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GMBH- GESCHÄFTS- FÜHRER 2017 www.euroforum.de/geschaeftsfuehrer Das E-Book für Geschäftsführer mit den haftungsträchtigen Themen 2017 Exklusiv und aktuell!

GMBH- GESCHÄFTS- FÜHRER€¦ · 1/12/2012  · für Arbeitsrecht, Partner, Naegele-Kanzlei für Arbeitsrecht Partnerschaftsgesellschaft mbB, Stuttgart/Berlin Seite 29 Aktuelle Entwicklungen

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GMBH-GESCHÄFTS -FÜHRER2017

www.euroforum.de/geschaeftsfuehrer

Das E-Book für Geschäftsführer mit den haftungsträchtigen Themen 2017

Exklusiv und aktuell!

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 2

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Herzlichen Dank den Autorinnen und Autoren für ihre Unterstützung bei der Gestaltung des E-Books. Wenn auch Sie einen Beitrag für die nächste Ausgabe leisten möchten oder Anregungen für Themen haben, erreichen Sie mich unter 02 11/ 96 86 – 3165 oder [email protected].

Ich wünsche Ihnen viele erhellende Momente beim Lesen!

Freundliche Grüße

Rechtsanwältin Nicole Büren-Lorenz

Senior-Konferenz-Managerin

LIEBE LESERIN,LIEBER LESER,

JEWEILS 2 TAGE VOLLER

Inspiration Information Interaktion

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 3

Seite 06

Unternehmensbeteiligung des GmbH-GeschäftsführersDr. Benedikt Hohaus, Rechtsanwalt, Fachanwalt

für Steuerrecht, Partner, P+P Pöllath + Partners

Seite 09

Die EU-Marktmissbrauchsverordnung – einschneidende kapitalmarktrechtliche Pflichten nun auch für GmbHs mit KapitalmarktbezugDr. Daniel Rubner, Rechtsanwalt / Assoziierter Partner und

Dr. Lutz Pospiech, Dipl.-Kfm., Rechtsanwalt / Assoziierter Partner,

GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB, München

Seite 13

D&O-Versicherungsschutz für Geschäftsführer – Erwartung, Fehlverständnis und RealitätFranz Held, Rechtsanwalt, Wirtschaftsmediator (MuCDR)

und Mitglied der Geschäftsleitung, VOV GmbH, Köln

Seite 18

Die Pensionszusage des GeschäftsführersDr. Charlotte Beck, Rechtsanwältin und Fachanwältin

für Arbeitsrecht, Partnerin und

Constance Karwatzki, Rechts anwältin, ALTENBURG

Fachanwälte für Arbeitsrecht, Berlin

Seite 21

Die Rolle des Geschäftsführers bei einer Compliance-UntersuchungDr. Markus Janko, Rechtsanwalt und Fachanwalt

für Arbeitsrecht und

Dr. Jan Heuer, Rechtsanwalt, Kliemt & Vollstädt, Düsseldorf

Seite 24

Geschäftsführerhaftung: Ressortaufteilung als Enthaftungsinstrument?Horst Grätz, Rechtsanwalt und Partner, und

Dr. Kathrin Rosenberg, Rechtsanwältin und Associate, Rödl

Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft mbH

Seite 27

Matrix versus BetriebsverfassungsgesetzDr. Sebastian Frahm, Rechtsanwalt und Fachanwalt

für Arbeitsrecht, Partner, Naegele-Kanzlei für Arbeitsrecht

Partnerschaftsgesellschaft mbB, Stuttgart/Berlin

Seite 29

Aktuelle Entwicklungen bei Haftungsfragen rund um InsolvenzenBastian Finkel, Rechtsanwalt und Fachanwalt

für Versicherungsrecht, und

Jan Kordes, LL.M., Rechtsanwalt und Fachanwalt für

Versicherungsrecht, BLD Bach Langheid Dallmayr

Rechts anwälte Partnerschafts gesellschaft mbB

Seite 32

Aufstellung und Feststellung der Bilanz in der GmbHProf. Dr. Burkhard Binnewies, Rechtsanwalt und Fachanwalt

für Steuerrecht, Streck Mack Schwedhelm

Seite 39

Haftungsrisiken des Geschäftsführers und die Grenzen der D&O-Versicherung im Lichte der Rechtsprechung der InstanzgerichteBettina Plaßmann-Robertz, Rechtsanwältin und Fach -

anwältin für Versicherungsrecht, PRO LAW Rechtsanwälte

Partnerschaft m.b.B.

Seite 42

Haftungsrisiken im Zusammenhang mit der Teilnahme an einem Cash-Pool-SystemDr. Sabine Vorwerk, Rechtsanwältin und Counsel und

Dr. Jonas Schwarz, Rechtsanwalt, Linklaters LLP

Seite 49

Befreiung eines Liquidators von den Beschränkungen des § 181 BGBDr. Martin Nebeling, Partner/Fachanwalt für Arbeitsrecht,

Bird & Bird, Düsseldorf

Seite 52

Typische Compliance-Risiken im Bereich des DatenschutzesAndreas Josupeit, Rechtsanwalt und Fachanwalt

für Arbeitsrecht, CMS Hasche Sigle Partnerschaft

von Rechtsanwälten und Steuerberatern mbB, Düsseldorf und

Dr. Hans-Christian Woger, Rechtsanwalt, CMS Hasche

Sigle Partnerschaft von Rechtsanwälten und Steuer beratern

mbB, Leipzig

Inhaltsverzeichnis

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 4

Seite 56

Aktuelle rechtliche Aspekte kritischer Personal-gespräche für Geschäftsführer und FührungskräfteVolker Stück, Rechtsanwalt, Aschaffenburg und Leiter

Personal und Integrity-Beauftragter Hochspannungs-

produkte, ABB AG, Hanau

Seite 59

Brexit – was Unternehmensleiter schon heute beachten solltenDr. Ulrike Binder, Rechtsanwältin und Partnerin und

Dr. Jan Kraayvanger, Rechtsanwalt und Partner,

Mayer Brown LLP, Frankfurt am Main

Seite 63

Der GmbH-Geschäftsführer als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts!?Kevin Wilson, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Handels-

und Gesellschaftsrecht sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht,

Klinger & Tschersich Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Seite 67

Fremdgeschäftsführer in Familienunternehmen Friend, Family oder Schleudersitz für Fools?Dr. Raoul Kreide, Rechtsanwalt, Local Partner,

Mediator / GSK Stockmann, Heidelberg

Seite 70

Enthaftungsmöglichkeiten des GmbH-GeschäftsführersDr. Hans-Jörg Krämer, Rechtsanwalt und Fachanwalt

für Steuerrecht, Partner, ZIRNGIBL Rechtsanwälte

Partnerschaft mbB

Seite 75

Legal Process ManagementUwe Müllner, LL.M., Rechtsanwalt und Partner PATZINA LOTZ

Rechtsanwälte Partnerschaft mbB und

Dr.-Ing. Ute Wiesemann, Unternehmensberaterin

Seite 79

Haftungsfalle verdeckte Gewinnausschüttung − Vorsicht bei Geschäften mit GesellschafternDr. Dirk Kocher, LL.M., Rechtsanwalt und Partner,

LATHAM & WATKINS LLP

Seite 81

Schwachstellen in D&O-Policen – worauf Geschäftsführer bei Ihrer D&O achten solltenMarius Jungmichel, Underwriter Financial Lines,

Markel International Insurance Company Limited,

Niederlassung für Deutschland

Seite 84

Wenn der Insolvenzverwalter 2x klingelt – Wie wehre ich die Haftung für Zahlungen nach Insolvenzreife ab? Lothar Köhl, Rechtsanwalt und Partner, und

Dr. Volker Hees, Rechtsanwalt und Partner, Fachanwalt

für Insolvenzrecht, Hoffmann Liebs Fritsch & Partner

Rechtsanwälte mbB

Seite 87

Die Haftung des Geschäftsführers gemäß § 64 S. 1 GmbHG beim Einzug abgetretener Forderungen und der neutrale SicherheitentauschMichael Winterhoff, Rechtsanwalt und Fachanwalt für

Insolvenz recht, M.B.L.-HSG, Winterhoff Rechtsanwalts GmbH

Seite 90

Fallstricke bei der Kündigung von GmbH-GeschäftsführernDr. Wolfgang Schüler, Rechtsanwalt und Partner, Fachanwalt

für Handels- und Gesellschaftsrecht und

Dr. Daniel Grewe, Rechtsanwalt und Partner und

Dr. Constantin Axer, Rechtsanwalt und Fachanwalt

für Handels- und Gesellschaftsrecht, Seitz Rechtsanwälte

Steuerberater, Köln

Seite 94

Kapitalmarktfinanzierung mit der GmbHDr. Thorsten Kuthe, Rechtsanwalt, und

Madeleine Zipperle, Rechtsanwältin,

Heuking Kühn Lüer Wojtek, Köln

Seite 97

Der fehlerhafte Anstellungsvertrag im Trennungs szenario zwischen GmbH und GeschäftsführerDr. Andrea Panzer-Heemeier, Partnerin und Fachanwältin

für Arbeitsrecht, ARQIS, Düsseldorf und

Dr. Markus Schwipper, LL.M, Rechtsanwalt, ARQIS, München

Inhaltsverzeichnis

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 5

Inhaltsverzeichnis

Seite 101

Pflichten des Geschäftsführers der Ziel-GmbH in der Due DiligenceMartin Bastobbe, Rechtsanwalt, Schultze & Braun GmbH

Rechtsanwaltsgesellschaft

Seite 104

Geschäftsführerhaftung in der UnternehmenskriseProf. Rolf Rattunde, Rechtsanwalt, Insolvenzverwalter, Notar

in Berlin, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Insolvenz-

recht, Honorarprofessor für deutsches und europäisches

Insolvenz recht und das Recht der Kreditsicherheiten (HTW Berlin)

Seite 107

Der Geschäftsführer und das Verbot der Einlagenrückgewähr – die aktuelle österreichische RechtslageDr. Nora Michtner, Rechtsanwältin und

Mag. Alexander Singer, Rechtsanwalt und Inhaber, Singer

Fössl Rechtsanwälte OG (www.sfr.at), Wien

Seite 110

Die Kontrolle der Geschäftsführung durch die GesellschafterDr. Florian Herrmann, Rechtsanwalt, Fachanwalt

für Handels- und Gesellschaftsrecht und

Alexander Uhl, Rechtsanwalt, Langwieser Rechtsanwälte

Partnerschaft mbB, München, Berlin

Seite 113

Typische arbeitsrechtliche Risiken für GmbH- Geschäftsführer… und wie man sie vermeiden kann! Matthias W. Kroll, LL.M., Rechtsanwalt, Fachanwalt

für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Versicherungsrecht,

Dr. Nietsch & Kroll Rechtsanwälte (www.nkr-hamburg.de),

Hamburg

Seite 116

Vor der ESUG-Evaluierung Restrukturierungs erfahrungen aus der PraxisDr. Dirk Andres, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Insolvenz -

recht und Partner, AndresPartner

Seite 118

Schutzrechte im Unternehmen: Pflichten des

Geschäftsführers und die Patenthaftpflicht-

versicherung zur Auslagerung von Risiken Christian Becker, Geschäftsführer, Domke Advice

Service GmbH und

Markus English, Syndikusanwalt, Tokio Marine Kiln

Seite 121

Produkthaftung und Produktsicherheit

in Industrie 4.0 Philipp Reusch, Rechtsanwalt, Attorney-at-Law (Germany),

Reusch Law Legal Consultants

Seite 124

Der Geschäftsführer im internationalen Vergleich Carsten Laschet, Rechtsanwalt und

Geschäftsführender Partner, und

Claudia Maaßen, LL.M., Maître en droit, Rechtsanwältin –

Counsel, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB,

Rechtsanwälte

Seite 127

Streitigkeiten über Geschäftsführerhaftung vertraulich klärenDr. Florian Schumacher, Rechtsanwalt, SZA Schilling,

Zutt & Anschütz Rechtsanwalts AG

Seite 130

Schadenersatzpflicht des Geschäftsführers nach

KartellrechtsverstoßDr. Sascha Dethof, Partner, Competition,

Regulatory and Trade, Fieldfisher

Seite 133

Seminarübersicht 2017

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 6

Bei der Suche nach Top-Managern für die Ge-schäftsführung von Mittelstandsunternehmen stehen deren Eigentümer immer öfter im Wett-

bewerb mit Private Equity-Fonds. Diese bieten ihren Bewerbern nicht nur attraktive Gehaltspakete, sondern auch die Möglichkeit einer Beteiligung am Unterneh-men. Insofern bieten immer häufiger Mittelstand-unternehmen ihren Geschäftsführern eine Beteiligung an ihrem Unternehmen an. Ziel ist die Schaffung einer Interessenhomogenität zwischen Manager und Gesell-schafter des Unternehmens und eine höhere Identi-fikation des Managers mit „seinem“ Unternehmen.

1. Wesentliche Kennzeichen einer Managementbeteiligung durch Private Equity

Bei Erwerb eines Unternehmens sieht der Private Equity- Investor üblicher Weise zwischen 10 und 15 % der Ge-sellschaftsanteile für den Erwerb durch das Manage-ment vor.

Neben der Finanzierung mit „echtem“ Eigenkapital (ca. 10 bis 15 %) gibt der Finanzinvestor einen wesentlichen Teil des benötigten Kapitals in Form von Gesellschafter-darlehen oder Vorzugskapital (85 – 90 %) in die Holding-gesellschaft. Gesellschafterdarlehen sind im Vergleich zum echten Eigenkapital vorrangig zurückzuzahlen und gewähren keine Beteiligung an den stillen Reser-ven, sondern nur eine feste Verzinsung. Vorzugskapital wird mit einem prozentualen Dividendenvorzug ausge-staltet und verfügt außerdem über eine Liquidations-präferenz in Höhe des eingezahlten Kapitals.

Der Geschäftsführer kann zum einen eine Beteiligung am klassischen Eigenkapital erwerben. Darüber hinaus kann er ebenfalls Gesellschafterdarlehen geben oder Vorzugskapital zeichnen. Diese Finanzinstrumente sind nicht an den stillen Reserven des Unternehmens beteiligt, sondern haben lediglich eine fixe Rendite zwischen 6 – 10 % p.a.. Stimmrechte sind mit ihnen re-gelmäßig auch nicht verbunden. Im Falle eines Exits haben sie aber einen Liquidationsvorrang vor dem klassischen Eigenkapital. Investiert der Manager nicht oder in einem geringeren Verhältnis als der Finanzin-vestor in diese vorrangigen Finanzinstrumente, steht seine Beteiligung höher im Risiko. Das höhere Risiko korrespondiert aber im Falle eines erfolgreichen Exits in Bezug auf das eingesetzte Kapital mit einem (wirt-schaftlich betrachtet) höheren Anteil am Erlös auf das klassische Eigenkapital. Letztlich entspricht das jedem mit Fremdkapital finanziertem Investment.

Zur Vereinfachung der Verwaltung (z. B. Ausübung von Stimmrechten etc.) wird ab einer gewissen Anzahl von Personen die Beteiligung über eine Personengesell-schaft oder Treuhand gehalten. Für den Fall, dass die Manager vor dem Exit aus dem Unternehmen aus-scheiden (sog. Leaver), besteht in der Regel ein An-

UNTERNEHMENSBETEILIGUNGDES GMBH-GESCHÄFTS FÜHRERS

Dr. Benedikt Hohaus,

Rechtsanwalt,

Fachanwalt für Steuerrecht,

Partner, P+P Pöllath + Partners

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 7

kaufsrecht des Hauptgesellschafters. Die Beteiligung soll regelmäßig einem Nachfolger in der Position ange-boten werden können (Rotatationsgedanke).

Im Falle eines Exits erhalten die Co-Investoren den auf den Verkauf der von ihnen gehaltenen Beteiligungs-instrumente entfallenden Veräußerungserlös. Laufen-de Dividendenausschüttungen finden in der Regel nicht statt, da die Kreditverträge der Bankenfinanzie-rung dies üblicher Weise nicht zulassen.

2. Steuerliche Behandlung einer Private Equity Managementbeteiligung

Steuerlich handelt es sich bei solchen Beteiligungen mit Verlustrisiko anerkanntermaßen um Kapitalbetei-ligungen. Veräußerungserlöse (bei einer Beteiligung von unter 1 % am Stammkapital) daraus unterliegen dann der Abgeltungssteuer von 25 % (zuzüglich Solida-ritätszuschlag und Kirchensteuer) und nicht der Lohn-versteuerung. Der BFH hat dies in einer erst kürzlich ergangenen Entscheidung (IX R 43/15 vom 4. Oktober 2016) zu einer klassischen Managementbeteiligung nochmals bestätigt. Ein Leaver Scheme mit Rückkaufs-optionen, ein Vesting und die Ausgabe nur an vom Unternehmen beschäftigte Mitarbeiter führt nach der Entscheidung des BFH nicht zu einer anderen Beur-teilung. Der BFH betont lediglich die Bedeutung eines effektiven Verlustrisikos sowie der Fremdüblichkeit von Einstiegspreis und Verkaufspreis für die Qualifizierung als Kapitaleinkünfte. Bei einer Beteiligung von 1 % oder mehr am Stammkapital gilt das Teileinkünfteverfahren; insofern sind 60 % des Gewinns mit dem persönlichen Steuersatz zu versteuern (zuzüglich Solidaritätszu-schlag und Kirchensteuer).

3. Übertragung auf ein Unternehmen ohne Private Equity-Hintergrund?

Während Finanzinvestoren anlässlich des Unterneh-menserwerbs eine Beteiligungsstruktur nach ihren Bedürfnissen entwerfen können, ist die Gesellschafts-struktur von eigentümer- oder familiengeführten Un-ternehmen in der Regel historisch gewachsen und nicht für Zwecke einer Managementbeteiligung op-timiert. Außerdem stellt sich immer wieder die Frage nach Mitsprache- und Informationsrechten bei Imple-mentierung einer Managementbeteiligung, die häufig vom Mehrheitsgesellschafter nicht gewollt sind.

Vergleichbar ist die Interessenlage von Mittelstands-unternehmen und Private Equity-geführten Unterneh-men im Hinblick auf die Regelung von Ankaufsrechten für den Fall, dass ein beteiligter Manager das Unterneh-men wieder verlässt. Das ist einer Managementbetei-ligung systemimmanent.

Schwierigkeiten machen ausgerechnet zwei für den Manager sehr wichtige Parameter: die Gestaltung ei-nes Hebeleffekts und die Darstellung eines mittelfristi-gen Exitszenarios. Sie lassen sich bei einer Beteiligung an einem familien- oder eigentümergeführten Unter-nehmen nicht so ohne weiteres darstellen.

4. Simulation des Exits

Eine langfristige Unternehmensbeteiligung ohne ein Exit-Szenario, allein mit Beteiligung an den laufenden Erträgen hat auf Dauer keine ausreichende Incentivie-rungswirkung. Dies wird vermieden durch die Festle-gung eines mittelfristigen Ziels mit einem attraktiven Liquiditätsereignis, wie es ein Exit darstellen kann. In der Praxis geht man von einer Laufzeit von 4 bis 6 Jah-ren aus.

Im Rahmen eines Exits fließt den Gesellschaftern für ih-re Beteiligung am Kapital ein Kaufpreis zu, der sich an dem Unternehmemswert orientiert. Der Kaufpreis ent-spricht dann einem am Markt zwischen zwei fremden Dritten gebildeten Wert für das verkaufte Unterneh-men. Von diesem werden nach Abzug von Verbindlich-keiten und Kosten die vorrangigen Finanzinstrumente einschließlich aufgelaufener Vorzugsrendite bedient. Der Restbetrag wird dann im Verhältnis der am klassi-schen Eigenkapital gehaltenen Beteiligungen verteilt.

Eine langfristige Unternehmens beteiligung

ohne ein Exit-Szenario, allein mit Beteiligung an den

laufenden Erträgen hat auf Dauer keine ausreichende

Incentivierungs wirkung.

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 8

Einen solchen Unternehmenswert kann man aber auch formelhaft bestimmen: das zuletzt erwirtschaftete EBITDA des Unternehmens wird mit einem bestimmten, am Markt erzielbaren Vergleichsmultiple multipliziert und davon werden die Nettofinanzverbindlichkeiten der Gesellschaft abgezogen. Gesellschafterdarlehen oder Vorzugskapital zuzüglich aufgelaufener Zinsen bzw. Vorzugsdividende mindern als Finanzverbindlich-keiten den Unternehmenswert.

Realisieren kann der Manager eine solche Wertsteige-rung aber nur dann, wenn er die Beteiligung dann auch verkaufen kann. Insofern braucht er eine Put-Option entweder gegen den Hauptgesellschafter oder gegen die Gesellschaft selber. Der Hauptgesellschafter muss insofern sicherstellen, dass er zum gegebenen Zeit-punkt auch entsprechende Geldmittel zur Verfügung hat, um den Manager auszuzahlen. Eine Put Option gegenüber der Gesellschaft selber unterliegt hingegen

gesellschaftsrechtlichen Restriktionen (Kapitalerhal-tungsvorschriften), so dass ein Ankauf eigener Anteile ohne weiteres nicht möglich ist.

5. Zusätzliche virtuelle Beteiligung

Wenn in einer bestehenden Struktur der einer klassi-schen Managementbeteiligung innewohnende Hebel nicht abgebildet werden kann, kombiniert man häufig eine echte Kapitalbeteiligung mit einer virtuellen Be-teiligung des Geschäftsführers. Dieser wird dann über eine separate Bonusvereinbarung so gestellt, als sei er zusätzlich am Eigenkapital der Gesellschaft beteiligt. Die Auszahlung erfolgt dann zum Zeitpunkt des „fin-gierten“ Exits. Sogenannte Leaver Regelungen gelten dann auch für die virtuelle Beteiligung.

Steuerlich unterliegt eine virtuelle Beteiligung der Lohnsteuer und ist beim Empfänger voll mit dem in-dividuellen Steuersatz zu versteuern. Hierbei wird die virtuelle Beteiligung vertraglich separat geregelt, um die steuerliche Trennung zwischen Kapitalbeteiligung einerseits und virtueller Beteiligung als Bonuskompo-nente andererseits zu dokumentieren. Besteht neben der virtuellen Beteiligung eine echte Beteiligung an ei-nem gewerblich tätigen Personenunternehmen, han-delt es sich bei sämtlichen Zahlungen an den Manager- Gesellschafter um Sondervergütungen (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG, § 7 Satz 1 GewStG).

Dem steuerlichen Nachteil steht aber die Flexibilität in der möglichen Ausgestaltung einer solchen virtuellen Beteiligung gegenüber.

6. Fazit

Die Beteiligung des Geschäftsführers an seinem Unternehmen sieht man in der Praxis auch ohne Beteiligung von Finanzinvestoren immer häufiger. Die Schwierigkeit eines an und für sich nicht gegebenen Exits und einer Kapital-struktur, die eine Hebelung nicht zulässt, führt zunehmend dazu, dass eine echte Kapitalbeteiligung mit einer virtu-ellen Beteiligung kombiniert wird.

Steuerlich unterliegt eine virtuelle Beteiligung der Lohnsteuer und ist beim Empfänger voll mit dem individuellen Steuersatz zu versteuern.

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 9

I. Einleitung

Die EU-Marktmissbrauchsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 596/2014 des Europäischen Parlaments und des Ra-tes vom 16. April 2014) ist seit dem 3. Juli 2016 auch in Deutschland unmittelbar wirksam. Die Vorschriften der EU-Marktmissbrauchsverordnung (nachfolgend: MMVO) haben zahlreiche kapitalmarktrechtl iche Re-gelungen der Einzelstaaten ersetzt und diesen ge-genüber zum Teil zu erheblichen Verschärfungen der Pflichten geführt. Mit der MMVO wurde zudem der Anwendungsbereich wesentlicher kapitalmarktrecht-licher Pflichten erheblich ausgeweitet. Während eine Vielzahl dieser Pflichten zuvor nur für börsennotierte Aktiengesellschaften galt, gelten die Vorschriften der MMVO auch für sämtliche Freiverkehrsemittenten. Da-rüber hinaus ist der Anwendungsbereich der MMVO nicht mehr auf Aktien beschränkt, vielmehr erstreckt er sich auf „Finanzinstrumente“ und damit insbesondere auf übertragbare Wertpapiere.

Sofern also eine GmbH beispielsweise eine Unterneh-mensanleihe oder einen Genussschein emittiert hat und die jeweiligen Wertpapiere zum Handel im regu-lierten Markt zugelassen bzw. zum Handel im Freiver-kehr einer Börse einbezogen sind, gelten die strengen

kapitalmarktrechtlichen Pflichten der MMVO nun erst-mals auch in vollem Umfang für solche GmbHs mit Kapital marktbezug.

Für die Geschäftsführer einer GmbH mit Kapitalmarkt-bezug sollen die nachfolgenden Ausführungen einen Überblick über wesentliche kapitalmarktrechtliche Pflichten der MMVO liefern.

II. Ad-hoc-Publizität

Art. 17 Abs. 1 MMVO verpflichtet nun alle Emittenten und somit auch GmbHs, die Wertpapiere emittiert ha-ben und deren Wertpapiere an einer Börse notieren, sog. Insiderinformationen unverzüglich offenzulegen. Zu veröffentlichen sind solche Informationen, die im Falle ihres öffentlichen Bekanntwerdens geeignet wären, den Börsenkurs oder Marktpreis der betreffen-den Wertpapiere erheblich zu beeinflussen. In diesem Zusammenhang regelt die MMVO nunmehr in An-

DIE EU-MARKT-MISSBRAUCHS VERORDNUNG

Dr. Daniel Rubner,

Rechtsanwalt/

Assoziierter Partner

Dr. Lutz Pospiech,

Dipl.-Kfm., Rechtsanwalt/

Assoziierter Partner,

GÖRG Partnerschaft von

Rechts anwälten mbB, München

Einschneidende kapitalmarkt-rechtliche Pflichten nun auch für GmbHs mit Kapitalmarktbezug

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 10

lehnung an die EuGH-Entscheidung in Sachen „Geltl/Daimler“ (Urt. vom 28. Juni 2012 – C-19/11, NJW 2012, 2787), dass bei zeitlich gestreckten Vorgängen bereits Zwischenschritte veröffentlichungspflichtige Insiderin-formationen darstellen können (Art. 17 Abs. 4 MMVO).

Ad-hoc-Mitteilungen müssen nach Art. 17 Abs. 1 MM-VO fünf Jahre auf der Internetseite des Emittenten zu-gänglich sein und in das Unternehmensregister einge-stellt werden.

Bei berechtigtem Interesse des Emittenten ist auch der Aufschub der Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mit-teilung möglich (Selbstbefreiung), wenn keine Irre-führung der Öffentlichkeit zu befürchten ist und die Vertraulichkeit der Information sichergestellt ist. Diese Möglichkeit des Aufschubs endet allerdings zwingend bei Informationslecks und auch bei ausreichend präzi-sen Gerüchten (Art. 17 Abs. 7 MMVO).

III. Insiderlisten

Emittenten von Finanzinstrumenten, die der Ad-hoc-Pflicht unterliegen, haben Insiderlisten zu führen (Art. 18 Abs. 1 Buchstabe a) MMVO). Auch für alle im Auftrag oder auf Rechnung des Emittenten handeln-den Personen besteht diese Pflicht. In die stets zu aktu-alisierenden Listen (Art. 18 Abs. 1 Buchstabe b) MMVO) sind sämtliche Personen aufzunehmen, die Zugang zu Insiderinformationen eines Emittenten haben. Des Wei-teren müssen alle zu erfassenden Personen über ihre in-siderrechtlichen Pflichten und die Folgen bei Verstößen aufgeklärt werden. Hierbei ist eine schriftliche Bestä-tigung erforderlich, dass die zu erfassenden Personen ihre Pflichten anerkennen (Art. 18 Abs. 2 MMVO).

IV. Verbot von Insidergeschäften / Verbot der Marktmanipulation

Das ausgeweitete Verbot von Insidergeschäften umfasst gemäß Art. 8 Abs. 1 MMVO nun auch die Stornierung oder Änderung eines noch nicht durchgeführten Auf-trags (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 MMVO). Darüber hinaus ist das Handeln aufgrund einer Empfehlung als Tatbestand ei-nes verbotenen Insidergeschäfts in Art. 8 Abs. 3 MMVO geregelt worden. Daher stellt ein Erwerb eines Wertpa-piers aufgrund einer Empfehlung von einer Person, die wissen sollte, dass die Empfehlung auf einer Insiderin-formation beruht, ein verbotenes Insidergeschäft dar.

Die MMVO beinhaltet zudem deutliche Verschärfun-gen des Marktmissbrauchsrechts. Die einzelnen han-dels- und informationsbezogenen Tatbestände der Marktmanipulation sind in Art. 12 MMVO geregelt. Art. 12 Abs. 2 MMVO enthält mehrere Regelbeispiele. Zudem ergänzt eine nicht abschließende Liste von In-dikatoren in Anhang I der MMVO die Regelungen zur verbotenen Marktmanipulation. Verboten ist nicht nur die vollendete Marktmanipulation, sondern bereits de-ren Versuch (Art. 15 MMVO).

V. Directors‘ Dealings

Durch Art. 19 Abs. 1 MMVO ist der Anwendungsbereich der Regeln zu Directors‘ Dealings erheblich erweitert worden und erstreckt sich nun sowohl auf Geschäfte mit Aktien als auch mit Schuldtiteln (z. B. Anleihen, Genussscheine). Personen, die Führungsaufgaben wahrnehmen, und mit diesen in enger Beziehung ste-hende Personen müssen nun dem Emittenten und der zuständigen Behörde jedes Eigengeschäft unverzüglich melden, spätestens innerhalb von drei Geschäftstagen nach dem Datum des Geschäfts (Art. 19 Abs. 1 MMVO). Die Regelungen zu Directors‘ Dealings kommen dann zum Tragen, wenn die betreffende Führungskraft und die ihr nahestehenden Personen innerhalb eines Kalen-derjahres Geschäfte im Gesamtvolumen von EUR 5.000 (ohne Netting) getätigt haben (Art. 19 Abs. 8 MMVO).

Der Emittent muss die auf der Liste genannten Führungs-kräfte über die Pflichten bei Eigengeschäften schriftlich

belehren. Die Führungskräfte wiederum sind ihrerseits ver-pflichtet, die ihnen naheste-

henden Personen über deren Pflichten aufzuklären.

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 11

Emittenten müssen fortlaufend eine Liste sämtlicher Personen aufstellen, die in den Anwendungsbereich der Mitteilungspflichten nach Art. 19 MMVO fallen. In der GmbH zählen zu den Führungskräften in jedem Fall die Geschäftsführer und die Mitglieder eines (auch fakultativen) Aufsichtsrats sowie ggf. Generalbevoll-mächtigte und sonstige höhere Führungskräfte, so-fern sie regelmäßig Zugang zu Insiderinformationen haben und befugt sind, gewichtige unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Mitglieder eines lediglich beratend tätigen Beirats sind regelmäßig keine Füh-rungskräfte im Sinne der Vorschriften über Directors‘ Dealings.

Der Emittent muss die auf der Liste genannten Füh-rungskräfte über die Pflichten bei Eigengeschäften schriftlich belehren. Die Führungskräfte wiederum sind ihrerseits verpflichtet, die ihnen nahestehenden Per-sonen über deren Pflichten aufzuklären (Art. 19 Abs. 5 MMVO).

Die MMVO enthält in Art. 19 Abs. 11 zudem die Rege-lung, dass Führungskräfte innerhalb von geschlosse-nen Zeiträumen (closed periods) von 30 Kalendertagen vor „Ankündigung“ eines Zwischenberichts oder eines Jahresabschlusses keine Eigengeschäfte in Aktien oder Schuldtiteln des Emittenten tätigen dürfen.

VI. Sanktionen

Die MMVO enthält selbst keine unmittelbar wirkenden Bußgeldvorschriften, wohl aber Mindestvorgaben zum Bußgeldrahmen. Vorgaben zur strafrechtlichen Sankti-onierung von Verstößen gegen die MMVO enthält die EU-Richtlinie 2014/57/EU des Europäischen Parlaments

und des Rates vom 16. April 2014 über strafrechtliche Sanktionen bei Marktmanipulation (MMSanktionsRL).

Der deutsche Gesetzgeber hat die europarechtlichen Vorgaben mit dem Ersten Finanzmarktnovellierungs-gesetz (1. FiMaNoG) ins deutsche Recht umgesetzt, insbesondere durch Neufassung der §§ 38, 39 WpHG.

1. BußgeldvorschriftenBei leichtfertigen Verstößen gegen das Insiderhandels-verbot und gegen das Verbot der Marktmanipulation droht natürlichen Personen nunmehr eine Geldbuße bis zu EUR 5 Mio. Für juristische Personen bemisst sich der Bußgeldrahmen nach dem höheren der Beträge von EUR 15 Mio. und 15 % des (Konzern-)Gesamtum-satzes des vorangegangenen Geschäftsjahres.

Bei vorsätzlichen oder leichtfertigen Verstößen gegen Ad-hoc-Publizitätspflichten ist für natürliche Personen ein Bußgeldrahmen bis zu EUR 1 Mio. geregelt. Juris-tischen Personen droht insoweit eine Geldbuße bis zum höheren der Beträge von EUR 2,5 Mio. und 2 % des (Konzern-)Gesamtumsatzes des vorangegangenen Ge-schäftsjahres.

Bei vorsätzlichen oder leichtfertigen Verstößen ge-gen sonstige Pflichten (Führen von Insiderlisten, Ein-schränkungen und Veröffentlichungspflichten bei Directors‘ Dealings) kann natürlichen und juristischen Personen ein Bußgeld i. H. v. bis zu EUR 1 Mio. auferlegt werden.

Über die zuvor genannten Beträge hinaus ist sowohl für natürliche als auch für juristische Personen eine noch weitergehende verwaltungsrechtliche Sanktionierung in Form der Vorteilsabschöpfung bis zur dreifachen Hö-he des aus dem Verstoß gegen das Marktmissbrauchs-recht gezogenen wirtschaftlichen Vorteils geregelt. Unter wirtschaftliche Vorteile fallen hierbei neben er-zielten Gewinnen auch vermiedene Verluste.

Bei Verstößen gegen das Marktmissbrauchsrecht hat die BaFin nach § 40d WpHG n.F. mit der Intention der Abschreckung die ergangenen Bußgeldentscheidun-gen unter Offenlegung von Art und Charakter des Verstoßes und der Identität der betroffenen Person für fünf Jahre auf ihrer Homepage zu veröffentlichen (na-ming and shaming). Die Möglichkeit hierzu bestand zwar auch bisher schon (§ 40b WpHG), die BaFin hat

Bei vorsätzlichen oder leichtfertigen Verstößen

gegen Ad-hoc-Publizitäts-pflichten ist für natürliche

Personen ein Bußgeldrahmen bis zu EUR 1 Mio. geregelt.

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hiervon allerdings nur sehr zurückhaltend Gebrauch gemacht. Nunmehr besteht für die BaFin bei Verstößen gegen die MMVO kein Ermessen mehr, ob sie die Veröf-fentlichung vornimmt.

2. StrafvorschriftenVorsätzliche Rechtsverstöße im Bereich des Insiderhan-delsverbots und der Marktmanipulation sind strafbar. Der deutsche Gesetzgeber hat in diesem Zusammen-hang keine durchgehende Beschränkung der Straf-barkeit auf schwerwiegende Fälle vorgenommen. Na-türlichen Personen droht eine Freiheitstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe (§ 38 Abs. 1 WpHG n. F.) – und damit mehr als die MMSanktionsRL verlangt (dort: Höchststrafe von vier Jahren). Von der in der MMSank-tionsRL vorgesehenen Möglichkeit, auch juristische Personen strafrechtlichen Sanktionen zu unterwerfen,

hat der deutsche Gesetzgeber keinen Gebrauch ge-macht. Insoweit bleibt es bei den Bußgeldvorschriften.

3. Zivilrechtliche SanktionenDie MMVO macht keine Vorgaben zu zivilrechtlichen Sanktionen. Auch das 1. FiMaNoG enthält insoweit kei-ne materiellen Änderungen. Es bleibt also dabei, dass Anleger gem. §§ 37b, c WpHG Schadensersatz bei un-terlassenen oder unrichtigen Ad-hoc-Mitteilungen for-dern können.

Das Insiderhandelsverbot und das Verbot der Markt-manipulation stellen nach h. M. keine Schutzgesetze i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB dar. Individuelle Schadensersat-zansprüche kommen daher insoweit nur dann in Be-tracht, wenn die Voraussetzungen einer vorsätzlichen, sittenwidrigen Schädigung vorliegen (§ 826 BGB).

VII. Fazit

Die MMVO führt zu deutlich erweiterten kapitalmarktrechtlichen Folgepflichten und damit auch höheren Haftungs-risiken – bei einer drastischen Verschärfung der Sanktionen. Vor diesem Hintergrund sind insbesondere auch GmbHs mit Kapitalmarktbezug aufgerufen, ihre internen Organisationsstrukturen und ihre kapitalmarktrechtliche Complian-ce an die neue Rechtslage anzupassen.

Vor allem Freiverkehrsemittenten in Rechtsform der GmbH werden im Einzelfall abwägen müssen, ob angesichts der Erfordernisse der MMVO die Vorteile einer Freiverkehrsnotiz deren Nachteile noch überwiegen, oder ob nicht die Zulassung zum regulierten Markt angestrebt werden sollte. Emittenten, die die neuen kapitalmarkrechtlichen Folge-pflichten vermeiden wollen, werden indes ein vollständiges Delisting in Erwägung ziehen.

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Geschäftsführer haften in Deutschland bereits für einfach fahrlässig begangene Pflichtverletzungen unbegrenzt mit ihrem gesamten Hab und Gut.

Und wenn man bedenkt, wie schnell man einmal nur unachtsam gewesen sein kann, so ist es nicht verwun-derlich, dass pro Jahr allein gegen GmbH-Geschäftsfüh-rer mehr als 10.000 Schadenersatzansprüche (manager-magazin.de) erhoben werden. Um es auf den Punkt zu bringen: Jede noch so kleine Nachlässigkeit eines Ge-schäftsführers kann aufgrund des strengen Haftungs-rechts in Deutschland somit zum persön lichen Ruin führen. Dies gilt erst recht, da die dramatisch zuneh-menden Fälle der Managerhaftung nicht selten Forde-rungen im Millionenbereich beinhalten. Und wer bis auf das letzte Hemd ausgezogen werden kann, der wird bei der Suche nach effektiven Absicherungsmöglichkeiten rasch auch auf die (Unternehmens-) D&O-Versicherung stoßen. Mit einer solchen Versicherungslösung soll dem Geschäftsführer letztlich das Risiko einer privaten Insol-venz genommen werden. D&O-Deckungen haben sich deshalb als eine Art „Berufshaftpflichtversicherung für Manager“ etabliert.

Was also darf ein Geschäftsführer von einer D&O-Versicherung erwarten?

D&O-Policen sind Haftpflichtversicherungen, die vor-rangig den Schutz von Geschäftsführern bei einer persönlichen Inanspruchnahme durch das eigene Un-

ternehmen wegen eines dort aufgrund einer vorge-worfenen Pflichtverletzung eingetretenen Schadens bezwecken. Daneben bietet eine D&O-Police aber auch Schutz vor Ansprüchen Dritter, etwa des Finanzamtes, Kunden oder eines Sozialversicherungsträgers. Der Ab-schluss einer D&O-Versicherung im Fall der Übernah-me einer Geschäftsführungstätigkeit ist deshalb zu ei-ner Art Automatismus geworden. Oder anders gesagt: Wer heutzutage Geschäftsführer ist, der wird das The-ma D&O-Versicherung sinnvollerweise zur Chefsache machen und erst starten, wenn er sich entsprechend gut versichert weiß.

Der Geschäftsführer kann von einer Unterneh-mens-D&O-Versicherung erwarten, dass die Prämie dieser Police durch das Unternehmen als Versiche-rungsnehmerin übernommen wird – die Rechte aus der Police jedoch ihm und den weiteren versicherten Personen zustehen. Es ist somit eine sogenannte Ver-sicherung für fremde Rechnung. Und es handelt sich um eine Haftpflichtdeckung. Das bedeutet, dass der Versicherer bei einer Inanspruchnahme des Geschäfts-führers für diesen meistens Abwehrschutz durch Mandatierung hochqualifizierter Rechtsanwälte zur

D&O-VERSICHERUNGSSCHUTZFÜR GESCHÄFTSFÜHRER

Franz Held,

Rechtsanwalt, Wirtschafts mediator

(MuCDR) und Mitglied der

Geschäfts leitung,

VOV GmbH, Köln

Erwartung, Fehlverständnis und Realität

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Verteidigung gegen den Schadenersatzanspruch zur Verfügung stellt und dass bei einem berechtigten (und versicherten) Anspruch der Versicherer den Geschäfts-führer als versicherte Person auch hiervon freistellt; er zahlt also dem Anspruchsteller im Umfang der Police die berechtigte Entschädigungs- bzw. Vergleichssum-me. Sowohl die nicht unwesentlichen (außergericht-lichen) Abwehrkosten (im Durchschnitt ca. 300,- Euro pro Beraterstunde) als auch im Falle der Freistellung die eher hohen Entschädigungssummen müssten ohne D&O-Versicherungsschutz aus dem eigenen Vermögen des betroffenen Geschäftsführers aufgebracht werden – bei Forderungen im Millionenbereich dann meist mit existenzgefährdender Wirkung. Der Geschäftsführer darf somit bei Managerhaftungs-Fällen weitestgehen-den Schutz seines Privatvermögens und damit letztlich einen wichtigen Beitrag zu seiner Existenzsicherung er-warten. Aber sieht er dies tatsächlich auch so?

Welches Fehlverständnis über die Wirkungsweise der D&O-Deckung lässt sich feststellen?

Eine aktuelle VOV-Umfrage macht deutlich, dass die unter einer Unternehmens-D&O-Police versicherten Personen oftmals gar nicht so genau einschätzen kön-nen, welche Rechte ihnen aus dem Versicherungsver-trag überhaupt zustehen. Hier lässt sich feststellen, dass D&O-Versicherungen offenbar mehr als Bilanzschutz-De-ckung wahrgenommen oder möglicherweise sogar als solche vertrieben werden.

Selbstverständlich hat auch das Unternehmen ein eigenes Interesse am Abschluss einer D&O-Versiche-rung, da insbesondere bei sehr hohen Forderungs-summen der versicherte Geschäftsführer aus eigenen Mitteln nicht in der Lage sein könnte, den Anspruch zu

(Studie Managerhaftung 2016, http://www.vovgmbh.de)

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befriedigen – anders als die „tiefen Taschen“ der Versi-cherer! Jedoch sollte eigentlicher Zweck der Unterneh-mens-D&O-Deckung weiterhin der aufgezeigte Vermö-gensschutz von Geschäftsführern sein.

Und deshalb ist es empfehlenswert, den Anspruch auf den Versicherungsschutz einer D&O-Versicherung be-reits im Dienstvertrag ausdrücklich zu regeln. Dabei ist zu beachten, dass die entsprechende Vertragsklausel möglichst präzise gefasst ist. Mit einer solchen dienst-vertraglichen Verschaffungsklausel ist dann – soweit verhandelbar – eine unmittelbare Einflussnahme auf den Umfang des Versicherungsschutzes möglich. Das ist umso wichtiger, da es keinen D&O-Bedingungsstandard gibt, so dass sich die Anbieter solcher Policen bereits vom Deckungsumfang her z. T. erheblich unterschei-den. Ein weiteres Differenzierungsmerkmal ist die Scha-denbearbeitung. Nicht jeder Versicherer ist in der Lage, auf Augenhöhe unter Vermeidung einer Eskalation der Schadensache mit den Beteiligten zu einer jeweils inte-ressengerechten Lösung zu gelangen. Hier trennt sich

auf der Seite der D&O-Anbieter schnell die Spreu vom Weizen. Dabei gelangen aber selbst gute D&O-Anbie-ter, wenn die Interessen einzelner versicherter Personen vollkommen gegenläufig sind oder aber die Sache hoch komplex wird, manchmal an ihre (natürlichen) Grenzen. So kann es vorkommen, dass die Versicherungssumme durch eine Vielzahl in Anspruch genommener versicher-ter Personen – für die alle Versicherungsschutz zur Ver-fügung gestellt werden muss – aufgebraucht ist, ohne dass die Sache gänzlich erledigt werden konnte. Je nach Konstellation kann ein versicherter Geschäftsführer dann doch eigene Mittel zur vollständigen Erledigung der Angelegenheit aufbringen müssen. Oder es gibt mehrere Versicherungsfälle in einer Versicherungsperio-de, so dass für den letzten Fall dann möglicherweise kei-ne Versicherungssumme mehr zur Verfügung steht. Hier hilft nur noch eine eigene, höchstpersönliche D&O-Ver-sicherung. Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass die persönliche D&O-Versicherung zusehends an Bedeutung gewinnt, wie eine weitere Erkenntnis aus der Umfrage zeigt.

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Als wesentliche Erscheinungsformen gibt es die per-sönliche D&O-Deckung für aus dem Unternehmen aus-scheidende Geschäftsführer oder aber die persönliche D&O-Versicherung, die anstelle oder in Ergänzung zu einer bestehenden Unternehmens-D&O-Versicherung gekauft wird und den Geschäftsführer üblicherweise gleichermaßen umfänglich, jedoch mit einer höchstei-genen Versicherungssumme, absichert.

Und wie sieht nun eigentlich die Realität aus? Wohin geht die Reise?

Unternehmens-D&O-Deckungen entfernen sich zu-sehends vom eigentlichen Schutzzweck „Schutz des Privatvermögens der versicherten Personen“. Insbe-sondere im Mittelstandssegment ist ein Wettbewerb ausgebrochen, der teilweise eher fragliche Deckungs-inhalte hervor bringt. Dies gipfelt aktuell darin, dass es Deckungsbausteine mit Eigenschaden-Charakter gibt, so dass es z. B. bei einem Anspruch im Innenverhältnis deckungsunschädlich ist, dass dem Geschäftsführer für den entsprechenden Sachverhalt bereits wirksam Ent-lastung erteilt worden ist. Oder aber die Spartentren-nung wird zusehends schwieriger, da D&O-Deckungen auch gern mit Rechtsschutzkomponenten angerei-chert oder sogar überfrachtet werden. Ein Trend, der dazu führen könnte, dass die Unternehmens-D&O-De-ckung in der aktuell aufgeblähten Ausgestaltung zuse-hends kritisch betrachtet werden wird.

In diesen Zeiten wird viel von künstlicher Intelligenz gesprochen. Dabei darf aber die natürliche Intelligenz nicht vergessen werden, also die Fähigkeit, insbeson-

dere durch abstraktes logisches Denken Probleme zu lösen und zweckmäßig zu handeln. In diesem Sinne besteht jedenfalls die berechtigte Hoffnung, dass eine weitere Eruption der Unternehmens-D&O-Deckung vermieden werden kann. Wer bereit ist, selbst Versi-cherungsnehmer zu werden, der handelt sicherlich am zweckmäßigsten, wenn er verstärkt über den Abschluss einer persönlichen D&O-Versicherung nachdenkt.

Denn hier stehen ihm als Geschäftsführer der Versiche-rungsschutz und die Versicherungssumme ausschließ-lich zur Verfügung. Und da auch jeder Geschäftsführer daran interessiert sein sollte, dass in einem Schadenfall seine Reputation nicht verloren geht, ist dann auch noch die Wahl des richtigen D&O-Anbieters von we-sentlicher Bedeutung.

Wer bereit ist, selbst Versicherungsnehmer zu

werden, der handelt sicherlich am zweckmäßigs-

ten, wenn er verstärkt über den Abschluss einer persönlichen D&O-

Versicherung nachdenkt.

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 17

VOV – D&O Experten für Managerhaftung

Die VOV GmbH ist seit 20 Jahren einer der führenden deutschen Anbieter im Bereich D&O-

Versicherungen und spezialisiert auf das gesamte Leistungsspektrum der Managerhaftung

für Leitungs- und Aufsichtsorgane. Im Auftrag der VOV Versicherungsgemeinschaft, einem

Zusammenschluss sechs namhafter Versicherer, bietet das Unternehmen D&O-Policen,

die zuverlässig und umfassend vor den finanziellen Folgen persönlicher Haftung schützen.

VOV GmbH www.vovgmbh.de

[email protected]

Expert ise

Die VOV ist

einer der ersten und führenden deutschen Anbieter im Bereich D&O

spezialisiert auf die gesamte Absicherung der Managerhaftung

eine auf Kontinuität ausgerichtete starke Versicherungsgemeinschaft

Die VOV leistet

kompetent, verlässlich und persönlich für den Versicherten

mit transparenten und klaren Versicherungsbedingungen

mit einem erfahrenen und hochqualifizierten Team von Spezialisten Die VOV bietet

erstklassiges Know-how

schnelle Angebotserstellung und Policierung

eine faire und pro-aktive Schadenregulierung

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 18

Die Pensionszusage ist ein wichtiger Bestandteil des Vergütungspakets für Geschäftsführer. Es lohnt sich daher, bei der Verhandlung über die

Pensionszusage genau hinzusehen. Die Zusage sollte sorgfältig gestaltet werden, um unliebsame Streitig-keiten über die Rentenleistungen zu vermeiden. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die wesentlichen Ge-sichtspunkte, die dabei zu beachten sind.

1. Durchführungswege und Inhalt der Pensionszusage

Bei Geschäftsführern dominiert in der Praxis die „klas-sische“ Direktzusage, bei der die Gesellschaft selbst die Versorgungsleistung erbringt und entsprechen-de Pensionsrückstellungen bildet. Daneben kommen nach dem Betriebsrentengesetz (BetrAVG) die Durch-führungswege Direktversicherung, Pensionsfonds, Pensionskasse sowie Unterstützungskasse in Betracht. Die Pensionszusage umfasst in der Regel Altersren-te, Invalidenrente, Hinterbliebenenversorgung sowie nicht selten auch ein Übergangsgeld, das für den Fall der Nichtverlängerung bzw. der Kündigung des An-stellungsvertrags bis zum Renteneintritt – gegeben-falls unter Anrechnung des Einkommens aus einer an-deren Beschäftigung – gezahlt wird. Wichtig ist, dass vorbehaltlich einer anderweitigen Satzungsregelung die Gesellschafterversammlung und keinesfalls der Geschäftsführer oder ein Co-Geschäftsführer die Ge-sellschaft beim Abschluss der Pensionszusage vertritt.

Altersrente, Invalidenrente und Hinterbliebenenversor-gung des Geschäftsführers unterliegen dem BetrAVG. Denn Geschäftsführer sind zwar in der Regel keine Arbeit-nehmer. Jedoch gelten nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG die Regelungen des Gesetzes entsprechend für Personen, die nicht Arbeitnehmer sind, wenn ihnen Leistungen der Alters-, Invaliditäts- oder Hinterbliebenenversorgung aus Anlass ihrer Tätigkeit für das Unternehmen zugesagt worden sind. Die Vorschrift wird dahingehend teleolo-gisch reduziert, dass Allein- und Mehrheitsgesellschafter des Unternehmens sowie Minderheitsgesellschafter mit nicht unbedeutender Kapitalbeteiligung, die zusammen mit anderen Minderheitsgesellschaftern über eine Mehr-heit verfügen, vom Geltungsbereich des BetrAVG ausge-schlossen sind, auch wenn sie Geschäftsführer sind. Für deren Versorgungszusagen gelten insbesondere steuer-lich bedingt besondere Maßstäbe, die nicht Gegenstand dieses Beitrags sind. Konsequenz der Anwendbarkeit des BetrAVG auf (Fremd-)Geschäfts führer ist, dass grundsätz-lich insbesondere die Regelungen zur Unverfallbarkeit bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis, zur Insolvenzsicherung, zur Renten anpassung sowie das Abfindungsverbot gelten.

DIE PENSIONSZUSAGEDES GESCHÄFTSFÜHRERS

Dr. Charlotte Beck,

Rechts anwältin und Fachanwältin

für Arbeitsrecht, Partnerin

Constance Karwatzki,

Rechtsanwältin,

ALTENBURG Fach anwälte

für Arbeitsrecht, Berlin

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 19

Das Übergangsgeld ist demgegenüber nicht vom Be-trAVG gedeckt, da es nicht an eines der biologischen Ereignisse Alter, Invalidität oder Tod anknüpft. Dies hat zur Folge, dass die gesetzlichen Regelungen zum Schutz des Rentners bzw. Rentenanwärters hier nicht gelten. Einer vertraglichen Absicherung des Geschäfts-führers kommt hier daher besondere Bedeutung zu.

2. Unverfallbarkeit

Das BetrAVG gewährt dem Versorgungsberechtigten eine unverfallbare Anwartschaft, wenn zum Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Unternehmen das gesetz-lich vorgesehene Mindestalter und die Mindestzusa-gedauer erfüllt sind (derzeit 25 Jahre und fünf Jahre, für Pensionszusagen ab 1. Januar 2018 21 Jahre und drei Jahre). Unverfallbarkeit bedeutet, dass die Versor-gungsanwartschaft auch bei Ausscheiden aus dem Un-ternehmen vor Eintritt des Versorgungsfalles bestehen bleibt. Da Geschäftsführerdienstverträge häufig be-fristet bzw. jederzeit kündbar sind, besteht die Gefahr, dass die gesetzliche Mindestzusagedauer nicht erreicht wird und die Anwartschaft bei Beendigung des Dienst-verhältnisses verfällt. Aus Sicht des Geschäftsführers ist daher die Regelung einer sofortigen vertraglichen Un-verfallbarkeit empfehlenswert.

Scheidet der Geschäftsführer vorzeitig mit unverfall-barer Anwartschaft aus, kann er bei Eintritt des Versor-gungsfalles grundsätzlich nicht die volle Betriebsren-te verlangen, sondern nur einen ratierlich gekürzten Anteil, der sich aus dem Verhältnis der tatsächlichen zur maximal erreichbaren Betriebszugehörigkeit er-

rechnet. Ist er z. B. mit 50 Jahren eingetreten und liegt das Renteneintrittsalter nach der Pensionszusage bei 65 Jahren, erhält er bei einem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis nach zehn Jahren 2/3 der vollen Ren-te, die er erhalten hätte, wenn er bis zum Alter von 65 Jahren tätig gewesen wäre. Aus Sicht des Geschäfts-führers kann daher der Ausschluss der ratierlichen Kür-zung wünschenswert sein.

3. Insolvenzschutz

Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung der Pensions-zusage für die Altersversorgung des Geschäftsführers und ihrer typischerweise langen Laufzeit sollte sich der Geschäftsführer gegen die Insolvenz des Unter-nehmens absichern. Bei Direktzusagen erfolgt die In-solvenzsicherung durch den Pensionssicherungsverein aG (PSV). Der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, Beiträge an den PSV zu leisten. Dieser tritt im Insolvenz-fall an die Stelle des Versorgungsschuldners und zahlt die Rente aus. Allerdings sichert der PSV Versorgungs-ansprüche nur bis zu einer bestimmten Höhe (derzeit EUR 8.925,00 West/EUR 7.980,00 Ost im Monat). Auch ei-ne Rentenanpassung an den Kaufkraftverlust trägt der PSV in vielen Fällen nicht. Je nach Höhe der Pensions-zusage sollte der Geschäftsführer darauf achten, dass die Gesellschaft eine anderweitige Insolvenzsicherung einrichtet. Geeignet ist z. B. eine Rückdeckungsversi-cherung, die an den Geschäftsführer verpfändet wird. Damit erwirbt der Geschäftsführer das Recht, bei Pfan-dreife die Versicherungsleistung insoweit in Anspruch zu nehmen, wie dies zur Erfüllung der Pensionszusage erforderlich ist. Aber Vorsicht: Ohne Verpfändung hilft dem Geschäftsführer die Rückdeckungsversicherung nicht, da sie zur Insolvenzmasse gezogen würde. Für das Unternehmen hat die Verpfändung den Vorteil, dass es in der Bilanz den Wert der Rückdeckungsversi-cherung mit der Rentenverbindlichkeit saldieren kann.

4. Rentenanpassungspflicht

Das BetrAVG sieht in § 16 die Pflicht des Arbeitgebers vor, alle drei Jahre die Anpassung laufender Leistungen zu prüfen. Maßgeblich für die Anpassungspflicht ist die wirtschaftliche Lage des Unternehmens. Im Sinne der Planungssicherheit kann es sinnvoll sein, eine feste Er-höhung um 1 % pro Jahr festzulegen. Die Anpassungs-prüfungspflicht entfällt dann (§ 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG). Neben der Anpassungspflicht für laufende Leistungen

Aufgrund der wirt- schaftlichen Bedeutung der

Pensions zusage für die Altersversorgung des

Geschäftsführers und ihrer typischerweise langen Laufzeit sollte sich der Geschäftsführer

gegen die Insolvenz des Unter-nehmens absichern.

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nach Renteneintritt sind ab 1. Januar 2018 grundsätz-lich auch bereits unverfallbare Anwartschaften nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses zu dynami-sieren. Das Unternehmen hat verschiedene Möglichkei-ten, dies umzusetzen. Auch hier sollte eine möglichst klare und wenig streitanfällige Lösung getroffen wer-den, z. B. ebenfalls die Erhöhung um 1 % pro Jahr.

5. Abdingbarkeit des BetrAVG/ AGB-Kontrolle

Die Regelungen des BetrAVG sind grundsätzlich zwin-gend. Seit einer Entscheidung des BAG vom 21. April 2009 entspricht es jedoch allgemeiner Meinung, dass die gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG durch Tarifvertrag abdingbaren Vorschriften des BetrAVG zulasten von Organmitgliedern durch eine vertragliche Regelung abbedungen werden können (BAG v. 21.04.2009, 3 AZR 285/07, NJOZ 2010, 290; Diller/Arnold/Kern, GmbHR 2010, 281; Thüsing/Granetzny, NZG 2010, 449). Der an sich für Pensionszusagen an Geschäftsführer zuständige BGH hat dies allerdings noch nicht bestätigt. In welchem Umfang Abweichungen von den gesetzlichen Regelun-gen zulässig sind, ist noch nicht abschließend geklärt (dazu Diller/Arnold/Kern, GmbHR 2010, 281, 283).

Da der Geschäftsführer als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB anzusehen ist, unterliegen die Regelungen der Pensionszusage dem AGB-Recht, soweit sie nicht im Einzelnen ausgehandelt sind. Dann findet eine Inhalts-kontrolle statt, was bei der Gestaltung der Zusage zu berücksichtigen ist (Thüsing/Granetzky, NZG 2010, 449, 453; zur Verbrauchereigenschaft des Geschäftsführers BAG v. 19.05.2010, 5 AZR 253/09, NZA 2010, 939).

6. Besonderheiten bei Fortsetzung der Tätigkeit nach Erreichen des Rentenalters

Immer mehr Menschen setzen ihre berufliche Tätigkeit im Rentenalter fort. Dies gilt insbesondere für hoch-qualifizierte Geschäftsführer. Daraus kann für die Pen-sionszusage ein besonderer Regelungsbedarf entste-hen, den die Parteien zum Zeitpunkt der Vereinbarung typischerweise nicht bedenken. Dies sollte dann durch eine Ergänzungsvereinbarung korrigiert werden, wenn über die Fortsetzung der Tätigkeit entschieden wird.

Häufig sehen Pensionszusagen eine Maximalhöhe der Rente vor, die bereits vor Renteneintritt erreicht wird. Dann wirkt sich die Fortsetzung der Tätigkeit nicht aus. Steigt die Rentenanwartschaft aber für jedes Jahr der Tätigkeit um einen bestimmten Prozentsatz an, kann sich die Frage stellen, ob dies auch nach Erreichen des Rentenalters gelten soll, wenn der Geschäftsführer im Amt bleibt. Zudem kann Streit darüber entstehen, ob ab Erreichen des Rentenalters die Rente neben dem Gehalt auszuzahlen ist, wenn der Geschäftsführer noch weiterarbeitet. Verbreitet ist die Regelung, dass die Ge-sellschaft erst dann zur Auszahlung der Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung verpflichtet ist, wenn das Dienstverhältnis tatsächlich beendet wird. Dies entspricht dem Versorgungscharakter der Altersrente. Der Geschäftsführer ist dann allerdings mit dem Um-stand konfrontiert, dass die Bezugsdauer und damit der Wert seiner Rente sinkt, weil er länger arbeitet. Hierfür sollte ein Ausgleich gefunden werden, der z. B. wiederum in dem Anstieg der Anwartschaft auch nach Erreichen des Rentenalters liegen kann.

7. Zusammenfassung

Bei der Gestaltung einer Pensionszusage im Wege der Direktzusage sollte das Augenmerk nicht nur auf der Höhe der Rentenleistung sondern insbesondere auf den Regelungen zur Unverfallbarkeit, zum Insolvenzschutz und zur Ren-tenanpassung liegen. Abweichungen von den Regelungen des BetrAVG sind dabei zulasten des Geschäftsführers in größerem Umfang möglich als bei Arbeitnehmern. Insofern sollte der Geschäftsführer sorgfältig darauf achten, dass seine Interessen gewahrt sind.

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 21

Anlässe für eine Compliance-Untersuchung gibt es viele. Meist steht (vermutetes) Fehlverhalten von Mitarbeitern im Raum. Dies kann von „bloßen“

Mobbingvorwürfen über Ordnungswidrigkeiten, z. B. nach dem Arbeitszeitgesetz, bis hin zu schweren Straf-rechtsverstößen reichen. Daneben werden immer häu-figer präventive Compliance-Untersuchungen durchge-führt, um das regelkonforme Verhalten der Mitarbeiter zu überprüfen. Geschäftsführer insbesondere mittelständi-scher Unternehmen sollten im eigenen Interesse derarti-ge Untersuchungen rechtzeitig anstoßen sowie konstruk-tiv begleiten. Denn sie stehen meist in der Verantwortung – nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich.

1. Wann Compliance-Untersuchung anstoßen?

Es gibt Situationen, in denen ist klar: Der Geschäftsfüh-rer muss handeln, schon allein deshalb, um nicht selbst zu haften. Eine solche Situation tritt etwa ein, wenn ge-gen einen Mitarbeiter ein Untreueverdacht aufkommt mit finanziellen Nachteilen für das Unternehmen. Wür-de der Geschäftsführer eine Compliance-Untersuchung nicht einleiten, liefe er Gefahr, aufgrund seiner Garan-tenpflicht gegenüber der Gesellschaft selbst dem Vor-wurf der strafrechtlichen Untreue ausgesetzt zu sein.

Der Geschäftsführer einer GmbH ist nach § 43 Abs. 1 GmbHG aber auch zivilrechtlich verpflichtet, eine ef-fektive Compliance-Struktur zur Sicherstellung regel-konformen Verhaltens der Mitarbeiter zu etablieren. Insofern sollte der Geschäftsführer nicht warten, bis das Fehlverhalten von Mitarbeitern offen zu Tage tritt.

Vielmehr sollte das regelkonforme Verhalten der Mit-arbeiter durch präventive Untersuchungen regelmä-ßig auf den Prüfstand gestellt werden. Auf diese Weise werden in der Praxis nicht selten Compliance-Verstöße aufgedeckt, die von Mitarbeitern bis dahin gar nicht als solche wahrgenommen wurden. Dies gilt etwa mit Blick auf die Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes.

Und wenn die Untersuchung ergibt, dass alles „sauber“ ist: Umso besser! Wenn es danach dennoch zu Verstö-ßen kommt, kann das „positive Ergebnis“ einer zuvor durchgeführten Compliance-Untersuchung meist zur Entlastung des Geschäftsführers angeführt werden.

2. Wer führt eine Compliance- Untersuchung sinnvollerweise durch?

Häufig die Gretchenfrage: Soll der Geschäftsführer die Compliance-Untersuchung mit der „eigenen Mann-schaft“ oder durch externe Berater durchführen lassen? Externe wirken aus Sicht des Unternehmens und seiner Mitarbeiter zunächst unangenehm. Es kommen unbe-

DIE ROLLE DESGESCHÄFTSFÜHRERS BEI EINERCOMPLIANCE-UNTERSUCHUNG

Dr. Markus Janko,

Rechtsanwalt

und Fachanwalt

für Arbeitsrecht

Dr. Jan Heuer,

Rechtsanwalt,

Kliemt & Vollstädt,

Düsseldorf

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 22

kannte Personen in die „eigenen“ Räumlichkeiten und stellen kritische Fragen. Dies ist für jede Organisation zu-nächst belastend – insbesondere Mitarbeiterinterviews werden schnell als eine Art Verhör wahrgenommen.

Keine Frage, diesen Bedenken muss der Geschäftsfüh-rer Rechnung tragen. Aber die Untersuchung durch Externe durchführen zu lassen hat aus Sicht des Ge-schäftsführers einen entscheidenden Vorteil. Er kann gegenüber den Mitarbeitern, der Gesellschafterver-sammlung und – falls vorhanden und zuständig – dem Aufsichtsrat oder Beirat die eigene Neutralität wahren und dokumentieren. Damit wird dem Vorwurf der Bo-den entzogen, der Geschäftsführer sei parteiisch und die Untersuchung würde nicht nach objektiven Kriteri-en durchgeführt. Vielmehr belegt der Einsatz Externer, dass der Geschäftsführer von vornherein im Sinne der größtmöglichen Transparenz einen Interessenkonflikt vermeiden will. Das ist erfahrungsgemäß auch für die Atmosphäre zwischen Geschäftsführung und Beleg-schaft von Vorteil und überwiegt die angesprochenen Nachteile.

3. Beschreibung und Steuerung des Untersuchungsauftrags

Von erheblicher Bedeutung bei der Beauftragung Ex-terner ist der Arbeitsauftrag und der Prozess der Un-tersuchung („Scope and Process of Investigation“). Der Geschäftsführer sollte sich sehr gut überlegen und bes-tenfalls mit der Gesellschafterversammlung abstimmen, wie diese definiert werden. Denn hierdurch wird das Ergebnis der Compliance-Untersuchung teilweise vor-weggenommen.

Wenn zum Beispiel ein detaillierter Bericht in Auftrag gegeben wird, ist dieser früher oder später meist auch anderen Akteuren vorzulegen. Je nach Situation kann es sinnvoller sein, etwa nach Mitarbeiterinterviews, zunächst eine „Ersteinschätzung“ in mündlicher Form einzufordern und auf Grundlage der auf diesem Wege mitgeteilten Informationen zu entscheiden, wie weiter verfahren werden soll.

Gerade bei Mitarbeiterinterviews ist nämlich nicht vor-hersehbar, was der Mitarbeiter alles preisgibt. Durch die Steuerung der Prozesse wird insbesondere eine Kanali-sierung der Informationen und ein geordneter Ablauf der Untersuchung sichergestellt. Denn fatal können

bewertende Schnellschüsse sein, die sich in der Orga-nisation herumsprechen, Schlüsselmitarbeiter an den Pranger stellen und sich später als haltlos herausstellen.

4. Arbeitsrechtliche Grenzen einer Compliance-Untersuchung

Was ist erlaubt in der Compliance-Untersuchung? Bei Mitarbeiterinterviews sind Arbeitnehmer grundsätzlich verpflichtet, Fragen des Arbeitgebers im Zusammen-hang mit dem Arbeitsverhältnis wahrheitsgemäß zu beantworten. Das folgt unter anderem aus der arbeits-vertraglichen Treuepflicht. Selbst die Überwachung von Mitarbeitern etwa in Form der Durchsicht von E-Mails kann bei schwerwiegenden Verstößen rechtmäßig sein, soweit der Verstoß einen Bezug zum Arbeitsverhältnis aufweist. Das kann der Fall sein, wenn der Mitarbeiter im Verdacht steht, wettbewerbswidrige Vereinbarun-gen mit Kunden getroffen zu haben.

Das alles klingt aus Sicht des Unternehmens zunächst gut, werden dadurch doch weitreichende Aufklärungs-möglichkeiten eröffnet. Es gibt allerdings Grenzen. Je stärker etwa die Beantwortung von Fragen in Mitar-beiterinterviews erkennbar das Persönlichkeitsrecht des Mitarbeiters beeinträchtigen würde, desto eher ist ihm ein Recht auf Schweigen einzuräumen. Auch das Datenschutzrecht kann eine Grenze für die Complian-ce-Untersuchung bilden. Dabei ist stets die Verhältnis-mäßigkeit der Maßnahmen zu wahren. Zum Beispiel bei der erlaubten oder geduldeten Privatnutzung von E-Mail-Accounts sind die Hürden für den Zugriff durch den Arbeitgeber besonders hoch.

Häufig ist die Frage, ob die rechtlichen Grenzen bei bestimmten Untersuchungsmaßnahmen eingehalten werden, eine schwierige Frage des Einzelfalls. Selbst Inhouse-Juristen, die mit speziellen Rechtsmaterien (Steuerstrafrecht, Arbeitszeitrecht, Voraussetzungen für außerordentliche Kündigungen etc.) nicht tagtäg-lich befasst sind, können schnell überfragt sein und unbewusst falsche Einschätzungen gegenüber dem Geschäftsführer abgeben. Insoweit müssen für Ge-schäftsführer jedenfalls bei kritischen Materien mit Einfluss auf wichtige Geschäftsprozesse (z. B. bei Kündi-gung von Schlüsselmitarbeitern) und/oder Haftungs-risiken externe Second Opinions Teil des Prozessab-laufs einer Compliance-Untersuchung sein. Dies gilt, wenn sich der Geschäftsführer zur Durchführung und

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Bewertung der Unter suchung nicht ganz auf Externe verlässt.

5. Überwachung der Compliance- Untersuchung

Aber selbst die umfassende Beauftragung externer Experten bedeutet nicht, dass der Geschäftsführer die-sen freie Hand lassen sollte. Vielmehr ist eine kritische Begleitung und Überwachung in jedem Stadium der Compliance-Untersuchung empfehlenswert. Dadurch kann der Geschäftsführer jederzeit auf die – teilweise unerwarteten – Entwicklungen während der Untersu-chung Einfluss nehmen.

Der Geschäftsführer sollte vor diesem Hintergrund von vornherein vereinbaren, dass ihm in regelmäßigen Ab-ständen Zwischenberichte durch die externen Berater mitgeteilt werden. Ob diese schriftlich oder mündlich erfolgen sollen, hängt von der jeweiligen Konstellation ab und ist im Einzelfall abzustimmen und abzuwägen.

6. Bewertung der Compliance- Untersuchung

Nicht jede Compliance-Untersuchung muss am Ende zu Konsequenzen führen. Gerade vorbeugende Unter-suchungen können auch bestätigen, dass keine Verstö-ße vorliegen.

Anders ist dies, wenn sich Verdachtsmomente zu nach-weislichen Verstößen erhärten. Hier ist die Bandbreite möglicher Konsequenzen groß und reicht von Schu-lungen sowie Aufklärungsgesprächen bis hin zu au-ßerordentlichen Kündigungen von Mitarbeitern. Bei

strafrechtlich relevantem Verhalten sind möglicher-weise auch die staatlichen Ermittlungsbehörden zu involvieren und die Ergebnisse der Untersuchung zur Verfügung zu stellen – wenn eine derartige Kontakt-aufnahme nicht gar zuvor, während der laufenden Un-tersuchung, notwendig ist.

Da die Entscheidung über mögliche sowie notwendige Konsequenzen häufig rechtlich schwierige Abwägungs-fragen beinhaltet, sollte sich der Geschäftsführer von den externen Beratern klare Handlungsempfehlungen bzw. Handlungsoptionen erbitten. Dies sollte Teil des Untersuchungsauftrags sein. Ist die Handlungsemp-fehlung im Sinne des Geschäftsführers, wird er dieser freilich nachkommen. Doch was, wenn die Handlungs-empfehlung aus Sicht des Unternehmens so gar nicht ins Konzept passt, etwa wenn das Unternehmen einen bestimmten Mitarbeiter trotz bestimmten Fehlverhal-tens entgegen der Empfehlung gar nicht kündigen will?

Hier ist Vorsicht geboten. Denn eine Missachtung der-artiger Handlungsempfehlungen kann früher oder später jedenfalls mal zu unangenehmen Nachfragen und im Worst Case sogar zur Haftung des Geschäfts-führers führen. Die Lösung des Dilemmas wird von Geschäftsführern häufig pragmatisch angegangen: Die Handlungsempfehlungen werden zwischen Ge-schäftsführer und externem Berater mündlich vorab abgestimmt, bevor sie schriftlich, verbindlich und end-gültig dokumentiert werden. Dies ist so lange nicht zu beanstanden, als dieses Vorgehen selbst nicht eine (gesonderte) Compliance-Untersuchung auslöst. Inso-weit sind Fälle selten schwarz oder weiß und es steht mit Blick auf die Handlungsempfehlungen häufig ein gewisser Spielraum zur Verfügung.

Fazit

Compliance-Untersuchungen rechtzeitig anzustoßen, ist die Pflicht des Geschäftsführers. Hier gilt die bekannte Formel: Prävention vor Repression, weshalb gerade vorbeugende Überprüfungen z. B. anlässlich der Einführung von dauerhaften Compliance-Systemen und zur Klärung der notwendigen Prozesse zu empfehlen sind.

Wer als Geschäftsführer die Untersuchung intern organisiert, kann schnell unter „Beschuss“ der Untersuchten, Ge-sellschafterversammlung, Aufsichtsräte und Beiräte etc. geraten und sich dem Vorwurf der Voreingenommenheit aussetzen.

Die Beauftragung externer Berater sollte vom Geschäftsführer akribisch vorbereitet sein und kontinuierlich be-gleitet werden.

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I. Problemaufriss

Je nach Unternehmensgröße besteht die Geschäfts-leitung einer GmbH aus mehreren Geschäftsführern. Dabei verlangt bereits die zeitliche Kapazität der Ver-antwortlichen, dass die anfallenden Aufgaben und Entscheidungsprozesse untereinander aufgeteilt wer-den müssen. Zudem sind entsprechende Fachkompe-tenzen zu berücksichtigen. Anders als der Gesetzgeber es vorsieht, kann sich nicht jeder Geschäftsführer um alles was anfällt kümmern. Die Funktionsfähigkeit von größeren Unternehmen wäre daher ohne eine Ressor-taufteilung nicht zu gewährleisten.

Der nachfolgende Beitrag geht der Frage nach, inwie-weit eine Geschäftsverteilung zu einer Enthaftung im Hinblick auf Unregelmäßigkeiten im fremden Ressort führen kann.

II. Gesetzlicher Grundsatz: Gesamtge-schäftsführung

Besteht die Geschäftsführung einer GmbH aus mehreren Mitgliedern, so steht die Geschäftsführung im Grundsatz allen Geschäftsführern gemeinsam zu, § 35 Abs. 2 GmbHG (gesetzliche Grundform für das Außenverhältnis analog im Innenverhältnis, Leuering/ Rubner in: NJW-Spezial 2015, 335; Leuering/ Dornhegge in: NZG 2010,13). Ge-schäftsführungsmaßnahmen bedürfen daher zunächst einmal der Zustimmung aller Geschäftsführer.

Indes steht es den Gesellschaftern frei, eine hiervon abweichende Regelung zu treffen und insbesondere

einzelne oder alle Geschäftsführer mit Einzelgeschäfts-führungsbefugnis auszustatten. Lediglich spezielle Be-reiche sind nicht ressortfähig, mit der Folge, dass das Gesamtorgan weiterhin zuständig bleibt. Hierzu ge-hört unter anderem:

Gestaltung der Geschäftspolitik Organisationsstruktur Erfüllung bestimmter steuerlicher Pflichten

(§§ 93, 137 ff., 140 ff., 149 ff. AO)

III. Praktische Regel: Ressortaufteilung

In der Praxis hat sich die Implementierung eines Ge-schäftsverteilungsplans bzw. die Ressortaufteilung durchgesetzt. Die Umsetzung erfolgt zumeist im Rah-men der Geschäftsordnung der Geschäftsführer.

Abgesehen von Fragen, welche ausnahmslos als Ge-samtorgan entschieden werden müssen, hat das Unter-nehmen bei der Zuteilung der individuellen Verantwort-lichkeiten (horizontale Delegation) alle Freiheiten. Sehr

GESCHÄFTSFÜHRERHAFTUNG:RESSORTAUFTEILUNG ALSENTHAFTUNGSINSTRUMENT?

Horst Grätz,

Rechtsanwalt

und Partner

Dr. Kathrin Rosenberg,

Rechtsanwältin und Associate,

Rödl Rechtsanwaltsgesellschaft

Steuerberatungs-

gesellschaft mbH

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häufig werden die kaufmännische sowie die technische Leitung des Unternehmens gesplittet. Dabei hat es sich bewährt, neben der fachlichen Kompetenz der Ge-schäftsführer auch deren Vorlieben zu berücksichtigen um die Effizienz zu steigern. Abhängig von der Größe und der Art des Unternehmens sind die Vorgehensweisen un-terschiedlich zu bestimmen. Möglich ist zum einen eine eher funktionale Aufgabenverteilung je nach Verrichtung, also beispielsweise mit je einem Geschäftsführer für den Bereich Finanzen, Human Resources, operatives Geschäft etc., oder Zuständigkeiten, die sich an den verschiedenen Stufen der Wertschöpfung orientieren (z. B. Forschung und Entwicklung, Einkauf, Produktion, Vertrieb). Bei viel-fältigeren Unternehmen kann auch eine spartenmäßige (z. B. Investitionsgüter, Konsumgüter, Dienstleistungen) oder regionale Aufgliederung vorteilhaft sein.

IV. Haftung für eigenes Fehlverhalten/ Horizontale Delegation/Haftungs-verschiebung

An die Verantwortung der Geschäftsführer ist auch de-ren Haftung geknüpft. Jeder Geschäftsführer haftet grundsätzlich nur für eigene Pflichtverletzungen, §§ 43 Abs. 1, 2 GmbHG (so auch Uwe H. Schneider/Crezelius in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2012 § 43 Rn.31; Kleindiek in: Lutter/Hommelhoff, GmbH-Gesetz, 19. Aufl. 2016 § 43 Rn.29). Im Rahmen der gesetzlichen Grundkonzeption in Form der Gesamtgeschäftsführung sind Entscheidun-gen von allen Geschäftsführern gemeinsam zu treffen und daher auch zu vertreten, § 35 Abs. 2 S. 1 GmbHG. Ist ein Geschäftsführer dagegen via Beschluss einzelge-schäftsführungsbefugt, trifft ihn die Haftung in dem ihm zugeteilten Aufgabenbereich zunächst alleine.

Ziel einer Geschäftsverteilung ist daher nicht nur die Ar-beitslast des einzelnen Geschäftsführers zu reduzieren und seine Fachkompetenzen zu nutzen, sondern auch die Haftung der Geschäftsführer in Bezug auf die ihnen nicht unterstehenden Ressorts einzuschränken. Denn haben die Geschäftsleiter die laufenden, nicht zwingend der Gesamtzuständigkeit unterliegenden Geschäftsfüh-rungsaufgaben etwa durch Ressortbildung untereinan-der aufgeteilt, ist jeder Geschäftsleiter in erster Linie für den ihm zugewiesenen Bereich verantwortlich.

Wer sich nun in Sicherheit wähnt, liegt falsch. Zwar re-duziert sich die Verantwortung hinsichtlich der fremden Ressorts lediglich auf eine Überwachungspflicht, im Rah-

men derer sie die Tätigkeit des ressortverantwortlichen Geschäftsführers zu überwachen haben, § 43 Abs. 2 GmbHG. Sie erlischt aber nicht vollends. Um eine effekti-ve Überwachung zu ermöglichen bedarf es als Ausfluss der Pflicht zur ordnungsgemäßen Organisation der Im-plementierung eines individuell auf das Unternehmen zugeschnittenen Informations- und Überwachungs-systems, welches allen Geschäftsführern die Wahrneh-mung der verbleibenden Gesamtverantwortung durch ständige gegenseitige Information ermöglicht.

Eine wirksame Geschäftsverteilung hat also nicht zur Folge, dass ein Geschäftsführer nur noch für das ihm übertragene Ressort zuständig ist. Vielmehr trifft ihn des Weiteren die gemeinschaftliche Verantwortung der Geschäftsführung. Beruhend auf diesem Vertrau-ensgrundsatz kann der einzelne Geschäftsführer zwar davon ausgehen, dass die Mitgeschäftsführer ihren Aufgabenbereich gewissenhaft führen, dennoch sind die Bereiche der Anderen in einem gewissen Maße zu überwachen (so auch Aichberger/Schwartz in DStR 2015, 1758). Insbesondere erstreckt sich die Kontrol-le der Mitgeschäftsführer darauf, die Recht- und Ord-nungsmäßigkeit sowie auch die Zweckmäßigkeit ihrer Handlungen zu kontrollieren. Demzufolge besteht eine Diskrepanz zwischen Geschäfts- und Haftungsbereich. Für den Falle der horizontalen Delegation von Aufga-ben besteht demnach zwar eine Beschränkung der Haf-tung der anderen Geschäftsführer, ausgeschlossen wird sie jedoch nicht (so auch BGH NJW 1997, 130 [132]).

Der seine Überwachungspflicht verletzende Geschäfts-führer und der für das jeweilige Ressort zuständige Ge-schäftsführer haften sodann als Gesamtschuldner gem. § 426 BGB, wobei entsprechend dem Rechtsgedanken des § 840 Abs. 2 BGB davon auszugehen sein wird, dass der für das Ressort zuständige Geschäftsführer im Innenverhältnis allein haftet, § 426 Abs.1 S. 1 BGB (so auch Uwe H. Schneider/Crezelius in: Scholz, GmbHG, 11. Aufl. 2012 § 43 GmbHG Rn.251, 252).

V. Ausgestaltung eines „geeigneten“ Infor-mations- und Überwachungs systems

Die Pflicht zur Einführung eines bestimmten Über-wachungs- und Informationssystems besteht nicht. Die Ausgestaltung der unternehmenseigenen Orga-nisation und damit das „Wie“ der Ausgestaltung fällt vielmehr in den Anwendungsbereich der Business

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Judgement Rule (Geschäftsführungsermessen). Der Grundsatz des § 93 Abs. 2 AktG ist dabei auch auf die Geschäftsführung der GmbH zu übertragen (BGH NZG 2003, 81; Fleischer, NZG 2011, 521).

Ob die Geschäftsführer einen einzigen Verhaltensko-dex oder zehn Richtlinien zu zehn Einzelthemen für an-gemessen halten, ist grundsätzlich ihrer Entscheidung überlassen. Ebenso die Ausgestaltung des jeweiligen Informationssystems und die Möglichkeit zur Überwa-chung des jeweils anderen Ressorts.

Allerdings sollten bestimmte Grundsätze berücksich-tigt und umgesetzt werden, um den Pflichten als ord-nungsgemäßer gewissenhafter Geschäftsleiter, § 43 Abs.1 GmbHG, zu genügen.

Hierzu gehört zunächst, dass die zu verteilenden Auf-gaben klar strukturiert und transparent verteilt werden. Jeder Geschäftsleiter sollte darüber aufgeklärt sein, welche Aufgaben er zu erfüllen hat und welche Mitarbeiter ihm hier zugeordnet sind (vertikale Dele-gation). Diese Verteilung sollte in jedem Fall schriftlich kodifiziert werden. Die Beschreibungen der Tätigkeits-bereiche sollten detailliert erfolgen, damit erkennbar wird, welche Abteilung zur Erfüllung der jeweiligen Pflichten verantwortlich ist.

Im Anschluss an die Festlegung der jeweiligen Aufga-ben sollten Richtlinien und Prozessabläufe etabliert werden. Diese sollten aus Beweiszwecken im Hinblick auf potenzielle Haftungsprozesse wiederum schrift-lich festgelegt werden (z. B. Buchhaltungsrichtlinie/ Abzeichnungsrichtlinie/ Marketingrichtlinie).

Bei besonders sensiblen, missbrauchsanfälligen Berei-chen sollte das „vier Augen Prinzip“ angewandt wer-

den. So sollte die endgültige Freigabe von Zahlungen (z. B. Interne Boni oder Zahlungen) stets durch zwei Per-sonen genehmigt werden. Eine der unterzeichnenden Personen sollte turnusmäßig ausgetauscht werden, um die Möglichkeit eines missbräuchlichen Zusammenwir-kens einzelner Personen bereits im Ansatz zu verhindern.

Es ist sicherzustellen, dass anhand eines Berichts-systems die Informationen des jeweils fremden Res-sorts auch allen weiteren Geschäftsleitern zukommen (Sicherstellung des Informationsflusses, vgl. hierzu auch OLG Koblenz Urteil v. 22.11.2007 – 6 U 1170/07, NZG 2008, 397 ff.). Diese Berichterstattung sollte tur-nusmäßig erfolgen. In zeitlicher Hinsicht erscheint hier eine regelmäßige, zumindest quartalsweise, Berichter-stattung an den Gesamtvorstand geboten. Weiterhin sollten den ressortfremden Geschäftsleitern Frage- und Informationsrechte zugeteilt werden, sodass diese bei Unregelmäßigkeiten genauer nachfragen und not-falls reagieren können.

Die unternehmensintern aufgestellten Prozessabläufe sollten regelmäßig auf ihre Effektivität überprüft und notfalls angepasst und überarbeitet werden. Dies gilt insbesondere bei Gesetzes- oder Rechtsprechungs-änderungen. In rechtlichen Zweifelsfällen sollte zur Absicherung der Governance-Maßnahme ein externes Rechtsgutachten eingeholt werden. Auch unterneh-mensinterne Newsletter oder Veröffentlichungen im Intranet könnten als Fortbildungsmaßnahmen bezüg-lich Gesetzes- und/ oder Rechtsprechungsänderungen genutzt werden.

Entscheidend für den Umfang des Informations- und Kontrollsystems im Einzelnen sind dabei Art, Größe und Organisation des Unternehmens, die zu beachten-den Vorschriften und die geografische Präsenz.

VI. Resümee

Ein Geschäftsverteilungsplan ist in großen Unternehmen aus Effizienzgründen nicht wegzudenken. Dennoch sollte jede Gesellschaft, die eine Ressortaufteilung für ihre Geschäftsführung vorsieht, ein geeignetes Überwachungs- und Informati-onssystem einrichten, das es den Geschäftsführern ermöglicht, sich über alle Ressorts und deren Tätigkeit einen Überblick zu verschaffen und gegebenenfalls Missstände zu identifizieren und zu beseitigen. Ansonsten besteht eine erhebliche und häufig unterschätzte Haftungsgefahr für Fehlverhalten in anderen Ressorts. Die Pflichtverletzung des ressortfremden Geschäftsleiters speist sich sodann aus der unterlassenen Überwachung und Kontrolle, §§ 43 Abs. 1, Abs. 3 GmbHG, und führt zu einer gesamtschuldnerischen Haftung beider Geschäftsleiter, § 426 Abs. 1 S. 1 BGB. Daher sollte im Rahmen einer Ressortaufteilung nicht etwa von Enthaftung, sondern vielmehr von einer Haftungsverschiebung gesprochen werden.

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I. Einleitung

Matrixstrukturen ignorieren das Betriebsverfassungs-gesetz, da sie unabhängig von gesellschaftsrecht-lichen und betrieblichen Strukturen „leben“. Was ist eine Matrix? Eine Matrix besteht aus mehrdimensio-nalen Strukturen, die neben hierarchischen Elementen auch – gleichwertige – funktionale Verantwortlichkei-ten definiert. Arbeitsrechtlich ist wesentlich, dass die Arbeitsorganisation der Matrix stets unabhängig vom Vertragsarbeitgeber ist. Arbeitnehmer haben oft zwei oder mehrere Vorgesetzte (sog. Matrixmanager), die in der Regel unterschiedlichen Unternehmen (gleich Arbeitgeber) angehören. Gesprochen wird daher auch von sogenannten Mehrlizenzsystemen.

II. Auswirkungen auf das Betriebs-verfassungsgesetz

1. Anwendbarkeit Das Betriebsverfassungsgesetz findet grundsätzlich keine Anwendung auf Vorgesetzte einer ausländischen Gesellschaft. Das wird dann zu einem Problem, wenn diese die Matrixleitung oder die Rolle eines Matrixma-nagers innehaben. Dem Betriebsrat im Anwendungs-bereich des Betriebsverfassungsgesetzes ist damit zunächst der „Zugriff“ auf diese/diesen Vorgesetzte(n) entzogen. Allerdings wird nach der Rechtsprechung der betroffene Arbeitnehmer (der Weisungen des Vor-gesetzten einer ausländischen Gesellschaft unterliegt) trotzdem einem Betrieb angehören, auf den das Be-triebsverfassungsgesetz Anwendung findet. Nach der

Rechtsprechung des BAG ist ein Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte ar-beitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt, wobei die in der Betriebsstätte vorhandenen Betriebsmittel von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wer-den. Bei Matrixstrukturen existiert die in der Definition enthaltene einheitliche Leitung nicht, da Manage-mentaufgaben geteilt und dezentralisiert vorliegen. Rechtsprechung zum Betriebsbegriff in der Matrix exis-tiert nur ganz vereinzelt.

Gibt der Vorgesetzte mehreren Arbeitnehmern in der Matrix Anweisungen, die unter § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG fallen (Fragen der Ordnung des Betriebs und des Ver-haltens der Arbeitnehmer im Betrieb), wird der deut-sche Betriebsrat dadurch zuständig. Dies gilt entspre-chend wenn andere Mitbestimmungsrechte des § 87 Abs. 1 BetrVG (z. B. Nr. 2 Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit) betroffen sind. Dieser Fall wird in der Pra-xis sehr oft vorkommen, wenn z. B. ein Vorgesetzter aus den USA „seinem Team“ in Deutschland die An-

MATRIX VERSUSBETRIEBSVERFASSUNGSGESETZ

Dr. Sebastian Frahm,

Rechtsanwalt und Fachanwalt für

Arbeitsrecht, Partner, Naegele- Kanzlei

für Arbeitsrecht Partnerschaftsgesell-

schaft mbB Stuttgart/Berlin

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weisung erteilt, an Telefonkonferenzen teilzunehmen, die außerhalb der regelmäßigen deutschen Arbeitszeit stattfinden. Hinzuweisen ist darauf, dass die Rechtspre-chung den Betriebsbegriff und damit die Anwendbar-keit des Betriebsverfassungsgesetzes im Rahmen einer Matrix bislang eher großzügig ausgelegt hat. Im Zwei-fel ist der Betrieb beim inländischen Vertragsarbeitge-ber gebildet.

2. Zuständiges Gremium Da Matrixstrukturen in der Regel länderübergreifend etabliert sind, ist die Bestimmung des zuständigen Be-triebsratsgremiums schwierig. In Betracht kommen der europäische Betriebsrat, der Konzernbetriebsrat, der Gesamtbetriebsrat oder der örtliche Betriebsrat. Ver-treten wird auch, dass eine Matrix für die Zuständigkeit eines Spartenbetriebsrats geeignet ist, vergl. § 3 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Die Abgrenzungsschwierigkeiten zur Bestimmung des zuständigen Betriebsrates liegen auf der Hand und können abstrakt nicht seriös beschrie-ben werden.

Es existieren allerdings zwei Entscheidungen (LAG Düssel dorf und LAG Baden-Württemberg), die zu Recht vertreten, dass aus dem Bestehen der Matrix noch kei-ne Zuständigkeit des Gesamt- oder Konzernbetriebs-rats folgt.

3. Rechte des Betriebsrates Vor Einführung einer Matrix ist der Betriebsrat zu in-formieren, dessen Arbeitnehmer betroffen sind (vgl. § 80 BetrVG). Im Rahmen der gelebten Matrix ist stets zwischen dem Betriebsrat des Vertragsarbeitgebers und einem Betriebsrat der steuernden Einheit zu un-terscheiden. Dabei ist der Hauptanwendungsfall in der Praxis die Frage, ob die Anwendung der Matrix auf Arbeitnehmer des Vertragsarbeitgebers als Einstellung bei der steuernden Einheit und/oder als Versetzung an-zusehen ist.

III. Ergebnis

Alles unklar oder? Das Betriebsverfassungsgesetz ist auf die Matrix nicht nur unzureichend, sondern überhaupt nicht vorbereitet.

Arbeitsrechtlich ist wesentlich, dass

die Arbeitsorganisation der Matrix stets unabhängig vom

Vertragsarbeitgeber ist.

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Mit der Insolvenz eines Unternehmens gehen be-sondere Pflichten für die Geschäftsleiter einher, die sie einer erhöhten Haftungsgefahr ausset-

zen. Spätestens nach Insolvenzverfahrenseröffnung rückt die ordnungsgemäße Erfüllung dieser Pflichten in den Fokus des Insolvenzverwalters und der Gläubiger der Gesellschaft. Ausgangspunkt ist dabei die wesent-liche Pflicht eines jeden Geschäftsleiters, die finanzielle Lage der Gesellschaft laufend zu überwachen, insbe-sondere die Liquidität. Diese Überwachungspflicht in-tensiviert sich mit fortschreitender Unternehmenskri-se. Zu ihrer Erfüllung kann zwar auf die Unterstützung von Beratern zurückgegriffen werden. Eine vollständi-ge Delegation auf Dritte ist aber nicht möglich, auch nicht im Rahmen der Geschäftsverteilung. Es bleibt mindestens die Pflicht, den Beratern für ihre Prüfun-gen vollständige und richtige Informationen zu liefern, sie zu überwachen und deren Prüfungsergebnisse auf Plausibilität zu prüfen.

1. Insolvenzverschleppungshaftung

Bei Eintritt einer Zahlungsunfähigkeit oder insolvenz-rechtlichen Überschuldung der Gesellschaft bleiben ma-ximal drei Wochen Zeit, um den Insolvenzgrund wieder zu beseitigen, andernfalls ist nach § 15a InsO ein Insol-venzantrag zu stellen. Zu beachten ist, dass es sich hier-bei um eine Höchstfrist handelt. Scheitert die Sanierung bereits früher, darf die Frist nicht ausgeschöpft werden und eine Antragstellung muss zu einem früheren Zeit-punkt erfolgen. Eine schuldhafte Verletzung der Insol-venzantragspflicht führt zu einer Haftung der Geschäfts-

leiter gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft, wobei zwischen Alt- und Neugläubigern unterschieden wird. Altgläubiger sind diejenigen Gläubiger, die bereits zum Zeitpunkt, zu dem der Insolvenzantrag hätte gestellt werden müssen, Gläubiger der Gesellschaft waren. An-sprüche der Altgläubiger werden nach Insolvenzverfah-renseröffnung vom Insolvenzverwalter verfolgt.

2. Haftung für verbotene Zahlungen nach Insolvenzreife

Die größte praktische Bedeutung hat aber nicht etwa die Insolvenzverschleppungshaftung, sondern die sog. Haftung für verbotene Zahlungen nach Insolvenzreife.1 Danach besteht eine Ersatzpflicht für Zahlungen, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder der Feststellung ihrer Überschuldung geleistet wurden, wenn diese nicht ausnahmsweise mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar

1 Geregelt in 64 S. 1 und 2 GmbHG, § 93 Abs. 3 Nr. 6 i.V.m. § 92 II S. 1 und 2 AktG sowie in § 130a I S. 1 und 2 HGB.

AKTUELLE ENTWICKLUNGENBEI HAFTUNGSFRAGENRUND UM INSOLVENZEN

Bastian Finkel,

Rechtsanwalt und Fachanwalt

für Versicherungsrecht

Jan Kordes,

LL.M., Rechtsanwalt und Fachanwalt

für Versicherungsrecht, BLD Bach

Langheid Dallmayr Rechts anwälte

Partnerschafts gesellschaft mbB

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sind. Besonders hervorzuheben ist, dass eine derartige Haftung bereits vor Ablauf der Insolvenzantragsfrist eintreten kann, was vielen Geschäftsleitern nicht be-wusst ist. Ausnahmen vom Zahlungsverbot bestehen nur in engen Grenzen, etwa bei Zahlungen, die für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs zwingend erforderlich sind. Die entsprechende Haftung wurde vom BGH in den letzten Jahren zu einem sehr schar-fen Schwert entwickelt und ist schwer und i.d.R. nur mit großem Aufwand zu verteidigen, nicht zuletzt auf-grund einer teilweise sehr ungünstigen Verteilung der Darlegungs- und Beweislast aus Sicht der Geschäftslei-ter und häufiger praktischer Schwierigkeiten, noch an erforderliche Informationen und Unterlagen zu gelan-gen. Dies und der Umstand, dass sich selbst bei mit-telgroßen Unternehmen schnell Haftungsansprüche in existenzbedrohender Höhe darstellen lassen, hat zu einer Flut von Inanspruchnahmen durch Insolvenz-verwalter geführt. Die Geltendmachung von Ansprü-chen in Millionenhöhe ist dabei die Regel, nicht die Ausnahme.

Die Beweislast für Zahlungsunfähigkeit oder Über-schuldung trifft den Insolvenzverwalter, der zu deren Darlegung normalerweise aber auf fachkundige Hilfe zurückgreifen kann. Zudem wird bei Vorliegen be-stimmter Indizien regelmäßig eine Zahlungsunfähig-keit vermutet, insbesondere im Falle erheblicher Zah-lungseinstellungen. Geschäftsleiter finden sich dann schnell in der Situation, dass sie die Zahlungsfähigkeit darlegen müssen.

Von wesentlicher Bedeutung ist deshalb, wann über-haupt eine haftungsrelevante Zahlung vorliegt bzw. wann eine solche entfällt. Der Begriff der Zahlung ist un-technisch zu verstehen und umfasst alle Leistungen aus dem Gesellschaftsvermögen, die die potenzielle Insol-venzmasse schmälern. Hintergrund ist, dass Ziel eines Insolvenzverfahrens die gemeinschaftliche Befriedi-gung aller Gläubiger ist2, die Regelungen der Insolven-zordnung aber erst ab Insolvenzverfahrenseröffnung gelten. Zweck der strengen Haftung für verbotene Zah-lungen nach Insolvenzreife ist es, den durch die InsO gewährten Schutz der Gläubiger vor einer Reduzierung der verteilungsfähigen Masse vorzuverlagern.

2 Vgl. § 1 InsO.

In der Praxis wird die Haftung zumeist auf (1) Auszah-lungen von kreditorischen Konten oder (2) Einzah-lungen auf debitorische Konten gestützt. Bei letzteren wird durch Verrechnung die Kreditlinie der Bank zum Nachteil der anderen Gläubiger zurückgeführt. Um dies zu verhindern, fordert der BGH von Geschäfts-leitern, bei Insolvenzreife notfalls ein neues kreditori-sches Konto einzurichten und Einzahlungen nur noch auf dieses Konto vornehmen zu lassen. Nicht erforder-lich ist, dass der Gesellschaft durch die Zahlung ein Schaden entstanden ist, weshalb derartige Haftungs-ansprüche auch nicht als Schadensersatzansprüche betrachtet werden, sondern als Ansprüche eigener Art. Maßgeblich ist allein, ob die Masse geschmälert wur-de, so dass auch bei einer Zahlung zur Tilgung von Ver-bindlichkeiten der Gesellschaft gehaftet werden kann. Nach der BGH-Rechtsprechung ist jedoch für jede ein-zelne Zahlung eine wirtschaftliche Gesamtbetrachtung anzustellen. In diesem Zusammenhang hat der BGH in den letzten zweieinhalb Jahren drei grundlegende Ent-scheidungen gefällt und diese dann mehrfach bestä-tigt und konkretisiert.

a) BGH, Urt. v. 18.11.2014, II ZR 231/13Den Auftakt hat der BGH mit einem Urteil vom 18.11.20143 gemacht. Danach entfällt die Ersatzpflicht des Organs für Zahlungen nach Insolvenzreife, soweit die durch die Zahlung verursachte Masseschmälerung im unmittelbaren Zusammenhang mit ihr ausge glichen wird. Dabei muss der als Ausgleich erhaltene Gegen-stand nicht noch bei Eröffnung des Insolvenzverfah-rens vorhanden sein (was bis dahin – unter Berufung auf eine frühere Entscheidung des BGH – überwiegend gefordert worden war). Maßgeblich für die Bewertung ist vielmehr der Zeitpunkt, in dem die Masseverkürzung ausgeglichen wird. Mit anderen Worten: Es ist möglich, dass die durch eine Zahlung einmal eingetretene Mas-seschmälerung durch eine werthaltige Gegenleistung bzw. einen Massezufluss wieder kompensiert wird (Bsp.: Übereignung von Ware). Unklar ist bisher jedoch, welche Anforderungen diesbezüglich an den „unmit-telbaren Zusammenhang“ zu stellen sind, z. B. ob ein solcher noch gegeben ist, wenn die Gegenleistung erst 3 Monate später erfolgt. Unabhängig davon haben sich die Möglichkeiten einer Verteidigung von Geschäfts-leitern mit dieser Entscheidung signifikant verbessert.

3 BGH, Urt. v. 18.11.2014, II ZR 231/13 = NZI 2015, 133 ff.

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Gleichzeitig bereitet die Einzelbetrachtung einer jeden Zahlung aber auch große praktische Probleme. Die Beweislast für die Kompensation liegt beim Geschäfts-leiter. Häufig wird dieser vom Insolvenzverwalter erst Jahre nach Insolvenzverfahrenseröffnung auf der Grundlage der Finanzbuchhaltung und unter Vorlage entsprechender Kontoauszüge wegen hunderter oder tausender Zahlungen in Anspruch genommen. Die Er-mittlung der Gegenleistung und des Zeitpunkts des Massezuflusses für jede einzelne Zahlung ist dann nur schwer zu leisten, jedenfalls ist sie zeit- und kostenauf-wändig, etwa weil Mitarbeiter der Buchhaltung nicht mehr zu greifen sind und erst Einsicht in Geschäftsun-terlagen genommen werden muss.

b) BGH, Urt. v. 23.06.2015, II ZR 366/13In einem weiteren Urteil vom 23.06.20154 hat sich der BGH mit der Haftung für Einzahlungen auf einem de-bitorischen Konto auseinandergesetzt. Danach ist der Einzug von Forderungen, die an die Bank zur Sicher-heit abgetreten waren, auf einem debitorischen Konto dem Gesellschaft und die anschließende Verrechnung mit dem Sollsaldo keine vom Geschäftsleiter veranlasst masseschmälernde Zahlung, wenn vor Insolvenzreife die Sicherungsabtretung vereinbart und die Forderung der Gesellschaft entstanden und werthaltig geworden ist. Der dahinter stehende Gedanke ist, dass in einem solchen Fall ein Absonderungsrecht zugunsten der Bank bestand, die eingezogene Forderung also ohne-hin nicht der Masse zugutegekommen wäre. Ferner soll eine Zahlung auch ausscheiden, soweit in Folge der

4 BGH, Urt. v. 23.06.2015, II ZR 366/13 = NZI 2015, 817.

Verminderung des Debetsaldos durch die Einziehung und Verrechnung einer Forderung weitere sicherungs-abgetretene Forderungen frei werden. Schließlich hat der BGH beispielhaft darauf hingewiesen, dass eine Haftung aufgrund einer Kompensation der Masse-schmälerung ebenfalls abzulehnen ist, wenn (1) die zu-geflossenen Mittel zugunsten der Barkasse abgehoben oder auf ein kreditorisches Konto transferiert werden oder (2) Zahlungen an Neugläubiger erfolgen und im Gegenzug im unmittelbaren Zusammenhang ein wert-haltiger Gegenstand zur Masse gelangt.

Da Bankdarlehen regelmäßig durch die Globalzession von Kundenforderungen abgesichert werden, kommt der Entscheidung große Bedeutung zu. Der Prüfungs-aufwand, etwa zum Entstehen und dem Werthaltigwer-den der einzelnen Forderungen, kann aber enorm sein.

c) BGH, Urt. v. 08.12.2015, II ZR 68/14Mit Urteil vom 08.12.20155 hat der BGH schließlich ent-schieden, dass es bei Einzug einer an die Bank siche-rungsabgetretenen Forderung auf einem debitorischen Konto auch dann an einer masseschmälernden Zahlung fehlen kann, wenn die Forderung erst nach Insolvenz-reife entstanden oder werthaltig geworden ist, die als Gegenleistung an den Forderungsschuldner gelieferte Ware aber im Sicherungseigentum der Bank stand. Hin-tergrund ist, dass das Sicherungseigentum ebenfalls ein Absonderungsrecht der Bank begründet, so dass im Er-gebnis lediglich ein masseneutraler Sicherheitentausch vorliegt und der Masse nichts entzogen wurde.

5 BGH, Urt. v. 08.12.2015, II ZR 68/14 = NZI 2016, 272.

Fazit

Die Haftungsgefahren für Geschäftsleiter bei einer Insolvenz der Gesellschaft sind groß und regelmäßig existenzbe-drohend. In der Krise ist die laufende Überwachung der finanziellen Lage der Gesellschaft zu intensivieren und vor allem auch zu dokumentieren. Bei Eintritt von Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung sind die Insolvenzantrags-pflicht und das Zahlungsverbot zu beachten. Insbesondere die Verteidigung gegen eine Inanspruchnahme wegen verbotener Zahlungen nach Insolvenzreife ist mit großem Zeitaufwand und hohen Kosten verbunden. Der Abschluss einer D&O Versicherung kann daher ratsam sein, wobei darauf zu achten ist, dass derartige Ansprüche auch tatsäch-lich versichert sind.

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 32

I. Der Jahresabschluss und seine Veröffentlichung

Die GmbH hat einen Jahresabschluss bestehend aus

Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung und Anhang

zu erstellen (§§ 242, 264 HGB; §§ 42, 42a GmbHG).

Der Jahresabschluss wird ergänzt durch den Lagebe-richt (§§ 264 Abs. 1, 289 HGB). Kleine Gesellschaften iSv. § 267 HGB sind von der Aufstellung eines Lageberichts befreit (§ 264 Abs. 1 S. 3 HGB). Für Kleinstkapitalgesell-schaften gibt es weitere Erleichterungen, die zu einer verkürzten Bilanz führen (§§ 267a, 266 Abs. 1 S. 4 HGB).

Kleinst-kapital-

gesellschaft

kleine Gesell-schaft

mittelgroße Gesellschaft

große Gesell-schaft

Bilanz-summe

< € 350.000,--

< € 6.000.000,--

< € 20.000.000,--

> € 20.000.000,--

Jahres-netto-umsatz

< € 700.000,-- < € 12.000.000,--

< € 40.000.000,--

> € 40.000.000,--

Arbeit-nehmer

< 10 Personen

< 50 Personen

< 250 Personen

>250 Personen

Der Jahresabschluss ist innerhalb von zwölf Monaten nach dem Abschlussstichtag offenzulegen (§§ 325 ff. HGB). Offenzulegen ist der festgestellte/gebilligte Jahresabschluss. Die Einreichung eines Entwurfs er-

füllt die Publizitätspflichten nicht (§ 325 Abs. 1 Nr. 1 HGB). Die Offenlegung erfolgt durch elektronische Einreichung des Jahresabschlusses zum Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers. Es erfolgt sodann die Weiterleitung an das Unternehmensregister (www.unter nehmensregister.de) für die Speicherung und Einsehbarkeit der Unternehmensdaten. Die Publizitäts-pflicht obliegt den Geschäftsführern. Wird die Publizi-tätspflicht nicht erfüllt, kann das Bundesamt für Justiz Ordnungsgelder bis zu einer Höhe von € 25.000,-- fest-setzen (§§ 334 ff. HGB). Das Verfahren ist von Amts wegen einzuleiten. Das Ordnungsgeld wird zunächst angedroht und kann durch Nachholung der Veröffent-lichung innerhalb von sechs Wochen ab Zugang der Androhung vermieden werden. Der Bundesanzeiger zeigt die Nichterfüllung der Publizitätspflichten dem Bundesamt für Justiz automatisch an. Dies erfolgt in bis zu 150.000 Fällen pro Jahr.

II. Aufstellung des Jahresabschlusses

Zur Aufstellung des Jahresabschlusses ist die Ge-schäftsführung verpflichtet (§ 41 GmbHG). Diese Regelung ist zwingend. Die gesetzliche Verpflichtung trifft bei mehreren Geschäftsführern jeden einzeln. Sie kann nicht auf andere Organe verlagert werden. Die Delegation der Buchführungspflicht auf einen

AUFSTELLUNG UNDFESTSTELLUNG DER BILANZIN DER GMBH

Prof. Dr.

Burkhard Binnewies,

Rechtsanwalt und

Fachanwalt für Steuerrecht,

Streck Mack Schwedhelm

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 33

von mehreren Geschäftsführern reduziert lediglich die Verantwortlichkeit der übrigen Geschäftsführer auf die sorgfältige Auswahl und Überwachung des zuständi-gen Geschäftsführers. Es gelten folgende Fristen:

Kleine Kapitalgesellschaften haben den Jahresab-schluss jedenfalls innerhalb der ersten sechs Monate nach Ablauf des Geschäftsjahres aufzustellen, sofern dies einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang ent-spricht (§ 264 Abs. 1 Satz 4 HGB);

für die übrigen Gesellschaften ist der Jahresab-schluss innerhalb von drei Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres aufzustellen (§ 264 Abs. 1 Satz 3 HGB).

Der von der Geschäftsführung aufgestellte Jahres-abschluss stellt einen Entwurf dar. Erst nach Feststel-lung des Jahresabschlusses durch die Gesellschafter-versammlung ist der Jahresabschluss von sämtlichen Geschäftsführern, die im Zeitpunkt der Feststellung als Geschäftsführer bestellt sind, zu unterzeichnen (§ 41 GmbHG, § 245 Satz 1 HGB).

Um ein zeitgerechtes Aufstellen des Jahresabschlus-ses zu belegen, sollte der den Gesellschaftern zur Be-schlussfassung zur Verfügung gestellte Entwurf von den Geschäftsführern mit Datumsangabe abgezeich-net werden.

Bei der Aufstellung des Jahresabschlusses unterlie-gen die Geschäftsführer den gesetzlichen Regelun-gen und innerhalb der gesetzlichen Regelungen den Weisungen der Gesellschafterversammlung. Durch Mehrheitsbeschluss – wenn nicht ein abweichendes Mehrheitserfordernis aus der Satzung hervorgeht – kann hinsichtlich des „Ob“ und des „Wie“ (z. B. bei der Ausübung von Wahlrechten) der Bilanzierung angewie-sen werden. Entsprechende Weisungen können auch noch i.R.d. Feststellung des Jahresabschlusses erfolgen.

Insbesondere, wenn die Geschäftsführung untätig bleibt, hat die Gesellschafterversammlung eine ent-sprechende Weisung zu beschließen.

Folgt der Geschäftsführer der Weisung der Gesell-schafterversammlung nicht, kann die Gesellschafter-versammlung einen Vertreter bestimmen, der den Geschäftsführer im Namen der Gesellschaft auf Auf-stellung des Jahresabschlusses verklagt (§ 46 Nr. 8 2.

Alt. GmbHG). Alternativ kann nach § 46 Nr. 5 GmbHG die Abberufung des Geschäftsführers und die Bestel-lung eines neuen Geschäftsführers beschlossen wer-den. Sofern die Satzung den Widerruf der Bestellung von einem wichtigen Grund abhängig macht, liegt ein solcher wichtiger Grund vor, wenn der Geschäftsführer den Jahresabschluss nicht aufstellt (§ 38 Abs. 2 Gmb-HG). Verstößt der Geschäftsführer gegen seine Ver-pflichtung für eine ordnungsgemäße Buchführung so-wie die rechtzeitige Aufstellung des Jahresabschlusses Sorge zu tragen (§ 41, § 42 Abs. 1 GmbHG), stellt dies einen wichtigen Grund i.S.v. § 38 Abs. 2 GmbHG dar.1

Trifft die Gesellschafterversammlung trotz Aufforde-rung einzelner Gesellschafter eine solche Weisung nicht, kann die Geschäftsführung durch einzelne Gesellschaf-ter im Wege der actio pro socio gezwungen werden.

III. Prüfungspflicht

Mittlere und große GmbHs (zu den Größenklassen sie-he oben) müssen ihren Jahresabschluss durch einen Abschlussprüfer prüfen lassen (§ 316 Abs. 1 HGB). Grundsätzlich sind Wirtschaftsprüfer oder Wirtschafts-prüfungsgesellschaften zu bestellen. Bei der mittleren GmbH kann auch von einem vereidigten Buchprüfer oder einer Buchprüfungsgesellschaft geprüft werden (§ 319 HGB).

Die Wahl des Abschlussprüfers erfolgt durch die Ge-sellschafterversammlung mittels Mehrheitsbeschluss. Der Gesellschaftsvertrag kann diese Kompetenz auf einen fakultativen Aufsichtsrat oder Beirat verlagern. Wurde in der ordentlichen Gesellschafterversammlung kein Abschlussprüfer gewählt, hat die Geschäftsfüh-rung dafür Sorge zu tragen, dass der Abschlussprüfer so rechtzeitig gewählt wird, dass die Prüfung ord-nungsgemäß durchgeführt werden kann (§ 318 Abs. 4 HGB). Es ist rechtzeitig zu einer außerordentlichen Ge-sellschafterversammlung zu laden.

Ist der Gesellschafterbeschluss gefasst, haben die Ge-schäftsführer unverzüglich den Prüfungsauftrag zu erteilen. Hat die GmbH ausnahmsweise einen gesetz-lich vorgeschriebenen Aufsichtsrat, hat zwingend der Aufsichtsrat dem Abschlussprüfer den Prüfauftrag zu

1 Vgl. KG Berlin vom 11.8.2011 23 U 114/11, GmbHR 2011, 1272.

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erteilen (§ 111 Abs. 2 Satz 3 AktG). Dies gilt auch für den fakultativen Aufsichtsrat bzw. Beirat, sofern diesem die Bestellungskompetenz in der Satzung verliehen wird, über die Auftragskompetenz die Satzung jedoch schweigt.

IV. Vorlage des Jahresabschlusses

Gemäß § 42a Abs. 1 GmbHG ist der Geschäftsführer verpflichtet, den Jahresabschluss nach Aufstellung, bei prüfungspflichtigen Jahresabschlüssen nach vorheriger Prüfung, der Gesellschafterversammlung zuzuleiten.

Die Vorlage umfasst:

Bilanz; Gewinn- und Verlustrechnung; Anhang; Lagebericht; Bericht des Abschlussprüfers bei Prüfungspflicht;

gegebenenfalls Bericht des Aufsichtsrats (§ 42a Abs. 1 Satz 1 bis 3 GmbHG).

Die Vorlage hat unverzüglich nach Aufstellung bzw. unverzüglich nach Eingang des Prüfungsberichts zu erfolgen. Auch die Nichteinhaltung der Vorlagepflicht stellt eine gravierende Pflichtverletzung des Geschäfts-führers dar2.

Damit in der Gesellschafterversammlung die Feststel-lung des Jahresabschlusses beschlossen werden kann

2 Vgl. KG Berlin vom 11.8.2011 23 U 114/11, GmbHR 2011, 1272.

(siehe unten), muss die Vorlage des Jahresabschlus-ses bei der Gesellschafterversammlung so rechtzeitig erfolgen, dass die Gesellschafter ausreichend Zeit ha-ben, den Jahresabschluss zu prüfen, um sich auf die Gesellschafterversammlung angemessen vorbereiten zu können. Die Wochenfrist aus § 51 Abs. 1 GmbHG genügt diesbezüglich nicht. Allgemein kann von ei-ner Vorlagefrist von mindestens einem Monat vor Durchführung der Gesellschafterversammlung ausge-gangen werden. Wird diese nicht eingehalten, kann in der Gesellschafterversammlung die Vertagung der Beschlussfassung über die Feststellung des Jahresab-schlusses beantragt werden. Sollte von der Mehrheit gleichwohl die Feststellung des Jahresabschlusses be-schlossen werden, ist dieser Beschluss i.d.R. anfechtbar.

V. Feststellung des Jahresabschlusses

1. Kompetenz der GesellschafterversammlungDer Jahresabschluss ist durch Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung innerhalb der ersten acht Monate des Geschäftsjahrs festzustellen. Bei kleinen GmbHs gewährt das Gesetz eine Frist von elf Monaten. Eine Verlängerung dieser Frist in der Satzung ist nicht möglich (§ 42a Abs. 2 GmbHG). Eine verspätete Be-schlussfassung macht den Beschluss nicht mangelhaft. Die Gesellschafter können die Feststellungskompetenz in der Satzung abweichend z. B. auf einen Aufsichtsrat oder einen Gesellschafterausschuss übertragen. I.R.d. Feststellung können Wahlrechte abweichend von der aufgestellten Bilanz ausgeübt werden, wenn die Mehr-heit dies beschließt.

Die Feststellung eines prüfungspflichtigen Jahresab-schlusses kann nicht erfolgen, wenn eine Abschluss-prüfung nicht stattgefunden hat. Der Jahresabschluss ist mangels Prüfung nichtig. Ein darauf beruhender Feststellungsbeschluss ist ebenfalls nichtig.

2. Funktion der FeststellungInhaltlich stellt der Feststellungsbeschluss die Ver-bindlichkeitserklärung des Jahresabschlusses dar3. Festgestellt wird die Bilanz, mit Gewinn- und Verlust-verlustrechnung sowie der Anhang, nicht jedoch der Lagebericht.

3 TIEDCHEN in Rowedder/Schmidt-Leithoff, 5. Auflage, 2013, § 42a GmbHG Rz. 58.

Der Jahresabschluss ist durch Beschlussfassung in der Gesellschafter-

versammlung innerhalb der ersten acht Monate des Geschäftsjahrs

festzustellen.

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Dem Jahresabschluss kommen überdies folgende Funktionen zu:

Der Jahresabschluss ist Grundlage für die Gewinn-verwendung. Ist der Jahresabschluss nicht wirksam festgestellt, kann ein wirksamer Beschluss über die Gewinnverwendung nicht erfolgen. Ein auf einem nicht wirksam festgestellten Jahresabschluss beru-hender Gewinnverwendungsbeschluss ist nichtig. Eine tatsächlich vollzogene Gewinnausschüttung ist von den Geschäftsführern zurückzufordern. Steuer-rechtlich stellt sich das Problem, dass eine tatsäch-lich vollzogene Gewinnausschüttung mit steuer-licher Wirkung nicht rückgängig gemacht werden kann. Es bleibt bei der Versteuerung auf der Ebene der Gesellschafter. Die (Brutto-)Rückzahlung, die die Gesellschafter zu leisten haben, führt steuerrechtlich zu nachträglichen Anschaffungskosten im Wege der Einlage. Diese nachträglichen Anschaffungskosten wirken sich steuerlich allerdings erst aus im Zeit-punkt der Veräußerung oder Liquidation. Bis dahin verbleibt bei den Gesellschaftern eine Liquiditätslü-cke i.H.d. Steuer auf die Dividende.

Der wirksam festgestellte Jahresabschluss ist Aus-gangspunkt für die Rechnungslegung im Folgejahr. Umstritten ist, ob sich eine Kette der Nichtigkeit ergibt4.

Ohne wirksam festgestellten Jahresabschluss kann eine Entlastung der Geschäftsführung für das be-treffende Geschäftsjahr nicht erfolgen.

Verbindlicherklärung der Bilanz im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft und der Gesellschaf-ter untereinander.

3. Rechtsfolge der FeststellungInsbesondere die Frage, inwieweit der Jahresabschluss bzw. die Bilanz für das Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft bzw. der Gesellschafter untereinan-der oder auch im Verhältnis zu Dritten verbindlich ist, hat große Bedeutung im Zusammenhang mit Gesell-schafterstreitigkeiten.

Rechtsfolge der wirksamen Feststellung des Jahresab-schlusses ist, dass die in der Bilanz zum Ausdruck kom-

4 SCHWAB in Schmidt/Lutter, AktG, Bd. 2, 3. Auflage, 2015, § 256 Rz. 44, mwN.

menden Verhältnisse im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft und im Verhältnis der Gesellschafter untereinander für verbindlich erklärt werden. Dies gilt insbesondere für in der Bilanz ausgewiesene Forderun-gen und Verbindlichkeiten zwischen Gesellschaft und Gesellschafter.

Nach der Rechtsprechung stellt die Feststellung des Jah-resabschlusses einen Vorgang dar, aus dem sich im In-nenverhältnis auch rechtliche Konsequenzen für die An-sprüche zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern in Form eines Schuldverhältnisses ergeben können. Die Qualifizierung der einvernehmlichen Feststellung des Jahresabschlusses als abstraktes Schuldanerkenntnis oder als Feststellungsvertrag i.S.e. deklaratorischen An-erkenntnisses hängt von den Umständen des Einzelfalls ab.5 Zweck der Feststellung ist die Fixierung der Rechts-grundlage für das Folgejahr auch betreffend die Ansprü-che und Verbindlichkeiten zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern. Ferner werden bekannte oder zumin-dest für möglich gehaltene Einwendungen gegen ent-sprechende Ansprüche jedenfalls i.S.e. deklaratorischen Anerkenntnisses ausgeschlossen6.

Das Anerkenntnis etwaiger Ansprüche zwischen Ge-sellschaft und Gesellschafter als Feststellungswirkung trifft nur für die Gesellschafter zu, die für die Feststel-lung des der Feststellung zugrundeliegenden Jahres-abschlusses gestimmt haben7. Gesellschafter, die ge-

5 BGH vom 2.3.2009 II ZR 264/07, DStR 2009, 1272; vom 29.3.1996 II ZR 263/94, BGHZ 132, 263; vom 11.1.1960 II ZR 69/59, WM 1960, 187; OLG Stuttgart vom 27.2.2014 14 U 58/13, GmbHR 2015, 255

6 BGH vom 2.3.2009 II ZR 264/07, DStR 2009, 1272.7 Ausdrücklich: OLG Stuttgart vom 27.2.2014 14 U 58/13, GmbHR 2015, 255.

Das Anerkenntnis etwaiger Ansprüche zwischen Gesellschaft

und Gesellschafter als Feststellungs-wirkung trifft nur für die Gesellschaf-

ter zu, die für die Feststellung des der Feststellung zugrundeliegenden Jahresabschlusses gestimmt haben.

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gen eine Feststellung gestimmt haben, müssen sich an den in der festgestellten Bilanz ausgewiesenen Forde-rungen/Verbindlichkeiten nicht festhalten lassen.

In der Situation des Gesellschafterstreits, in der auch Forderungen der Gesellschafter gegenüber der Gesell-schaft umstritten sind, müssen die Gesellschafter, die diese Forderungen streitig stellen, i.R.d. Feststellung des Jahresabschlusses in der Gesellschafterversamm-lung gegen eine solche Feststellung stimmen. An-sonsten können sie sich nicht mehr darauf berufen, dass Mitgesellschafter zu Unrecht Forderungen gel-tend machen oder von Verbindlichkeiten befreit sind.

Beispiel: Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführer A hat die Bilanz aufgestellt. Die Bilanz weist einen Tan-tieme-Anspruch seinerseits aus. Ferner weist die Bilanz eine im Vorjahr noch gegebene Darlehensverbindlich-keit des A nicht mehr aus. Minderheitsgesellschafter B muss gegen die Feststellung des Jahresabschlusses stimmen, wenn er geltend macht, dass der Tantie-me-Anspruch unberechtigt ist und die Darlehensver-bindlichkeit des A weiterhin besteht.

Bei Meinungsverschiedenheiten über das Bestehen von Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen Gesellschaft und Gesellschafter sind die Gesellschafter, die gegen die Feststellung des Jahresabschlusses ge-stimmt haben, weder berechtigt noch verpflichtet, die-se Meinungsverschiedenheiten i.R.d. Anfechtung des Feststellungsbeschlusses geltend zu machen.

Im Streit um die Wirksamkeit der Feststellung des Jah-resabschlusses kommt es ausschließlich darauf an, ob die ausgewiesenen Bilanzpositionen sich innerhalb des gesetzlichen und gesellschaftsvertraglichen Rahmens bewegen, d. h. die allgemeinen Bilanzierungsgrund-sätze zum Ansatz oder Nichtansatz der Bilanzposition berechtigen.

Beispiel: Minderheitsgesellschafter B bestreitet den in der Bilanz ausgewiesenen Tantieme-Anspruch des Mehrheitsgesellschafter-Geschäftsführers A. B trägt vor, die Tantieme-Vereinbarung sei unangemessen. Alterna-tiv: B trägt vor, die Tantieme-Vereinbarung sei zivilrecht-lich unwirksam.

Im Grundfall ist der bilanzielle Ausweis zutreffend. Ist die Tantieme-Vereinbarung zivilrechtlich wirksam ge-

troffen, ist eine entsprechende Verbindlichkeit in der Bilanz auszuweisen. In der Alternative ist eine entspre-chende Rückstellung zu bilden, wenn Mehrheitsgesell-schafter-Geschäftsführer A sich auf die Wirksamkeit der Tantieme-Vereinbarung beruft und somit damit zu rechnen ist, dass er den Anspruch gegenüber der Ge-sellschaft geltend macht. Etwaige – aus Sicht des B bei bereits erfolgter Zahlung sich für die Gesellschaft erge-bende – Erstattungsansprüche sind in der Bilanz nicht auszuweisen, solange A diese nicht anerkannt hat.

Als Ergebnis bleibt festzuhalten, dass die Gesellschaf-ter, die Forderungen und Verbindlichkeiten zwischen Gesellschaft und Mitgesellschaftern in Frage stellen, gegen die Feststellung des Jahresabschlusses, der diese Forderungen/Verbindlichkeiten ausweist, stimmen müssen. Sofern diese Forderungen/Verbind-lichkeiten nach den allgemeinen Bilanzierungsgrund-sätzen in der Bilanz zulässig abgebildet sind, können die Minderheitsgesellschafter die Unwirksamkeit der Bilanzfeststellung nicht im Wege der Anfechtungskla-ge gegen den Feststellungsbescheid geltend machen. Sie sind vielmehr darauf verwiesen, im Wege der actio pro socio für die Gesellschaft die Feststellung des Nichtbestehens von Forderungen der Mitgesellschaf-ter oder des Bestehens etwaiger Erstattungsansprüche der Gesellschaft gegen Mitgesellschafter zu verfolgen.

Dem festgestellten Jahresabschluss kommt keine Be-weiskraft im Hinblick auf die inhaltliche Richtigkeit der Bilanz zu (vgl. § 416 ZPO), soweit sich außenstehen-de Gläubiger der Gesellschaft hierauf berufen. Auf den Ausweis einer Verbindlichkeit in der Bilanz kann sich der externe Dritte als Gläubiger also nicht berufen8.

4. Beschlussfassung

Die Ladung zur Gesellschafterversammlung hat bei dem entsprechenden Tagesordnungspunkt klar und eindeutig auf den Beschlussgegenstand „Feststellung des Jahresabschlusses“ hinzuweisen. Formulierungen wie z. B. „Bilanzbesprechung“, „Erörterung der Bilanz“, „Bilanzaufstellung“, „Bilanzerstellung“ sind unklar und machen einen unter diesem Tagesordnungspunkt ge-fassten Beschluss anfechtbar.9

8 BGH vom 2.3.2009 II ZR 264/07, DStR 2009, 1272.9 Vgl. LG Saarbrücken vom 18.11.2009 7 KfH O 6/09, GmbHR 2010, 762; OLG

Karlsruhe vom 15.7.1988 14 U 203/86, GmbHR 1989, 206

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Beschlussgegenstand, d. h. festgestellt werden Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie Anhang. Nicht Gegenstand der Feststellung ist der Lagebericht. Fehler im Lagebericht machen den Beschluss demnach i.d.R. nicht angreifbar. Im Übrigen gelten für die Ladung die allgemeinen Grundsätze für die Ladung zur Gesell-schafterversammlung. Gleiches gilt für die Teilnahme-berechtigung. Sofern der Jahresabschluss geprüft ist, hat auf Verlangen auch nur eines Gesellschafters der Abschlussprüfer an der Gesellschafterversammlung teilzunehmen (§ 42a Abs. 3 GmbHG).

Auch für die Stimmberechtigung gelten die allgemei-nen Vorschriften. Die Gesellschafter-Geschäftsführer, die den Jahresabschluss aufgestellt haben, unterliegen keinem Stimmverbot (vgl. § 47 Abs. 4 Satz 1 GmbHG). Sofern kein höheres Quorum in der Satzung geregelt ist, genügt die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen (§ 47 Abs. 1 GmbH). Die Feststellung ist kon-kludent erfolgt, wenn sämtliche Gesellschafter den Jahresabschluss unterzeichnen.

Um eine ordnungsgemäße Vorbereitung auf die Ge-sellschafterversammlung zu ermöglichen, ist der Jah-resabschluss entweder mit der Ladung oder gesondert den Gesellschaftern zu übersenden. Die Wochenfrist aus § 52 Abs. 1 GmbHG genügt hierfür nicht (siehe oben). Wird der Jahresabschluss nicht rechtzeitig – i.d.R. einen Monat vor Durchführung der Gesell-schafterversammlung – zur Verfügung gestellt und/oder wird auf sachgerechte Nachfragen zur inhaltli-chen Beurteilung des Jahresabschlusses seitens der Geschäftsführung nicht angemessen geantwortet (vgl. § 51a GmbHG), macht dies den Feststellungsbeschluss für die Minderheitsgesellschafter, die gegen die Fest-stellung gestimmt haben, anfechtbar. Etwaige Fragen sind der Geschäftsführung unverzüglich auch im Vor-feld der Durchführung der Gesellschafterversammlung zu stellen, damit die Geschäftsführung die Möglichkeit hat, angemessen zu antworten. Tauchen in der Ge-sellschafterversammlung im Vorfeld nicht absehbare Fragen zum Jahresabschluss auf, die die Geschäftsfüh-rung nicht unmittelbar beantworten kann, ist seitens der Minderheitsgesellschafter der Antrag auf Verta-gung zu stellen. Beschließt die Mehrheit gleichwohl die Feststellung, macht auch dieses Vorgehen den Feststellungsbeschluss ggf. für die Minderheitsgesell-schafter, die gegen die Feststellung gestimmt haben, anfechtbar.

Wird die Zustimmung zum Jahresabschluss zu Unrecht verweigert, können die bei der Abstimmung unterlege-nen Gesellschafter bei Scheitern des Feststellungsbe-schlusses die Mitgesellschafter auf Zustimmung verkla-gen10. Die Gesellschaft ist nicht Partei dieses Verfahrens11. Entsprechendes gilt, wenn die Mehrheit die Abstim-mung über die Feststellung des Jahresabschlusses ver-hindert. Dies geht allerdings nur, wenn ein aufgestellter Jahresabschluss vorliegt. Liegt dieser nicht vor, muss zunächst im Wege der actio pro socio die Geschäftsfüh-rung auf Aufstellung eines Jahresabschlusses verklagt werden. Liegt ein aufgestellter Jahresabschluss vor, der den gesetzlichen Regelungen entspricht, sind die Mit-gesellschafter aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht verpflichtet, diesem zuzustimmen. Dies er-gibt sich bereits daraus, dass die Gesellschaft aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zur Offenlegung des Jahresabschlusses verpflichtet ist. Dieser Offenlegungs-pflicht wird nur durch die Veröffentlichung eines festge-stellten Jahresabschlusses genügt (vgl. § 264a HGB).

5. Mängel des Feststellungsbeschlusses

Hinsichtlich der Mängel eines Feststellungsbeschlus-ses ist bei der GmbH zwischen seiner Nichtigkeit und seiner Anfechtbarkeit zu differenzieren:

Der Feststellungsbeschluss kann aufgrund allge-meiner, insbesondere formeller Fehler nichtig sein (§ 241 AktG analog);

der Feststellungsbeschluss kann aufgrund von Verstö-ßen gegen § 256 Abs. 1 AktG analog nichtig sein;

der Feststellungsbeschluss kann aufgrund von allge-meinen Anfechtungsgründen anfechtbar sein (§ 243 AktG analog);

der Feststellungsbeschluss kann aufgrund inhaltli-cher Mängel des Jahresbeschlusses unterhalb der Nichtigkeitsschwelle anfechtbar sein (z. B. Falsch-bewertung unterhalb der Nichtigkeitsschwelle, Sat-zungsverstöße).

Eine Nichtigkeit erfasst den Jahresabschluss als Gan-zen. Nichtigkeitkeitsgründe sind insbesondere:

10 BGH vom 14.9.1998 II ZR 172/97, BGHZ 139, 29911 Vgl. OLG München vom 30.3.2001 23 U 5757/00, NZG 2001, 959.

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Wesentliche Überbewertung (§ 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. Satz 2 AktG analog);

wesentliche Unterbewertung, wenn dadurch Ver-mögens- und Ertragslage vorsätzlich unrichtig wie-dergegeben oder verschleiert werden (§ 256 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. Satz 3 AktG analog);

Verletzung von Vorschriften, die ausschließlich oder überwiegend dem Gläubigerschutz dienen (z. B. Verstoß gegen das Vollständigkeitsgebot (§ 256 Abs. 1 Nr. 1 AktG analog, § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB);

Verletzung der Prüfungspflicht (§ 256 Abs. 1 Nr. 2 und 3 AktG analog i.V.m. §§ 316, 319, 319a HGB);

Verletzung gesetzlicher und/oder satzungsmäßiger Vorschriften über die Bildung oder Auflösung von Gewinn- oder Kapitalrücklagen (§ 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG analog);

Verletzung von Gliederungsvorschriften, wenn da-durch Klarheit und Übersichtlichkeit wesentlich be-einträchtigt werden;

vorsätzliche Falschbewertung.

Die Nichtigkeit kann nicht mehr geltend gemacht wer-den, wenn seit der Bekanntmachung nach § 325 Abs.

2 HGB drei Jahre verstrichen sind (§ 356 Abs. 6 AktG analog).

Die Nichtigkeit des Feststellungsbeschlusses wird durch Feststellungsklage geltend gemacht. Ergeben sich unterhalb der Nichtigkeitsschwelle liegende Feh-ler des Jahresabschlusses (z. B. Unter- bzw. Überbe-wertung eines Wirtschaftsguts unterhalb der Wesent-lichkeitsschwelle12 oder die Unterlassung der Bildung von Rückstellungen13) ist der Feststellungsbeschluss lediglich anfechtbar. Die Anfechtungsklage ist analog § 246 AktG innerhalb der Monatsfrist zu erheben. Da die Abgrenzung zwischen Nichtigkeit und Anfechtbar-keit insbesondere im Hinblick auf die Wesentlichkeit ei-ner Unter- oder Überbewertung in der Praxis schwierig ist, sollte innerhalb der Monatsfrist die Nichtigkeitsfest-stellungsklage, hilfsweise die Anfechtungsklage erho-ben werden.

Ist die Nichtigkeitsfeststellungsklage oder die An-fechtungsklage erfolgreich, hat die Gesellschaft ihre öffentlich-rechtliche Pflicht zur Rechnungslegung nicht erfüllt. Ferner ist ein etwaig folgender Beschluss über die Gewinnverwendung ebenfalls nichtig (§ 253 Abs. 1 Satz 1 AktG analog).

12 Vgl. OLG Brandenburg vom 30.4.1997 7 U 174/96, GmbHR 1997, 796.13 Vgl. OLG Brandenburg vom 20.3.1996 7 U 84/95, GmbHR 1996, 697.

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Aufgrund verschärfter gesetzlicher Vorschriften, strengerer Rechtsprechung, eines zunehmenden Einflusses der Gesellschafter und einer gestiege-

nen Anspruchsmentalität setzen sich die Führungskräf-te eines Unternehmens heute in erhöhtem Maße dem Risiko aus, der eigenen Gesellschaft oder Dritten ge-genüber für verursachte Vermögensschäden auch mit ihrem Privatvermögen persönlich haften zu müssen. Der Absicherung dieses Risikos dient die Vermögens-schaden-Haftpflichtversicherung für Aufsichtsräte, Vor stände und Geschäftsführer, die Directors-and- Officers-Versicherung, die kurz als D&O-Versicherung bezeichnet wird.

Die D&O-Versicherung bietet grundsätzlich Deckung für Schadenersatzansprüche, die sowohl im Rahmen der Innenhaftung (Schadenersatzansprüche des Unter-nehmens gegenüber seinen Führungskräften) als auch im Rahmen der Außenhaftung (bei Drittansprüchen) an Unternehmensleiter gestellt werden.

Insoweit zeichnet sich der D&O-Versicherungsmarkt trotz seiner in Deutschland erst gut 25-jährigen Ge-schichte durch eine wechselhafte, für den potenziellen Versicherungsnehmer und insbesondere für die mit einer D&O-Police geschützten Führungskräfte (Versi-

cherte Personen) oft intransparente Entwicklung aus, die sich durch eine stark ausgeprägte Prämienvolati-lität und immer noch extrem kurze Bedingungszyk-len beschreiben lässt. Verantwortlich dafür zeichnet die im deutschen Markt, verglichen mit dem europä-ischen Markt, hohe Schadenquote bei Manager-Haft-pflichtverträgen. Großschäden wie zum Beispiel bei Daimler Crysler, Deutsche Telekom und die inzwischen als „Dieselgate“ bezeichneten Vorgänge bei VW sowie weitere Fälle, in denen sich Spitzenmanager vor Ge-richt für ihr Handeln rechtfertigen mussten aber auch intransparente Entscheidungen der Gerichte haben die Unsicherheit im Hinblick auf den Deckungsschutz von D&O-Policen noch verstärkt.

Die Zunahme von Schäden mit sechs- bis siebenstelli-gen Schadensummen in nicht börsennotierten Unter-nehmen mittelständischer Größe, häufig organisiert als GmbH, führt dazu, dass den D&O-Versicherern sichere Kalkulationsgrundlagen fehlen mit der Folge, dass im Schadenfall die Leistung des D&O-Versicherers häufig erstritten werden muss.

Obwohl die Gruppe der nicht börsennotierten, mit-telständischen Unternehmen mittlerweile die erklärte Zielgruppe der D&O-Versicherer ist. tun sie gut daran,

HAFTUNGSRISIKENDES GESCHÄFTSFÜHRERS

Bettina Plaßmann-Robertz,

Rechtsanwältin und

Fachanwältin für Versicherungs-

recht, PRO LAW Rechtsanwälte

Partnerschaft m.b.B.

Die Grenzen der D&O-Ver sicherung im Lichte der Rechtsprechung der Instanzgerichte

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das Deckungsrisiko für diesen Kreis der Versicherungs-nehmer – entgegen ihrer ursprünglichen Erwartungen – nicht wesentlich geringer einzuschätzen als bei bör-sennotierten Konzernen. Letztere verfügen schon auf-grund der inzwischen gesetzlich normierten Pflichten regelmäßig über ein deutlich ausgereifteres Risk-Ma-nagement-System als mittelständische Unternehmen. Dadurch können die großen Konzerne grundsätzlich schneller und präventiv auf Unternehmens- und Ma-nagementrisiken reagieren. Zudem unterliegen die Vorstände der Aktiengesellschaften der Kontrolle des Aufsichtsrats; ein GmbH Geschäftsführer ist dagegen – bezogen auf die von ihm übernommenen Haftungs-risiken – in der Regel verhältnismäßig allein.

Insbesondere der auf dem deutschen Unternehmens-markt zu beobachtende und risikoerhöhend wirkende Anstieg von Gesellschaftsbeteiligungen ausländischer Investoren führt nicht selten zu einer veränderten Un-ternehmenskultur, die sich unter anderem in einem gesteigerten Haftungsrisiko für betroffene GmbH-Ge-schäftsführer widerspiegelt.

Die D&O-Versicherer bieten Deckungskapazitäten an, die überwiegend in einem Bereich von EUR 250.000,00 bis EUR 25.000.000,00 liegen. Diese werden durch ei-nen Versicherer oder im Rahmen sogenannter Exi-denten- oder Mitversicherungslösungen angeboten (summenseitige Aufteilung des Risikos unter den be-teiligten Versicherern), im Rahmen derer in Einzelfällen auch höhere Deckungssummen vereinbart werden können.

Zur Ermittlung der Prämie verlangt die weit überwie-gende Zahl der Versicherungsunternehmen Einsicht in die letzten testierten Jahresabschlüsse sowie Auskunft über die Finanz- und Ertragslage, die Branchenzugehö-rigkeit, die Anzahl der verschiedenen Geschäftsfelder unter einem Dach eines Unternehmens, die Interna-tionalisierung sowie eine durch strategische Investo-ren geprägte Gesellschaftsstruktur (Private Equity/Ven-ture Capital). Risiko erhöhend wirken insbesondere die Branchen Finanzdienstleistung, Hightech, Start-up-Un-ternehmen sowie Unternehmen der Baubranche.

D&O-Versicherungsverträge bieten einer GmbH regel-mäßig Schutz für ehemalige, derzeitige und zukünftige Mitglieder der Geschäftsführung der Gesellschaft. Inso-weit bietet der Versicherer primär Abwehrschutz gegen

unbegründete Ansprüche; eine Leistungsverpflichtung besteht gegenüber begründeten, rechtskräftig festge-stellten Schadenersatzforderungen. Von der Deckung umfasst sind die Gerichts- und Anwaltskosten; dies gilt grundsätzlich – und das ist durchaus bemerkenswert – auch im strafrechtlichen Bereich. Zu beachten ist in-des, dass die Kosten der Rechtsverteidigung anders als z. B. in der Betriebshaftpflichtversicherung, auf die Deckungssumme angerechnet werden.

Im Falle einer gerichtlichen und damit öffentlichen Auseinandersetzung betreffend die Haftung eines Ge-schäftsführers für unternehmerisches Handeln stellt die Bewertung betriebswirtschaftlicher Entscheidun-gen durch die Gerichte einen erheblichen Unsicher-heitsfaktor dar, und zwar sowohl aus Sicht des etwa-ig leistungspflichtigen D&O-Versicherers als auch aus Sicht des Unternehmensführers, dem ein Verlust an Ansehen und damit ein Marktwertverlust seines Unter-nehmens droht.

Die Berechenbarkeit richterlicher Beweiserhebung und -würdigung spielt in diesem Zusammenhang eine zen-trale Rolle. Die Gerichte benötigen für eine einheitliche und transparente Bewertung der auf dem Prüfstand stehenden unternehmerischen Entscheidung resp. des unternehmerischen Handelns klare Vorgaben an die Richter, d.h. ihr juristischer Sachverstand muss re-gelmäßig durch Beiordnung von betriebswirtschaft-lichem Sachverstand ergänzt werden. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass die Bewertung unterneh-merischen Handelns als möglicherweise haftungsaus-lösende Pflichtwidrigkeit willkürlich und von Spruch-körper zu Spruchkörper unterschiedlich ausfiele mit

Insbesondere der auf dem deutschen Unternehmensmarkt zu beobachtende und risikoerhöhend

wirkende Anstieg von Gesellschafts-beteiligungen ausländischer

Investoren führt nicht selten zu einer veränderten Unternehmenskultur.

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der Folge, dass sowohl der den Prozess vorfinanzieren-de D&O-Versicherer als auch der einen Deckungspro-zess gegen seinen D&O-Versicherer anstrengende Ge-schäftsführer jeglicher Kalkulationssicherheit beraubt würden. Beide haben ein vitales Interesse an nachvoll-ziehbaren und transparenten Entscheidungen.

Aufgrund einer insoweit richtungsweisenden Entschei-dung des BGH vom 22. Februar 2011 (Az.: II ZR 146/09) unterliegt die Beweiserhebung und die Beweiswürdi-gung der Instanzgerichte im Hinblick auf die Bewer-tungskriterien für die Überprüfung unternehmerischer Entscheidungen nunmehr einheitlichen und strengen Vorgaben.

Seither darf ein Gericht die unternehmerische Entschei-dung einer Führungskraft eines Unternehmens nicht mehr allein deshalb als pflichtwidrig einstufen, weil sie den erstrebten Erfolg nicht erreicht hat. Die Gerichte

dürfen richtigerweise nicht mehr ohne weiteres einen wirtschaftlichen Sachverstand für sich in Anspruch nehmen, der ihnen de facto nicht zukommt. Vielmehr müssen die Spruchkörper zur Vorbereitung ihrer rich-terlichen Bewertung des streitigen unternehmerischen Handelns regelmäßig betriebswirtschaftliche Sachver-ständige einschalten. Verzichten sie darauf, müssen die Richter nunmehr in den Entscheidungsgründen eines Urteils konkret darlegen, dass und aufgrund welcher Umstände sie hinreichende Sachkunde auf dem Gebiet der Unternehmensplanung besitzen und weshalb sie sich in der Lage sehen, das in einem Verfahren streiti-ge unternehmerische Handeln abschließend zu beur-teilen. Eine rechtsfehlerhafte Überschreitung eigener Sachkunde stellt regelmäßig einen Berufungsgrund dar, was den betroffenen Unternehmensleitern, aber auch den D&O-Versicherern die Einschätzung ihrer Haftungs- und Prozessrisiken erleichtert und dadurch mehr Rechtssicherheit bietet.

Fazit

Die Instanzgerichte haben nunmehr nicht nur eine mögliche Pflichtverletzung der Führungskraft eines Unterneh-mens zu überprüfen, sie sind im Rahmen der Beweisaufnahme über die Pflichtwidrigkeit einer unternehmerischen Entscheidung auch verpflichtet, die Sachkunde eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen hin-zuzuziehen. Verzichten sie darauf, müssen sie insoweit eigene Sachkunde nachweisen, d.h. sie müssen diese nach-vollziehbar darlegen und begründen. Ein schlichter Hinweis auf das Vorhandensein richterlicher Sachkunde genügt hingegen nicht mehr.

Daher sind die Gerichte nicht mehr frei, im Hinblick auf die Überprüfung unternehmerischer Entscheidungen über ihren eigenen Prüfungsmaßstab zu entscheiden. Der mit einer Haftung für unternehmerisches Handeln konfrontierte Geschäftsführer, aber auch sein D&O-Versicherer, können aufgrund der Tatsache, dass die Gerichte jetzt grundsätzlich ein Sachverständigengutachten zur Bewertung betriebswirtschaftlicher und wirtschaftspolitischer Entscheidungen der mit der Haftungsfrage konfrontierten Führungskraft einholen werden, das Risiko eines Abwehr- oder Deckungs-prozesses sicherer kalkulieren.

Insbesondere können Geschäftsführer, gegen die bereits ein Schadenersatzverfahren eingeleitet worden ist oder denen ein solches jedenfalls droht, inzwischen darauf vertrauen, dass ihre unternehmerische Entscheidung sachver-ständig analysiert wird und ein etwaiges Ausbleiben des prognostizierten unternehmerischen Erfolgs nicht zwangs-läufig zum Indiz für das Vorliegen einer Pflichtverletzung mutiert.

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Im heutigen Wirtschaftsleben prägen Kapitalgesell-schaften die unternehmerische Landschaft weitaus häufiger als Personengesellschaften. Das Privileg ei-

ner Gesellschaft, gegenüber deren Gläubigern nur be-schränkt auf das Stammkapital zu haften, ist für die Ei-gentümer eines Unternehmens, also die Gesellschafter, ein wichtiges Instrument um wirtschaftliche Risiken zu deckeln.

Diese haftungsrechtliche Begrenzung auf Ebene der Unternehmensinhaber hat aber auch eine Kehrseite, nämlich das strenge Regime der Kapitalerhaltungs-vorschriften, durch welches der Gesetzgeber sicher zu stellen beabsichtigt, dass das Privileg der Haftungsbe-schränkung nicht ausgehöhlt oder der Verschiebung von Vermögenswerten unterlaufen wird. Diese Grad-wanderung zwischen Haftungsbeschränkung einer-seits und Kapitalerhaltung andererseits führt zu einem Spagat, der insbesondere im Rahmen eines Cash-Pools als Instrument der gruppeninternen Finanzierung von besonderer Relevanz ist.

Die Funktionsweise eines Cash-Pools ist weitläufig bekannt, wird aber dennoch häufig unterschätzt. Cash-Pool-Systeme begründen ein nicht zu unterschät-zendes Pflichtenprogramm für die Leitungsorgane der am Cash-Pool beteiligten Gesellschaften. Die damit verbundenen Haftungsrisiken sind beachtlich. Die in der Praxis wohl am häufigsten vorkommende Form des Cash-Pools ist der so genannte physische Cash-Pool. Beim einem physischen Cash-Pool findet täglich ein Liquiditätsausgleich zwischen den teilnehmenden

Konzerngesellschaften (Poolgesellschaften) über das Zielkonto einer Konzerngesellschaft (Poolführerin, in der Regel die Muttergesellschaft) statt. Auf das Zielkon-to der Poolführerin fließen positive Salden der Poolge-sellschaften; negative Salden der Poolgesellschaften werden von dem Zielkonto ausgeglichen. Rechtlich handelt es sich dabei um eine konzerninterne Darle-hensvergabe.

Dies vorangestellt, soll das Zusammenspiel der Kapita-lerhaltungsvorschriften und den haftungsrechtlichen Risiken der Leistungsorgane einer am Cash-Pool betei-ligten Gesellschaft im Folgenden vertieft und verdeut-licht werden.

1. Der Grundgedanke der Kapital-erhaltungsvorschriften

Um die gesetzlichen Wertungen des Systems der Ka-pitalerhaltungsvorschriften sachgerecht nachzuvoll-ziehen, ist zunächst zwischen der Phase der Kapitaler-bringung einerseits und Phase der Kapitalerhaltung anderseits zu unterscheiden.

HAFTUNGSRISIKEN IM ZUSAMMEN-HANG MIT DER TEILNAHME ANEINEM CASH-POOL-SYSTEM

Dr. Sabine Vorwerk,

Rechtsanwältin und Counsel

Dr. Jonas Schwarz,

Rechtsanwalt, Linklaters LLP

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1.1 Anforderungen an die KapitalerbringungBei der Kapitalerbringung geht es darum, die tat-sächliche Verfügbarkeit des Stammkapitals als freie Haftungsmasse zugunsten der Gläubiger einer Gesell-schaft sicher zu stellen. Diesen Anforderungen kann unter Umständen dann nicht genüge getan sein, so-fern es sich bei der relevanten Kapitaleinlage um eine verdeckte Sacheinlage handelt oder Einlageleistungen in unzulässiger Weise zwischen der Gesellschaft und dem Gesellschafter hin- und hergezahlt werden.

Sofern die Erbringung einer Kapitaleinlage nicht be-reits in der Satzung als Sacheinlage vorgesehen ist – mit allen daran anknüpfenden Besonderheiten und Risiken (insbesondere der sachgerechten Bewertung der einzubringenden Sache und dem damit verbun-denen Risiko einer Differenzhaftung, sofern sich die Bewertung im Nachhinein als unsachgemäß darstellt, vgl. für die GmbH §§ 9 Abs. 1 S. 1, 56 Abs. 2 GmbHG) ist eine verdeckte Sacheinlage grundsätzlich unzulässig. Eine Umgehung der Anforderungen an Sacheinlagen durch die verdeckte Erbringung einer Sacheinlage be-gründet sowohl für die Geschäftsführung als auch die Gesellschafter eine Schadensersatzpflicht gemäß § 9a GmbHG bzw. §§ 46, 48 AktG. Falsche Angaben der Ge-schäftsführung im Zusammenhang mit der Erbringung der Stammeinlage können zudem zu einer Strafbarkeit führen, vgl. § 82 GmbHG bzw. § 399 AktG.

Bei der verdeckten Sacheinlage wird zwar der reale Wert der verdeckt eingebrachten Sache zugunsten des einlageverpflichteten Gesellschafters angerechnet (§§ 19 Abs. 4 GmbHG, § 27 Abs. 3 AktG). In dem Umfang, als diese jedoch nicht zu 100 % werthaltig ist, tritt kei-ne Erfüllung der Bareinlageverpflichtung ein (§ 19 Abs. 4, 5 GmbHG, § 27 Abs. 3, 4 AktG). Beim Hin- und Her-zahlen gilt der gleiche Maßstab und für die Bewertung des aus einer Einlagenrückzahlung resultierenden Darlehensanspruchs kommt es auf die tatsächliche Werthaltigkeit des Darlehensrückzahlungsanspruchs an. Zudem ist die Einlagenerbringung im Wege des Hin- und Herzahlens dem Handelsregister gegenüber offen zu legen (§§ 19 Abs. 5, 8 GmbHG). Geschieht dies nicht und erfolgt die Erbringung einer Bareinlage zum Beispiel im Rahmen eines Cash-Pools (siehe Näheres dazu unten Ziffer 2.1), dann kommt es nicht zu einer wirksamen Erfüllung der Einlageverpflichtung (vgl. insbesondere BGH Urt. v. 16.02.2009 – II ZR 120/07, ZIP 2009, S. 713).

1.2 Anforderungen an die KapitalerhaltungDer Anwendungsbereich der Kapitalerhaltungsvor-schriften endet jedoch nicht schon mit erstmaliger wirksamer Erfüllung einer Einlageverpflichtung, son-dern er wirkt durchgehend fort, dann jedoch mit dem primären Überwachungszweck, dass die zunächst wirksam erbrachten Einlagen der Gesellschaft nicht wieder entzogen werden.

Im Fokus stehen hier insbesondere zwei Vorschriften: § 30 GmbHG sowie § 57 AktG. Gemäß § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG darf das zur Erhaltung des Stammkapitals erforderliche Vermögen der Gesellschaft nicht an die Gesellschafter ausgezahlt werden. Dies gilt jedoch nicht bei Leistungen, die entweder: (i) bei Bestehen eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsver-trags erfolgen, (ii) durch einen vollwertigen Gegen-leistungs- oder Rückgewähranspruch gegen den Ge-sellschafter gedeckt sind oder (iii) Rückzahlungen auf Gesellschafterdarlehen oder wirtschaftlich vergleich-bare Leistungen darstellen (§ 30 Abs. 1 S. 2 und S. 3 GmbHG). Spiegelbildlich dazu ist die Regelung des § 57 Abs. 1 AktG für das Recht der Aktiengesellschaft ausgestaltet.

Die Geschäftsführung haftet der Gesellschaft gesamt-schuldnerisch für den Schaden, der aus dem schuldhaf-ten Verstoß gegen die Einhaltung und Überwachung der Kapitalerhaltungsvorschriften resultiert (§ 43 Gm-bHG und § 93 AktG).

2. Die Teilnahme an einem Cash-Pool im Lichte der Kapitalerhaltungs-vorschriften

Immer dann, wenn sich die unternehmerische Tätigkeit weg von der einzelnen Gesellschaft auf eine Mehrzahl von Rechtsträgern erweitert hat, steigt das Bedürfnis, liquide Mittel innerhalb einer Gruppe effektiv zu nut-zen. Die Errichtung eines Cash-Pools ist daher ein weit verbreitetes Instrument zur Steuerung der gruppen-internen Liquidität. Je größer der Verbund von Gesell-schaften ist desto bedeutungsvoller wird diese Finan-zierungsform. Es wäre jedoch verfehlt zu behaupten, dass Cash-Pooling und die damit verbundenen Risiken nur ein Thema größerer Konzerne sind. Im Kern genügt bereits ein Unternehmensverbund von mindestens zwei oder mehr Gesellschaften, um in den Anwen-dungsbereich des Cash-Pools zu kommen.

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Ein Cash-Pool hat zum Ziel, die Deckung des täglichen Finanzierungsbedarfs innerhalb einer Gruppe durch Zusammenführen der Liquiditätsüberschüsse auf ei-nem zentralen Konto soweit wie möglich ohne Inan-spruchnahme von Fremdkapital zu ermöglichen. Zu diesem Zweck werden die jeweiligen Kontosalden der am Cash-Pool beteiligten Gesellschaften täglich durch Übertragung des Guthabens bzw. Ausgleich des Solls glatt (auf null) gestellt. Die am Cash-Pool beteiligten Gesellschaften stehen einander als darlehensgebende und darlehensnehmende Gesellschaften gegenüber. Das Cash-Pooling ist damit im Kern nichts anderes als eine Vielzahl sich ständig ändernder und erneuender Darlehensbeziehungen zwischen den Gesellschaften einer Gruppe. Obgleich diese Form der gruppenin-ternen Finanzierung weit verbreitet ist, gibt es für die Durchführung und die Teilnahme an einem Cash-Pool keine gesetzlichen Privilegierungen. Liquiditätsver-schiebungen unter den Cash-Pool Teilnehmern werden wie ein Darlehen behandelt und unterliegen sämtlichen damit verbundenen Anforderungen und Restriktionen darlehensbasierter Finanzierungsgeschäfte, auch wenn deren Abwicklung quasi auf täglicher Basis erfolgt.

2.1 Die Kapitalerbringung im Cash-PoolBefindet sich zum Beispiel eine Gesellschaft innerhalb des Cash-Pools im Debet (negativer Saldo) und führt währenddessen eine Kapitalerhöhung durch, könnte dies zu einer Verrechnung der Einlageforderung der

Gesellschaft mit der Darlehensrückzahlungsforderung der Muttergesellschaft aus dem bestehenden Cash-Pool führen. Dieser Vorgang stellt bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Einbringung der Darlehensrück-zahlungsforderung des Gesellschafters dar und wäre damit als Umgehung der Bareinlageverpflichtung zu bewerten.

Die Einbringung einer Forderung stellt an sich eine Sa-cheinlage dar, so dass die Verrechnung im Rahmen des Cash-Pools ohne explizite Vereinbarung über die Er-bringung einer Sacheinlage eine verdeckte Sacheinla-ge darstellt, mit allen daran anknüpfenden Haftungsri-siken für die Geschäftsführung und den Gesellschafter (siehe oben Ziffer 1.1).

Befindet sich eine Gesellschaft dagegen innerhalb des Cash-Pools nicht im Debet (ausgeglichener oder posi-tiver Saldo), fließt die Einlage im Rahmen der täglichen Liquiditätsabschöpfung innerhalb des Cash-Pools gleichwohl zurück an die Muttergesellschaft, wäre diese Einlageerbringung zumindest unter den Voraus-setzungen des § 19 Abs. 5 GmbHG (für die GmbH; vgl. für die AG § 27 Abs. 4 AktG) wirksam, also wenn der Anspruch der Gesellschaft auf Darlehensrückgewähr gegenüber der Muttergesellschaft wirtschaftlich wert-haltig/vollwertig und fällig ist bzw. jederzeit fällig ge-stellt werden kann.

Wie man an diesem Fallbeispiel sieht, kommt es im Rahmen eines Cash-Pools maßgeblich auch auf die Re-gelungen im Cash-Pool Vertrag an, welche die Einhal-tung der Kapitalerbringungsvorschriften sicherstellen müssen. Das Erfordernis der jederzeitigen Fälligkeit des Darlehensrückzahlungsanspruchs birgt jedoch wieder-um Unsicherheit für die Durchführung des Cash-Pools selbst und dessen Funktion als zuverlässige Liquidi-tätsressource für andere Cash-Pool Teilnehmer. Ob ein Cash-Pool Vertrag die Möglichkeit einer fristlosen Kün-digung vorsehen muss, ist daher umstritten.

Zudem wäre das Hin- und Herzahlen wie in dem oben beschriebenen Fallbeispiel bei der Anmeldung der Kapitalerhöhung dem Registergericht offen zu legen. Dies kann unter Umständen jedoch dann problema-tisch werden, wenn im Zeitpunkt der Anmeldung möglicherweise noch nicht feststeht, ob der Cash-Pool Saldo der relevanten Gesellschaft negativ oder positiv sein wird.

Die am Cash-Pool beteiligten Gesell-schaften stehen einander als dar-

lehensgebende und darlehensneh-mende Gesellschaften gegenüber.

Das Cash-Pooling ist damit im Kern nichts anderes als eine Vielzahl sich ständig ändernder und erneuender

Darlehensbeziehungen zwischen den Gesellschaften einer Gruppe.

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Diese faktische Unsicherheit gilt umso mehr, wenn die Einlage nicht sogleich voll eingezahlt werden soll, weil sich dann umso weniger voraussagen lässt, wie sich die Cash-Pool Position der Gesellschaft zum Zeitpunkt der späteren Einforderung der noch offenen Einlagever-pflichtungen entwickelt und ob der aus einer Darle-hensgewährung resultierende Rückzahlungsanspruch gegenüber der Muttergesellschaft dann noch vollwer-tig sein wird.

Wie daraus deutlich wird, muss sich der Geschäftsfüh-rer einer am Cash-Pool beteiligten Gesellschaft, deren Einlageanspruch durch Hin- und Herzahlen erfüllt werden soll, bei der Abführung der Einlageleistung an den Cash-Pool vergewissern, dass der Rückgewähran-spruch vollwertig ist. Überwacht er dies nicht mit der gebotenen Sorgfalt, riskiert er die eigene persönliche Haftung. Die Geschäftsführung muss gewährleisten, dass sie über die Vermögenslage des Konzerns und ins-besondere über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Muttergesellschaft ausreichend informiert ist.

Für die Ausgestaltung des Cash-Pool Vertrages ist ge-gebenenfalls zu erwägen, sich die Möglichkeit der Ver-hinderung eines automatischen Guthabenübertrags ausdrücklich vorzubehalten.

2.2 Die Kapitalerhaltung im Cash-PoolNicht nur die Grundsätze der Kapitalaufbringung müs-sen beim Cash-Pool beachtet werden, sondern auch der Erhalt des Stammkapitals zur freien Verfügung der Ge-sellschaft darf durch die Teilnahme an einem Cash-Pool nicht gefährdet werden. Durch die mit einem Cash-Pool verbundene Liquiditätsabschöpfung besteht allerdings grundsätzlich die Gefahr, dass die Einlagenverpflich-tung eines Gesellschafters durch nachträgliche Darle-hensgewährung einer Tochtergesellschaft an diesen unterlaufen wird, wenn diese Darlehensgewährung an den Gesellschafter im Ergebnis zu einer Auszahlung des zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermö-gens der Gesellschaft führt.

Anknüpfend an die bereits oben skizzierten Regelun-gen zum Hin- und Herzahlen kommt es auch bei der nachträglichen Darlehensvergabe an einen Gesell-schafter, wenn diese eine im Grundsatz unzulässige Auszahlung des zur Erhaltung des Stammkapitals erfor-derlichen Vermögens der Gesellschaft bewirken würde, gemäß § 30 GmbHG (für die GmbH) darauf an, dass der

gegen die Muttergesellschaft gerichtete Darlehens-rückzahlungsanspruch werthaltig ist. Andernfalls wür-de die Darlehensvergabe an den Gesellschafter gegen das am Stammkapital orientierte Auszahlungsverbot des § 30 Abs. 1 S. 1 GmbHG verstoßen. Dies gilt gemäß § 57 AktG ebenso für die Aktiengesellschaft.

Die Pflicht der Geschäftsführung zur kontinuierlichen Überwachung der Vermögensverhältnisse des Kon-zerns und insbesondere – bei einem positiven Cash-Pool Saldo einer Tochtergesellschaft – die Überwachung der finanziellen Situation der darlehensnehmenden Mut-tergesellschaft gilt damit jederzeit, wenn Mittel aus dem gebundenen Vermögen einer Gesellschaft an den Cash-Pool abfließen. Hält man sich diesen Pflichtkreis der Geschäftsführung einer Cash-Pool teilnehmenden Gesellschaft vor Augen, dann wird deutlich, dass es ei-ne nur punktuelle Überwachung der Risiken, welche im Zusammenhang mit dem Liquiditätsabfluss innerhalb eines Cash-Pools entstehen können, bei weitem nicht genügt, um einem Verstoß gegen die Kapitalerbrin-gungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften sicher vorzu-beugen. Daher soll im Folgenden überlegt werden, wie ein Frühwarnsystem zur Vorbeugung dieser Haftungsri-siken ausgestaltet sein müsste.

2.3 Die Ausgestaltung eines FrühwarnsystemsWie bereits ausgeführt, fehlt es an gesetzlichen Sonderre-gelungen für den Cash-Pool. Dem entsprechend ist auch die Frage, in welcher Form ein Frühwarnsystem von der Geschäftsführung eines Cash-Pool Teilnehmers einzurich-ten ist, sowohl vom Gesetzgeber als auch von der Recht-sprechung bisher weitestgehend offengelassen worden.

Nicht nur die Grundsätze der Kapitalaufbringung müssen beim

Cash-Pool beachtet werden, sondern auch der Erhalt des Stammkapitals

zur freien Verfügung der Gesellschaft darf durch die Teilnahme an einem Cash-Pool nicht gefährdet werden.

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Anknüpfend an das gesetzliche Erfordernis, dass Darle-hensrückzahlungsansprüche gegenüber der Mutterge-sellschaft werthaltig sein müssen, um keinen Verstoß gegen die Kapitalerbringungs- bzw. Kapitalerhaltungs-vorschriften zu riskieren, sind umfangreiche Informati-onspflichten und -rechte zwischen den Cash-Pool Teil-nehmern grundsätzlich unerlässlich.

Insbesondere dann, wenn einzelne Teilnehmer des Cash-Pools oder gar alle Cash-Pool Teilnehmer einer finanziellen Krise ausgesetzt sind oder eine solche ein-zutreten droht, stellt sich unverzüglich die Frage, ob ein Cash-Pool-System überhaupt aufrechterhalten werden kann, ohne in unmittelbare Haftungsrisiken zu Lasten der Leitungsorgane zu münden.

Der Umgang mit Informationsrechten innerhalb der Poolgesellschaften wird deshalb vor allem dann rele-vant, wenn sich Anzeichen einer Krise andeuten. Um ei-ne solche zu erkennen, ist es jedoch auch erforderlich, dass ein Früherkennungssystem unter den Cash-Pool Teilnehmern kontinuierlich gelebt wird und nicht erst im Zuge des Eintritts einer Krise implementiert wird. Dann kann es womöglich bereits zu spät sein, um Haf-tungsrisiken wirksam vorzubeugen. Informationsrech-te der Cash-Pool Teilnehmer sollten daher stets mit ei-genständigen Informations- und Hinweispflichten des Cash-Pool Führers gegenüber den Poolgesellschaften gepaart werden, die jedenfalls immer dann greifen, sobald Umstände bekannt werden, durch welche die Vollwertigkeit der Rückzahlungsansprüche gegenüber dem Cash-Pool Führer gefährdet sein könnten.

Ein Frühwarnsystem zur rechtzeitigen Krisenerken-nung schützt im Übrigen nicht nur die Geschäftsfüh-rung auf der Ebene der in den Cash-Pool einbezogenen Tochtergesellschaften. Auch die Leitungsorgane einer Konzernholding können auf Schadensersatz haften, wenn Tochtergesellschaften weiter in den Cash-Pool eines Konzerns einzahlen, aber keine werthaltigen Erstattungsansprüche mehr dafür erhalten, weil die Konzernholding bereits Zahlungsunfähig ist aber ihrer gesetzlichen Insolvenzantragspflicht nicht rechtzeitig nachkommt (vgl. OLG Düsseldorf Urt. v. 20.12.2013 – I-17 U 51/12, GmbHR 2015, S. 303 ff.).

Sofern ein bereits bestehender Cash-Pool Vertrag schweigt und keine Kündigungs- oder Informations-rechte der Cash-Pool Teilnehmer vorsieht, wird die Ge-

schäftsführung dadurch keineswegs entlastet. Bei den Vorschriften zur Kapitalerbringung und –erhaltung handelt es sich um zwingendes Recht, welches allein durch eine ungenügende Ausgestaltung des Cash-Pool Vertrages nicht suspendiert wird. Im Zweifel kann und muss ein Geschäftsführer auf die allgemeinen zi-vilgesetzlichen Regelungen zurückgreifen und nach § 314 Abs. 1 BGB den Cash-Pool Vertrag aus wichtigem Grund fristlos kündigen bzw. in Anlehnung an das Darlehensrecht das unter dem Cash-Pool begründete Darlehen gemäß § 490 Abs. 1 BGB wegen wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse des Dar-lehensnehmers fristlost kündigen.

Entscheidend ist, dass die Geschäftsleitung einer Toch-tergesellschaft einen Liquiditätsabfluss im Rahmen des Cash-Pools nur dann zulassen darf, wenn aus bei einer rein bilanziellen Betrachtungsweise ein bloßer Tausch von gleichwertigen Aktivposten stattfindet.

Insbesondere bei Eintritt einer Krise können die Interes-senlagen zwischen Konzernholding und darlehensge-benden Tochtergesellschaften weit auseinanderliegen – wenn nicht gar konträr verlaufen. Die auf eine Sanie-rungslösung orientierte Muttergesellschaft wird in der Regel daran interessiert sein, den Cash-Pool als Instru-ment der Konzerninnenfinanzierung so lange wie mög-lich fortzusetzen. Sofern eine Sanierung jedoch nicht gelingt, könnte dies auf Kosten der Leitungsorgane der darlehensgebenden Tochtergesellschaften gehen. In der Regel erweist sich eine transparente Informati-onslage als das beste Mittel, um einen bestehenden Cash-Pool auch in einer Sanierungssituation möglichst stabil zu halten. An die Überwachungspflichten der Geschäftsführung einer Tochtergesellschaft wird in sol-chen Fällen jedoch stets ein erhöhter Sorgfaltsmaßstab zu legen sein.

3. Die Besicherung von gruppeninternen Darlehensforderungen

Die an eine gruppeninterne Darlehensgewährung ge-knüpften Anforderungen können durch die Gewäh-rung von Sicherheiten zwischen einzelnen Gruppen-gesellschaften noch an Komplexität gewinnen.

Die Gewährung von Sicherheiten durch Tochtergesell-schaften innerhalb einer Unternehmensgruppe kann einerseits in Form einer aufsteigenden (up-stream)

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Sicherheit erfolgen, sofern sie zur Besicherung von Ver-bindlichkeiten der Muttergesellschaft gewährt wird. Andererseits kommt die Gewährung von Sicherheiten für Darlehensverbindlichkeiten einer Schwestergesell-schaft in Betracht (cross-stream).

Bei Kapitalgesellschaften können auch solche up- stream oder cross-stream Sicherheiten einen Verstoß gegen die gesellschaftsrechtlichen Kapitalerhaltungs-vorschriften begründen.

Ein Verstoß gegen die Kapitalerhaltungsregeln bewirkt grundsätzlich nicht die Unwirksamkeit einer bereits gewährten Sicherheit, sondern begründet für die Si-cherheiten gebende Gesellschaft einen Anspruch auf Rückerstattung gegen den durch die Sicherheit be-günstigten Gesellschafter.

Im Falle des fehlenden Ausgleichs des Rückerstattungs-anspruchs durch diesen Gesellschafter besteht bei ei-ner fahrlässigen oder vorsätzlichen Verhaltensweise ein persönliches Haftungsrisiko der Geschäftsführung des Sicherheitengebers bezüglich der Rückzahlung der vom Gesellschafter empfangenen Geldleistung an den Sicherheitengeber sowie darüberhinausgehend be-züglich weitergehender Schäden, die durch die Unter-deckung des Stammkapitals entstehen und über den Rückzahlungsanspruch hinausgehen. Bei Vorliegen besonders schwerwiegender Umstände kann die Ge-schäftsführung des Sicherheitengebers zudem straf-rechtlich unter dem Straftatbestand der Untreue zur Verantwortung gezogen werden.

Um das Risiko einer solchen persönlichen Haftung der Geschäftsführung soweit wie möglich zu reduzieren oder gar zu vermeiden, entspricht es der in Deutsch-land üblichen Marktpraxis, bei der Gewährung von Sicherheiten zur Besicherung der Darlehensverbind-lichkeiten der Muttergesellschaft oder von Schwes-tergesellschaften eine „Limitation Language“ in die zugrundeliegenden Verträge einzufügen. Im Ergebnis bezweckt eine „Limitation Language“ die Beschrän-kung des Verwertungsrechtes für eine solche Sicher-heit. Der Wert der Vollstreckung von up-stream und cross-stream Sicherheiten soll durch solche verwer-tungsbeschränkenden Absprachen auf das „freie“ Net-tovermögen des Sicherheitengebers beschränkt wer-den, um einen Eingriff in das gebundene Vermögen zu Lasten des Sicherheitengebers zu vermeiden.

Wie das „freie“ Nettovermögen zu ermitteln ist, sollte sich dabei aus den Bestimmungen des jeweiligen Si-cherheitenvertrages ergeben (d.h. verkürzt dargestellt: Aktiva, abzüglich Verbindlichkeiten und ausgewiese-nes Stammkapital).

Mit dem Ziel einen Ausgleich zwischen dem Siche-rungsinteresse der Begünstigten und der Reduzierung des Haftungsrisikos der Geschäftsführung zu erzielen, werden üblicherweise bestimmte Verwertungsme-chanismen, Ausnahmen oder Anpassungen unter Bi-lanzgesichtspunkten in der „Limitation Language“ diskutiert, deren Vereinbarkeit mit den gesellschafts-rechtlichen Kapitalerhaltungsregeln höchstrichterlich nicht abschließend geklärt ist.

Nach § 64 S. 3 GmbHG sind die Geschäftsführer einer GmbH zum Ersatz von Zahlungen an Gesellschafter verpflichtet, soweit diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen mussten, es sei denn, dies war auch mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäfts-manns nicht erkennbar. Im Hinblick auf eine mögliche persönliche Haftung der Geschäftsführer des jeweili-gen Sicherheitengebers kann es daher ratsam sein, die Verwertung der Sicherheit einzuschränken, sofern die Verwertungsmaßnahme zur Zahlungsunfähigkeit des Sicherheitengebers führen würde.

Es entspricht dem allgemeinen Verständnis, dass die Voraussetzung „Zahlungen an Gesellschafter“ des § 64 S. 3 GmbHG nicht wörtlich zu verstehen, sondern weiter auszulegen ist und auch die Gewährung einer

Wie das „freie“ Nettovermögen zu ermitteln ist, sollte sich dabei

aus den Bestimmungen des jeweiligen Sicherheiten-

vertrages ergeben.

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Sicherheit zur Besicherung von Verbindlichkeiten eines Gesellschafters des Sicherheitengebers umfasst. Sofern die Verwertung der Sicherheit nicht unmittelbar bevor-steht, kann bei Fehlen weiterer Anhaltspunkte grund-sätzlich vernünftigerweise nicht erwartet werden, dass die Stellung einer Sicherheit zur Zahlungsunfähigkeit des jeweils die Sicherheit gewährenden Sicherheiten-gebers führt und somit ein persönliches Haftungsrisiko der Geschäftsführung begründen würde.

Bei Gewährung einer Sicherheit zur Besicherung von Verbindlichkeiten der Muttergesellschaft oder von Schwestergesellschaften sollten sich die Geschäftsfüh-rer des Sicherheitengebers stets vergewissern, ob auf

Grundlage der verfügbaren Finanzkennzahlen eine In-anspruchnahme der Sicherheit wahrscheinlich ist und, falls ja, ob der Sicherheitengeber durch die Inanspruch-nahme zahlungsunfähig oder drohend zahlungsunfä-hig werden würde. Falls diese Einschätzung in beiden Fällen positiv ausfallen sollte, ist von der Bestellung ei-ner Sicherheit tendenziell abzuraten.

Für die Thematik der „Limitation Language“ sei zu-dem angemerkt, dass es sich hierbei nicht um rein Cash-Pool bezogene Haftungsrisiken handelt. Vielmehr spielt die Vergabe von Drittsicherheiten innerhalb von Konzerngesellschaften vor allem auch bei externen Finanzierungsstrukturen eine erhebliche Rolle.

4. Fazit

1. Bei der Darlehensvergabe im Rahmen des physischen Cash-Pools kann es leicht zu verbotenen Rückzahlungen des Stammkapitals kommen, für welche die Leitungsorgane der auszahlenden Poolgesellschaft persönlich haften können. Dies gilt entsprechend bei der Gewährung von Sicherheiten im Rahmen des Cash-Pooling, aber auch bei externen Finanzierungsinstrumenten.

2. Um solchen und anderen Verstößen vorzubeugen, sind die Leitungsorgane der Poolgesellschaften verpflichtet, ein Frühwarnsystem einzurichten, das ihnen ermöglicht, sich ständig über die Bonitätslage des Konzerns zu informieren und bei Bedarf zu reagieren. Ein solches Frühwarnsystem sollte bereits in der Vertragsdokumentation zum Cash-Pool-System verankert sein.

3. Werden Sicherheiten zur Besicherung von Verbindlichkeiten der Muttergesellschaft bestellt, ist neben einem Frühwarnsystem dafür zu sorgen, dass eine Limitation Language in den entsprechenden Sicherheitenverträgen auf-genommen wird. Durch die Limitation Language wird vertraglich dafür Sorge getragen, dass eine Verwertung von Sicherheiten nur zulässig ist, solange die Verwertung nicht zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder zur Be-einträchtigung des Stammkapitals führt. Anderenfalls besteht ein erhebliches Haftungsrisiko der Leitungsorgane, insbesondere im Verwertungsfall.

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Der Liquidator und § 181 BGB

Kommt es zur Auflösung einer Gesellschaft, stellen sich viele Abwicklungsfragen. Denn die GmbH ist mit der Auflösung noch nicht beendet. Vielmehr besteht sie als Rechtspersönlichkeit bis zu ihrer vollständigen Li-quidation fort. Im Rahmen des Liquidationsverfahrens werden Gläubiger befriedigt und das verbleibende Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter verteilt. Dazu bedarf es eines Liquidators oder mehrerer Liqui-datoren, der die Gesellschaft dabei nach außen vertritt. Entsprechend dem gesetzlichen Regelfall des § 60 Abs. 1 GmbHG werden die bis dato wirksam bestellten Ge-schäftsführer im Auflösungsfall automatisch zu Liquida-toren der Gesellschaft (sog. geborene Liquidatoren). Es können aber auch durch Gesellschafterbeschluss oder den Gesellschaftsvertrag Außenstehende als Liquidato-ren bestellt werden (sog. gekorene Liquidatoren).

Im laufenden Geschäftsbetrieb der Gesellschaft sowie bei ihrer Abwicklung sind die Beschränkungen des § 181 BGB bedeutsam. Denn nach § 181 BGB kann ein Vertreter im Namen des Vertretenen grundsätzlich nicht mit sich selbst im eigenen Namen (sog. Insichge-schäft) oder im Namen eines anderen Vertretenen (sog. Mehrfachvertretung) ein Rechtsgeschäft vornehmen. Hierbei handelt es sich um zwei unterschiedliche ge-setzliche Verbote, die häufig unpraktische Konsequen-zen haben. So zum Beispiel dann, wenn der Geschäfts-führer eine Änderung seines Geschäftsführervertrages

aushandeln möchte oder wenn er gleichzeitig Ge-schäftsführer mehrerer Gesellschaften ist und diese bei dem Abschluss eines Vertrags miteinander vertreten möchte. Nach dem Gesetz ist ihm beides nicht erlaubt. Dieselben Beschränkungen gelten auch für den (ge-korenen oder geborenen) Liquidator, da er die Gesell-schaft nach deren Auflösung bis zu ihrer vollständigen Beendigung vertritt.

Eine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB (des Geschäftsführers und) des Liquidators zur Verein-fachung der Abwicklungsgeschäfte ist grundsätzlich möglich, muss aber im Handelsregister eingetragen werden. Vor Eintragung prüft der Rechtspfleger, ob die Voraussetzungen für die Befreiung vorliegen. Diese sind eindeutig dann gegeben, wenn der Gesellschafts-vertrag ausdrücklich eine Befreiung des Liquidators vorsieht oder der Gesellschaft erlaubt, einen entspre-chenden Beschluss zu fassen.

Problematisch wird es, wenn dies nicht der Fall ist und der Rechtspfleger den Antrag auf Eintragung des Liqui-dators bzw. der Befreiung verweigert. In der Praxis sieht der Gesellschaftsvertrag nämlich oft nur eine Befreiung des Geschäftsführers von den Beschränkungen des

BEFREIUNG EINES LIQUIDATORSVON DEN BESCHRÄNKUNGENDES § 181 BGB

Dr. Martin Nebeling,

Partner/Fachanwalt

für Arbeitsrecht,

Bird & Bird, Düsseldorf

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§ 181 BGB vor. Der Gesellschaft bleibt bei einem ableh-nenden Beschluss des Rechtspflegers die Möglichkeit, dagegen Beschwerde einzulegen, mit der Folge, dass über die Eintragung gerichtlich entschieden wird.

Die Rechtsprechung

Dass eine Befreiung des Geschäftsführers durch den Gesellschaftsvertrag nicht unmittelbar auch den Liqui-dator – selbst wenn dieser ein geborener ist – umfasst, ist in der Rechtsprechung unumstritten. Dies folgt im Wesentlichen daraus, dass mit der Liquidation der Ge-sellschaft jede gesellschaftsvertragliche Vertretungs-regelung endet und somit grundsätzlich auch die zur Ausgestaltung der gesellschaftlichen Vertretung. Eine Fortgeltung der getroffenen Vertretungsregelungen ist nicht anzunehmen, weil sich mit der Auflösung der Gesellschaftszweck ändert und nicht mehr die jeder-zeitige Handlungsfähigkeit der Gesellschaft im Vor-dergrund steht, sondern der Schutz der Gesellschaft, der Gesellschafter und ihrer Gläubiger (vgl. BGH, Urteil vom 27. 10. 2008 – II ZR 255/07).

Umstritten ist aber, ob es zur Befreiung des Liquidators ausreicht, wenn ein Gesellschafterbeschluss dazwi-schengeschaltet ist, also der Gesellschaftervertrag eine Befreiung der Geschäftsführer durch Beschluss erlaubt. Es ist dann nämlich fraglich, ob die satzungsgemäße Ermächtigung der Gesellschaft, den Geschäftsführer durch Gesellschafterbeschluss von den Beschränkun-gen des § 181 BGB zu befreien, dahingehend ausgelegt werden kann, dass sie auch als Ermächtigung ausreicht, den Liquidator gleichermaßen durch Beschluss zu be-freien. Bejaht hat dies beispielsweise das OLG Zweibrü-cken (Beschluss vom 06.07.2011 – 3 W 62/11) mit der Begründung, dass regelmäßig davon auszugehen sei, dass eine solche Satzungsbestimmung sich nach ihrem Sinn und Zweck auf die gesetzlichen Vertreter der Ge-sellschaft im Allgemeinen und folglich nach der Auflö-sung auch auf den Liquidator beziehen soll. Es bliebe dann immer noch in der Hand der Gesellschafter zu entscheiden, ob die bisher maßgeblichen Vertretungs-regelungen auch für die Liquidatoren übernommen werden sollen, da noch ein entsprechender Beschluss gefasst werden müsste. Dabei könnten die Gesellschaf-ter die veränderte Interessenlage der Gesellschaft nach der Auflösung berücksichtigen. Eine andere Auslegung einer solchen satzungsgemäßen Ermächtigung zur Befreiung des Geschäftsführers von den Beschränkun-

gen des § 181 BGB sei deshalb lediglich dann geboten, wenn sich aus der Satzung ergebe, dass eine Erstre-ckung auf die Liquidatoren gerade nicht gewollt sei.

Ausdrücklich das Gegenteil vertreten hat jüngst das OLG Köln (Beschluss vom 21.09.2016 – 2 Wx 377/16). Mit Verweis auf die Rechtsprechung des BGH, nach der mit der Liquidation jede gesellschaftliche Vertre-tungsregelung endet (s.o., Urteil vom 27. 10. 2008 – II ZR 255/07) hat es entschieden, dass in diesem Fall zunächst ein Gesellschafterbeschluss erforderlich sei, mit dem die Satzung entsprechend angepasst wer-de. Zur Begründung machte es sich im Wesentlichen die Argumente des OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 13.10.2011 – 20 W 95/11) zu eigen, das in seiner Entscheidung ausführte, dass mit der Auflösung eine derartige Zäsur in der Ausrichtung der Gesellschaft eintrete, dass neue Regelungen zur organschaftlichen Stellung ihrer gesetzlichen Vertreter erforderlich sei-en. Ebenso hat auch das OLG Hamm entschieden (Be-schluss 06.07.2010 – 15 Wx 281/09). Nach Auffassung dieser Gerichte muss der Liquidator ausdrücklich in der satzungsgemäßen Befreiung benannt werden oder ei-ne abstrakte Regelung in der Satzung geschaffen wer-den, die eine Befreiung der gesetzlichen Vertreter im Allgemeinen vorsehe, die sodann Grundlage für einen Gesellschafterbeschluss zur Befreiung des Liquidators sein könne.

Das OLG Köln hat die Rechtsbeschwerde zum Bundes-gerichtshof zugelassen, da es mit seiner Entscheidung

Das OLG Köln hat die Rechtsbeschwerde zum Bundes-

gerichtshof zugelassen, da es mit seiner Entscheidung von der Recht-

sprechung eines anderen Ober-landesgerichts abgewichen ist und es diesbezüglich noch keine höch-

strichterliche Entscheidung gibt.

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von der Rechtsprechung eines anderen Oberlandes-gerichts abgewichen ist und es diesbezüglich noch keine höchstrichterliche Entscheidung gibt. Der BGH hatte sich in seiner oben zitierten Entscheidung (BGH NJW-RR 2009, 333) nur mit dem Fall befasst, dass ein GmbH-Geschäftsführer bereits unmittelbar in der Sat-zung von § 181 BGB befreit werden sollte, nicht aber

den Fall des OLG Zweibrücken entschieden, bei dem gemäß der Satzung ein Gesellschafterbeschluss da-zwischengeschaltet war. Die Rechtsbeschwerde wurde jedoch nicht eingelegt, sodass eine Entscheidung des BGH in diesem Fall nicht ergehen wird und damit eine höchstrichterliche Einschätzung dieser Rechtslage wei-terhin aussteht.

Fazit und Praxisempfehlung

Für die GmbH und ihre Gesellschafter und Geschäftsführer bedeutet die aktuelle Rechtslage Unsicherheit. Es muss in den verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken mit unterschiedlichen Ausgängen von Verfahren mit demselben Ge-genstand gerechnet werden. So reichen im Bezirk des OLG Zweibrücken auch nicht eindeutig auf den Liquidator zu-geschnittene satzungsgemäße Ermächtigungen zur Befreiung des Liquidators, während im Bezirk der OLG Frankfurt a.M. und OLG Köln mit einer engeren Auslegung der Satzung zu rechnen ist. Dies gilt auch für die erstinstanzlichen Gerichte, die sich in der Regel an den Entscheidungen der jeweiligen Oberlandesgerichte orientieren.

Aus diesem Grund wäre eine Entscheidung des BGH zu begrüßen gewesen. Bis zu einer solchen bleibt der Gesell-schaft nur, die Unwägbarkeiten der Rechtsprechung auf ein Minimum zu reduzieren, indem sie im Vorhinein aus-drückliche Regelungen schafft, die auch den strengeren Anforderungen des OLG Köln entsprechen.

Sofern eine Befreiung des Liquidators von den Beschränkungen des § 181 BGB angestrebt ist, sollte daher eine ent-sprechende Regelung bereits bei Gründung in den Gesellschaftervertrag mit aufgenommen werden. Dabei kann der Liquidator entweder in der Satzung selbst von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit werden, oder die Satzung kann vorsehen, dass eine Befreiung durch einen entsprechenden Gesellschafterbeschluss möglich ist. Die Gesellschafter haben in letzterem Fall noch die Möglichkeit, im Einzelfall über die Befreiung zu entscheiden. Dies ist beispielsweise dann sinnvoll, wenn es von der Person des Liquidators abhängen soll, ob dieser von den Beschrän-kungen des § 181 BGB entbunden werden soll. Für bereits gegründete Gesellschaften besteht die Möglichkeit, die Satzung nachträglich zu ändern. Dies muss spätestens gemeinsam mit dem Liquidationsbeschluss geschehen, um die gewünschte Rechtsfolge herbeizuführen.

Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass ausdrücklich benannt werden sollte, von welchem Verbot des § 181 BGB der Liquidator befreit werden soll. Denn nach Auffassung des OLG Nürnberg (Beschluss vom 12.02.2015 – 12 W 129/15) reicht es nicht aus, wenn der Geschäftsführer von „der Beschränkung“ des § 181 BGB befreit wird, da § 181 BGB zwei voneinander unabhängige Verbote enthält. Die Entscheidung des OLG Nürnberg betraf zwar nur die Eintragung eines Gesellschafters und nicht unmittelbar den Liquidator. Um die größtmögliche Rechtssicherheit zu erhalten, empfiehlt es sich aber auch bei der Befreiung von Liquidatoren auf das jeweilige Verbot (d. h. Insichgeschäft und/oder Mehrfachvertretung), von dem befreit werden soll, Bezug zu nehmen.

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Im Rahmen der Compliance gewinnt das Daten-schutzrecht zunehmend an Bedeutung. Derzeit können auf Grundlage des Bundesdatenschutzge-

setzes (BDSG) Verstöße mit Bußgeldern von bis zu 300.000 € geahndet werden. Mit der Anwendbarkeit der EU-Datenschutzgrundverordnung ab dem 25. Mai 2018 drohen Unternehmen jedoch Bußgelder bis zu 20 Millionen Euro oder 4 % des Jahresumsatzes – wo-bei insbesondere Aufsichtsbehörden davon ausgehen, dass auf den weltweiten Jahresumsatz der gesamten Unternehmensgruppe bzw. des gesamten Konzerns abzustellen ist.

Haftungsrisiken des Geschäftsführers bestehen nicht nur im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft, sondern auch im Außenverhältnis. Eine persönliche Haftung gegenüber Behörden kommt über §§ 130, 9 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OwiG) in Be-tracht.

Die nachfolgenden Beispiele – jenseits von unzuläs-sigen Mitarbeiterüberwachungen und vermeidbaren Hackerangriffen – sollen ein erstes Problembewusst-sein vermitteln. Zugleich sollen sie zeigen, dass sich Ri-siken häufig ohne großen Aufwand vermeiden lassen.

Betrieblicher Datenschutzbeauftragter

Nahezu jedes Unternehmen erhebt, verarbeitet und nutzt personenbezogene Daten, sowohl von eigenen Mitarbeitern als auch von Kunden. Dazu zählen et-

wa Name, Geburtsdatum, Anschrift, E-Mail-Adresse, Konto-/Kreditkartennummer, Krankheitstage, Konfes-sion, Fotos, aufgegebene Bestellungen etc. Regelmä-ßig erfolgt die Verarbeitung automatisiert, d.h. unter EDV-Einsatz. Grundlegende organisatorische Pflichten werden dabei in kleineren Unternehmen oftmals ver-kannt.

Beispiel: In der Personalabteilung eines Unternehmens sind fünf HR-Manager tätig, die Personalakten auch auf dem Server speichern. Sechs Vertriebsmitarbeiter bearbei-ten elektronische Kundendatenbanken. Ein betrieblicher Datenschutzbeauftragter wurde jedoch nicht bestellt.

Es kann ein Bußgeld von derzeit bis zu 50.000 € ver-hängt werden. Werden zehn oder mehr Personen mit der automatisierten Verarbeitung von Daten beschäf-tigt, ist ein betrieblicher Datenschutzbeauftragter zu bestellen, der über eine besondere Fachkunde verfü-gen und zuverlässig sein muss.

TYPISCHE COMPLIANCE-RISIKENIM BEREICH DES DATENSCHUTZES

Andreas Josupeit,

Rechtsanwalt und Fachanwalt

für Arbeitsrecht, CMS Hasche Sigle

Partnerschaft von Rechtsanwälten

und Steuerberatern mbB, Düsseldorf

Dr. Hans-Christian Woger,

Rechtsanwalt, CMS Hasche Sigle

Partnerschaft von Rechts anwälten

und Steuerberatern mbB, Leipzig

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Unternehmen ist es freigestellt, ob sie einen externen oder einen internen Datenschutzbeauftragten bestel-len. Wird die Funktion auf einen internen Mitarbeiter übertragen, gilt allerdings zu beachten, dass dieser dann – vergleichbar einem Betriebsratsmitglied – über einen Sonderkündigungsschutz verfügt (§ 4 Abs. 3 S. 5, 6 BDSG). Ungeachtet dessen sind potenzielle Interes-senkonflikte auszuschließen.

Beispiel: Der IT-Manager eines Unternehmens wird zum Datenschutzbeauftragten bestellt.

In einem solchen Fall hat die Aufsichtsbehörde (nach mehrfacher erfolgloser Aufforderung, Änderungen vorzunehmen) dem Unternehmen ein Bußgeld aufer-legt. Nach der gesetzlichen Konzeption soll ein Daten-schutzbeauftragter eine unabhängige Instanz sein, die im Unternehmen auf die Einhaltung des Datenschut-zes hinwirkt. Damit verträgt es sich regelmäßig nicht, wenn gleichzeitig eine maßgebliche operative Verant-wortung für Datenverarbeitungsprozesse besteht.

Konzerninterner Datentransfer

Wie weithin bekannt, ist eine Weitergabe personenbezo-gener Daten an Dritte nicht ohne Weiteres zulässig. Viel-fach wird jedoch übersehen, dass vermeintlich interne Vorgänge datenschutzrechtlich anders gewertet werden, da das Datenschutzrecht kein Konzernprivileg kennt.

Beispiel: Die Konzernzentrale bittet die GmbH um Über-sendung aussagekräftiger Listen der bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer mit Einzelheiten zu Sozialdaten (Alter, Dau-er der Beschäftigung, Unterhaltspflichten, Schwerbehin-derung) und Krankheitszeiten.

Trotz gesellschaftsrechtlicher und wirtschaftlicher Verbundenheit werden Konzerngesellschaften da-tenschutzrechtlich wie sonstige Dritte behandelt. Die Weitergabe personenbezogener Daten darf daher nur erfolgen, wenn dies durch Gesetz oder Rechtsvor-schrift/Betriebsvereinbarung erlaubt ist oder wirksame Einwilligungen der betroffenen Personen vorliegen. Es ist daher auch bei konzerninternen Sachverhalten re-gelmäßig eine Einzelfallprüfung erforderlich. Wird dies missachtet, droht ein Bußgeld.

Datentransfer in Drittstaaten

Bei einer Übermittlung in einen Drittstaat außerhalb der EU und des EWR bestehen weitergehende Ein-schränkungen.

Beispiel: Die Konzernzentrale sitzt in den USA. Die deut-sche Tochtergesellschaft hat ihr einen Fernzugriff auf die Personaldaten eingerichtet.

Eine Abrufmöglichkeit gilt ebenfalls als Übermittlung im Sinne des Datenschutzrechts. Eine solche Über-mittlung in die USA ist nur unter zusätzlichen Voraus-setzungen zulässig. Anders als Andorra, Argentinien, Färöer-Inseln, Guernsey, Isle of Man, Israel, Jersey, Ka-nada, Neuseeland, Schweiz und Uruguay gilt die USA datenschutzrechtlich nicht als sicherer Drittstaat. Ein Transfer bedarf daher entweder einer zusätzlichen Einwilligung der Arbeitnehmer (an deren Wirksamkeit hohe Anforderungen gestellt werden) oder gesonder-ter Vereinbarungen. Neben verbindlichen Unterneh-mensregeln („Binding Corporate Rules“), die von einer Aufsichtsbehörde genehmigt sein müssen, können die frei verfügbaren EU-Standardvertragsklauseln verein-

Trotz gesellschaftsrechtlicher und wirtschaftlicher Verbundenheit

werden Konzerngesellschaften da-tenschutzrechtlich wie sonstige

Dritte behandelt. Die Weitergabe personenbezogener Daten darf

daher nur erfolgen, wenn dies durch Gesetz oder Rechtsvorschrift/

Betriebs vereinbarung erlaubt ist oder wirksame Einwilligungen der

betroffenen Personen vorliegen.

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bart werden. Für die USA soll – das ist derzeit allerdings nicht unumstritten – auch ausreichen, wenn sich der Datenempfänger den Regelungen des EU-US-Privacy Shield unterwirft.

Die behördlichen Kontrollen haben in diesem Bereich zugenommen. Im November 2016 wurde bei 500 Unter-nehmen in Deutschland die Praxis bei grenzüberschrei-tenden Datenübermittlungen geprüft. Betroffen waren Unternehmen unterschiedlicher Größe und Branchen. Die Auswahl erfolgte nach dem Zufallsprinzip.

Unzulässige Datenweitergabe

Selbst in noch einfacher gelagerten Fällen drohen un-zulässige Übermittlungen.

Beispiel: Eine Mitarbeiterin versendet einen Rundbrief an sämtliche Kunden per E-Mail. Die E-Mail-Adressen, die sich überwiegend aus Vor- und Nachnamen zusammen-setzen, wurden sämtlich in das Adressfeld („An“-Feld) ein-getragen und sind somit jedem Empfänger ersichtlich.

Die Aufsichtsbehörde hat ein Bußgeld verhängt, in ei-nem Fall sogar gegen die Unternehmensleitung. Die Versendung einer Sammel-E-Mail an einen offenen Verteiler war eine unzulässige Übermittlung personen-bezogener Daten.

Der Verstoß wäre leicht zu verhindern gewesen. Wären die Adressen in das „BCC-Feld“ (Blind Carbon Copy = Blindkopie) eingetragen worden, hätte keiner der Emp-fänger die E-Mail-Adressen der anderen sehen können.

Auftragsdatenverarbeitung

Es ist zulässig, im Wege der sogenannten Auftrags-datenverarbeitung Externe einzubinden, z. B. einen Gehaltsabrechner oder einen Cloud-Anbieter. Diese gelten unter bestimmten Voraussetzungen nicht als Dritte, sodass die Weitergabe personenbezogener Da-ten keiner gesonderten Rechtfertigung bedarf. Aller-dings muss die Vertragsgestaltung den strengen ge-setzlichen Vorgaben genügen.

Beispiel: Die GmbH beauftragt einen externen Anbieter mit der Erstellung der Gehaltsabrechnungen. In dem Vertrag wird festgelegt, dass der Anbieter „technische und organi-satorische Maßnahmen zur Datensicherheit“ treffen muss.

In einem vergleichbaren Fall wurde ein Unternehmen mit einem fünfstelligen Bußgeld belegt, weil im Vertrag keine konkreten technisch-organisatorischen Maßnah-men zum Schutz der Daten festgelegt waren. Pauscha-le Aussagen und schlichte Wiederholungen des Geset-zestextes reichten der Behörde nicht aus.

Datenverluste

Datenverluste sind in der Praxis sehr häufig und lassen sich nie vollständig vermeiden. Mehrheitlich handelt es sich nicht um Hackerangriffe oder Datendiebstähle durch Mitarbeiter.

Beispiel: Ein Vertriebsmitarbeiter versendet eine unver-schlüsselte Excel-Liste mit Kundendaten (Name, Adresse, Geburtsdatum, E-Mail, Kreditkartennummer) versehentlich per E-Mail an eine unbekannte ausländische E-Mail-Adresse.

Ein solcher Datenverlust ist sowohl den Aufsichtsbe-hörden anzuzeigen als auch den Betroffenen zu mel-den – u.U. sogar durch halbseitige Anzeigen in bun-desweit erscheinenden Tageszeitungen (§ 42a BDSG). Erfolgt eine Anzeige nicht, nicht rechtzeitig oder nicht ordnungsgemäß, drohen die vorbezeichneten Geldbu-ßen, darüber hinaus besteht ein spezieller Schadenser-satzanspruch der Betroffenen (§ 7 BDSG).

Wären die Daten wirksam verschlüsselt worden, hätte eine Informationspflicht unter Umständen verneint werden können, weil eine Schädigung der Betroffenen (Identitätsdiebstahl, Kreditkartenmissbrauch) wohl nicht gedroht hätte. Eine vergleichsweise simple Vor-sichtsmaßnahme kann somit erhebliche Image- und Folgeschäden verhindern.

Datenverluste sind in der Praxis sehr häufig und lassen sich nie vollstän-

dig vermeiden. Mehrheitlich handelt es sich nicht um Hackerangriffe oder

Datendiebstähle durch Mitarbeiter.

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Private IT-Nutzung

Eine Vermengung von dienstlicher und privater IT-Nut-zung kann erhebliche Probleme nach sich ziehen.

Beispiel: Das Unternehmen erlaubt den Mitarbeitern die private Nutzung der IT einschließlich der dienstlichen E-Mail-Adresse.

Seitens der Aufsichtsbehörden wird vertreten, dass der Arbeitgeber in einem solchen Fall zur Einhaltung des Fernmeldegeheimnisses verpflichtet ist. Arbeitsgerich-te sehen dies zwar zum Teil anders, eine höchstrich-terliche Entscheidung hierzu ist jedoch noch nicht er-gangen. Die besondere Brisanz der Frage liegt darin, dass eine Verletzung des Fernmeldegeheimnisses eine Straftat darstellt. Infolgedessen wäre ein einseitiger arbeitgeberseitiger Zugriff auch auf rein dienstliche E-Mails jedenfalls dann nicht risikolos möglich, wenn dienstliche und private Inhalte vermengt werden. Es ist daher dringend dazu anzuraten, die Privatnutzung zu untersagen oder jedenfalls konkrete Regelungen

zu schaffen, die eine klare Trennung zwischen dienst-lichen und privaten Inhalten vorsehen.

Asset Deals

Daten können den wesentlichen Wert eines Unterneh-mens ausmachen. Bei einem Asset Deal sind daten-schutzrechtliche Grundsätze zu beachten.

Beispiel: Im Rahmen des Erwerbs eines Online-Shops im Wege eines Asset-Deals wird vereinbart, dass die Kunden-daten mit übergehen. Zu den Daten gehörten Telefon-nummern, E-Mail-Adressen, Konto- und/oder Kreditkar-tendaten sowie „Kaufhistorien“.

In einem ähnlichen Fall hat die Aufsichtsbehörde Geld-bußen in fünfstelliger Höhe sowohl gegen das veräu-ßernde als auch gegen das erwerbende Unternehmen festgesetzt. Weder hatten die Kunden in die Übermitt-lung der Daten eingewilligt, noch erfolgte im Vorfeld zumindest ein Hinweis auf die geplante Übermittlung nebst Einräumung eines Widerspruchsrechts.

Fazit

Fachbereiche dürfen nicht sich selbst überlassen werden in der Hoffnung, es werde schon gut gehen. Es ist sicherzu-stellen, dass Mitarbeiter die maßgeblichen Regelungen kennen und einhalten. Erste Schritte in Richtung einer ord-nungsgemäßen Compliance-Organisation sind klare Verhaltensanweisungen bzw. Richtlinien sowie Schulungen.

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Einleitung

In Zeiten permanenter und immer rasanterer wirt-schaftlicher wie technischer Veränderungen, insbe-sondere Restrukturierungen, geänderter Anforde-rungsprofile und wachsenden Leistungserwartungen bei möglichst sinkenden Preisvorstellungen sowie steigenden Compliance Anforderungen, müssen Ge-schäftsführer und Führungskräfte häufig mit ihren Mitarbeitern Personalgespräche führen, die auch „un-angenehme“ Inhalte haben können. Die rechtlichen Rahmenbedingungen derartiger Gespräche sollen hier kurz vorgestellt werden, da diesen Gesprächen imma-nent ist, insbesondere im bereits belasteten Arbeitsver-hältnis, ein juristisches „Nachspiel“ zu haben.

I. Rechtsgrundlagen

Personalgespräche sind nur rudimentär gesetzlich ge-regelt bzw. ergeben sich entsprechende Pflichten oder Obliegenheiten aus der Rechtsprechung. Die wichtigs-ten gesetzlichen oder richterrechtlichen Grundlagen, die kritische Personalgespräche selbst betreffen oder damit in enger Verbindung stehen, sind:

§ 81 Abs. 4 Satz 3 BetrVG: Anforderungsanpas-sungsgespräche auf Initiative des Arbeitgebers.

§ 82 Abs. 2 Satz 2 BetrVG: Leistungsbeurteilungs-/Ent-wicklungsgespräche auf Initiative des Arbeit nehmers.

§ 83 Abs. 1 Satz 2 BetrVG: Einsichtsrecht in Personal-akte auf Initiative des Arbeitnehmers.

§ 84 Abs. 1 Satz 2 BetrVG: Beschwerderecht des Arbeitnehmers.

Vor Aussprache jeder Verdachtskündigung hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Gelegenheit zu geben, zu den Vorwürfen aus einer Sicht Stellung zu nehmen, d.h. ihn anzuhören (sog. Reinigungsgespräch). Dies ist Wirksamkeitsvoraussetzung jeder Verdachtskündi-gung, die ein selbständiger Kündigungstypus ist. Das BAG hält es grundsätzlich nicht für erforderlich, den Arbeitnehmer vor Durchführung einer Anhörung über den beabsichtigten Gesprächsinhalt zu unterrichten (BAG v. 12.02.2015 - 6 AZR 845/13, MDR 2015, 1016).

Gespräche im Rahmen unternehmensinterner Er-mittlung zur Aufklärung von Compliance Verstößen (z. B. Korruptionsfälle) und ggf. zur Vorbereitung ei-ner verhaltensbedingten Kündigung (Stück, GmbHR 2016, 561).

AKTUELLE RECHTLICHE ASPEKTEKRITISCHER PERSONALGESPRÄCHE

Volker Stück,

Rechts anwalt, Aschaffenburg

und Leiter Personal und Integrity-

Beauftragter Hochspannungs-

produkte, ABB AG, Hanau

Für Geschäftsführer und Führungskräfte

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Ob vor Aussprache einer Abmahnung (§ 314 Abs. 2 BGB) der Arbeitnehmer angehört werden muss, wird nicht einheitlich beantwortet, ist aber zu verneinen, wenn nicht eine kollektive Regelung (Betriebsverein-barung, Tarifvertrag) dies verlangt (BAG v. 21.05.1992 – 2 AZR 551/91, DB 1992, 2143)

Bei schwerbehinderten Arbeitnehmern (§ 2 SGB IX) oder Gleichgestellten (§ 2 Abs. 3 SGB IX) hat der Ar-beitgeber bereits bei Eintreten von personen-, verhal-tens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Ar-beits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können nach Ablauf der Wartezeit von 6 Monaten (§1 Abs. 1 KSchG), ein Präventionsverfahren (§ 84 Abs. 1 SGB IX) einzu-leiten, also bevor er arbeitsrechtliche Maßnahmen er-greift – „Prävention und Rehabilitation vor Entlassung“ (BAG v. 21.04.2016 – 8 AZR 402/14, NZA 2016, 113).

Bei allen Beschäftigten, die im letzten Jahr länger als 6 Wochen arbeitsunfähig waren, hat der Arbeit-geber ein betriebliches Eingliederungsmanage-ment (§ 84 Abs. 2 SGB IX) einzuleiten. Das betrieb-liche Eingliederungsmanagement findet nicht statt, wenn der über das Verfahren ordnungsgemäß zu in-formierende Arbeitnehmer dies ablehnt (vgl. Stück, ArbRAktuell 2016, 232 und 345).

Fehlzeiten-/Rückkehrgespräche: Formalisierte Kran-ken gespräche zwischen Arbeitgebern und Arbeit-nehmern unterliegen grundsätzlich, da ein kollektiver Bezug zur betrieblichen Ordnung und zum Arbeitsver-halten gegeben ist – auch bei Freiwilligkeit –, der Mit-bestimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr.1 BetrVG (BAG v. 08.11.1994 – 1 ABR 22/94, NZA 1995, 857). Der arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, an einem vom Arbeit-geber angeordneten Personalgespräch teilzunehmen (BAG v. 02.11.2016 – 10 AZR 596/15 , MDR 2017, 284).

Die Rechtsprechung sieht bei Low-Performern zu-nächst den Arbeitgeber aufgrund des sog. Ultima-Ra-tio-Grundsatzes für verpflichtet an, die Ursachen zu klären und vor einer Beendigung des Arbeitsver-hältnisses Abhilfemaßnahmen erfolglos versucht zu haben (LAG Nürnberg v. 12.06.2007 – 6 Sa 37/07, NZA-RR 2008, 178). Dies kann regelmäßig nur durch dokumentiertes Beobachten und Personalgespräche erfolgen (vgl. Stück, AuA 2012, 632).

Gespräche im Zusammenhang mit einer Änderung von Arbeitsbedingungen bzw. Aussprache einer Änderungskündigung (§ 2 KSchG).

II. Teilnahmepflicht des Arbeitnehmers

Im Rahmen des Direktionsrechts (§ 106 GewO) kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer einseitig anweisen, während der Arbeitszeit an einem Personalgespräch teilzunehmen, um z. B. mit ihm seine Leistungen, sein Verhalten, seine berufliche Entwicklung, seinen weite-ren Einsatz etc. zu besprechen. Das arbeitgeberseitige Weisungsrecht beinhaltet die Berechtigung, den Ar-beitnehmer zur Teilnahme an Gesprächen zu verpflich-ten, in denen der Arbeitgeber Weisungen vorbereiten, erteilen oder ihre Nichterfüllung beanstanden will (BAG v. 23.06.2009 – 2 AZR 606/08, NZA 2009, 1011). Die Grenzen des Direktionsrechts, nämlich Arbeitsver-trag, Betriebsvereinbarungen, Tarifvertrag und Gesetz, werden dabei regelmäßig nicht überschritten.

Eine solche konkrete Anordnung entspricht immer dann billigem Ermessen, wenn es dafür einen sachlich begründeten Anlass gibt (z. B. konkrete Leistungs-/Qua-lifikationsdefizite), die Maßnahme keinen schikanösen, maßregelnden Charakter (nach Ort, Dauer etc.) hat und keine überwiegenden persönlichen Interessen des Ar-beitnehmers dem Personalgespräch an sich oder dessen Terminierung entgegenstehen. Umstände in der Person des Arbeitnehmers können im Rahmen der Prüfung des für eine rechtmäßige Weisung zu beachtenden billi-gen Ermessens (§§ 106 Abs. 2 GewO) nur berücksich-tigt werden, wenn sich der Arbeitnehmer bei Erteilung der Weisung auf sie beruft; ein späteres Nachschieben persönlicher Umstände ist rechtlich unbeachtlich (LAG Nürnberg v. 09.01.2007 – 7 Sa 79/06, NZA-RR 2007, 357). Der arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer ist grund-sätzlich nicht verpflichtet, an einem vom Arbeitgeber angeordneten Personalgespräch teilzunehmen (BAG v. 02.11.12016 – 10 AZR 596/15 , MDR 2017, 284).

Erscheint der Arbeitnehmer entgegen der Anweisung nicht zum Personalgespräch, kann dies mit einer Ab-mahnung geahndet werden (LAG Hamm v. 28.01.2016 – 18 Sa 1140/15). Im Falle der fortgesetzten beharrli-chen Weigerung kann eine verhaltensbedingte Kün-digung sozial gerechtfertigt sein, wenn sich der Ar-beitnehmer hartnäckig und unbegründet weigert, an einem wichtigen Gespräch teilzunehmen.

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Keine Teilnahmepflicht des Mitarbeiters besteht an ei-nem Personalgespräch, in dem es laut schriftlicher Ein-ladung ausschließlich um Verhandlungen über vom Arbeitgeber gewünschte Änderungen des Arbeitsver-trages (hier befristete Verringerung einer Sonderzah-lung auf 46 %) gehen soll, so dass auch eine wegen Gesprächsverweigerung ausgesprochene Abmahnung unwirksam ist. Dies ist nicht mehr vom Direktionsrecht gedeckt (BAG v. 23.06.2009 – 2 AZR 606/08, NZA 2009, 1011).

III. Mobbingvorwurf

Nicht selten wird in der Praxis Vorgesetzten, die un-angenehme Themen anzusprechen haben, entge-gengehalten, sie „mobbten“. Wenn das Gespräch aus sachlichem Anlass erfolgte und in sachlicher, ange-messener Weise geführt wird, entbehrt dieser Vorwurf regelmäßig der Grundlage. „Mobbing“ ist nämlich das systematische, aufeinander aufbauende oder ineinan-der übergreifende Anfeinden, Schikanieren oder Dis-kriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte, wobei diese Verhaltensweisen nach Art und Ablauf einen Zusammenhang, also einen „ro-ten Faden“, aufweisen müssen. Für die Bejahung eines Mobbingsachverhaltes, der geeignet sein soll, Scha-densersatzansprüche wegen Persönlichkeits-/Ehrver-letzung und Schmerzensgeldansprüche wegen Ge-sundheitsverletzung auszulösen, ist es grundsätzlich erforderlich, dass sich den Vorfällen eine entsprechend systematisch angelegte Motivation des Täters (d. h. des „Mobbenden“) sowie eine klare Täter-Opfer-Konstella-tion entnehmen lässt, wofür der Arbeitnehmer darle-gungs- und beweispflichtig ist (Stück, MDR 2013, 378 BAG, 15.09.2016 - 8 AZR 351/15).

IV. Beteiligung Dritter

Angeordnete Personalgespräche sind vom Arbeitneh-mer grundsätzlich höchstpersönlich wahrzunehmen (§ 613 BGB). Der Arbeitnehmer kann demzufolge in der Regel nicht verlangen, dass die Anwesenheit sei-nes Anwalts bei dem Gespräch zugelassen wird (LAG Hamm v. 23.05.2001 – 14 Sa 497/01, MDR 2001, 1361).

Das LAG Berlin-Brandenburg hat angenommen, dass im Rahmen einer Anhörung für eine Verdachtskün-digung der Arbeitnehmer berechtigt ist, einen Anwalt hinzuzuziehen (LAG Berlin-Brandenburg v. 06.11.2009 – 6 Sa 1121/09 DB 2009, 2724). Die Teilnahme eines Rechtsanwaltes an einem BEM-Gespräch wird hinge-gen abgelehnt (LAG Rheinland-Pfalz v. 18.12.2014 – 5 Sa 518/14 , NZA-RR 2015, 262). Ein Arbeitnehmer kann Einsicht in seine Personalakte nehmen und hierzu ein Mitglied des Betriebsrates hinzuziehen. Einen An-spruch auf Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes be-steht dazu allerdings nicht (BAG v. 12.07.2016 – 9 AZR 791/14, NZA 2016, 1344).

Häufig wird die Forderung erhoben, ein Betriebsrats-mitglied zu dem Personalgespräch hinzuzuziehen. Ein genereller Anspruch des Arbeitnehmers darauf, bei je-dem mit dem Arbeitgeber geführten Gespräch ein Be-triebsratsmitglied hinzuzuziehen, folgt aus dem BetrVG jedoch nicht. Vielmehr regeln die § 81 Abs. 4 Satz 3, § 82 Abs. 2 Satz 2, § 83 Abs. 1 Satz 2 und § 84 Abs. 1 Satz 2 BetrVG das Recht des Arbeitnehmers auf Hinzuzie-hung eines Betriebsratsmitglieds jeweils bezogen auf bestimmte Gegenstände und Anlässe. Aus diesem ge-setzlichen Zusammenhang folgt im Umkehrschluss, dass der einzelne Arbeitnehmer keinen betriebsverfas-sungsrechtlichen Anspruch darauf hat, zu den von die-sen Vorschriften nicht erfassten Personalgesprächen ein Mitglied des Betriebsrats hinzuzuziehen. Auch für Personalgespräche über den Abschluss eines Auf-hebungsvertrags begründet das BetrVG keinen all-gemeinen Anspruch des Arbeitnehmers auf Hinzuzie-hung eines Betriebsratsmitglieds (BAG v. 16.11.2004 – 1 ABR 53/03, NZA 2005, 416).

Werden mit einem Arbeitnehmer, dem im Rahmen eines Personalgespräches ein Aufhebungsangebot gegen Abfindungszahlung unterbreitet wurde und der dieses eindeutig ablehnte, weitere (4.) Gespräche wegen einer Trennung geführt, so kann dieser im We-ge einer einstweiligen Verfügung vom Arbeitgeber die Unterlassung weiterer (5. ff.) Trennungsgespräche verlangen (ArbG Berlin v. 01.12.2003 – 28 Ga 29101/03, AuR 2004, 235).

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Die britische Regierung hat angekündigt, bis Ende März 2017 den Austrittsmechanismus nach Art. 50 EUV in Gang zu setzen. Danach beginnen die

Austrittsverhandlungen. Diese sind auf einen Zeitraum von 2 Jahren begrenzt. Die Frist kann nur mit einstim-migem Beschluss des EU-Rats sowie des Vereinigten Königreichs verlängert werden. Nach Ablauf der Frist kommt es zum automatischen Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union – und zwar unabhängig vom Stand der Austrittsverhandlungen. Es ist daher keineswegs fernliegend, sondern im Gegen-teil überwiegend wahrscheinlich, dass beim Austritt jedenfalls nicht alle rechtlichen Belange in einem Aus-trittsabkommen lückenlos geregelt sein werden.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist nicht absehbar, wie die zukünftigen Rechtsbeziehungen zwischen dem Ver-einigten Königreich und der Europäischen Union ausge-staltet sein werden. Allerdings hat Prime Minister May einen „harten“ Brexit angekündigt. Damit wird eine Teil-nahme des Vereinigten Königreichs am europäischen Binnenmarkt, etwa vergleichbar mit Norwegen oder der Schweiz, wenig wahrscheinlich. Da nach derzeiti-gem Sachstand das Vereinigte Königreich nicht bereit ist, EU-Bürgern weiterhin Arbeitnehmerfreizügigkeit zu gewähren sowie die Rechtsprechung des EuGH anzu-erkennen, dürfte den Briten im Gegenzug der uneinge-schränkte Zugang zum Binnenmarkt verstellt sein.

Damit gilt es für Unternehmen mit Verbindungen in das Vereinigte Königreich, eine Reihe von Themenkrei-

sen frühzeitig zu adressieren. Insbesondere die nach-folgenden Bereiche sind praxisrelevant. Bei unseren Ausführungen unterstellen wir, dass im Rahmen der Austrittsverhandlung für den jeweiligen Bereich keine Neuregelung gefunden wird.

I. Rechtswahl- und Gerichtsstandsklauseln in Verträgen mit Geschäftspartnern im Vereinigten Königreich

Aktuell richten sich Rechtswahl, internationale Zustän-digkeit von Gerichten sowie die grenzüberschreitende Vollstreckung von Gerichtsurteilen nach europäischen Rechtsakten. Diese werden nach dem Brexit von den Gerichten des Vereinigten Königreichs nicht mehr an-gewandt.

Auch nach dem Brexit werden Rechtswahlklauseln grundsätzlich wirksam sein. Gerichte der Mitglieds-staaten werden das anwendbare Recht weiter nach der Rom-I- und Rom-II-Verordnung bestimmen. Inso-weit wird sich durch den Brexit nichts ändern, auch wenn die Parteien englisches Recht vereinbart haben.

BREXIT – WAS UNTERNEHMENS-LEITER SCHON HEUTEBEACHTEN SOLLTEN

Dr. Ulrike Binder,

Rechts anwältin

und Partnerin

Dr. Jan Kraayvanger,

Rechtsanwalt und Partner,

Mayer Brown LLP,

Frankfurt am Main

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 60

Demgegenüber werden die Gerichte des Vereinigten Königreichs zwar nationales Recht anwenden. Jedoch erkennt auch dieses Rechtswahlklauseln grundsätzlich an. Rechtsanwaltsklauseln werden also auch aus der englischen Perspektive ihre Gültigkeit behalten.

Zu berücksichtigen ist allerdings, dass sich das materi-elle englische Recht selbst ändern wird. Wurde bislang „englisches Recht“ vereinbart, so war damit zugleich das gesamte Recht der EU anwendbar. Zudem galt für die Auslegung europarechtlich beeinflusster Vor-schriften die Rechtsprechung des EuGH. Beides wird nach dem Brexit nicht mehr der Fall sein, so dass sich das englische Recht und seine Auslegung vom euro-päischen Recht abkoppeln werden. Deshalb sollte zu-künftig genau geprüft werden, ob die Wahl englischen Rechts sinnvoll ist.

Weit kritischer ist die Auswirkung des Brexit auf die grenzüberschreitende Vollstreckbarkeit von Gerichts-urteilen. Aktuell sind aufgrund der EuGVO deutsche Gerichtsurteile im Vereinigten Königreich und umge-kehrt ohne weitere Anerkennungserfordernisse voll-streckbar. Diese Vereinfachung wird nach dem Brexit wegfallen. Die deutsche ZPO verlangt dann die Durch-führung eines vollständigen Gerichtsverfahrens über die Anerkennung und Vollstreckbarkeit des ausländi-schen Titels. Dies stellt eine ganz erhebliche Erschwer-nis gegenüber dem Prozedere unter der EuGVO dar. Gleichermaßen erschwert wird die Anerkennung und Durchsetzung eines deutschen Urteils im Vereinigten Königreich.

Auch entsteht die Gefahr von Zuständigkeitskonflik-ten, da die Gerichte der Mitgliedsstaaten sowie des Ver-einigten Königreichs ihre internationale Zuständigkeit nach unterschiedlichen Regeln bestimmen werden.

Damit wird der Wahl des Gerichtsstands zukünftig eine noch entscheidendere Bedeutung zukommen. Unter-nehmen sollten daher heute schon ihr Vertragsportfo-lio danach untersuchen, ob die darin vereinbarten Ge-richtsstände auch nach dem Brexit noch sinnvoll sind und ob sie nach den dann einschlägigen nationalen Vorschriften sowohl nach deutschem als auch engli-schem Recht wirksam sind. Denn die bislang ebenfalls in der EuGVO geregelte Wirksamkeit von Gerichts-standsklauseln wird sich zukünftig ebenfalls nach na-tionalen Vorschriften richten.

Diese Unsicherheiten und Erschwernisse können es angezeigt erscheinen lassen, für bestehende oder zu-künftig abzuschließende Verträge Schiedsvereinba-rungen zu treffen. Schiedsurteile können nach dem New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche voll-streckt werden. Das Übereinkommen, dem 156 Staaten inklusive des Vereinigten Königreichs und der Bundes-republik Deutschland beigetreten sind, bleibt durch den Brexit unberührt.

Weiterhin wird auch die europäische Zustellungsver-ordnung im Verhältnis zum Vereinigten Königreich ih-re Anwendbarkeit verlieren. Es ist daher sinnvoll, die gegenseitige Bestellung von Zustellungsbevollmäch-tigten im Land des jeweils anderen Vertragspartners vertraglich zu vereinbaren.

II. Umgang mit Geschäftspartnern in der Rechtsform einer englischen Gesellschaft mit Sitz außerhalb des Vereinigten Königreichs

Nach der Rechtsprechung des EuGH wird bislang auf eine englische Limited, die ihren Verwaltungssitz in die Bundesrepublik Deutschland verlegt hat, englisches Gesellschaftsrecht angewendet. Dies folgt aus der Niederlassungsfreiheit nach Art. 49, 54 AEUV. Demge-genüber gilt außerhalb des Anwendungsbereichs der Niederlassungsfreiheit in Deutschland die sog. Sitzthe-orie. Danach ist auf eine Gesellschaft das Recht ihres tatsächlichen Verwaltungssitzes anzuwenden. Der Ver-waltungssitz ist der Ort, an dem die Geschäftsleitung tä-tig ist und die grundlegenden Unternehmensentschei-dungen in laufende Geschäftsführungsakte umsetzt. Nach dem Brexit wird es für englische Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland einen Statuswech-sel geben. Demnach werden die Gesellschaften nicht etwa unwirksam, sondern werden nach deutschem Gesellschaftsrecht beurteilt. Die Limited wird zu einer OHG oder einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, wenn sie mehrere Gesellschafter hat. Hat sie nur einen Gesell-schafter, wird sie liquidationslos unter Gesamtrechts-nachfolge ihres einzigen Gesellschafters vollbeendet. Durch den Statuswechsel der Ltd entfällt somit ihr Haf-tungsprivileg, Gesellschafter haften also persönlich. Betroffene Gesellschaften sollten daher Vorkehrungen treffen, um das Haftungsprivileg zu sichern. Dafür kom-men etwa die Verlegung des Verwaltungssitzes der Ltd

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in das Vereinigte Königreich oder die Umwandlung der Gesellschaft in eine andere Gesellschaftsform, etwa durch einen grenzüberschreitenden Formwechsel oder die grenzüberschreitende Verschmelzung der Ltd auf eine deutsche GmbH, in Frage. Für den Vertragspartner einer Ltd ist der Wegfall des Haftungsprivilegs zunächst nicht nachteilig, er sollte sich jedoch auf die vorbe-schriebenen Maßnahmen einstellen.

III. Arbeitnehmerfreizügigkeit

Auch für Arbeitnehmer wird ein (harter) Brexit weitrei-chende Folgen haben. Die offensichtlichste ist der Ver-lust der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Staatsangehörige aus dem Vereinigten Königreich werden daher grund-sätzlich wie Staatsangehörige aus Nicht-EU-Staaten zu behandeln sein, d.h. sie benötigen einen Aufenthaltsti-tel, der eine Erwerbstätigkeit gestattet.

Eine weitere Folge des Brexit sind Veränderungen bei europäischen Betriebsräten (EBR). Durch den Brexit kann deren Existenz infrage stehen, etwa weil die er-forderliche Anzahl an zu berücksichtigenden Arbeit-nehmern unterschritten wird oder sich die gemein-schaftsweite Betätigung eines Unternehmens bislang nur aus dessen Tätigkeit im Vereinigten Königreich er-gab. Bei fortbestehenden EBR stellt sich die Frage, ob Arbeitnehmer aus dem Vereinigten Königreich weiter beteiligt sein können, hier dürften neue Vereinbarun-

gen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite notwendig sein. Zudem kann es erforderlich werden, die Verantwortung für die Wahrung der Unterrich-tungs- und Anhörungsrechte des EBR neu zu organisie-ren, insbesondere wenn diese bislang bei der zentralen Leitung im Vereinigten Königreich lag.

Auch die Arbeitnehmerentsendung wird in ihrer bis-herigen Form nicht bestehen bleiben. Bisher unterlag nach der EU-Verordnung EG 883/2004 der entsandte Arbeitnehmer weiterhin den Rechtsvorschriften des Entsendestaats, soweit die voraussichtliche Dauer sei-ner Entsendung 24 Monate nicht überstieg. Hier dürf-te ein bislang europarechtlich überlagertes bilaterales Sozialversicherungsabkommen aus dem Jahr 1960 wieder relevant werden, das eine ähnliche Regelung zumindest für 12 Monate vorsieht. Hinzu kommt das Erfordernis, ein Visum und eine Arbeitserlaubnis zu be-schaffen.

IV. Finanzierungen

Weiterer Handlungsbedarf kann bestehen, wenn sich ein Unternehmen über Kreditverträge mit englischen Banken finanziert. Solche Verträge enthalten häufig Verweise auf das EU-Territorium bzw. die EU-Gesetzge-bung, vor allem, wenn sie unter den Standards der Lo-an Market Association (LMA) geschlossen wurden. Die-se Vertragsdokumente werden im Einzelnen zu prüfen sein. Insbesondere ist der Frage nachzugehen, ob die Verweise auch noch nach dem Ausscheiden des Verei-nigten Königreichs aus dem EU-Territorium den Willen der Parteien widerspiegeln oder ob Anpassungen vor-zunehmen sind.

Weiter ist es möglich, dass Kreditgeber mit Sitz im Ver-einigten Königreich nach dem Brexit nicht ohne wei-teres befugt sein werden, hierzulande Kreditgeschäfte zu betreiben. Eine Bankerlaubnis im Vereinigten König-reich würde dann grundsätzlich nicht mehr genügen. Hierdurch kann unter dem Kreditvertrag eine vorzeitige Rückzahlungspflicht des Kreditnehmers ausgelöst wer-den (illegality clause). Möglich ist auch, dass der Kre-ditgeber berechtigt ist, seine Rechte und Pflichten auf einen neuen Kreditgeber zu übertragen (designated entity clause). Es kann zudem nicht ausgeschlossen wer-den, dass unter bestimmten Voraussetzungen der Aus-tritt des Vereinigten Königreichs ein Kündigungsrecht unter einer material adverse change Klausel auslöst.

Von besonderer Relevanz ist der Brexit für den freien Handel mit

dem Vereinigten Königreich. Kommt es zu einem Austritt des

Vereinigten Königreichs auch aus dem Europäischen Binnenmarkt,

ist mit Handelshindernissen zu rechnen.

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V. Handelshindernisse und Vertragsauslegung

Von besonderer Relevanz ist der Brexit für den freien Handel mit dem Vereinigten Königreich. Kommt es zu einem Austritt des Vereinigten Königreichs auch aus dem Europäischen Binnenmarkt, ist mit Handelshin-dernissen zu rechnen. Solche Hindernisse sind in Form von Zöllen, vor allem aber auch von unterschiedlichen Produktstandards denkbar. Auch hier sollte frühzeitig geregelt werden, wie auf solche Entwicklungen zu reagieren ist, d.h. wie sich mögliche Zölle auf die zwi-schen den Parteien vereinbarten Preise auswirken und ob der Hersteller beispielsweise verpflichtet ist, das Produkt im Falle abweichender Sicherheitsstandards anzupassen. Werden Güter bislang über das Vereinigte Königreich in die EU ein- oder ausgeführt, kann es vor-zuziehen sein, eine direkte Lieferbeziehung mit dem Drittstaat aufzubauen.

Zweifelsfragen bei der Vertragsauslegung sind zudem bei Territorialvorschriften denkbar, beispielsweise in Vertriebsvereinbarungen sowie Franchise- und Lizenz-verträgen. So stellt sich etwa die Frage, ob das Recht zum „EU-weiten“ Vertrieb eines Produktes auch zu-künftig noch das Gebiet des Vereinigten Königreichs einschließen wird. Hierbei handelt es sich um eine Aus-legungsfrage, die nur für den Einzelfall beantwortet werden kann. Idealerweise einigen sich die Vertrags-parteien frühzeitig auf eine gemeinsame Auslegung und dokumentieren dies beispielsweise in einer Zu-satzvereinbarung.

Ebenfalls einzelfallabhängig ist die Frage, ob vom Brexit betroffene Vertragsparteien ein Recht auf Vertragsan-

passung oder Vertragsaufhebung nach den Grundsät-zen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage haben. Dies kann der Fall sein, wenn die weitere Vertragserfüllung für eine Seite erheblich erschwert wird, so dass sie un-ter wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht mehr sinnvoll erscheint. Allerdings ist hier weitere Voraussetzung, dass die Entwicklung für die Parteien nicht vorhersehbar war. Bei Abschluss neuer Verträge sollte daher eine ausdrück-liche vertragliche Regelung zu Risiko verteilung und Kün-digungsrechten in Bezug auf mögliche Zölle und sonsti-ge Handelsbeschränkungen getroffen werden.

VI. Datenverarbeitung, Datenschutz

Nach dem Brexit könnte das Vereinigte Königreich datenschutzrechtlich als unsicherer Drittstaat gelten. Sollen Daten aus der EU in das Vereinigte Königreich übermittelt werden, muss der Nachweis eines „ange-messenen Schutzniveaus“ geführt werden, selbst dann, wenn der Datenverkehr unternehmens- bzw. konzern-intern stattfindet. Werden also Daten auf einem Server mit Standort im Vereinigten Königreich gespeichert, muss rechtzeitig ein angemessenes Schutzniveau si-chergestellt werden. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass im Vereinigten Königreich die ab Mai 2018 in allen Mitgliedsstaaten geltende Datenschutz-Grundverord-nung nicht anwendbar sein wird.

Der vorstehende Überblick zeigt, dass Unterneh-men mit Rechtsbeziehungen in das Vereinigte König-reich den Austrittsprozess genau beobachten sollten. Darüber hinaus sollten sie heute schon identifizieren, welche rechtlichen Themen für ihr Geschäft relevant sind und mögliche austrittsbedingte Probleme frühzei-tig mit ihren englischen Vertragspartnern adressieren.

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Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein GmbH-Geschäftsführer den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten beschreiten und sich hier-

bei auch auf arbeitnehmerschützende Vorschriften be-rufen kann, entwickelt sich zum Dauerbrenner.

Zahlreiche höchstrichterliche Entscheidungen beant-worten diese Frage voneinander abweichend und schei-nen in einem vermeintlichen Widerspruch zueinander zu stehen. Tatsächlich sind die unterschiedlichen Ent-scheidungen jedoch darauf zurückzuführen, dass das deutsche Arbeitsrecht und das europäische Unionsrecht einen voneinander abweichenden Arbeitnehmerbegriff zugrunde legen. Da das deutsche Arbeitsrecht in zuneh-mendem Maße auf dem europäischen Unionsrecht ba-siert, nimmt auch die Bedeutung des unionsrechtlichen Arbeitnehmerbegriffs in der Praxis immer weiter zu.

I. Begriff des „Arbeitnehmers“

Weder das deutsche Arbeitsrecht noch das europäi-sche Unionsrecht enthalten eine gesetzliche Definition des „Arbeitnehmers“. Zur Begriffsbestimmung muss deshalb auf die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden.

1. Der Arbeitnehmerbegriff des deutschen ArbeitsrechtsDie deutsche Rechtsprechung hat für das Arbeitsrecht die Definition geprägt, wonach derjenige Arbeitneh-mer ist, welcher einem anderen gegenüber vertraglich

zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist (vgl. u.a. BAG; Urteil vom 29.08.2012 – 10 AZR 499/11).

Kennzeichnend für die persönliche Abhängigkeit ist, dass sich das Weisungs- und Direktionsrecht des Ar-beitgebers gerade auch auf Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit erstreckt.

2. Der Arbeitnehmerbegriff des europäischen UnionsrechtsDer EuGH geht hingegen zunächst davon aus, der Be-griff des Arbeitnehmers müsse für jede Richtlinie je nach ihrem Regelungsgehalt und Schutzzweck geson-dert bestimmt werden. Dennoch kann auch der Recht-sprechung des EuGH ein in zahlreichen Entscheidun-gen bestätigter unionsrechtlicher Arbeitnehmerbegriff entnommen werden.

Hiernach ist Arbeitnehmer, wer während einer be-stimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält (vgl. EuGH, Urteil vom 03.07.1986 – C-66/85 – „Lawrie-Blum).

DER GMBH-GESCHÄFTSFÜHRERALS ARBEITNEHMER IM SINNEDES ARBEITSRECHTS!?

Kevin Wilson,

Rechtsanwalt, Fachanwalt für

Handels- und Gesellschaftsrecht

sowie Fachanwalt für Arbeitsrecht,

Klinger & Tschersich Rechtsanwälte

Partnerschaft mbB

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 64

Das Vorliegen eines persönlichen Abhängigkeitsver-hältnisses ist für den EuGH – anders als für die deut-schen Gerichte – jedoch nicht Voraussetzung der Arbeitnehmereigenschaft. Auch wer Inhalt, Durchfüh-rung, Zeit, Dauer und Ort seiner Tätigkeit selbst be-stimmt kann also Arbeitnehmer im Sinne des europä-ischen Unionsrechts sein.

3. Der Sonderfall des GmbH-GeschäftsführersIm Hinblick auf den GmbH-Geschäftsführer sind sich sowohl der BGH und das BAG als auch der EuGH un-einig darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen ein GmbH-Geschäftsführer als Arbeitnehmer zu quali-fizieren ist.

a) BundesgerichtshofNach der ständigen Rechtsprechung des BGH ist das Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers stets ein freies Dienstverhältnis und kein Arbeitsver-hältnis. So ist die Organstellung mit der Arbeitnehme-reigenschaft nach Auffassung des BGH grundsätzlich unvereinbar. Die gesetzliche Vertretungsmacht des Ge-schäftsführers soll dazu führen, dass dieser selbst die Ar-beitgeberstellung innehat. Deshalb ist es ausgeschlos-sen, ihn gleichzeitig im Verhältnis zur Gesellschaft als persönlich anhängigen Arbeitnehmer zu qualifizieren (vgl. BGH, Urteil vom 29.01.1981 – II ZR 92/80).

Die Frage, ob es sich um einen Fremd- oder Gesell-schafter-Geschäftsführer handelt, ist nach Auffassung des BGH damit nicht von entscheidender Bedeutung.

b) BundesarbeitsgerichtAbweichend hiervon geht das BAG davon aus, dass die Organstellung des Geschäftsführers nicht von vorn-herein mit der Arbeitnehmereigenschaft unvereinbar ist, da auch der Geschäftsführer dem Weisungs- und Direktionsrecht unterfallen und damit persönlich ab-hängig sein kann (vgl. BAG, Urteil vom 26.05.1999 – 5 AZR 664/98).

Allerdings lässt das BAG allein die Weisungsbefug-nis der Gesellschafterversammlung gegenüber dem Geschäftsführer nach § 37 Abs.1 GmbHG regelmäßig nicht ausreichen, um von einer persönlichen Abhän-gigkeit auszugehen. Das Weisungsrecht der Gesell-schafterversammlung ist nach Auffassung des BAG ge-sellschaftsrechtlicher Natur und soll sich ausschließlich auf das organschaftliche Bestellungsverhältnis bezie-

hen. Es erlaubt den Gesellschaftern aber gerade nicht, Inhalt, Ort und Zeit der Leistung des Geschäftsführers festzulegen, so dass hieraus gerade keine persönliche Abhängigkeit begründet wird, welche nach einhelliger Auffassung des BAG und des BGH aber prägend für ein Arbeitsverhältnis ist.

Arbeitnehmer ist der Geschäftsführer nach Auffassung des BAG deshalb nur dann, wenn die Gesellschaft zu-sätzlich zu ihrem Weisungsrecht nach § 37 Abs.1 Gmb-HG auch arbeitsbegleitende und verfahrensorientierte Weisungen erteilen und auf diese Weise die konkre-ten Modalitäten der Leistungserbringung bestimmen kann (vgl. BAG, Urteil vom 26.05.1999 – 5 AZR 664/98).

Dies dürfte in der Praxis auch bei einem Fremd-Ge-schäftsführer nur äußerst selten der Fall sein.

c) Europäischer GerichtshofNach Auffassung des EuGH ist der GmbH-Geschäfts-führer dann Arbeitnehmer, wenn er Weisungen der Gesellschafterversammlung untersteht und unter deren Aufsicht handelt, als Gegenleistung für seine Tätigkeit eine Vergütung erhält und jederzeit ohne Einschränkung auch gegen seinen Willen von seinem Amt abberufen werden kann (vgl. EuGH, Urteil vom 11.11.2010 – C-232/09 – „Danosa“ sowie EuGH, Urteil vom 09.07.2015 - C-229/14 - „Balkaya“).

Nach der ständigen Recht sprechung des BGH ist das

Anstellungsverhältnis des GmbH-Geschäftsführers stets ein

freies Dienstverhältnis und kein Arbeitsverhältnis. So ist

die Organstellung mit der Arbeit-nehmereigenschaft nach

Auffassung des BGH grund- sätzlich unvereinbar.

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Die Natur des Beschäftigungsverhältnisses auf natio-naler Ebene soll nach Auffassung des EuGH hingegen ebenso unbedeutend sein wie der ggf. vorhandene wei-te Entscheidungsspielraum des Geschäftsführer (vgl. EuGH, Urteil vom 09.07.2015 – C-229/14 – „Balkaya“).

Hiernach wird es sich bei einem Fremd-Geschäftsfüh-rer nahezu immer um einen Arbeitnehmer im Sinne des Unionsrechts handeln, da ihm die Gesellschafter-versammlung grundsätzlich nach § 37 Abs.1 GmbHG Weisungen erteilen und ihn nach § 38 Abs.1 GmbHG jederzeit von seinem Amt abberufen kann.

Bei einem Gesellschafter-Geschäftsführer muss hinge-gen für jeden Einzelfall geprüft werden, in welchem Umfang die Gesellschafterversammlung dem Gesell-schafter-Geschäftsführer tatsächlich Weisungen ertei-len und deren Umsetzung kontrollieren kann bzw. in welchem Umfang der Gesellschafter-Geschäftsführer auf die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung Einfluss nehmen kann. Jedenfalls bei einer erheblichen Einflussmöglichkeit des Gesellschafter-Geschäftsfüh-rers auf das Verwaltungs- und Kontrollorgan fehlt es an dem für einen Arbeitnehmer erforderlichen Unter-ordnungsverhältnis (vgl. EuGH, Urteil vom 10.09.2015 – C-47/14 – „Holterman“).

Hiernach wird auch der Minderheitsgesellschafter-Ge-schäftsführer nach dem Unionsrecht regelmäßig als Arbeitnehmer einzustufen sein, jedenfalls solange er nicht über eine Sperrminorität verfügt.

Der Alleingesellschafter-Geschäftsführer ist hinge-gen niemals Arbeitnehmer (vgl. EuGH, Urteil vom 27.06.1996 – C-107/94 – „Asscher“).

II. Praktische Auswirkungen der unter-schiedlichen Arbeitnehmerbegriffe

Um im Einzelfall bestimmen zu können, ob eine ar-beitsrechtliche (Schutz-) Norm auf einen GmbH-Ge-schäftsführer Anwendung findet, muss die Norm zuallererst dahingehend geprüft werden, ob ihr der deutsche oder der europarechtliche Arbeitnehmerbe-griff zugrunde liegt.

Hierbei sind drei Fallkonstellationen zu unterscheiden: (1) Eine Norm, die keinen Bezug zum Unionsrecht auf-weist, der insbesondere keine europäische Richtlinie zugrunde liegt, (2) Eine Norm, welcher eine europä-ische Richtlinie zugrunde liegt, die aber ihrerseits auf den nationalen Arbeitnehmerbegriff verweist sowie (3) Eine Norm, welcher eine europäische Richtlinie zu-grunde liegt, die nicht ihrerseits auf den nationalen Ar-beitnehmerbegriff verweist.

1. Beispiel: Zuständigkeit des Arbeitsgerichts für Klagen des Geschäftsführers?Nach § 5 ArbGG sind die Arbeitsgerichte für Klagen von Arbeitnehmern zuständig. Ausdrücklich regelt § 5 Abs.1 Satz 3 ArbGG, dass ein GmbH-Geschäftsführer während bestehender Organstellung nicht als Arbeit-nehmer im Sinne des ArbGG gilt.

Allerdings soll nach der aktuellen Rechtsprechung des BAG eine Zuständigkeit der Arbeitsgerichte nach Abberu-fung aus der Organstellung jedenfalls im Einzelfall möglich sein (vgl. BAG, Beschluss vom 22.10.2014 – 10 AZB 46/14 und BAG, Beschluss vom 03.12.2014 – 10 AZB 98/14).

Nachdem das ArbGG nicht auf dem Unionsrecht basiert, wird es für die Auslegung des Arbeitnehmerbegriffs des § 5 ArbGG auch künftig auf die Rechtsprechung des BAG zum deutschen Arbeitnehmerbegriff ankommen.

2. Beispiel: Anwendbarkeit des § 613 a BGB auf Geschäftsführer bei Betriebsübergang?Nach § 613 a BGB gehen Arbeitsverhältnisse von Ar-beitnehmern im Fall eines Betriebsübergangs vom Ver-äußerer auf den Erwerber über. Die Regelung basiert auf einer unionsrechtlichen Richtlinie (RL 2001/23/EG).

Die Natur des Beschäftigungsver-hältnisses auf nationaler Ebene soll

nach Auffassung des EuGH hingegen ebenso unbedeutend sein wie der ggf.

vorhandene weite Entscheidungs-spielraum des Geschäftsführer.

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Zum Teil wird deshalb vertreten, auch im Rahmen des Betriebsübergangs sei der unionsrechtliche Arbeitneh-merbegriff maßgeblich.

Die Betriebsübergangs-Richtlinie stellt jedoch in Art. 2 Lit. d) zur Bestimmung des Arbeitnehmerbegriffs aus-drücklich auf die einzelstaatlichen Regelungen und da-mit auf den nationalen Arbeitnehmerbegriff ab.

Auch in diesem Fall wird für die Auslegung des Arbeit-nehmerbegriffs die Rechtsprechung des BGH sowie des BAG heranzuziehen sein.

3. Beispiel: Berücksichtigung des Geschäfts- führers bei Massenentlassungsanzeige nach § 17 Abs.1 KSchG?Nach § 17 Abs.1 Nr.1 KSchG hat ein Arbeitgeber unter anderem dann eine Anzeige gegenüber der Agentur für Arbeit vorzunehmen, wenn er in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitneh-mern mehr als 5 Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalen-dertagen entlassen möchte.

Auch § 17 KSchG basiert auf einer unionsrechtlichen Richtlinie (RL 98/59/EG). Diese verweist jedoch nicht auf

den deutschen Arbeitnehmerbegriff, so dass der unions-rechtliche Arbeitnehmerbegriff zugrunde zu legen ist.

Der EuGH hat in der bereits zitierten „Balkaya“-Ent-scheidung entschieden, dass der Fremd-Geschäftsfüh-rer einer deutschen GmbH als Arbeitnehmer im Sinne des Massenentlassungsrechts gilt. Gleiches dürfte auch für den Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer oh-ne Sperrminorität gelten.

Ausblick: Anwendbarkeit weiterer arbeitsrechtlicher (Schutz-) Vorschriften auf den GmbH-Geschäftsführer?Unter anderem basieren auch das Mutterschutzgesetz (RL 85/92/EG), das Allgemeine Gleichbehandlungsge-setz (RL 2002/73/EG), das Arbeitszeitgesetz (RL 2003/88/EG) sowie das Bundesurlaubsgesetz (RL 2003/88/EG) auf unionsrechtlichen Richtlinien, welche nicht ihrer-seits auf die nationalen Vorgaben verweisen.

Auch wenn dies von der Rechtsprechung bislang noch nicht ausdrücklich entschieden wurde, ist deshalb da-von auszugehen, dass die entsprechenden Vorschrif-ten auch auf den Fremd-Geschäftsführer sowie den Minder heitsgesellschafter-Geschäftsführer ohne Sperr-minorität anzuwenden sind.

III. Resümee

Bezüglich der Frage, ob ein GmbH-Geschäftsführer als Arbeitnehmer im Sinne arbeitsrechtlicher Regelungen ein-zustufen ist, verbietet sich auch zukünftig eine generelle Aussage. Vielmehr ist bezüglich jeder einzelnen Vorschrift zu prüfen, welcher Arbeitnehmerbegriff zugrunde zu legen ist und ob der Geschäftsführer die jeweiligen Voraus-setzungen erfüllt.

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 67

Familienunternehmen sind Unternehmen, deren Anteile einer Familie gehören und die operativ von Familienmitgliedern geleitet werden. Viele dieser

Unternehmen stehen derzeit vor der Aufgabe, das Un-ternehmen in die Hände der nächsten Generation zu legen. Doch nur etwa die Hälfte der deutschen Famili-enunternehmen kann ihre Geschäftsführung mit Mit-gliedern der eigenen Familie besetzen. Sei es, dass die Kinder noch zu jung sind oder ein anderes Lebensmo-dell verwirklichen wollen als das des stets verfügbaren Unternehmers mit seiner hohen Verantwortung für Mit-arbeiter und Familienvermögen. „Ein Sohn gehört ins Unternehmen“, dies ist heute kein Automatismus mehr.

Damit bieten sich außenstehenden Managern viele Möglichkeiten, ein Geschäftsführungsamt zu überneh-men. Erwartet man von ihnen, „Freund der Familie“ zu sein? Werden sie gar zu einem Teil der Familie? Oder ist die Führung eines Familienunternehmens für Außen-stehende ein Schleudersitz? Wer sich der speziellen DNA von Familienunternehmen bewusst ist und sich mit deren Selbstverständnis identifizieren kann, findet dort ein vertrauensgeprägtes, strategisch denkendes Umfeld, mit dem zusammen sich viel bewegen lässt.

Herausforderung Familienunternehmen

Insbesondere in der GmbH können Gesellschafter ei-nem Geschäftsführer das Leben schwer machen. Er kann jederzeit abberufen werden – vielleicht auch nur aufgrund einer Laune des Familienpatriarchen. Den Makel des Scheiterns, dem sich das persönliche Re-nommee des Geschäftsführers ausgesetzt sieht, kann auch eine Abfindung nicht heilen. Über eine Geschäfts-ordnung oder Gesellschafterweisungen kann seine Entscheidungskompetenz extrem beschränkt werden – generell oder im Einzelfall. Die Gesellschafterver-sammlung oder ein Beirat können umfassende Kont-rollrechte ausüben, was im Einzelfall als Misstrauen in die eigene Kompetenz gewertet werden kann.

Dies gilt insbesondere in der Übergangsphase von der Familien- zur Fremdgeschäftsführung. Der neue Ge-schäftsführer kann nicht jedes Detail der Führungskultur kennen, die der bislang tätige Gründer durch jahrzehn-telange Bewährung gelebt und geprägt hat. Dies ist besonders fatal, wenn der eigentlich schon ausgeschie-dene Gründer nicht konsequent loslassen kann. Sei es auch nur, indem er beim „Spaziergang durch die Abtei-

FREMDGESCHÄFTSFÜHRERIN FAMILIENUNTERNEHMEN

Dr. Raoul Kreide,

Rechtsanwalt, Local Partner,

Mediator

GSK Stockmann Heidelberg

Friend, Family oder Schleudersitz für Fools?

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lungen“ Zweifel an den „neumodischen“ (also falschen?) Entscheidungen des Fremdgeschäftsführers säht. Rück-grat bewies Hermanus Koning, als er bei Grundig die operative Leitung von Max Grundig übernehmen sollte. Richtigerweise bestand er darauf, auch in dessen Büro einzuziehen. Mit einem Max Grundig, der als pensionier-ter „Schatten-Chef“ weiterhin in seinem Büro residiert, wäre das Standing des neuen Fremdgeschäftsführers von vornherein beschädigt gewesen.

Das Unternehmen als Lebenswerk

Dahinter steckt jedoch fast immer die Sorge um das ei-gene Lebenswerk. Der Gründer, der das Unternehmen erfolgreich aufgebaut und geleitet hat, identifiziert sich stark mit dem Unternehmen und sieht hierin auch die persönliche Bestätigung für die aufopferungsvollen Entbehrungen, die der Erfolg mit sich gebracht hat. Da-her fällt es schwer, die operative Führung des eigenen Familienunternehmens in fremde Hände zu legen. Es gibt sogar Fälle, in denen ein Vater das Scheitern der eigenen Söhne mit Genugtuung zur Kenntnis nimmt. Denn dadurch bestätigt sich ja nur, dass kein anderer ebenso geeignet ist, den bisherigen Erfolg des Unter-nehmens weiterzuführen.

Als Fremdgeschäftsführer sollte man auch bedenken, dass die Nachfolgelösung auch der „Exit“ hätte sein können. Mit der Übergabe der operativen Leitung an ein Fremdmanagement hat sich die Familie gegen ei-nen Verkauf entschieden. Als Renditeobjekt ist das Un-ternehmen zwar bis ins Detail bekannt, stellt aber ein ganz erhebliches Klumpenrisiko dar. Nicht verkauft zu haben ist daher vor allem ein starkes Zeichen, dass sich die Familie weiterhin als Unternehmerfamilie sieht, den damit verbundenen Status behalten möchte und sich zu ihrer Verantwortung für den Standort und die Mit-arbeiter bekennt. Dies gilt in besonderem Maße für Fa-milienmitglieder, deren Name das Unternehmen trägt.

Unternehmenskultur

Unternehmerfamilien sind mit der Entwicklung des Unternehmens über viele Generationen, Meilensteine und Krisen hinweg verwurzelt. Traditionen machen einen Großteil des strategischen Selbstverständnisses der Familie aus, welches sich etwa in dem Bekenntnis zu sozialer Verantwortung zeigt. Dies führt zu einer ho-hen Loyalität der Mitarbeiter, die teilweise selbst schon

in zweiter oder dritter Generation im Unternehmen ar-beiten. Noch heute kennen viele Gründer jeden ihrer Mitarbeiter mit Namen. Es wird daher geschätzt, wenn sich der Fremdmanager auf diesen patriarchischen Führungsstil einlässt und sich nicht als unnahbarer „Boss“ zeigt. Dann wird auch die mittlere Führungs-ebene neuen Ideen gegenüber aufgeschlossen sein. Charakteristisch ist auch ein „bodenständiges“ Selbst-verständnis der Familienmitglieder. Das Unternehmen mit eigenen Händen aufgebaut zu haben prägt oftmals bis heute das Verhältnis zu Statussymbolen. Ein sensib-ler Fremdgeschäftsführer ordnet sich hier mit einer ge-wissen Demut vor dem Unternehmensvermögen und der dahinterstehenden Lebensleistung ein.

Aufgrund dieses Selbstverständnisses sind für eine Familie andere Dinge wichtig als für den freien Ka-pitalmarkt. Statt kurzfristiger Rentabilität sind Un-ternehmerfamilien bereit, Gewinnerwartungen zu-rückzustellen, wenn durch Investition oder auch nur Liquiditätsschonung der Erhalt des Unternehmens für die folgenden Generationen gesichert wird. Innovati-onen können daher strategisch entwickelt werden. Es ist nicht erforderlich, Aktienkurse durch kurzfristige Erfolge hoch zu halten, um feindliche Übernahmen zu vermeiden. Dies ermöglicht der Geschäftsführung, wenn sie die Familie in ihre Überlegungen einbindet, schnellere und mutigere Entscheidungen zur strategi-schen Weiterentwicklung als in einem Konzern, in dem die deutsche Tochter den internationalen Vorgaben der Muttergesellschaft folgen muss.

Identifikation mit der Familie

Durch Fremdgeschäftsführer lässt sich schnell große Er-fahrung ins Führungsteam holen, insbesondere wenn das Unternehmen immer stärker global agiert. Die Un-

„Unternehmerfamilien denken nicht in 5-Jahres-

Verträgen sondern in Generationen.“

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abhängigkeit, unbelastet von familiären Bindungen entscheiden zu können, kann Perspektiven aufzeigen, die mit einem Familiengeschäftsführer nie durchsetz-bar gewesen wären. Die Familie erwartet auch gerade diese professionelle Führung des Unternehmens durch eine charismatische Führungspersönlichkeit.

Der Geschäftsführer sollte sich aber bewusst sein, dass er – mindestens gefühlt – immer auch unter dem Na-men der Familie auftritt. Wer in einem Familienunter-nehmen erfolgreich sein will, muss daher bereit sein, sich mit den Traditionen und Werten der Familie zu identifizieren. Die Chemie muss stimmen. Zu dieser Wertekultur gehören vor allem auch diejenigen Eigen-schaften, die die Gründer vorgelebt haben: Integrität, Handeln in erster Linie zum Wohle des Unternehmens und eine damit verbundene Bescheidenheit, wenn es um eigene materielle Vorteile geht. Ideal ist es, wenn die Unternehmerfamilie bereits einen Wertekanon für ihr Verständnis der Unternehmensführung erarbeitet hat. Diese Werte müssen aber vor allem erlebt und gespürt werden. Aus diesem Grund bildet ein inten-sives persönliches Kennenlernen der Familie die Basis für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Wertschätzung der Lebensleistung der Unternehmerfamilie ist dabei oberstes Gebot.

Sensibilität für die Bedürfnisse der Familie

Es ist das gute Recht der Familiengesellschafter, die strategischen Präferenzen festzulegen. So kann es aus Sicht der Familie richtig sein, am teuren Heimatstand-ort festzuhalten, weil das Bekenntnis zur Region ein stärkerer Wert ist, als die Optimierung der Kapitalren-dite. Hier ist die Bereitschaft gefragt, diese Prioritäten

zu akzeptieren. Problematisch wird dies erst, wenn die Überlebensfähigkeit des Unternehmens gefährdet ist. Aber in diesem Fall wird auch die Familie dem Erhalt des Unternehmens einen hohen Stellenwert einräumen und sich erforderlichen Maßnahmen nicht verschlie-ßen. Hat der Geschäftsführer das Vertrauen der Familie gewonnen, wird diese auch auf ihn hören, wenn er vor Risiken warnt. Ist sich die Familie allerdings nicht einig, so ist davor zu warnen, sich als Fremdgeschäftsführer auf eine Seite zu schlagen. Der Geschäftsführer sollte hier weitest möglich versuchen, sich seine Neutralität zu bewahren. Ansonsten besteht die Gefahr, zwischen den Fronten zerrieben zu werden.

Gemeinsam viel bewegen

Ohne die Besonderheiten von Familienunternehmen zu berücksichtigen ist es nicht leicht, Fremdgeschäfts-führer zu werden und erst recht nicht, es auch zu blei-ben. Gelingt es jedoch, eine vertrauensvolle und zu-gleich professionelle Zusammenarbeit zu leben, bieten Familienunternehmen einem Fremdgeschäftsführer hervorragende Entfaltungsmöglichkeiten. Strategi-sches Denken, unbürokratische Strukturen und kurze Entscheidungswege ermöglichen es, neue Wege ein-zuschlagen. Diese müssen sich nicht durch kurzfristi-ge Profitabilität rechtfertigen, wenn der strategische Vorteil sichtbar ist. Verbunden mit den hochqualifizier-ten, loyalen Mitarbeitern und technischem Know-how bieten mittelständische Familienunternehmen eine herausragende Plattform, um aus den neuen Heraus-forderungen von Industrie 4.0 und Digitalisierung noch stärker hervorzugehen. Hier besteht die Chance, als Ma-nager an etwas Bleibendem mitzubauen und zugleich Werte und soziale Verantwortung leben zu können.

„Wer in Familienunternehmen erfolgreich sein will, muss sich

mit der Familie identifizieren können.“

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Haftungsfälle von Managern haben in den letz-ten Jahren in der Praxis stark zugenommen. Wo früher nur in krassen Ausnahmefällen eine In-

anspruchnahme des Geschäftsführers überhaupt in Betracht gezogen wurde, ist heute in Schadensfällen zumindest die Prüfung von Schadensersatzansprü-chen gegen den Geschäftsführer die Regel. Für den Ge-schäftsführer stellt sich daher verstärkt die Frage, wie er dem Risiko einer Inanspruchnahme möglichst frühzei-tig vorbeugen kann. Einen Königsweg gibt es hier leider nicht. Vielmehr muss man verstehen, welche Umstände zu (gesteigerten) Haftungsrisiken führen, und dann ver-suchen, bei den einzelnen Haftungsvoraussetzungen anzusetzen, um die Risiken zu reduzieren.

Strenger Pflichten- und Sorgfaltsmaßstab

Ausgangspunkt der Geschäftsführerhaftung und der entsprechenden Risiken für den Geschäftsführer ist der strenge Pflichten- und Sorgfaltsmaßstab, den das Gesetz für GmbH-Geschäftsführer vorsieht. Der Ge-schäftsführer soll selbst bei leichtester Fahrlässigkeit für den der Gesellschaft dadurch entstehenden Scha-den aufkommen.

Wenn man bedenkt, wie viele Entscheidungen ein Ge-schäftsführer – oft unter erheblichem Zeitdruck und in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld – tagtäg-lich treffen muss, schafft eine solche Regelung ein im-

menses Haftungsrisiko. Um dieses abzumildern, wurde im Aktienrecht – nach amerikanischem Vorbild – die sogenannte Business Judgement Rule eingeführt, die für den GmbH-Geschäftsführer entsprechend gelten soll. Damit wird in gewissem Umfang ein Haftungsfrei-raum – ein „safe harbour“ – für den Geschäftsführer geschaffen: Er soll demnach nicht für fehlerhafte un-ternehmerische Entscheidungen haften, wenn er sich hinreichend informiert hat und unbefangen ist (Bach-mann, Gutachten E zum 70. Deutschen Juristentag, Reform der Organhaftung? Materielles Haftungsrecht und seine Durchsetzung in privaten und öffentlichen Unternehmen, 2014, E 43). Zwar schränkt die Rege-lung die Haftung des Geschäftsführers durchaus ein, insbesondere wenn man ihre Voraussetzungen im Entscheidungsfindungsprozess berücksichtigt (siehe dazu unten). Dennoch verbleibt ein ganz erhebliches Haftungsrisiko.

Neue „Haftungskultur“

Die gestiegene praktische Relevanz der Geschäftsfüh-rerhaftung liegt weniger im strengen Sorgfaltsmaß-stab – dieser besteht schon seit langem – sondern

ENTHAFTUNGSMÖGLICHKEITENDES GMBH-GESCHÄFTSFÜHRERS

Dr. Hans-Jörg Krämer,

Rechtsanwalt und Fachanwalt für

Steuerrecht, Partner,

ZIRNGIBL Rechtsanwälte

Partnerschaft mbB

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mehr an einer geänderten „Haftungskultur“. Hierzu hat zunächst der BGH mit seiner „ARAG/Garmenbeck-Ent-scheidung“ aus dem Jahr 1997 (BGHZ 135, 244) Anstoß gegeben, indem er Aufsichtsräte verpflichtete, An-sprüche gegen Vorstände geltend zu machen, wenn sie nicht die eigene Haftung riskieren wollen. Hinzu kamen öffentlichkeitswirksame Schadensfälle und die Diskussion über überhöhte Manager-Gehälter, die den Ruf nach Haftung lauter werden ließen.

„Deckung schafft Haftung“

Ganz entscheidenden Einfluss auf die Haftungskul-tur hatte aber auch ein Instrument der „Enthaftung“, das die Manager vor übermäßigen Haftungsgefah-ren schützen (und der Gesellschaft eine realistische Chance auf Schadenskompensation geben) soll: Die sogenannte D&O-Versicherung, eine Vermögensscha-den-Haftpflichtversicherung für Manager. Diese wird zunehmend von den Gesellschaften für ihre Geschäfts-führer abgeschlossen und deckt Haftungsansprüche der Gesellschaft gegen die betreffenden Geschäftsfüh-rer. Keinesfalls sollte sich ein Geschäftsführer aber al-lein auf diese Enthaftungsmöglichkeit verlassen, auch wenn eine gute D&O-Versicherung in jedem Fall besser ist als keine Absicherung (siehe dazu unten).

Tatsächlich erweist sich die D&O-Versicherung nämlich in der Praxis häufig als zweischneidiges Schwert für den Geschäftsführer. Zunächst sehen die Policen in der Re-gel einen Selbstbehalt vor und bei weitem nicht jeder Schaden ist von der Deckungssumme umfasst. Auch der Ausschluss in den Versicherungsbedingungen für vorsätzliches Verhalten ist in der Praxis weitaus rele-vanter als dies ein unbefangener Betrachter vermuten würde. Es bleiben also eine Reihe von Konstellationen, in denen auch eine D&O-Versicherung dem Geschäfts-führer nicht hilft – ganz abgesehen von der oft ganz erheblichen psychischen und zeitlichen Belastung, die ein Haftungsprozess für den Geschäftsführer darstellen kann, auch wenn am Ende die Versicherung einspringt.

Vor allem aber schafft die Deckung durch die D&O-Ver-sicherung oft erst den Grund, dass Schadenersatzan-sprüche geltend gemacht werden und ein teurer, mit zahlreichen Unsicherheiten behafteter Haftungspro-zess geführt wird. Oft sind die Schadenssummen so groß, dass auch stattliche Manager-Vermögen als po-tenzielle Haftungsmasse es nicht rechtfertigen wür-

den, das Prozessrisiko einzugehen, zumal ein Prozess gegen das eigene Personal oft ganz erhebliche Reputa-tionsschäden mit sich bringt und den Unternehmens-frieden nachhaltig stören kann. Das Bestehen einer D&O-Versicherung bringt jedoch die Gremien, die über die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen zu entscheiden haben, häufig in Zugzwang.

In besonderer Weise greift dieser „Anreiz“, Haftungs-ansprüche geltend zu machen, bei Geschäftsführern, die bereits ausgeschieden sind. Nicht nur, dass die Verantwortung für Fehlentwicklungen gerne in der Vergangenheit gesucht wird. Die negativen Auswir-kungen auf das Bild in der Öffentlichkeit sowie das Betriebsklima sind meistens geringer, wenn gegen ein ehemaliges Geschäftsführungsmitglied vorgegangen wird, zumal ein aktiver Geschäftsführer, gegen den ein Haftungsprozess geführt wird, kaum mehr haltbar sein wird bzw. von sich aus sein Amt niederlegen wird.

Haftungsverschärfung durch Beweislastumkehr

Gerade für ausgeschiedene Geschäftsführer erweist sich eine Regelung als faktisch haftungsverschärfend, die häufig nicht im Fokus der Diskussion steht: Die Be-weislastumkehr gem. § 93 Abs. 2 Satz 2 AktG, die auf GmbH-Geschäftsführer entsprechend angewandt wird (Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Auf-lage, 2017, § 43 Rn. 36). Danach muss nicht etwa die Gesellschaft darlegen und beweisen, dass der Ge-schäftsführer pflichtwidrig und schuldhaft gehandelt hat. Es genügt vielmehr, dass eine mögliche Pflichtver-letzung dargetan wird, die zu dem geltend gemachten Schaden geführt hat. Der Geschäftsführer muss dann gegebenenfalls beweisen, dass er nicht pflichtwidrig gehandelt hat.

Bedenkt man, dass oft mehrere Jahre vergehen, bis Schadensersatzansprüche gegen einen Geschäftsfüh-rer geltend gemacht werden – die Verjährungsfrist be-trägt in der Regel fünf Jahre – wird klar, in welch schwie-riger Lage sich der Geschäftsführer oftmals befindet. Er soll im Nachhinein seine Entscheidungen rechtfertigen und lange zurückliegende Vorgänge aufklären, obwohl er aus dem Unternehmen ausgeschieden ist, keinen direkten Zugriff auf Unterlagen hat und nicht mehr in die Unternehmensorganisation eingegliedert ist. Hinzu kommt, dass die Gesellschaft in der Auseinan-

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dersetzung auf ganz andere Ressourcen zurückgreifen kann als der Geschäftsführer, bspw. um umfangreiche Unterlagen auszuwerten oder technische Fragen durch Sachverständige klären zu lassen.

Im Ergebnis kann die gesetzliche Regelung insbeson-dere für ausgeschiedene Geschäftsführer zu akuter „Be-weisnot“ führen und sich faktisch haftungsverschär-fend auswirken. Zwar versucht die Rechtsprechung, diese Problematik zu lösen, indem eine so genannte abgestufte Darlegungs- und Beweislast gelten soll. Er-geben sich aus dem Vortrag des Geschäftsführers plau-sible Anhaltspunkte, dass er seinen Pflichten genügt hat, muss die Gesellschaft diese Argumentation im Rahmen ihrer so genannten sekundären Beweislast er-schüttern (Bachmann, a.a.O., E 35). Weiter werden dem Geschäftsführer sowohl auf materiell-rechtlicher, wie auch prozessualer Ebene Auskunfts- und Einsichtsrech-te zugesprochen. Insbesondere soll der Geschäftsfüh-rer Einsicht in die maßgeblichen Unterlagen erhalten, soweit dies zu seiner Verteidigung erforderlich ist (BGH NJW 2003, 358, 359).

In der Praxis sind diese Ansprüche jedoch oftmals ein stumpfes Schwert. Zunächst entsteht häufig Streit, wie genau der Geschäftsführer die Dokumente, die er einsehen möchte, bezeichnen muss und ob er die im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Sachverhalt stehenden Unterlagen umfassend sichten kann, um den Sachverhalt erst einmal aufzuklären. Die Rechtsprechung lässt hier aus Sicht des Geschäftsfüh-rers die wünschenswerte Klarheit missen. Vor allem aber besteht das Risiko, dass sich die Gesellschaft da-rauf beruft, die betreffenden Unterlagen seien nicht mehr „auffindbar“.

Keine Hilfe durch den Gesetzgeber

Ungeachtet der gestiegenen Haftungsrisiken von Ge-schäftsführern und der wirtschaftlich oft existenzver-nichtenden Folgen der Inanspruchnahme sind haf-tungseinschränkende Maßnahmen des Gesetzgebers auf absehbare Zeit nicht zu erwarten. Die Probleme werden zwar durchaus diskutiert. Eine grundsätzliche Abkehr von den dargestellten strengen Haftungsvor-schriften wird jedoch überwiegend nicht in Betracht gezogen. Letztlich sind aber auch Änderungen im De-tail im derzeitigen politischen Umfeld nicht zu erwar-ten. Ein Geschäftsführer muss sich also überlegen, wie

er auf der Basis der geltenden Regelungen eine Enthaf-tung oder zumindest eine Reduzierung des Haftungs-risikos erreichen kann.

D&O-Versicherung alleine reicht nicht

Eine gute D&O-Versicherung mit einer angemesse-nen Deckungssumme ist ein wichtiger Baustein einer wirksamen „Enthaftungsstrategie“, zumal sie auch für die Gesellschaft, die die Versicherung in der Regel ab-schließt, entscheidende Vorteile mit sich bringt. Wie bereits ausgeführt, reicht sie aber alleine zur Absiche-rung des Geschäftsführers nicht aus. Insoweit bringt die D&O-Versicherung die Gefahr mit sich, dass sich der Geschäftsführer in trügerischer Sicherheit wiegt und nicht das notwendige Augenmerk auf die nach wie vor bestehenden Risikofaktoren legt.

Ungeachtet dessen ist die D&O-Versicherung von entscheidender Bedeutung für eine effektive Ab-sicherung. Neben dem Haftpflichtelement ist das Rechtsschutzelement der Versicherung nicht zu unter-schätzen, denn die Kosten eines Rechtsstreits können im Falle der gerichtlichen Inanspruchnahme immens sein. Mit der Versicherung im Rücken besteht dann eher „Waffengleichheit“ mit der Gesellschaft, als wenn der Geschäftsführer auf sich alleine gestellt ist. Wichtig ist, dass, auch wenn vorsätzliches Verhalten im Raum steht, die Versicherung die Abwehrkosten in der Re-gel vorstrecken muss, bis endgültig geklärt ist, ob der entsprechende Ausschluss in den Versicherungsbedin-gungen greift.

Ungeachtet der gestiegenen Haftungsrisiken von Geschäfts-

führern und der wirtschaftlich oft existenzvernichtenden Folgen der Inanspruchnahme sind haftungs-einschränkende Maßnahmen des

Gesetzgebers auf absehbare Zeit nicht zu erwarten.

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Reduzierung des Verschuldensmaßstabs und sonstige haftungsbeschränkende Regelungen in Satzung und Dienstvertrag, Freistellungsvereinbarungen

Idealerweise setzt man zur Verringerung der Haftungs-risiken möglichst früh an. Insbesondere kann in der Satzung (anders als bei der Aktiengesellschaft) der Verschuldensmaßstab reduziert werden, z. B. dahin-gehend, dass der Geschäftsführer nur bei grober Fahr-lässigkeit haftet. Auch andere haftungsbeschränkende Regelungen in der Satzung sind denkbar (begleitet von einer parallelen Bestimmung im Dienstvertrag), wobei hier verschiedene Grenzen gesetzt sind. Insbesonde-re bei der Verletzung kapitalschützender Vorschriften sind die gesetzlichen Haftungsregeln zwingend, wenn der Ersatzanspruch zur Gläubigerbefriedigung benö-tigt wird (d. h. vor allem im Insolvenzfall).

Hauptproblem sind aber weniger die gesetzlichen Schranken der Haftungsreduzierung durch Satzungsre-gelung als vielmehr die Durchsetzbarkeit bei den Gesell-schaftern. In den seltensten Fällen wird ein Geschäfts-führer eine entsprechende Verhandlungsmacht haben. Gleiches gilt für Freistellungsvereinbarungen mit Gesell-schaftern und Dritten, die zusätzlich voraussetzen, dass der oder die betreffenden Gesellschafter bzw. Dritten im Ernstfall auch ausreichend zahlungskräftig sind.

Neben generell haftungsbeschränkenden Regelungen in der Satzung ist noch daran zu denken, im Dienstver-trag Vorkehrungen zu treffen, um der oben beschriebe-nen Beweisnot nach dem Ausscheiden aus dem Unter-nehmen zu begegnen. Man könnte sich beispielsweise

im Anstellungsvertrag das Recht einräumen lassen, die erforderlichen Unterlagen bei Ausscheiden in Kopie behalten zu dürfen. Abgesehen davon, dass auch eine solche Regelung häufig nicht durchsetzbar sein dürfte, erscheint sie auch wenig praktikabel. Zum Zeitpunkt des Ausscheidens ist in der Regel noch nicht absehbar, welche Vorgänge Haftungsrisiken in sich bergen könn-ten (und wenn doch, wird der Geschäftsführer dies mit Fertigung von entsprechenden Kopien nicht doku-mentieren wollen), und sämtliche Geschäftsunterlagen in Kopie zu behalten, wird in den meisten Fällen nicht in Betracht kommen.

Systematische Dokumentation – Grund lage für erfolgreiche Verteidigung

Mit am besten und ohne auf die Zustimmung der Ge-sellschafter angewiesen zu sein, kann der Geschäfts-führer seine Situation durch eine systematische Doku-mentation seiner Geschäftsführungstätigkeit während seiner Amtszeit verbessern. Zunächst ist diese auf ma-teriell-rechtlicher Ebene von Bedeutung. In den „safe harbour“ der Business Judgement Rule kann nur ge-langen, wer, wie oben ausgeführt, auf der Grundlage angemessener Informationen gehandelt hat. Realisti-scherweise kann sich darauf nur berufen, wer die Infor-mationsbasis dokumentiert hat. Eine gute Dokumen-tation des Entscheidungsfindungsprozesses ist daher Grundvoraussetzung für die enthaftende Wirkung der Business Judgement Rule.

Zum anderen erleichtert das Wissen, welche Geschäfts-vorfälle in welcher Form und mit welcher Systematik wo dokumentiert sind, erheblich die Geltendmachung von Einsichts- und Auskunftsansprüchen. Denn nur wer weiß, was es an Informationen gibt, kann diese effektiv einfordern. Eine systematische Dokumentation im Un-ternehmen ist daher nicht nur eine Möglichkeit der ma-teriell-rechtlichen Enthaftung, sondern auch Schlüssel zu einer erfolgreichen Verteidigung in einem – möglicher-weise Jahre später ausgetragenen – Haftungsprozess.

Enthaftung durch Einholung sach verständigen Rats

Bei aller Strenge der Haftung des GmbH-Geschäfts-führers darf dieser grundsätzlich auf den Rat eines unabhängigen, sachkundigen Beraters vertrauen, was letztlich auch Ausfluss der Business Judgement Rule ist.

Hauptproblem sind aber weniger die gesetzlichen Schranken der Haftungs-reduzierung durch Satzungsregelung als vielmehr die Durchsetzbarkeit bei

den Gesellschaftern.

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 74

Zwar darf der Geschäftsführer dabei nicht auf eine ei-gene Plausibilitätsprüfung verzichten und er muss den Berater mit allen relevanten Informationen versorgen. Dennoch kann sich ein Geschäftsführer durch die Einho-lung sachverständigen Rats vielfach effektiv absichern. Es ist ausreichend, dass die Prüfung aus der Sicht des (nicht fachkundigen) Geschäftsführers die zweifelhafte Frage umfasst. Darüber hinaus muss der Geschäftsfüh-rer selbstverständlich auch hier darauf achten, dass der Vorgang sauber dokumentiert wird, um sich später ggf. auf die Beratung berufen zu können.

Anspruchsverzicht der Gesellschaft bei Ausscheiden

Eine in der Praxis sehr wichtige Enthaftungsmög-lichkeit ist der Verzicht der Gesellschaft auf etwaige

Schadensersatzansprüche im Rahmen einer Ausschei-densvereinbarung. In der Regel wird man nicht vom Verzicht auf Schadensersatzansprüche sprechen, son-dern in der Ausscheidensvereinbarung eine umfassen-de Abgeltungsklausel formulieren.

Zwar liegt hier der Teufel im Detail, wenn man der Ge-sellschaft für einen späteren Streitfall keine Hintertür-chen offen lassen will, und gewisse gesetzliche Gren-zen gelten auch hier.

Zudem muss darauf geachtet werden, dass die Gesell-schaft bei Abschluss der Ausscheidensvereinbarung durch die Gesellschafterversammlung bzw. einen von dieser beauftragten Bevollmächtigten vertreten wird. Dennoch lässt sich eine ausreichend weit gehende Abge-ltungsklausel mit etwas Geschick durchaus durchsetzen.

Fazit

Geschäftsführer sind mehr denn je Haftungsrisiken ausgesetzt. So wichtig eine angemessene D&O-Versicherung ist, alleine auf diese sollte man sich nicht verlassen. Davon ausgehend hilft es aber weder, in Panik zu verfallen und vor lauter Angst, sich haftbar zu machen, seiner eigentlichen Aufgabe nicht mehr nachzukommen, noch sollte man die Risiken ausblenden. Vielmehr muss sich ein Geschäftsführer – neben der gewissenhaften Ausübung seines Amtes – die konkreten Möglichkeiten der Haftungsvermeidung bewusst machen und versuchen, diese bestmöglich einzuset-zen. In der Regel kann man so zumindest eine ganz erhebliche Reduzierung der Haftungsrisiken erreichen.

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 75

1. Entwicklung des Rechts und deren Bedeutung für Unternehmen

Wir beobachten eine extensive (Über-) Regulierung unternehmerischen Handelns, die verstärkte Anwen-dung und Durchsetzung von Rechtsvorschriften sowie die zum Teil existenzbedrohende Sanktionierung von Compliance-Verstößen. Diese haben dazu geführt, dass das Recht eines der zentralen Themen für die Leitung von Unternehmen geworden ist. Unternehmen und ih-re Geschäftsführung sehen sich durch den immer stär-ker werdenden Geltungsanspruch des Rechts mit einer stetig wachsenden Verrechtlichung betriebswirtschaft-licher Entscheidungen, der Betriebsorganisation sowie der betrieblichen Prozesse konfrontiert. Die damit ver-bundenen Probleme für Unternehmen sind vielschich-tig und komplex. Sie reichen weit über die Fragen der Vermeidung von Haftungsrisiken für Unternehmen und die Unternehmensführung, die Beseitigung recht-licher Marktzugangsbarrieren oder die Reduzierung von Transaktionskosten hinaus. Die Probleme erfas-sen die gesamte Wertschöpfungskette des Unterneh-mens sowie seine gesamten rechtlichen Beziehungen zu Stakeholdern. Bei der Suche nach angemessenen Lösungen ist zu berücksichtigen, dass sich das Recht selbst sowie seine Anwendung und Durchsetzung in einer tiefgreifenden Umbruchphase befinden. Nicht erst der VW-Skandal hat z. B. die Reichweite und die handelspolitische Instrumentalisierung des US-ameri-kanischen Rechts deutlich aufgezeigt. Hinzukommt die wachsende Technisierung und Ökonomisierung des Rechts, welche erhebliche Auswirkungen auf die Syste-matik/ Dogmatik von Recht und die Ausgestaltung von

Rechtsvorschriften und ihrer Anwendung hat. Nicht un-terschätzt werden darf zudem das politisch motivierte, immer schneller werdende gesetzgeberische Handeln. Auch dieses verlangt von Unternehmen stetige Anpas-sungen. Die Anwendung von Recht unterliegt einer größer werdenden Rechtsunsicherheit bei gleichzeiti-gem Anstieg der „juristischen“ Haftungsrisiken. Auch für die Rechtsberater haben diese Entwicklungen er-hebliche Konsequenzen. Sie müssen Spezialisten und Generalisten in einem sein. Auf all diese Entwicklungen angemessen zu reagieren, ist für Unternehmen eine zentrale Herausforderung. Sie erfordert eine systemati-sche und aktive Steuerung der Rechtsanwendung und Rechtsdurchsetzung im und durch das Unternehmen („Legal Process Management“).

2. Probleme der Rechtsanwendung und Rechtsdurchsetzung im und durch Unternehmen in der Praxis

Von den Themen „Compliance“ und „Haftung“ abgese-hen, lässt sich in der Praxis beobachten, dass das Thema Recht von der Unternehmensleitung, wenn überhaupt, nur sehr stiefmütterlich behandelt wird. Recht wird als

LEGAL PROCESS MANAGEMENT

Uwe Müllner,

LL.M., Rechtsanwalt und Partner

PATZINA LOTZ Rechtsanwälte

Partnerschaft mbB

Dr.-Ing. Ute Wiesemann,

Unternehmensberaterin

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störendes Element im Rahmen der Unternehmensfüh-rung nur geduldet. Verkannt wird hierbei, dass Recht nicht nur der Haftungsreduzierung dient, sondern da-rüber hinaus eine gestaltende und ordnende Funktion zukommen kann. Zudem gibt es erhebliches Potenzial, die Kosten der Rechtsanwendung und Rechtsdurchset-zung für Unternehmen durch eine effektive und effizi-ente Ausgestaltung der damit verbundenen Prozesse zu senken. Häufig herrscht bei Unternehmen ein nur begrenztes Verständnis für die (strategische) Funktion von Recht, Rechtsabteilungen sowie von Rechtsbe-ratern vor. Dies gilt im besonderen Maße für die be-troffenen Fachabteilungen. All dies führt dazu, dass rechtlichen Fragestellungen in Unternehmen oft nicht die erforderliche Bedeutung beigemessen wird. We-nig überraschend lässt sich deshalb auch feststellen, dass es meist an einer ausreichenden Integration der Rechtsabteilung bzw. externer Rechtsanwälte in die Betriebsorganisation und die betrieblichen Prozesse fehlt. Rechtsfragen werden oft nur reaktiv bearbeitet, anstatt aktiv und präventiv gesteuert. Selbst in Ver-tragsverhandlungen wird die Rechtsabteilung vielfach erst dann eingeschaltet, wenn aus Sicht der jeweiligen Fachabteilung die für sie relevanten Punkte verhandelt oder im Kern entschieden sind. Nicht erkannte Rechts-fragen müssen im Nachhinein auf Druck der Rechtsab-teilung nachverhandelt werden und verursachen oft negative Auswirkungen auf eigentlich bereits verhan-delte Vertragskonditionen und führen zu Konflikten sowie Verzögerungen.

Die Opportunitätskosten schlechter vertraglicher Re-gelungen lassen sich nur sehr schwer und zumeist nur im Nachhinein bestimmen. Probleme mit der Qualität der Rechtsabteilung oder eingesetzten Berater etc. werden zumeist erst dann erkannt, wenn es zu spät ist, also das Unternehmen sich bereits in einer Auseinan-dersetzung mit Vertragspartnern oder Behörden be-findet. Darüber hinaus erfolgt die Problembehandlung und Problemlösung im Unternehmen häufig entweder rechtlich oder betriebswirtschaftlich. Nur selten lässt sich ein ganzeinheitlicher Ansatz feststellen. Letzteres dürfte seine Ursache auch darin haben, dass die Spe-zialisierung von Mitarbeitern und Beratern in ihren jeweiligen Fachgebieten oft ohne das eigentlich mitt-lerweile erforderliche Schnittstellenbewusstsein im Spannungsfeld von Recht, Technik und Wirtschaft er-folgt. Ein weiteres nicht zu unterschätzendes Problem ist die häufig anzutreffende, mangelhafte personelle und finanzielle Ausstattung von Rechtsabteilungen so-wie die überzogene Erwartungshaltung an die Rechts-kenntnisse der eingesetzten Mitarbeiter. Diese sollen über eine Allkompetenz und Allwissenheit (zumindest) in mehreren, nicht zusammengehörigen Rechtsge-bieten und Rechtsfragen verfügen. Schwierigkeiten bereitet in der Praxis zudem die Qualitäts-und Kosten-kontrolle der Arbeit von Rechtsabteilungen bzw. von Rechtsberatern. Hier fehlt es oft an objektiven Beurtei-lungskriterien und dem erforderlichen Know-how in Unternehmen.

3. Legal Process Management für Unternehmen

Juristische Unternehmensführung im Sinne einer ak-tiven Steuerung der Rechtsanwendung und Rechts-durchsetzung im und durch Unternehmen („Legal Process Management“) muss sich der Herausforde-rung der Lösung der geschilderten Probleme durch Schaffung einer entsprechenden (Prozess)-Organisa-tion und Kultur im Unternehmen annehmen („Legal Governance“). Dies erfordert ein erhebliches Umden-ken der Unternehmen und seiner rechtlichen Berater. Auf der Ebene des Unternehmens muss erkannt wer-den, dass dem Recht eine nicht mehr wegzuleugnende, sämtliche Bereiche des Unternehmens erfassende Be-deutung zukommt, die über die Bereiche „ Compliance“ und „Haftung“ hinausgeht. Juristen hingegen müssen verstehen, dass das bloße Denken und Handeln in Rechtsfolgenketten gepaart mit Branchenkenntnissen

Von den Themen „Compliance“ und „Haftung“ abgesehen, lässt sich in der

Praxis beobachten, dass das Thema Recht von der Unternehmensleitung,

wenn überhaupt, nur sehr stiefmüt-terlich behandelt wird. Recht wird als

störendes Element im Rahmen der Unternehmensführung nur geduldet.

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nicht mehr ausreicht, um Recht für Unternehmen effek-tiv und effizient anzuwenden. Vielmehr sind von ihnen in ihrer Beratungspraxis die Auswirkungen des Rechts auf die Wertschöpfungskette und die Geschäftsprozes-se des Unternehmens mit zu berücksichtigen. Die An-wendung/ Durchsetzung von Recht stellt aus Sicht von Unternehmen somit nicht mehr nur ein auf konkrete Rechtsfragen zugeschnittenes Problem dar, sondern ist ein Prozess eigener Art („Rechtsprozess“), der or-ganisatorisch als solcher aufgesetzt und inhaltlich mit den Geschäftsprozessen des Unternehmens und den Beziehungen des Unternehmens mit seinen Stakehol-dern abgestimmt werden muss.

Aus der Sicht des Unternehmens lassen sich drei we-sentliche Teilbereiche der Rechtsanwendung und Rechtsdurchsetzung identifizieren (Legal Stakeholder Management, Legal Risk Management und Legal Conflict Management), die durch ein Legal Process Management aktiv gesteuert werden müssen. Erfasst von allen drei Kernbereichen sind sämtliche Unterneh-mensbereiche sowie die jeweiligen Geschäftsprozesse, ohne dass es hierbei auf die Frage der betrieblichen Organisationsform des Unternehmens ankommt. Auch wenn die drei Teilbereiche inhaltlich miteinan-der verknüpft sind und sich überschneiden, bedarf es aufgrund ihrer grundsätzlich verschiedenen Struktur

einer eigenständigen Identifikation, Abstimmung und Steuerung der von ihnen erfassten Geschäfts- und Rechtsprozesse. Die Gewichtung und Bestimmung der Vorgehensweise und der Ausgestaltung des jeweili-gen Rechts- und Geschäftsprozesses hängt von den verfolgten Zielen, der Strategie sowie der Organisa-tion des Unternehmens ab. Hauptaufgabe des Legal Process Management Systems ist es, unter Berücksich-tigung und Einbeziehung aller drei Kernbereiche die rechtlichen Risiken und Chancen durch die Etablierung entsprechender Prozessvorgaben, der Überwachung ihrer Einhaltung sowie der entsprechenden vertrags-rechtlichen Abbildung (z. B. Verschärfung von Doku-mentations- und Berichtspflichten etc.) aktiv zu steu-ern. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf:

der systematischen rechtlichen Ausgestaltung und Steuerung der Chancen-Risiken-Allokation in den Stakeholder-Beziehungen sowie zu Wettbewerbern

und

der Prozesssteuerung durch die Abstimmung von Geschäfts- und Rechtsprozessen des Unternehmens

anhand der jeweiligen Unternehmensziele und der Unter nehmensstrategie.

Legal Governance System (Legal Process Management)

Legal Stakeholder Management (Rechtsbeziehungsmanagement)

Legal Risk Management (Risikomanagement)

- Gesellschafter Legal Conflict Management (Konfliktmanagement)

- Gesellschaftsorgane - Corporate Governance(Vorstand / Geschäftsführer / Aufsichtsrat)

- Risikomanagement - Aussergerichtliche Konfliktlösung- Arbeitnehmer

- Allgemeine Compliance - Gerichtliche Konfliktlösung- Dritte

(Lieferanten/ Kunden/ Kreditgeber etc.)

- Behörden

- Wettbewerber

- Branchenspezifische Compliance - Mediation/ ADR

- Schiedsverfahren

Unternehmensziel/ Strategie/ Betriebsorganisation/ Geschäfts- und Rechtsprozesse/ Teilprozesse/ Prozessschritte/ Arbeitsschritte/ Aktivitäten

Unternehmensführung/ Forschung & Entwicklung/ Beschaffung/ Produktion/ Finanzen & Controlling/ Vertrieb/ Personal & Organisation

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Die Einführung und Aufrechterhaltung eines Legal Process Management lässt sich sehr verkürzt wie folgt darstellen:

Im Bereich der Unternehmensleitung lassen sich bei-spielsweise in folgenden „Prozessen“ typisierte Rechts- und Haftungsrisiken für das Unternehmen und die Un-ternehmensleitung bestimmen:

Unternehmensleitung (Verstoß gegen die Prinzipien der Gesamtverantwortung der Unternehmensleitung, Überwachungs- und Informationspflichten etc.)

Maßnahmen Legal Stakeholder Management

Legal Risk Management

Legal Conflict Management

Bestandsaufnahme Bestimmung der relevanten Stakeholder-Beziehungen

Identifizierung der Chancen-Risiken-Allokation in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht

Bestimmung der Risiken aus Sicht der Corporate Governance, des Risikomanagement sowie allgemeinen Compliance und der bereichs- und branchen-spezifischen Compliance

Bestimmung der grundsätzlichen Chancen und Risiken rechtlicher Auseinandersetzungen für das Unternehmen und Probleme der Rechtsdurchsetzung bzw. Anspruchsabwehr

Bestimmung der grundsätzlichen Ziele und Struktur und Abgleich mit den Unternehmenszielen und der Unternehmensstrategie

Aktive Steuerung und Kontrolle der Stakeholder-Beziehungen u.a.

Haftungsrisiken für das Unternehmen vermeiden etc.

Effektive und effiziente Konfliktvermeidung und Konfliktlösung (etc.);

Rechtsdurchsetzung als strategisches Mittel

Bestimmung und Design der allgemeinen Prozessvorgaben und Verankerung in den (vertrags-) rechtlichen Beziehungen in Abstimmungen mit den anderen Teilbereichen

Einrichtung eines Stakeholder-Management-Systems mit Vorgaben an die formale und inhaltliche Ausgestaltung der jeweiligen Prozesse und Rechtsbeziehungen; Abstimmung mit den anderen Teilbereichen

Einrichtung eines Risikomanagement- und Compliance- Management-Systems; Abstimmung mit den anderen Teilbereichen

Definition der Aufgabenstellung der Rechtsabteilung bzw. externen Rechtsberater; Bestimmung ihrer Einbindung in die jeweiligen Geschäftsprozesse und Stakeholder-Beziehungen; Abstimmung mit den anderen Teilbereichen

Zusätzliche Maßnahmen

Schulung der Unternehmensleitung und Mitarbeiter

Etablierung einer entsprechenden Unternehmenskultur

Schulung der Unternehmensleitung und Mitarbeiter

Etablierung einer entsprechenden Unternehmenskultur

Schulung der Unternehmensleitung und Mitarbeiter

Etablierung einer entsprechenden Unternehmenskultur

Monitoring und Anpassung

Monitoring und Anpassung

Monitoring und Anpassung

Monitoring und Anpassung

Ausübung von unternehmerischen Ermessen (Vorliegen von gebundenen Entscheidungen, Handeln auf angemessener Informations- grundlage etc.)

Aufgabendelegation (ausreichende Beachtung der Auswahl-, Einweisungs-, Überwachungspflicht, Interventions- und Eingriffspflichten).

Fazit

Die Anforderungen an die Unternehmensleitung, Unternehmen auch rechtlich zu führen, werden vor dem Hinter-grund der allgemeinen politischen Entwicklung stetig zunehmen. Damit steigen aber auch die Haftungsrisiken für die Unternehmen und ihre Geschäftsführer. Um auf diese Entwicklung richtig zu reagieren, reicht ein punktueller Lösungsansatz im Bereich der Rechtsanwendung und Rechtsdurchsetzung nicht mehr aus. Es bedarf einer ganzein-heitlichen Lösung im Sinne eines aktiven Legal Process Managements.

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Die meisten Geschäftsführer wissen, dass sie das Stammkapital ihrer GmbH nicht an Gesellschaf-ter zurückzahlen dürfen. Unter dieses Verbot

fallen natürlich auch verdeckte Gewinnausschüttun-gen – also alle Geschäfte mit Gesellschaftern, die ei-nem Drittvergleich nicht standhalten –, durch die das Stammkapital angegriffen wird.

Aber selbst wenn das Stammkapital unversehrt erhal-ten bleibt, drohen bei Geschäften mit Gesellschaftern vielfältige Haftungsrisiken, v.a. – aber nicht nur! – wenn man ein solches Geschäft nicht zu gleichen Konditi-onen auch mit einem fremden Dritten vornehmen würde. Eine entsprechende Haftung wird in der Praxis besonders häufig nach einem Gesellschafterwechsel oder in der Insolvenz vom Insolvenzverwalter geltend gemacht.

Drittvergleichsmaßstab – v.a. bei Beratungsleistungen

Schon bei der Durchführung des Drittvergleichs ist Sorgfalt anzuraten. Neben der Marktüblichkeit der Ge-genleistung ist auch die Frage zu prüfen, ob die Gesell-schaft die von dem Gesellschafter erbrachte Leistung überhaupt benötigt und welchen Nutzen sie davon hat. Das ist insbesondere bei Beratungsleistungen kri-

tisch zu prüfen. Deren Sinnhaftigkeit und ihre tatsäch-liche Erbringung sollte sorgsam dokumentiert werden.

Vorsicht ist auch bei Leistungen geboten, die von dem Gesellschafter nahestehenden Personen erbracht wird. Um Umgehungen zu verhindern, wird hierin oft eine Leistung durch den Gesellschafter gesehen.

Geschäfte im (auch nur zeitlichen) Zusammenhang mit Kapitalerhöhungen

Wird ein Geschäft mit einem Gesellschafter im zeitli-chen Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung durch diesen Gesellschafter getätigt, ist besondere Vorsicht geboten. Ein solches Geschäft kann sich leicht z. B. als verdeckte Sacheinlage oder als verdeckte gemischte Sacheinlage darstellen. Bei einem zeitlichen Abstand bis zu sechs Monaten wird von der Rechtsprechung ein ver-einbarter Zusammenhang häufig vermutet. Es ist dann bei der Prüfung der Kapitalaufbringung voll zu berück-sichtigen und insbesondere gegenüber dem Handelsre-gister offenzulegen. Das gilt übrigens selbst dann, wenn das mit der Kapitalerhöhung in Zusammenhang stehen-de Geschäft einem Drittvergleich standhält.

HAFTUNGSFALLE VERDECKTEGEWINNAUSSCHÜTTUNG

Dr. Dirk Kocher,

LL.M., Rechtsanwalt

und Partner,

LATHAM & WATKINS LLP

Vorsicht bei Geschäften mit Gesellschaftern

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Außerdem muss der Geschäftsführer prüfen, ob er die strafbewehrte Versicherung abgeben kann, die Einlage sei endgültig zur freien Verfügung der Gesellschaft ge-leistet worden. Das kann u.a. auch dann problematisch sein, wenn Einlagen auf debitorisch geführte Konten geleistet werden.

Bestehen von Minderheitsgesellschaftern

Gegenüber einem hundertprozentigen Gesellschafter können nicht marktübliche Geschäfte unproblema-tisch sein, solange das Stammkapital nicht angetastet wird. Gibt es aber noch weitere Gesellschafter, stellt sich die Lage anders dar. Die verdeckte Gewinnaus-schüttung durch das nicht marktübliche Geschäft führt zugleich zu einer disproportionalen Gewinnverteilung zu Lasten der anderen Gesellschafter. Das ist nur mit deren Zustimmung zulässig, erfordert also typischer-weise einen einstimmigen Gesellschafterbeschluss.

Hier ist besondere Vorsicht geboten, wenn es Differen-zen im Gesellschafterkreis gibt und/oder mit einem Gesellschafter umfangreiche Liefer- oder Leistungsbe-ziehungen bestehen. Die Verrechnungspreise haben dann nicht nur eine steuerliche, sondern auch eine ge-sellschaftsrechtliche Dimension.

Steuerliche Behandlung

Selbst wenn eine verdeckte Gewinnausschüttung durch ein nicht marktübliches Geschäft gesellschaftsrechtlich zulässig ist, sollte der Sachverhalt auch steuerlich ge-prüft werden. Insbesondere kann für den Geschäftsfüh-rer die Verpflichtung bestehen, in der Steuererklärung die verdeckte Gewinnausschüttung als solche anzuge-ben und den Abfluss nicht als Aufwand zu deklarieren.

Herbeiführung von Zahlungsunfähigkeit

Bei insolvenznahen Situationen ist generell besondere Vorsicht geboten. Insbesondere ist hier zu beachten, dass Leistungen an Gesellschafter verboten sind, wenn diese zur Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft führen. Das kann sogar für solche Geschäfte gelten, die einem Drittvergleich standhalten oder in der bloßen Erfüllung einer Verbindlichkeit gegenüber einem Gesellschafter (z. B. Rückführung eines Gesellschafterdarlehens) be-stehen. Sind solche Konstellationen denkbar, sollte ohnehin umfassende insolvenzrechtliche Beratung in Anspruch genommen werden.

Besonderheiten bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen

Besteht ein Beherrschungs- und/oder Gewinnabfüh-rungsvertrag mit dem betroffenen Gesellschafter, gel-ten eine Reihe von Besonderheiten. Insbesondere sind dann auch Leistungen zu Lasten des Stammkapitals zu-lässig, solange der Gesellschafter zum Verlustausgleich in der Lage ist. Außerdem müssen dann etwaige Min-derheitsgesellschafter dem Geschäft nicht zustimmen. Es fallen aber nicht alle Beschränkungen weg.

Haftungsrisiko

Werden diese Beschränkungen nicht eingehalten, kön-nen die Haftungskonsequenzen für Geschäftsführer er-heblich sein. Sind die Mittel nicht anderweitig wieder einbringlich, kann ein Geschäftsführer möglicherweise auf den vollen Wert des Vermögensabflusses in An-spruch genommen werden. Diese Haftung kann leicht existenzgefährdende Dimensionen erreichen.

Fazit

Zur Vermeidung einer persönlichen Haftung empfiehlt sich für den Geschäftsführer bei Geschäften mit Gesellschaftern das folgende Prüfprogramm:

Hält das Geschäft einem Drittvergleich stand und wird dadurch das Stammkapital angegriffen? Besteht ein zeitlicher Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung? Geht das Geschäft zu Lasten anderer Gesellschafter? Sind die steuerlichen Konsequenzen ausreichend berücksichtigt? Besteht die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit?

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Die D&O-Versicherung wird häufig mit einer Schutzweste für Manager verglichen. Im stressigen und von schwierigen Entscheidungen geprägten

Berufsalltag soll sie Führungskräfte vor den Konsequen-zen ungewollter Fehlentscheidungen schützen – und damit den Blick für das Wesentliche frei halten.

Doch nicht jede Schutzweste hält, was sie verspricht. Nur der richtige Versicherungsschutz kann Sie auch in der Zukunft vor Unannehmlichkeiten bewahren und Ihren Alltag sorgenfreier gestalten. Auf was Sie dabei insbesondere achten müssen, soll im Folgenden ein-fach und kompakt dargestellt werden.

Was, wieso, warum?

Es lohnt sich, zunächst einen Blick auf die Schadensthe-orie zu werfen. Nahezu jede D&O-Police beruht mitt-lerweile auf dem „Claims-made-Prinzip“ („Anspruch-erhebungsprinzip“). Im Gegensatz zum Verstoßprinzip, bei welchem darauf abgestellt wird, ob zum Zeitpunkt des Verstoßes Versicherungsschutz bestand/besteht, ist beim Ansprucherhebungsprinzip entscheidend, ob Sie zum Zeitpunkt, an dem Sie das erste Mal von dem ver-meintlich Geschädigten in Anspruch genommen wer-den, Versicherungsschutz genießen. Daraus ergibt sich

für Sie als versicherte Person der Vorteil, dass prinzipi-ell auch Pflichtverletzungen erfasst sind, deren Tatbe-standsvoraussetzungen schon vor Vertragsschluss er-füllt waren (sog. Rückwärtsversicherung), solange keine Kenntnis zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorlag.

Das große Aber

Im Umkehrschluss bedeutet dies natürlich, dass Sie als Versicherungsnehmer bzw. versicherte Person keinen Schutz genießen für Schäden, die Sie während der Versicherungsperiode verursacht haben, für die Sie aber erst nach Ablauf der Versicherung in Anspruch genommen werden. Für den Versicherer ist dieser automatische Ausschluss von Spätschaden natürlich angenehm. Der versicherten Person wird jedoch das Risiko aufgebürdet, keinen Versicherungsschutz für Haftungsansprüche bis zu deren Verjährung zu genie-ßen, deren erstmalige Geltendmachung nach Vertrags-beendigung erfolgt, selbst wenn der Schaden, bedingt durch eine während der Vertragslaufzeit begangene schuldhafte Pflichtverletzung, bereits zu dieser Zeit entstanden war. Dies ist umso beachtenswerter, als dass Geschäftsführer von Kapitalgesellschaften – je nach Rechtsform – bis zu 10-jährigen Verjährungsfris-ten unterliegen.

SCHWACHSTELLENIN D&O-POLICEN

Marius Jungmichel,

Underwriter Financial Lines,

Markel International

Insurance Company Limited,

Nieder lassung für Deutschland

Worauf Geschäftsführer bei Ihrer D&O achten sollten

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Ein Beispiel

Sie sind Vorstand eines produzierenden Unternehmens und sind überzeugt von Ihren Produkten. Das letzte Geschäftsjahr lief erfolgreich und Sie entscheiden sich auf Anraten Ihres Business Development Teams für den Eintritt in einen neuen Markt, bspw. China. Sie inves-tieren in die Erschließung des Marktes, möglicherweise eröffnen Sie sogar eine eigene Niederlassung vor Ort. Die Expansion stellt sich leider als nicht besonders er-folgreich dar, woraufhin Sie das Unternehmen ein paar Jahre später verlassen müssen. Ihre Nachfolger ent-scheiden sich dazu Kosten einzusparen und kündigen u.a. auch die bestehende D&O-Versicherung.

Als sich nach einiger Zeit herausstellt, dass die Spar-maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg einbrin-gen, entschließt sich Ihr altes Unternehmen dazu, Sie nachträglich auf Schadenersatz zu verklagen mit der Begründung, dass Sie zu Ihrer Zeit als Vorstand den chinesischen Markteintritt nicht richtig vorbereitet hätten, wodurch dem Unternehmen ein erheblicher Vermögensschaden entstanden ist. Da noch keine Verjährung eingetreten ist und durch die Kündigung der D&O-Versicherung kein Versicherungsschutz mehr besteht, müssten Sie persönlich für die Abwehrkosten und – im schlimmsten Fall – auch für die geltend ge-machte Schadenssumme aufkommen.

Die Lösung

Die Anbieter von D&O-Versicherungen schließen diese Versicherungsschutzlücke in der Regel durch das Ge-währen von sogenannten Nachmeldefristen. Durch das Gewähren einer Nachmeldefrist wird der versicherten Person die Möglichkeit eingeräumt, innerhalb eines de-finierten Zeitraumes nach Ablauf der Vertragslaufzeit dem Versicherer den Eintritt eines Versicherungsfalles zu melden. Folglich besteht für die versicherte Person auch Versicherungsschutz für Haftungsansprüche, die auf schuldhaften Pflichtverletzungen beruhen, die nach der Vertragslaufzeit erstmalig geltend gemacht werden, jedoch bereits während dieser begangen wur-den – wie im obigen Beispiel.

Der Zeitraum der Nachmeldefrist sollte so gewählt wer-den, dass er den zeitlichen Zwischenraum zwischen Beendigung des Versicherungsvertrags und Ablauf der Verjährungsfrist schließt.

Tipp: Achten Sie bei Versicherungsabschluss darauf, dass unabhängig von der Vertragsdauer, die Nachmeldefrist Ihrer D&O-Deckung 10 Jahre beträgt. Unbegrenzte Nach-meldefristen, wie sie von manchen Versicherern angebo-ten werden, können eher als „Marketing-Gag“ gesehen werden, da sie aufgrund der maximalen gesetzlichen Ver-jährungsfrist von 10 Jahren der versicherten Person nur sehr eingeschränkt Mehrwert bieten.

Schiedsverfahren – schnell und diskret

Nehmen wir an, Sie sind in der leidigen Position des Geschäftsführers aus oben genanntem Beispiel. Sie und das Unternehmen setzen sich zusammen und versu-chen das Problem zu lösen – doch es kommt zu keiner einvernehmlichen Einigung. Nun gibt es zwei Möglich-keiten den Sachverhalt zu klären: das öffentliche Ge-richtsverfahren oder das vertrauliche Schiedsverfahren.

Die Vorteile von privatgeführten gegenüber öffent-lichen Gerichtsverfahren liegen auf der Hand: bei öffentlichen Verfahren gelangen oftmals eine Reihe von Interna an die Öffentlichkeit, die sich schädigend auf die Reputation des Unternehmens und der in An-spruch genommenen Person(en) auswirken können. Zudem müssen die streitenden Parteien in der Regel viele Jahre auf eine rechtskräftige Entscheidung war-ten. Schiedsinstitutionen, wie bspw. die Deutsche In-stitution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V. (DIS), bieten hingegen beschleunigte Verfahren an, die sowohl den Vorteil der Vertraulichkeit als auch die Herbeiführung einer schnellen, vollstreckungsfähigen Entscheidung ermöglichen. Den beteiligten Parteien wird zudem die Möglichkeit geboten, im Zuge der Schiedsrichterbe-stellung Schiedsrichter zu berufen, die als ausgewiese-ne Experten auf dem betroffenen Gebiet gelten.

Die richtige Wahl

Bevor die Wahl auf eine Konfliktlösung im Rahmen eines Schiedsverfahrens fällt, sollten Sie abklären, ob Ihr Versicherer Schadenersatzansprüche eines Klägers anerkennt, welche durch Entscheidung eines Schieds-gerichtes (statt eines staatlichen Gerichtes) festgelegt werden. Dies gilt natürlich auch für entsprechend an-fallende Verfahrenskosten.

In Deutschland gibt es mehrere Schiedsinstitutionen, die Schiedsverfahren mit eigenen Verfahrensordnun-

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gen anbieten. Damit es im Nachhinein zu keinen Miss-verständnissen kommt, sollte der Versicherer ausdrück-lich festgelegt haben, welche Schiedsinstitutionen von ihm anerkannt werden.

Tipp: Achten Sie darauf dass im D&O-Versicherungsver-trag durch eine eigene Klausel der Zugang zu Schiedsge-richtsbarkeiten ermöglicht wird! Darüber hinaus sollte der Versicherer in seiner Schiedsverfahrensklausel ausdrück-lich festlegen, welche Schiedsinstitutionen für eine gültige und bindende Urteilsfindung anerkannt werden.

Abwehrkosten – das Schutzschild Ihrer D&O

Keine Versicherung wird im Schadenfall mehr zahlen, als mit Ihnen im Versicherungsschein und den Versiche-rungsbedingungen vereinbart (sog. Leistungsobergren-ze). Doch darüber hinaus schränken einige Versicherer zusätzlich die Übernahme von Abwehrkosten ein, wenn die geltend gemachte Streitsumme, die in der Versiche-rung festgelegte Versicherungssumme übersteigt.

Dies ist durchaus problematisch, wenn man bedenkt, dass ca. 70 % der Ausgaben von D&O-Versicherungen für Anwalts- und Gerichtskosten aufgewendet wer-den. „Beim Geld hört die Freundschaft auf“, heißt es im Volksmund. Bezogen auf das Geschäftsleben heißt dies, dass ein Geschäftsführer durchaus schnell und auch unberechtigt in Anspruch genommen wird, wenn

sich die finanzielle Situation eines Unternehmens ver-schlechtert. Um zu beweisen, dass der Geschäftsführer nicht der Übeltäter in der Geschichte ist, bedarf es teils langwieriger Gerichtsverfahren.

Problematisch wird es, wenn der Versicherer bei Streitsummen, die die vereinbarte Versicherungssum-me übersteigen, proportional die Erstattung von Ab-wehrkosten einschränkt. Nehmen wir wieder unser obiges Beispiel zur Hand: Auf Grund des misslungenen Markteintritts werden von Ihnen 2.000.000 EUR Scha-denersatz gefordert. Die D&O-Versicherungssumme beträgt jedoch nur 1.000.000 EUR. Nun gibt es Versi-cherer, die verhältnisgleich auch nur die Hälfte der Ab-wehrkosten übernehmen, da sie geltend machen, nur für Abwehrkosten im Rahmen der vereinbarten Versi-cherungssumme (hier 1.000.000 EUR) verantwortlich zu sein. Folglich müssten Sie selbst für die restlichen Abwehrkosten aufkommen.

Tipp: Achten Sie bei Abschluss einer D&O-Versicherung darauf, dass in den Versicherungsbedingungen eine „vollumfängliche Abwehrkostenerstattung bei Über-schreitung der Leistungsobergrenze“ zugesagt wird!

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass nicht je-de D&O Versicherung den Schutz bietet, den sie ver-spricht. Es lohnt sich also bei der Wahl genauer hinzu-sehen, damit sich ihre „Schutzweste“ im Schadenfall nicht als wirkungslos entpuppt.

D&O – worauf Sie achten sollten:

Nachmeldefrist – entspricht sie der gesetzlichen Verjährungsfrist? Schiedsgerichte – ist der Zugang zu ihnen ausreichend geregelt in den Versicherungsbedingungen? Abwehrkosten – sind sie vollumfänglich vom Versicherungsschutz umfasst?

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Muss die eigene GmbH Insolvenz anmelden, sieht sich jeder Geschäftsführer kurz oder lang Haf-tungsansprüchen des Insolvenzverwalters aus-

gesetzt. Der standardmäßig erhobene Vorwurf lautet: Der Geschäftsführer habe trotz Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit noch Zahlungen an Dritte geleis-tet, diese müsse er wegen Verstoß gegen § 64 GmbHG (bei GmbH oder Limited) oder § 130a HGB (bei GmbH & Co. KG) rückerstatten. Liegt der Eintritt der Insolvenz-reife schon länger zurück, so erreichen die erhobenen Ansprüche schnell existenzgefährdende Summen. Deshalb bedarf es einer sorgfältigen Prüfung, ob dem Verwalter wirklich Haftungsansprüche in dieser Höhe zustehen. Dazu gibt eine ganze Reihe erfolgverspre-chender Verteidigungsmöglichkeiten.

Überschuldung und Beweislast

Der Insolvenzverwalter muss die Insolvenzreife der Gesellschaft darlegen und beweisen. Meist behauptet er Überschuldung. Denn hierzu muss er lediglich eine (Handels-)Bilanz der Gesellschaft vorlegen, die einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag aus-weist, und vortragen, dass keine stillen Reserven vor-handen sind. Der Geschäftsführer kann dann darlegen, welche stillen Reserven, z. B. bei Grundstücken, oder

sonst für eine Überschuldungsbilanz maßgeblichen Werte in der Handelsbilanz nicht abgebildet sind, so dass keine rechnerische Überschuldung besteht. Wei-ter kann er mittels Überschuldungsbilanz aufzeigen, dass die Gesellschaft mehr Aktiva als Passiva hat. Hier hilft z. B., für Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaf-tern und Dritten gemäß § 39 Abs. 2 InsO den Nachrang im Insolvenzverfahren zu vereinbaren (Rangrücktritt), so dass diese herausfallen. Auf der Aktivseite helfen z. B. Patronate des Gesellschafters. Nachteil der Über-schuldungsbilanz ist, dass alle Aktiva nur zu Liquida-tionswerten aufzunehmen sind. Auf die rechnerische Überschuldung kommt es jedoch nicht an, wenn zum maßgeblichen Zeitpunkt eine positive Fortführungs-prognose bestand. Der Schuldner ist also nicht über-schuldet, wenn er trotz rechnerischer Überschuldung zu Liquidationswerten mittelfristig zahlungsfähig ist. Eine positive Fortführungsprognose setzt voraus, dass der Geschäftsführer davon ausgehen darf, dass das Unternehmen trotz wirtschaftlicher Krise fortgeführt werden soll und die Gesellschaft ihre Verbindlichkeiten in der nächsten Zeit, i.d.R. im laufenden und bis Ende des folgenden Geschäftsjahres, mit überwiegender

WENN DER INSOLVENZVERWALTER 2 X KLINGELT

Lothar Köhl,

Rechtsanwalt

und Partner

Dr. Volker Hees,

Rechtsanwalt und Partner,

Fachanwalt für Insolvenzrecht,

Hoffmann Liebs Fritsch & Partner

Rechtsanwälte mbB

Wie wehre ich die Haftung für Zahlungen nach Insolvenz-reife ab?

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Wahrscheinlichkeit wird erfüllen können. Die Fortfüh-rungsprognose ist also im Kern eine Zahlungsfähig-keitsprognose. Dabei steht der Geschäftsleitung ein Beurteilungsspielraum zu. Maßgebend ist nur die ex ante-Sicht, auf nachträgliche Erkenntnisse kommt es also nicht an. Die Fortführungsprognose kann auch nachträglich erstellt werden. Wenn also der Geschäfts-führer, z. B. mithilfe des Steuerberaters, auf Basis eines Businessplans und unterlegt durch BWA und Ertrags-planung für die beiden Geschäftsjahre eine Liquiditäts-planung erstellt hatte oder dies nachholt, die andau-ernde Zahlungsfähigkeit belegt, ist Überschuldung ausgeschlossen.

Zahlungsunfähigkeit und -einstellung

Behauptet der Insolvenzverwalter Zahlungsunfähig-keit, so muss er für den relevanten Zeitpunkt eine Liquiditätsbilanz vorlegen, aus der sich eine Liquidi-tätslücke von 10 % und mehr ergibt und die nicht bin-nen drei Wochen beseitigt werden kann. Dabei sind die zum Stichtag verfügbaren und innerhalb von drei Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu setzen zu den am Stichtag fälligen Verbindlichkeiten. Hierbei werden häufig offene Kreditlinien, fällige For-derungen gegen Dritte oder Stundungen vergessen. Der Insolvenzverwalter kann sich auch auf Zahlungs-einstellung stützen, wenn zum relevanten Zeitpunkt bereits fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr be-glichen worden sind. Dann muss der Geschäftsführer anhand jeder einzelnen Forderungsanmeldung prüfen, ob tatsächlich bereits Fälligkeit bestand. Der hierauf gestützten Annahme der Zahlungsunfähigkeit kann der Geschäftsführer durch Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Nachweis entge-gentreten, dass eine Liquiditätsbilanz eine Lücke von weniger als 10 % auswies. Der Einwand des Verwalters, das sei ein ins Blaue hinein gestellter Ausforschungsbe-weis, trägt nicht.1

Zahlung oder Aktiventausch?

Als Zahlung iSv. § 64 Satz 1 GmbHG gilt jede masse-schmälernde Leistung, also Barzahlungen, Überwei-sungen, Abbuchungen usw., selbst wenn sie von Mitar-

1 vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 2015 – IX ZR 134/13

beitern ausgelöst werden. Waren die Geschäftskonten der Gesellschaft debitorisch, dürfen Überweisungen oder Schecks von Kunden nicht auf dieses Konto ein-gezogen werden. Eine Haftung kann jedoch entfallen, wenn die Masseschmälerung anders wieder ausgegli-chen wird. Ein solcher Aktiventausch liegt vor, wenn mit der Zahlung eine gleichwertige Gegenleistung in das Gesellschaftsvermögen gelangt, wie z. B. beim Einkauf von Waren. Bis heute unklar ist der Einkauf nicht akti-vierungsfähiger Dienstleistungen, wie z. B. Reinigung. Bei Zahlungseingängen auf debitorischen Bankkonten kann sich der Geschäftsführer damit verteidigen, dass er den Geldeingang sogleich zu Gunsten der Barkasse abgehoben, auf ein kreditorisches Konto der Gesell-schaft überwiesen oder dazu verwandt hat, einen wert-haltigen Gegenstand für die Masse zu erwerben.2

Zahlung sorgfaltsgemäß?

Weiter sind diejenigen Zahlungen nach § 64 Satz 2 Gm-bHG als sorgfaltsgemäß von Haftung ausgenommen, die der Geschäftsführer zur Vermeidung strafrechtlicher Verfolgung erbringen muss oder für deren Unterlassen er andernfalls gesetzlich persönlich haftet, wie z. B. bei Steuerschulden, §§ 34, 69 AO. Der Geschäftsführer darf also die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung abführen, nicht aber die Arbeitgeberanteile. Er darf zahlen fällige Umsatzsteuer und Umsatzsteuervoraus-zahlungen ebenso wie einbehaltene Lohnsteuer. Von Haftung ausgenommen sind auch solche Zahlungen, durch die größere Nachteile für die Insolvenzmasse ab-gewendet werden, weil diese Zahlungen im Interesse der Gläubiger liegen. Dazu gehören vor allem solche, die zur kurzfristigen Aufrechterhaltung des Geschäfts-betriebes notwendig sind, wie die Begleichung von laufenden Wasser-, Strom-, und Heizkosten sowie Löh-nen oder Honorare an den Sanierungsberater.

Anfechtbarkeit der Zahlung

Ist es dem Insolvenzverwalter bereits gelungen, die an-gegriffene Zahlung durch Insolvenzanfechtung wieder zur Masse zurückzuholen, so entfällt die Haftung des Geschäftsführers. Falls nicht, kann sich der Geschäfts-führer den Anfechtungsanspruch Zug um Zug gegen Zahlung abtreten lassen.

2 vgl. BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 – II ZR 366/13 Rn. 33

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 86

Beratung durch Rechtsanwalt oder Steuerberater

Der Anspruch aus § 64 Abs. 1 GmbHG setzt Verschulden voraus. Der Geschäftsführer handelt nicht schuldhaft, wenn er zur Klärung der Insolvenzreife der Gesellschaft den Rat eines unabhängigen, qualifizierten Berufsträ-gers einholt, diesen über sämtliche für die Beurteilung erheblichen Umstände informiert und nach eigener Plausibilitätskontrolle der ihm daraufhin erteilten Ant-wort dem Rat folgt und von der Stellung eines Insol-venzantrages absieht. Hat also der Geschäftsführer den Rat einer fachkundigen Person wie z. B. Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater eingeholt, kann er sich entlasten.

Abberufung und Verjährung

Natürlich haftet der Geschäftsführer nicht, wenn die Zahlungen zu einer Zeit erfolgten, zu der er bereits von seinem Amt abberufen war oder es niedergelegt hatte. Auf die Eintragung im Handelsregister kommt es nicht an. Auch die Verjährungseinrede kann greifen, wenn die Zahlung schon länger als fünf Jahre zurückliegt. Die häu-figsten Ansprüche, die der Insolvenzverwalter geltend macht, sind Anfechtungsansprüche. Diese verjähren binnen drei Jahren ab dem Ende des Jahres, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. So kann überse-hen werden, dass der Haftungsanspruch aus § 64 GmbH in fünf Jahren verjährt, wobei die Verjährung kenntni-sunabhängig bereits mit der Entstehung des Anspruchs, also mit dem Tag der angegriffenen Zahlung beginnt.

Regress gegen Steuerberater?

Jeder in Anspruch genommene Geschäftsführer sollte prüfen, ob er den damaligen Berater oder Abschluss-prüfer in Regress nehmen kann und diesem den Streit

verkündet. Bei fehlerhafter Beratung z. B. durch Steuer-berater kann ein Ersatzanspruch des Geschäftsführers bestehen, wenn er in den Schutzbereich des zwischen GmbH und Steuerberater geschlossenen Vertrag ein-bezogen war, welcher die Prüfung einer Insolvenzreife der GmbH zum Gegenstand hatte. Der Steuerberater muss also mit der Prüfung der Insolvenzreife beauf-tragt worden sein. Der nur mit der Erstellung der Steu-erbilanz betraute Steuerberater haftet jedoch auch, wenn er nur den Rat erteilt oder mit dem Geschäfts-führer eingehend erörtert hat, Überschuldung liege nicht vor.3

Prozesskostenhilfe für Insolvenzverwalter

Reicht die Insolvenzmasse nicht aus, um die Kosten des Rechtsstreits mit dem Geschäftsführer zu tragen, kann der Insolvenzverwalter Prozesskostenhilfe (PKH) beantragen, ohne die Klage bereits anhängig machen zu müssen. Für die erfolgreiche Gewährung muss der Insolvenzverwalter einige Voraussetzungen darlegen und glaubhaft machen.4 Besonders knifflig ist die Dar-stellung, dass den Insolvenzgläubigern nach § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO die Aufbringung der Prozesskosten unzumutbar sein soll. Hier werden regelmäßig Fehler gemacht oder wesentliche Umstände übersehen. Das PKH-Verfahren ist deshalb bereits die erste, wichtige Verteidigungslinie. Denn erhält der Insolvenzverwalter keine Prozesskostenhilfe, wird er den Anspruch auch nicht einklagen können.

3 vgl. BGH, Beschluss vom 6. Februar 2014 – IX ZR 53/13 Rn. 34 vgl. dazu BGH, Beschluss vom 19. Mai 2015 – II ZR 263/14

Fazit

Der Geschäftsführer ist nicht schutzlos, wenn er für Zahlungen nach Eintritt der Insolvenzreife haften soll. Vor einem übereilten Vergleich sollte er prüfen, ob alle Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind und ob nicht mehrere der ange-griffenen Zahlungen aus der Haftung herausfallen.

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 87

Der Geschäftsführer hat in der Krise seines Unter-nehmens zu prüfen, ob das Unternehmen durch den Empfang und das Einziehen von Zahlungen

auf einem im Soll geführten Bankkonto die Gläubiger des Unternehmens in ihrer Gesamtheit benachtei-ligt. Im Grundsatz haftet der Geschäftsführer für diese Zahlungen gemäß § 64 S. 1 GmbHG ab Insolvenzreife des Unternehmens, da ein Zahlungseingang auf dem Konto durch die Saldoverrechnung allein der konto-führenden Bank im Rahmen des Kontokorrentvertra-ges zu Gute kommt und die Vermögensmasse für die übrigen Gläubiger schmälert. Der Geschäftsführer hat bei Vorliegen der Voraussetzungen die Verpflichtung einen Zahlungseingang auf das debitorische Konto zu verhindern.

I. Entgegennahme und Einzug globalzedierter Forderungen:

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 23.06.2015, II ZR 366/13 und in der Folge mit weiteren bestätigenden Urteilen über Sachverhalte entschie-den, in welchen bei Entgegennahme und Einzug glo-balzedierter Forderungen auf einem debitorischen Bankkonto der gesicherten Bank eine Haftung des Ge-

DIE HAFTUNG DESGESCHÄFTSFÜHRERS

Michael Winterhoff,

Rechtsanwalt und Fachanwalt

für Insolvenzrecht,

M.B.L.-HSG, Winterhoff

Rechtsanwalts GmbH

Gemäß § 64 S. 1 GmbHG beim Einzug abgetretener Forderungen und der neutrale Sicherheitentausch

schäftsführers gemäß § 64 S. 1 GmbHG wegen Schmä-lerung der Insolvenzmasse zu prüfen war.

Es liegt nach der genannten Entscheidung keine Ver-kürzung der Vermögensmasse zu Gunsten eines Gläu-bigers vor, wenn die auf einem debitorischen Konto eingegangene Zahlung bereits zuvor an die kontofüh-rende Bank abgetreten war. Dieses erfolgt in der Praxis durch Vereinbarung einer banküblichen Globalzession aller bestehenden und zukünftigen Forderungen des Unternehmens zur Sicherung des Kontokorrents.

Allerdings müssen zwei Voraussetzungen hierbei er-füllt sein: Die Globalzession muss wirksam und insol-venzfest vereinbart worden sein. Dieses ist der Fall, wenn die Vereinbarung vor Insolvenzreife geschlossen wurde und die Sicherheit vom Unternehmen nicht nachträglich nach der Kontokorrentvereinbarung oh-ne Gegenleistung gewährt wurde. Die Rechtsprechung des BGH verlangt als zweite Voraussetzung, dass die abgetretene Forderung selbst vor Insolvenzreife ent-standen und werthaltig geworden ist. Die Begründung hierfür ist, dass die auf die Zukunft gerichtete Abtre-tung erst mit dem Entstehen der konkreten Forderung ihre Wirksamkeit entfaltet.

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 88

War das Unternehmen zum Zeitpunkt der Entstehung der globalzedierten Forderung insolvenzreif, hat ein Insolvenzverwalter die Wahl, ob er gegen die kon-toführende Bank auf Rückgewähr der verrechneten Zahlung nach Insolvenzanfechtung gemäß §§ 119 ff. InsO oder gegen den Geschäftsführer gemäß § 64 S. 1 GmbHG vorgeht. Der Geschäftsführer hat bei seiner persönlichen Inanspruchnahme das Recht, sich einen insolvenzrechtlichen Rückgewähranspruch gegen die kontoführende Bank vom Insolvenzverwalter Zug um Zug abtreten zu lassen.

Die Rechtsprechung des BGH bedeutet für den Ge-schäftsführer, dass er im Rahmen von Sanierungsan-strengungen zur Vermeidung einer Insolvenzantrag-stellung einem erheblichen Haftungsrisiko ausgesetzt ist. Ist das Unternehmen insolvenzreif, hätte der Ge-schäftsführer zur Vermeidung der Haftung gemäß § 64 S. 1 GmbHG nur die Wahl, das Entstehen neuer – von der Globalzession erfasster – Forderungen zu vermei-den oder unter Verletzung des Sicherungsvertrages Zahlungen auf ein kreditorisches Konto bei einer ande-ren Bank einzuziehen. Die geschädigte Bank wäre dann betreffend der ihr aus der Globalzession zustehenden Forderung auf einen Erstattungsanspruch gemäß § 816 Abs. 2 BGB beschränkt, der im Insolvenzfall eine einfache Insolvenzforderung ist. Die Abtretung und das Absonderungsrecht an der Forderung wäre mit der Zahlung erloschen und ein Ersatzabsonderungsrecht gemäß § 48 InsO scheitert im Regelfall an dem Um-stand, dass das Unternehmen zum Einzug der Forde-rung gegenüber dem Kunden berechtigt war.

Allerdings droht bei diesem Vorgehen eine alternative persönliche Haftung des Geschäftsführers gemäß § 43 GmbHG wegen Pflichtverletzung. Der BGH stellt daher ausdrücklich fest, dass von einem Geschäftsführer nicht verlangt wird, dass er die Obliegenheiten des Unter-nehmens aus der Sicherungsvereinbarung mit der kon-toführenden Bank verletzt. Die Verpflichtung gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG reduziert sich daher auf das Verhin-dern der Entstehung und des „Werthaltigmachens“ von Forderungen. Unter dem Begriff „werthaltig machen“ versteht der BGH, dass der vertragliche Anspruch auf die Gegenleistung (z. B. Kaufpreiszahlung) rechtlich bereits entstanden ist, zu Lasten des Vermögens des Unternehmens aber zuerst die zugesagte Leistung (z. B. Lieferung der Kaufsache) erbracht werden muss. Die Masseschmälerung liegt in diesem Fall nicht im Ein-

zug des bereits abgetretenen Kaufpreises, sondern im Werthaltigmachen der Forderung zu Gunsten des Zes-sionärs. Das vorübergehende Nichtausführen von ver-traglichen Verpflichtungen stellt für eine Sanierung des Unternehmens zur Beseitigung der Insolvenzreife eine extreme Hürde dar und ist in einem Dienstleistungsbe-trieb in der Praxis nicht zu kompensieren.

II. Neutraler Sicherheitentausch bei Einzug und Entgegennahme zedierter Forderungen:

In einem anderen Fall hat der BGH mit Urteil vom 08.12.2015, II ZR 68/14 eine Haftung des Geschäftsfüh-rers gemäß § 64 S. 1 GmbHG mangels Masseschmäle-rung verneint, wenn und soweit die Entgegennahme einer Zahlung zur Tilgung einer sicherungsabgetrete-nen Forderung auf ein debitorisches Bankkonto nach Insolvenzreife unter Berücksichtigung weiterer Sicher-heiten zu einem wirtschaftlich neutralen Sicherhei-tentausch führt.

Dieser Sachverhalt ist zum Beispiel gegeben, wenn neben der Globalzession mit der Bank ein Raumsiche-rungsvertrag über das Warenlager des Unternehmens wirksam vereinbart war und das Unternehmen beim Zugang der Waren im Lager noch nicht insolvenzreif

War das Unternehmen zum Zeit-punkt der Entstehung der global-

zedierten Forderung insolvenzreif, hat ein Insolvenzverwalter die

Wahl, ob er gegen die kontoführen-de Bank auf Rückgewähr der ver-

rechneten Zahlung nach Insolven-zanfechtung gemäß §§ 119 ff. InsO

oder gegen den Geschäftsführer gemäß § 64 S. 1 GmbHG vorgeht.

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 89

war. In diesem Fall ist ein Zahlungsempfang auf dem Kontokorrentkonto als Gegenleistung für den Weiter-verkauf von sicherungsübereigneten Waren in Höhe des Warenwertes keine Schmälerung der Masse. We-gen des gemäß § 51 Nr. 1 InsO bestehenden Abson-derungsrechts des Sicherungsnehmers stehen zur Sicherheit übereignete bewegliche Sachen der Gläubi-gergemeinschaft nicht als freie Masse zur Befriedigung zur Verfügung.

Die Bank als Gläubigerin hat in Höhe des Warenwer-tes die Sicherheit Warensicherungsübereignung mit der Übereignung der Ware an den Kunden gegen die Sicherheit der Abtretung der Kaufpreisforderung wirt-schaftlich neutral getauscht.

IV. Fazit zur Haftung des Geschäftsführers bei der Entgegennahme und dem Einzug von Forderungen ab Insolvenzreife:

Dem GmbH-Geschäftsführer droht gemäß der aktuellen Rechtsprechung ab Insolvenzreife seines Unternehmens bei der Entgegennahme einer Zahlung auf einem debitorischen Bankkonto eine Inanspruchnahme gemäß § 64 S.1 Gm-bHG. Nur Zahlungen auf zedierte Forderungen, welche vor Insolvenzreife bereits entstanden sind bzw. werthaltig gemacht wurden, kann der Geschäftsführer im Grundsatz ohne eigene Haftung entgegennehmen.

Ab Insolvenzreife kann das rechtliche Konstrukt des neutralen Sicherheitentauschs die Haftung des Geschäftsführers vermeiden. Es erlaubt jedoch lediglich den Weiterverkauf von sicherungsübereigneten Waren, welche insolvenzfest einem Absonderungsrecht des Zessionärs unterliegen.

Der Geschäftsführer hat im Haftungsprozess alle entlastenden Tatsachen darzulegen und zu beweisen.

III. Prozessuales:

Der BGH hat zuletzt in seinem Urteil vom 03.05.2016 – II ZR 318/15 bestätigt, dass die Darlegungs- und Beweis-last für die Tatsache, dass die auf das Kontokorrentkon-to eingezogene Forderung, für die gemäß § 64 Abs.1 GmbHG Ersatz verlangt wird, von der Globalzession erfasst und vor dem Eintritt der Insolvenzreife entstan-den bzw. werthaltig gemacht worden ist, beim Ge-schäftsführer liegt. Die Haftung des Geschäftsführers ist gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG beschränkt, wenn die Entgegennahme der Zahlung nach Insolvenzreife mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar ist. Der Geschäftsführer ist auch für diesen Umstand darlegungs- und beweispflichtig.

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 90

Einleitung

Die Kündigung von GmbH-Geschäftsführern birgt eine Vielzahl von Fehlerquellen, die in der Unternehmen-spraxis immer wieder übersehen werden. Dieser Beitrag verfolgt daher – nach einer knappen Darstellung der kündigungsrechtlichen Grundlagen (vgl. Ziffer 2) – das Ziel, auf einige ausgewählte Fehlerquellen aufmerksam zu machen (vgl. Ziffer 3). Dies mag sowohl dem Kon-zerngeschäftsführer dienen, der für die Anstellung und Kündigung von Tochtergesellschafts-Geschäftsführern zuständig ist, als auch dem von einer Kündigung betrof-fenen Geschäftsführer, der die Kündigungserklärung der Gesellschaft auf „Stockfehler“ prüfen wollen wird.

Grundlagen der Kündigung von Geschäfts-führern einer GmbH ohne Aufsichtsrat

Notwendigkeit eines GesellschafterbeschlussesDie Wirksamkeit einer Kündigungserklärung gegen-über dem GmbH-Geschäftsführer setzt zunächst ei-nen Zustimmungsbeschluss voraus, der grundsätzlich durch die hierfür gemäß § 46 Nr. 5 GmbHG zuständige Gesellschafterversammlung zu fassen ist. Fehlt es an einem zustimmenden Gesellschafterbeschluss, ist die Kündigung auch im Außenverhältnis gegenüber dem Geschäftsführer unwirksam.

Ausspruch der KündigungFür den Ausspruch der Kündigung ist grundsätzlich ebenfalls die Gesellschafterversammlung zuständig. Die Kündigungserklärung durch die Gesellschafter-versammlung bedarf dabei keiner besonderen Form,

FALLSTRICKE BEI DER KÜNDIGUNGVON GMBH-GESCHÄFTSFÜHRERN

Dr. Wolfgang Schüler,

Rechtsanwalt und Partner, Fachan-

walt für Handels-

und Gesellschaftsrecht

Dr. Daniel Grewe,

Rechtsanwalt

und Partner

Dr. Constantin Axer,

Rechtsanwalt und Fachanwalt

für Handels- und Gesellschafts-

recht, Seitz Rechtsanwälte

Steuerberater, Köln

soweit nicht im Vertrag anderes geregelt ist. Die Nen-nung eines Kündigungsgrundes ist zur Wirksamkeit der Kündigung ebenfalls nicht erforderlich.

Falls sich die Gesellschafterversammlung aus mehre-ren Personen zusammensetzt, ist es üblich, dass sich die Gesellschafterversammlung bei dem Ausspruch der Kündigung durch einen einzelnen Gesellschafter oder durch eine dritte Person vertreten lässt (möglich ist auch die Vertretung durch einen Mitgeschäftsführer des zu kündigenden Geschäftsführers). Hierfür sollte der Gesellschafterbeschluss eine entsprechende Be-vollmächtigung an den Kündigungserklärenden vor-sehen. Der erforderliche Gesellschafterbeschluss muss stets vor Ausspruch der Kündigung gefasst werden.

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Eine nachträgliche Genehmigung durch die Gesell-schafterversammlung scheidet in aller Regel aus, da der Kündigungserklärende erst durch den Gesellschaf-terbeschluss legitimiert wird und eine Vertretung ohne Vertretungsmacht bei einseitigen Erklärungen nach § 180 BGB grundsätzlich ausgeschlossen ist.

Wird die Kündigung durch einen Vertreter erklärt, ist dem Kündigungsschreiben in jedem Fall auch ein Ori-ginal des die Ermächtigung enthaltenden Gesellschaf-terbeschlusses beizufügen. Andernfalls kann der Be-troffene die Kündigungserklärung nach § 174 S. 1 BGB zurückweisen, was zur Unwirksamkeit der Erklärung führt. Dies kann für die Gesellschaft insbesondere dann teuer werden, wenn die Frist zum Ausspruch einer or-dentlichen Kündigung nach Erhalt der Zurückweisungs-erklärung nicht mehr gewahrt werden kann oder im Fal-le einer außerordentlichen Kündigung die zweiwöchige Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB abzulaufen droht.

Aus Sicht des betroffenen Geschäftsführers ist es im Fal-le des Fehlens einer Original-Vollmacht wichtig, die Kün-digung schnellstmöglich – spätestens innerhalb von 7 Tagen ab Zugang der Kündigung – aus diesem Grunde zurückzuweisen, da § 174 BGB eine unverzügliche Zu-rückweisung verlangt. Zudem sollte die Zurückweisung persönlich durch den betroffenen Geschäftsführer erklärt werden, da die Zurückweisung als einseitige Willenserklä-rung selbst unter § 174 BGB fällt und daher wiederum von der Gesellschaft zurückgewiesen werden kann, wenn bei-spielsweise der eingeschaltete Rechtsanwalt die Kündi-gung ohne Vorlage einer Originalvollmacht zurückweist.

Fallstricke und Einzelfragen

Fallstricke im Zusammenhang mit § 174 BGB und dem Nachweis der Vertretungsbefugnis in internationalen SachverhaltenErfolgt die Kündigung nicht unmittelbar durch die Gesellschafterversammlung, sondern durch einen Be-vollmächtigten, kann der betroffene Geschäftsführer die Kündigung – wie soeben erörtert – nach § 174 BGB zurückweisen, wenn der Kündigung die Original-Voll-machtsurkunde nicht beigefügt ist. Nicht anwendbar ist § 174 BGB hingegen auf eine Kündigung, die durch einen gesetzlichen Vertreter (z. B. den alleinvertre-tungsberechtigten Geschäftsführer der alleinigen Mut-tergesellschaft) erklärt wird. Anders soll dies hingegen sein, wenn sich die Vertretungsmacht des gesetzlichen Vertreters – wie in internationalen Konstellationen häu-fig – nicht aus einem öffentlichen Register ergibt; hier soll § 174 BGB analoge Anwendung finden. Da sich der kündigungsbetroffene Geschäftsführer einer Gesell-schaft mit ausländischer Muttergesellschaft somit po-tenziell auf § 174 BGB berufen kann, muss die ausländi-sche Muttergesellschaft bei Ausspruch der Kündigung Unterlagen im Original (!) vorlegen, aus denen sich die Vertretungsbefugnis der handelnden Geschäftsführer für die ausländische Muttergesellschaft ergibt. Dies stellt die ausländische Muttergesellschaft (und deren Berater) meist vor unerfüllbare Aufgaben, zumal die Kündigungsentscheidung in der Praxis häufig erst kurz vor einem etwaigen Kündigungstermin oder vor Ab-lauf der Zwei-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB gefällt wird, so dass für den Vertretungs- bzw. Vollmachts-nachweis wenig oder gar keine Zeit verbleibt.

Auslandsgesellschaften mit deutschen Tochtergesell-schaften sollten daher vorbeugend prüfen, wie die Vertretungsmacht der handelnden Personen mög-lichst rechtssicher nachgewiesen werden kann und entsprechende Unterlagen vorhalten. Welche Anfor-derungen an einen solchen Nachweis zu stellen sind, wird dabei in der Rechtsprechung unterschiedlich be-urteilt. Allein für das englische Recht führen die jüngs-ten Entscheidungen in diesem Zusammenhang über zehn verschiedene Möglichkeiten auf, die von einigen Gerichten als zulässig, von anderen als unzulässig be-handelt werden. Eine Beratung im Einzelfall ist insoweit unumgänglich. Gegebenenfalls ist es ratsam, die Kün-digungskompetenz vorbeugend auf einen (sich bei-spielsweise aus den Geschäftsführern der Muttergesell-

Wird die Kündigung durch einen Vertreter erklärt, ist dem Kündigungs-

schreiben in jedem Fall auch ein Original des die Ermächtigung

enthaltenden Gesellschafter-beschlusses beizufügen.

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 92

schaft zusammensetzenden) Beirat zu übertragen oder in der Geschäftsordnung für die Geschäftsführung der inländischen Tochtergesellschaft festzulegen, dass ein bestimmter Geschäftsführer der ausländischen Mut-tergesellschaft zur Bekanntgabe von Gesellschafterbe-schlüssen bevollmächtigt ist.

Fallstricke bei einer fristlosen Kündigung aus wichtigem GrundDie Notwendigkeit eines der Kündigung zustimmen-den Gesellschafterbeschlusses besteht nicht nur für or-dentliche, sondern auch für außerordentliche fristlose Kündigungen. Dies bereitet vor dem Hintergrund der in § 626 Abs. 2 BGB stipulierten Zwei-Wochen-Frist er-hebliche praktische Probleme. Diese Zwei-Wochen-Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Kündigungsbe-rechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt (§ 626 Abs. 2 S. 2 BGB). In einer GmbH kommt es dabei grundsätzlich auf den Wis-sensstand des zur Entscheidung über die fristlose Kündi-gung befugten und bereiten Gremiums an. In der GmbH ohne Aufsichtsrat beginnt die Frist somit grundsätzlich erst mit dem Zusammentritt der Gesellschafterver-sammlung und der nach dem Zusammentritt erlangten positiven Kenntnis aller Mitglieder; (grob) fahrlässige Unkenntnis reicht nicht aus. Auch ist der Wissensstand einzelner Mitglieder eines Gremiums nicht entschei-dend. Vielmehr kommt es auf die Kenntnis des Gremi-ums als solches und auf die Möglichkeit zur Entschei-dung über die fristlose Kündigung auf der Grundlage ausreichender Kenntnis in einer Gremiensitzung an.

Anders ist dies hingegen in Konzernkonstellationen, in denen die Tochter-GmbH nur über eine einzige Mutter-gesellschaft verfügt. Hier reicht die Kenntnis der gesetzli-chen oder rechtsgeschäftlichen Stellvertreter der Allein-gesellschafterin aus, um die Zwei-Wochen-Frist in Gang zu setzen. Sind mehrere Geschäftsführer der Alleinge-sellschafterin nur gesamtvertretungsberechtigt, reicht die Kenntnis bei einem von ihnen. Die oben dargestellte Rechtsprechung, wonach das Kollektivwissen des für die Kündigung zuständigen und bereiten Organs maßgeb-lich ist, wird im Falle einer Alleingesellschafterin nicht auf das Kollektivorgan „Geschäftsführung“ übertragen.

Auch bei einem mehrgliedrigen Gesellschafterkreis ge-hen indes mit dem Zuwarten bis zur Einberufung einer Gesellschafterversammlung erhebliche Risiken einher. Zwar beginnt der Fristlauf nach ständiger Rechtspre-

chung erst, wenn eine sichere und umfassende Kenntnis der für die Kündigung maßgebenden Tatsachen gegeben ist. Praktische Schwierigkeiten ergeben sich jedoch dar-aus, dass Verzögerungen des Ausspruchs der Kündigung – sei es durch allzu zögerliche Ermittlungen des Sachver-halts oder durch ein sachlich nicht gerechtfertigtes Hin-ausschieben der Gremiensitzung – zu Lasten der GmbH gehen und die Zwei-Wochen-Frist somit unbemerkt zu laufen beginnen kann. Streitigkeiten darüber, ob Maß-nahmen zur Sachverhaltsaufklärung noch zeitig oder schon zögerlich durchgeführt wurden, liegen somit auf der Hand. Hilfreich kann es insoweit sein, bei Verdacht des Vorliegens eines wichtigen Grundes eine unternehmen-sinterne Untersuchung (womöglich durch einen Dritten) einzuleiten und einen bestimmten (kurzfristigen) Zeit-punkt festzusetzen, an dem die Gesellschafterversamm-lung über die Ermittlungsergebnisse informiert wird.

Prozessuale Fallstricke Die Vertretung der GmbH im Prozess gegen den GeschäftsführerDie Gesellschafter bestimmen gemäß § 46 Nr. 8 Alt. 2 GmbHG darüber, wer die Gesellschaft in Prozessen ver-tritt, die gegen einen Geschäftsführer geführt werden. Dies gilt sowohl für Aktiv- als auch für Passivprozesse. Bestellen die Gesellschafter einen Prozessvertreter, so ist die Klage an diesen zu richten („X-GmbH, vertreten durch die Gesellschafterversammlung, diese vertreten durch den Prozessvertreter P“). Machen die Gesell-schafter von ihrer Befugnis keinen Gebrauch, kommt es darauf an, ob weitere Geschäftsführer bei der GmbH vorhanden sind. Ist dies der Fall, ist die Klage gegen die GmbH, vertreten durch diese weiteren Geschäftsführer zu richten. Ist dies nicht der Fall, muss der gegen die GmbH klagende Geschäftsführer die Bestellung eines Prozesspflegers gemäß § 57 Abs. 1 ZPO beantragen.

Die aufgezeigten Formalia beinhalten für den klagen-den Geschäftsführer insoweit ein nicht unerhebliches Risiko, weil Fehler bei der Abfassung des Rubrums sowohl zu einer nicht wirksamen Klagezustellung als auch einem Vertretungsmangel auf Beklagtenseite führen können. Einen solchen Fehler kann der klagen-de Geschäftsführer nicht ohne weiteres heilen, so dass die Klage in aller Regel als unzulässig abzuweisen ist, wenn nicht das eigentlich zuständige Vertretungsorg-an die bisherige Prozessführung genehmigt und als gesetzlicher Vertreter in den Rechtsstreit eintritt (was im Belieben der beklagten GmbH steht).

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Arbeitsgerichtsbarkeit vs. ZivilgerichtsbarkeitSeit einer jüngeren Entscheidung des BAG (Beschluss vom 22.10.2014 – 10 AZB 46/14 – NJW 2015, 570) stellt sich zudem die Frage, ob die Gesellschaft gut bera-ten ist, den betroffenen Geschäftsführer gleichzeitig mit der Kündigung auch abzuberufen. Denn mit dem Widerruf der Bestellung eines Geschäftsführers endet auch die Fiktion des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG, wonach ein Organmitglied juristischer Personen nicht als Ar-beitnehmer gilt. Dies eröffnet dem gekündigten und abberufenen Geschäftsführer die Möglichkeit zu be-haupten, das Vertragsverhältnis zur Gesellschaft sei als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren und so die Zustän-digkeit der Arbeitsgerichte zu begründen. Mögliche Vorteile bestehen für den Geschäftsführer insoweit vor allem in der fehlenden Pflicht zur Leistung eines Kos-tenvorschusses, der fehlenden erstinstanzlichen Pflicht zur Kostenerstattung, der stärkeren Ausrichtung der Arbeitsgerichte auf einen Vergleichsschluss und der in der Regel kürzeren Verfahrensdauer.

Der Wegfall der Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG führt indes nicht automatisch zur Zuständigkeit der Ar-beitsgerichte; vielmehr müssen darüber hinaus die allge-meinen Voraussetzungen nach §§ 2 ff. ArbGG vorliegen, also regelmäßig ein bürgerlicher Rechtsstreit zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Entscheidend ist inso-weit allerdings, dass für die Zuständigkeit der Arbeits-gerichte die bloße Rechtsbehauptung des Vorliegens eines Arbeitsverhältnisses ausreicht, wenn die geltend gemachten Klageanträge sich auf ein Arbeitsverhältnis gründen. Hängt die Entscheidung der Zuständigkeit nämlich von der Beantwortung der gleichen Frage ab, wie die Entscheidung in der Sache (hier: Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses), sind die Arbeitsgerichte immer zuständig (sog. „Sic-Non“ Rechtsprechung).

Mit der Begründung der Zuständigkeit ist materi-ell-rechtlich indes noch nichts gewonnen. Qualifiziert das Arbeitsgericht das gekündigte Vertragsverhältnis in Ermangelung besonderer Sachverhaltsumstände als Dienst- und nicht als Arbeitsvertrag, wird die Kün-digungsschutzklage als unbegründet abgewiesen. Kei-nen Erfolg kann der abberufene Geschäftsführer mit

dem Einwand haben, das Geschäftsführer-Dienstver-hältnis habe sich durch die Abberufung automatisch in einen Arbeitsvertrag gewandelt (vgl. BAG NZA 2013, 54). Vielmehr ist anhand des gesamten Anstellungsver-hältnisses zu prüfen, ob der abberufene Geschäftsfüh-rer einer GmbH deren Arbeitnehmer ist oder ein selbst-ständiges Dienstverhältnis vorliegt. Umstände in die eine oder andere Richtung können sich dabei sowohl aus dem Anstellungsvertrag ergeben, als auch aus dem zwischen den Parteien gelebten Vertragsverhältnis. Das gesellschaftsrechtliche Dogma der Bindung des Geschäftsführers an die Weisungen der Gesellschafter-versammlung kann sich hier schädigend für die Gesell-schaft auswirken, wenn die Weisungen sich nicht auf wirtschaftliche Entscheidungen beschränken, sondern auch in die Details der Arbeit und den Tagesablauf des Geschäftsführers eingreifen. Kann der Geschäftsführer hierfür überzeugende Argumente vortragen, wird die Kündigung infolge der Arbeitnehmerschutzvorschrif-ten möglicherweise unwirksam sein.

Nicht auszuschließen ist zudem, dass die Rechtspre-chung in Anbetracht der gleichen Anwendungsberei-che der negativen Fiktionen des § 5 Abs. 1. S. 3 ArbGG und des § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG die Frage des materiellen Kündigungsschutzes gleichermaßen an den Bestand der Organstellung zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung knüpft. Auch wenn hierzu noch keine Entscheidung vorliegt und mit diesem Schritt in abseh-barer Zeit – ungeachtet der europäischen Tendenzen zur zunehmenden Gleichstellung von Fremdgeschäfts-führern mit Arbeitnehmern – noch nicht zu rechnen ist, könnte sich eine Abberufung des zu kündigenden Geschäftsführers vor dem aufgezeigten Hintergrund als unzweckmäßig erweisen, da diese Argumentation in der Praxis bisweilen bereits als (nicht unerhebliches) Druckmittel für Vergleichsverhandlungen mit der Ge-sellschaft genutzt wird. Im Übrigen dürfte es sich aus Sicht der Gesellschaft anbieten, den Geschäftsführer im Falle der ordentlichen Kündigung nur widerruflich freizustellen. Legt der Geschäftsführer in diesem Fall sein Amt nieder (ggf. um zum Arbeitsgericht zu gelan-gen), könnte dies einen wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung durch die Gesellschaft darstellen.

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Möglichkeiten der Kapitalmarkt-finanzierung sowie deren Vor- und Nachteile

Schon kurzzeitige Liquiditätsengpässe können einer Gesellschaft schwere Reputationsschäden zufügen. Ei-ne der Aufgaben von Geschäftsführern ist daher, dafür Sorge zu tragen, dass notwendige finanzielle Mittel in jedem Fall ausreichend zur Verfügung stehen. Hierbei müssen sie insbesondere die Refinanzierung bestehen-der Verbindlichkeiten frühzeitig angehen, um Nachtei-le für die Gesellschaft zu vermeiden. Daneben ist die Geschäftsführung auch verpflichtet, die Gesellschaft möglichst so aufzustellen, dass keine Abhängigkeiten von einzelnen Finanzierungsarten oder -partnern ent-stehen. Dies erfordert, sich auch mit Alternativen zu bestehenden Finanzierungsstrukturen zu beschäfti-gen. Während früher eine Konzentration auf die klas-sische Bankenfinanzierung in der Regel ausreichte, ist es heutzutage empfehlenswert, wenn nicht je nach Konstellation sogar notwendig, sich auch mit alterna-tiven Finanzierungsformen wie insbesondere der Ka-pitalmarktfinanzierung zu beschäftigen. Aufgrund der Folgen der Bankenkrise, die sich etwa in einer zuneh-menden Verschärfung der Bankenregulierung und ei-ner stark gesunkenen Anzahl an Banken niederschlägt, ist die Finanzierung über die Hausbank heute, anders als in der Vergangenheit, keine „sichere Bank“ mehr.

Denkt man an eine Finanzierung über den Kapitalmarkt, so kommt wohl zumeist die Eigenkapitalfinanzierung von Aktiengesellschaften durch einen Börsengang un-

KAPITALMARKTFINANZIERUNGMIT DER GMBH

Dr. Thorsten Kuthe,

Rechtsanwalt,

Madeleine Zipperle,

Rechtsanwältin,

Heuking Kühn

Lüer Wojtek, Köln

ter Ausgabe von Aktien in den Sinn. Der Kapitalmarkt bietet aber weitere Finanzierungsmöglichkeiten, die auch der GmbH offenstehen.

Unternehmensanleihen

Die Ausgabe von Anleihen ist die klassische Form der Aufnahme von Fremdkapital über den Kapitalmarkt. War in der Vergangenheit dieser Weg zum Kapital-markt jedoch aufgrund der geforderten hohen Volumi-na der Kapitalanfragen hauptsächlich den großen Ge-sellschaften vorbehalten, hat sich dies in der jüngeren Vergangenheit gewandelt. Emissionen ab EUR 20 Mio. lassen sich gut platzieren.

Unternehmensanleihen weisen im Verhältnis zur klas-sischen Darlehensfinanzierung einige Vorteile auf. Ge-nerell lässt sich sagen, dass Unternehmensanleihen ty-pischerweise im Vergleich zur Bankenfinanzierung ein geringeres Maß an Covenants aufweisen und der Um-

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fang der Besicherung weniger ausgeprägt ist. Das be-deutet nicht, dass es überhaupt keine Covenants oder Sicherheiten gibt. Durch die stärkere Standardisierung ist deren Inhalt jedoch häufig vereinfacht und gibt den Unternehmen daher größere Flexibilität. Ganz we-sentlich ist, dass durch die Finanzierung über den Ka-pitalmarkt ein größerer Investorenkreis angesprochen werden kann. Ein positiver Nebeneffekt kann zudem ein steigender Reputationsgewinn durch zunehmende Bekanntheit der Gesellschaft sein.

Der „Preis“ hierfür sind erhöhte Transparenzanforderun-gen, denen es zu genügen gilt. Bei Börsennotierung ist etwa die Offenlegungspflicht hinsichtlich wesentlicher, für die Anleihegläubiger kursrelevanter Informationen zu beachten. Je nach gewähltem Börsensegment gel-ten weitere Transparenzvorschriften, zum Beispiel die Pflicht zur Veröffentlichung von Halbjahresabschlüs-sen. Hält man sich allerdings vor Augen, dass bei einem Konsortialkredit ebenfalls ein umfangreiches Reporting erforderlich ist, relativiert sich das Ganze. Der Aufwand dürfte nicht selten vergleichbar sein. Der Unterschied ist dann lediglich, dass die Informationen einmal an die breite Öffentlichkeit gehen, während sie im anderen Fall nur der Kreis der Bankenpartner erfährt.

Auch hinsichtlich der Kosten ist in vielen Punkten Ver-gleichbarkeit zur Bankenfinanzierung gegeben. Ein größerer Kostenfaktor bei der Unternehmensanleihe kann die Erstellung eines Wertpapierprospekts sein. Dieser ist dann erforderlich, wenn ein öffentliches An-gebot erfolgt. Emittenten, die den Kapitalmarkt immer wieder in Anspruch nehmen, entwickeln hier jedoch schnell Routine und der Aufwand hält sich in Grenzen. Bedient man sich hingegen einer Privatplatzierung, entfällt diese Position. Doch auch wenn die Erstellung eines Prospekts nicht notwendig ist, so muss trotzdem eine Unterlage für die Investoren erstellt werden. Dem-gegenüber kann es aber auch ein zeit- und kostenin-tensiver Prozess sein, mit Banken einen umfangreichen Konsortialkredit zu verhandeln.

In den Fällen, in denen keine Prospektpflicht besteht, bestehen allgemeine Aufklärungspflichten der Unter-nehmen gegenüber Finanzierern. Potenzielle Investo-ren sind auf diejenigen Umstände hinzuweisen, von denen das Unternehmen vernünftigerweise anneh-men muss, dass die Finanzierer hieran ein Interesse ha-ben. Dies ist jedoch gleichermaßen sowohl im Rahmen

der Kapitalmarktplatzierung als auch bei einer Banken-finanzierung zu beachten.

Aus Verletzungen dieser Informationspflichten können Haftungsrisiken für Geschäftsführer entstehen. Sofern es einen Prospekt gibt, ist hier zunächst an die Pros-pekthaftung zu denken. Dies ist allerdings kein Thema, vor dem sich ein gut organisiertes Unternehmen fürch-ten muss, sofern die Maßnahme mit erfahrenen Part-nern gut vorbereitet wird. Die Prospekthaftung greift nur, wenn bei Erstellung des Prospekts grob fahrlässig gehandelt wurde. Entsprechend haftet nicht, wem die-ser Vorwurf nicht gemacht werden kann. In der Praxis gibt es wenige Prospekthaftungsfälle bei Anleihen. Wird die allgemeine Aufklärungspflicht durch ein fall-angepasstes Investment Memorandum oder ähnliches erfüllt, gilt hier das zur Prospekthaftung Gesagte.

Schuldscheindarlehen

Eine in der Praxis sehr relevante Alternative zur Anlei-he ist die Aufnahme von Fremdkapital durch Schuld-scheindarlehen. Es handelt sich dabei um ein verzinstes Darlehen, welches durch die Ausstellung einer beweis-erheblichen Urkunde in gewisser Weise verbrieft und somit fungibel wird. Dadurch kann es vom Darlehens-geber weiterveräußert werden. Es ist aber kein am Kapi-talmarkt im Sinne einer Börse gehandeltes Instrument.

Durch die besondere rechtliche Einordnung als „Mi-schung“ aus Anleihe und Darlehen weist das Schuld-scheindarlehen einige Vorzüge beider Instrumente auf.

Auch hinsichtlich der Kosten ist in vielen Punkten Vergleich-

barkeit zur Bankenfinanzierung gegeben. Ein größerer Kosten-faktor bei der Unternehmens-

anleihe kann die Erstellung eines Wertpapierprospekts sein.

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Einerseits ist es durch den bilateralen Abschluss ver-traulich und nur den Parteien bekannt. Es gibt keine öf-fentlichen Transparenzpflichten. Die allgemeinen Auf-klärungspflichten bleiben zwar bestehen. Jedoch ist kein Prospekt zu erstellen. Trotzdem kann ein breiterer Investorenkreis angesprochen werden als beim klassi-schen Darlehen, wodurch sich die Chance, Geldgeber zu finden, erhöht. Dieser Kreis ist aber kleiner als der Kreis potenzieller Anleiheinvestoren. Auch steht der Schuldscheinmarkt klassischerweise nur Emittenten mit einem Investment Grade Rating offen, wovon es in letzter Zeit jedoch Ausnahmen gegeben hat.

Genussrechte

Eine weitere Finanzierungsmöglichkeit für die GmbH ist die Ausgabe von Genussrechten. Genussrechte fin-den sich sowohl in der Mezzanine-Finanzierung durch einzelne Investoren als auch am Kapitalmarkt, wo sie in verbriefter Form (als Genussscheine) eine alther-

Fazit

Die Unternehmensfinanzierung mit Hilfe der Ausgabe von Unternehmensanleihen oder auf andere kapitalmarktnahe oder -ähnliche Art ist für mittelständische Unternehmen und damit speziell für die GmbH zu einer ernstzunehmen-den Alternative zum herkömmlichen Bankdarlehen geworden. Geschäftsführer können verpflichtet sein, diese Mög-lichkeiten zu nutzen und sollten die Finanzierung ihres Unternehmens entsprechend auf mehrere Beine stellen. Die Haftungsrisiken bei der Nutzung des Kapitalmarkts sind durch gute Vorbereitung beherrschbar.

gebrachte Finanzierungsform darstellen. Der Charme von Genussrechten liegt darin, dass sie ein Zwitter zwi-schen Eigen- und Fremdkapital sind und sehr flexibel auf die individuelle Situation zugeschnitten werden können. Übliche Kriterien sind eine zumindest teilwei-se variable Verzinsung, die sich am Gewinn orientiert, Nachrangigkeit und (bis zur Aufzehrung des Genuss-kapitals) eine Verlustbeteiligung. Die jeweilige Ausge-staltung im Einzelfall kann sehr frei gewählt werden. Es sind auch Gestaltungen möglich und in der Praxis üb-lich, die zu einer Einordnung als wirtschaftliches Eigen-kapital im Bankenrating und / oder der Handelsbilanz führen. Genussrechtsinhabern werden jedoch niemals direkte Mitspracherechte gewährt wie sie Gesellschaf-tern zustehen.

Die Dokumentations- und Transparenzanforderungen bei börsennotierten Genussrechten entsprechen den-jenigen bei Anleihen. Folglich gelten auch die Ausfüh-rungen zu den Haftungsrisiken gleichermaßen.

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I. Einleitung

Beim Abschluss von Anstellungsverträgen kommt es in der Praxis immer wieder zu Fehlern. Die wohl häufigs-te Fehlerquelle ist der Abschluss des Vertrages durch ein Organ auf Seiten der GmbH, das hierfür nicht zu-ständig ist.

Für den Abschluss (und die Beendigung) des Anstel-lungsvertrages ist grundsätzlich die Gesellschafter-versammlung zuständig, die auch für die Bestellung verantwortlich ist (vgl. § 46 Nr. 5 GmbHG). Die Satzung kann allerdings die Kompetenz zum Abschluss des Vertrages auch einem anderen Organ, etwa einem fa-kultativen Aufsichts- oder Beirat, zuweisen. Bei GmbHs, die dem MitbestG unterfallen, ist für den Abschluss des Anstellungsvertrages unabhängig davon zwingend der Aufsichtsrat zuständig.

Fehler beim Abschluss des Anstellungsvertrages er-geben sich dann, wenn diese Kompetenzverteilung missachtet wird. So fasst in der Praxis häufig ein (Mit-)Geschäftsführer anstelle der Gesellschafterversamm-lung oder die Gesellschafterversammlung statt eines satzungsmäßig zuständigen Beirats oder gesetzlich zwingend zuständigen Aufsichtsrats Beschluss über den Vertrag. Denkbar ist ferner, dass versehentlich überhaupt kein Beschluss des zuständigen Organs über den Abschluss des Anstellungsvertrages vorliegt, sondern lediglich bzgl. der organschaftlichen Bestel-lung. Ein solcher Beschluss kann dann ohne besondere

DER FEHLERHAFTE ANSTELLUNGS-VERTRAG IM TRENNUNGSSZENARIO

Dr. Andrea Panzer-Heemeier,

Partnerin und Fachanwältin

für Arbeitsrecht,

ARQIS, Düsseldorf

Dr. Markus Schwipper,

LL.M, Rechtsanwalt,

ARQIS, München

zwischen GmbH und Geschäftsführer

Anhaltspunkte nicht zugleich als Beschluss über die Anstellung ausgelegt werden. Auch ist denkbar, dass zwar ein Beschluss des zuständigen Organs gefasst, der Vertrag aber durch eine andere Person unterzeichnet wurde, die nicht kraft Gesellschafterbeschlusses zum Vertragsabschluss bevollmächtigt war.

Hat bei Vertragsschluss eine nicht bevollmächtigte Person gehandelt, ist der Vertrag aufgrund der nicht ordnungsgemäßen Vertretung schwebend unwirksam (§ 177 BGB). Der Vertrag kann zwar durch das zuständi-ge Organ genehmigt werden, im Fall der Verweigerung ist er allerdings endgültig unwirksam (vgl. §§ 177, 184 BGB). Die bloße schwebende Unwirksamkeit gilt eben-falls, sofern überhaupt kein Beschluss des zuständigen Organs gefasst wurde. Für das Außenverhältnis bewirkt auch der fehlende (wirksame) Organbeschluss, dass die GmbH beim Vertragsschluss nicht wirksam vertreten worden ist. Der fehlende Gesellschafter- oder Aufsichts-ratsbeschluss führt nicht zur Nichtigkeit des Vertrages gemäß § 134 BGB. Bei Vorstandsverträgen entspricht

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dies der mittlerweile herrschenden Meinung (Köhler, NZG 2008, 161; BGH, Beschl. v. 14. 5. 2013 – II ZB 1/11) Auch bei der GmbH gilt im Ergebnis nichts anderes (KG, Urteil vom 20.12.2012 - 23 U 53/12 ).

Ist der schwebend unwirksame aber ungenehmigte Anstellungsvertrag bereits durch Aufnahme der Tätig-keit des Geschäftsführers in Vollzug gesetzt, wird die-ser sog. fehlerhafte Vertrag analog den Grundsätzen zum fehlerhaften Arbeitsverhältnis zwar für die Ver-gangenheit als wirksam behandelt. Hintergrund ist die Vermeidung der Schwierigkeiten der bereicherungs-rechtlichen Rückabwicklung. Für die Zukunft kann der fehlerhafte Vertrag aber im Grundsatz ohne Einhaltung eines wichtigen Grundes nach § 626 Abs. 1 BGB von der GmbH jederzeit (also auch ohne Beachtung der Zwei-wochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB) gelöst werden (vgl. etwa BGH, Urt. v. 3. 7. 2000 – II ZR 282/98). Dies gilt auch bei einem befristeten Anstellungsvertrag, bei dem das ordentliche Kündigungsrecht nicht selten vertraglich ausgeschlossen wird.

Wird die Fehlerhaftigkeit des Anstellungsvertrages mitunter erst im Rahmen eines laufenden Trennungs-szenarios bzw. gar schwebenden Gerichtsprozesses bezüglich der Wirksamkeit einer (fristlosen) Kündigung entdeckt, stellt sich die Frage, ob bzw. inwieweit dieser Umstand von der Gesellschaft als Druckmittel benutzt werden kann. Für den Geschäftsführer gilt es spiegel-bildlich zu klären, wie er sich gegen diesen Einwand verteidigen kann.

II. Erwägungen aus Sicht der Gesellschaft

Auf Gesellschaftsseite spielen häufig – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – insbesondere folgende Erwägun-gen eine Rolle.

1. Anforderungen an die Lossagung des fehlerhaften VertragesFür die Gesellschaft ist zunächst bedeutsam, wie die Los-sagung vom fehlerhaften Vertrag zu erfolgen hat. Die Kündigung des fehlerhaften Vertrages setzt zunächst einen (ausdrücklichen) Beschluss des zuständigen Or-gans (i.d.R. Gesellschafterversammlung bzw. Aufsichts-rat) voraus. Ein ausdrücklicher Hinweis auf die Fehler-haftigkeit des Vertrages und die näheren Hintergründe im Beschluss ist ratsam. Auch sollte bei schwebend un-wirksamen Verträgen die Genehmigung ausdrücklich verweigert werden. Schließlich muss die Kündigungs-erklärung dem Geschäftsführer zugehen (§ 130 BGB), wobei ein Zurückweisungsrisiko nach § 174 BGB ohne Vorlage des Organbeschlusses im Original besteht.

Sofern – etwa bei anwaltlich nicht beratenen Ge-sellschaften – erst während eines bereits laufenden Rechtsstreits bemerkt wird, dass der Vertrag fehlerhaft ist, stellt sich die Frage, ob eine bereits ausgesproche-ne (fristlose) Kündigung aus wichtigem Grund in eine Kündigung des fehlerhaften Vertrages ausgelegt oder umgedeutet (§ 140 BGB) werden könnte. Hierzu exis-tiert bislang offenbar keine ausdrückliche gerichtliche Entscheidung. Ein älteres obergerichtliches Urteil des OLG Schleswig (Urt. v. 16. 11. 2000 - 5 U 66/99) im Zu-sammenhang mit der Beendigung eines fehlerhaften Vorstandsvertrages legt dies zwar nahe. Vorsorglich sollte aber eine erneute Kündigungserklärung des feh-lerhaften Vertrages unter Einhaltung der oben genann-ten Formalien in den Prozess eingeführt werden.

2. Prozessuale ErwägungenEin (fristlos) gekündigter Geschäftsführer wird regel-mäßig versuchen, etwaige rückständige Vergütung klageweise geltend zu machen. Mit einer Klage im sog. Urkundenprozess gemäß §§ 592 ff. ZPO steht dem Or-ganmitglied – je nach Landgerichtsbezirk – ein Weg zur Verfügung, (relativ) zeitnah einen vorläufig vollstreck-baren Titel zu erlangen. Im Urkundenprozess sind als Beweismittel für die Einwendungen der beklagten GmbH nur Urkunden und auf Antrag die Parteiverneh-mung, also keine Zeugenvernehmung, zulässig, § 595

Für die Gesellschaft ist zunächst bedeutsam, wie die Lossagung vom

fehlerhaften Vertrag zu erfolgen hat. Die Kündigung des fehlerhaf-

ten Vertrages setzt zunächst einen (ausdrücklichen) Beschluss des zu-

ständigen Organs voraus.

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Abs. 2 ZPO. Der beklagten GmbH wird es in aller Regel nicht gelingen, einen wichtigen Grund für die fristlose Kündigung mittels Urkunden nachzuweisen, während der Geschäftsführer seinen Vergütungsanspruch mit-tels Vorlage des Dienstvertrages und der Gehaltsnach-weise üblicherweise mühelos belegen kann.

Die Kündigung des fehlerhaften Vertrages stellt vor diesem Hintergrund nicht nur materiell, sondern auch prozessual eine interessante Option für die Gesellschaft dar. Der Umstand, dass kein Beschluss oder nur eines un-zuständigen Organs bzgl. der Anstellung vorliegt, ließe sich ggf. als Einwendung in Form der (erleichterten) Kün-digung auch mit den zulässigen Beweismitteln des Ur-kundenprozesses (Beschlussdokument als Urkunde und/oder (ergänzende) Parteivernehmung zur Erläuterung) belegen. Dasselbe gilt für den Umstand, dass eine nicht per Beschluss bevollmächtigte Person den Vertrag unter-zeichnet hat. Ein Geschäftsführer wäre dann gezwungen vom Urkundenprozess Abstand zu nehmen, mit der Fol-ge, dass ein (schneller) Titel nicht zu erlangen ist.

III. Erwägungen aus Sicht des Geschäftsführers

Sieht sich der Geschäftsführer im laufenden Tren-nungsszenario mit dem Einwand der Fehlerhaftigkeit des Anstellungsvertrages konfrontiert, spielen aus sei-ner Sicht in der Praxis insbesondere die folgenden As-pekte häufig eine Rolle.

1. (Konkludente) Genehmigung des fehlerhaften Vertrages Jedenfalls der – in Vollzug gesetzte – schwebend un-wirksame Anstellungsvertrag bleibt genehmigungsfä-hig. Für die Genehmigung bedarf es nach zutreffender Ansicht eines (ausdrücklichen) Beschlusses des zustän-digen Organs und einer entsprechenden Willenserklä-rung gegenüber dem Organmitglied (für die AG Köhler, NZG 2008, 161 ff.). Bei der GmbH soll jedenfalls nach – zweifelhafter – Auffassung des OLG Stuttgart (Urt. v. 22.12.2010 - 9 U 102/10), für die Genehmigung ein aus-drücklicher Gesellschafterbeschluss nicht erforderlich sein. Es genüge die Genehmigung des bzw. der Gesell-schafter, § 182 Abs. 2 BGB.

Fehlt es im Beschluss an einer ausdrücklichen Geneh-migung, stellt sich für den Geschäftsführer die Frage, ob der Vertrag nicht zwischenzeitlich (konkludent)

durch sonstige Handlungen (bspw. Erteilung der Ent-lastung, Gehaltserhöhung etc.) genehmigt wurde.

Auch wenn im Schrifttum gelegentlich beiläufig die Auffassung vertreten wird, eine (konkludente) Geneh-migung des fehlerhaften Vertrages könne bereits in der bloßen Duldung oder Billigung der Tätigkeit des Geschäftsführers durch das zuständige Organ gesehen werden, ergeben sich an dieser These Zweifel (bereits BGHZ 65, 190, 195). Bezüglich der vorliegend interes-sierenden Konstellation der (konkludenten) Genehmi-gung eines fehlerhaften Vertrages durch spätere Hand-lungen der Gesellschaft verfährt der BGH scheinbar eher restriktiv (vgl. Urteil vom 19.12.1988 - II ZR 74/88). So wurde eine konkludente Genehmigung des Ver-trages eines AG-Vorstands sogar für den Fall verneint, dass das fehlerhaft angestellte Organmitglied durch Beschluss des Aufsichtsrates zum Vorsitzenden des Vor-stands bestellt und ihm anschließend aufgrund eines weiteren Beschlusses eine Sondertantieme gewährt wurde. Dies, obwohl jedenfalls letztgenannte Maßnah-me grundsätzlich stillschweigend voraussetzt, dass der Vertrag (fort)besteht. Für eine mitbestimmte GmbH, in welcher der Aufsichtsrat für die Genehmigung des Anstellungsvertrages zuständig wäre, kann im Hinblick auf den Verweis in §§ 25 Abs. 1 Nr. 2 MitbestG, 107 ff. AktG nichts anderes gelten.

Selbst wenn man außerhalb der mitbestimmten Gm-bH „konkludente“ Beschlussfassungen bzw. ausdrück-liche Beschlussfassungen mit konkludentem Inhalt angesichts weniger strenger Gesetzesvorschriften im Hinblick auf die Niederschrift von Beschlüssen (§ 48 Abs. 3 GmbHG) für zulässig hält, ist auch hier aufgrund allgemeiner Grundsätze eine stillschweigende Geneh-migung durch das zuständige Organ allenfalls mit Zu-rückhaltung anzunehmen. Eine Genehmigung durch schlüssiges Verhalten setzt regelmäßig voraus, dass sich der Genehmigende der schwebenden Unwirksam-keit des zu genehmigenden Vertrages bewusst ist oder zumindest mit ihr gerechnet hat und dass in seinem Verhalten der Ausdruck des Willens zu sehen ist, das bisher als unverbindlich angesehene Rechtsgeschäft verbindlich zu machen. (Vgl. auch KG, aaO).

Vor diesem Hintergrund dürfte eine konkludente Ge-nehmigung durch bloße Billigung häufig bereits auf-grund fehlenden Erklärungsbewusstseins ausscheiden, wenn das Organ die Fehlerhaftigkeit des Vertrages

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nicht kannte und hiervon bspw. erst nach anwaltlicher Beratung während des Trennungsszenarios erfahren hat.

2. Einwand der Treuwidrigkeit gemäß § 242 BGB In Rechtsprechung und Lehre wird mehrheitlich die Auffassung vertreten, dass eine Berufung der GmbH auf die Fehlerhaftigkeit des Anstellungsvertrages un-ter Umständen rechtsmissbräuchlich (§ 242 BGB) und damit unbeachtlich sein könne. Rechtsdogmatisch handelt es sich in diesen Fällen um den Einwand der Verwirkung des Kündigungsrechts.

Dieser Einwand setzt nach herkömmlichem Verständ-nis sowohl ein sog. Zeit- wie auch ein Umstandsmo-ment voraus. Klare Leitlinien, unter welchen Voraus-setzungen insbesondere vor dem Hintergrund des Umstandsmoments Verwirkung anzunehmen ist, wur-de durch die Rechtsprechung bislang nicht herausge-

arbeitet. Es handelt sich um Einzelfallentscheidungen. Allerdings ist in der Tendenz eher eine gewisse Zurück-haltung der Rechtsprechung zu erkennen.

So hat der BGH im Jahr 2000 (aaO) im Zusammenhang mit einem – aufgrund fehlenden Beschlusses der Ge-sellschafterversammlung – fehlerhaften Vertrag ent-schieden, dass der Umstand, dass der Geschäftsführer „drei Jahre und sechs Monate praktiziert“ hat, nicht dazu führe, dass die Gesellschaft den Einwand der Feh-lerhaftigkeit im Hinblick auf Treu und Glauben verwirkt habe (ähnlich bei einer Laufzeit von anderthalb Jahren: OLG Schleswig, aaO).

Der Geschäftsführer muss somit über die bloße Laufzeit des Vertrages hinausgehende Umstände darlegen, die zu einem Vertrauen in den Fortbestand des Vertrages und damit zu einer Verwirkung des Kündigungsrechts durch die Gesellschaft geführt haben können.

IV. Fazit

Die erst im Trennungsszenario entdeckte Fehlerhaftigkeit des Anstellungsvertrages verschafft der Gesellschaft einen mitunter wirkungsvollen Hebel, um Druck auf den zu kündigenden Geschäftsführer aufzubauen und das Verhand-lungsgleichgewicht zu verändern. Der Geschäftsführer wird in diesem Fall genau zu prüfen haben, ob der Umstand der Fehlerhaftigkeit bereits durch (stillschweigende) Genehmigung eines schwebend unwirksamen Vertrages oder durch die Verwirkung des Kündigungsrechts im Einzelfall obsolet geworden ist.

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1. Bedeutung, Risiken und Interessen-kollisionen bei der Due Diligence

Im Zusammenhang mit der Veräußerung von Geschäfts-anteilen ist eine Due Diligence heute die Regel. Der po-tenzielle Käufer erhält Einblick in wirtschaftliche, steu-erliche und rechtliche Angelegenheiten der Ziel-GmbH, insbesondere in die Finanzen, Organisations- und Perso-nalstrukturen, Vertragsbeziehungen und das operative Geschäft. Hierdurch kann der Käufer die Chancen und Risiken der Transaktion abschätzen und sich der Ange-messenheit des Kaufpreises vergewissern. Die „Katze im Sack“ will und wird er nicht kaufen. Die Rechtsprechung sieht den Geschäftsführer einer Käufer-GmbH gar zur Due Diligence als Teil der sorgfältigen Ermittlung der Entscheidungsgrundlage verpflichtet. Verzichtet er hierauf, geht er persönlich ein Haftungsrisiko ein. Ihm droht die Pflicht zum Ersatz von auf einer vermeidbaren Fehlinvestition beruhenden Verlusten.

Auch der veräußerungswillige Gesellschafter hat ein Interesse an der Due Diligence. Je umfassender und unmittelbarer der Einblick des Käufers, desto eher ist ein angemessen hoher Kaufpreis zu erzielen und desto weniger Garantien muss der Verkäufer geben, was wie-derum sein Haftungsrisiko senkt. Entsprechend ist also auch vom Geschäftsführer einer Verkäufer-GmbH zu er-warten, dem Käufer eine Due Diligence zu ermöglichen.

Das Interesse der Ziel-GmbH ist hingegen grundsätz-lich auf eine Geheimhaltung ihrer Interna gerichtet. Es handelt sich mitunter um hochsensible Daten. Der

PFLICHTEN DES GESCHÄFTS-FÜHRERS DER ZIEL-GMBHIN DER DUE DILIGENCE

Martin Bastobbe,

Rechtsanwalt,

Schultze & Braun GmbH

Rechtsanwaltsgesellschaft

Schaden wäre groß, könnte ein Wettbewerber mit ihrer Hilfe die Ziel-GmbH analysieren und deren Schwach-stellen für sich ausnutzen. Das Risiko besteht insbe-sondere, wenn der potenzielle Käufer ein Wettbewer-ber oder dessen Gesellschafter ist und die Transaktion scheitert. Auch besteht die Gefahr einer Weitergabe der Daten an Dritte. Vertraulichkeitsvereinbarungen sind unerlässlich, bieten aber nur eingeschränkten Schutz. Beweislast und -risiko für das Vorliegen einer unerlaubten Informationsweitergabe liegen bei der Ziel-GmbH. Ist ein Wettbewerber der potenzielle Käu-fer und nimmt er nach Informationszugang vom Kauf Abstand, bieten Vertraulichkeitsvereinbarungen prak-tisch keinen Schutz.

Dennoch kann eine Due Diligence auch im Interesse der Ziel-GmbH sein, etwa wenn der Käufer strategi-scher Investor ist und eine finanzielle oder personelle Unterstützung der Ziel-GmbH bietet, die ihre derzeiti-gen Gesellschafter nicht leisten können oder wollen.

Angedacht werden sollte, ob nicht eine Auswertung der Informationen durch einen unabhängigen Dritten allseits ausreichend und zumutbar ist, insbesondere dann, wenn der Käufer ohnehin auf eine Auswertung

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durch Dritte angewiesen ist. Dem Käufer wird in einer Fairness Opinion nur das Ergebnis mitgeteilt. Sinnvoll kann auch eine Einschränkung des Informationszu-gangs sein oder dessen Ermöglichung erst bei fortge-schrittenen Verhandlungen.

2. Keine Entscheidungsbefugnis des Geschäftsführers der Ziel-GmbH

Tritt der Käufer zwecks einer Due Diligence an den Geschäftsführer heran, stellt sich die Frage, ob dieser hierüber selbst entscheiden darf. Für den Vorstand ei-ner AG ist dies gesetzlich geregelt. Dieser muss über vertrauliche Angaben und Geheimnisse der AG Still-schweigen bewahren, was aber nur eindeutig klingt. Denn Geheimnisse sind nicht schon alle nicht offen-kundigen Tatsachen über die AG. Hinzukommen muss der Wille der AG zur Geheimhaltung und ein wirtschaft-liches Interesse hieran. Die Offenlegung von sensiblen Informationen gegenüber Wettbewerbern liegt regel-mäßig nicht im Interesse der AG. Eine Auseinanderset-zung mit der Frage, welche Informationen in welchem Umfang für eine Due Diligence offengelegt werden sol-len, ist unumgänglich. Dies ist Aufgabe des Vorstands. Denn die Informationsweitergabe ist Teil der Leitung der AG.

Für den Geschäftsführer einer GmbH gilt dies so nicht. Auszugehen ist von seiner Pflicht, Schäden von der Gesellschaft abzuwenden. Klar ist damit, dass er Gesell-schaftsgeheimnisse grundsätzlich dann nicht offenba-ren darf, wenn dies der Gesellschaft schaden würde. Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, ob auch der Geschäftsführer dies im Hinblick auf eine Due Diligen-ce selbst beurteilen darf.

Entscheidend ist der Umfang seiner Geschäftsfüh-rungsbefugnis. Dieser ergibt sich aus dem Gesell-schaftsvertrag. Regelmäßig ist die Befugnis zur Ent-scheidung über eine Due Diligence nicht geregelt und nicht Unternehmensgegenstand. Es handelt sich dann um eine ungewöhnliche Maßnahme der Unterneh-mensleitung. Daher entscheidet nicht der Geschäfts-führer, sondern die Gesellschafterversammlung. Der Geschäftsführer der Ziel-GmbH darf eine Due Diligen-ce also nicht eigenmächtig zulassen, andernfalls haftet er ggf. auf Schadensersatz. Die unbefugte Offenbarung von Betriebs-/Geschäftsgeheimnissen ist auch strafbe-währt.

Da die Due Diligence im Interesse der Ziel-GmbH lie-gen kann, sollte der Geschäftsführer eine Due Diligen-ce aber nicht ablehnen, sondern die Entscheidung der Gesellschafterversammlung ermöglichen, diese also informieren.

3. Entscheidung der Gesellschafter-versammlung

Die Entscheidung der Gesellschafterversammlung ist für den Geschäftsführer als Weisung grundsätzlich bindend, es sei denn, der Beschluss ist nichtig oder angefochten oder durch dessen Befolgung würde der Geschäftsfüh-rer gegen nicht disponible Pflichten verstoßen. Auch Beschlüsse, die nicht mit der erforderlichen Mehrheit gefasst und nicht festgestellt wurden, binden nicht. Mit welcher Mehrheit der Beschluss hier gefasst werden muss, ist nicht höchstrichterlich geklärt. Verbreitet wird die einfache Mehrheit für ausreichend gehalten. Der veräußerungswillige Gesellschafter soll kein Stimmrecht haben. Andere halten Einstimmigkeit für erforderlich.

Der Geschäftsführer sollte sich hier Klarheit verschaf-fen, ob der Beschluss festgestellt wurde. Ist dies unter-blieben, liegt zunächst keine wirksame Weisung vor. Dies gilt bis zu einer gerichtlichen Beschlussfeststel-lung. Wurde der Beschluss aber in der Versammlung festgestellt, ist grundsätzlich von einer wirksamen Wei-sung auszugehen. Eine Verletzung des Mehrheitserfor-dernisses führt nicht zur Nichtigkeit, sondern nur zur Anfechtbarkeit. Anfechtbare, aber binnen Monatsfrist nicht angefochtene Beschlüsse sind uneingeschränkt zu beachten, ebenso solche, bei denen mit einer An-fechtung nicht zu rechnen ist. Im Zweifel sollte eine noch anfechtbare Weisung nicht befolgt werden. Hier-zu ist der Geschäftsführer nicht verpflichtet, kann sich gar haftbar machen, wenn er es doch tut und eine An-fechtung noch erfolgt. Insbesondere dann, wenn der Geschäftsführer befürchtet, eine Informationsheraus-gabe an den potenziellen Käufer verstoße gegen Inter-essen der GmbH, muss er sorgsam prüfen.

Möglich ist auch eine aktive Begleitung der Entschei-dungsfindung durch den Geschäftsführer, etwa durch Vorschläge zur sinnvollen Begrenzung des Informati-onszugangs oder Alternativen, z. B. einer Fairness Opi-nion. Nicht selten lässt sich eine Lösung finden, der alle Gesellschafter zustimmen, was das Haftungsrisiko des Geschäftsführers senkt.

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4. Auskunfts- und Einsichtsrecht des Gesellschafters

Lehnt die Gesellschafterversammlung eine Due Dili-gence ab, kann der veräußerungswillige Gesellschafter dagegen ggf. gerichtlich vorgehen, wenn das Interes-se an der Offenlegung das Geheimhaltungsinteresse überwiegt, dies mit dem Beschluss aber nicht berück-sichtigt wird. Scheitert er auch hiermit, kann der Gesell-schafter versucht sein, sich auf sein Auskunfts- und Ein-sichtsrecht gegenüber der GmbH zu berufen, um die Informationen dann dem Kaufinteressenten zuzulei-ten. Hierin kann eine Verwendung von Informationen zu einem gesellschaftsfremden Zweck liegen und der Ziel-GmbH oder einem verbundenem Unternehmen ein nicht unerheblicher Nachteil drohen. Dass Gesetz sieht hier ein Verweigerungsrecht des Geschäftsführers vor, macht die Ausübung aber von einem Gesellschaf-terbeschluss abhängig.

Will die Gesellschafterversammlung die Informationen nicht versagen, muss der Geschäftsführer die Informa-tionen grundsätzlich erteilen. Auch hier sollte er aber die Umstände der Beschlussfassung prüfen. Geht ein Gesellschafter gegen einen Beschluss vor, weil nach seiner Sicht die Informationen hätten verweigert wer-den müssen, muss der Geschäftsführer im Einzelfall prüfen, ob er vor der endgültigen Klärung Informatio-nen erteilt. Eine Herausgabe kann er nicht rückgängig machen. Zwar kann hieran die Transaktion scheitern und dem veräußerungswilligen Gesellschafter ein Schaden drohen. Der Geschäftsführer ist aber zuvor-

derst der GmbH verpflichtet. Auch hier kann eine akti-ve Begleitung der Entscheidungsfindung sinnvoll sein.

5. Grenzen der Informationsgewährung trotz Weisung der Gesellschafter

Trotz eines Gesellschafterbeschlusses kann der Gesell-schafter gehalten sein, Informationen zu verweigern, z. B. wenn er sonst gegen gesetzliche Vorschriften ver-stieße, was bei der Weitergabe von Angaben über Mit-arbeiter der Fall sein kann. Hier sind datenschutzrecht-liche Vorgaben zu berücksichtigen. Zulässig ist die anonymisierte Weitergabe von Angaben, die keinen Rückschluss auf konkrete Personen ermöglichen. Dann liegen schon keine Daten im datenschutzrechtlichen Sinne vor. Ein Verstoß liegt auch nicht vor, wenn die betroffenen Mitarbeiter einwilligen oder eine Betriebs-vereinbarung vorliegt. Für beides kann ein Entgegen-kommen der GmbH erforderlich sein. Auch wird eine Veräußerungsabsicht dann offenbar. Eine Einzelfallprü-fung kann ergeben, dass das Interesse an der Informa-tionsweitergabe das Datenschutzinteresse überwiegt.

Zweifelhaft ist, ob der Geschäftsführer Informationen mit der Begründung verweigern kann, der Gesellschaf-ter verfolge gesellschaftsfremde Zwecke und es drohe ein Nachteil für die GmbH. Teilweise wird dies vertre-ten. Dagegen spricht aber, dass das Gesetz für diesen Fall gerade die Entscheidung der Gesellschafter vor-sieht. Der Geschäftsführer sollte also nicht selbst ent-scheiden, sondern auf eine Entscheidung der Gesell-schafter hinwirken.

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§ 43 Abs. 1 GmbHG verpflichtet Geschäftsführer, „in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes an-

zuwenden“. Dieses Anforderungsprofil steigt in Zeiten einer Unternehmenskrise signifikant. Geschäftsführer sollten dann nicht nur im Interesse der Gesellschaft, sondern auch aus persönlicher Achtsamkeit ihren In-formations-, Sanierungs- und Krisenpflichten optimal nachkommen und die wirtschaftliche Lage noch sorg-fältiger als sonst überwachen.

Die Rechtsordnung enthält zahlreiche Tatbestände, durch die Geschäftsführer in der Unternehmenskrise Gefahr laufen, sich gegenüber Gesellschaft, Gesell-schaftern, Gläubigern und Dritten haftbar zu machen. Eine Exkulpation aufgrund interner Ressortaufteilung greift dabei ebenso wenig, wie die Konstellation, nur einer von mehreren Geschäftsführern zu sein.

Doch damit nicht genug: Es entsteht ein gefährliches Wechselspiel, durch welches die Geschäftsführer auf der Zielgeraden nicht nur eine persönliche, unbeschränkte Haftung, sondern darüber hinaus auch strafrechtliche Sanktionen erwarten. Denn insolvenzrechtlich rele-vante Straftatbestände sind zugleich Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB und begründen somit Scha-densersatzansprüche. Gesellschafts-, Insolvenz- und Steuerrecht enthalten eine Fülle von Tatbeständen, die den Geschäftsführer straf- und haftungsrechtlich einholen können. Dieser befindet sich oftmals in ei-nem Spannungsfeld, in dem steuerrechtliche Pflichten mit zivilrechtlichen Anforderungen und strafrechtliche Pflichten mit dem Grundsatz der Kapitalerhaltung kol-lidieren. Der folgende, nicht abschließende Überblick soll keine Panik verbreiten, sondern vielmehr den Fo-

GESCHÄFTSFÜHRERHAFTUNGIN DER UNTERNEHMENSKRISE

Prof. Rolf Rattunde,

Rechtsanwalt, Insolvenz verwalter,

Notar in Berlin, Fachanwalt für

Steuerrecht, Fachanwalt

für Insolvenzrecht, Honorar-

professor für deutsches und euro päisches

Insolvenzrecht und das Recht

der Kreditsicherheiten (HTW Berlin)

kus der Geschäftsführer auf relevante Tatbestände in der Unternehmenskrise schärfen und damit anregen, frühzeitig geeignete Gegenmaßnahmen zu ergreifen.

1. Haftungsgefahr durch das Strafgesetzbuch

Gerade in unruhigen Zeiten einer Unternehmenskri-se besteht die Gefahr, dass der Geschäftsführer aus Unkenntnis, Zeitdruck oder mangelnder Orientierung Handlungen vornimmt oder unterlässt, die zu einer Strafbarkeit nach dem StGB führen. Zu nennen sind hier neben den insolvenzrechtlichen Straftatbeständen wie § 283 Bankrott, § 283b Verletzung der Buchführungs-pflicht, § 283c/d Gläubiger-, Schuldnerbegünstigung sowie § 15a InsO Insolvenzverschleppung auch § 246 Unterschlagung, § 263 Betrug, § 265b Kreditbetrug, § 266 Untreue, § 266 a Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt sowie § 370 AO Steuerhinterziehung.

Kommt es zu entsprechenden strafrechtlichen Verur-teilungen, ist die zivilrechtliche Haftung nicht weit, da sämtliche Straftatbestände Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB darstellen und somit zugleich

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 105

Schadensersatzansprüche begründen. Gläubiger, die ihre Ansprüche gegenüber dem insolventen Unterneh-men nicht mehr durchsetzen können, werden bemüht sein, den Geschäftsführer auf diesem Wege persönlich in Anspruch zu nehmen.

2. Haftungsgefahr durch das GmbH-Gesetz

§ 43 GmbHG bildet die zentrale Vorschrift des GmbH- rechtlichen Verantwortlichkeitsrechts. Abs. 2 regelt die organschaftliche Innenhaftung des Geschäftsführers gegenüber der Gesellschaft bei Verletzung von Oblie-genheitspflichten. Der Geschäftsführer hat für Fähig-keiten und Kenntnisse einzustehen, welche die ihm anvertraute Aufgabe objektiv erfordert. Persönliche Unfähigkeit, Unerfahrenheit oder fachliche Unkenntnis vermögen nicht zu entlasten.

Eine Verschärfung erfährt die Haftungspflicht durch Abs. 3, der insbesondere bei einem Verstoß gegen Re-gelungen zum Gläubigerschutz nach § 30 GmbHG kei-ne Exkulpationsmöglichkeiten für den Geschäftsführer zulässt, selbst wenn dieser auf Weisung der Gesell-schafter gehandelt hat.

Daneben normiert das GmbH-Gesetz mit § 64 S.1 und 2 einen in der Praxis relevanten Tatbestand, wonach Ge-schäftsführer für verbotene Zahlungen nach Insolvenz-reife haftbar werden. Damit soll ein Gläubigerschutz durch Masseverkürzungen im Vorfeld des Insolvenzver-fahrens erreicht werden. Die Norm stellt das schärfste Schwert des Insolvenzverwalters dar, da dieser im Fal-le der Verfahrenseröffnung versuchen wird, Haftungs-ansprüche für die Gesellschaft gegenüber dem Ge-schäftsführer zu realisieren. Zu Einzelheiten hinsichtlich des auslegungsbedürftigen Zahlungsbegriffs wird auf den Beitrag „Aktuelle Entwicklungen bei Haftungsfra-gen rund um Insolvenz“ dieses E-Books verwiesen.

3. Haftungsgefahr durch die Insolvenz ordnung

Durch § 15 a InsO droht dem Geschäftsführer bei nicht, nicht richtig oder nicht rechtzeitig gestelltem Insol-venzantrag entsprechend Abs. 4 zum einen eine straf-rechtliche Verurteilung. Daneben begründet die Norm als Schutzgesetz aber auch eine Außenhaftung des Ge-schäftsführers gegenüber Dritten nach § 823 Abs. 2 BGB.

Der Geschäftsführer ist nach § 15a Abs. 1 InsO verpflich-tet, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung oh-ne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach dem Eintritt der Bedingung einen Eröffnungsan-trag zu stellen. Bei der 3-Wochenfrist handelt es sich um eine Höchstfrist, die nur ausgereizt werden darf, wenn berechtigte Aussichten für eine Abwendung der Insolvenz bestehen, also eine realistische Sanierungs-chance vorliegt. Im Umkehrschluss bedeutet dies eine Verpflichtung zur Antragstellung bereits vor Ablauf der drei Wochen, sobald die Unmöglichkeit der Unterneh-menssanierung erkennbar wird.

4. Haftungsgefahr durch das Steuerrecht

Ferner muss der Geschäftsführer als Haftungsschuld-ner nach § 34 AO dafür sorgen, dass Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis aus den von ihm verwal-teten Mitteln entrichtet werden. Der Geschäftsführer haftet zum einen nach § 69 AO für die Steuerschul-den der Gesellschaft, wenn diese infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt oder soweit infolgedessen Steuervergütungen oder Steuer-erstattungen ohne rechtlichen Grund gezahlt wurden. Daneben haftet er nach § 71 AO, wenn er eine Steuer-hinterziehung begeht, zu einer solchen anstiftet oder Beihilfe leistet. Die Haftungsschuld ist eine Fremdhaf-tung und wird vom Finanzamt mit einem Haftungsbe-scheid geltend gemacht. Dabei gilt es hinsichtlich der Steuerarten zu differenzieren:

Bei der 3-Wochenfrist handelt es sich um eine Höchstfrist, die

nur ausgereizt werden darf, wenn berechtigte Aussichten für

eine Abwendung der Insolvenz bestehen, also eine realistische

Sanierungschance vorliegt.

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 106

a) Lohnsteuer: Die vom Arbeitnehmer geschuldete Lohnsteuer ist aus Sicht des Arbeitgebers Fremdgeld, das lediglich treuhänderisch einbehalten wird. Die Nichtabführung der Lohnsteuer bei Fälligkeit stellt mindestens eine grobe Fahrlässigkeit dar, so dass die Haftung hier der Regelfall ist. Eine Haftungsreduzie-rung gelingt nur, wenn aufgrund außerordentlicher, unvorhersehbarer Umstände die zur Zahlung der Lohnsteuer vorgesehenen liquiden Mittel bei Fälligkeit nicht mehr zur Verfügung standen.

In Krisenzeiten besteht jedoch die Möglichkeit, Brut-tolöhne zu senken, die dann neu ermittelte Lohnsteuer einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen.

b) Umsatzsteuer: Bei der Umsatzsteuer gilt dagegen der Grundsatz der anteiligen Tilgung. Somit haftet der Geschäftsführer anders als bei der Lohnsteuer grund-sätzlich nicht für die volle Umsatzsteuerschuld der GmbH, sondern nur insoweit, als er aus den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln die Steuerschulden hät-te tilgen können. Bei insgesamt nicht ausreichenden Zahlungsmitteln liegt eine schuldhafte Pflichtverlet-zung des Geschäftsführers nur in dem Umfang vor, als er die vorhandenen Mittel nicht zu einer anteiligen Be-friedigung der privaten Gläubiger und des Finanzamts verwendet hat.

Neben der Haftungsgefahr enthält auch die Abgaben-ordnung mit § 370 AO einen Tatbestand, welcher durch Tätigung unrichtiger oder unvollständiger Angaben oder pflichtwidrigem Verschweigen steuerlich erhebli-cher Tatsachen eine Steuerverkürzung herbeiführt und somit eine Strafbarkeit begründet.

5. Haftungsgefahr gegenüber Sozial-versicherungsträgern

Sozialabgaben sind auch in der Unternehmenskrise durch den Geschäftsführer vollständig zu entrichten. Andernfalls macht er sich nach § 266a StGB strafbar und gegenüber der GmbH sowie den Sozialversiche-rungsträgern schadensersatzpflichtig.

Eine Strafbarkeit nach § 266a StGB setzt vordergründig die Nichtabführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozi-alversicherung voraus, deren Fälligkeit nach § 23 Abs. 1 S. 2 SGB IV spätestens am drittletzten Bankarbeitstag des jeweiligen Monats eintritt, wobei die Satzungen der Krankenkassen und Spitzenverbände einen frühe-ren Termin festlegen können, § 23 Abs. 1 S. 1 SGB IV. Eine anteilige Kürzung der Beiträge kommt in diesem Fall nicht zur Anwendung. Der Tatbestand kann sogar verwirklicht werden, wenn der Arbeitgeber schon gar keine Löhne mehr zahlt.

Bei dieser Konstellation wird – ebenso wie bei der Pflicht zur Steuerabführung – das Spannungsfeld und damit einhergehend das Haftungsproblem für Geschäftsfüh-rer deutlich: Denn nach § 64 S.1 GmbHG dürfen diese ab Insolvenzreife keinerlei Zahlungen mehr an Dritte leisten, was grundsätzlich auch die Zahlung von So-zialversicherungsbeiträgen und Steuern einschließt. Andererseits begründen unterlassene Zahlungen eine Strafbarkeit nach § 266a StGB bzw. eine Haftung nach § 69 AO, gegebenenfalls auch eine Veruntreuung.

Dieser Pflichtenkollision sind der BGH sowie der BFH mittlerweile mit Rücksicht auf die Einheit der Rechts-ordnung entgegengetreten.1 Die Abführung von Sozi-alversicherungsbeiträgen entspreche der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmanns, so dass derartige Zahlungen nach § 64 S. 2 GmbHG nicht haftungsrelevant sind. Diese Privilegierung gilt jedoch nur für die Abführung von Sozialversicherungsbeiträ-gen für die Arbeitnehmer. Zahlt der Geschäftsführer dagegen die Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversiche-rung, kann er der GmbH gemäß § 64 S.1 GmbHG wie-derum schadensersatzpflichtig werden.

1 BGH ZInsO 2005, 986 = NJW 2005, 3650; BGH, ZInsO 2007, 660 = NJW 2007, 2118; BFH, ZIP 2007, 1604; .

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 107

Der österreichische Oberste Gerichtshof (OGH) hat in den letzten Jahren seine Rechtsprechung zum Verbot der Einlagenrückgewähr sehr verschärft.

Für Geschäftsführer ausländischer (deutscher) Mutter-gesellschaften ist wichtig, für österreichische Tochterge-sellschaften die österreichische Rechtslage zu kennen. Ebenso ist dies für ausländische (deutsche) Geschäfts-führer österreichischer Tochtergesellschaften wichtig.

Was ist Einlagenrückgewähr?

Unter Einlagenrückgewähr versteht man, dass Gesell-schafter ihre Stammeinlage auf irgendeine Art und Wei-se zurück erhalten. Das kann direkt oder indirekt bezie-hungsweise offen oder verdeckt erfolgen. Jeder dieser Fälle ist grundsätzlich verboten, deswegen spricht man in der Regel von verbotener Einlagenrückgewähr (im Steuerrecht von verdeckter Gewinnausschüttung).

Das Verbot

Gemäß § 82 des ö.GmbHG dürfen Gesellschafter ihre Stammeinlage nicht zurückfordern. Sie haben nur An-spruch auf den nach dem Jahresabschluss ausgewie-senen Bilanzgewinn. Der Zweck dieser Bestimmung ist der Gläubigerschutz. Das Gesellschaftsvermögen soll durch Leistungen an Gesellschafter nicht geschmälert werden, Gläubiger einer Gesellschaft sollen sich darauf verlassen können, dass das bilanzierte Gesellschafts-vermögen tatsächlich vorhanden ist. Vom Schutzzweck des § 82 ö.GmbHG ist das gesamte Gesellschaftsver-mögen erfasst und nicht nur das Stammkapital. Vom

DER GESCHÄFTSFÜHRER UND DASVERBOT DER EINLAGENRÜCKGEWÄHR

Dr. Nora Michtner,

Rechtsanwältin

Mag. Alexander Singer,

Rechtsanwalt und Inhaber,

Singer Fössl Rechtsanwälte OG

(www.sfr.at), Wien

Die aktuelle österreichische Rechtslage

Verbot der Einlagenrückgewähr sind alle Zuwendun-gen unabhängig davon erfasst, ob sie in der Bilanz der Gesellschaft oder des Gesellschafters aufscheinen.1

Verbotsadressaten

Adressaten des Verbots der Einlagenrückgewähr sind nicht nur Gesellschafter, sondern auch Geschäftsführer. Sie dürfen keine verbotswidrigen Ausschüttungen an Gesellschafter vornehmen, sonst sind sie der Gesellschaft nach § 25 Abs 3 Z 1 ö.GmbHG zum Ersatz verpflichtet.2

Typische Fälle

Klassische Fälle der Einlagenrückgewähr können sein: überhöhte Kaufpreise oder Gehälter, freiwillige Ab-fertigungen, Darlehen (Verrechnungskonten), Forde-rungsverzichte, Verwendung der Mitarbeiter für pri-vate Leistungen (Reinigungskraft reinigt Privathaus), Firmenautos für nicht tätige Familienmitglieder, Spe-

1 Feltl/Told in Gruber/Harrer, § 25 GmbHG, Rz 108.2 Auer in Gruber/Harrer, § 82 GmbHG, Rz 32.

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 108

senabrechnungen, die eigentlich nicht geschäftsbe-zogen sind, aber auch Übertragungen von Tochterge-sellschaften zum Nominale, wenn deren wahrer Wert das Nominale übersteigt, Ausstieg aus einer Gruppen-besteuerung, die Überlassung von Geschäftschancen, Bestellung von Sicherheiten, Cash-Pooling, Verrech-nungspreise, usw.

Solche Leistungen fallen unter das Verbot der Einlagen-rückgewähr, wenn sie an einen Gesellschafter erfolgen. Leistungen an Nicht-Gesellschafter unterliegen aber dem Verbot der Einlagenrückgewähr, wenn sie wirt-schaftlich dem Gesellschafter zurechenbar sind, oder an ihm nahestehende Person erfolgen (Familienange-hörige oder verbundene Unternehmen, insbesondere auch Schwestergesellschaften). Leistungen an „echte“ Nicht-Gesellschafter fallen nicht unter das Verbot der Einlagenrückgewähr, können aber „normale“ Schaden-ersatzansprüche nach sich ziehen.

Fremdvergleich

Gerechtfertigt sind allerdings Leistungen an Gesell-schafter, die ihre Wurzeln nicht im Gesellschaftsverhält-nis haben, sondern aufgrund fremdüblicher (marktüb-licher) Konditionen erbracht werden. Geschäftsführer müssen sich daher bei Geschäften mit Gesellschaf-tern immer die Kontrollfrage stellen, ob sie dasselbe Geschäft mit Nicht-Gesellschaftern auch abschließen würden (Dritt- oder Fremdvergleich). Nach der Recht-sprechung kann eine an sich verbotene Einlagenrück-gewähr im Einzelfall unter besonderen Umständen damit gerechtfertigt werden, dass außergewöhnliche betriebliche Gründe im Interesse der Gesellschaft vor-liegen, sodass ein fremdunübliches (marktunübliches) Geschäft auch mit einem Nicht-Gesellschafter ge-schlossen worden wäre.3

Rückforderungsanspruch / Geschäftsführerhaftung

Wurde gegen das Verbot der Einlagenrückgewähr ver-stoßen, ist der begünstigte Gesellschafter gemäß § 83 ö.GmbHG zum Rückersatz verpflichtet. Ferner besteht eine subsidiäre Haftung der anderen Gesellschafter, diese ist jedoch mit Stammkapital begrenzt.

3 Feltl/Told in Gruber/Harrer, § 25 GmbHG, Rz 108.

Haftung des Geschäftsführers

§ 25 Abs 3 Z 1 ö.GmbHG sieht ausdrücklich eine zwin-gende Haftung der Geschäftsführer für Handlungen vor, die wegen einer verbotenen Einlagenrückgewähr einen Abfluss von Gesellschaftsvermögen zu Gesell-schaftern zu verantworten haben.4

Soweit es zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist, besteht diese Haftung der Geschäftsführer selbst dann, wenn sie sich auf einen Beschluss der Gesell-schafter stützen können. Solche Gesellschafterbe-schlüsse wären nämlich nichtig.5

Wann wird das Risiko schlagend?

In der Regel werden in guten Zeiten Rückforderungs-ansprüche und/oder Geschäftsführer-Haftungen nicht geltend gemacht. Aber in schlechten Zeiten prüfen Geschäftsführer und insbesondere Insolvenzverwalter, ob gegen vormalige Geschäftsführer Haftungen bezie-hungsweise Ex-Gesellschafter Rückforderungsansprü-che bestehen.

Neuerdings werden wir Anwälte auch in guten Zeiten beauftragt, nach Unternehmenskäufen zu prüfen, ob Rückforderungsansprüche und/oder Haftungen aus dem Titel der verbotenen Einlagenrückgewähr beste-hen, weil manche Käufer sich einen Teil des Kaufpreises „zurückholen“ wollen.

Verjährung

Die Ansprüche der Gesellschaft verjähren gemäß § 83 Abs 5 ö.GmbHG in 5 Jahren, sofern sie nicht beweist, dass der Ersatzpflichtige die Widerrechtlichkeit der Zahlung kannte. Wenn Ersatzpflichtige die Widerrecht-lichkeit der Zahlung kannten, kommt die 30-jährige Verjährungsfrist zur Anwendung.

2012 jedoch hat der OGH einen Teil der Lehrmeinung bestätigt, dass der Rückforderungsanspruch nach § 83 ö.GmbHG mit dem allgemeinen Bereicherungsrecht konkurriert und daher neben der Verjährungsfrist des § 83 Abs 5 ö.GmbHG auch die allgemeine lange Ver-jährungsfrist zum Tragen kommt, wobei noch nicht

4 Feltl/Told in Gruber/Harrer, § 25 GmbHG, Rz 106.5 OGH 6 Ob 72/16f.

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abschließend geklärt ist, ob von einer 30-jährigen oder einer 40-jährigen Verjährungsfrist auszugehen ist.6 Die-se Rechtsprechung wird in der Lehre stark kritisiert, da sie den Regelungstatbestand des § 83 Abs 5 ö.GmbHG vollständig untergrabe.

GmbH & Co KG

Der OGH judiziert seit 2007, dass die §§ 82 f ö.GmbHG analog auch auf die GmbH & Co KG anzuwenden sind, wenn sie keine natürliche Person als Komplementär hat. Dabei ist es sowohl unerheblich, ob die GmbH oder die KG leistet, als auch, ob Leistungsempfänger ein an der GmbH beteiligter Gesellschafter oder nur an der KG be-teiligter Kommanditist ist. Der OGH hat diese Rechtspre-chung in den letzten Jahren immer wieder bestätigt, obwohl diese in der Lehre auf vehemente Kritik gesto-ßen ist. Aufgrund der Rechtsprechung der letzten Jahre muss diese jedoch als gefestigt bezeichnet werden.

Der OGH ging bei seiner Rechtsprechung sogar so-weit, dass die GmbH & Co KG im Falle der verbotenen Einlagenrückgewähr einen direkten Schadenersatzan-spruch gegen den Geschäftsführer der Komplemen-tär-GmbH hat. Dies jedoch nur bei Hinzutreten beson-derer Umstände. Im gegenständlichen Fall waren dies die Personenidentität von Kommanditisten, GmbH-Ge-sellschaftern und Geschäftsführern sowie die Tätigkeit der GmbH ausschließlich zur Wahrnehmung der Ge-schäftsführeraufgaben für die KG. Die GmbH & Co KG soll durch diese direkte Anspruchsmöglichkeit nicht das Insolvenzrisiko der GmbH tragen; sie muss sich daher nicht zuerst an die GmbH wenden, welche sich dann an den Geschäftsführer wenden kann.7

Ersatzansprüche gegen den Geschäftsführer verjähren gemäß § 25 Abs 6 ö.GmbHG in fünf Jahren. Der OGH hat diese 5-jährige Verjährungsfrist auch bei direkten Ersat-zansprüchen der GmbH & Co KG gegen den Geschäfts-führer der GmbH analog angewendet, obwohl auf Schadenersatzansprüche der Kommanditgesellschaft gegen ihren geschäftsführenden Gesellschafter die allgemeinen schadenersatzrechtlichen Verjährungs-bestimmungen anzuwenden sind, sodass sich daraus nur eine 3-jährige Verjährungsfrist ergäbe. Der OGH begründet diese analoge Anwendung des § 25 Abs 6

6 OGH 6 Ob 110/12p.7 OGH 6 Ob 171/15p.

ö.GmbHG auf die Ansprüche der GmbH & Co KG gegen den Geschäftsführer der GmbH damit, dass auch die §§ 82 f ö.GmbHG auf die GmbH & Co KG analog anzu-wenden sind und daher nicht verständlich wäre, wenn dies nur für die Verjährungsfrist nicht geltend sollte.8

Cash-Pooling / Verrechnungspreise

Cash Pooling dient dazu, die Liquidität mehrerer Kon-zerngesellschaften zusammenzufassen und zentral je nach Bedarf auf die Konzerngesellschaften zu vertei-len. Der zeitlich unterschiedliche Liquiditätsbedarf ein-zelner Gesellschaften soll ohne externe Finanzierung innerhalb des Konzerns ausgeglichen werden.

Dies ist wirtschaftlich genial, rechtlich aber höchst riskant, denn auch Cash Pooling muss dem Dritt- beziehungswei-se Fremdvergleich standhalten, da sonst eine verbotene Einlagenrückgewähr vorliegt. Geschäftsführer stehen da-her vor der schwierigen Aufgabe, beurteilen zu müssen, ob die Teilnahme am Cash Pooling in seiner konkreten vertraglichen Gestaltung zu denselben Konditionen mit einem Dritten außerhalb des Konzerns abgeschlossen worden wäre. Bei dieser Beurteilung sind nicht nur Boni-tätsprüfungen der anderen Konzerngesellschaften, Kon-ditionen (Zinsen), sondern vor allem auch zu beachten, ob und welche Sicherheiten bestellt werden.

Verrechnungspreise sind solche, welche zwischen ein-zelnen, verbundenen Unternehmen für konzerninterne Lieferungen und/oder Leistungen in Rechnung gestellt werden. Verrechnungspreise werden konzernintern festgelegt, es besteht daher das Risiko, dass diese nicht den Marktpreis widerspiegeln. Sollte dies der Fall sein, scheitert der Dritt- oder Fremdvergleich, dadurch könn-te verbotene Einlagenrückgewähr mit den beschriebe-nen Konsequenzen vorliegen (Rückforderungsansprü-che und/oder Geschäftsführer-Haftungen).

Sowohl bei Cash Pooling als auch bei Verrechnungs-preisen gewinnt daher die Kontrollfrage zentrale Be-deutung, ob ein Geschäftsführer dasselbe Cash Pooling beziehungsweise dieselben (Verrechnungs-)Preise bei Nicht-Gesellschaftern auch akzeptierte?

8 OGH 6 Ob 171/15p.

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 110

Es gibt viele Gründe, dass Gesellschafter vor der Entscheidung stehen, die Geschäftsführung des eigenen Unternehmens in andere Hände zu le-

gen: Manche wollen das eigene Lebenswerk schritt-weise an die Nachfolger übergeben oder sich ganz aus der Geschäftsführung zurückzuziehen, andere ein vielleicht ererbtes Unternehmen durch Fremdge-schäftsführer weiterführen lassen. Manchmal sind die Eignerfamilien über Generationen so groß und zersplit-tert, dass Strukturen erforderlich werden, in denen nur wenige Gesellschafter die Geschäftsführung über das Unternehmen innehaben, während die übrigen ledig-lich Kontrollrechte ausüben.

In jedem Fall erfordert der Verzicht auf praktische Handlungsmacht viel Mut und Vertrauen. Daher be-steht ein Bedürfnis, durch ausreichend Kontrolle auch weiterhin die Geschicke und die Zielrichtung des Un-ternehmens mitzugestalten. Aber auch einzelne Ge-sellschafter einer Neugründung oder einer bestehen-den Gesellschaft sollten wissen, welche Kontrollrechte ihnen zustehen. Mit Rechten gehen in den allermeisten Fällen auch gewisse Pflichten einher.

Dieser Beitrag erläutert in Eckpunkten gesetzliche Vorkehrungen in der GmbH und welche Gestaltungs-möglichkeiten die Praxis bietet, um die Tätigkeit der Geschäftsführung zu kontrollieren.

DIE KONTROLLE DER GESCHÄFTS-FÜHRUNG DURCH DIEGESELLSCHAFTER Dr. Florian Herrmann,

Rechtsanwalt, Fachanwalt

für Handels- und

Gesellschaftsrecht

Alexander Uhl,

Rechtsanwalt, Langwieser

Rechtsanwälte Partnerschaft mbB,

München, Berlin

I. Gesetzliche Kontrollmöglichkeit für den einzelnen Gesellschafter

Auch ein einzelner Gesellschafter hat das Bedürfnis und Recht, zu erfahren, wie es um die Gesellschaft steht. Dafür gewährt § 51a GmbHG unabhängig von der Hö-he seiner Beteiligung ein Auskunfts- und Einsichtsrecht (individuelles Informationsrecht). Es berechtigt den einzelnen Gesellschafter aber nicht, Weisungen gegen-über der Geschäftsführung zu erteilen. Im Vergleich zu den Befugnissen der Gesellschaftergesamtheit ist dies daher ein sehr eingeschränktes Recht.

Zur Ausübung seines individuellen Informationsrechts kann der Gesellschafter die Geschäftsführung (auch mündlich) auffordern, ihm Auskunft über die Ange-legenheiten der Gesellschaft zu geben und Einsicht-nahme in die Bücher zu gestatten. Umfasst von die-sem Recht sind alle rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der GmbH, seien es abgeschlossene oder geplante Vorgänge. Also sind beispielsweise auch die wirtschaftliche Lage der Gesellschaft, Gehälter und Ge-schäftsverbindungen eingeschlossen.

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Dem Gesellschafter sind die Auskünfte bzw. die Ein-sichtnahme stets zu gewähren, es sei denn es ist zu be-fürchten, dass der Gesellschafter die Informationen zu gesellschaftsfremden Zwecken verwenden und damit der Gesellschaft Schaden zufügen wird. Ein klassisches Beispiel hierfür ist das Ausnutzen der Informationen für Konkurrenzunternehmen.

II. Kontrollmöglichkeiten der Gesellschaftergesamtheit

1. Gesetzliche MöglichkeitenDie der Gesellschaftergesamtheit zustehenden Rech-te in Bezug auf die Geschäftsführung ergeben sich in erster Linie aus dem Gesellschaftsvertrag und erst subsidiär aus den Regelungen des GmbHG. Das heißt, solange der Gesellschaftsvertrag keine Bestimmungen zur Kontrolle des Geschäftsführers trifft, gelten die ge-setzlichen Regelungen.

Dabei gilt grundsätzlich, dass die gesetzlichen Kont-rollrechte durch die Gesellschaftergesamtheit in ihrer Stellung als Organ der Gesellschaft ausgeübt werden. Es beschließt also jeweils die Versammlung aller Gesell-schafter über die Ausübung ihrer kollektiven Rechte und nicht der einzelne Gesellschafter – sei es auch ein Gesellschafter mit größeren Gesellschaftsanteilen.

a. WeisungsrechtNeben dem in der GmbH grundsätzlich jederzeit mög-lichen Widerruf der Bestellung eines Geschäftsführers ist das Weisungsrecht der Gesellschafterversammlung das schärfste Schwert gegenüber dem Geschäftsfüh-rer. Dieser handelt generell mit einer vordergründigen unternehmerischen Freiheit. Diese im Außenverhältnis bestehende Vertretungsmacht des (Einzel)Geschäfts-führers kann mittels Weisung der Gesellschafterver-sammlung im Innenverhältnis jedoch sehr weitgehend limitiert werden.

Der Geschäftsführer leitet die Gesellschaft im Falle einer Weisung grundsätzlich nicht in eigener Verantwortung. Übt die Gesellschafterversammlung ihr Weisungsrecht aus, hat der Geschäftsführer nach dem Grundsatz der Folgepflicht die Weisungen auch auszuführen. Per Weisung kann die Gesellschafterversammlung sowohl allgemeine Richtlinien als auch einzelne Anweisungen geben. Dies gilt selbstverständlich nicht, wenn die Weisungen offensichtlich rechtswidrig sind. Dann hat

der Geschäftsführer sogar die Pflicht, diese Weisungen abzulehnen und die Ausführung zu verweigern.

b. Auskunfts- und InformationsrechtDarüber hinaus besitzt die Gesellschaftergesamtheit ein umfassendes Informationsrecht. Eine Ausprägung dieses Informationsrechts ist die mindestens einmal jährlich vom Geschäftsführer einzuberufende Gesell-schafterversammlung. Im Vorfeld dieser Versammlung hat der Geschäftsführer, unmittelbar nach deren Auf-stellung, den Jahres- und Lagebericht den Gesellschaf-tern zur Feststellung des Jahresabschlusses vorzulegen.

In bestimmten Fällen, die den Rahmen des gewöhn-lichen Geschäftsbetriebs übersteigen, ist der Geschäfts-führer zur Einholung der Erlaubnis der Gesellschafter verpflichtet. Solche ungewöhnlichen Maßnahmen werden vom Gesetz angenommen, wenn sie nicht mehr von der von den Gesellschaftern beschlossenen Geschäftspolitik gedeckt sind oder sie Ausnahme-charakter haben.

Ebenso hat der Geschäftsführer, zum Beispiel bei Nach-schussforderungen, eine außergewöhnliche Gesell-schafterversammlung einzuberufen um dem Informa-tionsrecht der Gesellschafter gerecht zu werden.

c. KündigungsrechtDie schärfste Form der Kontrolle des Geschäftsfüh-rers ist freilich der Widerruf von dessen Bestellung als Organ der Gesellschaft und die Kündigung seines Geschäftsführeranstellungsvertrages durch bzw. auf-grund Beschluss der Gesellschafterversammlung. Liegt ein wichtiger Grund vor, kann dies sogar außerordent-lich geschehen.

2. Vertragliche GestaltungsmöglichkeitenDas Recht der Gesellschafter, die Maßregeln zur Prü-fung und Überwachung der Geschäftsführung zu be-stimmen ergibt sich aus § 46 Nr. 6 GmbHG. Demnach steht es den Gesellschaftern frei, auf welche Art und Weise die Kompetenzen der Geschäftsführung festge-legt und deren Tätigkeit überwacht wird.

a. Gesellschaftsvertrag/SatzungIm Gesellschaftsvertrag oder einer gesonderten Ge-sellschaftervereinbarung (nicht öffentlich) können die gesetzlich vorgesehenen Kontrollmechanismen erheb-lich erweitert werden.

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 112

Will die Gesellschafterversammlung ihr Kontrollrecht nicht oder nicht allein ausüben, kann diese Kompetenz auch auf ein anderes Organ der Gesellschaft übertragen werden. Denkbar ist die Installation eines „Beirats“ oder „Lenkungsausschusses“. In einem solchen Gremium könnten bspw. wesentliche Entscheidungen konzent-riert werden, um nicht immer die gesamte Gesellschaf-terversammlung damit zu befassen. Denkbar ist auch die Etablierung eines Aufsichtsrates nach dem Modell der Aktiengesellschaft, der dann neben der Aufsichtskom-petenz der Gesellschafter die Tätigkeit der Gesellschaft überwacht. Oberstes Organ der Gesellschaft bleibt aber nach wie vor die Gesellschafterversammlung.

Auf außenstehende Dritte, die keine Gesellschafter sind, können dagegen weder durch die Gesellschafter noch durch die Gesellschaft mitgliedschaftliche Wei-sungsrechte übertragen werden.

Der Weg über die Satzung bietet Vor- und Nachteile: zwar wird durch dort vorgenommene Regelungen eine hohe Transparenz erreicht, jedoch sind etwaige Ände-rungen oder Ergänzungen stets mit höherem Aufwand und (Notar)Kosten verbunden.

b. GeschäftsordnungIm Rahmen ihrer Kompetenzen können die Gesellschaf-terversammlung oder ein eingesetzter Aufsichtsrat/Beirat etc. die Pflichten der Geschäftsführung auch in ei-ner Geschäftsordnung regeln und einschränken. Damit schafft die Gesellschafterversammlung bindendes inner-gesellschaftliches Recht. Je nachdem, wie flexibel man bei der Regelung von bspw. zustimmungspflichtigen Ge-schäften reagieren muss, kann die Regelung hier mit teils erheblich weniger Aufwand und schneller erfolgen, als wenn hierfür eine Satzungsänderung erforderlich wird. Im Übrigen sind die in einer Geschäftsordnung getrof-fenen Regelungen – anders als der Gesellschaftsvertrag einer GmbH – grundsätzlich nicht öffentlich einsehbar.

c. Dienstvertrag des GFAuch der Anstellungsvertrag eines Geschäftsführers bietet vielfältige Möglichkeiten, den Gestaltungsspiel-raum des Geschäftsführers zu definieren. Dies hat den Vorteil, dass spätere Änderungen und Anpassungen erfolgen können, ohne dass dies Einfluss auf die Sat-zung hat. Hierbei ist aber zu beachten, dass Beschlüsse der Gesellschafterversammlung stets Vorrang genie-ßen. D. h. der Geschäftsführer müsste bei entsprechen-dem Beschluss der Gesellschafterversammlung auch eine gegen die Regelungen des Anstellungsvertrags lautende Weisung befolgen.

3. Inhalt der vertraglichen RegelungenSolange vertragliche Regelungen nicht dem Gesetz entgegenstehen, können sie beliebig ausgestaltet werden. Wie genau dies geschieht, hängt oftmals mit der Gesellschafterstruktur und den verschiedenen betroffenen Interessen zusammen. Ein Minderheits-gesellschafter wird eher auf einen umfangreichen Zu-stimmungskatalog drängen, um seine eigenen Mitwir-kungsrechte ausüben zu können bzw. überhaupt von bestimmten Planungen und Geschäften Kenntnis zu erlangen. Ein geschäftsführender Gesellschafter wird seine eigene Position stärken und dementsprechend den Umfang des Zustimmungskatalogs gering halten wollen.

Exemplarisch können die Vereinbarungen verschie-dene Verhaltensweisen katalogisieren und bestim-men. Denkbar sind regelmäßige Informationspflich-ten oder die Beschränkung der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers im Innenverhältnis, z. B. durch Festlegung eines Höchstbetrages für eigenständige Entscheidungen. Dabei sollte jedoch stets die Hand-lungsfähigkeit der Geschäftsführung und damit der Gesellschaft im Auge behalten werden, denn oftmals haben zu restriktive Regelungen einen lähmenden Ein-fluss auf das Fortkommen des Unternehmens.

III. Fazit

Die gesetzlichen Regelungen garantieren den Gesellschaftern Möglichkeiten, die Tätigkeit des Geschäftsführers zu überwachen und die Richtung der Gesellschaft durch Weisungen zu bestimmen. Insbesondere in nicht inhaberge-führten Unternehmen und Gesellschaften mit einem größeren oder sehr zersplitterten Gesellschafterkreis empfiehlt es sich, eine individuelle Struktur aufzusetzen, die den Ausgleich zwischen der Handlungsfähigkeit der Geschäftsfüh-rung und Kontrollmechanismen und Einfluss der Gesellschafter herstellt.

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 113

Dieser Beitrag befasst sich mit immer wiederkehren-den Problemstellungen in der arbeitsrechtlichen Bera-tung und Vertretung von GmbH-Geschäftsführern.

1. Kein Kündigungsschutz für den Geschäftsführer?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in mehreren Ent-scheidungen klargestellt, dass sich GmbH-Geschäfts-führer nicht auf den Kündigungsschutz des § 1 Kün-digungsschutzgesetz (KSchG) berufen können. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG gilt er nicht für Vertretungsor-gane juristischer Personen. Dabei wird unwiderleglich vermutet, dass ein Geschäftsführer nicht Arbeitnehmer ist, selbst wenn er tatsächlich auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags tätig wird1.

Nur in Ausnahmefällen ist ein Kündigungsschutz für den Geschäftsführer denkbar:

Das BAG hat in einer Entscheidung aus dem Jahre 2012 festgestellt, dass auch für einen GmbH-Geschäftsführer nach einer Abberufung Kündigungsschutz bestehen kann2. Das Bundesarbeitsgericht stellte in diesem Zu-sammenhang abermals klar, dass das vormals beste-

1 vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.10.2007 - 6 AZR 1045/06 §§ 1, 14 KSchG; § 102 Abs. 1 BetrVG.

2 vgl. Bundarbeitsgericht, Beschluss vom 26.10.2012 – 10 AZR 3/12.

TYPISCHE ARBEITSRECHTLICHERISIKEN FÜR GMBH-GESCHÄFTSFÜHRER

Matthias W. Kroll,

LL.M., Rechtsanwalt,

Fachanwalt für Arbeitsrecht,

Fachanwalt für Versicherungsrecht

Dr. Nietsch & Kroll Rechtsanwälte

(www.nkr-hamburg.de), Hamburg

…und wie man sie vermeiden kann!

hende Anstellungsverhältnis durch den Abberufungs-akt zwar nicht automatisch zu einem Arbeitsverhältnis umgewandelt werde. Wurde das frühere Arbeitsver-hältnis jedoch nicht wirksam gemäß § 623 BGB been-det, kann es nach Beendigung der Organstellung auf-leben. In diesem Falle besteht ausnahmsweise auch für den Geschäftsführer Kündigungsschutz.

Praxishinweis: Aus Sicht des Unternehmens sollte darauf geachtet werden, dass ein etwaiges altes Arbeitsverhältnis mit dem Geschäftsführer formwirksam aufgehoben wird. Der Geschäftsführer seinerseits sollte bei Beendigung des Anstellungsvertrages prüfen, ob nicht ggf. Ansprüche aus einem alten Arbeitsverhältnis geltend gemacht werden können.

Gleiches gilt wenn die Parteien nach der Kündigung des Geschäftsführervertrags eine Weiterbeschäftigung ohne wesentliche Änderung seiner Arbeitsaufgaben im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses vereinbaren wür-den. In diesem Falle besteht ebenfalls ausnahmsweise auch für den Geschäftsführer Kündigungsschutz3.

3 vgl. Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.11.2005 - 2 AZR 614/04.

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2. Kein Rechtsschutz vor den Arbeitsgerichten?

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) sind die Arbeitsgerichte zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten “zwischen Arbeitnehmern und Ar-beitgebern”. Wer Arbeitnehmer i.S.d. ArbGG ist, ergibt sich aus § 5 ArbGG. § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG fingiert, dass der Organvertreter einer juristischen Person kein Arbeitnehmer und sein der Organstellung zugrunde liegendes Anstellungsverhältnis kein Arbeitsverhältnis ist. Diese Fiktion gilt unabhängig davon, ob das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis materiell-rechtlich ein freies Dienstverhältnis oder ein Anstellungsverhältnis ist4.

In einer neueren Entscheidung des BAG sind diese Grundsätze für den Geschäftsführer deutlich „ent-schärft“ worden: Das BAG geht nunmehr davon aus, dass § 5 Abs.1 Satz 3 ArbGG für den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten dann jedenfalls keine Anwendung mehr findet, wenn der Geschäftsführer abberufen ist5.

Dabei kommt es auf die Abberufung als Beschluss der Gesellschafter und auf die Mitteilung der Abberufung gegenüber dem Geschäftsführer an. Nicht von Bedeu-tung ist die – ggf. erst spätere und nur deklaratorische – Eintragung der Abberufung im Handelsregister. Eine sol-che, den Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten eröffnende Abberufung muss nicht bereits zum Zeitpunkt der Kla-geerhebung vorliegen, sondern kann auch später vorge-nommen werden. Spätester Zeitpunkt ist die rechtskräf-tige gerichtliche Entscheidung über den Rechtsweg.

Praxishinweis: Wer als Geschäftsführer nach einer Kün-digung vor dem Arbeitsgericht klagen möchte, kann dies nunmehr aus prozesstaktischen Gründen in Anspruch nehmen, wenn er von der Gesellschaft abberufen worden ist. Allerdings bleibt davon unberührt, dass das Kündi-gungsschutzgesetz (KSchG) nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG nicht anwendbar ist. Wenn die beklagte Gesellschaft aus prozesstaktischen Gründen die notwendige Abberufung verzögert, kann der Geschäftsführer sein Amt auch nie-derlegen. Dieser Schritt sollte allerdings zuvor auf etwaige damit einhergehende Haftungsrisiken genau überprüft werden.

4 Landesarbeitsgericht Köln, Beschluss vom 12.1.2012 - 12 Ta 274/11.5 Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 22.10.2014, 10 AZB 46/14.

3. Hohe Rechtsverfolgungskosten?

Die prozessuale und auch wirtschaftliche Konsequenz aus § 5 Abs. 2 Satz 1 ArbGG ist weitreichend:

Die Klage eines Geschäftsführers muss grundsätzlich vor den ordentlichen Zivilgerichten erfolgen. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist bei Einreichung der Klage ein Gerichtskostenvorschuss zu zahlen; anders als bei den Arbeitsgerichten, bei denen ein solcher Vor-schuss nicht erforderlich ist.

Im Falle eines Prozessverlustes vor dem Arbeitsgericht trägt jede Partei ihre Kosten selbst, vgl. § 12a ArbGG. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit hat der Unterlegene in dem Rechtsstreit sämtliche Kosten – also auch die des Gegners – zu tragen.

Soweit man sich diese Aspekte vor Augen führt, ist es aus prozesstaktischen Gründen aus Sicht des Ge-schäftsführers anzuraten, die aktuelle Rechtsprechung des BAG für sich zu nutzen und im Falle einer Abberu-fung vor den Arbeitsgerichten zu klagen – auch wenn dies noch nicht ohne weiteres zur Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes führt.

Praxishinweis: Geschäftsführer sollten dennoch bei Abschluss ihres Anstellungsvertrages erwägen, eine für Organe geltende – deutlich teurere – Rechtsschutzver-sicherung abzuschließen. Eine übliche Rechtsschutzver-sicherung für Arbeitnehmer wird typischerweise nicht eingreifen, da der Geschäftsführer grundsätzlich nicht als Arbeitnehmer eingestuft werden kann.

4. Keine Haftungsprivilegierung?

Für Arbeitnehmer begrenzt die Rechtsprechung die Pflicht des Arbeitnehmers zum Schadensersatz gegen-über dem allgemeinen Zivilrecht erheblich. Für alle Schäden des Arbeitgebers, die ein Arbeitnehmer durch eine betrieblich veranlasste Tätigkeit rechtswidrig ver-ursacht, gelten die folgenden Haftungserleichterungen:

Bei grober Fahrlässigkeit und Vorsatz haftet der Ar-beitnehmer grundsätzlich auf den gesamten Schaden.

Bei mittlerer Fahrlässigkeit wird der Schaden unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgeteilt.

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Bei leichter Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer nicht.

Diese im Arbeitsrecht geltenden Haftungserleichterun-gen gelten für den GmbH-Geschäftsführer nicht, da er grundsätzlich nicht als Arbeitnehmer einzustufen ist. Der GmbH-Geschäftsführer haftet vielmehr nicht nur für Vorsatz, sondern für sämtliche Fahrlässigkeitsvor-würfe und zwar in voller Höhe mit seinem Privatver-mögen.

Praxishinweis: In den Geschäftsführeranstellungsvertrag lassen sich Haftungsbeschränkungsklauseln hineinver-handeln. Darüber hinaus sollte jeder Geschäftsführer eine Vermögensschadenhaftpflicht-Versicherung mit ausrei-chender Deckung unterhalten (sog. D&O-Versicherung).

5. Kein Weiterbeschäftigungsanspruch nach Kündigung?

Bei einem GmbH-Geschäftsführer ist zwischen der Or-ganebene und der anstellungsrechtlichen Ebene zu unterscheiden. Diese beiden Ebenen sind nach der Rechtsprechung strikt voneinander zu trennen6. Kün-digt die Gesellschaft einem Geschäftsführer ordentlich, so wird der Geschäftsführer in aller Regel hierneben abberufen, während der Anstellungsvertrag aufgrund der Kündigungsfrist noch weiter bis zum Ablauf der Kündigungsfrist fortbesteht. Wenn der Geschäftsfüh-rer weiterhin einseitig von der Gesellschaft freigestellt wird, stellt sich die Frage, ob der abberufene und ge-kündigte Geschäftsführer bis zum Ende der Kündi-gungsfrist eine Weiterbeschäftigung als Geschäftsfüh-rer verlangen kann.

Nach Ansicht des BGH besteht ein solcher Weiterbe-schäftigungsanspruch im Regelfall nicht7. Gemäß § 38 I GmbHG kann die Bestellung eines Geschäftsführers grundsätzlich jederzeit widerrufen werden. Aus dieser weitgehenden Organisationsfreiheit ergibt sich nach Ansicht des BGH, dass der Geschäftsführer nach der Abberufung keinen fortbestehenden Beschäftigungs-anspruch als Organ der Gesellschaft hat.

6 Einzige Ausnahmen bilden sog. „Koppelungsklauseln“ in Anstellungsverträgen, bei denen vertraglich vereinbart ist, dass bei einer Abberufung des Geschäfts-führers gleichzeitig das Anstellungsverhältnis bei Wirksamkeit der Abberufung endet, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Solche Klauseln werden von der Rechtsprechung als wirksam angesehen, vgl. OLG Saarbrücken, Urteil vom 08.05.2013 – 1 U 154/12-43.

7 vgl. BGH, Urteil vom 11.10.2010, II ZR 266/08.

Praxishinweis: Anders kann dies allerdings zu bewer-ten sein, wenn der GmbH-Geschäftsführer nicht ohne weiteres abberufen werden kann, sondern wenn die-ses Recht auf das Vorliegen eines wichtigen Grundes gemäß § 38 II GmbHG beschränkt wurde.

6. Fristlose Kündigungen als Druckmittel der Gesellschaft?

Häufig vereinbaren Unternehmen mit Geschäftsfüh-rern Anstellungsverträge mit einer festen Laufzeit. In aller Regel sind ordentliche Kündigungen vor der Be-endigung der Laufzeit ausgeschlossen. Wenn es nun-mehr zu einer Auseinandersetzung zwischen der Ge-sellschaft und dem Geschäftsführer kommt, führt die Abberufung der Organposition grundsätzlich nicht dazu, dass auch der Anstellungsvertrag beendet wird. Deshalb behelfen sich Unternehmen oftmals damit, außerordentliche, fristlose Kündigungen auszuspre-chen, um den Geschäftsführer zu veranlassen, über die Restlaufzeit des Anstellungsvertrages zu verhandeln.

In einem solchen Fall muss gemäß § 626 Abs.1 BGB ein wichtiger Grund vorliegen. Ein solcher wichtiger Grund wurde von der Rechtsprechung etwa in folgenden Fäl-len anerkannt:

Verletzung der Insolvenzantragspflicht,

Verdachtskündigung bei strafbaren Handlungen,

Ausnutzen von Geschäftschancen der Gesellschaft zum eigenen Vorteil,

Verrat von Geschäftsgeheimnissen.

Die hier genannten Pflichtverstöße stellen nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile ei-nen wichtigen Grund im Sinne von § 626 BGB dar.

Praxishinweis: Oftmals sind fristlose Kündigung der Gesellschaft nur vorgeschoben, um die Vergütung nicht mehr weiter zahlen zu müssen. Dies soll den Druck auf den Geschäftsführer erhöhen, ggf. eine vergleichsweise Einigung für die Restlaufzeit des Anstellungsvertrags ein-zugehen. Einem solchen Vorgehen sollte mit einer sog. Urkundsklage auf Fortzahlung der Vergütung begegnet werden.

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Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Erleich-terung der Sanierung von Unternehmen (kurz: ESUG) am 1. März 2012 hat der Gesetzgeber

neue Möglichkeiten für die Restrukturierung und Sa-nierung von Unternehmen geschaffen. Gleichzeitig hatte er angekündigt, das neue Regelwerk nach fünf Jahren einer umfassenden Evaluierung zu unterziehen. Im März 2017 ist es nun soweit: die ersten ESUG-Jahre stehen auf dem Prüfstand. Ein guter Zeitpunkt, einmal zurückzublicken und zu schauen, was gut funktioniert und was möglicherweise der Verbesserung bedarf.

Mit dem ESUG aus der Krise

Ziel des Gesetzgebers war es, mit der Einführung der neuen insolvenzrechtlichen Restrukturierungsinst-rumente der Eigenverwaltung (§ 270a InsO) und des Schutzschirmverfahrens (§ 270b InsO), die Unterneh-mensverantwortlichen dazu zu bewegen, die notwen-digen Schritte für eine Sanierung frühzeitig einzuleiten. Die Vorteile für die Geschäftsführung oder den Vor-stand liegen dabei auf der Hand. Sie bleiben weiter in der Verantwortung, um – unterstützt durch erfahrene Restrukturierungsexperten – die zur Restrukturierung und Sanierung erforderlichen Maßnahmen gezielt zu erarbeiten und kurzfristig umzusetzen. Auf diese Weise soll das Unternehmen wieder zurück auf die Erfolgs-spur gebracht werden. Das Gericht stellt ihnen dabei einen Sachwalter zur Verfügung, dessen Aufgabe es ist, die Geschäftsführung während des Sanierungsprozes-ses zu überwachen und Gläubigerinteressen zu wah-ren. Soweit die Theorie.

VOR DER ESUG-EVALUIERUNGRESTRUKTURIERUNGS - ERFAHRUNGEN AUS DER PRAXIS

Dr. Dirk Andres,

Rechtsanwalt,

Fachanwalt für Insolvenzrecht

und Partner, AndresPartner

Eigenverwaltung immer häufiger Mittel der Wahl

Statistische Erhebungen, wie die von der internationa-len Unternehmensberatung BCG und des WBDat Wirt-schafts- und Branchendienstes, zeigen, dass das Eigen-verwaltungsverfahren nur einen Anteil von 2,7 Prozent der eingeleiteten Verfahren ausmacht. Dieser auf dem ersten Blick geringe Anteil bleibt jedoch in einem ins-gesamt rückläufigen Insolvenzmarkt stabil. Daraus ist zu schließen, dass die vor fünf Jahren eingeführten Sa-nierungsinstrumente nach anfänglichen Schwierigkei-ten durchaus ihre Berechtigung und Akzeptanz gefun-den haben. Das zeigen eben auch die Beobachtungen aus der Beratungspraxis. Immer mehr Unternehmen entscheiden sich für eine Restrukturierung mithilfe der insolvenzrechtlichen Möglichkeiten, ohne dabei die Verantwortung aus der Hand zu geben. Die Eigenver-waltung und das Schutzschirmverfahren sind dabei immer häufiger Mittel der Wahl. Seit seiner Einführung haben sich bereits mehr als 1.000 Unternehmen für ein ESUG-Verfahren entschieden. Auch bei vielen Gerich-ten, die als oberste Instanz über die Verfahren wachen, ist die zunächst vorherrschende Skepsis gewichen und

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sie stehen der Sanierung in Eigenregie offen gegen-über. Die Krise wird immer häufiger nicht mehr nur als Scheitern gesehen, sondern auch als Chance.

ESUG kein Allheilmittel

Auffällig beim Blick in die Statistik ist der hohe Anteil gescheiterter Verfahren nach dem ESUG. 43 Prozent der in Eigenverwaltungen geführten Verfahren sowie 34 Prozent der als Schutzschirm geführten Verfahren scheitern nach WBDat-Daten aus dem vergangenen Jahr. Problematisch bei der praktischen Umsetzung des Schutzschirms und des Eigenverwaltungsverfahrens ist die richtige Begleitung der Geschäftsführung in diesen Verfahren. Die Geschäftsführung muss sich auf die He-rausforderungen der operativen Sanierung konzentrie-ren und benötigt neben ihr einen Spezialisten, der die Instrumente der Insolvenzordnung richtig anwenden kann, um das Unternehmen wieder aus der Krise zu führen. Werden sie falsch oder nur unzureichend zum Einsatz gebracht, scheitern die Verfahren. Darüber hin-aus werden so manche ESUG-Verfahren immer noch zu spät gestellt, so dass auch die dadurch zur Verfügung stehenden Sanierungsinstrumente nicht mehr greifen können. Der Weg in die Regelinsolvenz ist hierbei lei-der dann vorprogrammiert.

Erfahrungen aus der Praxis

Die Beratungspraxis zeigt aber durchaus, dass, wenn frühzeitig die richtigen Wege beschritten werden, die Chancen auf eine Sanierung erheblich steigen und der Schritt in die Liquidation vermieden werden kann. Da-durch, dass die Geschäftsführung weiterhin in der Ver-

antwortung bleibt, kann insgesamt auch das Vertrauen der Kunden und Lieferanten auf den Fortbestand des Unternehmens gestärkt werden. Gesellschafteranteile bleiben nach erfolgreichem Abschluss der Sanierung über einen Insolvenzplan werthaltig. Voraussetzung hierfür ist ein professionell vorbereitetes und begleite-tes Verfahren. So kann in gut vorbereiteten Fällen ein solches Verfahren von der Antragstellung bis zur Auf-hebung in sechs bis acht Monaten zum erfolgreichen Abschluss gebracht werden. Ganz wesentlich dabei ist, dass die Kommunikation mit allen Beteiligten ord-nungsgemäß geführt wird. Richtig eingesetzt bringen die Mittel der Eigenverwaltung und des Schutzschirm-verfahrens durch die klassischen Instrumente des In-solvenzrechts schließlich die notwendigen liquiden Mittel, um eine Sanierung erfolgreich zu gestalten. Durch das Insolvenzgeld, welches dem Unternehmen drei Monate lang die Lohnzahlung abnimmt, kann re-gelmäßig der erforderliche Puffer geschaffen werden, um Liquidität für Sanierungsmaßnahmen anzusparen. Auch der oftmals erforderliche Abbau von Arbeitsplät-zen funktioniert mit den Regeln der Insolvenzordnung in einer Eigenverwaltung erheblich schneller und un-komplizierter als außerhalb eines Verfahrens.

Gesetzliche Nachjustierung erforderlich

Dabei kann jedoch die allein auf finanzwirtschaftliche Restrukturierung gerichtete Sanierung nicht funktio-nieren. Parallel dazu ist ein gutes leistungswirtschaft-liches Sanierungskonzept notwendig. Das Ziel muss sein, die Krisenursachen endgültig zu beseitigen und nicht einfach nur die Verbindlichkeiten abzuschnei-den. Wenn ein Konzept nicht nachhaltig gestaltet ist, besteht die Gefahr, dass das Unternehmen bald wieder vor dem Insolvenzgericht steht. Eine Möglichkeit wäre daher, Hürden für ein solches Verfahren einzuführen, die oberflächliche Sanierungen vermeiden und damit eine nachhaltige Sanierung sicherstellen. Denn letzt-lich kann die Akzeptanz des ESUG nur dadurch wei-ter gesteigert werden, dass die Praxis von positiven Beispielen dominiert wird und nicht ein Großteil der eingeleiteten Verfahren schließlich doch in ein Regel-verfahren kippen. Dies kann durch einheitliche Stan-dards sichergestellt werden, die insbesondere auch von Insolvenzverwaltern als Experten für die Sanierung geprüft werden können. Grundsätze, die für die ord-nungsgemäße Insolvenzverwaltung gelten, müssten auch für die Eigenverwaltung definiert werden.

Problematisch bei der praktischen Umsetzung des Schutzschirms und

des Eigenverwaltungsverfahrens ist die richtige Begleitung der Geschäfts-

führung in diesen Verfahren.

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Die eingetragenen Schutzrechte eines Unterneh-mens sind vielfach die Grundlage des wirtschaft-lichen Erfolges. Auf ihnen basieren Alleinstel-

lungsmerkmale von Produkten und somit der Erfolg in den Märkten. Eingetragene Schutzrechte (Patent, Gebrauchsmuster, Design, Marke) sollen Produkte vor Nachahmern schützen und eine Einzigartigkeit sichern.

Aufgrund der besonderen Stellung von Patenten und der erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung von Schutzrechten ist es wichtig, dass der Geschäftsführer im Besonderen Wert auf die vom Unternehmen gehal-tenen Schutzrechte legt. Hierzu gehören auch Lizenz-vereinbarungen, entweder als Lizenzgeber oder als Lizenznehmer.

Im Folgenden werden einige Szenarien näher beleuch-tet, die das geistige Eigentum eines Unternehmens be-drohen können und Haftungsrisiken für Organe bergen:

Die Haftungsseite:

IP (intellectual property) under attackGrundsätzlich sind Schutzrechte angreifbar. Häufig wer-den Anfechtungsklagen von Konkurrenten erhoben und als typische Markteintrittsbarriere genutzt. Eigene Ressourcen müssen dann eingesetzt werden, um Ab-wehrstrategien anwenden zu können. Dies führt in der

SCHUTZRECHTE IM UNTERNEHMEN

Christian Becker,

Geschäftsführer,

Domke Advice Service GmbH

Markus English,

Syndikusanwalt,

Tokio Marine Kiln

Pflichten des Geschäftsführers und die Patenthaftpflicht-versicherung zur Auslagerung von Risiken

Regel zu erheblichem finanziellem Aufwand. Eventuell müssen sogar IP-Rechte und damit verbundene Pro-dukte bzw. Produktlinien und/oder Märkte aufgegeben werden, da der Rechtsstreit nicht finanzierbar ist.

Werthaltigkeit der PatenteDies wirkt sich unmittelbar auf die Bewertung von Pa-tentportfolios und somit auf den Unternehmenswert aus. Können eigene Schutzrechte nicht durchgesetzt werden bzw. werden diese als nichtig erklärt, kann dies zu substanziellem Vermögensverlust führen.

Beim Kauf und Verkauf von Unternehmen können Garantien zu bestehenden Schutzrechten Vertrags-bestandteil sein. Werden während des Kauf-Verkaufs-prozesses Ansprüche aus Patentverletzungen geltend gemacht, wird hierdurch der Kaufpreis gemindert bzw. die ganze Transaktion gefährdet. Erfolgt eine Anspruchsstellung nach Abwicklung der Kauftransak-tion wird diese in der Regel an den Verkäufer weiter-geleitet. Solche Ansprüche sind normalerweise nicht durch W&I-Versicherungen oder M&A-Policen abge-deckt, da geistiges Eigentum hier in der Regel ausge-schlossen ist.

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LieferantenhaftungEs ist üblich, dass zwischen Zulieferern und Abneh-mern im Vorfeld Haftungsübernahmeerklärungen ver-einbart werden. Sollte der Abnehmer aufgrund eines Produktes, welches zum Beispiel einen Patentschutz beim Zulieferer hat, in Anspruch genommen werden, wird dieser Anspruch an den Zulieferer weitergereicht. Die Übernahme dieser Haftung bedeutet ein erheb-liches finanzielles Risiko. Die Ansprüche des Anspruch-stellers bei der Patentverletzung sind vielfältig:

Er kann die Unterlassung des Vertriebs des geschützten Gegenstands fordern.

Er kann Schadenersatz fordern.

Er kann Auskunft über Hersteller, Vertriebswege und Menge der Erzeugnisse beantragen.

Er kann die Rechnungslegung einfordern.

Er kann auf Rückrufvernichtung des geschützten Produkts beharren.

Er kann die Veröffentlichung des Urteils verlangen.

Diese Ansprüche bestehen auch, wenn noch keine Patent verletzung vorliegt aber diese nachweislich un-mittelbar bevorsteht.

Die Verwaltung von Schutzrechten stellt den Geschäfts-führer eines Unternehmens somit vor besondere Her-ausforderungen.

So ist der Vorstand einer Aktiengesellschaft nach § 91 Abs. 2 AktG verpflichtet:

„… geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbe-stand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden.“

Dieser grundlegende Paragraf zur Organisation einer AG verpflichtet den Vorstand, für ein angemessenes Risikomanagement im Unternehmen zu sorgen. Das Risikomanagement wird damit Bestandteil der Sorg-faltspflichten des Vorstands einer AG (§ 93 AktG). Dies gilt selbstverständlich genauso für jeden GmbH-Ge-schäftsführer (§ 43 Abs. 1 GmbHG). Sollte also der Ge-

schäftsführer einer GmbH dieser Verpflichtung schuld-haft nicht nachkommen, kann er sich gegenüber der GmbH schadensersatzpflichtig machen. Dabei ist der Geschäftsführer zusätzlich in der Pflicht zu beweisen, dass er trotz Eintritts eines Schadens bei der GmbH gleichwohl im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit die erforderliche Sorgfalt hat walten lassen (§43 Gmb-HG mit Analogiebildung zu §92 Abs.2 Satz 2 AktG).

Daraus folgt für den Geschäftsführer einer GmbH oder den Vorstand einer AG, dass er zukünftig auch das bis-lang eventuell vernachlässigte geistige Eigentum sei-nes Unternehmens bewerten muss, gegebenenfalls in der Bilanz sogar aktivieren sollte (Achtung: Wahlrecht!) und bei entsprechender Werthaltigkeit natürlich für sein Unternehmen auch schützen muss. Dabei reicht es aller Voraussicht nach in Zukunft nicht mehr aus, sich auf eine „passive“ Position zurückzuziehen und mög-lichst viele eingetragene Schutzrechte in Form von Pa-tenten, eingetragenen Geschmacksmustern und Mar-ken zu sammeln und die entsprechenden Dokumente sicher zu verwahren.

Für den Unternehmenserfolg eines innovativen Indus-trie- oder Dienstleistungsbetriebes wird zukünftig das „aktive“ Management des neuen Unternehmenswertes „geistiges Eigentum“ wichtig werden. Das Management wird bei der Konzeption wie auch der späteren Einfüh-rung eines neuen Produktes sehr genau darauf zu achten haben, ob die mit dem Produkt untrennbar verbunde-nen Schutzrechte auch werthaltig sind, sprich ob nicht ein Wettbewerber bereits über ältere und weitreichen-dere oder gar gleiche oder vergleichbare Schutzrechte verfügt. Soweit also ein Produkt innovativ ist oder eine Innovation akzessorisch mit sich bringt, ist eine weit-reichende Recherche notwendig, ob denn das eigene Produkt tatsächlich problemlos in allen Zielmärkten plat-ziert werden kann. Solche Recherchen, welche im Ideal-fall international ablaufen, werden mit den drei Buchsta-ben FTO (=Freedom to Operate) bezeichnet. Nun verhält es sich leider so, dass die verschiedenen Anbieter einer FTO-Recherche von höchst unterschiedlicher Qualität sind. Die einen lassen einfach nur einen Algorithmus gegen die bekannten Patente laufen. Andere versuchen auch das in den Markt zu bringende Produkt zu verste-hen und untersuchen, ob es ähnliche Produkte schon gibt und inwieweit an diesen gewerbliche Schutzrechte bestehen. Es liegt auf der Hand, dass auch die Kosten für diese FTO-Dienstleistung stark schwanken können.

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Auch das immer noch stark national geprägte Patent-, Marken- und Geschmacksmusterrecht erweist sich hier als hinterhältige Stolperfalle. Dazu kommen sprach-liche Differenzen: Was sich in der eigenen Sprache und im nationalen Patent sehr klar beschreiben und umreißen lässt, muss in einer anderen Sprache um-schrieben und beschrieben werden und lässt somit an Präzision mangeln. Dadurch kann es zu ungewollten Überschneidungen mit schon bestehenden Patenten und gewerblichen Schutzrechten eines Wettbewerbers kommen. Die Unterlassungsklage, möglicherweise mit darauf aufbauender Schadensersatzklage, steht dann unmittelbar ins Haus.

Soweit dies den Geschäftsführer unvorbereitet trifft, kann er sich aber nicht auf Unwissenheit berufen. Im Gegenteil: Die Rechtsprechung stellt hohe Anforde-rungen an den Sorgfaltsmaßstab des Geschäftsführers und erwartet, dass er sich umfangreich rechtlich hat beraten lassen und versucht hat alle Unabwägbarkei-ten zu eruieren. Eine Aufgabe, welcher der Geschäfts-führer bei aller Anstrengung und externer Hilfe im Grunde nicht zu 100 % gerecht werden kann.

Die Deckungsseite:

Über die Patenthaftpflichtversicherung kann eine Haf-tungsminimierung des Geschäftsführers erfolgen.

Die Versicherungslösung übernimmt:

Die Abwehrkosten bei Patentverletzung und hilft so eine Budgetsprengung zu vermeiden.

Kosten für die Widerklage, die in der Regel Teil der Abwehrstrategie ist.

Schadenersatz/Strafen Die Lizenzgebühren nach einem Vergleich. Rückruf-/Rücknahmekosten Die Forderungen aus Enthaftungserklärungen.

Durch den rechtzeitigen Abschluss einer Patenthaft-pflichtversicherung können die Folgen einer Schutz-rechtsverletzung elegant ausgelagert werden. Dies erhöht die Attraktivität des Unternehmens für Inves-toren, da das gesamte Schadensrisiko verkauft wurde. Enthaftungserklärungen gegenüber Abnehmern wer-den so zum kalkulierbaren Risiko.

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Industrie 4.0 und die Folgen der Digitalisierung stel-len Unternehmen vor neue Herausforderungen, was die Einhaltung rechtlicher Anforderungen angeht.

Viele rechtliche Fragen sind offen, hinzu kommt die Dy-namik der EU-Gesetzgebung. Wie können sich Unter-nehmen aufstellen, um in diesem dynamischen Umfeld rechtliche Risiken zu vermeiden? Im Folgenden soll ge-zeigt werden, wie sich potenzielle Risiken mit einem allgemein gültigen Konzept zur Umsetzung rechtlicher Inhalte in Unternehmen beherrschen lassen – und da-mit auch die sich aus Industrie 4.0 sowie zukünftigen Herausforderungsfeldern ergebenden Themen. Treten wir also zunächst einen Schritt zurück.

Rechtssichere Prozesslandschaft als Notwendigkeit

Ausgangspunkt aller Überlegungen ist die aus Sicht von Geschäftsführung und Vorstand zu Recht gestellte Frage eines beherrschten und zuverlässigen Systems zur Einhaltung rechtlicher Anforderungen. In den we-nigsten Fällen sind die Unternehmensleiter selbst be-reit oder auch in der Lage, deren Einhaltung im Unter-nehmen dauerhaft im Einzelfall sicherzustellen – das ist weder gewünscht noch effizient. Gleichzeitig ist jedem

PRODUKTHAFTUNG UNDPRODUKTSICHERHEIT IN ZEITENVON INDUSTRIE 4.0

Philipp Reusch,

Rechtsanwalt/

Attorney-at-Law (Germany),

Reusch Rechtsanwälte

Effiziente Umsetzung rechtlicher Anforderungen in der Prozess-landschaft eines Unternehmens als Grundvoraussetzung

Unternehmenslenker die Verantwortung für relevante Verstöße bewusst.

Das führt automatisch zu der Frage nach einem funkti-onierenden System. Leider ist die Annahme, diese An-forderungen könnten durch einen internen oder exter-nen Legal Counsel komplett abgedeckt werden, meist illusorisch; dazu müsste die jeweilige Rechtsabteilung alle Prozesse im Unternehmen auf Einhaltung rechtli-cher Inhalte überprüft haben. Diese Überprüfung muss darüber hinaus dynamisiert und permanent erfolgen, denn schließlich verändern sich rechtliche Rahmenbe-dingungen immer wieder.

Die Sicherstellung einer rechtssicheren Prozessland-schaft ist damit zunächst einmal aus Sicht der Unter-nehmensleitung von vitalem Interesse. Gleichzeitig sind die damit verbundenen Anforderungen nicht von einer oder mehreren Personen solitär zu bewältigen.

Die Einführung von Industrie 4.0 und den vielfältigen damit verbundenen Themen wie beispielsweise

Machine 2 Machine-Kommunikation Smart Contracts Big Data

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Internet of Things (IoT) Cybersicherheit Datensicherheit Shared Know-How und auch Deep learning/Artifical Intelligence

stellen für diese Prozesslandschaft im Unternehmen ei-nen veritablen Stresstest im Hinblick auf viele neue, teil-weise noch nicht vollständig erfasste Sachverhalte dar.

Dieser Beitrag ist also gleichsam ein Plädoyer für die Einführung einer rechtssicheren und – vor allem -fähigen Prozesslandschaft und weist gleichzeitig auf die relevanten rechtlichen Implikationen von Industrie 4.0 auf Produktsicherheit und Produkthaftung hin.

Rechtliche Implikationen der Industrie 4.0 auf die Produkthaftung

Die Frage der Produkthaftung stellt eine besondere Her-ausforderung für ein angestrebtes dynamisches System zur rechtlichen Beherrschung der unternehmerischen Prozesslandschaft dar. Ging es in der Vergangenheit im Rahmen der Produkthaftung eher um klassische Pro-duktfehler an „analogen Produkten“, so lässt der Einzug von Industrie 4.0 und des „Internets der Dinge“ inzwi-schen in nahezu allen Bereichen neue Problemfelder erahnen, deren Herausbildung erst am Anfang steht.

Den Kern des Industrie 4.0-Konzepts bildet die Vernet-zung von Menschen, Maschinen, Sensoren und sonsti-gen Geräten unter Anwendung des Grundprinzips der größtmöglichen Autonomie, um eine effiziente und ökonomisch entlastende Wirkung im Bereich der indus-triellen Produktion („Smart Factory“) zu entfalten. Doch nicht nur der unternehmensinterne Einzug autonomer Systeme zur Prozessoptimierung, sondern auch die Herstellung „smarter“ Geräte muss in die rechtlich-un-ternehmerische Prozesslandschaft integriert werden.

Welcher Haftungsrahmen ist also zu beachten, wenn es zu einem Fehlverhalten und einem daraus folgenden schädigenden Ereignis eines autonomen Geräts oder Systems kommt?

Beispielhaft lässt sich das am Beispiel selbstlernen-der und intelligenter Systeme, die eigenständig neue Handlungsweisen erschließen, verdeutlichen, da hier die Frage der Abgrenzung zwischen Nutzerfehlverhal-

ten und einem Produktfehler zunehmend schwerer zu beantworten ist.

Den Ausgangspunkt bildet dabei die verschuldensun-abhängige Haftung des Herstellers für fehlerhafte Pro-dukte gemäß § 1 Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG). Diese sieht vor, dass der Hersteller eines Produkts dem Geschädigten zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet ist. Entscheidende Voraussetzung ist allei-ne, ob das Produkt fehlerhaft ist.

Die Fehlerhaftigkeit entscheidet sich im Kern letztlich danach, ob das Produkt innerhalb des Verwendungs-zwecks sicher nach dem zum Zeitpunkt des Inverkehr-bringens verfügbaren Stand von Wissenschaft und Technik verwendet werden kann.

Die beiden Begrifflichkeiten Verwendungszweck und Stand von Wissenschaft und Technik

bilden somit die relevanten Inhalte, die bereits im Ent-wicklungs- und Konstruktionsstadium vollständig be-achtet werden müssen. Das zeigen auch die wenigen haftungsrechtlichen Entlastungsmöglichkeiten des Herstellers.

Einer dieser Entlastungstatbestände in § 1 II Nr. 5 Prod-HaftG sieht beispielsweise vor, dass die Ersatzpflicht des Herstellers ausgeschlossen ist, wenn der Fehler nach dem Stand der Wissenschaft und Technik zum Zeitpunkt des Inverkehrbringens nicht erkannt werden konnte.

Trotz dieser hohen Hürden sind künftige Szenarien nicht undenkbar, in welchen eben jener Entlastungs-tatbestand anwendbar sein könnte. So könnten Geräte oder Systeme mit einem außerordentlich hohen Auto-nomieniveau und intelligentem Lernverhalten entwi-ckelt werden, bei denen nach dem Stand der Wissen-schaft gegebenenfalls keine Möglichkeit bestünde, alle Fehler vorab auszuschließen, die im Rahmen der eigen-ständigen Weiterentwicklung des Produkts entstehen könnten. Der Grund hierfür wäre die prinzipiell quasi unbegrenzte Fähigkeitserweiterung des Geräts.

Es käme also entscheidend darauf an, ob eine derartige „autonome Uferlosigkeit“ technisch prognostizier- und begrenzbar wäre, da sich danach bemessen würde, ob der Geschädigte einen Produkthaftungsanspruch ge-

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gen den Hersteller hätte oder ob ihm selbst das Risiko überantwortet wäre. Die Erfassung des jeweils aktuel-len Standes von Technik und Wissenschaft erscheint dabei nicht unproblematisch.

Diese Überlegungen führen dazu, dass die jeweilige Prozesslandschaft des Herstellers um die zu prüfenden Sachverhalte Verwendungszweck und Stand von Wis-senschaft und Technik angepasst werden muss.

Nimmt man als Basis dieser Überlegungen ein pro-zessorientiertes Qualitätsmanagementmodell wie das Aachener QM-Modell und ergänzt dieses in den hier re-levanten Teilbereichen um rechtliche Inhalte, so ergibt sich folgendes Bild:

Im Entwicklungsbereich stehen damit die rechtlichen Inhalte in den jeweiligen Teilprozessen zur Verfügung.

In Ergänzung des Quality-Streams im Bereich der Ent-wicklung werden neben vertraglichen Anforderungen produktsicherheitsrechtliche, aber vor allem produkt-haftungsrechtliche Inhalte implementiert.

Der Kern: Bereits heute müssen rechtliche Inhalte in die Prozesslandschaft eines Unternehmens integriert werden

Es geht also bereits heute darum, rechtliche Inhalte in einer Prozessstruktur umzusetzen.

Industrie 4.0-Themen – beispielhaft die Thematik der selbstlernenden Systeme herausgegriffen – treiben diese Notwendigkeit noch intensiver voran.

Aus Sicht der Unternehmensleitung ist damit in dem besonders risikogeneigten Bereich der Produkthaftung schon heute erheblicher Nachstellbedarf vorhanden. Dieser kann nur über die Implementierung systemati-scher Ansätze dauerhaft und reproduzierbar in einen akzeptablen Risikobereich gesteuert werden. Somit entsteht nicht nur der Effekt, ein System nachweisen zu können. Dieses System ist auch unabhängig von rechtlicher Expertise auditier- und überwachbar. Da-durch entsteht ein erheblicher Vorteil gegenüber der auf der Bestätigung interner oder externer Spezialisten basierenden Einschätzung, ob und welche rechtlichen Risiken im Unternehmen schlummern bzw. beherrscht werden.

Daneben bietet eine Systematik wie der oben gezeigte Legal Quality Management-Ansatz einen Hebel, um auf neue Themen deutlich strukturierter und systemisch reagieren zu können. Treten neue Themen auf, so kann die Unternehmensleitung die betroffenen Prozesse und Unternehmensbereiche aufgrund der Legal Qua-lity Management-Struktur identifizieren und die damit verbundenen neuen rechtlichen Anforderungen an den entsprechenden Stellen in der Prozesslandschaft allozieren.

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DER GESCHÄFTSFÜHRERIM INTERNATIONALEN VERGLEICH

Carsten Laschet,

Rechtsanwalt und

Geschäftsführender Partner,

und

Claudia Maaßen, LL.M., Maître en

droit, Rechtsanwältin – Counsel,

Friedrich Graf von Westphalen &

Partner mbB, Rechtsanwälte

Vor seiner Bestellung wird sich der künftige Ge-schäftsführer einer deutschen GmbH in der Regel erkundigen, welche Rechte und Pflichten mit der

Organstellung nach deutschem Recht verbunden sind, wie z. B. sich sein künftiges Verhältnis zu den Gesell-schaftern gestalten wird und unter welchen Umständen ihm eine persönliche Haftung drohen kann. Lange Zeit reichte es aus, wenn sich derartige Informationen auf das deutsche Recht beschränkten. Weitergehende Über-legungen etwa zu einem Vergleich der Geschäftsführer-stellung mit derjenigen bei ausländischen, vergleich-baren Gesellschaften lagen bei der Bestellung zum Geschäftsführer einer deutschen GmbH mit zumeist im Wesentlichen deutschen Gesellschaftern eher fern.

Mit steigender Internationalität der Wirtschaftsbezie-hungen und Mobilität der Gesellschaften ändert sich dies. Zwar wird ein künftiger GmbH-Geschäftsführer sich noch immer zunächst über die Vorschriften des deut-schen Rechts informieren müssen. Ist die GmbH aber in eine internationale Unternehmensgruppe eingebunden oder international tätig, kann sich schnell die Frage stel-len, ob der Geschäftsführer auch eine Organstellung in vergleichbaren ausländischen Tochtergesellschaften der Gruppe übernehmen soll. Stammen die Gesellschafter aus dem Ausland, können ferner die Erwartungen, die sie an die Zusammenarbeit mit dem Geschäftsführer einer deutschen GmbH haben, auf einer vom ausländischen Recht beeinflussten Erfahrung beruhen und für den deut-schen Geschäftsführer ohne Kenntnis der Grundzüge die-ses ausländischen Rechts schwer nachvollziehbar sein.

Nachfolgend soll ein kurzer Überblick über Grundkon-zepte verschiedener europäischer Rechtsordnungen zu der GmbH vergleichbaren Gesellschaftsformen gegeben werden. Besonders wichtig sind für den Ge-schäftsführer in der Regel die Aspekte der Weisungs-gebundenheit, der Haftung für Pflichtverletzungen im Rahmen der Geschäftsführertätigkeit und der Pflichten bei einer drohenden Insolvenz der Gesellschaft.

1. Bindung an Weisungen der Gesellschafter

Im deutschen Recht besteht bekanntlich eine weitge-hende Bindung der GmbH-Geschäftsführer an Wei-sungen der Gesellschafter. Die Geschäftsführer sind nach § 37 Abs. 1 GmbHG verpflichtet, die durch den Gesellschaftsvertrag oder Beschlüsse der Gesellschaf-ter gesetzten Grenzen einzuhalten. In der Praxis ent-hält in der Regel bereits der Gesellschaftsvertrag einen Katalog von Geschäften, die die Geschäftsführer nur mit Zustimmung der Gesellschafter abschließen dür-fen. Soweit Weisungen der Gesellschafter nicht gegen zwingendes Recht verstoßen – ein Beispiel wäre die Weisung, von einem nach § 15a InsO erforderlichen

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Insolvenzantrag abzusehen – ist der Geschäftsführer verpflichtet, die Weisungen zu befolgen. Anderenfalls riskiert er seine sofortige Abberufung und macht sich ggf. schadenersatzpflichtig.

Eine gewisse Weisungsgebundenheit besteht auch nach dem Recht anderer Staaten. Konkrete Weisungen im Einzelfall sind dort jedoch häufig erschwert und eher unüblich. Auch wenn die Gesellschafterversamm-lung die Grundzüge der Geschäftsführung bestim-men kann, kommt es seltener zu dem in Deutschland manchmal anzutreffenden „Durchregieren“ der Gesell-schafter.

Das französische Recht z.B. kennt als einer deutschen GmbH vergleichbare Gesellschaftsform die Société à responsabilité limitée (SARL). Die SARL wurde seiner-zeit nach dem Vorbild der deutschen GmbH geschaf-fen. Da das französische Recht andere Gesellschaftsfor-men wie die Aktiengesellschaft (SA) oder vereinfachte Aktiengesellschaft (SAS) zur Verfügung stellt, die den Gesellschaftern mehr Flexibilität bieten, erreichte die SARL dort jedoch nie die Bedeutung, wie sie die GmbH in Deutschland hat.

In der SARL trifft die Gesellschafterversammlung die grundlegenden Entscheidungen für die Geschäftstä-tigkeit der Gesellschaft. Die Gesellschafter sind jedoch nicht berechtigt, dem Geschäftsführer (gérant) Einzel-weisungen zu erteilen. Auch gegenüber etwaigen Mit-geschäftsführern ist der gérant freier als der GmbH-Ge-schäftsführer: Im Außenverhältnis ist er zwingend einzelvertretungsberechtigt.

Die freiere Stellung des französischen gérant hat auch arbeitsrechtliche Folgen: Während für den Fremdge-schäftsführer der GmbH diskutiert wird, ob er Arbeit-nehmer der Gesellschaft sein kann, ist dies nach lang-jähriger französischer Rechtsprechung in der SARL nur der Fall, wenn der gérant neben seinen Aufgaben als Geschäftsführer für die Gesellschaft noch andere, ar-beitnehmertypische Funktionen ausübt, im Hinblick auf die er weisungsunterworfen ist.

Wieder anders ist die Leitung der Gesellschaft bei der englischen Private Limited Company ausgestaltet. Wie im französischen Recht sind die Geschäftsführer (directors) keinen Einzelweisungen der Gesellschaf-terversammlung unterworfen. Allerdings setzt die

Gesellschafterversammlung fest, welche Geschäfts-führungsbefugnisse den directors zustehen. Auf diese Weise kann die Gesellschafterversammlung die Gesell-schaft weitgehend steuern.

Sind mehrere directors bestellt, sind diese – wie im deutschen Recht – grundsätzlich nur gemeinsam zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt.

2. Haftung für Fehler in der Geschäftsführung

In dieser Hinsicht ähneln sich die Vorschriften für GmbH, SARL und Private Limited Company. Der Ge-schäftsführer muss die Geschäfte der Gesellschaft mit einer für die Teilnahme am Wirtschaftsleben angemes-senen Sorgfalt führen. Der Sorgfaltsmaßstab wird im deutschen Recht mit der „Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes“ (§ 43 Abs. 1 GmbHG) umschrieben. Das französische Recht stellt auf den „bon père de fa-mille“ ab. Beide Formulierungen umschreiben das, was auch im englischen Recht gilt: Der Geschäftsführer muss mindestens die im geschäftlichen Verkehr übli-che und angemessene Sorgfalt aufbringen. Verfügt er über Spezialkenntnisse, hat er diese einzubringen; feh-lende Kenntnisse oder Fertigkeiten, die im geschäft-lichen Verkehr erwartet werden können, entlasten ihn nicht.

Gläubiger eines Schadenersatzanspruchs wegen Ge-schäftsführungsfehlern ist grundsätzlich die Gesell-schaft. Direktansprüche der Gesellschafter können im Einzelfall bestehen, wenn ein Gesellschafter einen Schaden erleidet, der unabhängig von einer Schädi-gung der Gesellschaft ist.

Unterschiede ergeben sich bei der gerichtlichen Gel-tendmachung von Schadenersatzansprüchen durch die Gesellschaft: Darlegungs- und Beweislast für den auf einem Geschäftsführerhandeln beruhenden Schaden treffen zwar in jeder Rechtsordnung die Gesellschaft. Während im deutschen Recht jedoch der Geschäftsfüh-rer darlegen muss, dass sein Handeln dem objektiven Sorgfaltsmaßstab entsprach bzw. der Schaden auch bei ordnungsgemäßem Verhalten eingetreten wäre, ob-liegt im französischen und englischen Recht auch der Nachweis einer Sorgfaltspflichtverletzung der Gesell-schaft. Dabei wird im englischen Recht die Beweisfüh-rung durch das Institut der Discovery erleichtert.

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3. Insolvenzrechtliche Pflichten

Als besonders haftungsträchtig erweisen sich in der Praxis insolvenznahe Situationen der GmbH.

Nach deutschem Recht müssen die Geschäftsführer nach § 15a InsO spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der GmbH einen Insolvenzantrag stellen. Versäumen sie dies, drohen nach § 15a Abs. 4, 5 InsO Geld- oder so-gar Haftstrafe. Ferner haften die Geschäftsführer nach § 64 GmbHG auf Ersatz von Zahlungen, die sie für die Gesellschaft nach dem Eintritt der Zahlungsunfähig-keit oder der Überschuldung geleistet haben. Auch die Schadenersatzpflicht nach § 43 Abs. 3 GmbHG bei Zahlungen aus dem zur Erhaltung des Stammkapitals erforderlichen Vermögen der Gesellschaft wird häufig im Fall der Insolvenz der Gesellschaft relevant und von dem Insolvenzverwalter geltend gemacht.

Auch im französischen Recht ist der gérant zum Stel-len eines Insolvenzantrages verpflichtet. Hier gilt eine Frist von 45 Tagen nach Eintritt der Zahlungsunfähig-keit. Die zivilrechtliche Haftung des gérant bei einem pflichtwidrigen Fortführen der Gesellschaft ist strenger als nach deutschem Recht: Stellt sich im Insolvenzver-fahren heraus, dass das verbleibende Gesellschaftsver-mögen nicht zur Befriedigung aller Gläubiger ausreicht, und stellt das Gericht fest, dass ein Geschäftsführerfeh-ler – der in der pflichtwidrigen Fortführung des Unter-nehmens liegen kann – zu diesem Mangel an Gesell-schaftsvermögen beigetragen hat, kann das Gericht den gérant zum teilweisen oder vollständigen Ersatz

des Betrages verurteilen, der zur Deckung der Forde-rungen aller Gläubiger erforderlich ist. Das gleiche gilt, wenn der gérant im eigenen Interesse eine defizitäre Geschäftstätigkeit fortgeführt hat, die zur Zahlungsun-fähigkeit der Gesellschaft führen musste.

Das englische Recht kennt keine gesetzlichen Fristen für die Stellung eines Insolvenzantrages. Allerdings können die directors zivilrechtlich und strafrechtlich verantwortlich sein, wenn sie das Unternehmen vor-sätzlich in der Absicht fortführen, Gläubiger zu schä-digen. Dabei ist der Vorsatz zur Überzeugung des Ge-richts „ohne vernünftigen Zweifel“ nachzuweisen, so dass es in der Praxis selten zu Verurteilungen kommt (vgl. Schlegel, in: MünchKomm InsO, 3. Aufl. 2016, Län-derbericht England und Wales, Rn. 72). Eine Haftung für fahrlässiges Handeln besteht, wenn directors das Unternehmen fortführen, obwohl sie wissen mussten, dass eine Insolvenz unvermeidbar ist, und sie in dieser Zeit nicht alles zur Vermeidung von Nachteilen für die Gläubiger Erforderliche tun. Auch auf der Grundlage dieser Haftung für „wrongful trading“ erfolgen in der Praxis selten Verurteilungen (Schlegel, a. a. O., Rn. 73).

Anzumerken ist, dass den Geschäftsführer z. B. einer eng-lischen Private Limited Company auch nach deutschem Insolvenzrecht eine Haftung treffen kann. So hat der BGH jüngst entschieden, dass die Ausfallhaftung nach § 64 GmbHG den director einer Private Company Limited by Shares nach englischem oder walisischem Recht treffen kann, wenn über das Vermögen dieser Gesellschaft das Insolvenzverfahren in Deutschland eröffnet wurde (BGH, Urteil vom 15.03.2016, II ZR 119/14).

4. Fazit

Der Vergleich der Geschäftsführerstellung in Gesellschaften „mit beschränkter Haftung“ deutschen, französischen und englischen Rechts zeigt, dass die ähnliche Bezeichnung dieser Gesellschaftsformen über manche Unterschiede in der rechtlichen Ausgestaltung hinweg täuscht. Wird dem Geschäftsführer einer deutschen GmbH angetragen, die gleiche Funktion in einer ausländischen Tochtergesellschaft seiner Unternehmensgruppe zu übernehmen, tut er gut daran, sich detailliert über die dort anwendbaren Vorschriften und seine dortigen Rechte und Pflichten zu informie-ren. Auch im Umgang mit ausländischen Gesellschaftern kann es zur Vermeidung von Missverständnissen hilfreich sein, sich einen Überblick über die Regelungen zu verschaffen, die im Herkunftsland der Gesellschafter gelten. So lassen sich viele Irritationen vermeiden.

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STREITIGKEITEN ÜBERGESCHÄFTSFÜHRERHAFTUNGVERTRAULICH KLÄREN

Dr. Florian Schumacher,

Rechtsanwalt, SZA Schilling,

Zutt & Anschütz

Rechtsanwalts AG

Streitigkeiten über die Haftung eines Geschäfts-führers sind sowohl für den Geschäftsführer als auch für das Unternehmen belastend. Dies gilt

nicht zuletzt, weil sie geeignet sind, das Ansehen so-wohl des Geschäftsführers als auch des Unternehmens zu beschädigen. Falls solche Streitigkeiten zum Ge-genstand eines Gerichtsverfahrens gemacht werden, besteht das Risiko einer anhaltenden negativen Pres-seberichterstattung. Vor diesem Hintergrund haben sowohl der Geschäftsführer als auch das Unternehmen ein Interesse daran, die Haftungsstreitigkeit vertrau-lich zu klären. Hierfür bietet sich die Durchführung ei-nes Schiedsverfahrens an. Dies gilt insbesondere auch dann, wenn eine Manager-Haftpflichtversicherung (Directors & Officers-Versicherung; D&O-Versicherung) besteht. Von essenzieller Bedeutung ist dabei, dass die Planung und Ausgestaltung des Schiedsverfahrens die gesellschafts-, verfahrens- und versicherungsrecht-lichen Rahmenbedingungen hinreichend berücksich-tigen. Dies wird im Folgenden knapp skizziert.1

1 Ausführlich zu der Thematik Schumacher, NZG 2016, 969 ff.

I. Optionen für die Strukturierung des Schiedsverfahrens

Wenn eine Streitigkeit über die Haftung eines D&O-ver-sicherten Geschäftsführers durch ein Schiedsverfah-ren geklärt werden soll, können die Beteiligten eine Schiedsvereinbarung entweder im Haftungs- oder im Deckungsverhältnis treffen:

Das Haftungsverhältnis besteht zwischen dem Ge-schäftsführer und dem Unternehmen. Wird eine Schiedsvereinbarung im Haftungsverhältnis getrof-fen, so wird der Haftungsrechtsstreit zwischen dem Geschäftsführer und dem Unternehmen vor einem Schiedsgericht verhandelt (dazu II.).

Das Deckungsverhältnis besteht zwischen dem Geschäftsführer und dem Versicherer. Tritt der Ge-schäftsführer seinen versicherungsrechtlichen Frei-stellungsanspruch gegen den Versicherer an das Unternehmen ab, so kann das Unternehmen aus diesem Anspruch gegen den Versicherer vorgehen. In dem Verfahren zwischen dem Unternehmen und

Zu den Möglichkeiten eines Schiedsverfahrens und den Besonderheiten, die dabei beachtet werden müssen.

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dem Versicherer ist die Frage der Haftung des Ge-schäftsführers gegenüber dem Unternehmen in-zident zu klären, da die Haftung Voraussetzung für das Bestehen des Anspruchs gegen den Versicherer ist. Dieses Verfahren kann der Zuständigkeit eines Schiedsgerichts unterworfen werden, indem eine Schiedsvereinbarung im Deckungsverhältnis getrof-fen wird (dazu III.).

II. Schiedsverfahren im Haftungsverhältnis

1. Sicherstellung der Bindung des D&O-Versicherers an den Schiedsspruch

Soll ein Schiedsverfahren im Haftungsverhältnis, also zwischen dem Unternehmen als Kläger und dem Ge-schäftsführer als Beklagten, durchgeführt werden, so ist zunächst die Bindung des D&O-Versicherers an den Schiedsspruch sicherzustellen. Es ist dringend erforder-lich, mit dem D&O-Versicherer vor der Durchführung des Schiedsverfahrens ausdrücklich zu vereinbaren, dass der Versicherer den Schiedsspruch ebenso aner-kennen wird wie ein Urteil eines staatlichen Gerichts.2

Andernfalls besteht das Risiko, dass der Versicherer trotz eines Schiedsspruchs, der den Geschäftsführer zur Zahlung verurteilt, keine Versicherungsleistungen erbringen muss.3

2. Einbeziehung weiterer Personen in das Schiedsverfahren

Nicht selten kommt es vor, dass für einen in Anspruch genommenen Geschäftsführer die Argumentation na-he liegt, für den entstandenen Schaden sei einer seiner Geschäftsführerkollegen oder ein anderer Beteiligter (mit)verantwortlich. In dieser Konstellation kann der Geschäftsführer ein Interesse daran haben, dem Ge-schäftsführerkollegen oder anderen Beteiligten den Streit zu verkünden (§§ 72 ff. ZPO), um für den Fall ei-ner Verurteilung eine Regressnahme vorzubereiten (In-terventionswirkung gemäß §§ 74 III, 68 ZPO). Während eine solche Erweiterung des Verfahrens auf weitere Be-teiligte vor staatlichen Gerichten möglich ist, ist dies im

2 Vgl. hierzu Schumacher, NZG 2016, 970 f.3 Die Rechtsfrage, ob ein Versicherer aufgrund eines Schiedsspruchs auch

dann leisten muss, wenn er sich nicht ausdrücklich zur Anerkennung des Schiedsspruchs verpflichtet hat, ist nicht abschließend geklärt, sondern umstrit-ten; tendenziell für das Bestehen von Versicherungsschutz auch in diesem Fall etwa Koch, SchiedsVZ 2007, 281 ff.; Bruck/Möller/ders., VVG, 9. Aufl. 2013, § 106 Rn. 7; tendenziell dagegen etwa Prölls, VersR 1965, 101 ff.; Sieg, VersR 1984, 501 f.; Littbarski, AHB, 2001, § 5 Rn. 83.

Schiedsverfahren nur mit deren Zustimmung der Fall.4 Dem ist vor dem Abschluss einer Schiedsvereinbarung dadurch Rechnung zu tragen, dass eruiert wird, ob wei-tere Geschäftsführer oder andere Beteiligte in das Ver-fahren einbezogen werden sollen. Auf diese Personen ist dann mit dem Anliegen zuzugehen, einer entspre-chenden Schiedsvereinbarung zuzustimmen.

3. Besondere verfahrensrechtliche BestimmungenEin weiteres Regelungsbedürfnis wird in der Praxis zum Teil darin gesehen, dass im Schiedsverfahren weniger detaillierte verfahrensrechtliche Vorgaben bestehen als im Verfahren vor einem staatlichen Gericht. Der Ab-lauf des Schiedsverfahrens liegt in weitaus größerem Umfang im Ermessen des Schiedsgerichts (§ 1042 IV ZPO), wobei es den Parteien offensteht, Verfahrensre-gelungen vertraglich festzulegen (§ 1042 III ZPO). Sol-che Verfahrensregelungen können insbesondere im Hinblick auf die praktisch bedeutsamen Komplexe der Einsichtsrechte und der Auskunftsobliegenheiten (§ 31 VVG) getroffen werden.5

III. Schiedsverfahren im Deckungsverhältnis

1. Abtretungs- und Schiedsvereinbarung über den VersicherungsanspruchAnstatt ein Schiedsverfahren im Haftungsverhältnis durchzuführen, kann die bereits skizzierte Gestaltung gewählt werden, bei der der Geschäftsführer seinen versicherungsrechtlichen Freistellungsanspruch an das Unternehmen abtritt und das Unternehmen so-dann gegen den Versicherer klagt. Voraussetzung für die Durchführung eines Schiedsverfahrens zwischen dem Unternehmen und dem Versicherer ist, dass der Freistellungsanspruch durch das versicherte Organmit-glied an das versicherungsnehmende Unternehmen abgetreten und im Hinblick auf den Anspruch eine schiedsgerichtliche Zuständigkeit vereinbart wird. Dies kann in einem dreiseitigen Vertrag, an dem der Ge-schäftsführer, das Unternehmen und der Versicherer beteiligt sind, geschehen.6

4 BGH, MDR 1965, 124; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 7 Rn. 23; Lachmann, Handbuch für die Schiedsgerichtspraxis, Rn. 2810 ff.; Musielak/Voit, § 1042 Rn. 11.

5 Vgl. hierzu Schumacher, NZG 2016, 971.6 Vgl. hierzu Schumacher, NZG 2016, 972 f.

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2. Vereinbarung über die Darlegungs- und Beweislast

Macht ein Unternehmen einen Haftungsanspruch ge-gen einen Geschäftsführer aus § 43 II GmbHG geltend, so gilt die aus der Sicht des Unternehmens günstige, aus der Sicht des Geschäftsführers ungünstige Darle-gungs- und Beweislastverteilung gemäß § 93 II 2 AktG entsprechend.7 Nicht abschließend geklärt ist, ob diese Darlegungs- und Beweislastverteilung auch dann gilt, wenn der Geschäftsführer seinen versicherungsrecht-lichen Freistellungsanspruch an das Unternehmen abtritt und im Rahmen eines anschließenden Rechts-streits zwischen dem Unternehmen und dem Versi-cherer inzident über die Organhaftung zu entscheiden ist.8 Vor diesem Hintergrund wird es aus der Sicht des Unternehmens in aller Regel nur dann in Betracht kom-men, aus dem abgetretenen Freistellungsanspruch gegen den Versicherer vorzugehen und dabei eine inzidente Entscheidung über die Organhaftung zu be-wirken, wenn das Unternehmen zuvor mit dem Versi-cherer vertraglich übereingekommen ist, dass sich die Darlegungs- und Beweislast im Rahmen der inzidenten Prüfung der Organhaftung entsprechend § 93 II 2 AktG

7 Vgl. zur Darlegungs- und Beweislastverteilung entsprechend § 93 II 2 AktG BGHZ 152, 280, 283 ff.; MüKoGmbHG/Fleischer, § 43 Rn. 270 ff.; Zöllner/Noack, in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 20. Aufl. 2013, § 43 Rn. 36 ff.

8 Für eine entsprechende Geltung der Darlegungs- und Beweislastverteilung gemäß § 93 II 2 AktG etwa Bruck/Möller/Baumann, AVB-AVG Ziff. 10 Rn. 49 f.; Lange, D&O-Versicherung und Managerhaftung, § 21 Rn. 34 f.; Baur/Holle, AG 2017, 141 ff.; dagegen etwa KölnKommAktG/Mertens/Cahn, § 93 Rn. 245; Spindler/Stilz/Fleischer, § 93 Rn. 231; Brinkmann, ZIP 2017, 301, 306 ff.

verteilt. Dies muss der Geschäftsführer berücksichti-gen, wenn er mit der Gesellschaft über die Abtretung des Freistellungsanspruchs verhandelt.9

3. Vereinbarung über die Rechtsverhältnisse nach dem Schiedsverfahren

Dringend empfehlenswert ist es, bereits im Zusammen-hang mit der Abtretung des Freistellungsanspruchs zu regeln, wie sich die Rechtsverhältnisse nach der Durchführung des Schiedsverfahrens darstellen wer-den. Andernfalls besteht nämlich für den Geschäfts-führer das Risiko, dass er sich einer späteren persönli-chen Inanspruchnahme durch das Unternehmen auch dann ausgesetzt sehen kann, wenn das Unternehmen in dem Schiedsverfahren unterlegen ist.10 Dies ist deshalb besonders problematisch, weil bislang nicht abschließend geklärt ist, inwiefern im Fall einer dem Schiedsverfahren nachfolgenden Klage des Unterneh-mens gegen den Geschäftsführer Versicherungsschutz besteht.11 Vor diesem Hintergrund muss aus der Sicht des Geschäftsführers bereits im Vorfeld durch entspre-chende vertragliche Regelungen sichergestellt wer-den, dass er keine spätere persönliche Inanspruchnah-me fürchten muss oder jedenfalls auch in diesem Fall Versicherungschutz genießt.12

9 Vgl. hierzu Schumacher, NZG 2016, 974.10 Vgl. im Einzelnen Schumacher, NZG 2016, 974 f.11 Vgl. im Einzelnen Schumacher, NZG 2016, 975.12 Vgl. im Einzelnen Schumacher, NZG 2016, 974 f.

Fazit

Kommt eine Streitigkeit über die Haftung eines Geschäftsführers auf, so empfiehlt es sich, zu eruieren, ob anstelle eines gerichtlichen Verfahrens ein Schiedsverfahren durchgeführt werden kann. Denn das Schiedsverfahren bietet sich als diskretes Instrument der Streitbeilegung an. Dabei ist vor der Durchführung des Schiedsverfahrens sicherzustellen, dass alle erforderlichen gesellschafts-, verfahrens- und versicherungsrechtlichen Absprachen getroffen wurden.

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SCHADENERSATZPFLICHTDES GESCHÄFTSFÜHRERS NACHKARTELLRECHTS-VERSTOSS

Dr. Sascha Dethof,

Partner, Competition,

Regulatory and Trade,

Fieldfisher

Einleitung

Vor dem Hintergrund, dass Geldbußen aufgrund kar-tellrechtlicher Verstöße aktuell immer größeren Um-fang annehmen und Unternehmen immer häufiger ihr Management wegen derartiger Pflichtverstöße in Regress nehmen wollen, gewinnt die Frage nach dem Bestehen und Umfang von Schadenersatzansprüchen gegen die Geschäftsleitung an Bedeutung.

Wie nachfolgend ausgeführt, drohen dem Geschäfts-führer Schadensersatzansprüche in verschiedenen Szenarien, etwa weil er Compliance-Maßnahmen un-terlassen hat (unter I.), weil er für Kartellbußgelder in Regress genommen wird (unter II.) und weil Geschä-digte den Geschäftsführer persönlich in Anspruch neh-men (unter III.).

I. Schadenersatz wegen fehlender Compliance Maßnahmen

In einem vielbeachteten Urteil hat sich das Landgericht München I (Urteil vom 10.12.2013 – 5 HK O 1387/10) als erstes deutsches Gericht detailliert mit den An-forderungen an eine Compliance-Organisation und den diesbezüglichen Pflichten des Vorstands ausein-andergesetzt. Das Urteil ist Teil der Aufarbeitung der Siemens-Korruptionsaffäre, in deren Rahmen das Un-ternehmen zu dem Schluss gelangt war, dass Organ-mitglieder ihren Pflichten zur Sicherstellung ordnungs-gemäßer Compliance nicht gerecht geworden waren.

Gegen das ehemalige Mitglied des Siemens-Vorstands, Heinz-Joachim Neubürger, mit dem keine außerge-richtliche Einigung zu Stande kam, erhob Siemens Schadensersatzklage vor dem Landgericht München I. Dieser gab das Gericht durch die vorstehend genannte Entscheidung statt und verurteilte Heinz-Joachim Neu-bürger zu einer Schadenersatzzahlung in Höhe von 15 Mio. EUR. Als Schaden wurde der Teil der Kosten aner-kannt, welcher zur Aufklärung der Compliance-Verstö-ße entstanden war.

Zum ersten Mal wurde damit ein Vorstandsmitglied eines deutschen Unternehmens von einem deutschen Gericht wegen Organisationsverschuldens zu einem derart hohen Schadensersatz verurteilt.

Damit verdeutlicht das Urteil, neben straf- und ord-nungsrechtlichen Aspekten, auch die zivilrechtliche Tragweite für das Unternehmensmanagement bei Compliance-Verstößen. Mit dem Urteil wurden die Pflichten der Geschäftsleitung ausdrücklich auch auf die Errichtung einer Compliance-Abteilung erstreckt. Im Rahmen der Legalitätspflicht sei das Unternehmen so zu strukturieren und zu organisieren, dass keine Ge-setzesverstöße begangen werden.

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Das reine Bekenntnis des Managements zur Compliance wird nach diesem Urteil zukünftig wohl nicht mehr aus-reichen, um einer persönlichen Haftung auf Schaden-ersatz zu entgehen. Vielmehr ist die Geschäftsleitung verpflichtet, tatsächlich tätig zu werden, um etwaige Gesetzesverletzungen zu verhindern. Der Umfang rich-tet sich hier nach Art, Größe und Organisation des Un-ternehmens. Die Feststellungen zur Organisationpflicht der Unternehmensleitung, die in dem Urteil zum Vor-stand getroffen wurden, sind entsprechend auch auf die GmbH-Geschäftsführung anzuwenden. Der Vorwurf lag in diesem Fall in Korruptionshandlungen, ist aber auch auf Kartellverstöße anwendbar. Neben straf- und ordnungswidrigkeitsrechtlichen Folgen muss zukünftig somit auch mit zivilrechtlichen Folgen für betroffene Vorstände und Geschäftsführer gerechnet werden.

II. Schadenersatzanspruch gegen den Geschäftsführer für das Kartell­bußgeld des Unternehmens

Ob die Haftung des Geschäftsführers nach § 43 Abs. 2 GmbHG sich auch auf die dem Unternehmen auferleg-te Kartellbuße erstreckt, ist derzeit nicht abschließend geklärt.

In dem Urteil des LAG Düsseldorf ((Teil-)Urt. v. 20. 1. 2015 – 16 Sa 459/14 – Schienenkartell) hatte sich erst-malig ein Obergericht mit der Frage auseinanderzu-setzen, ob ein gegen das Unternehmen verhängtes Kartellbußgeld als ersatzfähiger Schaden im Wege des Innenregresses an ein (ehemaliges) Unternehmensorg-an weitergereicht werden kann und verneinte dies.

Bereits 2012 hatte das Bundeskartellamt gegen das Unternehmen wegen kartellrechtswidriger Abspra-chen eine Geldbuße verhängt. Daraufhin machte das Unternehmen den bis Herbst 2009 zuständigen Ge-schäftsführer der entsprechenden Konzerngesellschaft dafür verantwortlich und forderte die Erstattung des gesamten Bußgeldes.

Die Instanzen bestätigten die grundsätzliche Haftung des Geschäftsführers einer GmbH nach § 43 Abs. 2 GmbHG im Innenverhältnis für alle Schäden der Gesell-schaft, die er aufgrund einer ihm obliegenden Pflicht schuldhaft verursacht. Wie auch in der oben genann-ten „Siemens-Neubürger“ Entscheidung wurde dabei auf die Legalitätspflicht abgestellt.

Diese verpflichtet den Geschäftsführer, sämtliche Rechts-vorschriften zu beachten, die die Gesellschaft im Außen-verhältnis treffen. Ein Verstoß liegt vor, wenn er einen Kartellverstoß begeht. Allerdings könne die durch eine Behörde auferlegte Geldbuße wegen eines Kartellversto-ßes nicht auf die Geschäftsleitung abgewälzt werden.

Wie bereits das Arbeitsgericht in der Vorinstanz, stützt das LAG Düsseldorf die Entscheidung darauf, dass der Gesetzgeber die Höhe des Bußgelds im Hinblick auf na-türliche Personen und Unternehmen unterschiedlich geregelt hat. So sind Geldbußen gegen natürliche Per-sonen auf 1 Mio. EUR begrenzt, während die Geldbuße für Unternehmen bis zu 10% des Umsatzes betragen kann. Diese Differenzierung würde nach Ansicht des LAG unterlaufen, wenn ein Unternehmen seine Organ-mitglieder für die Geldbuße gegen das Unternehmen in voller Höhe in Regress nehmen könnte.

Darüber hinaus laufe eine Pflicht des Geschäftsführers zum Ersatz einer Kartellbuße schon der Funktion der gegen das kartellrechtswidrig agierende Unterneh-men festgesetzten Geldbuße zuwider. Das Bußgeld sol-le neben dem Strafcharakter auch dazu dienen, einen etwaigen durch den Kartellverstoß erzielten Vorteil bei dem Unternehmen abzuschöpfen. Dieser Zweck würde unterlaufen, wenn das Bußgeld an die handelnde Per-son weitergereicht werden könnte.

Wegen der Bedeutung dieser Rechtsfrage hat das LAG die Revision zugelassen. Der Streit ist inzwischen beim Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt anhängig (dort Az.: 8 AZR 189/15).

Bis zu einer möglichen höchstrichterlichen Klärung bleibt es weiterhin bei einer erheblichen Rechtsun-

Gericht: Die Geldbuße muss beim Unternehmen verbleiben

und die Unternehmensträger treffen, um deren zukünftiges

Verhalten zu beeinflussen.

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 132

sicherheit für Unternehmen, Organmitglieder und D&O-Versicherer. Die Entscheidung des BAG wird dem-entsprechend mit Spannung erwartet.

III. Direkter Schadensersatz des Geschädigten gegenüber dem Geschäftsführer

Wie das OLG Düsseldorf zuletzt in seiner Dornbracht Entscheidung 2013 (Az. VI-U (Kart) 11/13) aufzeigte, haftet der Geschäftsführer, der veranlasst oder sonst fördert, dass die zuständigen Mitarbeiter einen Kartell-verstoß begehen, gemäß § 830 Abs. 2 BGB als Anstifter oder Gehilfe des fremden Kartellrechtsverstoßes direkt auf Schadensersatz gegenüber dem Geschädigten.

In dem Urteil ging es um ein dreistufiges Vertriebssys-tem eines Herstellers von Badarmaturen. Als kartell-rechtlich unzulässig angesehen wurde die Differen-zierung von Rabatten je nachdem, ob die Produkte im stationären Einzelhandel oder über das Internet ver-kauft wurden. Auf Grund der Kartellrechtswidrigkeit dieser Rabattdifferenzierung wurde die Dornbracht GmbH nach § 33 Abs. 3 S.1, Abs. 1 GWB zur Zahlung einer Schadensersatzsumme in Höhe von 820.000 EUR

als Gesamtschuldner mit deren für den Vertrieb verant-wortlichen Geschäftsführer verurteilt.

Dieser wurde über § 830 Abs. 2 BGB als Teilnehmer in die Haftung miteinbezogen. Grund für dessen Mithaf-tung war nach Auffassung des OLG die Veranlassung des Abschlusses der in Rede stehenden Fachhandels-vereinbarungen und die mehrfache öffentliche Befür-wortung dieser.

IV. Direkte Haftung für Geldbußen

Im Rahmen der hier diskutierten Haftungsfrage ist nicht zu vergessen, dass das Bundeskartellamt die Geldbuße nach § 81 GWB auch direkt den Verantwortlichen auf-erlegen kann. Hierfür sieht das Gesetz in § 81 Abs. 4 S. 1 GWB einen Rahmen von bis zu 1 Mio. Euro vor. Das Bundeskartellamt macht von dieser Befugnis auch re-gelmäßig Gebrauch. Ein Geschäftsführer wird also mit einer persönlichen Geldbuße beleget, weil er an dem Kartellrechtsverstoß teilgenommen hat oder weil er die-sen pflichtwidrig nicht verhindert, hat. Eine derartige Haftung für Kartellrechtsverstöße, von denen sie aber keine Kenntnis haben, können Geschäftsführer mit ent-sprechenden Compliance-Maßnahmen verhindern.

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 133

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E-BOOK FÜR GESCHÄFTSFÜHRER 2017 134

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Das E-Book für Geschäftsführer mit den haftungsträchtigen Themen 2017

Herzlichen Dank den Autoren für ihre Unterstützung bei der Gestaltung dieses E-Books.

Wenn auch Sie einen Beitrag für die nächste Ausgabe leisten möchten oder Anregungen für Themen haben, melden Sie sich bitte unter

0211/9686-3165 [email protected]