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1 „Und von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade“ (Johannes 1,16) Gottesdienst Epiphanias 2017 Eine Handreichung für Kirchengemeinden in Württemberg: Liturgie- und Predigtentwurf des Dienstes für Mission, Ökumene und Entwicklung (DiMOE) der Evangelischen Landeskirche in Württemberg

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„Und von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade um Gnade“

(Johannes 1,16)

Gottesdienst Epiphanias 2017

Eine Handreichung für Kirchengemeinden in Württemberg:

Liturgie- und Predigtentwurf des Dienstes für Mission, Ökumene und

Entwicklung (DiMOE) der Evangelischen Landeskirche in Württemberg

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Impressum Herausgegeben vom Evangelischen Oberkirchenrat Gänsheidestrasse 4, 70184 Stuttgart Liturgie und Predigt: Lic.Theol. Marcia Palma und Prälaturpfarrerin Yasna Crüsemann Redaktion und Übersetzung: Prälaturpfarrerin Yasna Crüsemann Dienst für Mission, Ökumene und Entwicklung (DiMOE) Bildnachweis: Titelbild: ONG Oro Negro, Arica, Chile, Foto S. 9: Marcia Palma, Lied aus: Thuma Mina, Nr.140

Dienst für Mission, Ökumene und Entwicklung (DiMOE) Prälaturbüro Ulm Kontakt: [email protected]; Tel.: 0731 14533469 [email protected]; Tel.: 0731/37994522 Sekretariat: Carmen Schuster, Tel.: 0731 37994520 E-Mail: [email protected]

Weitere Informationen unter www.dimoe.de.

Dort steht die hier vorliegende Handreichung als Download

zur Verfügung. In den Büros des DiMOE erhalten Sie den

pdf-Download als Word-Dokument.

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Liebe Kolleginnen und Kollegen,

jedes Jahr an Epiphanias - am Tag der Weltmission - sind die Referentinnen und Referenten aus dem Dienst für Mission, Ökumene und Entwicklung (DiMOE) zu Gast in den Gemeinden unserer Landeskirche. Zu ihnen gehören ökumenische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Derzeit kommen sie aus Chile, Polen und Indonesien. Sie sind für einige Jahre in der württembergischen Landeskirche tätig und bringen hier ihre jeweiligen internationalen und interkulturellen Perspektiven ein. Damit tragen sie zum weltweiten Horizont in unserer Landeskirche bei. Beim vorliegenden Liturgie- und Predigtentwurf werden Erfahrungen und Beispiele aus dem Kontext Chiles und Argentiniens aufgenommen. Die Leitfragen, denen wir im vorliegenden Entwurf anhand des Predigttextes Joh 1,15-18 nachgehen, lauten: Wie kann die Fülle der Gnade Gottes (Joh 1,16), welcher wir in Jesus Christus begegnen und die wir am Erscheinungsfest feiern, in einem Kontext von kultureller und sozialer Diskriminierung konkret erfahren werden? Was bedeutet das dann für unseren Kontext und unser Leben hier? Epiphanias ist ein Fest, das in unterschiedlichen Kulturen unterschiedliche Ausdrucksformen kennt. Wie viel können wir in unseren Gemeinden zulassen an kultureller Vielfalt? Was bedeutet die Gnade aus der Fülle Jesu für die Verwundbarsten in der Gesellschaft? Wozu befreit die Gnade uns? Wir wünschen einen gesegneten Gebrauch und grüßen Sie herzlich! Lic. theol. Marcia Palma, Ökumenische Mitarbeiterin aus Chile und Prälaturpfarrerin Yasna Crüsemann, DiMOE, Ulm

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LITURGIE

Vorspiel

Lied: EG 66, 1.2.7.8 „Jesus ist kommen…“

Votum/Begrüßung

Wir feiern diesen Gottesdienst zum Erscheinungsfest

im Namen Gottes, Quelle unseres Lebens,

im Namen Jesu Christi, Licht für die Welt

und im Namen des Hl. Geistes, Kraft, die uns tröstet und

befreit.

AMEN

Denn es ist erschienen die heilsame Gnade Gottes allen

Menschen!

Mit diesem Wort aus dem Titusbrief grüße ich Sie zum

Gottesdienst an Epiphanias. Wir feiern die heilsame

Gnade, die in Christus aller Welt begegnet. Sie verbindet

uns mit den Geschwistern aus allen Weltgegenden.

Vielfältig sind die Kulturen und Traditionen, die diesen

Tag auf ihre je eigene Weise feiern. Vielfältig sind die

Umstände, unter denen Menschen feiern. Manche feiern

inmitten großer Not. Uns verbindet, dass wir alle aus der

Fülle dieser Gnade schöpfen. Uns eint das Licht der

Hoffnung, das uns in Christus begegnet. Von ihm heißt

es im Wort aus dem 1. Johannesbrief, das über diesem

Tag steht:

Die Finsternis vergeht und das wahre Licht scheint jetzt

(1.Joh 2,8)

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Als Psalmgebet: EG 763 Hymnus aus dem

Johannes-Evangelium

(Alternativ: Psalm 100 EG 740)

Lasst uns gemeinsam Gott loben mit dem Hymnus aus

dem Johannesevangelium.

(Alternativ: Lasst uns gemeinsam beten mit Worten aus

Psalm 100)

Abschluss (gesungen):

Ehr sei dem Vater und dem Sohn und dem Hl. Geist, wie

es war im Anfang, jetzt und immerdar und von Ewigkeit

zu Ewigkeit. AMEN (2x)

Eingangsgebet und Stilles Gebet

Gott des Lebens,

Du hast uns deinen Sohn gesandt

als Wort des Lebens,

damit unsere Augen sehen und unsere Ohren hören.

Öffne unsere Augen und Ohren,

damit wir Dein Wort hören und ihm vertrauen.

In ihm kommt Deine heilsame Gnade zu uns,

die allen Menschen erschienen ist.

Lass uns erfahren, was es heißt

aus Deiner Gnade zu leben:

befreit von allem, womit wir uns selbst

und einander das Leben schwer machen.

befreit zu einer Gemeinschaft,

die füreinander da ist.

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Dein Erscheinen in dieser Welt

überwindet Grenzen

zwischen Menschen, Völkern, Kulturen.

Dein Wort verbindet,

die einander fremd sind.

Erfüll uns mit der Kraft deines Geistes

dass wir Deine gute Nachricht

vom Frieden auf Erden

hinaustragen in unsere Welt.

Stilles Gebet

In der Stille bringen wir vor Dich, was uns bewegt und

beten miteinander und füreinander:

Abschluss:

Komm göttliches Licht, erleuchte dir Erde, erfüll unsere

Herzen, nimm Wohnung in uns.

AMEN

Schriftlesung:

Als Schriftlesung hören wir Matthäus 2,1-12

1 “Als Jesus geboren war in Bethlehem in Judäa zur Zeit

des Königs Herodes, siehe, da kamen Weise aus dem

Morgenland nach Jerusalem und sprachen: 2 Wo ist der

neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern

gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn

anzubeten. 3 Als das der König Herodes hörte, erschrak

er und mit ihm ganz Jerusalem, 4 und er ließ

zusammenkommen alle Hohenpriester und

Schriftgelehrten des Volkes und erforschte von ihnen,

7

wo der Christus geboren werden sollte. 5 Und sie sagten

ihm: In Bethlehem in Judäa; denn so steht geschrieben

durch den Propheten (Micha 5,1): 6 »Und du, Bethlehem

im jüdischen Lande, bist keineswegs die kleinste unter

den Städten in Juda; denn aus dir wird kommen der

Fürst, der mein Volk Israel weiden soll«. 7 Da rief

Herodes die Weisen heimlich zu sich und erkundete

genau von ihnen, wann der Stern erschienen wäre, 8

und schickte sie nach Bethlehem und sprach: Zieht hin

und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr's

findet, so sagt mir's wieder, dass auch ich komme und

es anbete. 9 Als sie nun den König gehört hatten, zogen

sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland

gesehen hatten, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort

stand, wo das Kindlein war. 10 Als sie den Stern sahen,

wurden sie hocherfreut 11 und gingen in das Haus und

fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen

nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und

schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe. 12 Und

Gott befahl ihnen im Traum, nicht wieder zu Herodes

zurückzukehren; und sie zogen auf einem andern Weg

wieder in ihr Land.“

Abschluss: Selig sind, die Gottes Wort hören und

bewahren. AMEN

Lied EG 70, 1-4 „Wie schön leuchtet der

Morgenstern“

(Alternativ: Lied EG 69, 1-4 „Der Morgenstern ist

aufgedrungen“)

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Predigt über Johannes 1,15-18

Licenciada Theol. Marcia Palma (Chile)

Liebe Gemeinde,

jedes Jahr um den 6. Januar pilgern tausende Menschen

nach La Tirana, einem kleinen Wallfahrtsort im Norden

Chiles. Sie feiern Epiphanias oder wie es dort heißt: La

Pascua de los Negros – das Fest der Schwarzen.

Tanzend ziehen die Gläubigen zur Musik von Flöten und

Trommeln durch die Straßen. In einer Prozession folgen

sie bestickten Bilderteppichen und Jesusfiguren, denen

sie mit Taschentüchern zuwinken. Sie heißen den

neugeborenen Jesus willkommen. Jesus trägt einen

Poncho (Awayu) in bunten Farben. Es ist das

Festgewand der indigenen Landbevölkerung.

Christlicher Glaube und indigene Bräuche haben sich bei

diesem jahrhundertealten Fest vermischt. Inzwischen

feiert auch die afrikanisch stämmige Minderheit mit, die

seit der Zeit der Sklaverei im Norden Chiles beheimatet

ist. Ihre Kultur wurde lange missachtet und unterdrückt.

Seit Jahren kämpfen sie darum wahrgenommen und

anerkannt zu werden. Mit dem Erscheinungsfest treten

sie nun seit einigen Jahren aus dem Schatten der

Unsichtbarkeit heraus. Dazu verhilft ihnen einer der

„Heiligen Drei Könige“, wie die Weisen aus dem

Morgenland heute genannt werden. Es ist der schwarze

König. Für sie ist es der König Balthasar. Er ist

dunkelhäutig wie sie und fehlt an keiner Krippe. Warum

sollten sie also nicht wie er einen Platz an der Krippe

und beim Fest haben? An Epiphanias hat die ganze Welt

9

einen Platz an der Krippe Jesu. Alle dürfen dabei sein

mit ihrer Kultur, ihren Traditionen und ihrer Art zu feiern.

Niemand wird ausgeschlossen. So ist das mittlerweile

auch in La Tirana. Die Afrochilenen müssen sich nicht

mehr zu Hause verstecken. Sie feiern nun mit allen mit

und tanzen mit: Die Pascua de los Negros ist ein

fröhliches und ausgelassenes Fest. Epiphanias ist ein

Fest der Fülle, der Freude und der kulturellen Vielfalt.

An diese Fülle erinnert der Predigttext für das heutige

Erscheinungsfest. Er steht im Johannesevangelium. Ich

lese Johannes 1, 15-18:

„15 Johannes gibt Zeugnis von ihm und ruft: Dieser war

es, von dem ich gesagt habe: Nach mir wird kommen,

der vor mir gewesen ist; denn er war eher als ich. 16

Und von seiner Fülle haben wir alle genommen Gnade

um Gnade. 17 Denn das Gesetz ist durch Mose

gegeben; die Gnade und Wahrheit ist durch Jesus

Christus geworden. 18 Niemand hat Gott je gesehen;

der Eingeborene, der Gott ist und in des Vaters Schoß

ist, der hat ihn uns verkündigt.“

In La Tirana im Norden Chiles erfahren und feiern sie

heute die Fülle der Gnade.

In La Boca, dem Hafenviertel von Buenos Aires in

Argentinien, gibt es oft keine Gnade. Jedenfalls gab es

sie nicht für den 18 jährigen Juan. Juan ist einer von

vielen Jugendlichen im Viertel. Er lebt im gefährlichsten

Teil von La Boca: der „Isla“. Diesen Teil lernen die

unzähligen Touristen nicht kennen, die nach La Boca

10

kommen. Sie besuchen dort den berühmten „Caminito“,

eine Straße mit bunt lackierten Holzhäuschen, wo viele

Paare unter freiem Himmel Tango tanzen. Und natürlich

besuchen sie auch das Stadion des berühmten

Fußballclubs „Boca Juniors“.

Die Jugendlichen in La Boca leben in einer anderen, in

einer gnadenlosen Welt. An fast jeder Straßenecke wird

mit Drogen gehandelt. Viele Jugendliche haben keine

Ausbildung und keine Arbeit. Die Jugendlichen leben auf

der Straße. Unterstützung gibt es weder vom Staat noch

von der Familie. Nicht nur auf der Straße geht es

gnadenlos gewalttätig zu. Auch zu Hause erleben die

Jugendlichen Gewalt. Das Schlimmste ist, wenn man

nicht einmal mehr zu Hause sicher ist.

So war es bei Juan. Er lebte mit seinem Vater und

seinen kleinen Brüdern zusammen. Als seine Mutter

wegging, um mit einem anderen Mann zusammen zu

leben, war das für Juan katastrophal. Sein Vater hat ihn

oft geschlagen. Juan war zu Hause nie sicher. Immerhin

konnte er zur Schule gehen, wenn auch nur morgens.

Nachmittags musste er arbeiten. Bis spät in die Nacht

lieferte er Pizza aus, um etwas Geld heimzubringen. Am

nächsten Morgen schlief er dann in der Schule ein.

Manchmal verschlief er auch ganz oder kam zu spät.

Gnadenlos geht es an vielen Orten in Lateinamerika zu:

bei Juan und den Jugendlichen in La Boca, bei

kulturellen Minderheiten, deren Kulturen verachtet

werden in einer Welt, die immer noch von kolonialem

11

Denken geprägt ist. Gnadenlos geht es auch bei vielen

anderen zu.

Johannes spricht von der Fülle der Gnade, die in Jesus

erschienen ist.

Wie erfährt man Gnade in einer gnadenlosen Welt?

Die afrochilenische Gemeinde im Norden Chiles erfährt

Epiphanias, das „Fest der Schwarzen“ als Fest der

Befreiung. Sie müssen sich nicht mehr in ihren Häusern

verstecken. Sie feiern mit. Sie zeigen ihre Kultur und

Tradition. Sie werden öffentlich sichtbar und

wahrgenommen. Sie haben einen Platz im Fest, an der

Krippe und damit in der Gesellschaft. Sie gehören

gleichberechtigt dazu. So erfahren sie die Fülle der

Gnade: wir können unsere Traditionen und unsere Kultur

zeigen und leben. Wir sind Teil des Festes und Teil

dieser Gesellschaft. Wir gehören dazu. Das ist

befreiend.

Jesus ist erschienen! Das bedeutet: auf eine gnadenlose

Welt trifft ein Lichtstrahl der Hoffnung und des

Widerstandes. Christus erscheint als einer, der Gott in

dieser Welt bezeugt: als befreiende Gnade in einer

gnadenlosen Welt, als einer, der die Schreie der

Bedürftigen hört und ihnen antwortet. Die Antwort darauf

zeigt sich in konkreter Hilfe für das, was Menschen

grundlegend zum Leben brauchen: Anerkennung,

Teilhabe, Würde.

Juan hat diese befreiende Gnade durch seine Lehrer

und Mitschüler erfahren. Sie wussten um die Armut und

12

die Gewalt, die er zu Hause erlebte. Sie haben nicht

weggesehen. Sie motivierten Juan und unterstützten ihn,

damit er die Schule erfolgreich beendete. Die

evangelisch- methodistische Schule William Morris, in

die Juan ging, ist eine christliche Antwort auf die

gnadenlose Situation, in der viele verlassene Kinder und

Jugendliche des Viertels leben. Für viele arme Familien

im Viertel ist die Schule ein Ort der Hoffnung. Denn die

Jugendlichen bekommen dort nicht nur eine intellektuelle

Bildung. Ihnen werden Wege der Hoffnung gezeigt, die

ihnen helfen sich persönlich weiter zu entwickeln. Das

geschieht durch Kurse wie Theater oder Kommunikation.

Sie nehmen am geistlichen Leben teil. Sie werden

begleitet. Es gibt Zeltlager und Freizeiten, in denen sie

Gemeinschaft und Beziehungen ohne Gewalt erleben

können.

Jesus ist erschienen! Das heißt: er wird sichtbar in der

Welt und verändert sie dadurch. Er geht mit denen, die

in der Welt als verloren gelten und gnadenlos verlassen

sind. Christus ist der Gott, der mit uns geht. Er teilt unser

Leben und unser Schicksal. Er begleitet uns als

Immanuel: Gott mit uns.

Johannes schreibt: …das Gesetz ist durch Mose

gegeben; die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus

Christus geworden. Jesus als Jude war nicht gegen das

Gesetz (die Thora). Er wendet sich dagegen, dass das

Gesetz nicht im Sinne Gottes erfüllt oder gar übertreten

wird. Denn das Gesetz, das Mose gegeben wurde, dient

dazu den Schutzlosen zu helfen. So heißt es im 2. Buch

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Mose (Ex 22,21): Ihr sollt Witwen und Waisen nicht

bedrücken, Wirst du sie bedrücken und werden sie zu

mir schreien, so werde ich ihr Schreien erhören.

Ähnlich erleben es viele Gruppen der Bevölkerung, zu

denen auch die jungen Menschen wie Juan gehören. Es

gibt zwar Gesetze zu ihrem Schutz, doch die werden oft

missachtet und nicht angewandt. Korruption, eigene

Interessen oder Gewohnheiten sind stärker. So werden

viele eines würdigen Menschseins beraubt. Körperlich,

kulturell oder auch sozial werden sie entmenschlicht.

Viele haben von vorneherein keine Chance auf ein

gutes Leben. Sie haben keine Chance auf eine sichere

Kindheit und Jugend, geschweige denn auf eine

Ausbildung, die ihnen hilft sich weiter zu entwickeln.

Deshalb sind die Erfahrungen, die Jugendliche in der

William Morris Schule machen, konkrete Zeichen einer

befreienden Gnade Gottes. Die geistliche Begleitung, die

Unterstützung durch die Lehrerinnen und Lehrer und die

Solidarität untereinander helfen ihnen, sich von ihrer

aufgestauten Wut und ihren Ängsten nach und nach zu

befreien. Sie lernen das Schweigen zu brechen und über

die bittere Gewalt zu reden, die sie erfahren haben.

Freundschaften wachsen und oft werden die Freunde zu

ihrer neuen Familie. Juan und seine Freunde erfahren

Gott ganz konkret in der Gemeinschaft untereinander:

sie hören einander zu. Sie solidarisieren sich mit dem

Schmerz und dem Leiden der anderen. Umarmungen,

liebevolle Gesten oder Worte des Trostes werden zu

Erfahrungen der Nähe Gottes. Im 1. Johannesbrief

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(1.Joh 4,12) heißt es: Niemand hat Gott jemals gesehen.

Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns,

und seine Liebe ist in uns vollkommen.

In einer liebevollen und heilsamen Gemeinschaft wird

Gott konkret erfahren. Christus verwandelt sich in einen

Weggefährten, der Licht ins Leben bringt und ein

anderes Leben eröffnet. In einer Gemeinschaft, in der

sich Menschen gegenseitig unterstützen, wachsen

Mitgefühl und Solidarität.

Es ist ein anderes Modell von Zusammenleben und

Gesellschaft als das, in dem Menschen erniedrigt und

verachtet werden.

Wer die Gnade Gottes erfährt, gibt sie weiter. Juan hat

seinen Brüdern mit Worten, Gesten und Taten gezeigt,

wie man liebevoll und ohne Gewalt miteinander

umgehen kann. Die Gnade verwandelt sich in Segen,

der weitergegeben wird.

Vor ein paar Jahren hat Juan seinen Schulabschluss

gemacht. Mit dem, was er als Pizzaausträger verdient

hat, hat er sich seinen Traum erfüllt und ein Motorrad

gekauft. Er macht weiterhin Gelegenheitsjobs. Seine

Arbeitstage sind immer noch sehr lang. Seine Freunde

sind verschiedene Wege gegangen, einige studierten an

der Universität, andere haben einen mittleren Abschluss,

wieder andere sind Mütter und Väter geworden. Bis

heute treffen sie sich, um miteinander das Leben zu

feiern.

15

Die Gnade, die aus der Fülle Gottes kommt und uns in

Jesus konkret begegnet, befreit zu einer neuen

Gemeinschaft. Sie befreit uns zu solidarischem Handeln

und zu einem Leben in Fülle. Die afrochilenische

Gemeinde und andere Gruppen befreit sie zu einem

Leben, in dem sie inmitten kultureller Vielfalt einen Platz

und Anerkennung finden. Die Jugendlichen ohne

Zukunftschancen befreit sie zu einem Leben in Würde

und Angenommensein.

Wo Menschen zum Leben, zu ihrer Würde und zur

Teilhabe verholfen wird, begegnen wir Christus. Wo wir

anderen Kulturen und ihren Traditionen offen begegnen,

können wir die Fülle Gottes in der Vielfalt der Kulturen

entdecken. Wir lernen Andere nicht als Invasoren oder

als Problem zu sehen. Denn wir leben alle aus der Fülle

Gottes. Wir alle schöpfen aus ihr Gnade um Gnade. Wir

alle haben Anteil an der Fülle des Lebens.

Die Fülle der Gnade findet sich dort, wo Menschen bereit

sind einander zu verstehen und die Sichtweise der

anderen einzunehmen. So können Dialog und die

Begegnung mit einer anderen Weltsicht, mit anderen

Kulturen und religiösen Traditionen wachsen. An der

Krippe Jesu treffen sich Menschen aus allen Teilen der

Welt. Mit ihren Geschenken bringen sie verschiedene

Traditionen an die Krippe. Und von dort empfangen sie

selbst das ersehnte Geschenk: die Fülle der Gnade und

das Licht der Hoffnung begleiten sie fortan auf ihrem

Weg.

AMEN

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Juan mit seiner Gitarre (Foto Marcia Palma)

Lied nach der Predigt:

EG 268, 1-5 „Strahlen brechen viele“

Fürbitten und Vaterunser

Lasst uns beten. Nach den Worten: „Wir rufen zu dir“

antworten wir mit dem Liedvers:

EG 575: Komm, göttliches Licht, erleuchte die Erde,

erfüll unsere Herzen, nimm Wohnung in uns.

Barmherziger Gott,

Wir danken dir für die Fülle deiner Gnade,

die uns in Deinem Wort begegnet

und als Kind in der Krippe liegt.

17

Wir bitten Dich um deine heilsame Gnade

für diese Welt, in der wir oft so gnadenlos miteinander,

mit der Schöpfung,

aber auch mit uns selbst umgehen.

Wir rufen zu Dir:

Komm, göttliches Licht, erleuchte die Erde, erfüll

unsere Herzen, nimm Wohnung in uns.

Barmherziger Gott,

wir bitten Dich um Gnade für alle,

die unter Krieg, Terror und Hunger leiden,

die aus ihrer Heimat fliehen und

in einer neuen Kultur und in einem fremden Land zu

Recht finden müssen.

Wir bitten Dich für die Kinder und Jugendlichen, die

verlassen sind

und die keine Perspektive haben,

Du bist Anwalt derer, die in Not und rechtlos sind.

Lass sie Deine Hilfe erfahren und

mach uns zu Menschen, durch die andere Deine Gnade

erfahren.

Wir rufen zu Dir:

Komm, göttliches Licht, erleuchte die Erde, erfüll

unsere Herzen, nimm Wohnung in uns.

Barmherziger Gott,

wir bitten dich für Deine Kirche, dass sie ein Ort sei

der Gemeinschaft und der Begegnung,

der Stärkung und gegenseitigen Unterstützung.

Für unsere Geschwister überall auf der Welt und

für die Kirchen, mit denen wir weltweit verbunden sind.

18

Stärke uns alle im Glauben,

damit Dein Wort überall verkündigt werde

zur Freude, zum Trost und zur Erbauung der Menschen.

Wir rufen zu Dir:

Komm, göttliches Licht, erleuchte die Erde, erfüll

unsere Herzen, nimm Wohnung in uns.

Barmherziger Gott,

Wir bitten Dich für die, die krank sind an Leib und Seele,

für die Sterbenden und Trauernden,

für alle, denen es an Liebe, an Mitgefühl, an Toleranz

und Gemeinschaft fehlt.

Umarme sie mit der Kraft Deiner Liebe.

Lass sie Trost und Hilfe finden,

Sei ihnen und uns allen nahe.

Erfülle uns mit deiner heilsamen Gnade

Heute und in Ewigkeit

Komm, göttliches Licht, erleuchte die Erde, erfüll

unsere Herzen, nimm Wohnung in uns.

Verbunden mit der weltweiten Christenheit beten wir

gemeinsam das Gebet Jesu:

Vater unser …

Lied: Wwdl 74 „Shalom, der Herr segne uns“

(Alternativ: EG 74, 1-4 Du Morgenstern, du Licht vom

Licht)

Abkündigungen

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Segen

Geht in diesen Tag und in die kommenden mit dem

Segen Gottes:

Gott segne dich und behüte dich.

Gott lasse sein Antlitz leuchten über dir und sei dir

gnädig.

Gott erhebe sein Antlitz auf dich und gebe dir Frieden.

Gesungenes AMEN (3x)

Evtl. nach dem Segen im Stehen: EG 44 „Oh Du

fröhliche“

Nachspiel

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Anmerkung zu den Liedern:

In diesem Liturgieentwurf wurden Lieder des

Evangelischen Gesangbuches (EG) und des

Liedhefts „Wo wir dich loben“ (Wwdl) verwendet, um

kein zusätzliches Liedblatt zu benötigen.

Als weitere Lieder aus der weltweiten Ökumene könnten

folgende Lieder in den Gottesdienst aufgenommen

werden:

Wwdl 31 Ehre sei Gott – Gloria a Dios (aus Peru)

Thuma Mina Nr. 140 Ihr vielen Völker all (aus

Philippinen –Weltgebetstagsland 2017!)

Thuma Mina Nr. 226 Llamado soy de Dios (aus

Kuba),

Dasselbe auch in: Durch Hohes und Tiefes.

Gesangbuch der Evangelischen

Studierendengemeinden in Deutschland, Nr. 384

Durch Hohes und Tiefes: Nr. 370 Somos todos

hermanos (aus Peru)