wellenlängen und Verfahren durchgeführt werden (Abb. 1). Im UV-Bereich werden die einfallenden Pho-tonen von den Elektronen absorbiert und diese dadurch zu Schwingungen angeregt. Die Elektronen geben ihre Energie an die Atome ab, sodass die Energie der Strahlung in Gitterschwingungen und damit in Wärme umgewandelt wird. Im Bereich der IR-Strah-lung (Infrarot) bedingen die Si-O-Gitter-schwingungen eine vollständige Absorption der Laserstrahlung in Silikatgläsern [3]. Die Wärmeentwicklung unter Einwirkung von NIR-Strahlung (Nah-Infrarot) wird durch niederenergetische Elektronenübergänge im Glaswerkstoff befindlicher Elemente wie z. B. Fe verursacht. Abbildung 2 zeigt die Wechselwirkung von Laserstrahlung in Ab-hängigkeit der eingesetzten Wellenlänge des Lasers.

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28 LTJ März 2006 Nr. 2 © 2006 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Anforderungen an die ProduktionDurch die zunehmende Komplexität und Funktionalität moderner Glasprodukte wer-den immer anspruchsvollere Anforderungen an den Glasveredelungsprozess gestellt. Dünnere Wandstärken der Glasprodukte oder empfindliche Funktionsschichten auf den Glasoberflächen erfordern den Einsatz von schonenden Bearbeitungsverfahren. Das Separieren von Gläsern spielt bei der Veredelung von Glasprodukten eine wesent-liche Rolle. Ob Hohl- oder Flachgläser, jedes

Glasprodukt durchläuft bei der Verarbeitung den Trennprozess, bevor es weiteren Ver-edelungsprozessen zugeführt wird und ein Produkt entsteht. Häufig werden die Gläser bereits vor dem Trennprozess mit Funktions-schichten versehen, wie beispielsweise bei den AR-beschichteten (anti-reflektierend) Gläsern. Das bedeutet, dass der nachfol-gende Trennprozess die empfindlichen Funk-tionsschichten nicht beschädigen darf. In der Prozesskette der Displayglasproduktion wer-den großformatige Glasscheiben verarbeitet und in einem nachfolgenden Trennprozess zu Displayglasformaten vereinzelt. Konven-tionelle Trennverfahren mit mechanischen Werkzeugen stoßen hier immer mehr an ihre Grenzen. So ist der Einsatz von mechanischen Werkzeugen für den Zuschnitt von Display-glassubstraten häufig unerwünscht, da durch das mechanische Ritzen und Brechen Splitter und Mikrorisse die Bauteilqualität herabset-zen oder Kratzer das Produkt unbrauchbar machen. Der Einsatz von mechanischen Schleifwerkzeugen erfordert gleichzeitig den Einsatz von Kühl- und Schmiermitteln, die ein anschließendes Reinigen der Glasprodukte erforderlich machen und zusätzliche Kosten für die Reinigung der Gläser und die Entsor-gung der Kühl- und Schmiermittel erzeugen.

Glasbearbeitung mit Hochleistungslasern

Der Einsatz von Hochleistungslaserstrahl-quellen in der Materialbearbeitung ist heute bereits in zahlreichen industriellen Anwendungsbereichen Stand der Technik.

Laserstrahlung hat gegenüber konventio-nellen Fertigungstechnologien prozessbe-dingte Vorteile: kontaktlose, verschleißfreie Bearbeitung der empfindlichen Produkte, präziser Energieeinsatz und gute Reprodu-zierbarkeit eröffnen neues Produktdesign, vermindern den Ausschuss, erhöhen die Pro-duktqualität und erhöhen Effektivität und Wirtschaftlichkeit der Fertigungsprozesse. Bereits seit Jahren werden Laserstrahlpro-zesse erfolgreich in der Glasindustrie einge-setzt. Ob beim Abtrennen von Blaskappen in der Massenfertigung von Trinkgläsern oder beim Verschmelzen von Glasampullen in der pharmazeutischen Industrie, der La-ser hat sich in vielen Bereichen bereits durch seine prozessbedingten Vorteile erfolgreich etabliert (Abb. 1).

Neue Möglichkeiten in der Glasbearbeitung

Der Scheibenlaser ist dabei, sich in vielen ver-schiedener Anwendungen durchzusetzen, z. B. beim Ritzen und Bohren von Solarzel-len, beim Schweißen von Kunststoffen oder Metallen oder ganz neu beim Trennen von Glas. Er zeichnet sich in der Materialbear-beitung durch eine Reihe von Vorteilen aus, die aus dem Aufbau des Lasermediums als Scheibe („Disc“) resultieren. Gute Kühlei-genschaften der Scheibe führen zu effizi-enten und kompakten Bauweisen derartiger Systeme. Die Anpassung der Fläche der La-serkristallscheibe erlaubt eine einfache Ska-lierbarkeit zu hohen Ausgangsleistungen. Hohe Strahlqualität bei geringer Abhän-gigkeit von der Laserleistung und die sehr gute Skalierbarkeit im Leistungsbereich der Systeme erlauben heute die Verfügbarkeit von Systemen im Bereich von einigen Watt bis zu mehreren Kilowatt. Damit lässt sich für nahezu jede Anwendung eine geeignete Strahlquelle ermitteln [4].Beim Trennen von Glaswerkstoffen zeich-net sich das System des Scheibenlasers durch seine sehr gute Strahlqualität und Leistungsstabilität aus. Die herausragenden dynamischen Eigenschaften ermöglichen die Anbindung des Lasers an Prozess-Rege-lungssysteme, sodass der Laser-Trennpro-zess in den erforderlichen Prozesssituationen optimal beherrscht werden kann. Durch die Kopplung mehrer Fasern an einen Laser las-sen sich hocheffiziente Fertigungskonzepte mit mehreren Schneidköpfen an einem La-ser realisieren, was die Investitionskosten für das Lasersystem relativiert. Abbildung 3 zeigt das Prinzip eines Scheibenlasers der Rofin-Sinar Laser GmbH aus Hamburg.

DIE FIRMA

H2B Photonics GmbHHannover-Garbsen

Die H2B Photonics GmbH wurde am 03. Mai 2005 gegründet. Das junge Technolo-gieunternehmen entwickelt und realisiert für seine Kunden Lasertrennprozesse für Glaswerkstoffe auf Basis des MLBA-Ver-fahrens (Multiple-Laser-Beam-Absorption = Mehrfache Laser Strahl Absorption). Die Kernkompetenzen der H2B Photonics GmbH liegen dabei in der Entwicklung und Realisierung von Technologiekom-ponenten und Ingenieurdienstleistung für die Realisierung von Lasertrennanlagen auf Basis der MLBA-Technologie. Zielmärkte des Unternehmens sind das Displayglas sowie vergleichbare Spezialglasanwen-dungen mit hoher Wertschöpfung im Bereich Automotive und Architekturglas. Weitere Infos: www.h2b-photonics.de

WW mitWW mitElektronenElektronen

WW mit ElektronenWW mit Elektronennichtlinearenichtlineare

EffekteEffekte

WechselwirkungWechselwirkungmit Ionenmit Ionen

TransparenzTransparenz

UVUV VISVIS NIRNIR IRIR

••PlasmaPlasma••VerdampfungVerdampfung••(Photochemisch:(Photochemisch:Dissoziation)Dissoziation)

••LawinenionisierungLawinenionisierung••SelbstfokussierungSelbstfokussierung••MultiphotonenabsorptionMultiphotonenabsorption••PlasmaanregungPlasmaanregung

••SchmelzenSchmelzen••Sublimation:Sublimation:

WW mitWW mitElektronenElektronen

WW mit ElektronenWW mit Elektronennichtlinearenichtlineare

EffekteEffekte

WechselwirkungWechselwirkungmit Ionenmit Molekülen

TransparenzTransparenz

UVUV VIS NIR IRIR

••PlasmaPlasmabildung••VerdampfungVerdampfung••(Photochemisch:PhotochemischDissoziation)Dissoziation

••LawinenionisierungLawinenionisierung••SelbstfokussierungSelbstfokussierung••MultiphotonenabsorptionMultiphotonenabsorption••PlasmaanregungPlasmaanregung

••SchmelzenSchmelzen••Sublimation:Sublimation:

NIR Laser IR LaserUV Laser

Prinzipkurve Duran, D=2mm

WW mitWW mitElektronenElektronen

WW mit ElektronenWW mit Elektronennichtlinearenichtlineare

EffekteEffekte

WechselwirkungWechselwirkungmit Ionenmit Ionen

TransparenzTransparenz

UVUV VISVIS NIRNIR IRIR

••PlasmaPlasma••VerdampfungVerdampfung••(Photochemisch:(Photochemisch:Dissoziation)Dissoziation)

••LawinenionisierungLawinenionisierung••SelbstfokussierungSelbstfokussierung••MultiphotonenabsorptionMultiphotonenabsorption••PlasmaanregungPlasmaanregung

••SchmelzenSchmelzen••Sublimation:Sublimation:

WW mitWW mitElektronenElektronen

WW mit ElektronenWW mit Elektronennichtlinearenichtlineare

EffekteEffekte

WechselwirkungWechselwirkungmit Ionenmit Molekülen

TransparenzTransparenz

UVUV VIS NIR IRIR

••PlasmaPlasmabildung••VerdampfungVerdampfung••(Photochemisch:PhotochemischDissoziation)Dissoziation

••LawinenionisierungLawinenionisierung••SelbstfokussierungSelbstfokussierung••MultiphotonenabsorptionMultiphotonenabsorption••PlasmaanregungPlasmaanregung

••SchmelzenSchmelzen••Sublimation:Sublimation:

NIR Laser IR LaserUV Laser

Prinzipkurve Duran, D=2mm

ABBILDUNG 2: Wechselwirkung der Laserstrahlung mit Glas in Abhängigkeit der eingesetzten Wellenlänge des Lasers. Grundsätzlich lassen sich drei Bereiche unterscheiden.

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rere gestapelte Glastafeln in einem Arbeits-gang getrennt werden, ohne den sonst üb-lichen, beidseitigen Ritz- und Brechvorgang. Auch selektives Schneiden einzelner Glasta-feln im mehrlagigen Glasstapel, wie bei der Displayglasverarbeitung üblich, ist möglich. Abbildung 4 zeigt das Prinzip des MLBA-Pro-zesses, bei dem zwei miteinander verklebte Glasscheiben der Dicke d = 0,7 mm in einem Prozessschritt getrennt werden [5].Die Qualität der erzeugten Trennkante ist mit der von mechanisch polierten Glas-kanten vergleichbar. Eine Nachbearbeitung kann somit häufig entfallen. Die eingespar-ten Schleif- und Reinigungsprozesse verkür-zen die Prozesskette erheblich und es lassen sich Produktivitätsvorteile gegenüber kon-ventionellen Produktionsverfahren erzielen. Aktuell sind mit dem MLBA-Verfahren Trenn-geschwindigkeiten bei Natron-Kalk-Gläsern von bis zu vt ≤ 8 m/min bei einer Laserleis-tung P ≤ 1000 W erreichbar. Bei einer Ska-lierung der Leistung bis zu P = 3000 W sind Trenngeschwindigkeiten von vt > 10 m/min realisierbar. Ein Vergleich der mehrstufigen konventionellen mechanischen Glasbear-beitungskette mit dem einstufigen MLBA-

Trennverfahren verdeutlicht die Vorteile: Bei vergleichbarer Glaskantenqualität wer-den durch das Polieren der Glaskante mit üblichen Poliergeschwindigkeiten von vp ≤ 5 m/min in der Prozesskette Ritzen-Brechen-Schleifen-Polieren-Reinigen für die Erzeugung von 10 m hochwertiger Kante 150 Sekunden benötigt. Mit dem MLBA-Verfahren wird eine Glaskante, in vergleich-barer Oberflächenqualität in 75 Sekunden erzeugt, wobei unterstellt wird, dass Schleif- und Polierprozesse entfallen. Darüber hinaus vereinfacht sich der Automatisierungsauf-wand erheblich, der Ausschuss an teueren, veredelten Glasprodukten reduziert sich durch das berührungslose Trennen mittels Laserstrahlung auf nahezu null. Das Verfahren eignet sich sehr gut für Na-tron-Kalk-Gläser. Für borosilikatisches Glas wird das Verfahren derzeit weiterentwickelt. Das MLBA-Glastrennen wurde in dem EU-Projekt MATRA gemeinsam mit Industrie-partnern aus Europa entwickelt (MATRA = Machining of Transparant Materials by Multiple Absorption). Ein erster Prototyp wurde realisiert und auf der Glasstec 2004 der Öffentlichkeit präsentiert. Auf Basis des Prototyps werden Weiterentwicklung und Vertrieb für marktrelevante Applikationen von der H2B Photonics GmbH in Garbsen durchgeführt. Gemeinsam mit seinem Ver-triebspartner vermarktet H2B Photonics GmbH das Verfahren aktuell in Asien und Europa.

Industrielle Anwendungen

Industrielle Einsatzmöglichkeiten des MLBA-Laser-Trennverfahrens in Verbindung mit dem Scheibenlaser finden sich in Bereichen hochwertiger Glasprodukte. Beispiele sind Display-Gläser, Solarzellen, KFZ-Spiegel oder Abdeckscheiben für KFZ-Instrumente, sowie Design-Glasprodukte. Abbildung 5 zeigt mögliche Anwendungen des Verfah-rens am Beispiel.

Fazit

Der Vergleich von Laserstrahlprozessen mit konventionellen Bearbeitungsverfahren für Glaswerkstoffe führt in erster Betrachtung zu einer Abwägung der Vor- und Nach-teile. Während konventionelle Verfahren durch technische Ausgereiftheit, schnelle Ritzgeschwindigkeiten beim mechanischen Trennen von Gläsern oder relativ geringe Investitionsaufwendungen überzeugen, gewinnen Laserstrahlbearbeitungsprozesse immer mehr an Bedeutung. Das MLBA-

Neues Trennverfahren Ein neues Verfahren für das Trennen von Flachgläsern ist das so genannte MLBA-Verfahren (MLBA=Multiple-Laser-Beam-Ab-sorption). Die Laserstrahlung wird dabei im Gegensatz zur üblichen CO2-Laserstrahlung über die gesamte Materialdicke des Glases absorbiert, wobei ein überwiegender Anteil der Strahlung das Glas beim ersten Strahl-durchgang transmittiert. Durch ein spezi-ell entwickeltes Reflektorsystem wird eine Mehrfachabsorption der Strahlung im Glas (d. h. Multiple Absorption) erreicht. Der Anteil der in Wärmeenergie umgewandel-ten Strahlung erhöht sich, sodass das Glas durch eine thermisch induzierte Spannung, ausgehend von einem Initialriss, in einem Arbeitsgang getrennt werden kann. Dieses neue Verfahren benötigt keine Kühlmedien für den Trennprozess. In der Umsetzung werden Scheibenlaser in den Leistungs-klassen P = 750–3000 W (cw = continuous wave) eingesetzt. Die Strahlführung wird über Lichtleitfasern realisiert. Dadurch wird eine flexible Integration in nahezu jede Pro-duktionsumgebung ermöglicht. Mit dem MLBA-Laser-Trennverfahren können meh-

Retro-Reflektor FasersteckerFaserkoppel-einheit

Strahl-führungAuskoppel-

spiegelParabolischerReflektor

Yb:YAG-Scheibe

PumplichtReflektor

Pump-licht

Kühl-finger

ABBILDUNG 3: Links ein Scheibenlaser von Rofin-Sinar, rechts das Prinzip. (Quelle: Rofin)

Laserkopf

gestapelte Glasscheiben

Disstanzhalter

Positioniersystem

ReflektorLaser

Funktionsprinzip

Laserkopf

gestapelte Glasscheiben

Disstanzhalter

Positioniersystem

ReflektorLaser

Funktionsprinzip

ABBILDUNG 4: Multiple-Laser-Beam-Absorption (MLBA) erlaubt das simultane Trennen von zwei mitei-nander verklebten Glasscheiben der Dicke d=0,7 mm in einem Prozessschritt.

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30 LTJ März 2006 Nr. 2 © 2006 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Literatur[1] OWIS GmbH, Flachglasstudie, Düssel-

dorf, 09/2005.[2] Schott: Schott Technische Gläser, Physi-

kalische und chemische Eigenschaften (1999).

[3] M. Hüske, M. Haase, Chr. Kulik, T. Ne-ther, Möglichkeiten zur Mikrobearbei-tung von Gläsern, LEF 2004, Erlangen, 03/2004.

[4] Stefan Knoke, Der Scheibenlaser etabliert sich, Laser Technik Journal, April/Mai 2004, S. 58.

[5] H. K. Tönshoff, Chr. Kulik, M. Haase, O. Haupt, Solid-State Laser for Cutting Con-tours, Glass Processing Days 2003, Tam-pere, 06/2003.

Laser-Trennverfahren für Glaswerkstoffe in Verbindung mit modernen Strahlquellen, wie dem Scheibenlaser, erschließt durch Vorteile wie Flexibilität, Präzision und Ver-schleißfreiheit neue Möglichkeiten in Pro-duktdesign, Qualität und Produktivität. Durch den Einsatz von Laserstrahlung las-sen sich neue Prozesse realisieren, die zu einer signifikanten Verkürzung der Prozess-kette führen können. Eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit und Produktivität hängt demnach nicht nur vom direkten Vergleich der Bearbeitungsgeschwindigkeiten ab, sondern erfordert vielmehr die sorgfältige Analyse der produktionstechnischen und wirtschaftlichen Faktoren der gesamten Pro-zesskette einer industriellen Anwendung. So kann sich der Einsatz von Laserstrahl-prozessen für das thermische Trennen von Glaswerkstoffen nicht nur dadurch rechnen, dass der Verbrauch von teuren Werkzeu-gen, wie Diamantschneidrädern, eingespart werden kann. Auch der Verzicht auf kosten-intensive Nachverarbeitungsprozesse, wie das Schleifen und Polieren von Glaskanten, kann vielfach entfallen. Durch die ganzheit-liche Bewertung aller Vor- und Nachteile ergeben sich häufig durch den Einsatz von Laserstrahlprozessen deutliche Produktivi-täts- und Wettbewerbsvorteile, die die Be-schaffungskosten für die Strahlquelle mehr als rechtfertigen.

Danksagung

Teile der präsentierten Informationen sind hervorgegangen aus dem Europäischen Forschungsprojekt MATRA „Machining of Transparent Materials by Multiple Ab-sorption“ (EU Projekt Nr.: G1RD-CT-2002-00746). Der Autor dankt den Partnern des Konsortiums: Bottero S.p.A. (I), Schott AG (D), Thales Optics (GB) (Teilnahme bis 08/2004), Arc International (F) und dem La-ser Zentrum Hannover e.V. (D).

ABBILDUNG 5: Mit dem MLBA-Trennverfahren lassen sich die unterschiedlichsten Automobilglas-formate herstellen (links), oder auch zwei Gläser simultan trennen (rechts).

2020JahreJahre

ERFOLG DURCH QUALITÄT ERFOLG DURCH QUALITÄT

Die internationale Fachmesse für Qualitätssicherung

9. - 12. Mai 2006Messe Sinsheimwww.control-messe.de www.schall-virtuell.de

Gleichzeitig findet statt:3. Microsys – Die Fachmesse für Microsystem-technik und Ultrapräzisionsfertigung

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• Messtechnik

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Veranstaltungsort:

Messe Sinsheim GmbH Messe- und Kongresszentrum

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