Goethe, Johann Wolfgang Von - Novelle

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Novelleby Johann Wolfgang von GoetheNovelle, Kapitel 1Ein dichter Herbstnebel verhllte noch in der Frhe die weiten Rumedes frstlichen Schlohofes, als man schon mehr oder weniger durch densich lichtenden Schleier die ganze Jgerei zu Pferde und zu Fudurcheinander bewegt sah.Die eiligen Beschftigungen der Nchsten lieen sich erkennen: manverlngerte, man verkrzte die Steigbgel, man reichte sich Bchse undPatrontschchen, man schob die Dachsranzen zurecht, indes die Hundeungeduldig am Riemen den Zurckhaltenden mit fortzuschleppen drohten.Auch hie und da gebrdete ein Pferd sich mutiger, von feuriger Naturgetrieben oder von dem Sporn des Reiters angeregt, der selbst hier inder Halbhelle eine gewisse Eitelkeit, sich zu zeigen, nicht verleugnenkonnte.Alle jedoch warteten auf den Frsten, der, von seiner jungen GemahlinAbschied nehmend, allzulange zauderte.Erst vor kurzer Zeit zusammen getraut, empfanden sie schon das Glckbereinstimmender Gemter; beide waren von ttig lebhaftem Charakter,eines nahm gern an des andern Neigungen und Bestrebungen Anteil.Des Frsten Vater hatte noch den Zeitpunkt erlebt und genutzt, wo esdeutlich wurde, da alle Staatsglieder in gleicher Betriebsamkeit ihreTage zubringen, in gleichem Wirken und Schaffen jeder nach seiner Arterst gewinnen und dann genieen sollte.Wie sehr dieses gelungen war, lie sich in diesen Tagen gewahr werden,als eben der Hauptmarkt sich versammelte, den man gar wohl eine Massenennen konnte.Der Frst hatte seine Gemahlin gestern durch das Gewimmel deraufgehuften Waren zu Pferde gefhrt und sie bemerken lassen, wiegerade hier das Gebirgsland mit dem flachen Lande einen glcklichenUmtausch treffe; er wute sie an Ort und Stelle auf die Betriebsamkeitseines Lnderkreises aufmerksam zu machen.Wenn sich nun der Frst fast ausschlielich in diesen Tagen mit denSeinigen ber diese zudringenden Gegenstnde unterhielt, auchbesonders mit dem Finanzminister anhaltend arbeitete, so behielt dochauch der Landjgermeister sein Recht, auf dessen Vorstellung esunmglich war, der Versuchung zu widerstehen, an diesen gnstigenHerbsttagen eine schon verschobene Jagd zu unternehmen, sich selbstund den vielen angekommenen Fremden ein eignes und seltnes Fest zuerffnen.Die Frstin blieb ungern zurck; man hatte sich vorgenommen, weit indas Gebirg hineinzudringen, um die friedlichen Bewohner der dortigenWlder durch einen unerwarteten Kriegszug zu beunruhigen.Scheidend versumte der Gemahl nicht, einen Spazierritt vorzuschlagen,den sie im Geleit Friedrichs, des frstlichen Oheims, unternehmensollte "."Auch lasse ich", sagte er, "dir unsern Honorio als Stallund Hofjunker,der fr alles sorgen wird".Und im Gefolg dieser Worte gab er im Hinabsteigen einem wohlgebildetenjungen Mann die ntigen Auftrge, verschwand sodann bald mit Gstenund Gefolge.Die Frstin, die ihrem Gemahl noch in den Schlohof hinab mit demSchnupftuch nachgewinkt hatte, begab sich in die hintern Zimmer,welche nach dem Gebirg eine freie Aussicht lieen, die um destoschner war, als das Schlo selbst von dem Flusse herauf in einigerHhe stand und so vor--als hinterwrts mannigfaltige bedeutendeAnsichten gewhrte.Sie fand das treffliche Teleskop noch in der Stellung, wo man esgestern abend gelassen hatte, als man, ber Busch, Berg und Waldgipfeldie hohen Ruinen der uralten Stammburg betrachtend, sich unterhielt,die in der Abendbeleuchtung merkwrdig hervortraten, indem alsdann diegrten Licht- und Schattenmassen den deutlichsten Begriff von einemso ansehnlichen Denkmal alter Zeit verleihen konnten.Auch zeigte sich heute frh durch die annhernden Glser rechtauffallend die herbstliche Frbung jener mannigfaltigen Baumarten, diezwischen dem Gemuer ungehindert und ungestrt durch lange Jahreemporstrebten.Die schne Dame richtete jedoch das Fernrohr etwas tiefer nach einerden, steinigen Flche, ber welche der Jagdzug weggehen mute.Sie erharrte den Augenblick mit Geduld und betrog sich nicht, denn beider Klarheit und Vergrerungsfhigkeit des Instruments erkannten ihreglnzenden Augen deutlich den Frsten und den Oberstallmeister; ja sieenthielt sich nicht, abermals mit dem Schnupftuche zu winken, als sieein augenblickliches Stillhalten und Rckblicken mehr vermutete alsgewahr ward.Frst Oheim, Friedrich mit Namen, trat sodann, angemeldet, mit seinemZeichner herein, der ein groes Portefeuille unter dem Arm trug."Liebe Cousine", sagte der alte, rstige Herr, "hier legen wir dieAnsichten der Stammburg vor, gezeichnet, um von verschiedenen Seitenanschaulich zu machen, wie der mchtige Trutz- und Schutzbau von altenZeiten her dem Jahr und seiner Witterung sich entgegenstemmte und wiedoch hie und da sein Gemuer weichen, da und dort in wste Ruinenzusammenstrzen mute.Nun haben wir manches getan, um diese Wildnis zugnglicher zu machen,denn mehr bedarf es nicht, um jeden Wanderer, jeden Besuchenden inErstaunen zu setzen, zu entzcken".Indem nun der Frst die einzelnen Bltter deutete, sprach er weiter:"hier, wo man, den Hohlweg durch die uern Ringmauern heraufkommend,vor die eigentliche Burg gelangt, steigt uns ein Felsen entgegen vonden festesten des ganzen Gebirgs; hierauf nun steht gemauert ein Turm,doch niemand wte zu sagen, wo die Natur aufhrt, Kunst und Handwerkaber anfangen.Ferner sieht man seitwrts Mauern angeschlossen und Zwingerterrassenmig herab sich erstreckend.Doch ich sage nicht recht, denn es ist eigentlich ein Wald, der diesenuralten Gipfel umgibt.Seit hundertundfunfzig Jahren hat keine Axt hier geklungen, undberall sind die mchtigsten Stmme emporgewachsen.Wo Ihr Euch an den Mauern andrngt, stellt sich der glatte Ahorn, dierauhe Eiche, die schlanke Fichte mit Schaft und Wurzeln entgegen; umdiese mssen wir uns herumschlngeln und unsere Fupfade verstndigfhren.Seht nur, wie trefflich unser Meister dies Charakteristische auf demPapier ausgedrckt hat, wie kenntlich die verschiedenen StammundWurzelarten zwischen das Mauerwerk verflochten und die mchtigen stedurch die Lcken durchgeschlungen sind!Es ist eine Wildnis wie keine, ein zufllig einziges Lokal, wo diealten Spuren lngst verschwundener Menschenkraft mit der ewig lebendenund fortwirkenden Natur sich in dem ernstesten Streit erblickenlassen".Ein anderes Blatt aber vorlegend, fuhr er fort: "was sagt Ihr nun zumSchlohofe, der, durch das Zusammenstrzen des alten Torturmesunzugnglich, seit und undenklichen Jahren von niemand betreten ward?"Wir suchten ihm von der Seite beizukommen, haben Mauern durchbrochen,Gewlbe gesprengt und so einen bequemen, aber geheimen Weg bereitet.Inwendig bedurft es keines Aufrumens, hier findet sich ein flacherFelsgipfel von der Natur geplttet, aber doch haben mchtige Bume hieund da zu wurzeln Glck und Gelegenheit gefunden; sie sind sachte,aber entschieden aufgewachsen, nun erstrecken sie ihre ste bis in dieGalerien hinein, auf denen der Ritter sonst auf und ab schritt, jadurch Tren durch und Fenster in die gewlbten Sle, aus denen wir sienicht vertreiben wollen; sie sind eben Herr geworden und mgensbleiben.Novelle, Kapitel 2Tiefe Bltterschichten wegrumend, haben wir den merkwrdigsten Platzgeebnet gefunden, dessengleichen in der Welt vielleicht nicht wiederzu sehen ist.Nach allem diesem aber ist es immer noch bemerkenswert und an Ort undStelle zu beschauen, da auf den Stufen, die in den Hauptturmhinauffhren, ein Ahorn Wurzel geschlagen und sich zu einem sotchtigen Baume gebildet hat, da man nur mit Not daran vorbeidringenkann, um die Zinne, der unbegrenzten Aussicht wegen, zu besteigen.Aber auch hier verweilt man bequem im Schatten, denn dieser Baum istes, der sich ber das Ganze wunderbar hoch in die Luft hebt.Danken wir also dem wackern Knstler, der uns so lblich inverschiedenen Bildern von allem berzeugt, als wenn wir gegenwrtigwren; er hat die schnsten Stunden des Tages und der Jahrszeit dazuangewendet und sich wochenlang um diese Gegenstnde herumbewegt.In dieser Ecke ist fr ihn und den Wchter, den wir ihm zugegeben,eine kleine, angenehme Wohnung eingerichtet.Sie sollten nicht glauben, meine Beste, welch eine schne Aus- undAnsicht er ins Land, in Hof und Gemuer sich dort bereitet hat! Nunaber, da alles so rein und charakteristisch umrissen ist, wird er eshier unten mit Bequemlichkeit ausfhren.Wir wollen mit diesen Bildern unsern Gartensaal zieren, und niemandsoll ber unsere regelmigen Parterre, Lauben und schattigen Gngeseine Augen spielen lassen, der nicht wnschte, dort oben in demwirklichen Anschauen des Alten und Neuen, des Starren, Unnachgiebigen,Unzerstrlichen und des Frischen, Schmiegsamen, Unwiderstehlichenseine Betrachtungen anzustellen".Honorio trat ein und meldete, die Pferde seien vorgefhrt; da sagtedie Frstin, zum Oheim gewendet: "reiten wir hinauf, und lassen Siemich in der Wirklichkeit sehen, was Sie mir hier im Bilde zeigten!Seit ich hier bin, hr ich von diesem Unternehmen und werde jetzt erstrecht verlangend, mit Augen zu sehen, was mir in der Erzhlungunmglich schien und in der Nachbildung unwahrscheinlich bleibt".--"Noch nicht, meine Liebe", versetzte der Frst; "was Sie hier sahen,ist, was es werden kann und wird; jetzt stockt noch manches, die Kunstmu erst vollenden, wenn sie sich vor der Natur nicht schmen soll".--"Und so reiten wir wenigstens hinaufwrts, und wr es nur bis an denFu; ich habe groe Lust, mich heute weit in der Welt umzusehen".--"Ganz nach Ihrem Willen", versetzte der Frst.--"Lassen Sie unsaber durch die Stadt reiten", fuhr die Dame fort, "ber den groenMarktplatz, wo eine zahllose Menge von Buden die Gestalt einer kleinenStadt, eines Feldlagers angenommen hat.Es ist, als wren die Bedrfnisse und Beschftigungen smtlicherFamilien des Landes umher nach auen gekehrt, in diesem Mittelpunktversammelt, an das Tageslicht gebracht worden, denn hier sieht deraufmerksame Beobachter alles, was der Mensch leistet und bedarf; manbildet sich einen Augenblick ein, es sei kein Geld ntig, jedesGeschft knne hier durch Tausch abgetan werden, und so ist auch imGrunde.Seitdem der Frst gestern mir Anla zu diesem bersichten gegeben, istes mir gar angenehm zu denken, wie hier, wo Gebirg und flaches Landaneinandergrenzen, beide so deutlich aussprechen, was sie brauchen undwas sie wnschen.Wie nun der Hochlnder das Holz seiner Wlder in hundert Formenumzubilden wei, das Eisen zu einem jeden Gebrauch zuvermannigfaltigen, so kommen jene drben mit den vielfltigsten Warenihm entgegen, an denen man den Stoff kaum unterscheiden und den Zweckoft nicht erkennen mag"."Ich wei", versetzte der Frst, "da mein Neffe hierauf die grteAufmerksamkeit wendet, denn gerade zu dieser Jahrszeit kommt eshauptschlich darauf an, da man mehr empfange als gebe; dies zubewirken, ist am Ende die Summe des ganzen Staatshaushaltes so wie derkleinsten huslichen Wirtschaft.Verzeihen Sie aber, meine Beste, ich reite niemals gern durch denMarkt und Messe; bei jedem Schritt ist man gehindert und aufgehalten,und dann flammt mir das ungeheure Unglck wieder in dieEinbildungskraft, das sich mir gleichsam in die Augen eingebrannt, alsich eine solche Gter- und Warenbreite in Feuer aufgehen sah.Ich hatte mich kaum--"."Lassen Sie uns die schnen Stunden nicht versumen!" fiel ihm dieFrstin ein, da der wrdige Mann sie schon einigemal mit ausfhrlicherBeschreibung jenes Unheils gengstigt hatte, wie er sich nmlich, aufeiner groen Reise begriffen, abends im besten Wirtshause auf demMarkte, der eben von einer Hauptmesse wimmelte, hchst ermdet zuBette gelegt und nachts durch Geschrei und Flammen, die sich gegenseine Wohnung wlzten, grlich aufgeweckt worden.Die Frstin eilte, das Lieblingspferd zu besteigen, und fhrte, stattzum Hintertore bergauf, zum Vordertore bergunter ihren widerwilligbereiten Begleiter; denn wer wre nicht gern an ihrer Seite geritten,wer wre ihr nicht gern gefolgt!Und so war auch Honorio von der sonst so ersehnten Jagd willigzurckgeblieben, um ihr ausschlielich dienstbar zu sein.Wie vorauszusehen, durften sie auf dem Markte nur Schritt vor Schrittreiten; aber die schne Liebenswrdige erheiterte jeden Aufenthaltdurch eine geistreiche Bemerkung."Ich wiederhole", sagte sie, "meine gestrige Lektion, da denn doch dieNotwendigkeit unsere Geduld prfen will".Und wirklich drngte sich die ganze Menschenmasse dergestalt an dieReitenden heran, da sie ihren Weg nur langsam fortsetzen konnten.Das Volk schaute mit Freuden die junge Dame, und auf so viellchelnden Gesichtern zeigte sich das entschiedene Behagen, zu sehen,da die erste Frau im Lande auch die schnste und anmutigste sei.Untereinander gemischt standen Bergbewohner, die zwischen Felsen,Fichten und Fhren ihre stillen Wohnsitze hegten, Flachlnder vonHgeln, Auen und Wiesen her, Gewerbsleute der kleinen Stdte, und wassich alles versammelt hatte.Nach einem ruhigen berblick bemerkte die Frstin ihrem Begleiter, wiealle diese, woher sie auch seien, mehr Stoff als ntig zu ihrenKleidern genommen, mehr Tuch und Leinwand, mehr Band zum Besatz."Ist es doch, als ob die Weiber nicht brauschig und die Mnner nichtpausig genug sich gefallen knnten!""Wir wollen ihnen das ja lassen", versetzte der Oheim; "wo auch derMensch seinen berflu hinwendet, ihm ist wohl dabei, am wohlsten,wenn er sich damit schmckt und aufputzt".Die schne Dame winkte Beifall.So waren sie nach und nach auf einen freiern Platz gelangt, der zurVorstadt hinfhrte, wo am Ende vieler kleiner Buden und Kramstnde eingreres Brettergebude in die Augen fiel, das sie kaum erblickten,als ein ohrzerreiendes Gebrlle ihnen entgegentnte.Die Ftterungsstunde der dort zur Schau stehenden wilden Tiere schienherangekommen; der Lwe lie seine Wald- und Wstenstimme aufskrftigste hren, die Pferde schauderten, und man konnte der Bemerkungnicht entgehen, wie in dem friedlichen Wesen und Wirken der gebildetenWelt der Knig der Einde sich so furchtbar verkndige.Zur Bude nher gelangt, durften sie die bunten, kolossalen Gemldenicht bersehen, die mit heftigen Farben und krftigen Bildern jenefremden Tiere darstellten, welche der friedliche Staatsbrger zuschauen unberwindliche Lust empfinden sollte.Novelle, Kapitel 3Der grimmig ungeheure Tiger sprang auf einen Mohren los, im Begriffihn zu zerreien, ein Lwe stand ernsthaft majesttisch, als wenn erkeine Beute seiner wrdig vor sich she; andere wunderliche, bunteGeschpfe verdienten neben diesen mchtigen weniger Aufmerksamkeit."Wir wollen", sagte die Frstin, "bei unserer Rckkehr absteigen unddie seltenen Gste nher betrachten!"--"Es ist wunderbar", versetzteder Frst, "da der Mensch durch Schreckliches immer aufgeregt seinwill.Drinnen liegt der Tiger ganz ruhig in seinem Kerker, und hier mu ergrimmig auf einen Mohren losfahren, damit man glaube, dergleicheninwendig ebenfalls zu sehen; es ist an Mord und Totschlag noch nichtgenug, an Brand und Untergang: die Bnkelsnger mssen es an jederEcke wiederholen.Die guten Menschen wollen eingeschchtert sein, um hinterdrein erstrecht zu fhlen, wie schn und lblich es sei, frei Atem zu holen".Was denn aber auch Bngliches von solchen Schreckensbildern mochtebriggeblieben sein, alles und jedes war sogleich ausgelscht, als man,zum Tore hinausgelangt, in die heiterste Gegend eintrat.Der Weg fhrte zuerst am Flusse hinan, an einem zwar noch schmalen,nur leichte Khne tragenden Wasser, das aber nach und nach als grterStrom seinen Namen behalten und ferne Lnder beleben sollte.Dann ging es weiter durch wohlversorgte Frucht- und Lustgrten sachtehinaufwrts, und man sah sich nach und nach in der aufgetanen,wohlbewohnten Gegend um, bis erst ein Busch, sodann ein Wldchen dieGesellschaft aufnahm und die anmutigsten rtlichkeiten ihren Blickbegrenzten und erquickten.Ein aufwrts leitendes Wiesental, erst vor kurzem zum zweiten Malegemht, sammethnlich anzusehen, von einer oberwrts lebhaft aufeinmal reich entspringenden Quelle gewssert, empfing sie freundlich,und so zogen sie einem hheren, freieren Standpunkt entgegen, den sie,aus dem Walde sich bewegend, nach einem lebhaften Stieg erreichten,alsdann aber vor sich noch in bedeutender Entfernung ber neuenBaumgruppen das alte Schlo, den Zielpunkt ihrer Wallfahrt, als Fels-und Waldgipfel hervorragen sahen.Rckwrts aber--denn niemals gelangte man hierher, ohne sichumzukehren--erblickten sie durch zufllige Lcken der hohen Bume dasfrstliche Schlo links, von der Morgensonne beleuchtet, denwohlgebauten hhern Teil der Stadt, von leichten Rauchwolken gedmpft,und so fort nach der Rechten zu die untere Stadt, den Flu in einigenKrmmungen mit seinen Wiesen und Mhlen, gegenber eine weitenahrhafte Gegend.nachdem sie sich an dem Anblick ersttigt oder vielmehr, wie es unsbei dem Umblick auf so hoher Stelle zu geschehen pflegt, erst rechtverlangend geworden nach einer weitern, weniger begrenzten Aussicht,ritten sie eine steinige, breite Flche hinan, wo ihnen die mchtigeRuine als ein grngekrnter Gipfel entgegenstand, wenig alte Bumetief unten um seinen Fu; sie ritten hindurch, und so fanden sie sichgerade vor der steilsten, unzugnglichsten Seite.Mchtige Felsen standen von Urzeiten her, jedem Wechsel unangetastet,fest, wohlgegrndet voran, und so trmte sichs aufwrts; dassazwischen Herabgestrzte lag in mchtigen Platten und Trmmernunregelmig bereinander und schien dem Khnsten jeden Angriff zuverbieten.Aber das Steile, Jhe scheint der Jugend zuzusagen; dies zuunternehmen, zu erstrmen, zu erobern, ist jungen Gliedern ein Genu.Die Frstin bezeigte Neigung zu einem Versuch, Honorio war bei derHand, der frstliche Oheim, wenn schon bequemer, lie sichs gefallenund wollte sich doch auch nicht unkrftig zeigen; die Pferde solltenam Fu unter den Bumen halten, und man wollte bis zu einem gewissenPunkte gelangen, wo ein vorstehender mchtiger Fels einen Flchenraumdarbot, von wo man eine Aussicht hatte, die zwar schon in den Blickdes Vogels berging, aber sich doch noch malerisch genughintereinander schob.Die Sonne, beinahe auf ihrer hchsten Stelle, verlieh die klarsteBeleuchtung; das frstliche Schlo mit seinen Teilen, Hauptgebuden,Flgeln, Kuppeln und Trmen erschien gar stattlich, die obere Stadt inihrer vlligen Ausdehnung; auch in die untere konnte man bequemhineinsehen, ja durch das Fernrohr auf dem Markte sogar die Budenunterscheiden.Honorio war immer gewohnt, ein so frderliches Werkzeugberzuschnallen; man schaute den Flu hinauf und hinab, diesseits dasbergartig terrassenweis unterbrochene, jenseits das aufgleitendeflache und in migen Hgeln abwechselnde fruchtbare Land, Ortschaftenunzhlige; denn es war lngst herkmmlich, ber die Zahl zu streiten,wieviel man deren von hier oben gewahr werde.ber die groe Weite lag eine heitere Stille, wie es am Mittag zu seinpflegt, wo die Alten sagten, Pan schlafe und alle Natur halte den Ateman, um ihn nicht aufzuwecken."Es ist nicht das erstemal", sagte die Frstin, "da ich auf so hoher,weitumschauender Stelle die Betrachtung machte, wie doch die klareNatur so reinlich und friedlich aussieht und den Eindruck verleiht,als wenn gar nichts Widerwrtiges in der Welt sein knne, und wenn mandenn wieder in die Menschenwohnung zurckkehrt, sie sei hoch oderniedrig, weit oder eng, so gibts immer etwas zu kmpfen, zu streiten,zu schlichten und zurechtzulegen".Honorio, der indessen durch das Sehrohr nach der Stadt geschaut hatte,rief: "seht hin! Seht hin! Auf dem Markte fngt es an zu brennen!".Sie sahen hin und bemerkten wenigen Rauch; die Flamme dmpfte der Tag."Das Feuer greift weiter um sich!" rief man, immer durch die Glserschauend; auch wurde das Unheil den guten, unbewaffneten Augen derFrstin bemerklich.Von Zeit zu Zeit erkannte man eine rote Flammenglut, der Dampf stiegempor, und Frst Oheim sprach: "lat uns zurckkehren! Das ist nichtgut! Ich frchtete immer, das Unglck zum zweiten Male zu erleben".Als sie, herabgekommen, den Pferden wieder zugingen, sagte die Frstinzu dem alten Herrn: "reiten Sie hinein, eilig, aber nicht ohne denReitknecht! Lassen Sie mir Honorio! Wir folgen sogleich".Der Oheim fhlte das Vernnftige, ja das Notwendige dieser Worte undritt, so eilig als der Boden erlaubte, den wsten, steinigen Hanghinunter.Als die Frstin aufsa, sagte Honorio: "reiten Euer Durchlaucht, ichbitte, langsam!In der Stadt wie auf dem Schlo sind die Feueranstalten in besterOrdnung, man wird sich durch einen so unerwartet auerordentlichenFall nicht irre machen lassen.Hier aber ist ein bser Boden, kleine Steine und kurzes Gras,schnelles Reiten ist unsicher; ohnehin, bis wir hineinkommen, wird dasFeuer schon nieder sein".Die Frstin glaube nicht daran; sie sah den Rauch sich verbreiten, sieglaubte einen aufflammenden Blitz gesehen, einen Schlag gehrt zuhaben, und nun bewegten sich in ihrer Einbildungskraft alle dieSchreckbilder, welche des trefflichen Oheims wiederholte Erzhlung vondem erlebten Jahrmarktsbrande leider nur zu tief eingesenkt hatte.Frchterlich wohl war jener Fall, berraschend und eindringlich genug,um zeitlebens eine Ahnung und Vorstellung wiederkehrenden Unglcksngstlich zurckzulassen, als zur Nachtzeit auf dem groen,budenreichen Marktraum ein pltzlicher Brand Laden auf Laden ergriffenhatte, ehe noch die in und an diesen leichten Htten Schlafenden austiefen Trumen geschttelt wurden, der Frst selbst als ein ermdetangelangter, erst eingeschlafener Fremder ans Fenster sprang, allesfrchterlich erleuchtet sah, Flamme nach Flamme, rechts und links sichberspringend, ihm entgegenzngelte.Novelle, Kapitel 4Die Huser des Marktes, vom Widerschein gertet, schienen schon zuglhen, drohend sich jeden Augenblick zu entznden und in Flammenaufzuschlagen; unten wtete das Element unaufhaltsam, die Bretterprasselten, die Latten knackten, Leinwand flog auf, und ihre dstern,an den Enden flammend ausgezackten Fetzen trieben in der Hhe sichumher, als wenn die bsen Geister in ihrem Elemente, um und umgestaltet, sich mutwillig tanzend verzehren und da und dort aus denGluten wieder auftauchen wollten.Dann aber mit kreischendem Geheul rettete jeder, was zur Hand lag;Diener und Knechte mit den Herren bemhten sich, von Flammenergriffene Ballen fortzuschleppen, von dem brennenden Gestell nocheiniges wegzureien, um es in die Kiste zu packen, die sie denn dochzuletzt den eilenden Flammen zum Raube lassen muten.Wie mancher wnschte nur einen Augenblick Stillstand demheranprasselnden Feuer, nach der Mglichkeit einer Besinnung sichumsehend, und er war mit aller seiner Habe schon ergriffen; an dereinen Seite brannte, glhte schon, was an der andern noch in finstererNacht stand.Hartnckige Charaktere, willensstarke Menschen widersetzten sichgrimmig dem grimmigen Feinde und retteten manches mit Verlust ihrerAugenbraunen und Haare.Leider nun erneuerte sich vor dem schnen Geiste der Frstin der wsteWirrwarr, nun schien der heitere morgendliche Gesichtskreis umnebelt,ihre Augen verdstert; Wald und Wiese hatten einen wunderbaren,bnglichen Anschein.In das friedliche Tal einreitend, seiner labenden Khle nicht achtend,waren sie kaum einige Schritte von der lebhaften Quelle des nahenflieenden Baches herab, als die Frstin ganz unten im Gebsche desWiesentals etwas Seltsames erblickte, das sie alsobald fr den Tigererkannte; heranspringend, wie sie ihn vor kurzem gemalt gesehen, kamer entgegen, und dieses Bild zu den furchtbaren Bildern, die siesoeben beschftigten, machte den wundersamsten Eindruck."Flieht! Gndige Frau", rief Honorio, "flieht!". Sie wandte dasPferd um, dem steilen Berg zu, wo sie herabgekommen waren.Der Jngling aber, dem Untier entgegen, zog die Pistole und scho, alser sich nahe genug glaubte.Leider jedoch war gefehlt; der Tiger sprang seitwrts, das Pferdstutzte, das ergrimmte Tier aber verfolgte seinen Weg aufwrts,unmittelbar der Frstin nach.Sie sprengte, was das Pferd vermochte, die steile, steinige Streckehinan, kaum frchtend, da ein zartes Geschpf, solcher Anstrengungungewohnt, sie nicht aushalten werde.Es bernahm sich, von der bedrngten Reiterin angeregt, stie amkleinen Gerlle des Hanges an und wieder an und strzte zuletzt nachheftigem Bestreben kraftlos zu Boden.Die schne Dame, entschlossen und gewandt, verfehlte nicht, sichstrack auf ihre Fe zu stellen, auch das Pferd richtete sich auf,aber der Tiger nahte schon, obgleich nicht mit heftiger Schnelle; derungleiche Boden, die scharfen Steine schienen seinen Antrieb zuhindern, und nur da Honorio unmittelbar hinter ihm herflog, neben ihmgemigt heraufritt, schien seine Kraft aufs neue anzuspornen und zureizen.Beide Renner erreichten zugleich den Ort, wo die Frstin am Pferdestand; der Ritter beugte sich herab, scho und traf mit der zweitenPistole das Ungeheuer durch den Kopf, da es sogleich niederstrzteund ausgestreckt in seiner Lnge erst recht die Macht undFurchtbarkeit sehen lie, von der nur noch das Krperlichebriggeblieben dalag.Honorio war vom Pferde gesprungen und kniete schon auf dem Tiere,dmpfte seine letzten Bewegungen und hielt den gezogenen Hirschfngerin der rechten Hand.Der Jngling war schn, er war herangesprengt, wie ihn die Frstin oftim Lanzen- und Ringelspiel gesehen hatte.Ebenso traf in der Reitbahn seine Kugel im Vorbeisprengen denTrkenkopf auf dem Pfahl gerade unter dem Turban in die Stirne, ebensospiete er, flchtig heransprengend, mit dem blanken Sbel dasMohrenhaupt vom Boden auf.In allen solchen Knsten war er gewandt und glcklich, hier kam beideszustatten."Gebt ihm den Rest", sagte die Frstin; "ich frchte, er beschdigtEuch noch mit den Krallen".--"Verzeiht!" erwiderte der Jngling, "erist schon tot genug, und ich mag das Fell nicht verderben, dasnchsten Winter auf Eurem Schlitten glnzen soll".--"Frevelt nicht!"sagte die Frstin; "alles, was von Frmmigkeit im tiefen Herzen wohnt,entfaltet sich in solchem Augenblick".--"Auch ich", rief Honorio,"war nie frmmer als jetzt eben; deshalb aber denk ich ans Freudigste;ich blicke dieses Fell nur an, wie es Euch zur Lust begleiten kann".--"Es wrde mich immer an diesen schrecklichen Augenblick erinnern",versetzte sie."Ist es doch", erwiderte der Jngling mit glhender Wange, "einunschuldigeres Triumphzeichen, als wenn die Waffen erschlagener Feindevor dem Sieger her zur Schau getragen wurden".--"Ich werde mich anEure Khnheit und Gewandtheit dabei erinnern und darf nichthinzusetzen, da Ihr auf meinen Dank und auf die Gnade des Frstenlebenslnglich rechnen knnt.Aber steht auf!Schon ist kein Leben mehr im Tiere.Bedenken wir das Weitere!Vor allen Dingen steht auf!"--"Da ich nun einmal kniee", versetzte derJngling, "da ich mich in einer Stellung befinde, die mir auf jedeandere Weise untersagt wre, so lat mich bitten, von der Gunst undvon der Gnade, die Ihr mir zuwendet, in diesem Augenblick versichertzu werden.Ich habe schon so oft Euren hohen Gemahl gebeten um Urlaub undVergnstigung einer weitern Reise.Wer das Glck hat, an Eurer Tafel zu sitzen, wen Ihr beehrt, EureGesellschaft unterhalten zu drfen, der mu die Welt gesehen haben.Reisende strmen von allen Orten her, und wenn von einer Stadt, voneinem wichtigen Punkte irgendeines Weltteils gesprochen wird, ergehtan den Eurigen jedesmal die Frage, ob er daselbst gewesen sei.Niemanden traut man Verstand zu, als wer das alles gesehen hat; es ist,als wenn man sich nur fr andere zu unterrichten htte"."Steht auf!" wiederholte die Frstin; "ich mchte nicht gern gegen dieberzeugung meines Gemahls irgend etwas wnschen und bitten; alleinwenn ich nicht irre, so ist die Ursache, warum er Euch bisherzurckhielt, bald gehoben.Seine Absicht war, Euch zum selbstndigen Edelmann herangereift zusehen, der sich und ihm auch auswrts Ehre machte wie bisher am Hofe,und ich dchte, Eure Tat wre ein so empfehlender Reisepa, als einjunger Mann nur in die Welt mitnehmen kann".Da anstatt einer jugendlichen Freude eine gewisse Trauer ber seinGesicht zog, hatte die Frstin nicht Zeit zu bemerken, noch er seinerEmpfindung Raum zu geben; denn hastig den Berg herauf, einen Knaben ander Hand, kam eine Frau geradezu auf die Gruppe los, die wir kennen,und kaum war Honorio, sich besinnend, aufgestanden, als sie sichheulend und schreiend ber den Leichnam herwarf und an dieser Handlungsowie an einer obgleich reinlich anstndigen, doch bunten undseltsamen Kleidung sogleich erraten lie, sie sei die Meisterin undWrterin dieses dahingestreckten Geschpfes, wie denn derschwarzaugige, schwarzlockige Knabe, der eine Flte in der Hand hielt,gleich der Mutter weinend, weniger heftig, aber tief gerhrt neben ihrkniete.Novelle, Kapitel 5Den gewaltsamen Ausbrchen der Leidenschaft dieses unglcklichenWeibes folgte, zwar unterbrochen, stoweise ein Strom von Worten, wieein Bach sich in Abstzen von Felsen zu Felsen strzt.Eine natrliche Sprache, kurz und abgebrochen, machte sicheindringlich und rhrend.Vergebens wrde man sie in unsern Mundarten bersetzen wollen; denungefhren Inhalt drfen wir nicht verfehlen: "sie haben dich ermordet,armes Tier!Ermordet ohne Not!Du warst zahm und httest dich gern ruhig niedergelassen und auf unsgewartet; denn deine Fuballen schmerzten dich, und deine Krallenhatten keine Kraft mehr!Die heie Sonne fehlte dir, sie zu reifen.Du warst der Schnste deinesgleichen; wer hat je einen kniglichenTiger so herrlich ausgestreckt im Schlaf gesehen, wie du nun hierliegst, tot, um nicht wieder aufzustehen!Wenn du des Morgens aufwachtest beim frhen Tagschein und den Rachenaufsperrtest, ausstreckend die rote Zunge, so schienst du uns zulcheln, und wenn schon brllend, nahmst du doch spielend dein Futteraus den Hnden einer Frau, von den Fingern eines Kindes!Wie lange begleiteten wir dich auf deinen Fahrten, wie lange war deineGesellschaft uns wichtig und fruchtbar!Uns, uns ganz eigentlich kam die Speise von den Fressern und seLabung von den Starken.So wird es nicht mehr sein!Wehe!Wehe! "Sie hatte nicht ausgeklagt, als ber die mittlere Hhe desBergs am Schlosse herab Reiter heransprengten, die alsobald fr dasJagdgefolge des Frsten erkannt wurden, er selbst voran.Sie hatten, in den hintern Gebirgen jagend, die Brandwolken aufsteigensehen und durch Tler und Schluchten, wie auf gewaltsam hetzender Jagd,den geraden Weg nach diesem traurigen Zeichen genommen.ber die steinige Ble einhersprengend, stutzten und starrten sie,nun die unerwartete Gruppe gewahr werdend, die sich auf der leerenFlche merkwrdig auszeichnete.Nach dem ersten Erkennen verstummte man, und nach einigem Erholen ward,was der Anblick nicht selbst ergab, mit wenigen Worten erlutert.So stand der Frst vor dem seltsamen, unerhrten Ereignis, einen Kreisumher von Reitern und Nacheilenden zu Fue.Unschlssig war man nicht, was zu tun sei; anzuordnen, auszufhren warder Frst beschftigt, als ein Mann sich in den Kreis drngte, grovon Gestalt, bunt und wunderlich gekleidet wie Frau und Kind.Und nun gab die Familie zusammen Schmerz und berraschung zu erkennen.Der Mann aber, gefat, stand in ehrfurchtsvoller Entfernung vor demFrsten und sagte: "es ist nicht Klagenszeit; ach, mein Herr undmchtiger Jger, auch der Lwe ist los, auch hier nach dem Gebirg ister hin, aber schont ihn, habt Barmherzigkeit, da er nicht umkomme wiedies gute Tier!""Der Lwe?" sagte der Frst,"hast du seine Spur?" "Ja, Herr! EinBauer dort unten, der sich ohne Not auf einen Baum gerettet hatte,wies mich weiter hier links hinauf, aber ich sah den groen TruppMenschen und Pferde vor mir, neugierig und hilfsbedrftig eilt ichhierher".--"Also", beorderte der Frst, "mu die Jagd sich auf dieseSeite ziehen; ihr ladet eure Gewehre, geht sachte zu Werk, es ist keinUnglck, wenn ihr ihn in die tiefen Wlder treibt.--Aber am Ende,guter Mann, werden wir euer Geschpf nicht schonen knnen; warum wartihr unvorsichtig genug, sie entkommen zu lassen!"--"Das Feuer brachaus", versetzte jener; "wir hielten uns still und gespannt; esverbreitete sich schnell, aber fern von uns.Wir hatten Wasser genug zu unserer Verteidigung, aber ein Pulverschlagflog auf und warf die Brnde bis an uns heran, ber uns weg; wirbereilten uns und sind nun unglckliche Leute".Noch war der Frst mit Anordnungen beschftigt, aber einen Augenblickschien alles zu stocken, als oben vom alten Schlo herab eilig einMann heranspringend gesehen ward, den man bald fr den angestelltenWchter erkannte, der die Werksttte des Malers bewachte, indem erdarin seine Wohnung nahm und die Arbeiter beaufsichtigte.Er kam auer Atem springend, doch hatte er bald mit wenigen Wortenangezeigt: oben hinter der hhern Ringmauer habe sich der Lwe imSonnenschein gelagert, am Fue einer hundertjhrigen Buche, undverhalte sich ganz ruhig.rgerlich aber schlo der Mann: "warum habe ich gestern meine Bchsein die Stadt getragen, um sie ausputzen zu lassen!Htte ich sie bei der Hand gehabt, er wre nicht wieder aufgestanden,das Fell wre doch mein gewesen, und ich htte mich dessen, wie billig,zeitlebens gebrstet".Der Frst, dem seine militrischen Erfahrungen auch hier zustattenkamen, da er sich wohl schon in Fllen gefunden hatte, wo von mehrerenSeiten unvermeidliches bel herandrohte, sagte hierauf: "welcheBrgschaft gebt Ihr mir, da, wenn wir Eures Lwen schonen, er nichtim Lande unter den Meinigen Verderben anrichtet? ""Hier diese Frau und dieses Kind", erwiderte der Vater hastig,"erbieten sich, ihn zu zhmen, ihn ruhig zu erhalten, bis ich denbeschlagenen Kasten heraufschaffe, da wir ihn denn unschdlich undunbeschdigt wieder zurckbringen werden".Der Knabe schien seine Flte versuchen zu wollen, ein Instrument vonder Art, das man sonst die sanfte, se Flte zu nennen pflegte; siewar kurz geschnbelt wie die Pfeifen; wer es verstand, wute dieanmutigsten Tne daraus hervorzulocken.Indes hatte der Frst den Wrtel gefragt, wie der Lwe hinaufgekommen.Dieser aber versetzte: "durch den Hohlweg, der, auf beiden Seitenvermauert, von jeher der einzige Zugang war und der einzige bleibensoll; zwei Fupfade, die noch hinauffhrten, haben wir dergestaltentstellt, da niemand als durch jenen ersten engen Anweg zu demZauberschlosse gelangen knne, wozu es Frst Friedrichs Geist undGeschmack ausbilden will".Nach einigem Nachdenken, wobei sich der Frst nach dem Kinde umsah,das immer sanft gleichsam zu prludieren fortgefahren hatte, wendeteer sich zu Honorio und sagte: "du hast heute viel geleistet, vollendedas Tagwerk!Besetze den schmalen Weg!--Haltet eure Bchsen bereit, aber schietnicht eher, als bis ihr das Geschpf nicht sonst zurckscheuchen knnt;allenfalls macht ein Feuer an, vor dem er sich frchtet, wenn erherunter will!Mann und Frau mge fr das brige stehen".Eilig schickte Honorio sich an, die Befehle zu vollfhren.Novelle, Kapitel 6Das Kind verfolgte seine Melodie, die keine war, eine Tonfolge ohneGesetz, und vielleicht eben deswegen so herzergreifend; dieUmstehenden schienen wie bezaubert von der Bewegung einerliederartigen Weise, als der Vater mit anstndigem Enthusiasmus zureden anfing und fortfuhr: "Gott hat dem Frsten Weisheit gegeben undzugleich die Erkenntnis, da alle Gotteswerke weise sind, jedes nachseiner Art.Seht den Felsen, wie er fest steht und sich nicht rhrt, der Witterungtrotzt und dem Sonnenschein!Uralte Bume zieren sein Haupt, und so gekrnt schaut er weit umher;strzt aber ein Teil herunter, so will es nicht bleiben, was es war:es fllt zertrmmert in viele Stcke und bedeckt die Seite des Hanges.Aber auch da wollen sie nicht verharren, mutwillig springen sie tiefhinab, der Bach nimmt sie auf, zum Flusse trgt er sie.Nicht widerstehend, nicht widerspenstig, eckig, nein, glatt undabgerundet gewinnen sie schneller ihren Weg und gelangen von Flu zuFlu, endlich zum Ozean, wo die Riesen in Scharen daherziehen und inder Tiefe die Zwerge wimmeln.Doch wer preist den Ruhm des Herrn, den die Sterne loben von Ewigkeitzu Ewigkeit!Warum seht ihr aber im Fernen umher?Betrachtet hier die Biene!Noch spt im Herbst sammelt sie emsig und baut sich ein Haus, winkel-und waagerecht, als Meister und Geselle.Schaut die Ameise da!Sie kennt ihren Weg und verliert ihn nicht, sie baut sich eine Wohnungaus Grashalmen, Erdbrslein und Kiefernadeln, sie baut es in die Hheund wlbet es zu; aber sie hat umsonst gearbeitet, denn das Pferdstampft und scharrt alles auseinander.Sehr hin!Es zertritt ihre Balken und zerstreut ihre Planken, ungeduldigschnaubt es und kann nicht rasten, denn der Herr hat das Ro zumGesellen des Windes gemacht und zum Gefhrten des Sturmes, da es denMann dahin trage, wohin er will, und die Frau, wohin sie begehrt.Aber im Palmenwald trat er auf, der Lwe, ernsten Schrittes durchzoger die Wste, dort herrscht er ber alles Getier, und nichtswidersteht ihm.Doch der Mensch wei ihn zu zhmen, und das grausamste der Geschpfehat Ehrfurcht vor dem Ebenbilde Gottes, wornach auch die Engel gemachtsind, die dem Herrn dienen und seinen Dienern.Denn in der Lwengrube scheute sich Daniel nicht; er blieb fest undgetrost, und das wilde Brllen unterbrach nicht seinen frommen Gesang".Diese mit dem Ausdruck eines natrlichen Enthusiasmus gehaltene Redebegleitete das Kind hie und da mit anmutigen Tnen; als aber der Vatergeendigt hatte, fing es mit reiner Kehle, heller Stimme undgeschickten Lufen zu intonieren an, worauf der Vater die Flteergriff, im Einklang sich hren lie, das Kind aber sang: "aus denGruben, hier im Graben hr ich des Propheten Sang; Engel schweben, ihnzu laben, wre da dem Guten bang?Lw und Lwin, hin und wider, schmiegen sich um ihn heran; ja, diesanften, frommen Lieder habens ihnen angetan!" Der Vater fuhr fort,die Strophe mit der Flte zu begleiten; die Mutter trat hie und da alszweite Stimme mit ein.Eindringlich aber ganz besonders war, da das Kind die Zeilen derStrophe nunmehr zu anderer Ordnung durcheinander schob und dadurch, wonicht einen neuen Sinn hervorbrachte, doch das Gefhl in und durchsich selbst aufregend erhhte."Engel schweben auf und nieder, uns in Tnen zu erlaben, welch einhimmlischer Gesang!In den Gruben, in dem Graben wre da dem Kinde bang?Diese sanften, frommen Lieder lassen Unglck nicht heran; Engelschweben hin und wider, und so ist es schon getan".Hierauf mit Kraft und Erhebung begannen alle drei: "denn der Ewgeherrscht auf Erden, ber Meere herrscht sein Blick; Lwen sollenLmmer werden, und die Welle schwankt zurck.Blankes Schwert erstarrt im Hiebe, Glaub und Hoffnung sind erfllt;wunderttig ist die Liebe, die sich im Gebet enthllt".Alles war still, hrte, horchte, und nur erst, als die Tne verhallten,konnte man den Eindruck bemerken und allenfalls beobachten.Alles war wie beschwichtigt, jeder in seiner Art gerhrt.Der Frst, als wenn er erst jetzt das Unheil bershe, das ihn vorkurzem bedroht hatte, blickte nieder auf seine Gemahlin, die, an ihngelehnt, sich nicht versagte, das gestickte Tchlein hervorzuziehenund die Augen damit zu bedecken.Es tat ihr wohl, die jugendliche Brust von dem Druck erleichtert zufhlen, mit dem die vorhergehenden Minuten sie belastet hatten.Eine vollkommene Stille beherrschte die Menge; man schien die Gefahrenvergessen zu haben, unten den Brand und von oben das Erstehen einesbedenklich ruhenden Lwen.Durch einen Wink, die Pferde nher herbeizufhren, brachte der Frstzuerst wieder in die Gruppe Bewegung; dann wendete er sich zu demWeibe und sagte: "Ihr glaubt also, da Ihr den entsprungenen Lwen, woIhr ihn antrefft, durch Euren Gesang, durch den Gesang dieses Kindes,mit Hlfe dieser Fltentne beschwichtigen und ihn sodann unschdlichsowie unbeschdigt in seinem Verschlu wieder zurckbringen knntet?"Sie bejahten es, versichernd und beteuernd; der Kastellan wurde ihnenals Wegweiser zugegeben.Nun entfernte der Frst mit wenigen sich eiligst, die Frstin folgtelangsamer mit dem brigen Gefolge; Mutter aber und Sohn stiegen, vondem Wrtel, der sich eines Gewehrs bemchtigt hatte, begleitet,steiler gegen den Berg hinan.Vor dem Eintritt in den Hohlweg, der den Zugang zu dem Schloerffnete, fanden sie die Jger beschftigt, drres Reisig zu hufen,damit sie auf jeden Fall ein groes Feuer anznden knnten."Es ist nicht not", sagte die Frau; "es wird ohne das alles in Gtegeschehen".Weiter hin, auf einem Mauerstcke sitzend, erblickten sie Honorio,seine Doppelbchse in den Scho gelegt, auf einem Posten als wie zujedem Ereignis gefat.Aber die Herankommenden schien er kaum zu bemerken; er sa wie intiefen Gedanken versunken, er sah umher wie zerstreut.Die Frau sprach ihn an mit Bitte, das Feuer nicht anznden zu lassen;er schien jedoch ihrer Rede wenig Aufmerksamkeit zu schenken.Sie redete lebhaft fort und rief: "schner junger Mann, du hast meinenTiger erschlagen, ich fluche dir nicht; schone meinen Lwen, guterjunger Mann!Ich segne dich".Honorio schaute gerad vor sich hin, dorthin, wo die Sonne auf ihrerBahn sich zu senken begann.Novelle, Kapitel 7"Du schaust nach Abend", rief die Frau; "du tust wohl daran, dortgibts viel zu tun; eile nur, sume nicht, du wirst berwinden.Aber zuerst berwinde dich selbst!" Hierauf schien er zu lcheln; dieFrau stieg weiter, konnte sich aber nicht enthalten, nach demZurckbleibenden nochmals umzublicken; eine rtliche Sonne berschiensein Gesicht, sie glaubte nie einen schhern Jngling gesehen zu haben."Wenn Euer Kind", sagte nunmehr der Wrtel, "fltend und singend, wieIhr berzeugt seid, den Lwen anlocken und beruhigen kann, so werdenwir uns desselben sehr leicht bemeistern, da sich das gewaltige Tierganz nah an die durchbrochenen Gewlbe hingelagert hat, durch die wir,da das Haupttor verschttet ist, einen Eingang in den Schlohofgewonnen haben.Lockt ihn das Kind hinein, so kann ich die ffnung mit leichter Mheschlieen, und der Knabe, wenn es ihm gut deucht, durch eine derkleinen Wendeltreppen, die er in der Ecke sieht, dem Tiereentschlpfen.Wir wollen uns verbergen; aber ich werde mich so stellen, da meineKugel jeden Augenblick dem Kinde zu Hlfe kommen kann"."Die Umstnde sind alle nicht ntig; Gott und Kunst, Frmmigkeit undGlck mssen das Beste tun".--"Es sei", versetzte der Wrtel; "aberich kenne meine Pflichten.Erst fhr ich Euch durch einen beschwerlichen Stieg auf das Gemuerhinauf, gerade dem Eingang gegenber, den ich erwhnt habe; das Kindmag hinabsteigen, gleichsam in die Arena des Schauspiels, und dasbesnftigte Tier dort hereinlocken!" Das geschah; Wrtel und Muttersahen versteckt von oben herab, wie das Kind die Wendeltreppenhinunter in dem klaren Hofraum sich zeigte und in der dstern ffnunggegenber verschwand, aber sogleich seinen Fltenton hren lie, dersich nach und nach verlor und verstummte.Die Pause war ahnungsvoll genug; den alten, mit Gefahr bekannten Jgerbeengte der seltene menschliche Fall.Er sagte sich, da er lieber persnlich dem gefhrlichen Tiereentgegenginge; die Mutter jedoch, mit heiterem Gesicht, bergebogenhorchend, lie nicht die mindeste Unruhe bemerken.Endlich hrte man die Flte wieder; das Kind trat aus der Hhle hervormit glnzend befriedigten Augen, der Lwe hinter ihm drein, aberlangsam und, wie es schien, mit einiger Beschwerde.Er zeigte hie und da Lust, sich niederzulegen; doch der Knabe fhrteihn im Halbkreise durch die wenig entbltterten, buntbelaubten Bume,bis er sich endlich in den letzten Strahlen der Sonne, die sie durcheine Ruinenlcke hereinsandte, wie verklrt niedersetzte und seinbeschwichtigendes Lied abermals begann, dessen Wiederholung wir unsauch nicht entziehen knnen: "aus den Gruben, hier im Graben hr ichdes Propheten Sang; Engel schweben, ihn zu laben, wre da dem Gutenbang?Lw und Lwin, hin und wider, schmiegen sich um ihn heran; ja, diesanften, frommen Lieder habens ihnen angetan!" Indessen hatte sichder Lwe ganz knapp an das Kind hingelegt und ihm die schwere rechteVordertatze auf dem Scho gehoben, die der Knabe fortsingend anmutigstreichelte, aber gar bald bemerkte, da ein scharfer Dornzweigzwischen die Ballen eingestochen war.Sorgfltig zog er die verletzende Spitze hervor, nahm lchelnd seinbuntseidenes Halstuch vom Nacken und verband die greuliche Tatze desUntiers, soda die Mutter sich vor Freuden mit ausgestreckten Armenzurckbog und vielleicht angewohnterweise Beifall gerufen undgeklatscht htte, wre sie nicht durch einen derben Faustgriff desWrtels erinnert worden, da die Gefahr nicht vorber sei.Glorreich sang das Kind weiter, nachdem es mit wenigen Tnenvorgespielt hatte: "denn der Ewge herrscht auf Erden, ber Meereherrscht sein Blick; Lwen sollen Lmmer werden, und die Welleschwankt zurck.Blankes Schwert erstarrt im Hiebe, Glaub und Hoffnung sind erfllt;wunderttig ist die Liebe, die sich im Gebet enthllt".Ist es mglich zu denken, da man in den Zgen eines so grimmigenGeschpfes, des Tyrannen der Wlder, des Despoten des Tierreiches,einen Ausdruck von Freundlichkeit, von dankbarer Zufriedenheit habespren knnen, so geschah es hier, und wirklich sah das Kind in seinerVerklrung aus wie ein mchtiger, siegreicher berwinder, jener zwarnicht wie der berwundene, denn seine Kraft blieb in ihm verborgen,aber doch wie der Gezhmte, wie der dem eigenen friedlichen WillenAnheimgegebene.Das Kind fltete und sang so weiter, nach seiner Art die Zeilenverschrnkend und neue hinzufgend: "und so geht mit guten Kindernselger Engel gern zu Rat, bses Wollen zu verhindern, zu befrdernschne Tat.So beschwren, fest zu bannen liebem Sohn ans zarte Knie ihn, desWaldes Hochtyrannen, frommer Sinn und Melodie".